Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 03. Juli 2018 - 3 M 252/18

bei uns veröffentlicht am03.07.2018

Gründe

1

I. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkt ist, hat in der Sache keinen Erfolg.

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Die Antragsgegnerin hat mit Bescheid vom 27. Februar 2018 unter Hinweis auf einen Beißvorfall vom (...) Dezember 2017 die Gefährlichkeit der beiden (zur Rasse der Landseer gehörenden) Hunde der Antragstellerin festgestellt (Ziffer 1.) und ihr unter Anordnung des Sofortvollzuges (Ziffer 3.) aufgegeben, ihre Hunde bis zur Beantragung einer Erlaubnis außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke an einer Leine und mit Maulkorb zu führen (Ziffer 2.). Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung des hiergegen erhobenen Widerspruchs der Antragstellerin hinsichtlich Ziffer 1. des Bescheides angeordnet und hinsichtlich Ziffer 2. des Bescheides wiederhergestellt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es bestünden greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die beiden Hunde der Antragstellerin zuvor von einem anderen Hund angegriffen worden seien. Die Antragsgegnerin habe den Sachverhalt insoweit nur unzureichend ermittelt. Die durch die Antragsgegnerin mit der Beschwerde hiergegen vorgebrachten Einwendungen rechtfertigen die Abänderung des angefochtenen Beschlusses nicht.

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1. Rechtsgrundlage für die Feststellung der Gefährlichkeit der Hunde der Antragstellerin ist § 4 Abs. 4 i. V. m. § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 5 HundeG LSA. Gemäß § 3 Abs. 1 Alt. 2 HundeG LSA sind gefährlich die Hunde, deren Gefährlichkeit im Einzelfall festgestellt wird. Im Einzelfall gefährliche Hunde sind nach § 3 Abs. 3 Satz 1 HundeG LSA insbesondere solche, die sich als bissig erwiesen und eine nicht nur geringfügige Verletzung verursacht haben, ohne selbst angegriffen worden zu sein (Nr. 2 Alt. 1), oder die einen anderen Hund trotz dessen offensichtlich erkennbarer artüblicher Unterwerfungsgestik gebissen und nicht nur geringfügig verletzt haben (Nr. 2 Alt. 2). Gleiches gilt für Hunde, die gemeinsam einen Menschen oder ein Tier angreifen oder jagen und von denen einer einen Menschen oder ein Tier beißt; auch diese sind nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HundeG LSA im Einzelfall gefährliche Hunde. Erhält die zuständige Behörde einen Hinweis darauf, dass ein Hund eine gesteigerte Aggressivität aufweist, insbesondere Menschen oder Tiere gebissen hat, so hat sie den Hinweis gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 HundeG LSA von Amts wegen zu prüfen. Ergibt die Prüfung Tatsachen, die den Verdacht rechtfertigen, dass von dem Hund eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, so stellt die Behörde fest, dass der Hund gefährlich ist, § 4 Abs. 4 Satz 2 HundeG LSA.

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2. Gemessen an diesen Voraussetzungen hat jedenfalls einer der beiden Hunde der Antragstellerin unstreitig am (...) Dezember 2017 einen anderen Hund - nämlich den Hund der Familie (D.) (einen Foxterrier) - gebissen und hierbei nicht nur geringfügig verletzt.

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Der Foxterrier wies nach dem Vorfall ausweislich der tierärztlichen Aktennotiz („Karteikarte“) vom (...) Dezember 2017 (Bl. 1 der Beiakte A) „mehrere Einbisse in der Flanke, der rechten Kniefalte und an beiden Oberschenkeln“ auf, die medikamentös behandelt wurden. Auch wenn es nach den vorgelegten Unterlagen offenbar nicht notwendig war, die Bisswunden zu nähen, ergibt sich doch daraus, dass eine hinreichende Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit des Hundes vorgelegen hat. Denn die Einfügung dieses Kriteriums soll lediglich Bagatellvorfälle ausscheiden, die jedenfalls dann, wenn eine objektiv nachvollziehbare tierärztliche Behandlung des gebissenen Hundes erfolgt ist, nicht mehr vorliegen (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 6. März 2017 - 3 M 245/16 -, juris).

6

Steht damit fest, dass jedenfalls einer der beiden Hunde der Antragstellerin einen anderen Hund nicht nur geringfügig verletzt hat, kommt es hinsichtlich der Feststellung der Gefährlichkeit ihres anderen Hundes nicht darauf an, ob auch dieser den Foxterrier gebissen und hierdurch nicht nur geringfügig verletzt hat. Wenn nämlich mehrere (insbesondere gleich oder ähnlich aussehende) Hunde in eine Konfrontation mit Menschen oder anderen Hunden verwickelt sind und positiv festgestellt werden kann, dass zumindest einer dieser Hunde den Tatbestand des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HundeG LSA verwirklicht hat, gelten nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HundeG LSA alle betroffenen Hunde als gefährlich (siehe hierzu auch die Begründung des Gesetzentwurfes vom 9. September 2015, LT-Drs. 6/4359, S. 20). Hierauf hat die Antragsgegnerin in ihrem Bescheid zutreffend abgestellt.

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3. Ein Hund, der einen anderen Hund gebissen und eine nicht nur geringfügige Verletzung verursacht hat, ist allerdings nur dann als gefährlich anzusehen, wenn er selbst nicht angegriffen wurde (§ 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 HundeG LSA) oder wenn er einen anderen Hund trotz dessen offensichtlich erkennbarer artüblicher Unterwerfungsgestik gebissen hat (§ 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 HundeG LSA).

8

Das Verwaltungsgericht hat insoweit zutreffend die Rechtsprechung des Senates vom 6. März 2017 (a. a. O.) zitiert, wonach der Gesetzgeber mit den Neuregelungen des § 3 Abs. 3 HundeG LSA die Gefährlichkeitsfeststellungen nach § 4 Abs. 4 Satz 2 HundeG LSA „neu akzentuieren“ und als unverhältnismäßig angesehenen Verwaltungsaufwand bei „kleineren Vorfällen“ oder „bestimmungsgemäßem Gebrauch“ vermeiden wollte. Dem sollte die „Ausnahme von der Pflicht zur Gefährlichkeitsfeststellung“ dienen, wenn es sich „bei der Verletzung eines anderen (Haus-)Tieres offensichtlich um ein artgerechtes Abwehrverhalten handelt“.

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Soweit der Gesetzgeber den Behörden hierbei einen „Ermessensspielraum“ bei der Beurteilung von konkreten Vorfällen im jeweiligen Einzelfall eröffnet hat, sollte dies dazu dienen, solche Fälle auszunehmen, bei denen ggf. nach Sachverhaltsermittlung und vor abschließender behördlicher Feststellung durch eine „Zweitprüfung“ mit hinreichender (ethologischer, kynologischer und veterinärmedizinischer) Fachkenntnis der „Ausnahmefall eines eindeutig artgerechten Verteidigungs- oder Abwehrverhaltens“ vorliegt (vgl. hierzu den durch die Gesetzesbegründung in Bezug genommenen [Evaluations-]Bericht der Landesregierung zur Überprüfung der Auswirkungen des Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren; Stand 28. Oktober 2014, www.mi.sachsen-anhalt.de/themen/gefahrenabwehr/hundegesetz-evaluation, S. 34 sowie S. 125 f.). Zwar räumen § 4 Abs. 4 i. V. m. § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HundeG LSA der Behörde kein Ermessen ein. Vielmehr hat die Behörde, sofern die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HundeG LSA erfüllt, die Gefährlichkeit des Hundes im Sinne einer gebundenen Entscheidung festzustellen. Soweit in den angeführten Gesetzesmaterialien deshalb von einem „Ermessensspielraum“ die Rede ist, ist dies dahingehend zu verstehen, dass der Behörde hinsichtlich der Frage, ob der „Ausnahmefall eines eindeutig artgerechten Verteidigungs- oder Abwehrverhaltens“ gegeben ist, ein Beurteilungsspielraum eingeräumt werden sollte. Dabei soll auch zu berücksichtigen sein, dass eine sachkundige verhaltensbezogene Begutachtung eines Hundes allenfalls eine Momentaufnahme darstellt und nur in begrenztem Umfang ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten eines Hundes bewerten kann und Zeugen sowie Hinweisgeber eines Beißvorfalls „wohl nur in seltenen Fällen verhaltensbezogene Tatsachenumstände sachkundig erfassen und wiedergeben können“ (Evaluationsbericht, S. 126).

