Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 15. Aug. 2018 - 2 M 65/18

bei uns veröffentlicht am15.08.2018

Gründe

I.

1

Die Antragsteller begehren vom Antragsgegner ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Errichtung eines Carports auf dem Grundstück des Beigeladenen in Form einer Baueinstellungsverfügung.

2

Mit Bescheid vom 05.04.2013 erteilte der Antragsgegner dem Beigeladenen eine Baugenehmigung zum Neubau eines Carports mit Photovoltaikanlage auf dem Grundstück der Gemarkung A-Stadt, Flur A, Flurstück 131. Unter dem Datum vom 25.07.2016 teilte der Beigeladene dem Antragsgegner mit, dass im Mai 2015 mit den Bauarbeiten begonnen worden sei. Mit Schriftsatz vom 26.03.2016 teilten die Antragsteller dem Antragsgegner mit, sie hätten vor wenigen Tagen festgestellt, dass der Beigeladene mit dem Bau des Carports begonnen habe. Die Baugenehmigung sei aber bereits erloschen. Sie beantragten, dagegen behördlich einzuschreiten und den Bau umgehend stillzulegen. Den Antrag lehnte der Antragsgegner mit Schreiben vom 11.04.2018 ab.

3

Den von den Antragstellern daraufhin gestellten Antrag, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Bauarbeiten des Beigeladenen durch eine sofort vollziehbar zu erklärende Ordnungsverfügung vorläufig stillzulegen, hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Beschluss abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Der Antrag nach § 123 VwGO sei zulässig, insbesondere statthaft. Zu Gunsten der Antragsteller gehe die Kammer davon aus, dass die Baugenehmigung vom 05.04.2013 bereits erloschen sei und damit nicht mit der Anfechtungsklage beseitigt werden könne. Der Antrag sei aber nicht begründet. Ein Anspruch des Nachbarn auf bauaufsichtliches Einschreiten könne nur dann angenommen werden, wenn das Bauvorhaben gegen nachbarschützende Vorschriften verstoße und das behördliche Ermessen auf Null reduziert sei. Der Vortrag der Antragsteller, die Standsicherheit der bereits errichteten "Baufragmente" sei nicht gewährleistet, sei unsubstantiiert. Bedenken gegen die Standsicherheit bestünden schon deshalb nicht, weil der Beigeladene dem Antragsgegner am 16.09.2016 den gebotenen, von einem vorlageberechtigten Ingenieur erstellten Standsicherheitsnachweis vorgelegt habe. Der weitere Vortrag, dass von der "Statik" abweichend gebaut werde, sei nicht glaubhaft gemacht. Der Umstand, dass nach dem Vorbringen der Antragsteller ohne Baugenehmigung gebaut werde, sei nicht geeignet, ein bauaufsichtliches Einschreiten zu begründen. Die Verfahrensvorschriften über die Erteilung einer Baugenehmigung dienten allein dem öffentlichen Interesse und entfalteten keinen darüber hinausgehenden nachbarlichen Drittschutz, auf den sich die Antragsteller berufen könnten.

II.

4

Die Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

5

Die Antragsteller machen geltend, der in Bau befindliche Carport werde ohne Baugenehmigung errichtet. Die Abwägung hätte zu ihren Gunsten ausgehen müssen. Selbst wenn man die Erfolgsaussichten in der Hauptsache als zumindest offen ansehe, stellten sich die Folgen für den Beigeladenen im Falle des Erlasses einer einstweiligen Anordnung als weniger gravierend dar wie im umgekehrten Fall für sie, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge. Sie müssten mit der Schaffung vollendeter Tatsachen gegebenenfalls unter Verstoß gegen das Nachbarschutzgesetz rechnen, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge. Sie hätten auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, da der Beigeladene Bauarbeiten vorgenommen habe. Es seien bereits Säulen und Träger errichtet worden. An die Begründung der Eilbedürftigkeit hätte das Verwaltungsgericht keine so hohen Anforderungen stellen dürfen. Die Baueinstellungsverfügung habe nur den Zweck zu verhindern, dass mit der Bauausführung vollendete Tatsachen geschaffen werden, die sich nach Fertigstellung häufig nur schwer oder mit gravierenden Folgen für den Bauherrn rückgängig machen ließen. Das sofortige Eingreifen liege auch im besonderen öffentlichen Interesse, weil die Stilllegungsverfügung die Rechtstreue der Bevölkerung untergrabende Vorbildwirkungen einer formell illegalen Nutzung bekämpfe. Mit diesen Einwänden vermögen die Antragsteller nicht durchzudringen.

6

Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung für eine einstweilige Anordnung ist demnach das Vorliegen eines Rechts, dessen Sicherung die Anordnung dient (Anordnungsanspruch) sowie die drohende Vereitelung oder Erschwerung dieses Anspruchs (Anordnungsgrund). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

7

Den danach erforderlichen Anordnungsanspruch haben die Antragsteller nach wie vor nicht glaubhaft gemacht. Aus ihrem Vorbringen lässt sich ein Anspruch gegen den Antragsgegner auf Erlass einer Stilllegungsanordnung nach § 78 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA nicht ableiten.

8

Wie der Senat bereits entschieden hat (Urt. v. 18.02.2015 – 2 L 22/13 –, juris, RdNr. 46), setzt ein Anspruch des Nachbarn auf bauordnungsbehördliches Einschreiten nach §§ 79 S. 1, 57 Abs. 2 BauO LSA u.a. voraus, dass die bauliche Anlage den Nachbarn in seinen Rechten verletzt, mithin gegen Regelungen verstößt, denen nachbarschützende Wirkung zukommt. Gleiches gilt, wenn ein bauaufsichtliches Einschreiten in Gestalt einer Baustilllegung (§ 78 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA) begehrt wird. Allein die formelle Rechtswidrigkeit einer baulichen Anlage – also das (möglicherweise) Fehlen einer erforderlichen Baugenehmigung bzw. eine von einer vorhandenen Genehmigung abweichende Bauausführung – genügt als solche nicht, um in diesem Sinn die Betroffenheit eines subjektiven Rechts des Nachbarn zu begründen. Die Vorschriften über die Baugenehmigungspflicht dienen allein dem öffentlichen Interesse und sind daher nicht nachbarschützend. Entscheidend ist vielmehr, ob durch das Bauvorhaben eine die benachbarten Antragsteller materiell schützende Rechtsnorm verletzt wird (vgl. BayVGH, Beschl. v. 08.03.2018 – 15 CE 17.2599 –, juris RdNr. 38, m.w.N.). Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem von den Antragstellern zitierten Beschluss des Senats vom 31.01.2012 (- 2 M 194/11 –, juris). Diese Entscheidung hatte eine für sofort vollziehbar erklärte Baueinstellungsverfügung zum Gegenstand, die nicht auf Antrag des Nachbarn erlassen wurde. Zu den Voraussetzungen für einen Anspruch eines Nachbarn auf bauaufsichtliches Einschreiten in Gestalt einer Baueinstellungsverfügung verhält sich diese Entscheidung nicht.

9

Den Antragstellern ist zwar darin beizupflichten, dass die Anforderungen an die Glaubhaftmachung einer Verletzung nachbarschützender Vorschriften nicht überspannt werden dürfen. So ist anerkannt, dass die aus Artikel 19 Abs. 4 GG abgeleitete Garantie effektiven Rechtsschutzes es gebietet, in gerichtlichen Eilverfahren, in denen der Antragsteller von der Bauaufsichtsbehörde ein bauaufsichtsrechtliches Einschreiten gegen ein baugenehmigungsfreies Vorhaben verlangt, die Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs nicht so streng zu gestalten, dass der antragstellende Nachbar in der Regel vor vollendeten Tatsachen steht, die seine öffentlich-rechtlich geschützten Nachbarrechte möglicherweise nachhaltig berühren und die später kaum noch zu beseitigen wären. Ein Anspruch auf Baueinstellung dürfte in aller Regel dann zu bejahen sein, wenn absehbar ist, dass ein Vorhaben gegen nachbarschützende öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Die Herabsetzung der Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs darf aber nicht dazu führen, dem Bauherrn seinerseits eine materielle Beweislast für die Rechtmäßigkeit seines Vorhabens aufzuerlegen. Es genügt also nicht die schlichte Behauptung seitens des Antragstellers, nachbarschützende Vorschriften seien verletzt. Der antragstellende Nachbar muss, will er einen Anspruch auf behördliches Einschreiten durchsetzen, wenigstens die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen (Nachbar-)Rechten gegenüber dem Gericht aufzeigen. Lässt sich dem Vortrag des Antragstellers die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Nachbarrechten nicht hinreichend entnehmen, bleibt sein Begehren auf vorläufigen Rechtsschutz erfolglos (vgl. zum Ganzen: OVG MV, Beschl. v. 09.04.2003 – 3 M 1/03 –, juris, RdNr. 12, m.w.N.). Für baugenehmigungspflichtige Vorhaben, die zwar genehmigt wurden, bei denen aber die Baugenehmigung wegen fehlenden Baubeginns nach drei Jahren erloschen ist (§ 72 Abs. 1 BauO LSA), besteht für den Bauherrn keine geringere Darlegungslast, schon weil die Behörde – wenn auch bereits vor mehr als drei Jahren – die Vereinbarkeit des Vorhabens mit damals geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften geprüft hat.

10

Gemessen daran ist ein Anordnungsanspruch der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren nicht dargetan. Sie legen nicht dar, welche materiellen Vorschriften, die auch ihrem Schutz als Nachbarn zu dienen bestimmt sind, das Vorhaben des Beigeladenen verletzt. Mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu den von den Antragstellern im erstinstanzlichen Verfahren angeführten Bedenken hinsichtlich der Standsicherheit der Anlage (§ 12 Abs. 1 BauO LSA) setzt sich die Beschwerde nicht auseinander.

11

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

12

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 146


(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltun

Zivilprozessordnung - ZPO | § 920 Arrestgesuch


(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. (2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. (3) Das Gesuch kann vor der

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Tenor Das Oberverwaltungsgericht ist instanziell unzuständig. Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht des Saarlandes verwiesen. Gründe Der Kläger wendet sich gegen die nachträgliche immissions-schutzrechtliche Anordnung

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt vom Beklagten ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Beigeladenen.

2

Er ist seit 1998 Eigentümer des Grundstücks R-Straße 24 im Ortsteil (...) der Stadt E. (Gemarkung D., Flur A, Flurstück 71). Die Beigeladenen sind Eigentümer des nordwestlich angrenzenden, mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks A-Straße 4a (Gemarkung D., Flur A, Flurstücke 31 und 67), das auf einem von Südwesten nach Nordosten ansteigenden Berghang gelegen ist. Das Grundstück grenzt im östlichen Teil in einer Länge von ca. 8 m an das im Eigentum des Klägers stehende Grundstück, auf dem sich etwa parallel zur Grundstücksgrenze Teile der Grundmauern eines ehemaligen Scheunengebäudes befinden.

3

In den Jahren 2003/2004 errichteten die Beigeladenen eine u-förmig angeordnete Stützmauer mit Umwehrung im südlichen Teil ihres Grundstücks. Auf dem von der Mauer abgestützten Gelände befindet sich eine mit Rasen bewachsene Fläche. Der nach Südwesten errichtete Mauerteil verläuft parallel zum Nachbargrundstück R-Straße 23.

4

Am 17.05.2006 beantragten die Beigeladenen für diesen (nach Südwesten zeigenden) Teil der Stützmauer beim Beklagten nachträglich die Erteilung einer Baugenehmigung zur Böschungssicherung. Die beiden anderen Mauerteilstücke nahmen sie von ihrem Baugenehmigungsantrag aus. Zur Begründung gaben sie an, die nach Südosten gegenüber dem (klägerischen) Grundstück R-Straße 24 auf einer Länge von 7,05 m zu errichtende Stützmauer habe aufgrund des Geländeverlaufs eine Höhe von 0,00 m bis 1,65 m und sei daher wie die nach Nordwesten gerichtete Stützmauer genehmigungsfrei. Die nach Südwesten gegenüber dem Grundstück R-Straße 23 gerichtete 1,65 m hohe Schwergewichtsmauer werde über einer bereits bestehenden 0,85 m hohen Stützmauer aus Bruchstein errichtet; damit betrage die Wandhöhe insgesamt 2,50 m und bedürfe deshalb einer Baugenehmigung. Nach der den Bauvorlagen beigefügten technischen Beschreibung der Baumaßnahme (Bl. 16 f. der Beiakte C) besteht die Mauer aus einer 0,60 m dicken konstruktiv bewehrten Betonwand im Verbund mit 0,25 m dicken Betonpflanzelementen, welche zur Gestaltung der Sichtflächen dienen. Die Gründung sollte auf tragfähigem Geschiebemergel mit einer Gründungstiefe zwischen 0,50 und 0,80 m erfolgen. Dem Bauantrag war eine statische Berechnung des Dipl.-Ing. W. vom 10.05.2006 beigefügt, die davon ausgeht, dass die Stützmauer entsprechend dem Bauantrag als homogener Körper (keine getrennten Schalen) hergestellt wird und die Gründung der Schwergewichtswände auf dem tragfähigen Geschiebemergel mit einer Gründungstiefe von 0,50 m erfolgt.

5

Mit Bescheid vom 23.11.2006 ließ der Beklagte für dieses Vorhaben auf entsprechenden Antrag der Beigeladenen eine Abweichung von § 6 Abs. 2 BauO LSA zu. Zur Begründung führte er aus, die Abweichung werde erteilt, weil das vorhandene Gelände auf dem Baugrundstück selbst und zum Nachbargrundstück (Flurstück 70) sehr stark abfalle. Mit Bescheid vom 23.11.2006 erteilte der Beklagte den Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung. Die dagegen vom Kläger erhobene Klage (2 A 76/07 HAL) wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 25.11.2008 ab. Zur Begründung führte es u. a. aus, der entlang der südöstlichen Grenze des Grundstücks der Beigeladenen parallel zur Grenze des klägerischen Grundstücks verlaufende Teil der Stützmauer sei von der Baugenehmigung nicht erfasst.

6

Mit Schreiben vom 17.05.2009 beantragte der Kläger beim Beklagten, bauordnungsrechtliche Verfügungen zur Herstellung eines baurechtmäßigen Zustandes gegen die Beigeladenen zu erlassen. Die auf dem Grundstück der Beigeladenen errichtete Aussichtsterrasse sei ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet worden, verkörpere einen rechtswidrigen Zustand und führe durch Grenzüberbauung, Bodenerhöhung und Pressungen zu Einwirkungen auf sein Grundstück. Mit Schreiben vom 10.06.2009 forderte der Kläger den Beklagten nochmals zum Einschreiten auf, und mit weiterem Schreiben vom 03.09.2009 bat der Kläger um Bescheidung bis zum 10.09.2009. Daraufhin teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 07.09.2009 – ohne Rechtsbehelfsbelehrung – mit: Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes sei er verpflichtet, bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Verfahren 2 A 159/08 HAL (Anfechtung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Nebengebäude) keine Vollstreckungsmaßnahmen zu treffen. Wegen der nach Auffassung des Klägers baurechtswidrig errichteten Aussichtsterrasse sei dem Kläger auf die von ihm eingereichte Dienstaufsichtsbeschwerde vom Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Schreiben vom 12.08.2009 und 25.08.2009 mitgeteilt worden, dass es sich bei der „Aussichtsterrasse“ um eine zwischenzeitlich überwachsene, auf das Höhenniveau des Baugrundstücks eingeebnete Grundstücksfläche bis an die Stützmauer handele. Die Stützmauer einschließlich der aus Sicherheitsgründen erforderlichen Umwehrung sei mit Bescheid vom 23.11.2003 genehmigt worden und diene der Böschungs- und Absturzsicherung der Grundstücksfläche. Anlass für ein bauaufsichtliches Einschreiten seitens der Bauaufsichtsbehörde bestehe deshalb nicht. Aus den genannten Gründen lehne er den Antrag des Klägers „wegen fehlender Sachbescheidung“ ab.

7

Nachdem der Kläger hiergegen Widerspruch erhoben hatte, teilte ihm der Beklagte mit Schreiben vom 15.09.2009 mit, dass das behördliche Schreiben vom 07.09.2009 objektiv kein Verwaltungsakt und demzufolge ein Widerspruch nicht statthaft sei. In Beantwortung der Schreiben des Klägers vom 17.05.2009 und 14.09.2009 verweise er auf die Ausführungen in dem behördlichen Schreiben vom 07.09.2009, da keine neue Sach- und Rechtslage entstanden sei.

