Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 02. Mai 2018 - 1 OLG 2 Ss 1/18

ECLI:ECLI:DE:POLGZWE:2018:0502.1OLG2SS1.18.00
02.05.2018

Tenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil der 5. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 10. Oktober 2017 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Amtsgericht - Strafrichter - Bad Dürkheim hat die Angeklagte am 30. Mai 2016 wegen Diebstahls „im besonders schweren Fall“ in Tateinheit mit veruntreuender Unterschlagung und unerlaubten sich Verschaffens von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu je 50,-- EUR verurteilt. Die Berufung der Angeklagten hat das Landgericht mit Urteil vom 10. Oktober 2017 mit der Maßgabe verworfen, dass die Angeklagte unter Einbeziehung „der Verurteilung durch das Amtsgericht Ludwigshafen vom 6. Juni 2017“ zu einer Gesamtgeldstrafe von 160 Tagessätzen zu je 50,-- EUR verurteilt worden ist.

2

Die hiergegen gerichteten Revision der Angeklagten ist begründet und führt auf die Sachrüge zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung.

I.

3

Nach den Feststellungen des Landgerichts trat die Angeklagte am Abend des 3. Juli 2015 ihre Nachtschicht als Altenpflegerin in einem Alten- und Pflegeheim in Bad Dürkheim an. Zu Dienstbeginn händigte ihr die Pflegefachkraft der Vorgängerschicht einen Schlüsselbund aus, an dem sich unter anderem der Schlüssel für einen im Stationszimmer befindlichen Tresor befand, in welchem unter das Betäubungsmittelgesetz fallende Medikamente aufbewahrt wurden. Wurde ein solches Medikament dem Tresor entnommen und aufgrund ärztlicher Verordnung einem Bewohner ausgehändigt, hatte die Pflegekraft dies am Ende ihrer Schicht unter Verwendung eines Namenskürzels in einer Liste zu dokumentieren; der Medikamentenbestand wurde in regelmäßigen Abständen kontrolliert und mit den Einträgen der Liste abgeglichen. Der Angeklagten war verboten, den Schlüssel dritten Personen, etwa den eingesetzten Pflegehelfern, auszuhändigen, da die Ausgabe von Medikamenten und/oder Betäubungsmitteln allein ihr als einzig für die Schicht zuständige examinierte Fachkraft oblag. Ein weiterer Schlüssel zu dem Tresor existierte nach den Feststellungen des Landgerichts nicht.

4

Im Verlaufe ihrer von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr des Folgetages andauernden Schicht öffnete die Angeklagte mit dem ihr übergebenen Schlüssel den Tresor und entnahm diesem einen Blister mit 10 Tabletten des Medikaments Oxycodon (Betäubungsmittel i.S.d. Anlage III zum BtMG), um dieses für sich zu behalten. Den betreffenden Schlüssel „nahm die Angeklagte an sich, um ihn für sich zu behalten“ und auf diese Weise dafür zu sorgen, dass er nicht mehr an die Berechtigten zurückgelangte (UA S. 5). In den frühen Morgenstunden des 4. Juli 2015, „irgendwann nach 04:30 Uhr“ äußerte die Angeklagte gegenüber den Pflegehelfern S. und W., sie habe den Schlüsselbund mit dem Tresorschlüssel verloren. Dieser blieb dauerhaft verschwunden, weshalb der Tresor am darauffolgenden Montag vom Hausmeister aufgeflext werden musste.

5

Das Landgericht hat hinsichtlich des Tablettenblisters die Voraussetzungen der §§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 2 StGB bejaht. Zwar habe die Angeklagte als examinierte Fachkraft der Nachtschicht den Schlüssel berechtigt in ihrem Besitz gehabt. Die Entnahme von Betäubungsmitteln für eigene Zwecke sei ihr jedoch nicht erlaubt gewesen. Die Strafkammer war ferner der Auffassung, dass die Angeklagte hinsichtlich des Schlüsselbundes die „Voraussetzungen einer Zueignung im Sinne des § 246 Abs. 1 StGB“ erfüllt habe, weil sie diesen bewusst und gewollt sowie dauerhaft nicht mehr an den Eigentümer zurückgereicht habe.