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Demnach gehen weder die Gesetzesbegründung noch der dort in Bezug genommene Evaluationsbericht davon aus, dass jeder Beißvorfall zwingend sachverständig zu begutachten wäre. Lediglich in Zweifelsfällen, ob ein Ausnahmefall eines eindeutig artgerechten Verteidigungs- oder Abwehrverhaltens vorliegt, ist eine eingehende Untersuchung des Vorfalls, gegebenenfalls unter Hinzuziehung externen Fachverstandes, vorzunehmen. Liegen hingegen greifbare Anhaltspunkte für eine Abwehrhandlung des beißenden Hundes schon nicht vor, kommt eine „Exkulpation“ des Hundes nicht in Betracht. Denn als Ausnahme von der grundsätzlichen Pflicht zur Gefährlichkeitsfeststellung ist die Regelung eng auszulegen und setzt voraus, dass greifbare Anhaltspunkte für Zweifel an der Motivationslage des beißenden Hundes bestehen (OVG LSA, Beschluss vom 6. März 2017, a. a. O., Rn. 21).

11

4. Ein in dieser Hinsicht eindeutiger Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Die Beteiligten streiten gerade über die konkreten Umstände des Beißvorfalles und die Verursachungsbeiträge der beteiligten Hunde.

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Die Halter des Foxterriers, das Ehepaar (D.), haben den Beißvorfall zur Anzeige gebracht. Ausweislich des entsprechenden Aktenvermerks der zuständigen Polizeidienststelle hat Herr (D.) am (…) Dezember 2017 vorgetragen, die Hunde der Antragstellerin hätten den Foxterrier „insgesamt 14 Mal in die Hinterbeine“ gebissen; sie seien „nicht angeleint“ gewesen und hätten „sich zielgerichtet auf den Foxterrier [zubewegt]“. Frau (D.) berichtete im Rahmen ihrer Anzeige vom (…) Dezember 2017, die beiden Hunde der Antragstellerin seien „auf einmal wie angestochen“ auf sie zugestürmt, hätten sich „erbarmungslos auf unsere kleine Hündin gestürzt“ und „immer abwechselnd“ auf den Hund eingebissen.

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Die Antragstellerin ließ demgegenüber mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 15. Januar 2018 vortragen, ihre Hunde seien zum Zeitpunkt des Vorfalls angeleint gewesen. Sie habe sich mit ihren beiden Hunden auf dem Weg nach Hause befunden, als der (nicht angeleinte) Foxterrier die eine Hündin angegriffen und diese in die Lefzen gebissen habe. Ihre Hündinnen hätten sich wehren wollen und seien losgelaufen. Sie - die Antragstellerin - sei hierdurch hingefallen und hätte die Leinen losgelassen. Die Hündinnen hätten den Foxterrier isoliert und „auf den Rücken gelegt“. Der Angriff sei hiermit beendet gewesen. Diesen Vortrag haben die Anzeigeerstatter mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 15. Februar 2018 ausdrücklich bestreiten lassen. Es treffe nicht zu, dass ihr Foxterrier eine der Hündinnen angegriffen und in die Lefzen gebissen habe. Demgegenüber erklärten die Eltern der Antragstellerin am 4. März 2018 eidesstattlich, dass der Foxterrier hinter einer Hecke hervorgeschossen sei und die Hündinnen angegriffen habe. Die jüngere Hündin (F.) habe aufgeheult. Die ältere Hündin (G.) sei in Richtung des Terriers gesprungen und habe zunächst versucht, diesen von der jüngeren Hündin Weg zu halten bzw. am Boden zu halten; anschließend habe sie ihn „auf den Rücken [gelegt]“. Später hätten sie festgestellt, dass die jüngere Hündin an den Lefzen geblutet habe.

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Sofern das Verwaltungsgericht aus diesem Vortrag der Beteiligten schlussfolgert, es lägen „greifbare Anhaltspunkte dafür vor, dass die beiden Landseer der Antragstellerin zuvor von dem Foxterrier der Familie (D.) angegriffen wurden“, und es deshalb annimmt, die Antragsgegnerin habe den Sachverhalt nur unzureichend ermittelt, ist dies in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

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Die Antragsgegnerin hat im Wesentlichen unter Hinweis auf Ziffer 3.3.1.2 der vom Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt erlassenen Verwaltungsvorschrift zum Hundegesetz (VwV-HundeG LSA; MBl. LSA 2016, S. 210, ber. 246) darauf abgestellt, dass die Anzeigeerstatter den Beißvorfall detailliert, widerspruchsfrei und plausibel geschildert hätten. Entsprechend stützt sich ihre Gefährlichkeitsfeststellung im Wesentlichen auf die Einlassungen des Ehepaares (D.). Die Einschätzung der Antragsgegnerin beruht allerdings zum Teil auf tatsächlichen Annahmen, die sich dem Vortrag der Beteiligten nicht entnehmen lassen. Darüber hinaus wird die Gefährlichkeitsfeststellung dem Vortrag der Antragstellerin (insbesondere unter Berücksichtigung der Erklärungen ihrer Eltern vom 4. März 2018) nicht hinreichend gerecht. Dies gilt auch in Ansehung des ergänzenden Vorbringens der Antragsgegnerin im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens, welches gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA auch grundsätzlich noch Berücksichtigung finden kann.

16

Soweit die Antragsgegnerin jedenfalls im angegriffenen Bescheid auf das Vorliegen einer „Bescheinigung“ verweist, die „14 Bisswunden an dem Terrier attestieren“, hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die über den Vorfall vom (...) Dezember 2017 erstellte tierärztliche Bescheinigung dies nicht zu bestätigen vermag. Fehlt es aber an einer entsprechend gesicherten Feststellung, vermag sich die Antragsgegnerin auch nicht darauf zu berufen, dass zu einer artgerechten Unterwerfung „keine Beißattacken in dieser hohen Anzahl“ gehörten. Soweit sie weiter ausführt, dass es trotz der Unterwerfungsgestik des Foxterriers zu 14 Bissen durch die Hunde der Antragstellerin gekommen sei, lässt sich ein derartiger „Notwehrexzess“ im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 HundeG LSA dem bisherigen Vortrag der Beteiligten nicht entnehmen. Abgesehen davon, dass - wie dargelegt - nicht 14 Bisse, sondern „mehrere Einbisse“ dokumentiert sind, verhalten sich die Einlassungen der Anzeigeerstatter bisher nicht zu der Frage, ob der Foxterrier noch gebissen wurde, als er schon „auf dem Rücken“ gelegen und hierdurch seine Unterlegenheit zu erkennen gegeben hat.