8

Am 28.07.2010 hat der Kläger (Untätigkeits-)Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Die Beigeladenen hätten ohne Genehmigung eine Aussichtsterrasse im Grenzbereich zu seinem Grundstück errichtet, die bis weit über 4 m über der Geländeoberkante seines Grundstücks liege. Das Bauwerk verfüge nicht über ein hinreichendes Fundament und übe seitlichen Druck auf die auf seinem Grundstück stehende Stützmauer eines ehemaligen Scheunengebäudes aus. Durch die Lastabtragung sei mit einem baldigen Einsturz der Scheunenmauer zu rechnen. Dieser Umstand sei auch nach Anordnung der Zwangsversteigerung seines Grundstücks zu berücksichtigen, weil er zu einer Wertminderung führe und potentielle Erwerber abschrecke. Ihm sei nicht zuzumuten, die Standsicherheit der Aussichtsterrasse auf dem Nachbargrundstück durch seine Scheunenmauer zu gewährleisten. Die bereits teilweise abgetragene und durch die zusätzliche Druckbelastung einsturzgefährdete Mauer müsse für eine dauerhafte Gewährleistung der Standsicherheit vollständig abgetragen und neu errichtet werden. Hierfür seien Aufwendungen in Höhe von weit über 13.000,00 € erforderlich, die er nicht aufbringen könne. Nach dem im Baugenehmigungsverfahren vorgelegten Standsicherheitsnachweis vom 10.05.2006 sei die Schwergewichtsmauer zur Gewährleistung der Standsicherheit als homogener Körper („keine getrennten Schalen“) herzustellen. Es sei aber erkennbar, dass sich die Mauer aus unterschiedlichen Baumaterialien (z.B. Bruchsteinen, Verblendsteinen, Beton) und mehreren einzelnen Bauteilen (Schalen) zusammensetze. Damit sei belegt, dass das Bauwerk der Beigeladenen keine eigene Standsicherheit aufweise. Bei Zugrundelegung der Auskünfte des Bauunternehmers E. könne ein Sicherheitsnachweis für die Aussichtsterrasse nicht erbracht werden. Die Standsicherheit könne nur bei einer sachgerechten Ausführung nach der statischen Berechnung des Dipl.-lng. W. angenommen werden. Die nachträglich angefertigte Statik entspreche aber nicht der tatsächlichen Ausführung. Insbesondere hätten die Beigeladenen auch nachträglich keine Gründungstiefe von 50 cm hergestellt. Durch die von den Beigeladenen vorgenommene erhebliche Erhöhung des ursprünglichen Geländeverlaufs und die von der Aussichtsterrasse ausgehenden Kräfte sei es für ihn nicht mehr möglich, seine Scheunenmauer abzutragen und danach zu erneuern. Inzwischen zeigten sich deutliche Ausbeulungen an seiner Mauer. Da die Beigeladenen Grenzmarkierungen entfernt hätten, sei der Grenzverlauf ungeklärt. Nach Augenschein sei das streitige Bauwerk zumindest teilweise auf seinem Grundstück errichtet worden.

9

Der Kläger hat beantragt,

10

den Beklagten zu verpflichten, in geeigneter Weise gegen die Beigeladenen bauaufsichtlich einzuschreiten,

11

hilfsweise,

12

erstmals über seinen Antrag vom 17.05.2009 zu entscheiden bzw. darüber zu entscheiden, ob und wie er gegen die Beigeladenen einschreitet.

13

Der Beklagte hat beantragt,

14

die Klage abzuweisen

15

und zur Begründung ausgeführt: Anlass für ein bauaufsichtliches Einschreiten bestehe nicht. Da der Kläger kein schutzwürdiges Sachbescheidungsinteresse besitze, habe er den Antrag mit einfachem Schreiben abgelehnt, um dem Kläger die Kostenbelastung zu ersparen. In Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens und in Abwägung der Interessenlage bleibe er bei der Entscheidung, dass kein Anlass für ein bauaufsichtliches Einschreiten vorliege. Er habe im Rahmen seiner Ermessensentscheidung die Besonderheiten der örtlichen Situation berücksichtigt. Der Kläger habe notwendige Instandsetzungs- und Reparaturarbeiten auf seinem Grundstück nicht durchgeführt. Zwar könne es ausweislich der Beurteilung des Statikers W. vom 27.10.2011 durch nicht fachgerechte Tätigkeiten auf dem Grundstück des Klägers zu kritischen Bauzuständen und Teileinbrüchen kommen. Dies begründe aber keinen Anspruch auf Einschreiten gegen die Beigeladenen. Ein möglicher Verstoß gegen die Standsicherheit habe für den Kläger nur eine geringfügige Beeinträchtigung zur Folge, und schutzwürdige Rechtsgüter würden auf seinem Grundstück nicht verletzt. Mit einer Beseitigung der Stützmauer würde der baurechtswidrige Zustand nicht beseitigt, weil von der ehemaligen Scheunenmauer nur noch Reste vorhanden seien und diese Mauer stabilisiert werden müsse, was in der gemeinsamen Verantwortung des Klägers und der Beigeladenen liege und zivilrechtlich zu klären sei. Auch das im gerichtlichen Verfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen F. komme zu dem Ergebnis, dass die u-förmige Stützmauer für sich standsicher sei, jedoch im Zusammenspiel mit der Restmauer der Scheune unzulässige Beanspruchungen aufweise. Der Kläger müsse seine marode Wand sichern, weil diese auch ohne Belastung aus der „Aussichtsterrasse“ nicht standsicher sei. Eine akute Gefährdung oder spürbar nachteilige Beeinträchtigung des Klägers, die ein sofortiges bauaufsichtliches Einschreiten gebieten, lägen nicht vor.

16

Die Beigeladenen haben beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Sie haben vorgetragen: Die Stützmauer sei für sich standsicher. Die Mauer auf dem Grundstück des Klägers werde den auf sie einwirkenden Kräften nicht standhalten und zwar unabhängig vom Vorhandensein der Stützmauer auf ihrem Grundstück. Die Forderung des Klägers sei rechtsmissbräuchlich. Für die frühere Bebauung seines Grundstücks sei in großem Umfang der Hang abgegraben worden. Die vom Hang ausgehenden Lasten seien dann von den Baulichkeiten auf dem Grundstück des Klägers abgefangen worden. Seitdem diese Baulichkeiten eingefallen seien, könnten sie diese Funktion nicht mehr wahrnehmen. Es sei daher Sache des Klägers, selbst für eine ausreichende anderweitige Befestigung, d.h. für Abstützungsmaßnahmen zu sorgen.

19

Das Verwaltungsgericht hat zur Frage der Standsicherheit der Stützmauer Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Herrn Dipl.-lng. F. vom 19.11.2012.

20

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

21

Der Kläger habe gegen den Beklagten keinen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Beigeladenen. Die streitige Aussichtsterrasse genüge den Anforderungen des § 12 Abs. 1 BauO LSA, dass sie im Ganzen und in ihren Teilen für sich allein standsicher sein müsse und die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes des Nachbargrundstücks nicht gefährden dürfe. Nach dem eingeholten Gutachten des Sachverständigen F. vom 19.11.2012 erfülle die u-förmige Stützmauer der Aussichtsterrasse diese Anforderungen, wenn sie sachgerecht nach den statischen Vorgaben zur Ausführung der Schwergewichtswand errichtet worden sei. Zwar habe der Sachverständige F. in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, unter Berücksichtigung der Angaben des Bauunternehmers, der die Mauer in den Jahren 2003/2004 errichtet habe, ergäben sich unzulässige Belastungszustände, so dass sich die Aussage über die eigene Standsicherheit der Stützmauer nicht aufrechterhalten lasse. Daraus ergäben sich aber keine Bedenken, weil der Sachverständige auch darauf hingewiesen habe, dass er nicht wisse, ob die Angaben des Bauunternehmers zuträfen. Zudem spreche der Umstand, dass die Mauer derzeit stehe, dafür, dass die statischen Vorgaben doch eingehalten worden seien, zumal der Bauunternehmer auf telefonische Nachfrage erklärt habe, dass er die Wand auf einem homogenen Baukörper errichtet habe, weil die darunter liegende Wand tragend sei. Auch bei fehlender eigener Standsicherheit der Stützmauer liege ein erheblich ins Gewicht fallender Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften zulasten des Klägers nicht vor, weil auf seinem Grundstück nur noch Gebäudereste vorhanden seien und er eigenen Angaben zufolge in absehbarer Zeit nicht in der Lage sei, das Grundstück neu zu bebauen. Die Entscheidung des Beklagten, nicht gegen die Aussichtsterrasse vorzugehen, lasse auch keinen Ermessensfehler erkennen, wenn er unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen Situation, insbesondere im Hinblick auf den baulichen Zustand des ungenutzten klägerischen Grundstücks ein Einschreiten nicht als erforderlich ansehe.

22

Der Kläger habe (auch) keinen Anspruch auf Bescheidung durch den Beklagten. Zwar habe der Beklagte bislang keinen Bescheid erlassen, mit dem über den vom Kläger gestellten Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten befunden worden sei. Den Stellungnahmen des Beklagten im gerichtlichen Verfahren lasse sich jedoch entnehmen, dass er Ermessen ausgeübt habe und auch unter Berücksichtigung des Sachverständigengutachtens vom 19.11.2012 bei seiner Entscheidung bleibe, nicht gegen die Beigeladenen einzuschreiten. Unabhängig davon sei der Kläger bei einem möglichen Verstoß gegen § 12 Abs. 1 BauO LSA jedenfalls deshalb gehindert, einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten des Beklagten gegen die Beigeladenen abzuleiten, weil dies einen Verstoß gegen Treu und Glauben und damit eine unzulässige Rechtsausübung darstelle. Er selbst erfülle die Anforderungen des § 12 Abs. 1 BauO LSA auf seinem Grundstück nicht, weil sich die übrig gebliebene Scheunenmauer nach dem Gutachten vom 19.11.2012 in einem statisch unzulässigen Zustand befinde. Dem entsprechend habe der Sachverständige Maßnahmen im Zusammenhang mit der Sicherung der maroden Scheunenrestwand vorgeschlagen. Die unzulässige Rechtsausübung werde auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Vorschrift des § 12 Abs. 1 BauO LSA der Gefahrenabwehr und damit dem Schutz bedeutender Rechtsgüter diene; denn eine konkrete Gefahr liege nicht vor. Von der Stützmauer gehe allenfalls für die Beigeladenen und sich dort aufhaltende Personen eine Gefahr aus, weil das Grundstück des Klägers ungenutzt und nur mit Teilen einer abgängigen Scheune bebaut sei.

23

Die vom Senat zugelassene Berufung hat der Kläger wie folgt begründet:

24

Mit der vom Sachverständigen F. vorgenommenen Modifizierung der Statik vom 10.05.2006 sei eine Standsicherheit des tatsächlich errichteten Bauwerks nicht belegt. Der Sachverständige setze bei seinen Berechnungen vielmehr die theoretische Bedingung voraus, dass der Stützkörper des Bauwerks homogen ausgeführt sein müsste, damit die statischen Berechnungen zutreffend seien. Eine tatsächliche homogene Ausführung des Bauwerkes habe der Sachverständige aber nicht bestätigt und könne dies auch nicht, da er Untersuchungen weder zur Zusammensetzung noch zum Gesamtquerschnitt des Stützkörpers vorgenommen habe. Auch den Querschnitt der Schwergewichtsmauer habe der Sachverständige nur an den aus dem Erdreich ragenden Teil der Schwergewichtsmauer mit einer Mauerstärke von 24 cm ermitteln können. Der im Erdreich liegende Querschnitt der Schwergewichtsmauer sei nicht aufgeklärt worden. Anhaltspunkte für die tatsächliche Ausführungsart könnten nur den Einlassungen des Bauunternehmers E. entnommen werden, der dargelegt habe, dass der Stützkörper aus Cerano-Steinen mit Betonfüllung und Stahleinlagen ausgeführt worden sei und auf eine darunter liegende Wand bzw. ein Fundament gesetzt sein solle. Die Stärke der mit Cerano-Steinen errichteten Wand betrage nur 24 cm und erreiche nicht die mit statischen Berechnungen angenommenen Wandstärken der Schwergewichtsmauer von 1,35 m, 0,85 m und 0,25 m. Das Verwaltungsgericht nehme fehlerhaft an, dass der Bauunternehmer die statischen Vorgaben doch eingehalten haben könnte, obwohl nach den telefonischen Angaben des Bauunternehmers davon eben gerade nicht ausgegangen werden könne. Der richterliche Aktenvermerk vom 13.12.2012 belege vielmehr, dass eine Statik zum damaligen Zeitpunkt der Errichtung der Schwergewichtswand überhaupt nicht vorgelegen habe, so dass es höchst unwahrscheinlich sei, dass die konkreten Vorgaben der statischen Berechnung zufällig eingehalten worden seien. Die fehlende eigene Standsicherheit des Bauwerks dürfe nicht mittels theoretischer Annahmen wegdiskutiert werden. Durch die heimliche ohne Bauaufsicht realisierte Errichtung des Bauwerkes seien die im Erdbereich liegenden Teile des Bauwerks bezüglich ihrer Beschaffenheit und Abmessungen nur noch mittels Schachtarbeiten, die bis in eine Tiefe von mindestens 3 Metern getrieben werden müssten, aufzuklären.

25

Das Verwaltungsgericht stelle auch zu Unrecht darauf ab, dass der Kläger in absehbarer Zeit nicht in der Lage sei, sein Grundstück neu zu bebauen. Dies sei unerheblich. Es sei vielmehr auf die gegenwärtige Nutzung seines Grundstückes und die dringend erforderliche Sicherung / Instandsetzung seiner Scheunenmauer abzustellen. Er nutze das Grundstück unterhalb der Scheunenmauer als Lagerplatz für Baumaterialien. Oberhalb der Scheunenmauer und unterhalb der Aussichtsterrasse entlang der Stützmauer habe er persönlich Anpflanzungen von Kulturpflanzen (Brombeeren) vorgenommen. Im Übrigen sei der Aufenthalt bzw. die Tätigkeit von Personen auf seinem Grundstück gerade in dem Bereich, der bei einem Einsturz bzw. Abrutschen der Aussichtsterrasse erfasst werde, zur Instandsetzung bzw. Sicherung der ehemaligen Scheunenmauer unumgänglich. Vor solchen Maßnahmen müssten die von der Aussichtsterrasse ausgehenden Gefährdungen zwingend beseitigt werden. Das Verwaltungsgericht lasse zudem außer Acht, dass die Beigeladenen die Aussichtsterrasse und zumindest die parallel der gemeinsamen Grenze verlaufende Stützwand ohne jegliche Genehmigungen und somit unter Verletzung baurechtlicher Vorschriften und gesetzlicher Nachbarschaftsregelungen errichtet und nur für den parallel zum Grundstück R-Straße 23 verlaufenden Teil der Schwergewichtsmauer nach Errichtung des Bauwerks mit falschen Angaben im Bauantrag eine Teilgenehmigung erschlichen hätten. Darüber hinaus hätten die Beigeladenen Grenzmarkierungen beseitigt bzw. versetzt und so den tatsächlichen Grenzverlauf verschleiert. Die Teilgenehmigung könne die übrigen Teile der u-förmigen Stützmauer formell nicht legalisieren.

26

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, er sei nach Treu und Glauben gehindert, aus einem möglichen Verstoß gegen § 12 BauO LSA einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten abzuleiten, verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Scheunenrestmauer sei für eine Lastabtragung der Aussichtsterrasse nicht ausgelegt. Auch habe er darauf vertrauen dürfen, dass seine Mauer dafür nicht in Anspruch genommen werde. Die Beigeladenen hätten in Kenntnis der Sanierungsbedürftigkeit der Scheunenmauer ihr Bauwerk errichtet und unmittelbar danach die auf seinem Grundstück entstandenen Baumängel dem Beklagten angezeigt, um sich Kosten für die Herstellung der Standsicherheit ihres Bauwerks zu ersparen. Sie hätten damit ebenfalls nicht redlich gehandelt. Aus den Baugrunduntersuchungen des Sachverständigen Dr. S. gehe ferner hervor, dass Aufschüttungen über dem natürlichen Geländeverlauf bis zu einer Höhe von 2,60 m auf dem Grundstück der Beigeladenen vorgenommen worden seien. Zur Instandsetzung bzw. Sicherung der Scheunenmauer hätte er die Aufschüttung auf seinem Grundstück beseitigen und die ehemalige Scheunenmauer weitestgehend (im vorderen Bereich bis zu einer Resthöhe von 1 ‚05 m) abtragen und später wieder aufbauen können. Durch die von der streitgegenständlichen Aussichtsterrasse ausgehenden Gefährdungen würden aber sowohl die Instandsetzung der ehemaligen Scheunenmauer als auch ein zweckdienlicher Teilrückbau verhindert. Gerade durch die von der Terrasse auf die Scheunenmauer wirkenden Kräfte werde eine Abtragung und Neuerrichtung zur Sanierung des Bauwerks verhindert. Ob das Bauwerk gegenwärtig gerade noch stehe, sei unerheblich, da jederzeit der Einsturz zu befürchten sei und der Beklagte eben nicht erst nach Einsturz des Bauwerkes tätig werden müsse.

27

Das Verwaltungsgericht nehme auch fehlerhaft an, dass der Beklagte durch seine allgemeinen Verfahrenseinlassungen eine ermessensfehlerfreie Entscheidung vorgenommen habe. Der Beklagte gebe selbst an, dass er den Anspruch des Klägers auf eine gebotene ermessensfehlerfreie Entscheidung in diesem Verwaltungsverfahren und den Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten bisher noch nicht beschieden, sondern seine Rechtsauffassung in behördlichen Schreiben dargelegt habe. Mit der bloßen Bekräftigung seiner Rechtsauffassung könne der Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nicht erfüllt worden sein.

28

Der Kläger beantragt,

29

das angefochtene Urteil zu ändern und

30

den Beklagten zu verpflichten, in geeigneter Weise gegen die Beigeladenen bauaufsichtlich einzuschreiten,

31

hilfsweise,

32

erstmals über seinen Antrag vom 17.05.2009 zu entscheiden bzw. darüber zu entscheiden, ob und wie er gegen die Beigeladenen einschreitet.

33

Der Beklagte beantragt,

34

die Berufung zurückzuweisen.

35

Er macht geltend, es bestehe keine Ermessensreduzierung auf Null dahin gehend, dass er gegen die Beigeladenen einschreiten müsse. Nach dem Gutachten des Sachverständigen F. vom 19.11.2012 erschienen aus wirtschaftlicher Sicht lediglich Maßnahmen im Zusammenhang mit der Sicherung der maroden Scheunenmauer vernünftig. Auch der auf eine Bescheidung gerichtete Hilfsantrag könne keinen Erfolg haben. Eine reale Gefahr gehe von der Stützmauer nicht aus. Risse an dem bereits 2002/2003 errichteten Bauwerk seien nicht erkennbar. Hinzu komme, dass das Grundstück des Klägers im Wesentlichen ungenutzt sei. Luftbilder ließen erkennen, dass das Grundstück ohne weitere Bebauung immer mehr zuwachse. Ein Lagerplatz im eigentlichen Sinne sei nicht erkennbar. Die bloße Lagerung von Bauschutt der eingefallenen Scheune genüge hierfür nicht.