II.

6

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

7

1. Der Schuldspruch wegen eines Diebstahls an den Tabletten hat bereits deshalb keinen Bestand, weil das Landgericht die tatsächlichen Voraussetzungen einer Wegnahme i.S.d. § 242 StGB nicht hinreichend belegt hat.

8

a) In Arbeits- bzw. Dienstverhältnissen hat zwar der Arbeitnehmer bzw. Dienstverpflichtete in der Regel nur Mitgewahrsam an den ihm überlassenen Arbeitsmitteln oder Waren inne, da er diesbezüglichen arbeitsrechtlichen Weisungen unterliegt (Vogel in LK-StGB, 12. Aufl., § 242 Rn. 79). Anderes gilt aber dann, wenn der Dienstverpflichtete einen Bestand selbstständig zu verwalten und dessen Inhalt eigenverantwortlich abzurechnen hat, etwa als Kassierer in einem Supermarkt hinsichtlich des Kasseninhalts (BGH, Urteil vom 07.11.2000 - 1 StR 377/00 und Beschluss vom 03.04.2001 - 1 StR 45/01, jew. zit. n. juris). Das generelle Kontroll- und Weisungsrecht des Dienstherrn gegenüber seinem Bediensteten begründet in einem solchen Fall nicht ohne weiteres den Mitgewahrsam des Dienstherrn (Kretschmer in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, Anwaltkommentar StGB, 2. Aufl. 2015, § 242 Rn. 26). Denn dieser kann und darf nicht ohne die Mitwirkung des für den Bestand verantwortlichen Angestellten auf die im Bestand befindlichen Gegenstände zugreifen (Schmitz in MünchKomm-StGB, 3. Aufl. § 242 Rn. 79). Auch derjenige, der eine Sache in Verwahrung gibt und - etwa mangels eines Schlüssels - keinen Zugang zum Verwahrungsgut mehr hat, verliert seinen (Mit-)Gewahrsam an dem Verwahrgut (Vogel aaO. Rn. 81 m.w.N.). Nimmt der Verwahrer das Verwahrgut daher unrechtmäßig an sich, liegt regelmäßig lediglich Unterschlagung und nicht Diebstahl vor.

9

b) Nach diesen Maßstäben kann aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass die Angeklagte im Zeitpunkt des Zugriffs auf die Tabletten Alleingewahrsam an diesen hatte und folglich (lediglich) eine Unterschlagung (§ 246 StGB) begangen hat. Die Feststellungen des Landgerichts verdeutlichen nicht, worin es einen Mitgewahrsam der Bewohner, denen das Medikament verordnet worden war und die dieses in die Verwahrung des Pflegeheims gegeben haben, und/oder der der Angeklagten dienstrechtlich vorgesetzten Personen gesehen hat. Angesichts dessen, dass sich die Angeklagte berechtigt im Besitz des (einzigen) Tresorschlüssels befunden hat und Änderungen im Bestand des Tresorinhalts von ihr zu dokumentieren gewesen wären, versteht sich auch nicht von selbst, dass die Angeklagte den Gewahrsam einer anderen Person gebrochen hat. Weil nicht auszuschließen ist, dass entsprechende Feststellungen noch getroffen werden können, bedarf die Sache deshalb erneuter Verhandlung und Entscheidung.

10

c) Rechtlichen Bedenken begegnet zudem die Annahme des Landgerichts, die Angeklagte habe das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB verwirklicht.

11

Wer ein verschlossenes Behältnis mit einem (echten) Schlüssel öffnet, den er vom Berechtigten zum Zwecke der Verwendung erhalten und daher befugt in Besitz hat, kann zwar seine Befugnis missbrauchen, „überwindet“ jedoch keine besondere Sicherung gegen Wegnahme (vgl. BGH, Beschluss vom 05.08.2010 - 2 StR 385/10, NJW 2010, 3175; OLG Hamm, Urteil vom 23.09.1981 - 7 Ss 1030/81, NJW 1982, 777; Vogel aaO. § 243 Rn. 32; s.a.: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.07.2009 - 1 Ss 177/08, NStZ-RR 2010, 48). Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird aber ggfs. zu prüfen haben, ob ein unbenannter besonders schwerer Fall (§ 243 Abs. 1 S. 1 StGB) vorliegt.