17

Was die Bewertung der (zunächst als Zeugen benannten) Einlassungen der Eltern der Antragstellerin anbelangt, hat das Verwaltungsgericht unter Verweis auf die vorgelegten Erklärungen vom 4. März 2018 weiter zu Recht darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin dem Inhalt dieser Erklärungen bisher keine hinreichende Beachtung geschenkt hat. Dies gilt auch unter Berücksichtigung ihres ergänzenden Vorbringens im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens. Die Antragsgegnerin hat dort mit Stellungnahmen vom 15. März 2018 (Bl. 59 ff. der Gerichtsakte) sowie vom 3. April 2018 (Bl. 72 ff. der Gerichtsakte) zwar ausgeführt, der dargestellte Sachverhalt rechtfertige auch nach Auswertung der nachgereichten Aussagen der Eltern der Antragstellerin die zahlreichen Bisswunden am Foxterrier nicht. Denn die Antragstellerin habe trotz Aufforderung kein ärztliches Attest vorgelegt, das die behauptete Verletzung einer der Hündinnen habe bestätigen könne; auf dem vorgelegten Foto sei „kein Biss oder ähnliches“ zu erkennen. Im Übrigen sei es „trotz der ‚Unterwerfungsgestik‘ des Hundes“ zu zahlreichen Bissen gekommen. Die Antragstellerin habe nicht plausibel dargelegt, wie es „bei einer ‚Isolierung‘ eines Hunde zum Zwecke der ‚Verteidigung‘ zu mehreren Bissen“ habe kommen können. Diese Überlegungen vermögen die Gefährlichkeitsfeststellung indes nicht zu tragen.

18

Was den vermissten Nachweis bestimmter Verletzungen an einer der Hündinnen anbelangt, ist zu berücksichtigen, dass ein Angriff im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HundeG LSA nicht zwingend eine Verletzung bei dem angegriffenen Tier voraussetzt. Entsprechend ist nach Ziffer 3.3.1.2 UAbs. 4 VwV-HundeG unter einem Angriff (lediglich) jede Bedrohung schützenswerter Interessen des Hundes durch Menschen oder Tiere zu verstehen.

19

Soweit die Antragsgegnerin mit ihren Hinweisen auf die „überzogene“ Reaktion der Hunde der Antragstellerin (wiederholend) ihrer Überzeugung Ausdruck verleihen wollte, diese hätten den Terrier trotz dessen offensichtlich erkennbarer artüblicher Unterwerfungsgestik gebissen, lässt sich dies - wie dargelegt - dem bisherigen Vortrag der Anzeigeerstatter nicht entnehmen. Die gegenteiligen Überlegungen der Antragsgegnerin beruhen insofern auf nicht gesicherten tatsächlichen Annahmen. Nach dem bisherigen Vortrag der Beteiligten ist nicht auszuschließen, dass die dokumentierten Bisse (lediglich) Folge des artgerechten Abwehrverhaltens der beiden Hunde der Antragstellerin waren, die Bisse also erfolgt sind, bevor sich der Foxterrier den beiden Hunden unterwarf. Hierfür spricht im Übrigen auch, dass eine im Verhalten fest verankerte Beißhemmung den stärkeren Hund am Zubeißen hindern soll, wenn der unterlegene Hund in Rückenlage auch die Kehle bietet (hierzu etwa: www.mousingdales.de/html/hundesprache.html).

20

Die darüber hinaus durch das Gericht und die Antragsgegnerin angesprochenen Gesichtspunkte (nachträgliche Vorlage von Aussagen dritter Personen zu früherem Verhalten der beiden Hündinnen, Bl. 75 ff. der Gerichtsakte; Vorlage eines am 16. März 2018 durchgeführten Wesenstests bzw. einer Zuchteignungsbewertung vom 24. März 2014 für jeweils eine der Hündinnen, Bl. 101 f. der Gerichtsakte; angebliche Vorlage eines weiteres Wesenstest vom 28. April 2018), sind für die hier interessierenden Fragen, ob der Foxterrier eine der Hündinnen angegriffen hat und diese sich daraufhin artgerecht verteidigt haben, nicht von Relevanz.

21

Dies gilt für die Aussagen dritter Personen zu früheren Sachverhalten schon deshalb, weil die Antragsgegnerin mit der Beschwerde selbst vorgetragen hat, dass die getroffene Entscheidung „nicht vorwiegend“ auf diese Vorfälle gestützt worden sei. Der Hinweis auf diese Sachverhalte solle lediglich die Gefährlichkeit der Hunde der Antragstellerin charakterisieren und darstellen, dass der zur Bewertung stehende Vorfall kein Einzelfall sei. Hierbei verkennt die Antragsgegnerin, dass vorliegend allein die Tatbestandsmerkmale „ohne selbst angegriffen worden zu sein“ und „trotz dessen offensichtlich erkennbarer artüblicher Unterwerfungsgestik gebissen“ in Streit stehen. Die Sachverhalte, die den Aussagen dritter Personen zugrunde lagen, lassen hinsichtlich der Verwirklichung dieser Tatbestandsmerkmale im vorliegenden Fall von vornherein keine Rückschlüsse zu.

22

Was die nachträglich erstellten verhaltensbezogenen Begutachtungen anbelangt, so nehmen diese eine konkrete Bewertung des Vorfalls am (...) Dezember 2017 schon nicht vor. Im Übrigen könnten derartige Gutachten - wie bereits dargelegt - allenfalls eine Momentaufnahme darstellen und ohnehin nur in begrenztem Umfang ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten eines Hundes bewerten. Was insbesondere den von der Antragsgegnerin mit der Beschwerde angesprochenen Wesenstest vom 28. April 2018 anbelangt, liegt dieser dem Senat auch nicht vor.

23

Die Antragsgegnerin vermag sich im Übrigen nicht mit Erfolg darauf zu berufen, dass die Hündin, die den Foxterrier nach den Angaben der Antragstellerin gebissen haben soll (G.), selbst nicht angegriffen worden sei und sich die Antragstellerin deshalb auch nicht auf den Rechtfertigungstatbestand des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 HundeG LSA berufen könne. Wie bereits dargelegt, ist unter einem Angriff im Sinne der vorgenannten Bestimmung jede Bedrohung schützenswerter Interessen des Hundes durch Menschen oder Tiere zu verstehen. Sollte es deshalb zutreffen, dass der Foxterrier die jüngere Hündin der Antragstellerin (F.) gebissen oder attackiert hat, ist davon auszugehen, dass die ältere Hündin lediglich den „Familienverband“ bzw. den „Rudel“ gegen Angriffe verteidigen und die jüngere Hündin beschützen wollte. In diesem Fall wäre das Angriffsverhalten der älteren Hündin zugleich als artgerechtes Verteidigungs- oder Abwehrverhalten nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 HundeG LSA anzusehen, sofern es sich in den von § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 HundeG LSA gezogenen Grenzen gehalten hat.

24

Im Ergebnis hat die Antragsgegnerin den durch das Verwaltungsgericht erhobenen Vorwurf, sie habe den Sachverhalt nur unzureichend ermittelt, nicht zu entkräften vermocht. Die Antragsgegnerin wird deshalb die Einlassungen der Beteiligten einer nochmaligen Betrachtung zu unterziehen und die Beteiligten ggf. unter Hinweis auf etwaige Widersprüche oder Ungereimtheiten erneut anzuhören haben. Erst wenn die Behörde ihrer Pflicht aus § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA in Verbindung mit § 24 VwVfG (Untersuchungsgrundsatz) hinreichend nachgekommen ist, eröffnet sich der Raum für die Gefährlichkeitsfeststellung (vgl. Ziffer 4.4 UAbs. 5 VwV-HundeG LSA). Sollte sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit klären lassen, ob der Foxterrier zumindest einen der Hunde der Antragstellerin angegriffen hat, dürfte dies zu Lasten der Antragstellerin gehen. Denn sofern ausdrückliche Regelungen fehlen, gilt der Grundsatz, dass die Nichterweislichkeit einer Tatsache zulasten des Beteiligten geht, der aus der fraglichen Tatsache eine für ihn günstige Rechtsfolge ableitet.

25

5. Das Verwaltungsgericht hat den Umstand der fehlenden Sachverhaltsaufklärung reichen lassen, um im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin anzuordnen bzw. wiederherzustellen. Es hat den Ausgang eines noch anzustrengenden Klageverfahrens mithin nicht als offen angesehen und deshalb auch nicht etwa die privaten Interessen der Antragstellerin gegen das gegenläufige staatliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides unter Berücksichtigung der jeweiligen Folgen der Entscheidung abgewogen (zu einer derartigen Interessenabwägung siehe allerdings OVG LSA, Beschluss vom 20. Juni 2012 - 3 M 531/11 -, juris Rn. 8). Es hat vielmehr bereits auf Basis des bisherigen Vortrags der Beteiligten ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides angenommen. Diese rechtliche Schlussfolgerung hat die Antragsgegnerin mit der Beschwerde nicht weiter in Frage gestellt.