36

Die Beigeladenen beantragen,

37

die Berufung zurückzuweisen.

38

Sie tragen vor, der Kläger habe nicht plausibel dargelegt, was er in absehbarer Zeit mit den Resten des Scheunengebäudes vorhabe. Sie hätten in den vergangenen Jahren kein einziges Mal bemerkt, dass sich auf dem Grundstück des Klägers Personen aufhalten. Obwohl das Scheunengebäude in der Zwischenzeit weiter eingefallen sei, zeige die von ihnen errichtete Mauer keinerlei Risse. Zur Bebauung des klägerischen Grundstücks sei der Hang abgegraben worden. Es sei deshalb am Kläger, das höherliegende Gebäude auf den Nachbargrundstücken abzusichern, wenn die auf seinem Grundstück befindlichen Gebäude diese statische Absicherung nicht mehr gewährleisten könnten.

39

Der Senat hat den Bauunternehmer E. als Zeugen zu der Frage vernommen, wie die streitige Stützmauer errichtet wurde. Er hat ferner den Sachverständigen F. nochmals ergänzend zu seinem schriftlichen Gutachter vom 19.11.2012 befragt.

40

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

41

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

42

I. Die Verpflichtungsklage in Gestalt der Untätigkeitsklage ist zulässig. Gemäß § 75 Satz 1 VwGO ist die Klage, wenn über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist, abweichend von § 68 zulässig. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Dabei kann in diesem Zusammenhang offen bleiben, ob im Schreiben des Beklagten vom 07.09.2009 ein mit Widerspruch angreifbarer Verwaltungsakt in Gestalt eines Ablehnungsbescheides zu sehen ist. Der Beklagte hat entweder über den Antrag des Klägers auf bauaufsichtliches Einschreiten oder über seinen Widerspruch vom 14.09.2009 innerhalb angemessener Frist nicht entschieden. Ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung des Klägers ist nicht ersichtlich. Soweit der Beklagte zunächst darauf verwiesen hatte, dass er wegen eines noch anhängigen weiteren Verfahrens beim Verwaltungsgericht Halle (Anfechtung einer Baugenehmigung betreffend ein Nebengebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen, Az: 2 A 159/08) keine Vollstreckungsmaßnahmen treffen könne, wäre dieser Grund für eine Nichtbescheidung des Klägers, wenn er „zureichend“ im Sinne von § 75 Satz 1 VwGO gewesen sein sollte, jedenfalls in dem Zeitpunkt entfallen, in dem über die Klage rechtskräftig entschieden war. Das Verwaltungsgericht wies diese Klage mit Urteil vom 22.12.2009 ab. Nachdem der Senat mit Beschluss vom 19.04.2010 (2 L 12/10) einen Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Berufungs(zulassungs)verfahren abgelehnt hatte, wurde das Urteil rechtskräftig.

43

II. Die Klage ist unbegründet, soweit der Kläger mit seinem Hauptantrag die Verpflichtung des Beklagten zum bauaufsichtlichen Einschreiten gegen die Beigeladenen begehrt. Sie ist dagegen begründet, soweit der Kläger hilfsweise die (Neu-)Bescheidung seines Antrages vom 17.05.2009 verlangt.

44

1. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Beigeladenen.

45

Als Rechtsgrundlage für ein bauaufsichtliches Einschreiten kommt § 79 Satz 1 BauO LSA in Betracht. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die von der Behörde zu ergreifenden Maßnahmen umfassen damit die vollständige oder teilsweise Beseitigung von (baulichen) Anlagen. Daneben kommt ein bauaufsichtliches Einschreiten auch auf der allgemeinen Ermächtigungsgrundlage des § 57 Abs. 2 BauO LSA in Frage. Danach haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, der Änderung, der Nutzung, der Nutzungsänderung, der Instandhaltung und der Beseitigung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden, soweit nicht andere Behörden zuständig sind. Sie können in Wahrnehmung dieser Aufgaben die erforderlichen Maßnahmen treffen. Die Regelung ermächtigt die Bauaufsichtsbehörde damit zu anderen Maßnahmen als Anordnungen zur vollständigen oder teilweisen Beseitigung von (baulichen) Anlagen. Ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften setzt bei einer genehmigungsbedürftigen Anlage regelmäßig die formelle und materielle Rechtswidrigkeit der Anlage und bei einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage deren materielle Rechtswidrigkeit voraus (vgl. Jäde, in: Jäde/Dirnberger, Bauordnungsrecht Sachsen-Anhalt, § 79 RdNr. 1 f., m.w.N.). Liegt eine Baugenehmigung vor und entspricht die errichtete Anlage dieser Baugenehmigung, so kann eine Beseitigungsanordnung nur ergehen, wenn zuvor die Baugenehmigung unanfechtbar oder sofort vollziehbar zurückgenommen oder widerrufen worden ist (vgl. Jäde, a.a.O., RdNr. 3 ff., m.w.N.).

46

Ein Anspruch des Nachbarn auf bauordnungsbehördliches Einschreiten folgt aus den vorgenannten Eingriffsermächtigungen, wenn die bauliche Anlage nicht durch eine bestandskräftige Baugenehmigung gedeckt wird, die Anlage materiell rechtswidrig ist und den klagenden Nachbarn in seinen Rechten verletzt, dieser seine Abwehrrechte nicht verwirkt hat und das Ermessen der Behörde auf Null reduziert ist (vgl. OVG NW, Urt. v. 22.08.2005 – 10 A 3611/03 –, BauR 2006, 342 [343], RdNr. 35 in juris). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht sämtlich vor.

47

1.1. Die „Aussichtsterrasse“ einschließlich der u-förmigen Stützmauer, insbesondere auch der entlang der klägerischen Grundstücksgrenze verlaufende Teil der Stützmauer, sind nicht durch die vom Beklagten erteilte Baugenehmigung vom 23.11.2006 formell legalisiert. Nach der entscheidungstragenden Auffassung des Verwaltungsgerichts in seinem rechtskräftigen Urteil vom 25.11.2008 im Verfahren 2 A 76/07 HAL umfasst diese Baugenehmigung nur den parallel zum südwestlich angrenzenden Grundstück (R-Straße 23, Flurstück 70) verlaufenden Teil der Stützmauer, weil die Beigeladenen ihren Bauantrag vom 17.05.2006 ausdrücklich auf diesen Teil beschränkten. Die Erteilung einer solchen Baugenehmigung erscheint zwar nicht unbedenklich, weil Baumaßnahmen, die nach objektiven Kriterien baulich und funktional zusammengehören, nicht willkürlich auf Grund einer Willensentscheidung des Bauantragstellers in Einzelteile zerlegt werden können (vgl. VGH BW, Beschl. v. 11.05.2011 – 8 S 93/11 –, Juris, RdNr. 23, m.w.N.). Mit der Rechtskraft der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung steht aber für die Beteiligten mit Bindungswirkung fest (§ 121 VwGO), dass sich die Baugenehmigung auf diesen Teil beschränkt. Wird eine Anfechtungsklage abgewiesen, erfasst die Rechtskraft des Urteils auch die Auslegung des Bescheids in dem Urteil (BVerwG, Urt. v. 07.08.2008 – BVerwG 7 C 7.08 –, BVerwGE 131, 346 [349 f.], RdNr. 16 ff.). Soweit der Beklagte die auf einen Teil der Stützmauer beschränkte Baugenehmigung nicht hätte erteilen dürfen, weil dieser Teil mit den übrigen Teilen der u-förmigen Mauer in einem untrennbaren funktionalen Zusammenhang steht, hat dies zwar möglicherweise die (objektive) Rechtswidrigkeit oder nach § 44 Abs. 1 VwVfG gar die Nichtigkeit (vgl. SaarlOVG, Beschl. v. 22.10.1996 – 2 W 30/96 –, BauR 1997, 283 [284]) der Genehmigung zur Folge. Aber auch und gerade dann wären die „Aussichtsterrasse“ und der zum Grundstück des Klägers zeigende Teil der Stützwand nicht formell legalisiert.

48

1.2. Auch verstößt die von den Beigeladenen errichtete Stützmauer möglicherweise gegen die Regelungen in § 12 Abs. 1 BauO LSA, denen im konkreten Fall nachbarschützende Wirkung zukommt.

49

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA muss jede Anlage im Ganzen und in ihren einzelnen Teilen für sich allein standsicher sein. Die Forderung nach der Standsicherheit von baulichen Anlagen ist eine Grundforderung und stellt eine Konkretisierung der Generalklausel des § 3 BauO LSA dar. Gemäß § 3 Abs. 1 BauO LSA sind Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben und Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden. Als Standsicherheit bezeichnet werden kann die Eigenschaft einer baulichen Anlage, die die vorgesehene Beanspruchung der baulichen Anlage gewährleistet, ohne dass derart starke physische Veränderungen an der baulichen Anlage entstehen können, die eine Gefährdung bedeuten würden, insbesondere eine Einsturzgefahr hervorrufen könnte, die insbesondere Leben oder Gesundheit von Menschen und Tieren gefährden würde (Jäde, a.a.O., § 12 RdNr. 6). In den Begriff der Standsicherheit müssen außer dem Tragwerk selbst weitere Faktoren einbezogen werden, insbesondere ist der Baugrund für die Standsicherheit von Bedeutung (Jäde, a.a.O., § 12 RdNr. 9). Die Vorschrift des § 12 Abs. 1 BauO LSA korrespondiert mit der Regelung nach § 3 Abs. 2 BauO LSA, wonach Bauprodukte und Bauarten nur verwendet oder angewendet werden dürfen, wenn bei ihrer Verwendung oder Anwendung die Anlagen bei ordnungsgemäßer Instandhaltung während einer dem Zweck entsprechenden angemessenen Zeitdauer die Anforderungen dieses Gesetzes oder aufgrund dieses Gesetzes erlassener Vorschriften erfüllen und gebrauchstauglich sind. Für die Standsicherheit bedeutet dies, dass die geplante Standzeit des Tragwerkes bei zweckentsprechender Nutzung und bei ordnungsgemäßer Instandhaltung erreicht werden kann (Jäde, a.a.O., § 12 RdNr. 10).

50

§ 12 Abs. 1 Satz 2 BauO LSA bestimmt ferner, dass die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes des Nachbargrundstücks nicht gefährdet werden darf. Beim Nachweis der Standsicherheit müssen alle baulichen Anlagen berücksichtigt werden, auf die durch die bauliche Maßnahme Einwirkungen ausgeübt werden, insbesondere auch Nachbargebäude (Jäde, a.a.O., § 12 RdNr. 21). Die Kräfte, die aufgrund der Last einer baulichen Anlage auf den Baugrund wirken, bewirken Verformungen, die abhängig von der Zusammendrückbarkeit und der Scherfestigkeit des Baugrundes unterschiedliche Auswirkungen haben; die als Setzungen bezeichneten lotrechten Verschiebungen beruhen vor allem aus den lotrecht wirkenden Fundamentlasten; wird die Last größer, treten auch seitliche Verformungen auf (vgl. Jäde, a.a.O., RdNr. 23).

51

Die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 2 BauO LSA hat nachbarschützende Wirkung (vgl. Beschl. d. Senats v. 23.08.2004 – 2 M 35/08 –, JMBl LSA 2006, 341; HambOVG, Beschl. v. 13.07.2012 – 2 Bs 142/12 –, BRS 79 Nr. 93, RdNr. 13 in juris; Beschl. v. 20.02.2012 – 2 Bs 14/12 –, BRS 79 Nr. 186, RdNr. 18 in juris; OVG NW, Urt. v. 09.06.2011 – 7 A 1494/09 –, juris, RdNr. 54; SaarlOVG, Beschl. v. 22.10.1996 – 2 W 34/96 –, BRS 58 Nr. 181; OVG Berlin, Beschl. v. 02.06.1998 – 2 S 4.98 –, BRS 60 Nr. 118; Große/Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 7 Aufl., § 18 RdNr.13, m.w.N.). Entsteht durch ein Bauvorhaben, das dieser Vorschrift nicht entspricht, eine Gefahr für geschützte Rechtsgüter eines Nachbarn, kann sich daraus für den Nachbarn ein Anspruch auf ordnungsrechtliches Einschreiten ergeben (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 10.10.2000 – 2 Bs 220/00 –, juris, RdNr. 4).

52

Auch § 12 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA kann im Einzelfall nachbarschützende Wirkung zukommen (vgl. OVG Berlin, Beschl. v. 02.06.1998 a.a.O.; Jäde. a.a.O., RdNr. 53; Franz, in: Simon BayBauO, Art. 13 RdNr. 1; Große/Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 7 Aufl., § 18 RdNr.8; a.A.: OVG NW, Urt. v. 09.06.2011, a.a.O.; HambOVG Hamburg, Beschl. v. 13.07.2012, a.a.O.). Die Frage, ob eine baurechtliche Vorschrift ausschließlich objektiv-rechtlichen Charakter hat oder ob sie (auch) dem Schutz individueller Interessen dient, ob sie also Rücksichtnahme auf Interessen Dritter gebietet, ist, wenn sich dies nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm ergibt, im Regelfall durch Auslegung der Norm nach Sinn und Zweck zu beantworten (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.09.1986 – BVerwG 4 C 8.84 –, NVwZ 1987, 409, RdNr. 11 in juris). Da die Forderung nach der Standsicherheit von baulichen Anlagen nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA eine Konkretisierung der Generalklausel des § 3 Abs. 1 BauO LSA darstellt, wonach Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten sind, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere auch Leben und Gesundheit nicht gefährdet werden, dient § 12 Abs. 1 Satz 1 BauO insoweit auch dem Nachbarschutz, als vermieden werden soll, dass Leben und Gesundheit von sich auf dem Nachbargrundstück regelmäßig aufhaltenden Menschen oder von Eigentum gefährdet werden. Dem entsprechend kommt § 12 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA nachbarschützende Wirkung zu, soweit die fehlende eigene Standsicherheit der Anlage zu einer Gefährdung von Leben, Gesundheit oder Eigentum des Nachbarn führen können.

53

Es bestehen hier Anhaltspunkte dafür, dass die von den Beigeladenen errichtete Stützmauer den Anforderungen des § 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauO LSA nicht genügt.

54

a) In Bezug auf die Anforderungen des § 12 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA ist der vom Verwaltungsgericht beauftragte Sachverständige F. in seinem schriftlichen Gutachten vom 19.11.2012 (Beiakte D) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Mauer bei sachgerechter Ausführung der statischen Vorgaben zur Ausführung der Schwergewichtswand des Dipl.-Ing. W. vom 03.05.2006 für sich standsicher sei. Allerdings hat der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als Zeuge vernommene Bauunternehmer E. erklärt, dass er bei Errichtung der Stützmauer keine Statik verwendet habe. Er habe die Mauer aus Cerano-Steinen mit Stahleinlagen auf der Seite zum Grundstück des Klägers auf einer alten Mauer, die als Fundament habe dienen können, errichtet. Die Stahlteile habe er sowohl senkrecht als auch waagerecht verbaut. Die (senkrechten) Stahlteile habe er in die vorhandene Mauer eingebohrt. Die Frage, ob die in dieser Weise errichtete Stützmauer standsicher ist, hat der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals befragte Sachverständige F. weder bejahen noch verneinen können, sondern darauf verwiesen, dass die Standsicherheit davon abhänge, wie die Mauer konkret gebaut wurde.

55

b) Zur Frage, inwieweit sich die Errichtung der „Aussichtsterrasse“ auf das Grundstück des Klägers und die darauf befindliche Scheunenrestwand auswirkt, ist der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass die Tragfähigkeit der Scheunenmauer durch das Bauwerk der Beigeladenen zusätzlich beansprucht werde. Die Vergleichsberechnungen mit den vor Ort vorhandenen Belastungen auf die Scheunenmauer wiesen einen statisch unzulässigen Zustand aus. Angestellte Vergleichsberechnungen ergäben jedoch bereits einen für die Restmauer unzulässigen Zustand auch ohne Belastungen aus der „Aussichtsterrasse“. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat er dies nochmals im Einzelnen erläutert.

56

1.3. Aber auch wenn die dauerhafte eigene Standsicherheit der Stützmauer gutachterlich nicht belegt ist, sondern weiterhin Zweifeln unterliegt, und die Aussichtsterrasse die Standsicherheit der Scheunenrestmauer beeinflusst, hat der Kläger – jedenfalls derzeit – keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte gegen die Beigeladenen bauaufsichtlich einschreitet. Das dem Beklagten eingeräumte Ermessen ist nicht in der Weise „auf Null“ reduziert, dass (nur) Maßnahmen gegen die Beigeladenen zu ergreifen sind.

57

Eine Verpflichtung zum Einschreiten besteht, wenn eine unmittelbare Gefährdung besonders wichtiger Rechtsgüter (Leben, Gesundheit) vorliegt, gerade wenn eine bauliche Anlage nicht (mehr) standsicher ist (vgl. Jäde, a.a.O., § 12, RdNr. 52, m.w.N.).
Voraussetzung für einen bauaufsichtlichen Eingriff nach § 57 Abs. 2 Satz 2 BauO LSA ist das Vorliegen einer konkreten Gefahr im Sinne der Reglungen des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts (vgl. Beschl. d. Senats v. 22.07.2013 – 2 M 82/13 –, BauR 2014, 819, RdNr. 8 in juris; Jäde, a.a.O., § 3 RdNr. 4, m.w.N.). Eine konkrete Gefahr im ordnungsrechtlichen Sinne wird in § 3 Nr. 3a SOG LSA definiert als eine Sachlage, bei der im einzelnen Falle die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird.