12

2. Das Urteil begegnet auch dahingehend durchgreifenden rechtlichen Bedenken soweit das Landgericht eine Unterschlagung an dem Tresorschlüssel angenommen hat.

13

a) Tathandlung der Unterschlagung ist, dass der Täter eine für ihn fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten zueignet, wofür nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 07.12.1959 - GSSt 1/59, BGHSt 14, 38, 41; Fischer, StGB, 65. Aufl. § 246 Rn. 6a) eine nach außen erkennbar gewordene Manifestation des Zueignungswillens erforderlich ist. Das schlichte Behalten einer überlassenen Sache über den Zeitpunkt des Behaltendürfens hinaus, genügt in der Regel nicht zur Annahme einer Unterschlagung; denn bloßes Unterlassen der geschuldeten Rückgabe kann nicht als Manifestation des Zueignungswillens angesehen werden (Senat, Beschluss vom 21.08.2009 - 1 Ss 57/09, juris Rn. 31). Wie beim Diebstahl (§ 242 StGB) muss der Vorsatz des Täters sich nicht nur auf eine Enteignung des Berechtigten erstrecken. Er muss - quasi spiegelbildlich hierzu - vielmehr auch auf eine (Dritt-)Aneignung gerichtet sein. Der Täter muss den Willen haben, die Sache der Substanz oder dem Sachwert nach dem eigenen Vermögen (bzw. dem eines Dritte) “einzuverleiben”, sie - wenn auch nur für begrenzte Zeit - seinem Sach- oder Substanzwert nach “für sich auszunutzen“ (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.01.1987 - 5 Ss 414/86, NJW 1987, 2526). Daher erfüllt eine bloße Preisgabe, Beschädigung oder Zerstörung einer Sache den Begriff der Zueignung i.S.v. § 246 StGB im Regelfall nicht (Vogel aaO. § 246 Rn. 20; Hohmann in MünchKomm-StGB, 3. Aufl., § 246 Rn. 23). Wer eine ihm überlassene Sache lediglich dem Eigentümer entziehen will, etwa indem er sie zerstört, handelt ohne Aneignungswillen (OLG Düsseldorf aaO.). Gleiches gilt für denjenigen, der eine ihm überlassene Sache wegwirft, um sie so auf Dauer dem Zugriff des Eigentümers zu entziehen.

14

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Landgericht seine Annahme, die Angeklagte habe den Schlüssel an sich genommen, „um ihn für sich zu behalten“ (UA S. 5) nicht tragfähig begründet. Allein der Verweis auf das Motiv der Angeklagten, dafür Sorge tragen zu wollen, dass dieser nicht mehr an „die Berechtigten zurückgelangte“, genügt dafür nicht. Denn dadurch wird lediglich der Wille zur Enteignung des Berechtigten dokumentiert; ein Grund, weshalb es der Angeklagten zugleich auf eine Aneignung des Schlüssels angekommen sein soll, ergibt sich daraus nicht ohne weiteres. Denn ein Zurückgelangen des Schlüssels hätte die Angeklagte auch dadurch verhindern können, dass sie sich dessen entäußert, etwa indem sie ihn wegwirft.

15

c) Zwar kommt in Betracht, dass der Wille zur Aneignung in der den Interessen des Berechtigten zuwiderlaufenden Verwendung des Schlüssels seinen Ausdruck gefunden hat. Dass die Angeklagte zu diesem Zeitpunkt aber bereits den Willen gefasst hatte, den Schlüssel anschließend nicht mehr an den Berechtigten zurückzugeben, kann den Urteilsgründen auch in ihrer Gesamtheit nicht eindeutig entnommen werden. Entsprechende Ausführungen waren angesichts der Feststellungen des Landgerichts zu den zeitlichen Abläufen - zwischen der Entwendung der Tabletten (spätestens 01:00 Uhr) und der Äußerung der Angeklagten, sie habe den Schlüsselbund verloren - lagen ca. dreieinhalb Stunden, jedoch nicht entbehrlich. Es ist nicht ohne weiteres auszuschließen, dass die Angeklagte einen diesbezüglichen Entreicherungswillen erst nach der Verwendung des Schlüssels gefasst hat. Dies stünde einer Zueignung i.S.v. § 246 StGB entgegen.