26

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

27

III. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. Ziffer 1.5 und 35.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht der Streitwertfestsetzung der erstinstanzlichen Entscheidung.

28

IV. Dieser Beschluss ist u n a n f e c h t b a r (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


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(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

Gründe

1

1. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 1. Kammer - vom 8. Dezember 2016 hat in der Sache Erfolg. Die dargelegten Gründe rechtfertigen die Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

2

Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 20. Juli 2016 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Juli 2016 zu Unrecht angeordnet bzw. wiederhergestellt. Nach der im vorliegenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein veranlassten überschlägigen Prüfung der Sach- und Rechtslage rechtfertigen die erhobenen Einwendungen eine andere Bewertung, da Erfolgsaussichten im noch anzustrengenden Hauptsacheverfahren voraussichtlich nicht bestehen (a.) und das Interesse des Antragstellers daran, von den Wirkungen des Verwaltungsaktes bis zum Eintritt der Bestandskraft verschont zu bleiben, hinter dem öffentlichen Interesse zurücksteht (b.).

3

a.) Rechtsgrundlage für die Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes des Antragstellers sind im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, mithin bereits unter Geltung des geänderten Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren (Hundegesetz - HundeG LSA -, GVBl. 2009 S. 22 i. d. F. des Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Oktober 2015, GVBl. S. 560), ist § 4 Abs. 4 i. V. m. § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HundeG LSA. Gemäß § 3 Abs.1 Alt. 2 HundeG LSA sind gefährlich die Hunde, deren Gefährlichkeit im Einzelfall festgestellt wird. Im Einzelfall gefährliche Hunde sind gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 HundeG LSA insbesondere solche, die sich als bissig erwiesen und eine nicht nur geringfügige Verletzung verursacht haben, ohne selbst angegriffen worden zu sein. Erhält die zuständige Behörde einen Hinweis darauf, dass ein Hund eine gesteigerte Aggressivität aufweist, insbesondere Menschen oder Tiere gebissen hat, so hat sie den Hinweis gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 HundeG LSA von Amts wegen zu prüfen. Ergibt die Prüfung Tatsachen, die den Verdacht rechtfertigen, dass von dem Hund eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, so stellt die Behörde fest, dass der Hund gefährlich ist, § 4 Abs. 4 Satz 2 HundeG LSA.

4

Gemessen an diesen Voraussetzungen ist der Hund des Antragstellers ein gefährlicher Hund im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 HundeG LSA, denn er hat am 23. Januar 2016 unstreitig den Hund der Zeugin B. (K.) sowie die Zeugin A. (K.) gebissen. Die Feststellung der Bissigkeit erfordert nach der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Senats lediglich das Zuschnappen der Kiefer eines Hundes an einem menschlichen oder tierischen Körper (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 8. November 2011 - 3 M 397/11 -, juris Rdnr. 6 und vom 29. November 2011 - 3 M 484/11 -, juris Rdnr. 6). An dieser Definition hat auch die Neufassung des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HundeG LSA nichts geändert. In dem Vorfall am 23. Januar 2016 haben sich aber nach summarischer Prüfung auch die mit dem Änderungsgesetz eingefügten weiteren Tatbestandsmerkmale des neu gefassten § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 HundeG LSA realisiert.

5

Denn der Hund hat durch die Bisse sowohl dem Hund der Zeugin B. (K.) als auch der Zeugin A. (K.) Verletzungen zugefügt, die nicht nur geringfügig waren. Die Rechtsprechung des Senats, die eine irgend geartete Verletzung des Bissopfers gerade nicht forderte, ist mit der Neufassung des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 HundeG LSA zwar überholt. Gleichwohl sind auch nach der neuen Rechtslage die Anforderungen an das Ausmaß der Verletzung nicht zu überspannen. "Fleischwunden, innere Verletzungen oder Verletzungen des Bewegungsapparates" sind - entgegen der Auffassung des Antragstellers - nicht erforderlich. Der unbestimmte Rechtsbegriff der "nicht nur geringfügigen Verletzung" ist dabei ebenso wie die Feststellung, ob der beißende Hund selbst angegriffen worden ist (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 29. Januar 2015 - 5 A 804/14.Z - juris), einer vollständigen gerichtlichen Überprüfung zugänglich, so dass unerheblich ist, ob die Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid zu Recht davon ausging, dass es sich bei den festgestellten Verletzungen im Einzelnen um geringfügige Verletzungen gehandelt haben könnte.

6

Dabei kann hier dahinstehen, ob es, wenn ein Hund einen Menschen beißt, überhaupt darauf ankommen kann, ob eine daraus entstandene Verletzung geringfügig ist oder nicht. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist eine Differenzierung nicht vorgesehen, so dass auch bloß geringfügige Bissverletzungen bei Menschen für die Feststellung der Gefährlichkeit nicht genügen könnten. Die Begründung des Gesetzentwurfs stellt hingegen insoweit nur darauf ab, dass "die Voraussetzungen für eine Gefährlichkeitsfeststellung nach § 4 Abs. 4 dann nicht (mehr) erfüllt [sind], wenn der betroffene Hund ein anderes (Haus-)Tier, insbesondere einen anderen Hund, nur ganz geringfügig verletzt hat" (Drs. 6/4359 Begründung des Gesetzentwurfs S. 19). Daraus könnte abzuleiten sein, dass es bei Bissverletzungen bei Menschen nicht auf deren Schwere ankommen soll.

7

Auch die vom Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt erlassene Verwaltungsvorschrift zum Hundegesetz (VwV-HundeG LSA - MBl. LSA 2016, S. 210, ber. 246 -) gibt nur Maßstäbe für die geringfügige Verletzung anderer Tiere vor. Danach sind die Voraussetzungen für eine Gefährlichkeitsfeststellung nach § 4 Abs. 4 in Verbindung mit § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 nicht erfüllt, wenn der betroffene Hund ein anderes (Haus-)Tier, insbesondere einen anderen Hund, nur geringfügig verletzt hat. Geringfügig sind Verletzungen des Körpers oder der Gesundheit ohne wesentliche Beeinträchtigung der Lebensführung und ohne Dauerfolgen, beispielsweise einzelne herausgerissene Haare oder sehr kleine oberflächliche Kratzer. Dementsprechend wird die Feststellung einer (nicht nur geringfügigen) Verletzung gefordert; es kommt jedoch weder auf deutlich sichtbare Verletzungen des Bissopfers, etwa die Feststellung einer (blutenden) Wunde, noch auf zerstörte Kleidungsstücke an (Ziffer 3.3.1.2 VwV-HundeG LSA). Der Hinweis auf (nicht) zerstörte Kleidungsstücke deutet allerdings darauf hin, dass auch bei Bissen an Menschen eine Qualifizierung stattfinden soll.

8

Die vergleichbaren Regelungen anderer Länder, an denen sich ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs (a. a. O. S. 18) die Neuregelung orientiert, ordnen Bissverletzungen bei Menschen nicht nach deren Schweregrad ein.

9

So bestimmte § 3 Abs. 3 Nr. 2 GefHG SH (GVOBl. 2005, S. 51), dass als gefährlich solche Hunde galten, die einen Menschen gebissen haben, sofern dies nicht zur Verteidigung anlässlich einer strafbaren Handlung geschah, während § 3 Abs. 3 Nr. 4 GefHG SH vorsah, dass Hunde, die ein anderes Tier durch Biss geschädigt haben, ohne selbst angegriffen worden zu sein, oder die einen anderen Hund trotz dessen erkennbarer artüblicher Unterwerfungsgestik gebissen haben, als gefährlich gelten. Auch die Neufassung in § 7 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 HundeG SH (GOVBl. 2015, S. 193, ber. S. 369) ändert daran nichts.