58

a) Eine solche konkrete Gefahr für das Grundstück des Klägers und von sich dort aufhaltenden Personen aufgrund der nicht abschließend geklärten eigenen Standsicherheit der Stützmauer ist derzeit nicht erkennbar. Der Umstand, dass die bereits in den Jahren 2003/2004 errichtete Mauer sich bislang nicht verformt hat, spricht zunächst einmal dafür, dass sie so gebaut wurde, dass sie den auf sie wirkenden Kräften dauerhaft standhalten kann und damit standsicher ist. Der Sachverständige F. hat in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage erklärt, dass sich die Mauer im Falle ihrer Instabilität allmählich verformen würde, was man erkennen würde. Daraus folgt auch, dass selbst bei fehlender dauerhafter Standsicherheit der Stützmauer nicht mit einem plötzlichen Einsturz zu rechnen ist, sondern dass sich erst bei einer Verformung der Mauer eine konkrete Einsturzgefahr abzeichnen würde. Damit reicht es aus, wenn der Beklagte und die Beigeladenen den Zustand der Stützmauer im Auge behalten und der Beklagte erst dann einschreitet, wenn sich Verformungen zeigen. Zu einer anderen Beurteilung nötigt auch nicht der Umstand, dass sich nach den vom Kläger mit Schriftsatz vom 05.02.2015 vorgelegten Lichtbildern Risse an Teilen der Mauer zeigen. Der Sachverständige F. hat hierzu angegeben, dass es sich um Detailaufnahmen handele, aus denen er nicht schließen könne, dass die Mauer instabil ist. Augenscheinlich betreffen einige der Risse die vom Bauunternehmer E. zu einem späteren Zeitpunkt hergestellte Betonverblendungen.

59

b) Auch der Umstand, dass die Aussichtsterrasse Auswirkungen auf die Standsicherheit der Scheunenrestwand auf dem Grundstück des Klägers hat, führt nicht dazu, dass die Beklagte verpflichtet wäre, gegen die Beigeladenen bauaufsichtlich einzuschreiten. Wie sich dem Gutachten des Sachverständigen F. und seinen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht entnehmen lässt, kommen insbesondere Maßnahmen auf dem Grundstück des Klägers wie flächiges Absteifen der Scheunenrestwand, Sanierung und Rückverankern der Scheunenrestwand, Rückverankerungen der bodenseitigen Scheunenwandfläche in Betracht. Solche Maßnahmen sind auch wirtschaftlich betrachtet am vernünftigsten. Sie stellen eine mindestens ebenso gute, wenn nicht gar effektivere Maßnahme der Gefahrenbeseitigung dar, weil die Scheunenrestmauer nach den Ausführungen des Sachverständigen F. ohnehin nicht mehr selbständig standsicher ist. Der Umstand, dass der Kläger wirtschaftlich möglicherweise nicht in der Lage ist, die in Betracht kommenden Maßnahmen durchzuführen, führt nicht dazu, dass allein die Inanspruchnahme der Beigeladenen ermessensfehlerfrei wäre. Bei der Auswahl unter mehreren Störern ist zwar die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verpflichteten ein wesentliches Entscheidungskriterium (vgl. Urt. d. Senats v. 21.08.2008 – 2 L 76/07 –, juris, RdNr. 41, m.w.N.). Zu beachten sind daneben aber auch die Grundsätze der Effektivität und der Zumutbarkeit sowie das Verursacherprinzip (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 03.12.2009 – 7 ME 55/09 –, NJW 2010, 1546, RdNr. 8 in juris, m.w.N.). Im konkreten Fall darf der Beklagte insbesondere in Rechnung stellen, dass selbst im Fall der Beseitigung der Aussichtsterrasse durch die Beigeladenen die Gefahr des Einsturzes der Scheunenrestmauer auf dem Grundstück des Klägers fortbestünde und dort unabhängig vom Vorhandensein der Aussichtsterrasse Sicherungsmaßnahmen durchzuführen sind.

60

2. Der Kläger hat gegen den Beklagten aber einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung seines Antrages auf bauaufsichtliches Einschreiten.

61

Gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO spricht das Gericht die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

62

Macht ein Dritter gegenüber der Bauaufsichtsbehörde geltend, durch eine Anlage in seinen Rechten verletzt zu sein, so hat er einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein bauaufsichtliches Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde sowie auf Art und Weise des Einschreitens; dabei gelten für die Ermessensausübung der Bauaufsichtsbehörde die allgemeinen Grundsätze (vgl. BayVGH, Urt. v. 04.12.2014 – 15 B 12.1450 –, juris, RdNr. 21, m.w.N.; vgl. auch Beschl. d. Senats v. 10.10.2006 – 2 L 680/04 –, juris, RdNr. 8). Besteht ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten nicht, muss die Behörde ihr Ermessen unterhalb der Schwelle der Ermessensreduzierung auf Null ordnungsgemäß ausüben (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.06.1996 – BVerwG 4 C 15.95 –, NVwZ-RR 1997, 271 [273], RdNr. 31 in juris). Diesen Anspruch hat der Beklagte bislang nicht erfüllt.

63

2.1. Der Beklagte erließ zwar entgegen seiner Auffassung bereits vor Klageerhebung gegenüber dem Beklagten einen Verwaltungsakt, mit dem er ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Beigeladenen ablehnte.

64

Nach § 35 Satz 1 VwVfG ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkungen nach außen gerichtet ist, ein Verwaltungsakt. Für die Frage, ob eine behördliche Äußerung die Rechtsnatur eines Verwaltungsaktes hat, insbesondere eine Verfügung, Entscheidung oder behördliche Maßnahme im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG darstellt, ist im Zweifel nicht das maßgeblich, was die Behörde gewollt oder gedacht hat, sondern der objektive Erklärungswert, d.h. wie der Bürger sie unter Berücksichtigung der ihm erkennbaren Umstände wie äußere Form, Abfassung, Begründung, Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung usw. bei objektiver Würdigung verstehen muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.08.1995 – BVerwG 1 C 15.94 –, NJW 1996, 1073; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., § 35 RdNr. 54 m.w.N.; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 35 RdNr. 71, m.w.N.). Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung (BVerwG, Urt. v. 20.11.1990 – BVerwG 1 C 8.89 –, Buchholz 402.24 § AuslG Nr. 7; Urt. v. 17.08.1995, a.a.O.). Die Ablehnung eines Antrages auf Erlass eines Verwaltungsakts stellt regelmäßig eine Regelung im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG dar (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 35 RdNr. 90), auch wenn diese Ablehnung in Form eines (einfachen) Schreibens und ohne Rechtsbehelfsbelehrung ergeht.

65

Hiernach stellt das Schreiben des Beklagten vom 07.09.2009 einen Verwaltungsakt dar. Darin hat er im Betreff den Antrag des Klägers „auf Herstellung eines baurechtmäßigen Zustandes vom 17.05.2009“ aufgeführt und unmissverständlich erklärt, dass er den Antrag des Klägers ablehne. Objektiv konnte dies nur so verstanden werden, dass der Beklagte damit das Verwaltungsverfahren bezüglich des vom Kläger gestellten Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten abschließen wollte; zumal der Kläger mit dem zuvor an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 03.09.2009 ausdrücklich eine Bescheidung seines Antrages bis zum 10.09.2009 gefordert hatte. Dass dem Schreiben vom 07.09.2009 keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, vermag an der Verwaltungsaktqualität nichts zu ändern. Auf die Eigenschaft des Schreibens vom 07.09.2009 als Verwaltungsakt hatte es auch keinen Einfluss, dass der Beklagte auf den vom Kläger erhobenen Widerspruch sowie später im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erklärte, dass das Schreiben keinen Verwaltungsakt darstelle. Maßgeblicher Auslegungszeitpunkt ist der Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts (U. Stelkens, a.a.O., RdNr. 71). Das Schreiben des Beklagten vom 15.09.2009 gibt nur dessen Interpretation bzw. den Willen wieder, den der Beklagte bei Erstellung des Schreibens gehabt haben mag. Darauf kommt es aber nicht entscheidend an. Maßgeblich ist vielmehr der erklärte Wille, wie ihn der Kläger von seinem Standpunkt aus bei verständiger Würdigung verstehen konnte.

66

2.2. In diesem Bescheid stellte der Beklagte aber keine Ermessenserwägungen an. Die Ablehnung erfolgte „aus den oben genannten Gründen“, in denen der Beklagte auf die Ausführungen des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt in zwei Schreiben vom 12.08.2009 und 25.08.2009 verwies, wonach es sich bei der „Aussichtsterrasse“ um eine zwischenzeitlich überwachsene, auf das Höhenniveau des Baugrundstücks eingeebnete Grundstücksfläche bis an die Stützmauer handele, die Stützmauer einschließlich der aus Sicherheitsgründen erforderlichen Umwehrung mit Bescheid vom 23.11.2003 genehmigt worden sei und der Böschungs- und Absturzsicherung der Grundstücksfläche diene. Anlass für ein bauaufsichtliches Einschreiten bestehe nicht. Der Beklagte ist mithin davon ausgegangen, dass bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein bauaufsichtliches Einschreiten fehlen, insbesondere weil die Stützmauer (insgesamt) baurechtlich genehmigt sei.

67

2.3. Mit den im gerichtlichen Verfahren nachgeschobenen Erwägungen hat der Beklagte die fehlende Ermessensausübung im Verwaltungsverfahren nicht geheilt.

68

2.3.1. Nach § 114 Satz 2 VwGO kann die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren „ergänzen“. Diese Vorschrift ist auch bei Verpflichtungs- bzw. Bescheidungsklagen anwendbar (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 114 RdNr. 206; Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 114 RdNr. 87; VGH BW, Urt. v. 22.07.2009 – 11 S 1622/07 –, juris, RdNr. 70; wohl auch BVerwG, Beschl. v. 16.07.2010 – BVerwG 5 B 2.10. 5 PKH 35 PKH 3.10 –, juris, RdNr. 13; Urt. v. 07.04.2009 – BVerwG 1 C 17.08 –, BVerwGE 133, 329 [347], RdNr. 42; VGH BW, Urt. v. 18.12.2006 – 12 S 2474/06 –, VBlBW 2007, 294 [301], RdNr. 82 in juris; a.A.: Kopp/Schenke, 20. Aufl., § 114 RdNr. 50; Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 114 RdNr. 12d und § 113 RdNr. 74; Schenke, DVBl. 2014, 285 [294]). Die Grenzen des § 114 Satz 2 VwGO sind indes dann überschritten, wenn die Behörde ihr Ermessen erstmals ausübt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.07.2010, a.a.O., m.w.N.). Der Beklagte hat – wie oben bereits dargelegt – im Verwaltungsverfahren keine Ermessensentscheidung getroffen, die im gerichtlichen Verfahren ergänzt werden könnte. Eine erstmalige Ausübung von Ermessen im gerichtlichen Verfahren ist zwar zulässig, wenn sich aufgrund neuer Umstände die Notwendigkeit einer Ermessensausübung erst nach Klageerhebung ergibt (BVerwG, Urt. v. 13.12.2011 – BVerwG 1 C 14.10 –, BVerwGE 141, 253 [256], RdNr. 8). Dabei kann das Ermessen auch hilfsweise ausgeübt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.10.2009 – BVerwG 1 C 26.08 –, juris, RdNr. 27). Neue Umstände sind hier aber im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht eingetreten. Der Beklagte hat eine Ermessensentscheidung deshalb nicht getroffen, weil er nach dem Schreiben vom 07.09.2009 (zu Unrecht) davon ausging, dass die Stützmauer (insgesamt) baurechtlich genehmigt sei, so dass schon „kein Anlass“ für ein bauaufsichtliches Einschreiten gegeben sei. Zudem hat er angenommen, mit dem im Baugenehmigungsverfahren beigefügten Standsicherheitsnachweis sei belegt, dass die Stützmauer den Anforderungen an die Standsicherheit nach § 12 Abs. 1 BauO LSA genüge, so dass auch aus diesem Grund ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Beigeladenen nicht möglich wäre (vgl. die Stellungnahme des Beklagten vom 31.07.2009 zur Dienstaufsichtsbeschwerde des Klägers). § 114 Satz 2 VwGO lässt aber keine erstmalige Ermessensausübung zu, wenn es von vornherein einer Ermessensentscheidung bedurfte, die Behörde dies aber verkannt hat (vom BVerwG offen gelassen, vgl. Urt. v. 13.12.2011, a.a.O., RdNr. 13).

69

2.3.2. Selbst wenn auch in solchen Fällen ein Nachschieben von Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO in Betracht kommen sollte, hätte der Beklagte dies im konkreten Fall nicht in genügender Form getan.

70

Ein solches Nachschieben muss genügend bestimmt geschehen. Die Behörde muss unmissverständlich deutlich machen, dass es sich nicht nur um prozessuales Verteidigungsvorbringen handelt, sondern um eine Änderung des Verwaltungsakts selbst. Außerdem muss deutlich werden, welche der bisherigen Erwägungen weiterhin aufrechterhalten und welche durch die neuen Erwägungen gegenstandslos werden (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 20.06.2013 – BVerwG 8 C 46.12 –, BVerwGE 147, 81 [93], RdNr. 35). Es genügt nicht, dass die Behörde bei einer nachträglichen Änderung der Sachlage im gerichtlichen Verfahren neue Ermessenserwägungen geltend macht. Sie muss im gerichtlichen Verfahren erkennbar trennen zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt ihrer Entscheidung betreffen, und Ausführungen, mit denen sie lediglich als Prozesspartei ihre Entscheidung verteidigt (BVerwG, Urt. v. 13.12.2011, a.a.O., RdNr. 18).

71

Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Beklagten im gerichtlichen Verfahren nicht. Die eingereichten Schriftsätze lassen nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass sich der Beklagte nicht auf prozessuales Verteidigungsvorbringen beschränken, sondern einen (geänderten) Ablehnungsbescheid erlassen und hierzu Ermessenserwägungen hat anstellen wollen.

72

In der Klageerwiderung (Bl. 16 ff. GA) hat der Beklagte im Wesentlichen den Sachverhalt dargestellt und seine Rechtsauffassung wiederholt, dass sein Schreiben vom 15.09.2009 kein Verwaltungsakt sei.

73

Im Schriftsatz vom 11.11.2011 (Bl. 127 GA) hat er erklärt, „in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens und in Abwägung der Interessenlage“ bleibe er bei der Entscheidung, dass ein Anlass für ein bauaufsichtliches Einschreiten nicht vorliege, weil keine Ermächtigungsgrundlage für ein Einschreiten gegeben sei. Ein bauaufsichtliches Einschreiten wäre geboten, wenn die „Aussichtsterrasse“ und die Stützmauer rechtswidrig errichtet worden wären bzw. der bauliche Zustand der Stützmauer eine konkrete, akute Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen würde; beides sei aber nicht der Fall. Der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hinsichtlich der Stützmauer vorgelegte Standsicherheitsnachweis belege, dass die Stützmauer für sich betrachtet nicht geeignet sei, auf das Grundstück des Klägers einen Druck auszuüben. Daraus ergibt sich, dass der Beklagte weiterhin die Voraussetzungen für ein bauaufsichtliches Einschreiten verneint hat, auch wenn er von der „Ausübung pflichtgemäßen Ermessens“ gesprochen hat. Zudem hat der Beklagte im Schriftsatz vom 16.01.2012 (letzter Bl. 164 GA) erklärt, dass er den Antrag des Klägers auf bauaufsichtliches Einschreiten bisher noch nicht beschieden, sondern lediglich seine Rechtsauffassung in behördlichen Schreiben dargelegt habe.

74

Im Schriftsatz vom 28.11.2012 (Bl. 247 f. GA), der nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens vom 19.11.2012 gefertigt wurde, hat der Beklagte ausgeführt, er schätze ein, dass dem Kläger in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens und in Abwägung der Interessenlage der Betroffenen kein Anspruch auf ein bauaufsichtliches Einschreiten zustehe, weil in diesem konkreten Fall derzeit keine akute Gefährdung bzw. eine spürbar nachteilige Beeinträchtigung des Klägers vorliege, die ein sofortiges bauaufsichtliches Einschreiten seitens des Beklagten rechtfertigen würde. Auch dies lässt nicht mit der gebotenen Klarheit erkennen, dass der Beklagte damit einen – neuen
oder geänderten – Ablehnungsbescheid erlassen und die erforderlichen Ermessenserwägungen nachschieben wollte. Zudem ist er wie zuvor davon ausgegangen, dass nach diesem Sachverständigengutachten die Stützmauer die erforderliche eigene Standsicherheit besitze, was aber weiterhin nicht abschließend geklärt ist.

75

Die im Berufungsverfahren eingereichte Erwiderung vom 03.09.2014 (Bl. 473 GA) enthält wiederum nur prozessuales Vorbringen. Darin hat der Beklagte zunächst unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Senats im PKH-Verfahren vorgetragen, dass keine Ermessensreduzierung auf Null und damit kein Anspruch des Klägers auf bauaufsichtliches Einschreiten bestehe. Im Folgenden hat er sich mit den Erfolgsaussichten des Hilfsantrages befasst.

76

II. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladenen in beiden Rechtszügen Sachanträge gestellt haben, sind ihnen neben dem Beklagten im Umfang ihres Unterliegens anteilig die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 154 RdNr. 8). Ferner entspricht es der Billigkeit im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nur im Umfang ihres Obsiegens für erstattungsfähig zu erklären.

77

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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IV. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.


Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 15. Dezember 2017 wird abgeändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beigeladene wendet sich gegen eine Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Regensburg, mit der die Antragsgegnerin verpflichtet wurde, ihr gegenüber Bauarbeiten einzustellen und die Nutzung bestimmter Räume eines neu errichteten Anbaus zu untersagen.