16

d) Mit Blick auf die Schwierigkeiten die mit einer weiteren Sachaufklärung verbunden sein werden, kann sich hinsichtlich dieses Vorwurfs eine Verfahrensweise nach § 154a Abs. 1 und 2 StPO anbieten.

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Strafprozeßordnung - StPO | § 154a Beschränkung der Verfolgung


(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind, 1. für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder2. neben einer Strafe oder Maß

Strafgesetzbuch - StGB | § 243 Besonders schwerer Fall des Diebstahls


(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Gesc

Strafgesetzbuch - StGB | § 242 Diebstahl


(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Strafgesetzbuch - StGB | § 246 Unterschlagung


(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. (2) Ist in

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Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Apr. 2001 - 1 StR 45/01

bei uns veröffentlicht am 03.04.2001

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 45/01 1 StR 75/01 vom 3. April 2001 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. wegen schweren Raubes Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. April 2001 gemäß §§ 4, 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 377/00 vom 7. November 2000 in der Strafsache gegen wegen schweren Raubes u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. November 2000, an der teilgenommen haben: Vorsitz

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(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält,
2.
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist,
3.
gewerbsmäßig stiehlt,
4.
aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient,
5.
eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist,
6.
stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder
7.
eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 377/00
vom
7. November 2000
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. November
2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Schaal,
Bundesanwalt und Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

I.

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 8. Februar 2000, soweit es ihn betrifft, im Schuldspruch dahin abgeändert, daß der Angeklagte im Fall B I der Urteilsgründe der Unterschlagung und im Fall B VIII der Urteilsgründe der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Geiselnahme schuldig ist, und im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Die Ä nderung des Schuldspruchs im Fall B I der Urteilsgründe gilt auch für den früheren Mitangeklagten S. . 4. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es den Angeklagten betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben soweit von der Anordnung von Sicherungsverwahrung abgesehen ist und im gesamten Strafausspruch.

II.

Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1. Die Strafkammer hat folgendes festgestellt:
a) Der Angeklagte hat am 5. Oktober 1998 nachts zusammen mit dem früheren Mitangeklagten S. im Einvernehmen mit dem Nachtkassierer einen bewaffneten Überfall auf eine Tankstelle fingiert, wobei ihm dieser den Kasseninhalt (mindestens 7.100 DM) sowie dreihundert Telefonkarten im Wert von insgesamt 3.600 DM aushändigte. Unbeteiligte Dritte waren nicht anwesend (Fall B I der Urteilsgründe).
b) Zwischen dem 19. Oktober und dem 28. November 1998 hat der Angeklagte sieben bewaffnete Überfälle begangen, sechs davon auf Drogeriemärkte , einen auf einen Lebensmittelmarkt. Einmal war er allein, viermal handelte er mit S. z usammen, in den letzten beiden Fällen handelte er zusammen mit dem Mitangeklagten E. (Fälle B II bis B VIII der Urteilsgründe).
c) Als sich der Angeklagte und E. nach der letzten Tat mit der Beute entfernen wollten, war der Drogeriemarkt von Polizei umstellt. Sie nahmen daher vier Angestellte des Drogeriemarkts mit Waffengewalt als Geiseln und forderten in stundenlangen Verhandlungen von der Polizei vergeblich freien Abzug, ehe sie sich, ersichtlich wegen Aussichtslosigkeit ihrer Bemühungen , ergaben (ebenso wie der Überfall Fall B VIII der Urteilsgründe). 2. Den fingierten Überfall auf die Tankstelle hat die Strafkammer wegen Bruchs des Gewahrsams des Tankstellenpächters als Diebstahl gewertet. Hierfür hat sie eine Einzelstrafe von zwei Jahren verhängt. Die Überfälle hat die Strafkammer je nach dem konkreten Geschehensablauf in drei Fällen als
schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit schwerem Raub, in drei Fällen als schwere räuberische Erpressung und in einem Fall als schweren Raub gewertet. Die hierfür jeweils verhängten Einzelstrafen liegen zwischen sechs und sieben Jahren. Wegen der Geiselnahme hat die Strafkammer eine weitere Strafe von fünf Jahren verhängt. Aus den genannten Strafen wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren gebildet. Von Maßnahmen der Besserung und Sicherung hat die Strafkammer abgesehen. 3. Gegen dieses Urteil richtet sich die unbeschränkt eingelegte Revision des Angeklagten, die auf die Sachrüge und eine Reihe von Verfahrensrügen gestützt ist. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision nur dagegen, daß keine Sicherungsverwahrung angeordnet wurde. Die Revision des Angeklagten hat teilweise, die der Staatsanwaltschaft in vollem Umfang Erfolg. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zugleich dazu, daß der Strafausspruch zugunsten des Angeklagten aufzuheben war.