10

§ 2 Abs. 2 HundeVO HE (GVBl. I 2003, S. 54) regelt, dass gefährlich auch Hunde sind, die einen Menschen gebissen oder in Gefahr drohender Weise angesprungen haben, sofern dies nicht aus begründetem Anlass geschah (Nr. 1), oder ein anderes Tier durch Biss geschädigt haben, ohne selbst angegriffen worden zu sein, oder die einen anderen Hund trotz dessen erkennbarer artüblicher Unterwerfungsgestik gebissen haben (Nr. 2).

11

§ 4 Abs. 1 Nr. 2 HuHG BE (GVBl. 2004, S. 424) sah vor, dass Hunde, die einen Menschen oder ein Tier durch Biss geschädigt haben, ohne selbst angegriffen oder dazu durch Schläge oder in ähnlicher Weise provoziert worden zu sein, oder einen anderen Hund trotz dessen erkennbarer artüblicher Unterwerfungsgestik gebissen haben, als gefährlich gelten. Die nunmehr geltende Regelung des § 5 Abs. 3 Satz 1 HundeG BE (GVBl. 2016, S. 436) sieht vor, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit insbesondere von einem solchen Hund ausgeht, der einen Menschen gebissen oder in sonstiger Weise wiederholt oder schwerwiegend gefährdet, insbesondere in gefahrdrohender Weise angesprungen hat, ohne zuvor angegriffen oder provoziert worden zu sein (Nr. 1) oder der außerhalb der waidgerechten Jagd oder des Hütebetriebes ein anderes Tier gehetzt, gebissen oder getötet hat, ohne zuvor angegriffen worden zu sein (Nr. 2).

12

Auf die Schwere der durch den Biss zugefügten Verletzung kommt es nach diesen Regelungen weder beim Menschen noch bei einem Hund an.

13

Zwar verweisen die in der Gesetzesbegründung weiter aufgeführten Entscheidungen den OVG Niedersachsen (Beschlüsse vom 3. März 2015 - 11 LA 172/14 - und vom 30. Juni 2015 - 11 LA 250/14 -, beide: juris ) darauf, dass die Voraussetzungen der Gefährlichkeitsfeststellung des § 7 Abs. 1 Satz 2 NHundG grundsätzlich bereits dann erfüllt sind, wenn der betroffene Hund ein anderes Tier (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 NHundG) nicht nur ganz geringfügig verletzt hat. Gleiches gelte im Fall der Verletzung eines Menschen. Entscheidungserheblich war dies allerdings nur im Verfahren 11 LA 250/14, in dem ein Hund einen Menschen zweimal in die rechte Hüfte und den rechten Oberschenkel gebissen hatte. An der fehlenden Geringfügigkeit dieses Vorfalls bestanden danach keine Zweifel.

14

Vorliegend kann für den Fall, dass auch Bissverletzungen an Menschen auf ihre Geringfügigkeit hin zu überprüfen wären, dahinstehen, ob - wofür einiges spricht - schon die aus dem zu dem Verfahren 3 M 246/16 vorgelegten Verwaltungsvorgang ersichtlichen Verletzungen der Zeugin A. (K.) als "nicht geringfügig" einzuschätzen sind. Die Zeugin hat ausweislich des "Notfall-/Vertretungsscheins" des vertragsärztlichen Notfalldienstes eine "Hundebissverletzung linker Kleinfinger und Daumen u OS, linke Hand" erlitten, die mit einem Antibiotikum "Doxy 100 (2x1)" behandelt werden musste. Daneben entstanden durch den Biss nach ihren eigenen wie nach den Angaben der Zeugin B. (K.) blaue Flecken. Geht man nach der Gesetzesbegründung (a. a. O. S. 19) davon aus, dass der Gesetzgeber in Anlehnung an die Entscheidungen des OVG Niedersachsen grundsätzlich jede Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit unabhängig von der Schwere als "nicht geringfügig" sehen wollte, wobei nur geringfügige Verletzungen wie etwa einzelne herausgerissene Haare oder sehr kleine oberflächliche Kratzer außer Betracht bleiben sollten (vgl. etwa OVG Niedersachsen, Beschluss vom 18. Januar 2012 - 11 ME 423/11 -, juris), dürfte jedenfalls die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung mit Antibiotikum dafür sprechen, dass eine nur geringfügige, zu vernachlässigende Verletzung auch bei der Zeugin A. (K.) nicht vorlag.

15

Jedenfalls hat der Hund des Antragstellers dem Hund der Zeugin B. (K.) "nicht nur geringfügige Verletzungen" zugefügt. Der Hund befand sich nach dem Vorfall ausweislich der Stellungnahme der Tierklinik A-Stadt vom 1. Juli 2016 in einem "mäßig reduzierten", mithin beeinträchtigten Allgemeinzustand. Er wies Bissspuren (kleine Einbisse und Kratzspuren) auf, die tierärztlich behandlungsbedürftig waren und antibiotisch sowie schmerzlindernd behandelt wurden. Auch wenn es nach den vorgelegten Quittungen offenbar nicht notwendig war, die Bisswunden zu nähen, ergibt sich doch daraus, dass der gebissene Hund dreimal dem Tierarzt vorgestellt werden musste, dass eine hinreichende Beeinträchtigung seiner körperlichen Unversehrtheit vorgelegen hat. Denn die Einfügung dieses Kriteriums soll lediglich Bagatellvorfälle ausscheiden, die jedenfalls dann, wenn eine objektiv nachvollziehbare tierärztliche Behandlung des gebissenen Hundes erfolgt ist, nicht mehr vorliegen.

16

Genügen die hier dokumentierten Verletzungen des gebissenen Hundes, um von einer fehlenden Geringfügigkeit auszugehen, kommt es nicht darauf an, dass die Antragsgegnerin auch aus dem Gesamtbild des Vorfalls auf die Gefährlichkeit eines Hundes des Antragstellers geschlossen hat. Dem Verwaltungsgericht ist insofern jedoch zuzustimmen, dass "das Gesamtbild" eines Vorfalls nicht - etwa in Ermangelung einer irgend gearteten Verletzung - zur Grundlage einer Gefährlichkeitsfeststellung nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 HundeG LSA herangezogen werden kann. Denn die Schwere der Verletzung ist ein isoliert festzustellendes Tatbestandsmerkmal.

17

Hat danach der Hund des Antragstellers bei der Beißerei am 23. Januar 2016 sowohl einen Menschen als auch einen Hund nicht nur geringfügig verletzt, kann der Antragsteller auch nicht mit Erfolg geltend machen, der Hund sei selbst angegriffen worden. Zwar sieht § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HundeG LSA nunmehr vor, dass nur Hunde, die gebissen und eine nicht nur geringfügige Verletzung verursacht haben, ohne selbst angegriffen worden zu sein, im Einzelfall gefährlich sind. Der Antragsteller vermag indes daraus für sich nichts abzuleiten.

18

Der Gesetzgeber wollte mit den Neuregelungen des § 3 Abs. 3 HundeG LSA die Gefährlichkeitsfeststellungen nach § 4 Abs. 4 Satz 2 HundeG LSA "neu akzentuieren" (Begründung zum Gesetzentwurf a. a. O., S. 17) und als unverhältnismäßig angesehenen Verwaltungsaufwand bei "kleineren Vorfällen" oder "bestimmungsgemäßem Gebrauch" vermeiden. Es sollte der Wertungsspielraum bei der Auslegung der Regelbeispiele des § 3 Abs. 3 HundeG LSA "deutlich erweitert" werden, ohne jedoch den Gesetzeszweck der Gefahrenvorsorge aus dem Blick zu nehmen und deshalb der Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Bereich der Feststellung der Gefährlichkeit auch weiterhin einen nur relativ geringen Umfang beizumessen (a. a. O., S. 17). Dem sollte die "Ausnahme von der Pflicht zur Gefährlichkeitsfeststellung" dienen, wenn es sich "bei der Verletzung eines anderen (Haus-)Tieres offensichtlich um ein artgerechtes Abwehrverhalten handelt" (a. a. O., S. 19).