Mit Bescheid vom 12. Juli 2011 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen eine Baugenehmigung für das Bauvorhaben „Erweiterung und Umbau des bestehenden Einfamilienwohnhauses“ auf dem Baugrundstück (FlNr. ...5 der Gemarkung P...). Nach den genehmigten Bauunterlagen soll ein in der Fläche ca. 15,5 m x 5,5 m großer Anbau westlich an das bestehende Wohnhaus angebunden werden, der an seiner Westseite an der gemeinsamen Grenze zum Grundstück der Antragsteller (FlNr. ...4) verläuft. Der kürzeste Abstand der Westwand des genehmigten Anbaus zur Ostwand des Wohnhauses der Antragsteller beträgt nach Maßgabe des mit Genehmigungstempel vom 12. Juli 2011 versehenen Lageplans etwa 3 m. Nach der im Genehmigungsverfahren zugrundeliegenden Baubeschreibung sollten die Außenwände als „Ziegelmauerwerk, verputzt“ hegestellt werden. Die Baugenehmigung wurde unter diversen Befreiungen vom einschlägigen Bebauungsplan Nr. ... erteilt, in dessen Geltungsbereich das Baugrundstück und das Grundstück der Antragsteller liegen. Zudem wurde im Baugenehmigungsbescheid vom 12. Juli 2011 eine Abweichung „von den Vorschriften des Art. 6 BayBO für die aufgrund der Grenzbebauung des Gebäudeanbaus im Westen nicht eingehaltene Abstandsfläche“ zugelassen. Die Geltungsdauer der Baugenehmigung wurde mit Bescheid vom 8. Juni 2015 bis zum 17. Juli 2017 verlängert. Baubeginn erfolgte laut Anzeige am 1. Juli 2015.

Mit Bescheid vom 7. Juni 2017 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen eine Änderungsgenehmigung. In der Baubeschreibung zum Änderungsbauantrag werden die Außenwände als „Holzständerkonstruktion mit Zwischendämmung, Beplankung aus GK-Platten und Holzwerkstoffplatten“ und deren Bekleidung als „Holzschalung außen“ umschrieben. Laut der mit Genehmigungsstempel versehenen Ansicht Nord – West ist eine Fassade mit „Vergrauungsglasur ‚schiefergrau‘ eingelassen“ beschrieben. In den Bauunterlagen zur Änderungsgenehmigung finden sich

– ein „Allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis Nr. ...“ der M... GmbH vom 30. März 2015 (Geltungsdauer bis 29. März 2020) für verschiedene Wandkonstruktionen der Firma „G... GmbH& Co. KG“,

– eine „Übereinstimmungserklärung“ des bauausführenden Unternehmens (Firma H... GmbH) vom 7. März 2017, in der bestätigt wird, dass die tragende, raumabschließende Wandkonstruktion mit einer Feuerwiderstandsklasse REI 90 hinsichtlich aller Einzelheiten und unter Einhaltung aller Bestimmungen des vorgenannten Prüfzeugnisses hergestellt und aufgebaut worden sei, sowie

– eine „Bescheinigung Brandschutz III (Vorliegen der Voraussetzung für eine Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO)“ eines Prüfsachverständigen vom 15. März 2017, in der unter Bezugnahme auf einen anliegenden Prüfbericht Nr. ... vom 15. März 2017 desselben Prüfsachverständigen die Abweichungsfähigkeit gem. Art. 63 Abs. 1 BayBO vom grundsätzlichen bauordnungsrechtlichen Erfordernis nichtbrennbarer Oberflächen bestätigt wird. Mit Blick auf die Fassadenbekleidung heißt es im Prüfbericht vom 15. März 2017 wörtlich:

„Abweichung vom Bauordnungsrecht:

Die Brandwand des Anbaus befindet sich unmittelbar auf der Grundstücksgrenze. Da das Nachbargebäude bis ca. 3,00 m an die Wandaußenseite heranragt, handelt es sich bauordnungsrechtlich um eine ‚Gebäudeabschlusswand‘.

Für diese gilt nach Art. 28 BayBO, dass die Brandwand für ein Brandereignis von außen nach innen ‚feuerbeständig‘ zu sein hat und andersherum feuerhemmend. Außerdem müssen die Oberflächen ‚nicht brennbar‘ – A1 oder A2 – sein. Letztere Eigenschaft ist an der Außenseite nicht gegeben.

Stellungnahme dazu:

Im vorliegenden Fall schränkt die Abweichung keinerlei Forderung aus Art. 3 (1) BayBO ein. Gemäß Art. 63 (1) Satz 2 BayBO wird die Zulässigkeit der o.a. Abweichung bescheinigt, solange die u.a. Bedingungen eingehalten bleiben.

Begründung:

Gegen die hier vorgesehene Bekleidung mit einer Fassadenbekleidung aus Hartholz bestehen keine Bedenken, weil

1. die Gebäudeabschlusswand mit dem zugelassenen System Fa. H... GmbH & Co KG, Typ ‚ ...‘ EI90/1 nach DIN EN 135901, AbP ... vom 30.03.2015, gültig bis 29.03.2020 eine Feuerwiderstandsdauer von 90 Minuten von außen nach innen aufweist,

2. die Gebäudeabschlusswand durch Beplankung mit 2 x 18 mm mineralischen Brandschutzplatten an der Innenseite mindestens 30 Minuten Feuerwiderstand bietet (F-30-A),

3. diese Brandwandqualität einen Brandüberschlag auf das Nachbargrundstück ausreichend lang und absolut zuverlässig verhindert, solange keine Öffnungen in der Gebäudeabschlusswand vorhanden sind,

4. Hartholz bereits ab Bohlendicke von 26 mm als schwer entflammbar gilt (bei geringerer Materialstärke alternativ: zugelassener intumeszierender Anstrich für Außenbereich mit Schutzziel ‚schwer entflammbar‘),

5. Eine mögliche Entzündung allein vom Nachbargrundstück möglich ist (...) und

6. sich auf dem Nachbargrundstück das Gebäude an allen Stellen deutlich weiter entfernt als 2,50 m befindet.“

Über die von den Antragstellern gegen die Änderungsgenehmigung erhobene Nachbar-Anfechtungsklage (RO 2 K 17.1183) hat das Verwaltungsgericht Regensburg noch nicht entschieden.

Im Rahmen der Bauausführung wurde von dem im allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis vom 30. März 2015 vorgesehenen Wandaufbau für eine „Wandkonstruktion REI 90/1“ (vgl. Seite 9 sowie Anlage 3.1) abgewichen, indem an der Außenseite anstelle eines Außenputzes („mind. 6 mm ...“) eine 12,5 mm dicke „Gipskartonplatte ...“ verbaut wurde. Auf diese wurde eine Konter- und Querlattung als Unterkonstruktion für die als Holzfassade ausgeführte Außenwandbekleidung aufgebracht. Die Antragsteller widersprachen im Anschluss der Aussage im Prüfbericht des Prüfsachverständigen, wonach die auf dem Antragstellergrundstück gelegenen Gebäude mehr als 2.50 m entfernt von der Außenwand lägen, und wiesen darauf hin, dass ihre Kellertreppe nur 1,50 m und ihr Lager für Brennholz nur 2,05 m von der Gebäudeabschlusswand der Beigeladenen entfernt sei.

Der von der Beigeladenen beauftragte Prüfsachverständige führte gegenüber der Antragsgegnerin ergänzend per E-Mail vom 28. Juni 2017 aus, er habe die Abweichung, wonach statt einer „nichtbrennbaren“ Oberfläche eine „schwer entflammbare Oberfläche“ genüge, sorgsam begründet. Eine unzulässige Abweichung vom Bauordnungsrecht sei nicht ersichtlich. Auf dem Grundstück der Antragsteller befindliche Geländer oder Holzstapel seien keine nach bauordnungsrecht relevanten Gebäude. Im vorliegenden Fall könne aus dem Innern des betreffenden Gebäudes keine Brandweiterleitung auf die schwer entflammbare Fassade (außen) gelangen, weil sich dazwischen eine bauaufsichtlich zugelassene feuerbeständige Brandwand befinde. Allenfalls könne von den Holzstapeln der Antragsteller die Bekleidung des Anbaus der Beigeladenen in Brand geraten. Das sei dann aber „kein Fall für das Bauordnungsrecht“, sondern für das Zivilrecht. Die Gebäudeabschlusswand zur Nachbarseite müsse nicht unbedingt verputzt werden. Mit E-Mail vom 29. Juni 2017 bestätigte das bauausführende Unternehmen, dass die Fassadenverkleidung der Brandwand des Bauvorhabens an der Grenze zu den Antragstellern mit einem Brandschutzanstrich versehen werde, wodurch für diese die Klassifizierung „schwer entflammbar“ erreicht werde.

Unter dem 25. Juli 2017 legte das ausführende Bauunternehmen „ergänzende Unterlagen zur Übereinstimmungserklärung vom 19.06.2017“ vor und bestätigte unter Bezugnahme auf Schreiben von Herstellern einzelner Bauprodukte (Schreiben der K... KG vom 17. Juli 2017; E-Mail der Firma G... GmbH & Co. KG vom 21. Juli 2017) für die streitgegenständliche Außenwand an der Grundstücksgrenze „gemäß Musterbauordnung § 22 (...) die Übereinstimmung mit den technischen Regeln nach § 17 Abs. 2, den allgemein bauaufsichtlichen Zulassungen, den allgemein bauaufsichtlichen Prüfzeugnissen oder Zustimmungen im Einzelfall“. Hinsichtlich der Verwendung der „... Gipskarton Feuerschutzplatte“ anstelle einer Putzschicht an der Wandaußenseite liege nur eine geringe Abweichung vom allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis vor. Die Befestigung der Gipskartonplatte mittels Konterlatte als Unterkonstruktion für die abschließende Fassade stelle keine Abweichung von den allgemein anerkannten Regeln der Technik dar. Die Holzfassade könne – wie bereits beschrieben – brandschutztechnisch ertüchtigt werden. Alternativ könne die Holzfassadenverkleidung inkl. Unterkonstruktion und ...platte entfernt sowie ein Putz aufgetragen werden, sodass dann ein Aufbau erreicht werde, der nicht mehr vom allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis abweiche.

Am 6. November 2017 stellten die Antragsteller über ihre Bevollmächtigten, die bereits vorher von der Antragsgegnerin wiederholt ein bauordnungsrechtliches Einschreiten eingefordert hatten, beim Verwaltungsgericht Regensburg einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Zuletzt beantragten sie, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Bauarbeiten der Beigeladenen auf dem Baugrundstück stillzulegen sowie dieser die Nutzung des Bauvorhabens zu untersagen (erstinstanzlicher Schriftsatz vom 13. Dezember 2017).

Mit Beschluss vom 15. Dezember 2017 verpflichtete das Verwaltungsgericht Regensburg – unter Antragsablehnung im Übrigen – die Antragsgegnerin im Verfahren gem. § 123 VwGO zum einen dazu, der Beigeladenen gegenüber die Einstellung der Arbeiten am und im Erweiterungsbau auf dem Baugrundstück anzuordnen, und zum anderen, die Nutzung bestimmter Räume des Erweiterungsanbaus (Wohnen 21,26 m², Essen 20,95 m², Kochen 5,94 m², Bad 10,55 m²) nach Maßgabe der mit dem Änderungsgenehmigungsantrag vom 29. Mai 2017 eingereichten Grundrisszeichnung vom 23. Mai 2017 auf dem Baugrundstück zu untersagen; hinsichtlich des Windfangs (9,25 m²) wurde ebenfalls grundsätzlich die Verpflichtung zur Nutzungsuntersagung ausgesprochen, die Nutzung zum Zweck des Betretens des Altbaus aber hiervon ausgenommen. Die Antragsteller hätten einen entsprechenden Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung seien entgegen der Mitteilung der Beigeladenen, dass keine Baumaßnahmen mehr stattfinden bräuchten, noch Handwerker vor Ort tätig gewesen. Die derzeitige Bauausführung der Gebäudeabschlusswand widerspreche den Brandschutzvorgaben aus Art. 24 Abs. 1 Satz 1, Art. 28 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 7 der Bayerischen Bauordnung (BayBO) und sei deshalb materiell baurechtswidrig. Nach den genannten Brandschutzvorschriften sei die Gebäudeabschlusswand als Brandwand auszuführen und müsse eine nichtbrennbare Außenwandbekleidung (einschließlich der Dämmstoffe und der Unterkonstruktion) aufweisen. Die derzeitige Wandbekleidung bestehe nicht aus einem nichtbrennbaren Baustoff. Auf eine Legalisierungswirkung aufgrund der Änderungsgenehmigung vom 7. Juni 2017 oder aufgrund der „Bescheinigung Brandschutz III“ des Prüfsachverständigen vom 15. März 2017 könne sich die Beigeladene nicht berufen. Der Wandaufbau weiche von den Bauunterlagen zur Änderungsbaugenehmigung, wonach Brandwände bzw. Wände anstelle von Brandwänden „gemäß Prüfzeugnis“ erstellt worden seien, ab. Brandschutzvorschriften seien zudem vom Prüfumfang im vereinfachten Genehmigungsverfahren (Art. 59 BayBO) nicht umfasst. Die erteilte „Bescheinigung Brandschutz III“ bestätige nur für den in dem allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis vom 30. März 2015 vorgesehenen Wandaufbau das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO. Inwieweit die statt des Putzes angebrachte „Gipskartonplatte ...“ die Brandwandeigenschaft beeinträchtige und dadurch die jeweilige Feuerwiderstandsdauer verringere, sei völlig offen. Aus den Schreiben der Hersteller einzelner Bauprodukte vom 17. Juli 2017 und vom 21. Juli 2017 ergebe sich gerade nicht, dass die Abweichung des Wandaufbaus in Bezug auf den Brandschutz unproblematisch sei. Für den tatsächlichen Wandaufbau existiere keine offizielle Bescheinigung. Die verletzten brandschutzrechtlichen Anforderungen dienten auch dem Schutz der Nachbarn. Es lägen sowohl die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Baueinstellung (Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO) als auch für eine Nutzungsuntersagung (Art. 76 Satz 2 BayBO) vor. Weder die Baueinstellung noch die Nutzungsuntersagung sei unverhältnismäßig. Aufgrund der hohen Wertigkeit der betroffenen nachbarlichen Belange sei sowohl für die Baueinstellung als auch für die Nutzungsuntersagung von einer Ermessensreduzierung auf null auszugehen. Die Sicherstellung des Brandschutzes diene dem Schutz von Leib und Leben der potenziell von einem Brand betroffenen Personen. Hieraus resultiere ein entsprechender Anspruch der Antragsteller auf behördliches Einschreiten. Hinsichtlich der Nutzungsuntersagung sei auch ein präventives behördliches Handeln vor einer entsprechenden Nutzungsaufnahme geboten. Bei einer Nutzungsaufnahme sei von einer deutlichen Erhöhung der Brandgefahr auszugehen. Der glaubhaft gemachte Anordnungsgrund ergebe sich aus dem Umstand, dass sich durch die beabsichtigte und zu erwartende Nutzungsaufnahme des Anbaus jedenfalls die Brandgefahr erhöhe, zumal dort mit der Änderungsgenehmigung auch ein Holzofen eingebaut worden sei. Um die Beigeladene nicht obdachlos zu stellen und ihr das Betreten des Altbaus zu ermöglichen, sei die Nutzungsuntersagung auf den tenorierten Rahmen beschränkt worden.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beigeladene mit ihrer Beschwerde. Eine Feuerwiderstandsfähigkeit „F30“ von innen nach außen erreiche eine Gebäudeabschlusswand laut gutachterlicher Aussage schon bei einer Gipslatte (GKF) an der Wandinnenseite mit einer Stärke von nur 9,5 mm. Für die an der Innenseite der Wandkonstruktion befindlichen beiden Gipsplatten mit einer Stärke von jeweils 18 mm sei eine Feuerwiderstandsfähigkeit „REI 90“ bzw. „F90“ von innen gutachterlich bestätigt. Mit dieser Konstruktion sei das Erfordernis der Nichtbrennbarkeit für einen Teil der Hausabschlusswand auf jeden Fall gegeben. Aufgrund dessen sei für die Antragsteller eine Brandgefahr ausgeschlossen. Es liege zwar – bei einer Übereinstimmung mit dem Prüfzeugnis im Übrigen – eine Abweichung von der Änderungsgenehmigung vor, weil anstelle des vom Prüfzeugnis verlangten 6 mm starken Putzes tatsächlich eine 12,5 mm dicke Gipskartonplatte verbaut worden sei, sodass insoweit die Antragsgegnerin bei Ausübung ordnungsgemäßen Ermessens grundsätzlich gegen sie – die Beigeladene – vorgehen könnte. Eine Ermessensreduzierung sei aber nicht ersichtlich. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass ein Brandschutz für die Antragsteller nicht gewährleistet sei, sei nicht zwingend. Denn die Annahme einer Brandgefahr müsse sich an den tatsächlichen Gegebenheiten orientieren und sei keine automatische Folge bei einer Verletzung einer Bauvorschrift. Die außen angebrachte Gipskartonplatte anstelle des Putzes habe die Brandwiderstandsdauer zusätzlich sogar verbessert. Von daher sei auch von außen bei dem vorliegenden Wandaufbau ein hinreichender Feuerwiderstand gewährleistet. Die aus 2 x 30 mm Konterlatten und 22 mm Fassadenbrettern bestehende Wandverkleidung sei zwar nicht als nichtbrennbar zu bezeichnen. Konterlatte, Traglatte und Fassadenbretter müssten ertüchtigt werden. Laut Aussage des beauftragten Prüfingenieurs für Brandschutz seien die Fassadenbretter nur zu dünn, es müssten 26 mm starke Bretter angebracht werden. Ansonsten wären die Voraussetzungen für eine „Befreiung“ erfüllt. Es sei nunmehr der Antragsgegnerin überlassen zu prüfen, ob die aufgebrachte „12,5 mm ...platte“ entfernt werden müsse, denn möglicherweise könnten zusätzlich aufzubringende Materialien den gesetzlichen Brandschutzvorschriften entsprechen. Sie – die Beigeladene – könne ggf. diese Platte überall mit dem Zusatz „Typ A“ oder „GFK“ ergänzen, damit auch hier eine Klarstellung für die Nichtbrennbarkeit hergestellt werde. Sie arbeite derzeit mit einem beauftragten Fachunternehmen und stehe in ständigem Kontakt zur Antragsgegnerin bezüglich einer alternativen Bauweise. Die Antragsgegnerin habe zwischenzeitlich in Umsetzung des angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts eine Einstellungs- und Untersagungsverfügung erlassen. Das gesamte Bauvorhaben – bis auf die streitige Hausabschlusswand – sei auf der Grundlage der erteilten Baugenehmigung beanstandungsfrei errichtet worden. Die Beseitigung einer Brandgefahr durch Veränderung der Wandverkleidung könne nicht nur durch Nutzungsuntersagung der Räumlichkeiten, sondern auch durch andere Verfügungen erreicht werden. Die Nutzung der Räumlichkeiten an sich führe nicht zu einer Brandgefahr für die Antragsteller. Dem stehe auch nicht das Vorhandensein eines mit Holz zu betreibenden Ofens entgegen, da auch dessen Errichtung vorschriftsmäßig erfolgt sei. Im Übrigen werde der Erweiterungsbau nicht durch den Ofen beheizt, sondern durch eine installierte Heizungsanlage, die nicht mit Holz betrieben werde. Eine Nutzung der Räumlichkeiten verhindere oder erschwere nicht durchzuführende Änderungsmaßnahmen an der Wandbekleidung und der Außenwand. Entgegen den begründenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts müssten weitere Baumaßnahmen, durch die sich der bestehende Zustand verfestige und durch die eine Brandgefahr erhöht werde, tatsächlich nicht durchgeführt werden, zumal das Verwaltungsgericht auch offengelassen habe, welche brandgefahrerhöhenden Baumaßnahmen noch durchzuführen seien. Es werde eingeräumt, dass jedenfalls die Wandverkleidung nicht den Brandschutzvorschriften entspreche. Die Brandgefahr gehe vorliegend allerdings nicht von einer Nutzung der Räumlichkeiten aus, denn gegen einen Brand von innen sei ein Schutz wegen der nichtbrennbaren zweifach angebrachten 18 mm GFK-Platten gegeben. Eine Brandgefahr gehe möglicherweise von außen, von der Wandverkleidung aus, weil diese nicht aus nichtbrennbaren Bestandteilen bestehe. Inwieweit die Nutzungsuntersagung – und nicht etwa eine Entfernung der Wandverkleidung – diese Brandgefahr aufheben und verhindern könne, sei schwer verständlich.