II.

Zur Revision des Angeklagten: 1. Im Fall B I der Urteilsgründe liegt nicht Diebstahl sondern Unterschlagung (§ 246 StGB) vor.
a) Wie der Generalbundesanwalt vor dem Senat zutreffend ausgeführt hat, hat ein Angestellter, der allein eine Kasse zu verwalten und über deren
Inhalt abzurechnen hat, in aller Regel Alleingewahrsam am Kasseninhalt. Ohne seine Mitwirkung darf niemand Geld aus der Kasse nehmen, damit bei Fehlbeträgen die Verantwortlichkeit festgestellt werden kann. Das generelle Kontrollund Weisungsrecht des Dienstherren gegenüber seinem Bediensteten begründet nicht ohne weiteres den Mitgewahrsam des Dienstherrn (BGHR StGB § 246 Abs. 1 Alleingewahrsam 1 m.w.N.).
b) Hinsichtlich der Telefonkarten gilt unter den hier gegebenen Umständen nichts anderes.
c) Einem Schuldspruch gemäß § 246 StGB steht nicht entgegen, daß der Angeklagte vor der Tat noch nicht im Besitz der Beute war (vgl. Lackner/ Kühl, StGB 23. Aufl. § 246 Rdn. 12 m.w.N.; zur Rechtslage vor der Ä nderung von § 246 StGB durch das 6. StrRG vgl. BGHSt 40, 8, 22 f. m.w.N.).
d) Der Senat ändert den Schuldspruch selbst, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, daß noch tatsächliche Feststellungen möglich wären, die eine andere Bewertung rechtfertigen könnten. § 265 StPO steht nicht entgegen , da sich der geständige Angeklagte nicht erfolgversprechender hätte verteidigen können. 2. Im Fall B VIII der Urteilsgründe hat die Strafkammer zu Unrecht Tatmehrheit zwischen der schweren räuberischen Erpressung und der Geiselnahme angenommen. Es besteht Tateinheit, da die Geiselnahme auch der endgültigen Beutesicherung diente (BGHSt 26, 24, 27 f.). Der Senat ändert den Schuldspruch selbst; auch hier hätte sich der geständige Angeklagte nicht erfolgversprechender verteidigen können.
3. Im übrigen hat die auf Grund des Revisionsvorbringen gebotene Überprüfung des Urteils zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. 4. Die Ä nderungen des Schuldspruchs führen hier zu einer Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Zumal, da von den Ä nderungen mehrere Taten betroffen sind und die wegen Geiselnahme verhängte Einzelstrafe entfällt, kann der Senat eine Auswirkung der aufgezeigten Ä nderungen auch auf die übrigen Fälle nicht völlig ausschließen. Damit erledigen sich zugleich die nicht auf den Schuldspruch bezogenen Verfahrensrügen des Angeklagten. Die Grenze der im Fall B VIII neu festzusetzenden Strafe (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) ergibt sich aus der Summe der bisher in diesem Zusammenhang verhängten Einzelstrafen (BGH b. Holtz MDR 1980, 988). 5. Die Ä nderung des Schuldspruchs im Fall B I der Urteilsgründe war auch auf den früheren Mitangeklagten S. z u erstrecken (§ 357 StPO). Der Senat hat jedoch davon abgesehen, die gegen ihn in diesem Fall verhängte Einzelstrafe von einem Jahr und drei Monaten aufzuheben. Es ist zur Überzeugung des Senats ausgeschlossen, daß eine neue Verhandlung für S. , der noch an v ier bewaffneten Überfällen beteiligt war und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun J ahren verurteilt wurde, ein günstigeres Ergebnis erbringen würde (vgl. BGHR StPO § 357 Erstreckung 3; Kuckein in KK 4. Aufl. § 357 Rdn. 17 m.w.N.). S. ist häufig vorbestraft, darunter allein dreimal wegen (einmal auch mehrfachen) schweren Raubes oder schwerer räuberischer Erpressung und hat deshalb schon insgesamt über acht Jahre Strafe verbüßt.