19

Nach dem dem Änderungsgesetz zugrundeliegenden Bericht der Landesregierung zur Überprüfung der Auswirkungen des Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren (Stand 28. Oktober 2014; https://mi.sachsen-ahalt.de/fileadmin/Bibliothek/Politik_und_Verwaltung/MI/MI/3._Themen/Gefahrenabwehr/Hundegesetz/141028_Evaluationsbericht_Hundegesetz.pdf.) sollte "den Behörden ein Ermessensspielraum bei der Beurteilung von konkreten Vorfällen im jeweiligen Einzelfall eröffnet werden", um so zu ermöglichen, dass ggf. nach Sachverhaltsermittlung und vor abschließender behördlicher Feststellung durch eine "Zweitprüfung" mit hinreichender (ethologischer, kynologischer und veterinärmedizinischer) Fachkenntnis solche Fälle ausgenommen werden können, bei denen der "Ausnahmefall eines eindeutig artgerechten Verteidigungs- oder Abwehrverhaltens vorliegt" (a. a. O., S. 124 f.).

20

In der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, die Änderung in § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 (mit den Auswirkungen auf § 4 Abs. 4) werde zwar "- anders als nach geltender Rechtslage - dazu führen, dass die Behörde im Rahmen der Sachverhaltsermittlung auch die mögliche Ursache einer Beißerei zu erforschen hat und sich ggf. selbst ein Bild von dem einzuschätzenden Hund machen muss (vgl. auch S. 125 f. und Anlage 4 des EB)". Bei Zweifelsfällen sei zur Begutachtung des Vorfalls die Hinzuziehung praktizierender Tierärzte mit ethologischen bzw. kynologischen Kenntnissen zielführend. "Eine solche Hinzuziehung von Sachverständigen ist den zuständigen Behörden auch ohne spezielle neue gesetzliche Regelung im Rahmen ihrer Sachverhaltsermittlungspflicht möglich und die Kosten sind über § 14 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 VwKostG LSA als Auslagen gegenüber dem Halter bzw. Kostenschuldner wieder umlegbar und geltend zu machen" (a. a. O., S. 19).

21

Demnach gehen weder die Gesetzesbegründung noch der dort in Bezug genommene Evaluationsbericht davon aus, dass jeder Beißvorfall zwingend sachverständig zu begutachten wäre. Lediglich in Zweifelsfällen, ob ein Ausnahmefall eines eindeutig artgerechten Verteidigungs- oder Abwehrverhaltens vorliegt, ist eine eingehende Untersuchung des Vorfalls, gegebenenfalls unter Hinzuziehung externen Fachverstandes, vorzunehmen. Liegen hingegen greifbare Anhaltspunkte für eine Abwehrhandlung des beißenden Hundes schon nicht vor, kommt eine "Exkulpation" des Hundes nicht in Betracht. Denn als Ausnahme von der grundsätzlichen Pflicht zur Gefährlichkeitsfeststellung ist die Regelung eng auszulegen und setzt voraus, dass greifbare Anhaltspunkte für Zweifel an der Motivationslage des beißenden Hundes bestehen.

22

Gemessen daran hat das Verwaltungsgericht zu Unrecht angenommen, die Antragsgegnerin habe eine weitergehende Aufklärungspflicht getroffen, der sie nicht nachgekommen sei. Die Antragsgegnerin hat dem angefochtenen Bescheid eine noch hinreichende Sachverhaltsermittlung zugrunde gelegt und die eingeholten Zeugenaussagen der bei dem Beißvorfall anwesenden Zeuginnen A. und B. (K.) ebenso bewertet wie die Aussage des Antragstellers. Allein dieser konnte keine Angaben aus eigener Beobachtung zu dem Hergang des Vorfalls machen, sondern beschränkte seine Aussagen in dem Schreiben vom 21. Februar 2016 ebenso wie im Widerspruchs- und erstinstanzlichen Verfahren auf Mutmaßungen dazu, wie es zu dem Beißen gekommen sein könnte. Die Aussagen der Zeuginnen seien, so die Begründung des Widerspruchs, "von vornherein als subjektiv gefärbt bzw. parteiisch" anzusehen und daher kritisch zu hinterfragen. Die Antragsgegnerin aber habe es unterlassen, die Zeuginnen A. und B. (K.) sowie weitere Personen zu befragen.

23

Mit diesem Vorbringen dringt der Antragsteller nicht durch. Denn die Antragsgegnerin traf eine solche Pflicht zur Klärung der Frage, ob der Hund des Antragstellers angegriffen worden sei und deshalb zugebissen habe, vorliegend nicht. Der Antragsteller trägt selbst nicht vor, dass sein Hund tatsächlich angegriffen worden sei. Nach seinen Vermutungen könnte der Hund lediglich "auf ein Verhalten, bspw. Anbellen, Aufbäumen an der Leine oder gar einen Angriff" reagiert haben. Tatsächliche Anhaltspunkte liegen dafür jedoch in keinster Weise vor. Es ist auch - entgegen der Auffassung des Antragstellers - nicht davon auszugehen, dass die von der Antragsgegnerin schriftlich befragten Zeuginnen die Unwahrheit gesagt oder wesentliche Tatsachen unterschlagen hätten. Eine irgendwie geartete Belastungstendenz ist den Aussagen nicht zu entnehmen. Im Gegenteil relativierten die Zeuginnen sogar die zuvor ärztlich bescheinigte Verletzung des Zeugin A. (K.), indem sie angaben, es seien "eher nur blaue Flecken" zu sehen gewesen.

24

Dem Antragsteller ist auch nicht darin zuzustimmen, dass die Antragsgegnerin eine erhöhte Aufklärungspflicht hinsichtlich des Tathergangs treffe, weil er (aufgrund der Vernachlässigung seiner Aufsichtspflicht) nicht in der Lage sei, Angaben dazu zu machen. Denn jedenfalls dann, wenn sich aus den Zeugenaussagen der den Vorfall unmittelbar beobachtenden Personen ein schlüssiges Gesamtbild ergibt und Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Aussagen - etwa durch erkennbare Belastungstendenzen oder gesteigertes Vorbringen im Verfahren - sich nicht aufdrängen, ist es der Behörde nicht aufgegeben, jeder bloß denkbaren Entlastungsmöglichkeit für den als gefährlich festzustellenden Hund nachzugehen. Diese Ausnahme soll - siehe oben - auf offensichtliches Abwehrverhalten beschränkt bleiben.

25

Hat die Antragsgegnerin danach ihrer Aufklärungspflicht genügt, indem sie die anwesenden Zeuginnen ebenso wie den betroffenen Hundehalter befragt und (tier-)ärztliche Unterlagen beigezogen hat, und im Ergebnis festgestellt, dass die nicht unerheblichen Verletzungen, die der Hund des Antragstellers dem Hund der Zeugin B. (K.) sowie der Zeugin A. (K.) selbst zugefügt hat, nicht durch ein offensichtliches Abwehrverhalten bedingt waren, hat sie die Gefährlichkeit dieses Hundes zu Recht festgestellt.