Die Beigeladene beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 15. Dezember 2017 aufzuheben und den Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzuweisen.

Die Antragsteller beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Aus ihrer Sicht habe das Verwaltungsgericht richtig entschieden. Zu ihrem Schutz von Leib und Leben seien sowohl die Baueinstellung als auch die vorläufige Nutzungsuntersagung aufrechtzuerhalten, bis die Beigeladene den Brandschutz der Gebäudeabschlusswand durch eine rechtskonforme und von der Antragsgegnerin geprüfte Änderung des Wandaufbaus herstellen lasse. Die Gebäudeabschlusswand sowie ihre Fassade erfüllten die brandschutzrechtlichen Anforderungen nicht. Insbesondere seien die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, Abs. 7 Satz 3 BayBO nicht erfüllt. Nach DIN 4102 falle Holz mit mehr als 2 mm in die Baustoffklasse B 2 (brennbar, normal entflammbar). Die Fassadenkonstruktion weise nicht die vom Prüfsachverständigen als „schwer entflammbar“ eingestufte Stärke von 26 mm, sondern nur eine solche von 22 mm auf. Auch die Wandbestandteile „Holzständer“ und „60 mm ...“ seien entflammbar. Die Beigeladene unterschlage zudem eine vorhandene „Dampfbremse“. Hinsichtlich der Bohlenstärke der Holzfassade und hinsichtlich der Anbringung einer „...gipskartonplatte“ anstelle einer 6 mm dicken Putzschicht weiche der tatsächliche Wandaufbau nicht nur vom Prüfzeugnis sondern auch von der Änderungsgenehmigung ab. Dass diese Bauausführung die Brandwiderstandsdauer zusätzlich verbessere und mindestens einen gleichwertigen Brandschutz gewährleiste, sei eine Behauptung der Beigeladenen ins Blaue. Die Herstellerfirmen hätten mit ihren Stellungnahmen vom 17. und 21. Juli 2017 dies gerade nicht bestätigt; insbesondere sei eine angeratene Eignungsprüfung nicht erfolgt. Zudem bescheinige sowohl das Prüfzeugnis vom 30. März 2015 als auch der Prüfbericht vom 15. März 2017 einen hinreichenden Brandschutz nur für den gesamten Wandaufbau, nicht aber für (Teil-) Ausschnitte hiervon. Jedenfalls hinsichtlich der Wandverkleidung räume die Beigeladene ein, dass der bisherige Zustand brandschutzrechtlich so nicht verbleiben könne. Aufgrund der von der Baubeschreibung und der Änderungsgenehmigung abweichenden Ausführung der Wandbekleidung bedürfe es (inklusive ggf. weiterer Änderungen bzw. Ertüchtigungen) einer neuen Änderungsgenehmigung. Allein eine Baueinstellung stelle sicher, dass die Beigeladene gehalten sei, eine Tekturgenehmigung zu beantragen und hierzu prüffähige Bauvorlagen und Nachweise vorzulegen, um zu gewährleisten, dass sowohl dem formellen als auch dem materiellen Baurecht Geltung verschafft werde. Zutreffend gehe das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss von einer Ermessensreduzierung auf null aus, da nachbarrechtliche Belange von hoher Wertigkeit betroffen seien. Ein milderes Mittel – wie die von der Antragsgegnerin vorgeschlagene vollständige Beseitigung der Wandbekleidung / Fassade – sei nicht ersichtlich, da auch der verbleibende Wandaufbau brandgefährdet sei. Die Anordnung der Nutzungsuntersagung der betroffenen Räume sei geeignet und verhältnismäßig, um angesichts der Gefahr für Leib und Leben der Antragsteller rechtskonforme Zustände herzustellen. Die Nutzung eines nicht den Brandschutzvorschriften entsprechenden Anbaus stelle eine erhebliche Brandgefahr dar. Eine erhöhte Brandgefahr infolge der Nutzungsaufnahme der betroffenen Räumlichkeiten gehe von einer Möblierung sowie dem dort befindlichen Holzofen aus. Durch das Überhitzen von elektrischen Geräten könne es zu Überspannungsschäden kommen. Die durch das Bewohnen ohnehin gegebene Brandgefahr werde vorliegend durch den beabsichtigten Einzug einer sehr alten, demenzkranken Frau erhöht. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt habe, habe auch die Lagerung von Gegenständen (z.B. Möbel, Kleider, Bücher) im Anbau zu unterbleiben. Gelagerte Gegenstände seien regelmäßig brennbar und könnten die Gefährlichkeit eines sich ausbreitenden Brandes intensivieren.

Die Antragsgegnerin hat im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt, geht aber davon aus, dass das Eingriffsermessen entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts und der Antragsteller vorliegend nicht auf null reduziert sei. Eine Gefahr für Leib und Leben der Antragsteller sei nicht gegeben. Trotz abweichender Bauausführung sei der Brandschutz gewährleistet. Bei Gebäuden der Gebäudeklassen 1 bis 3 lasse der Gesetzgeber eine Mischbauweise zu. Die Gebäudeanschlusswand an der gemeinsamen Grenze erfülle die Anforderungen an die Feuerwiderstandsfähigkeit nach Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BayBO sowohl von innen nach außen als auch umgekehrt. Für einen Wandaufbau nach dem allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis vom 30. März 2017 sei von innen nach außen eine Gipsplatte Typ A mit einer Stärke von mindestens 9,5 mm gefordert. Laut Prüfbericht vom 15. März 2017 biete die Gebäudeabschlusswand durch die Beplankung mit 2 x 18 mm „... Brandschutzplatten“ und einer 15 mm „...-Platte“ an der Innenseite mindestens 30 Minuten Feuerwiderstand (F30). Ferner hätten gutachterliche Äußerungen der M... GmbH für ähnliche Wandaufbauten eine Feuerwiderstandsfähigkeit von 90 Minuten bei einer Brandbeanspruchung von der Wandinnenseite bestätigt. Die angebrachte „... Gipskartonplatte“ an der Außenseite der Gebäudeabschlusswand führe nicht zu einer Minderung des Brandschutzes, sondern verbessere sogar die Feuerwiderstandsdauer. Die Feuerwiderstandsdauer von 90 Minuten bei einem Brandfall von außen werde weiterhin gewährleistet, zumal ein Brand vom Grundstück der Antragsteller ausgehen müsste. Unabhängig davon, dass die Bauarbeiten tatsächlich abgeschlossen seien, sei vorliegend eine Anordnung zur Baueinstellung nicht zielführend und kein geeignetes Mittel, um rechtskonforme Zustände herzustellen. Diese könnten durch andere geeignete Maßnahmen, wie etwa durch Austausch der Fassadenbretter oder Ertüchtigung mit einem intumeszierenden Anstrich oder sogar durch vollständige Beseitigung der Wandbekleidung, erreicht werden. Die momentane Baueinstellung verhindere die Ertüchtigung der Wandbekleidung, für die im vereinfachten Verfahren gem. Art. 59 BayBO keine Änderungsgenehmigung erforderlich sei. Auch die Nutzungsuntersagung sei nicht geeignet, um rechtskonforme Zustände herzustellen. Sie sei auch nicht verhältnismäßig, da eine Gefahr für Leben und Gesundheit der Antragsteller nicht gegeben sei und rechtskonforme Zustände mit den oben geschilderten Maßnahmen erreicht werden könnten. Die Nutzung der Räume allein führe nicht zu einer Erhöhung der Brandgefahr. Der Erweiterungsbau sei ein erdgeschossiger Anbau, dessen Rettungswege im Brandfall ausreichend sichergestellt seien. Insbesondere sei ein Verbot der Lagerung von Gegenständen nicht gerechtfertigt.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

1. Auch wenn – wie aus der Beschwerdebegründung hervorgeht – die Antragsgegnerin zwischenzeitlich in Umsetzung des angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts eine Einstellungs- und Untersagungsverfügung erlassen hat, ist hierdurch nicht das Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde der Beigeladenen entfallen, weil die Beigeladene durch eine obsiegende Beschwerdeentscheidung weiterhin ihre Rechtsstellung verbessern kann. Denn es verbleibt die Möglichkeit, dass die Antragsgegnerin, die – wie ihre Stellungnahme im Beschwerdeverfahren zeigt – diese Anordnung nicht aus rechtlicher Überzeugung, sondern in Umsetzung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 15. Dezember 2017 getroffen hat, diese Verfügung unter Berücksichtigung der Entscheidung des Senats gem. Art. 48 oder Art. 49 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) wieder korrigiert.

2. Die Beschwerde ist auch begründet.

Auf Basis der von der Beigeladenen innerhalb der gesetzlichen Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht (teilweise) stattgegeben hat. Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts ist abzuändern und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, weil die Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht haben (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V. mit § 920 Abs. 2 ZPO). Die Beigeladene hat zu Recht hinreichend eingewandt und dargelegt, dass mit der für den streitgegenständlichen Anbau an der gemeinsamen Grenze ausgeführten Wandkonstruktion in nachbarschutzrechtlicher Hinsicht – also speziell g e g e n ü b e r d e n A n t r a g s t e l l e r n – ein hinreichender Brandschutz gewährleistet ist.

a) Soweit die Eingriffsvoraussetzungen der Art. 75, 76 BayBO als bauordnungsrechtliche Befugnisnormen einschlägig sind, ist hierdurch nicht automatisch eine Anspruchsposition des Nachbarn – sei es auf bauordnungsrechtliches Einschreiten, sei es auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber – gegeben, sondern nur dann, wenn die geltend gemachte Rechtswidrigkeit der baulichen Anlage des Bauherrn gerade auf einem Verstoß gegen eine öffentlich-rechtliche Vorschrift beruht, die zugunsten des Nachbarn Drittschutz vermittelt. Ein subjektives Recht der Antragsteller auf bauordnungsrechtliches Einschreiten oder auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihren Antrag kommt mithin nur in Betracht, wenn die Beigeladene als Bauherrin mit dem streitgegenständlichen Vorhaben gegen eine auch Nachbarn schützende gesetzliche Anforderung verstößt (vgl. BayVGH, B.v. 30.6.2009 – 1 ZB 07.3058 – juris Rn. 22; Numberger, BayVBl. 2008, 741/744; Seidel, NVwZ 2004, 139/141; allg. zur sog. Schutznormtheorie vgl. z.B. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 42 Rn. 86 m.w.N.).

b) Keiner Klärung bedarf, ob wegen abweichender Bauausführung im Vergleich zur Änderungsgenehmigung vom 7. Juni 2017 der von der Beigeladenen tatsächlich umgesetzte Anbau gemäß Art. 55 ff. BayBO einer weiteren Änderungs- oder Tekturgenehmigung bedarf, um einen ggf. vorliegenden (formellen) Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu beseitigen. Soweit die Bauaufsichtsbehörde befugt ist, schon bei sog. formeller Rechtswidrigkeit gegen den Bauherrn gem. Art. 75 Abs. 1 BayBO (Baueinstellung) oder Art. 76 Satz 2 BayBO (Nutzungsuntersagung) vorzugehen (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 18.9.2017 – 15 CS 17.1675 – juris Rn. 13 m.w.N.), ist hiervon die Frage der subjektiven Rechtsbetroffenheit des Nachbarn zu trennen. Allein die formelle Rechtswidrigkeit einer baulichen Anlage – also das (möglicherweise) Fehlen einer erforderlichen Baugenehmigung bzw. eine von einer vorhandenen Genehmigung abweichende Bauausführung – genügt als solche nicht, um in diesem Sinn die Betroffenheit eines subjektiven Rechts des Nachbarn zu begründen. Die Vorschriften über die Baugenehmigungspflicht (Art. 55 ff. BayBO) dienen allein dem öffentlichen Interesse und sind daher nicht nachbarschützend (BayVGH, B.v. 19.5.2011 – 2 B 11.397 – NVwZ-RR 2011, 851 = juris Rn. 19; Molodovsky in Molodovsky u.a., BayBO, Art. 55 Rn. 4 m.w.N.). Entscheidend ist daher im vorliegenden Fall vielmehr, ob durch das Bauvorhaben eine die benachbarten Antragsteller materiell schützende Rechtsnorm verletzt wird.

c) Die – hier nicht näher aufzuklärende – Möglichkeit, dass die tatsächlich umgesetzte Gebäudeabschlusswand auf dem Baugrundstück an der Grenze zum Grundstück der Antragsteller als wohl nicht geregeltes Bauprodukt (Bauteil) bzw. als nicht geregelte Bauart ggf. den Anforderungen der Art. 15 ff. BayBO nicht genügt, mag zwar aus objektiv-rechtlicher Sicht die Bauaufsichtsbehörde zum Eingreifen ermächtigen (vgl. auch die ausdrückliche Regelung in Art. 75 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, Nr. 4 BayBO). Auch dies kann aber den Antragstellern als Nachbarn weder einen Anspruch auf bauordnungsrechtliches Eingreifen aus Art. 75, Art. 76 Satz 2 BayBO noch einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber vermitteln. Auch wenn die Regelungen des III. Abschnitts des dritten Teils der Bayerischen Bauordnung über Bauprodukte und Bauarten (Art. 15 – 23 BayBO) der Abwehr von Gefahren dienen, die der Allgemeinheit durch mangelnde Sicherheit von baulichen Anlagen drohen, folgt hieraus kein Drittschutz zugunsten individualisierbarer Personen und insbesondere zugunsten von Nachbarn (BayVGH, B.v. 9.11.1998 – 1 CS 98.2821 – NVwZ 1999, 446 = juris Rn. 9; Molodovsky in Molodovsky/Famers/Waldmann, Bayerische Bauordnung, Stand: November 2017, Vorb. Art. 15 Rn. 6; Dirnberger in Simon/Bus-se, Bayerische Bauordnung, Stand: November 2017, Art. 66 Rn. 278). Die grundsätzliche Brauchbarkeit – wie etwa eine hinreichende Feuerwiderstandsfähigkeit – eines nicht geregelten Bauprodukts oder einer Bauart kann zwar über einen im dritten Teil, Abschnitt III der BayBO vorgesehenen Nachweis (etwa auch durch ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis, Art. 17, Art. 19 Abs. 1 Satz 2 BayBO) sowie eine nach Maßgabe von Art. 20, 21 BayBO erfolgte Übereinstimmungserklärung des Herstellers ggf. belegt werden (vgl. Nolte in Simon/Busse, BayBO, Art. 12 Rn. 27). Allein aus dem Umstand, dass ein verwendetes Bauprodukt / Bauteil oder eine verwendete Bauart nicht den Anforderungen der Art. 15 ff. BayBO entspricht, folgt aber nicht, dass ein Nachbar deshalb Abwehransprüche bzw. Ansprüche auf bauordnungsrechtliches Eingreifen geltend machen kann.