III.

Zur Revision der Staatsanwaltschaft: 1. Die Strafkammer bejaht sowohl im Hinblick auf frühere Verurteilungen des Angeklagten die formalen Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB, als auch im Hinblick auf die hier abgeurteilten Taten die formalen Voraussetzungen von § 66 Abs. 2 StGB. § 66 Abs. 3 StGB ist dagegen nicht angesprochen. Die bei sämtlichen Alternativen zusätzlich erforderlichen Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB werden jedoch verneint: Die Taten gingen nicht unbedingt auf den dissozialen Charakter des Angeklagten zurück. Sie seien vielmehr durch eine innere Erregung des Angeklagten ausgelöst worden, die auf der Verhaftung der Ehefrau des Angeklagten am 21. Mai 1998 wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen beruhe. Außerdem sei nach sachverständiger Beratung davon auszugehen, "daß durch den natürlichen Alterungsprozeß insbesondere bei Verbüßung einer längeren Freiheitsstrafe die Gefährlichkeit des Angeklagten sich anders darstellen kann". Der Angeklagte werde voraussichtlich erst mit 55 Jahren aus der Strafhaft entlassen. Zumal, da er noch keine längeren Strafen verbüßt habe, reiche die verhängte Strafe aus, seiner "Gefährlichkeit ... zu begegnen". Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand: 2. Allerdings ergeben die Urteilsgründe nicht, daß die formalen Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB vorliegen.
a) Das Urteil vom 21. Juni 1993 hat in diesem Zusammenhang außer Betracht zu bleiben. Der Angeklagte war damals unter Freispruch im übrigen in
einer Entziehungsanstalt untergebracht worden, nachdem er am 25. Januar 1991, trunkenheitsbedingt möglicherweise schuldunfähig, seine Lebensgefährtin mit einer Schußwaffe in Tötungsabsicht verletzt hatte. Da der Angeklagte nicht zu Freiheitsstrafe verurteilt wurde, liegt insoweit keine Vorverurteilung im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB vor (vgl. Stree in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 66 Rdn. 12 m.w.N.).
b) Im übrigen hat der Angeklagte am 4. Juni 1986 vergeblich versucht, ein Juweliergeschäft zu überfallen; deshalb wurde er am 30. Oktober 1986 zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, die er voll verbüßt hat. Außerdem wurde er am 30. Juli 1990 wegen vier Vergehen des fahrlässigen Vollrauschs (er war in diesem Zustand zwischen dem 5. Mai und dem 17. August 1988 gegen seine Lebensgefährtin gewalttätig geworden) und eines Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Auch diese Strafe hat er voll verbüßt. Die Einzelstrafen betrugen einmal ein Jahr, dreimal sechs Monate und einmal vier Monate. Welche Strafe für welches Delikt verhängt wurde, wird nicht deutlich. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB erforderliche Strafe von einem Jahr wegen einer Vorsatztat für das Waffendelikt verhängt wurde, ist jedenfalls die Tatzeit des (auch im übrigen nicht näher geschilderten) Waffendelikts nicht festgestellt. Diese Tat ist aber jedenfalls deutlich länger als fünf Jahre vor den hier abgeurteilten Taten begangen worden. Ob entgegen § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB gemäß § 66 Abs. 4 Satz 4 StGB gleichwohl keine Rückfallverjährung eingetreten ist, ist nicht ersichtlich, da auch der Zeitraum, in dem der Angeklagte sich in Strafhaft und im Maßregelvollzug befand, (zuletzt von "1991" bis "August 1994"), nicht präzise festgestellt ist.
3. Unabhängig davon liegen aber jedenfalls die formalen Voraussetzungen von § 66 Abs. 2 und Abs. 3 StGB vor. 4. Die Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB sind nicht rechtsfehlerfrei verneint. Die Strafkammer geht für sich genommen rechtsfehlerfrei davon aus, daß die Taten des Angeklagten dafür sprechen, daß er ein gefährlicher Hangtäter ist. Damit ist regelmäßig die bestimmte Gefahr weiterer schwerer Straftaten gegeben (BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 3 m.w.N.). Die von der Strafkammer angeführten gegenteiligen Gesichtspunkte können kein anderes Ergebnis rechtfertigen.