26

b.) Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache bei summarischer Prüfung als gering einzuschätzen, ist die Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen einen kraft Gesetzes vollziehbaren Bescheid aufgrund einer Güterabwägung zwischen den betroffenen Interessen des Antragstellers an der vorläufigen Suspendierung des Verwaltungsaktes und dem öffentlichen und privaten Interesse an der sofortigen Vollziehung vorzunehmen. Schon der mit dem HundeG LSA verfolgte Schutzzweck, Gefahren für die öffentliche Sicherheit vorzubeugen und abzuwehren, die mit dem Halten und Führen von Hunden verbunden sind, legt nahe, dass dem öffentlichen Interesse, vor gefährlichen Hunden bewahrt zu bleiben, Vorrang vor dem privaten Interesse einzelner an der Haltung solcher Hunde eingeräumt ist. An dieser Einschätzung ändern auch die mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren erfolgten Rechtsänderungen nichts. Denn diese Änderungen - etwa die Einführung weiterer Kriterien für die Bissigkeit eines Hundes oder die Ausnahmeregelungen für Jagd- oder Diensthunde - erfolgten nicht, um den gefahrenabwehrrechtlichen Anspruch des Gesetzes zu senken, sondern um den Beurteilungs- und Wertungsspielraum der zuständigen Behörden zu erweitern (Begründung des Gesetzentwurfs, S. 12). Die niedrige ordnungsrechtliche Eingriffsschwelle sollte damit nicht angehoben werden (a. a. O., S. 18).

27

Sind die Anhaltspunkte für die Gefährlichkeit des Hundes - wie hier - nicht gering, tritt danach das private Interesse des Hundehalters, bis zur rechtskräftigen Klärung der Frage der Gefährlichkeit von den damit verbundenen Folgen verschont zu bleiben, hinter dem Interesse der Öffentlichkeit, vor den von dem Hund möglicherweise ausgehenden Gefahren verschont zu bleiben, zurück (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 20. Juni 2012 - 3 M 531/11 -, juris Rdnr. 8).

28

Erfolgte die Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes des Antragstellers zu Recht, bestehen gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verfügung zu 2. (Leinen- und Maulkorbzwang) unter Ziffer 3. keine Bedenken. Denn die Anordnung wiederholt lediglich die bereits gesetzlich geregelten Pflichten des Hundehalters, der eine Erlaubnis zur Haltung eines im Einzelfall gefährlichen Hundes beantragt, § 5 Abs. 2 HundeG LSA.

29

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

30

3. Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 40, 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG und entspricht der Streitwertfestsetzung der erstinstanzlichen Entscheidung.

31

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird;
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird;
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird;
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird;
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

(1) Dieses Gesetz gilt für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden

1.
des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts,
2.
der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie Bundesrecht im Auftrag des Bundes ausführen,
soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten.

(2) Dieses Gesetz gilt auch für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der in Absatz 1 Nr. 2 bezeichneten Behörden, wenn die Länder Bundesrecht, das Gegenstände der ausschließlichen oder konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, als eigene Angelegenheit ausführen, soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Für die Ausführung von Bundesgesetzen, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen werden, gilt dies nur, soweit die Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates dieses Gesetz für anwendbar erklären.

(3) Für die Ausführung von Bundesrecht durch die Länder gilt dieses Gesetz nicht, soweit die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden landesrechtlich durch ein Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt ist.

(4) Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Setzt die Behörde automatische Einrichtungen zum Erlass von Verwaltungsakten ein, muss sie für den Einzelfall bedeutsame tatsächliche Angaben des Beteiligten berücksichtigen, die im automatischen Verfahren nicht ermittelt würden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 6 Satz 4 VwGO) rechtfertigen eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung nicht.

2

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 28. September 2011 wegen der Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes „(...)“ und der zwangsgeldbewehrten Anordnung des Leinen- und Maulkorbzwanges im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

3

Soweit sich der Antragsteller gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Feststellung der Gefährlichkeit seiner beiden Schäferhunde wendet (vgl. § 4 Abs. 4 Satz 3 GefHundG LSA), ist der auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches gerichtete Antrag entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zulässig, obwohl das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt den Widerspruch bereits zurückgewiesen hat und die Anfechtungsklage anhängig ist. Denn auch wenn das Widerspruchsverfahren abgeschlossen und Klage erhoben ist, ist im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 19.03.1996 – B 4 S 12/96 – Rdnr. 7 ). Die aufschiebende Wirkung, die einem Widerspruch nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO zukommt, endet nicht mit der Bescheidung des Widerspruchs. Vielmehr endet die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nach § 80 b Abs. 1 Satz 1 VwGO mit der Unanfechtbarkeit oder, wenn die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist, drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels. Anderes folgt nicht aus dem Umstand, dass nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben. Wenn § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO beiden Rechtsbehelfen aufschiebende Wirkung beimisst, so hat dies nicht die Bedeutung, dass die aufschiebende Wirkung, den Verfahrensabschnitten entsprechend, je für Widerspruch und Klage gesondert eintritt. Vielmehr wird damit nur der Tatsache Rechnung getragen, dass der Erhebung der Anfechtungsklage in den Fällen des § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO ein Widerspruchsverfahren nicht vorausgeht (OVG LSA, a. a. O.).

4

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat indes in der Sache keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht macht von der ihm mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO eingeräumten Befugnis, auf Antrag nach seinem Ermessen die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs anzuordnen Gebrauch, wenn sich die angefochtene Verfügung bei der im Verfahren über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Sachprüfung im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtswidrig erweisen wird. Lassen sich für eine solche Prognose anhand der Verwaltungsakten der Behörde und dem Vortrag der Beteiligten die hierfür notwendigen tatsächlichen Feststellungen im Eilverfahren nicht treffen und ist der Erfolg im Hauptsacheverfahren – wie hier – demnach offen, so entscheidet das Gericht über den Eilantrag anhand einer Güterabwägung, bei der die öffentlichen Interessen an einer sofortigen und wirksamen Vorsorge vor den von Hunden ausgehenden Gefahren mit dem privaten Interesse des Antragstellers, einstweilen von einer Vollziehung der angegriffenen Verfügung verschont zu bleiben, gegenüberzustellen sind.

5

Ob die Anfechtungsklage des Antragstellers gegen die Verfügung der Antragsgegnerin in der Gestalt des Widerspruchsbescheides Erfolg haben wird, ist nach dem Erkenntnisstand im Eilverfahren offen. Gemäß § 3 Abs. 1 Alt. 2 GefHundG sind gefährlich die Hunde, deren Gefährlichkeit im Einzelfall festgestellt wird. Im Einzelfall gefährliche Hunde sind gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 GefHundG Hunde, die sich als bissig erwiesen haben. Erhält die zuständige Behörde einen Hinweis darauf, dass ein Hund eine gesteigerte Aggressivität aufweist, insbesondere Menschen oder Tiere gebissen hat, so hat sie den Hinweis gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 GefHundG von Amts wegen zu prüfen. Ergibt die Prüfung Tatsachen, die den Verdacht rechtfertigen, dass von dem Hund eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, so stellt die Behörde fest, dass der Hund gefährlich ist (§ 4 Abs. 4 Satz 2 GefHundG).

6

Tatsachen, die den Verdacht rechtfertigen, dass von dem Hund eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht (§ 4 Abs. 4 Satz 2 GefHundG), liegen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht bereits dann vor, wenn lediglich der Verdacht besteht, dass sich ein Hund als bissig erwiesen hat, sondern erst dann, wenn die Behörde auf einen Hinweis, dass ein Hund eine gesteigerte Aggressivität aufweist, aufgrund der von Amts wegen durchzuführenden Ermittlungen die auf Tatsachen gründende Feststellung getroffen hat, dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 GefHundG erfüllt sind. Der Verdacht, dass von einem Hund eine Gefahr ausgeht, ist dann begründet, wenn aufgrund der festgestellten Tatsachen zwar nicht gewiss ist, es aber zumindest als möglich erscheint, dass der Hund zukünftig ein die Rechtsgüter Dritter schädigendes Verhalten zeigt (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 29.11.2011 – 3 M 484/11 – Rdnr. 5 m. w. N. ). Auch wenn der Gesetzgeber damit ein möglichst frühzeitiges ordnungsbehördliches Einschreiten ermöglicht, um künftige Beißvorfälle mit Hunden weitgehend zu minimieren und Gefahren für die öffentliche Sicherheit wirksam vorzubeugen, die mit dem Halten und Führen von Hunden verbunden sein können (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs in LT-Drs. 5/1011, S. 11; Pietzsch, LKV 2010, 241), so genügen nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 4 Satz 2 GefHundG und dem gesetzessystematischen Zusammenhang mit § 3 Abs. 3 GefHundG Vermutungen nicht, um den Gefahrenverdacht zu rechtfertigen. Vielmehr sind auf Tatsachen gründende Feststellungen dazu, ob sich ein Hund in der Vergangenheit als bissig erwiesen hat, Voraussetzung für den auf die Zukunft bezogenen Gefahrenverdacht, dass sich der Hund auch künftig möglicherweise als bissig erweisen kann.