d) Ein Anordnungsanspruch auf bauordnungsrechtliches Eingreifen nach Maßgabe von Art. 75 Abs. 1, Art. 76 Satz 2 BayBO kommt auch nicht wegen einer Verletzung des Art. 28 Abs. 3 BayBO in Betracht. Die Gebäudeabschlusswand des neu errichteten Anbaus der Beigeladenen verletzt keine nachbarschützenden Brandschutzanforderungen aus 28 Abs. 3 BayBO. Im vorliegenden Fall muss die an der Grenze zum Antragstellergrundstück stehende Gebäudeabschlusswand des Anbaus der Beigeladenen in brandschutzrechtlicher Hinsicht nicht die strengen Voraussetzungen für eine Brandwand gem. Art. 28 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BayBO erfüllen. Es genügt vielmehr, wenn die verminderten Anforderungen an eine Gebäudeabschlusswand nach Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BayBO eingehalten werden, vgl. im Folgenden aa). Die Antragsteller haben nicht glaubhaft gemacht, dass die Anforderungen dieser Norm, soweit sie nachbarschützend ist, nicht eingehalten sind, vgl. unten bb). Hiervon zu trennen ist die Frage, ob die Anforderungen an die Außenwandbekleidung einschließlich ihrer Unterkonstruktion gem. Art. 28 Abs. 11 i.V. mit Abs. 7 Satz 3 BayBO erfüllt sind und inwieweit die Antragsteller hieraus Nachbarschutz beanspruchen können, vgl. unten e).

aa) Als unmittelbar an der gemeinsamen Grundstücksgrenze errichtete Gebäudeabschlusswand, die zum Wohngebäude der Antragsteller einen geringeren Abstand als 5 m aufweist, wäre die Außenwand des Anbaus auf der gemeinsamen Grenze von Baugrundstück und Antragstellergrundstück gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO an sich als Brandwand auszuführen. Für diese bestimmt die BayBO, dass diese ausreichend lang die Brandausbreitung auf andere Gebäude oder Brandabschnitte verhindern (Art. 28 Abs. 1 BayBO) und hierfür auch unter zusätzlicher mechanischer Beanspruchung feuerbeständig sein sowie aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen müssen (Art. 28 Abs. 3 Satz 1 BayBO). Bei dem Gebäude der Beigeladenen handelt es sich nach den vorliegenden, der Änderungsgenehmigung vom 7. Juni 2017 zugrundeliegenden Planzeichnungen auch nach der Fertigstellung des neuen Anbaus allerdings entweder um ein Gebäude der Gebäudeklasse 1 oder um ein solches der Gebäudeklasse 2, sodass vorliegend die hierfür geltenden Brandschutzanforderungen der BayBO maßgebend sind, mithin die Einhaltung der für Gebäudeabschlusswände geltenden Anforderungen des Art. 28 Abs. 3 Satz 2 BayBO genügt.

Zur Gebäudeklasse 1 zählen freistehende Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m². Nach der von keinem Beteiligten bestrittenen Darstellung des Bestands in den gestempelten Bauunterlagen zur Änderungsgenehmigung vom 7. Juni 2017 (vgl. „Schnitt AA“) beträgt das für die Bemessung der Gebäudehöhe gem. Art. 2 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BayBO relevante Maß der Fußbodenoberkante des Obergeschosses des Bestandsgebäudes als höchstgelegenes Geschoss des Gesamtgebäudes über der Geländeoberfläche weniger als 4 m. Bei Übernahme der von keinem Beteiligten bestrittenen Grundflächenberechnung aus den Bauunterlagen zur Änderungsgenehmigung vom 7. Juni 2017 (229,493 m², mit Außenflächen) unter Einbeziehung des Dachgeschosses im Bestandsteil [laut den vorgenannten Bauunterlagen 8,480 m x 7,356 = 62,38 m²) ergibt sich eine relevante Brutto-Grundfläche (vgl. Art. 2 Abs. 6 BayBO) von unter 300 m², die mithin unterhalb der in Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO vorgesehenen Grenze von 400 m² (ohne Einbeziehung der Kellergeschossflächen, Art. 2 Abs. 3 Satz 3 BayBO) liegt. Dasselbe ergibt sich, wenn man überschlagsmäßig auf die im gestempelten Grundrissplan dargestellten Außenmaße des Gesamtgebäudes abstellt [Altbestand ca. 2 x (8,5 m x 7,7 m) = 130,9 m²; neuer Anbau: ca. 15,50 m x 5,50 m = 85,25 m²; Übergangsbereich Altbestand – Anbau: ca. 4,20 m x 1 m = 4,20 m²]. Nach der Errichtung des Anbaus verfügt das Gesamtgebäude laut den vorliegenden Bauunterlagen zu den der Beigeladenen erteilten Genehmigungen für den Anbau über nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten (eine Wohnnutzungseinheit im Altbestand und eine neue Nutzungseinheit im Anbau). Der in der BayBO nicht näher definierte Begriff der Nutzungseinheit umfasst eine Summe von Räumen, die auf Grund der organisatorischen und räumlichen Struktur als Einheit betrachtet werden können. Es kommt nicht darauf an, wie die Nutzungseinheit ausgestaltet ist, also vor allem ob und in welcher Weise ein Raum bzw. eine Mehrheit von Räumen gegenüber einem anderen Raum oder einer anderen Mehrheit von Räumen baulich abgeschlossen ist. Entscheidend ist vielmehr die insbesondere von der der Entscheidung des Bauherrn abhängige Einheitlichkeit der Nutzung und des Nutzungskreises (vgl. Jäde in Jäde u.a., Die neue BayBO, Art. 2 Rn. 80 ff.; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Art. 2 Rn. 293). Auch wenn aufgrund der räumlichen Trennung durch das Treppenhaus im Erd- und Dachgeschoss des Altbestands auf dem Baugrundstück jeweils selbständige kleine Wohneinheiten in einer Größenordnung von jeweils etwa 40 m² geschaffen werden könnten, ist mangels anderweitiger Hinweise aus den vorliegenden Unterlagen und den Erklärungen der Beteiligten davon auszugehen, dass derzeit dort nur von einer einzigen Wohneinheit auszugehen ist. Hierfür sprechen auch die vorliegenden Planzeichnungen zu den Genehmigungen vom 12. Juli 2011 und 17. Juni 2017, weil hiernach nur das Erdgeschoss, nicht aber das Dachgeschoss über eine Küche verfügt. Weil das Gebäude der Beigeladenen auch nach seiner Errichtung nicht mit einem anderen entsprechenden Gebäude zusammengebaut ist, dürfte es auch als freistehend i.S. von Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO anzusehen (vgl. Dirnberger in Simon/ Busse, BayBO, Art. 2 Rn. 286, 287; Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Aufl. 2012, Art. 2 Rn. 25) und damit der Gebäudeklasse 1 zuzuordnen sein.

Soweit in der Literatur (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand: Sept. 2017, Art. 2 Rn. 86b; Molodovsky in Molodovsky u.a., BayBO, Art. 2 Rn. 74c) und in Nr. 2.3.1.1.1 der Vollzugshinweise zur BayBO 2008 (IMS v. 13.12.2007 – Az. II B-4101-065/02, abgedruckt z.B. bei Molodovsky a.a.O. als Anhang 2.10) für das Merkmal „freistehend“ auch die jetzige und künftige Einhaltung von Abstandsflächen zwischen Gebäuden gefordert wird und der Abstand zwischen dem Wohngebäude der Antragsteller und dem auf dem Baugrundstück an der gemeinsamen Grenze errichteten Anbau der Beigeladenen von nur ca. 3 m hierfür als nicht hinreichend angesehen werden sollte, handelt es sich bei dem Wohngebäude der Beigeladenen (inklusive Anbau) jedenfalls höchstens um ein Gebäude der Gebäudeklasse 2, weil gem. Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BayBO für diese Einordnung bei im Übrigen identischen Voraussetzungen wie bei Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO auf das Gebäudemerkmal freistehend verzichtet wird.

Weil es sich um ein Gebäude der Gebäudeklassen 1 oder 2 handelt, kommt es auf die Frage, ob die Gebäudeabschlusswand an der gemeinsamen Grundstücksgrenze die Qualitätsmerkmale einer Brandwand gem. Art. 28 Abs. 3 Satz 1 BayBO aufweist, nicht an. Denn eine Gebäudeabschlusswand für Gebäude der Gebäudeklassen 1 bis 3 kann gemäß Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BayBO statt als Brandwand zulässigerweise auch als Wand ausgestaltet werden, die jeweils

– von innen nach außen die Feuerwiderstandsfähigkeit der tragenden und aussteifenden Teile des Gebäudes (vgl. hierzu Art. 25 BayBO), mindestens jedoch feuerhemmende Bauteile (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayBO) hat,

– während von außen nach innen die Feuerwiderstandsfähigkeit feuerbeständiger Bauteile (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 Nr. 2, Satz 3 Nr. 1 BayBO) gegeben sein muss.

Für solche Wände, die anstelle von Brandwänden zulässig sind, müssen zudem die Anforderungen entsprechend Art. 28 Abs. 4 bis 10 BayBO erfüllt sein, Art. 28 Abs. 11 BayBO. Damit müssen jedenfalls Außenwandbekleidungen (einschließlich der Dämmstoffe und Unterkonstruktionen) von Gebäudeabschlusswänden auch bei Gebäuden der Gebäudeklassen 1 bis 3 nach Maßgabe von Art. 28 Abs. 11 i.V. mit Abs. 7 Satz 3 BayBO nichtbrennbar sein.

bb) Für die Beurteilung der Feuerwiderstandsfähigkeit eines Baustoffs oder eines Bauteils kann die in ihren relevanten Teilen gem. Art. 3 Abs. 2 Satz 1 BayBO als Technische Baubestimmung eingeführte „DIN 4102 – Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen“ (teilw. abgedruckt bei Simon/Busse, BayBO, Teil D. Anhang Nr. 258) als sachverständige Grundlage für die Beurteilung der Feuersicherheit der baulichen Anlagen und der Feuerwiderstandsdauer ihrer Bauteile herangezogen werden (zur umstrittenen Einordnung als normkonkretisierende oder lediglich norminterpretierende Verwaltungsvorschrift vgl. Jäde in Jäde u.a., Die neue BayBO, Art. 3 Rn. 58 ff.). Der Senat geht davon aus, dass hiernach die Gebäudeabschlusswand an der Grenze zum Grundstück der Antragsteller die Anforderungen des Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BayBO an die Feuerwiderstandsfähigkeit von innen nach außen erfüllt. Offen ist demgegenüber, ob die umgesetzte Wandkonstruktion von außen nach innen die Feuerwiderstandsdauer feuerbeständiger Bauteile hat, wie dies Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BayBO fordert. Hierauf kommt es aber bei dem vorliegend geltend gemachten Anspruch auf bauordnungsrechtliches Einschreiten nicht an, weil die brandschutzrechtlichen Anforderungen der genannten Norm an die Feuerwiderstandsfähigkeit für die Wirkrichtung von außen nach innen nicht nachbarschützend sind, sodass insofern eine subjektive Anspruchsposition der Antragsteller ausscheidet.

Der Senat kann nach Aktenlage nicht beurteilen, ob die Gebäudeabschlusswand an der Grenze zum Grundstück der Antragsteller von a u ß e n n a c h i n n e n die gem. Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BayBO erforderliche Feuerwiderstandsfähigkeit feuerbeständiger Bauteile (F 90-AB, vgl. Nrn. 5.4.1 und 5.4.2 sowie Tabelle 2 der DIN 4102 – Teil 2) einhält. Es ist ungeklärt, ob und wie bei einer Feuereinwirkung über die mit einer Konterlattung befestigte Holzfassade derart auf die statt des Außenputzes verbaute Gipskartonplatte mechanisch eingewirkt wird, dass der Wandkonstruktion nicht mehr die Feuerwiderstandsfähigkeit „feuerbeständig“ (F 90-AB, vgl. Nrn. 5.4.1 und 5.4.2 sowie Tabelle 2 der DIN 4102 – Teil 2) in der Wirkrichtung von außen nach innen attestiert werden kann (vgl. auch Art. 28 Abs. 11 i.V. mit Abs. 7 Satz 4 BayBO).

Die tatsächliche Umsetzung der Gebäudeabschlusswand weicht vom vorliegenden allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis Nr. ... vom 30. März 2015 für eine Wand mit der dort attestierten Feuerwiderstandsfähigkeit feuerbeständiger Bauteile (F 90-AB, vgl. Nrn. 5.4.1 und 5.4.2 sowie Tabelle 2 der DIN 4102 – Teil 2) ab, weil anstelle des dort vorgesehenen Klebe- und Spachtelputzes als „2. Lage außen“ tatsächlich eine 12,5 mm dicke „Gipskartonplatte ...“ eingebaut wurde. Aus diesem Grund ist die vom bauausführenden Unternehmen unter dem 7. März 2017 ausgestellte „Übereinstimmungserklärung“ (vgl. Art. 20 und 21 BayBO), in der bestätigt wird, dass die tragende, raumabschließende Wandkonstruktion mit einer Feuerwiderstandsklasse „REI 90“ hinsichtlich aller Einzelheiten unter Einhaltung der Bestimmungen des allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses vom 30. April 2015 hergestellt und aufgebaut worden sei, für den Nachweis der Feuerwiderstandsfähigkeit nicht aussagekräftig. Die Stichhaltigkeit der Behauptung im Ergänzungsschreiben des ausführenden Bauunternehmens vom 19. Juni 2017, die Verwendung der „...platte“ anstelle einer Putzschicht an der Wandaußenseite stelle nur eine geringe Abweichung vom allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis dar, steht infrage, weil die in Bezug genommenen Schreiben der Herstellerfirmen der Bauprodukte dies gerade nicht belegen. So heißt es im Schreiben der K... KG vom 17. Juli 2017 zur Aufbringung der hölzernen Außenfassade auf die „Gipskartonplatte ...“, dass brandschutzbezogen sowie mit Blick auf die Druckfestigkeit der Dämmstoffplatte und die Verteilung des Anpressdrucks durch geeignete Lattung über der Gipskartonplatte „die Befestigung der Beplankungs-Ebenen (Gipskartonplatte mit darüber liegendem Witterungsschutz) übereinander“ nicht bewertet werden könne. In der E-Mail der G... GmbH & Co. KG vom 21. Juli 2017 wird hierzu ausgeführt, dass auch von dort nicht beurteilt werden könne, wie sich die putzersetzende Gipskartonplatte „unter dem Anpressdruck der Konterlattung auf einer biegeweichen Holzweichfaserdämmplatte verhält“. Die Festigkeit müsse gegeben sein, damit die Platte die Konstruktion wie eine Armierungsschicht vor Hitze und Flammeneinwirkung schütze. Sollte durch den Anpressdruck der Konterlattung ein Brechen der Platte dafür sorgen, dass diese innerhalb kurzer Zeit die Schutzfunktion gegen Flammen und Hitze durch Herunterfallen verliere, sei keine geringfügige Abweichung ausstellbar und die Konstruktion müsste von einem Institut geprüft werden. Es werde geraten, die Anwendbarkeit explizit auf die realisierte Wandkonstruktion zu prüfen. Schließlich kann auch über den Prüfbericht des Prüfsachverständigen vom 15. März 2017, der Grundlage der Bescheinigung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 2 BayBO für eine Abweichung von den Anforderungen an die Außenwandbekleidung war – vgl. unten e) – das Vorliegen der Voraussetzungen der erforderlichen Feuerwiderstandsdauer von außen nach innen nicht hinreichend belegt werden. Denn in diesem Prüfbericht wird vorausgesetzt, dass eine Gebäudeabschlusswand laut Prüfungszeugnis vom 30. März 2015 mit einer Feuerwiderstandsdauer von 90 Minuten von außen nach innen vorliegt, was aber – s.o. – wegen Ersetzung des Außenputzes durch eine Gipsplatte gerade infrage steht.

Demgegenüber geht der Senat nach Aktenlage davon aus, dass die Gebäudeabschlusswand des streitgegenständlichen Anbaus an der Grenze zum Antragstellergrundstück die Anforderungen des Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BayBO an die Feuerwiderstandsfähigkeit hinsichtlich der Wirkrichtung von i n n e n n a c h a u ß e n erfüllt. Da Art. 25 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 2 BayBO für tragende und aussteifende Wände in Gebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2 keine strikteren Anforderungen an die Feuerwiderstandsfähigkeit verlangt, ist im vorliegenden Fall für die Beurteilung einer gem. Art. 28 Abs. 3 Satz 2 BayBO hinreichenden Feuerwiderstandsdauer von innen nach außen entscheidend, ob die Gebäudeabschlusswand mindestens die Feuerwiderstandsfähigkeit feuerhemmender Bauteile (Art. 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayBO) aufweist. Hiervon kann ausgegangen werden, wenn sie nach Maßgabe eines Brandversuchs nach Nr. 5.2 (Nrn. 5.2.1 – 5.2.8) der DIN 4102 – Teil 2 die Feuerwiderstandsqualität F 30 füllt (= Feuerwiderstandsdauer von mehr als 30 Minuten, wobei während der Prüfzeit auch die hinreichende Standfestigkeit und Tragfähigkeit nicht verloren gehen dürfen; vgl. auch Tabelle 2 der DIN 4102 – Teil 2).