a) Für die Gefährlichkeitsprognose kommt es auf den Urteilszeitpunkt an, jedoch darf der Tatrichter den Wirkungen eines langjährigen Strafvollzuges Bedeutung beimessen, soweit dieser nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung mit hoher prognostischer Sicherheit eine Haltungsänderung des Angeklagten erwarten läßt (st.Rspr., vgl. zuletzt BGH StV 2000, 615, 616 m.w.N.). Diese Sicherheit ergibt sich aber nicht aus der Annahme, daß sich die Gefährlichkeit des Angeklagten bei seiner Haftentlassung anders darstellen "kann". Daß der Angeklagte dann (voraussichtlich) 55 Jahre alt sein wird, kann daran nichts ändern (BGHR aaO Gefährlichkeit 5); Besonderheiten, die hier eine andere Annahme rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
b) Bei der Gewichtung der in der hier abgeurteilten Tatserie zum Ausdruck kommenden Gefährlichkeit des Angeklagten stellt die Strafkammer auch auf die Festnahme der Ehefrau als auslösendes Moment ab. Dies ist schon deshalb bedenklich, weil es in der Regel ohne Bedeutung ist, warum sich ein bereits vorhandener Hang gesteigert hat (Stree aaO Rdn. 33 m.w.N.). Zumindest wäre aber zu erörtern gewesen, daß die Taten erst mehrere Monate nach der Festnahme begangen wurden. Darüber hinaus ist festgestellt, daß die
Ehefrau im November 1998 einige Zeit entwichen war und sich beim Angeklagten aufhielt. Auch in dieser Zeit hat der Angeklagte einen Überfall begangen. Damit hat sich die Strafkammer ebenfalls nicht auseinander gesetzt.
c) Soweit die Strafkammer darauf abstellt, daß der Angeklagte längere Haft noch nicht verbüßt hat, ist dies (jedenfalls im Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäß § 66 Abs. 2 StGB) ein nicht zu beanstandender Ansatz (BGH StV 1982, 114; NStZ 1985, 261). Die Annahme der Strafkammer ist jedoch mit der Feststellung, daß der Angeklagte - abgesehen von einer Unterbringung im Maßregelvollzug - insgesamt schon mehr als drei Jahre Freiheitsstrafe verbüßt hat, unvereinbar. Über die Anordnung von Sicherungsverwahrung muß nach alledem neu entschieden werden.
5. Die Aufhebung eines Urteils wegen unterbliebener Anordnung von Sicherungsverwahrung kann im Einzelfall auch zur Aufhebung des Strafausspruchs zugunsten des Angeklagten führen, wenn möglicherweise die Strafe bei Anordnung von Sicherungsverwahrung niedriger ausgefallen wäre (BGH StV 2000, 615, 617 m.w.N.). Da die Strafkammer ausdrücklich einen Bezug zwischen der Dauer der Strafe und der Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung hergestellt hat, hebt der Senat den Strafausspruch auf. Schäfer Nack Wahl Schluckebier Schaal

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 45/01
1 StR 75/01
vom
3. April 2001
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen schweren Raubes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. April 2001 gemäß §§ 4,
349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Das Verfahren 1 StR 75/01 wird zum Verfahren 1 StR 45/01 verbunden. 2. Die Revisionen der Angeklagten G. und K. gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 26. September 2000 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). 3. Revisionen der Angeklagten D. und T. :
a) Auf die Revision des Angeklagten D. wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 26. September 2000 mit den Feststellungen aufgehoben aa) soweit der Angeklagte im Fall II 1 der Urteilsgründe (Diebstahl Tankstelle) verurteilt worden ist; bb) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
b) Auf die Revision des Angeklagten T. wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 13. November 2000 mit den Feststellungen aufgehoben aa) soweit der Angeklagte im Fall II 1 der Urteilsgründe (Diebstahl Tankstelle) verurteilt worden ist; bb) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
c) Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
d) Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten D. und T. werden verworfen.
Gründe zu 3:

I.