7

Ob der Hund des Antragstellers den Hund der Frau E. am (…) 2011 in das linke Hinterbein gebissen und sich damit als bissig i. S. d. § 3 Abs. 3 Nr. 2 GefHundG erwiesen hat, lässt sich nach Aktenlage nicht hinreichend sicher feststellen. Frau E. hat ausweislich des Aktenvermerks vom 26. August 2011 in der fernmündlichen Anzeige des Vorfalls angegeben, ihr Hund sei gebissen worden und habe tierärztlich behandelt werden müssen, weil sich die Bisswunde entzündet habe. In ihrer am 31. August 2011 bei der Antragsgegnerin eingegangenen Stellungnahme erklärte sie, ihr Hund sei gebissen worden, so dass sich ein Bluterguss gebildet habe. Damit ist sie von der nach dem Aktenvermerk aufgestellten Behauptung, ihr Hund habe eine Bisswunde davongetragen, die sich entzündet habe, selbst wieder abgerückt. Auch auf dem Zahlungsbeleg der Tierarztpraxis vom 24. August 2011 lassen sich keine Hinweise auf eine Bisswunde entnehmen, weil die Behandlung des Tiers danach in der „Punktion und Versorgung eines Blutergusses beim Hund am linken Oberschenkel“ bestanden hat. Der Antragsteller ist der Behauptung, sein Hund habe das Tier der Frau E. gebissen, entgegengetreten. Zwar hat er eingeräumt, dass sein Hund zu dem Hund der Frau E. gelaufen sei und dies damit erklärt, dass sein Tier „dieses Schutzverhalten“ an den Tag gelegt habe, seit ihre Welpen von Hunden der Frau E. gebissen worden seien. Der Zeuge F. hatte im Verwaltungsverfahren angegeben, er habe bemerkt, dass Frau E. aufgeregt gewesen sei, mit der Hand auf den Hund des Antragstellers eingeschlagen und mit dem Fuß nach ihm getreten habe, nachdem er vom Grundstück kommend um seinen Pkw herumgegangen sei. Frau E. habe mit ihren Schlägen auch den eigenen Hund getroffen. Ein aggressives Verhalten des Hundes des Antragstellers, etwa ein Verbellen oder Knurren, habe er nicht bemerkt. Mit einem der Beschwerdebegründung beigefügten weiteren Schreiben vom 05. Dezember 2011 hat er ausgeführt, er habe den Vorfall von „Anfang an beobachten“ können. Der Hund des Antragstellers habe „den Hund der Frau E. nicht gebissen“. Das steht zwar in einem gewissen Widerspruch zu dem Inhalt seiner Stellungnahme vom 03. November 2011, wonach er aus eigener Wahrnehmung nicht über den Beginn des Vorfalls berichtet, sondern mit der Darstellung erst zu einem Zeitpunkt einsetzt, als Frau E. – seinen Angaben zufolge – auf den Hund des Antragstellers eingeschlagen und getreten dabei auch ihren eigenen Hund getroffen hat. Ob die Verletzung des Hundes von Frau E. auf einen Biss des Hundes des Antragstellers oder auf einen Tritt von Frau E. zurückzuführen ist, ist nach dem Sachstand im Eilverfahren offen.

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Die bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens aufgrund einer Abwägung der widerstreitenden Interessen zu treffende Entscheidung geht zu Lasten des Antragstellers aus. Es ist ihm zuzumuten, sich vorläufig, bis zu einer rechtkräftigen Entscheidung in der Hauptsache an die Ge- und Verbote aus der angefochtenen Verfügung zu halten. Würde die aufschiebende Wirkung des Widerspruch wiederhergestellt und ergäbe sich im Hauptsacheverfahren, dass sich der Hund des Antragstellers bei dem Vorfall am (...) 2011 als bissig erwiesen hat, so bestünde bis zum Eintritt der Bestandskraft der Verfügung die Besorgnis, dass der Hund erneut beißt und Menschen oder Tiere verletzt. Der Senat hat dabei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber dem wirksamen Schutz vor Gefahren, die von Hunden ausgehen, einen hohen Stellenwert eingeräumt hat. Demgegenüber muss das private Interesse des Antragstellers, einstweilig von der Vollziehung der Verfügung verschont zu bleiben, hintanstehen. Denn unter Berücksichtigung des gewichtigen öffentlichen Interesses an einem wirksamen Schutz vor den von gefährlichen Hunden ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit ist das private Interesse des Antragstellers, einstweilen nicht eine Erlaubnis zum Führen eines gefährlichen Hundes beantragen, seine Zuverlässigkeit und Sachkunde nachweisen (§§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 7 ff. GefHundG) und die Fähigkeit des Hundes zu sozialverträglichem Verhalten durch einen Wesenstest nachweisen zu müssen (§§ 6 Abs. 1 Nr. 2, 10 GefHundG) auch unter Berücksichtigung des hierfür erforderlichen finanziellen Aufwands nachrangig. Ebenso ist es ihm zuzumuten, den für gefährliche Hunde geltenden Leinen- und Maulkorbzwang (§ 11 GefHundG) einstweilen zu beachten. Dass es sich bei dem Hund um einen Jagdhund handelt, rechtfertigt entgegen der mit der Widerspruchsbegründung vorgebrachten Auffassung auch „im Hinblick auf die aktuelle Jagdsaison“ keine andere Einschätzung. Es ist dem Antragsteller zuzumuten, ohne Hund oder mit einem anderen Hund zu jagen.

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Soweit der Antragsteller wegen der Androhung des Zwangsgeldes die aufschiebende Wirkung des Widerspruch angeordnet wissen will, weil die Zwangsgeldandrohung entgegen § 37 Abs. 1 VwVfG zu unbestimmt sei, vermag er damit ebenfalls nicht durchzudringen. Nach der Ziffer 2 der Verfügung vom 28. September 2011 darf der Hund bis zur Beantragung der Erlaubnis zur Haltung des Hundes außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke nur vom Antragsteller persönlich an einer Leine und mit Maulkorb geführt werden. In der Ziffer 4 der Verfügung wird dem Antragsteller für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld i. H. v. 1.000,- € angedroht. Aus der Sicht eines verständigen Dritten in der Lage des Adressaten kann dies entgegen der Auffassung des Antragstellers vernünftigerweise nicht anders verstanden werden, als dass sich die Zwangsgeldandrohung auf jeden Verstoß gegen jede einzelne der in der Ziffer 2 enthaltenen Gebote bezieht, so dass das Zwangsgeld festgesetzt werden kann, wenn der Antragsteller den ihm auferlegten Geboten im einzelnen Fall nicht oder nicht vollständig nachkommt.

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Zwar ist der Einwand des Antragstellers, das Verwaltungsgericht habe den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, begründet. Denn das Verwaltungsgericht hat dem Antragsteller die beigezogenen Verwaltungsakten der Behörde nicht vor, sondern mit der Entscheidung in der Sache zur Einsichtnahme übersandt, obwohl der Antragsteller mit dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes Akteneinsicht beantragt und sich eine ergänzende Begründung vorbehalten hat. Dieser Verfahrensmangel ist indes nicht geeignet, eine andere Sachentscheidung zu rechtfertigen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert war für das Beschwerdeverfahren nach §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG auf den hälftigen Auffangstreitwert in Höhe von 2.500,- € festzusetzen.

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.