Das Landgericht Mannheim hat den Angeklagten D. durch Urteil vom 26. September 2000 (unter dem Aktenzeichen: 7 KLs 700 Js 17642/99) wegen schweren Raubes und wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit einzelnen sachlichrechtlichen Beanstandungen.
Durch Urteil vom 13. November 2000 hat das Landgericht Mannheim den Angeklagten T. (unter dem Aktenzeichen 7 KLs 704 Js 26496/99) wegen schweren Raubes in drei Fällen und wegen Diebstahls zu einer Ge-
samtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Der Senat hat beide Verfahren gemäß § 4 StPO miteinander verbunden.

II.


1. Nach den Feststellungen des Landgerichts haben die Angeklagten am 1./2. April 1999 mit einem weiteren Mittäter im Einvernehmen mit dem Kassierer einen Überfall auf eine Tankstelle vorgetäuscht, wobei aus der Kasse mindestens 1. 500,-- DM erbeutet wurden. Den fingierten Überfall hat das Landgericht wegen Bruchs des Gewahrsams des Tankstellenpächters als Diebstahl gewertet und gegen den Angeklagten D. eine Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt, gegen den Angeklagten T. eine solche von neun Monaten.
2. Der Schuldspruch wegen Diebstahls (§ 242 StGB) kann keinen Bestand haben, da möglicherweise Unterschlagung (§ 246 StGB) vorliegt. Der Generalbundesanwalt hat in seinen Antragsschriften zu Recht auf die Senatsentscheidung vom 7. November 2000 (1 StR 377/00) hingewiesen, wonach ein Angestellter, der allein eine Kasse zu verwalten und über deren Inhalt abzurechnen hat, in aller Regel Alleingewahrsam am Kasseninhalt hat. Ohne seine Mitwirkung darf niemand Geld aus der Kasse nehmen, damit bei Fehlbeträgen die Verantwortlichkeit festgestellt werden kann. Das generelle Kontrollund Weisungsrecht des Dienstherren gegenüber seinem Bediensteten begründet nicht ohne weiteres den Mitgewahrsam des Dienstherrn (BGHR StGB § 246 Abs. 1 Alleingewahrsam 1 m.w.N.). Die Feststellungen des Landgerichts verdeutlichen nicht, worin das Landgericht einen Mitgewahrsam des Tankstellenpächters begründet sieht, zumal sich aus dem Urteil vom 13. November 2000
ergibt, daß die Tat zur Nachtzeit begangen wurde und – ebenso wie in der genannten Senatsentscheidung – offenbar keine weiteren Personen im Tankstellengebäude anwesend waren. Sonstige Umstände, aufgrund derer die genannten Feststellungen die Annahme eines Diebstahls rechtfertigen könnten, enthalten die Urteilsgründe ebenfalls nicht. Die Sache bedarf daher in diesem Punkt erneuter Verhandlung und Entscheidung.
3. Im übrigen sind die Schuldsprüche rechtsfehlerfrei.
4. Die Aufhebung der Schuldsprüche und dementsprechend der Einzelstrafen jeweils im Fall II 1 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der Aussprüche über die Gesamtstrafe. Die Höhe der in diesem Fall jeweils verhängten Einzelstrafe hat dagegen die Höhe der übrigen Einzelstrafen ersichtlich nicht beeinflußt. Da diese auch im übrigen rechtsfehlerfrei bemessen sind, können sie bestehenbleiben.
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(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

(2) Ist in den Fällen des Absatzes 1 die Sache dem Täter anvertraut, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält,
2.
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist,
3.
gewerbsmäßig stiehlt,
4.
aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient,
5.
eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist,
6.
stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder
7.
eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

(2) Ist in den Fällen des Absatzes 1 die Sache dem Täter anvertraut, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.