Die vorliegenden Unterlagen sprechen dafür, dass die Außenwand an der Grundstücksgrenze von innen nach außen mindestens über die Feuerwiderstandsfähigkeit feuerhemmender Bauteile verfügt und damit „in Richtung“ des Antragstellergrundstücks den gesetzlichen Anforderungen genügt. Der – zum Zweck der Beurteilung einer Ausnahme von der Nichtbrennbarkeit der Außenfassade erstellte [s.u. e) ] – Prüfbericht des Prüfsachverständigen vom 15. März 2017 bestätigt aus fachlicher Sicht, dass „die Gebäudeabschlusswand durch Beplankung mit 2 x 18 mm mineralischen Brandschutzplatten an der Innenseite mindestens 30 Minuten Feuerwiderstand bietet (F-30-A)“. Diesbezüglich wurde die sachverständige Bewertung im Prüfbericht vom 15. März 2017 von keinem der Beteiligten substanziiert in Frage gestellt oder sogar erschüttert (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2018 – 15 CS 17.2575 – Rn. 29, 32 m.w.N.). Dass tatsächlich sogar eine noch höhere Feuerwiderstandsfähigkeit vorliegt, ist aus den Ausführungen auf Seite 3 der in den Akten befindlichen „Ergänzung der gutachterlichen Stellungnahme Nr. ... der M... GmbH vom 21. Januar 2016 für eine ähnliche, von der Innenseite her zunächst entsprechende Wandkonstruktion (2 x 18 mm GKFbzw. GF-Platten und im Anschluss 15 mm dicke ...-Platte) abzuleiten:

„Bei einer Brandbeanspruchung von den Wandinnenseiten wird die tragende Holzkonstruktion mindestens durch 2 x 18 mm dicke GFKbzw. GF-Platten und eine 15 mm dicke ...-Platte geschützt. Nach DIN EN 1995-1-2: 2010-12 [2] werden nach 75 Brandminuten die für Sperrholz kritische Temperatur von 270 °C hinter den GFKbzw. GF-Platten erreicht. Zu diesem Zeitpunkt beginnt frühestens der Abbrand der darunter liegenden ...-Platte. Die ...-Platte hat gemäß DIN EN 1995-1-2: 2010-12 [2] eine Abbrandrate von 1,0 mm/Min. Es wird frühestens in der 90. Brandminute die für Holz kritische Temperatur von 300 °C an den Ständern erreicht. Es ist aus brandschutztechnischer Sicht ausreichend sichergestellt, dass bei einer 90-minütigen Brandbeanspruchung von der Wandinnenseite die Tragfähigkeit, die Wärmedämmung und der Raumabschluss der Wandkonstruktion erhalten bleibt.“

Zu einem entsprechenden Ergebnis kommt die ebenfalls in den Akten befindliche „Gutachterliche Stellungnahme Nr. ... der M ... GmbH vom 25. Mai 2017 (dort Seite 7 i.V. mit Anlage 1, Tabelle 3).

Vor diesem Hintergrund ist die Abweichung vom allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis Nr. ... vom 30. März 2015, soweit es brandschutzrechtlich um die Beurteilung der Feuerwiderstandsdauer der Außenwand in der Wirkrichtung von innen nach außen geht, nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage aus Sicht des Senats als nicht wesentlich anzusehen (vgl. Art. 20 Abs. 1 Halbs. 2 BayBO), sodass – im Gegensatz zur Beurteilung der Feuerwiderstandsdauer in der Wirkrichtung von außen nach innen (s.o.) – die Übereinstimmungserklärung des Herstellers (bauausführendes Unternehmen) jedenfalls insofern im Verfahren gem. § 123 Abs. 1 VwGO als hinreichender Nachweis der Verwendbarkeit als Gebäudeabschlusswand i.S. von Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BayBO angesehen werden kann. Die Bedenken der Bauprodukthersteller in den Stellungnahmen vom 17. Juli 2017 (K... KG) und vom 21. Juli 2017 (E-Mail der G... GmbH & Co. KG) beziehen sich zudem der Sache nach nur auf die unmittelbare Hitze- und Flammeneinwirkung auf die putzersetzende Gipskartonplatte mit aufgesetzter Konterlattung mit Holzfassade – also von außen. Da Art. 24 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 BayBO keine besonderen Anforderungen an die Baustoffe feuerhemmender Bauteile stellt, können diese Bauteile uneingeschränkt aus brennbaren Baustoffen bestehen (Bauer in Jäde u.a., Die neue BayBO, Art. 24 Rn. 17; vgl. auch Rn. 18 mit Tabelle 1). Damit kommt es für die Frage, ob die an der Grenze zum Antragstellergrundstück stehende Gebäudeabschlusswand von innen nach außen die Feuerwiderstandsfähigkeit feuerhemmender Bauteile aufweist, nicht darauf an, ob und inwiefern diese aus nichtbrennbaren Baustoffen besteht [zu Besonderheiten bezüglich der Außenbekleidung vgl. unten e) ].

Durch die Einhaltung der erforderlichen Feuerwiderstandsfähigkeit von innen nach außen wird bei der hier vorliegenden Gebäudeabschlusswand eines Gebäudes der Gebäudeklasse 1 bzw. 2 den n a c h b a r s c h ü t z e n d e n Anforderungen gemäß Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BayBO Genüge getan. Die Anforderungen an die Feuerwiderstandsfähigkeit gemäß Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BayBO für die Wirkrichtung von außen nach innen sind nicht nachbarschützend und vermögen daher den Antragstellern keine subjektiven Anspruchspositionen auf bauordnungsrechtliches Einschreiten zu vermitteln.

Brandschutzvorschriften entfalten nicht per se nachbarschützende Wirkung, sondern nur dann, wenn sie „nach außen“ zielen (Bauer in Jäde u.a., Die neue BayBO, Art. 12 Rn. 12), also nicht auf den Schutz des von der Anforderung betroffenen Gebäudes und seiner Bewohner bzw. Benutzer begrenzt sind, sondern mit Blick auf die Verhinderung der Ausbreitung von Feuer und Rauch in der Umgebung jedenfalls auch auf den Schutz des Nachbargrundstücks und der sich dort befindlichen Personen und / oder (unbeweglichen und beweglichen) Sachen ausgerichtet sind (BayVGH, B.v. 10.7.2014 – 9 CS 14.998 – BayVBl. 2014, 727 = juris Rn. 13; B.v. 30.1.2018 – 15 ZB 17.1459 – juris Rn. 16, unter Rekurs auf: OVG LSA, B.v. 19.10.2012 – 2 L 149/11 – NVwZ-RR 2013, 87 = juris Rn. 21; OVG NRW, B.v. 29.7.2002 – 7 B 583/02 – juris Rn. 15; OVG Berlin-Bbg, U.v. 14.5.2007 – OVG 11 S 83.06 – juris Rn. 70; OVG Saarl, U.v. 26.1.2006 – 2 R 9/05 – juris Rn. 58; VG Augsburg, U.v. 21.1.2009 – Au 4 K 08.718 – juris Rn. 32; VG Karlsruhe, U.v. 16.10.2014 – 9 K 3426/13 – juris Rn. 37; Seidel, Öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Nachbarschutz, 2000, Rn. 472 ff.). Bei Regelungen über Brandwände ist grundsätzlich zu unterscheiden: Während Regelungen über innere Brandwände zur Bildung bzw. Begrenzung von Brandabschnitten innerhalb eines Gebäudes von ihrem Schutzzweck her gesehen ausschließlich „nach innen“ bezogen sind und daher keine nachbarschützende Wirkung entfalten, sind Regelungen für Brandwände als Gebäudeabschlusswände (Art. 28 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 BayBO), weil ihnen auch der normative Schutzzweck zukommt, einen Brandübergriff auf Nachbargebäude zu verhindern, zugunsten von unmittelbar angrenzenden Nachbarn grundsätzlich drittschützend (BayVGH, B.v. 30.1.2018 – 15 ZB 17.1459 – juris Rn. 15, 17; Famers in Molodovsky u.a., BayBO, Art. 12 Rn. 3; Art. 28 Rn. 14; Bauer in Jäde u.a., Die neue BayBO, Art. 12 Rn. 12, Art. 28 Rn. 7, 8; Jäde in ebenda, Art. 66 Rn. 480; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 279; vgl. auch BayVGH, U.v. 21.12.1977 – 273 II 75 – BayVBl 1978, 669 = juris Rn. 22; B.v. 3.9.2015 – 15 ZB 12.2142 – NVwZ-RR 2016, 27 = juris Rn. 18; OVG LSA, B.v. 19.10.2012 – 2 L 149/11 – NVwZ-RR 2013, 87 = juris Rn. 34; OVG Rh-Pf, U.v. 28.3.1974 – 1 A 116/73 – BRS 28 Nr. 142; VGH BW, U.v. 16.3.1976 – VIIl 289/75 – BRS 30 Nr. 135; U.v. 24.7.1984 – 8 S 2047/83 – VBlBW 1985, 102/103; U.v. 26.2.1992 – 3 S 2947/91 – juris Rn. 22; OVG NRW, U.v. 11.1.1973 – X A 419/71 – ZMR 1974, 126; U.v. 25.4.1973 – VII A 345/72 – BRS 27 Nr. 103; VG München, U.v. 22.10.2015 – M 11 K 14.4211 – juris Rn. 31).

Hieraus folgt für den Nachbarschutz aus Art. 28 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 BayBO folgende Differenzierung: Ebenso wie Regelungen über die Feuerwiderstandsfähigkeit tragender und aussteifender Wände und Stützen (Art. 25 BayBO), über Außenwände (Art. 26 BayBO) sowie über Trennwände (Art. 27 BayBO) ausschließlich vor Brandgefahren innerhalb des betroffenen Gebäudes schützen und deshalb nicht nachbarschützend sind (vgl. Famers in Molodovsky u.a., BayBO, Art. 25 Rn. 16; Art. 26 Rn. 14; Art. 27 Rn. 15; Bauer in Jäde u.a., Die neue BayBO, Art. 25 Rn. 5, Art. 26 Rn. 5, 7, Art. 27 Rn. 4), haben die Anforderungen des Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BayBO keinen Schutznormcharakter zugunsten der Nachbarschaft, soweit diese sich auf den Schutz des Bestands der der Gebäudeabschlusswand zuzuordnenden baulichen Anlage und deren Nutzer begrenzen. Das ist aber gerade der Fall, soweit es um Anforderungen an die Feuerwiderstandsfähigkeit von außen nach innen geht. Die Reichweite des Nachbarschutzes aus Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BayBO hängt damit von der Wirkrichtung der von der Rechtsnorm geforderten Feuerwiderstandsfähigkeit ab: Drittschutz ist aus der Regelung nur abzuleiten, soweit die Gebäudeabschlusswand hiernach von innen nach außen die Feuerwiderstandsfähigkeit der tragenden und aussteifenden Teile des Gebäudes, mindestens jedoch feuerhemmende Bauteile haben muss; hingegen kommt der gesetzlichen Anforderung einer Feuerwiderstandsfähigkeit feuerbeständiger Bauteile in der Wirkrichtung von außen nach innen kein Nachbarschutz zu.

Eine Verletzung eines subjektiven Rechts aus Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BayBO BayBO als Voraussetzung eines (Anordnungs-) Anspruchs auf bauordnungsrechtliches Eingreifen oder auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber haben die Antragsteller daher nicht glaubhaft machen können. Da einerseits die drittschützenden Anforderungen des Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BayBO an die Feuerwiderstandsfähigkeit der Gebäudeabschlusswand von innen nach außen (in Richtung Nachbargrundstück) nach Aktenlage eingehalten sind, und andererseits die Anforderungen des Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BayBO an die Feuerwiderstandsfähigkeit der Gebäudeabschlusswand von außen nach innen nicht nachbarschützend sind, scheidet insofern ein Anordnungsanspruch der Antragsteller auf bauordnungsrechtliches Einschreiten gem. § 123 Abs. 1 VwGO i.V. mit Art. 75 Abs. 1, Art. 76 Satz 2 BayBO aus. Es kommt insofern mithin nicht auf die Fragen an, ob die brandschutzrechtlichen Anforderungen in der Wirkrichtung von außen nach innen tatsächlich erfüllt sind.

e) Soweit die Anforderungen an die Nichtbrennbarkeit der Außenwandbekleidung gem. Art. 28 Abs. 11, Abs. 7 Satz 3 BayBO nicht erfüllt sind und eine Abweichungsfähigkeit gem. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO sowie eine ordnungsgemäße Abweichungsbescheinigung gem. Art. 63 Abs. 1 Satz 2 BayBO in Frage stehen, kommt es hierauf im Ergebnis nicht an, weil die von den Antragstellern im gerichtlichen Eilverfahren allein verfolgten Maßnahmen einer Baueinstellung sowie einer Nutzungsuntersagung keine geeigneten Reaktionen zur Unterbindung einer diesbezüglichen nachbarlichen Rechtsverletzung darstellen.

Es spricht Vieles dafür, dass die über Art. 28 Abs. 11 BayBO auch bei einer Gebäudeabschlusswand für ein Gebäude der Gebäudeklassen 1 bis 3 geltende Anforderung des Art. 28 Abs. 7 Satz 3 BayBO, wonach die Außenwandbekleidung einschließlich ihrer Unterkonstruktionen und Dämmstoffe (die zusätzlich außen angebracht werden, vgl. Famers in Molodovsky u.a., BayBO, Art. 28 Rn. 116) nichtbrennbar sein müssen, nachbarschützend ist. Denn diese Vorschrift dürfte darauf zielen, auch im Fall eines Brandherds von außen einen Brandübergriff über die Wandfassade auf benachbarte Gebäude zu verhindern (vgl. OVG NRW, U.v. 24.5.2017 – 10 A 1997/15 – juris Rn. 34). Dennoch haben die Antragsteller auch insofern hinsichtlich der von ihnen im Verfahren gem. § 123 Abs. 1 VwGO begehrten Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Erlass einer Baueinstellung (Art. 75 BayBO) sowie einer Nutzungsuntersagung (Art. 76 Satz 2 BayBO) keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Auch wenn unstreitig sein dürfte, dass die tatsächlich umgesetzte Fassadenkonstruktion grundsätzlich brennbar ist und damit die gesetzlichen Anforderungen gemäß Art. 28 Abs. 11 i.V. mit Abs. 7 Satz 3 BayBO nicht erfüllt sind, steht damit nicht automatisch und ohne Weiteres fest, dass damit auch die Eingriffsvoraussetzungen der Art. 75 BayBO, Art. 76 Satz 2 BayBO wegen Widerspruchs der streitgegenständlichen baulichen Anlage zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfüllt sind. Denn nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von den Anforderungen der BayBO zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO vereinbar sind. Auf eine solche behördliche Abweichungszulassung kann sogar gem. Art. 63 Abs. 1 Satz 2 BayBO verzichtet werden, wenn entsprechende bautechnische Nachweise durch einen Prüfsachverständigen bescheinigt werden. Im vorliegenden Fall wurde eine bautechnische Bescheinigung eines Prüfsachverständigen („Bescheinigung Brandschutz III“) vom 15. März 2017 vorgelegt. Diese nimmt hinsichtlich der Angaben zur Abweichung von brandschutzrechtlichen Vorschriften auf den Prüfbericht desselben Prüfsachverständigen vom 15. März 2017 Bezug, in dem ausgeführt wird, dass die „Oberflächen“ der Gebäudeabschlusswand (wohl gemeint: die Außenwandbekleidung mit der Unterkonstruktion i.S. von Art. 28 Abs. 7 Satz 3 BayBO) zum Nachbargrundstück hin nicht „nichtbrennbar“ („A1“ oder „A2“) seien. Unter dort weiter zugrunde gelegten Prämissen (vgl. Nr. 1 bis Nr. 6 der Begründung) bleibe dies aber nicht hinter den Grundsatzanforderungen aus Art. 3 Abs. 1 BayBO zurück, sodass die Zulässigkeit der Abweichung gem. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO sachverständig bescheinigt werden könne. Ob und mit welcher Reichweite einer solchen Bescheinigung Legalisierungswirkung zukommt und damit auch eine bauaufsichtliche Durchgriffsmöglichkeit der Bauaufsichtsbehörde aufgrund gesetzlich zugewiesener Verantwortlichkeiten ausgeschlossen oder eingeschränkt ist, ist im Einzelnen umstritten (zu den divergierenden Ansichten in der Kommentarliteratur vgl. Jäde in Jäde u.a., Die neue BayBO, Art. 63 Rn. 72 i.V. mit Art. 62 Rn. 61 ff.; Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 62 Rn. 31; Molodovsky in Molodovsky u.a., BayBO, Art. 63 Rn. 11 i.V. mit Art. 62 Rn. 108). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass bestimmte, vom Prüfsachverständigen zugrunde gelegte Prämissen entweder tatsächlich nicht gegeben sind (so die Annahme, die Gebäudeabschlusswand entspreche in allen Einzelheiten dem allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis Nr. ... vom 30. März 2015) oder in tatsächlicher Hinsicht bzw. in der rechtlichen Bewertung unter den Beteiligten umstritten sind (so etwa mit Blick auf die Relevanz der wohl weniger als 2 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze entfernten Kellertreppe der Antragsteller).

Die diesbezüglichen Einzelfragen bedürfen vorliegend keiner Klärung. Auch wenn Fragen einer Abweichung bzw. Abweichungsmöglichkeit ausgeklammert werden und eine subjektive Rechtsverletzung der Antragsteller als Nachbarn hinsichtlich Art. 28 Abs. 11 i.V. mit Abs. 7 Satz 3 BayBO unterstellt wird, würde dies den Antragstellern für die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs nichts nutzen. Denn weder eine Baueinstellung noch eine Nutzungsuntersagung stellten eine geeignete Reaktion dar, um einen Rechtsverstoß wegen rechtswidriger Fassadenbekleidung zum Schutz der Nachbarn zu unterbinden. Die Holzfassade ist bereits an der Außenseite der Gebäudeabschlusswand in Richtung des Antragstellergrundstücks angebracht, sodass eine schlichte Baueinstellung das Ziel, die Antragsteller vor einem Brandübergriff aufgrund der Brennbarkeit der Außenwandbekleidung mit Unterkonstruktion zu schützen, nicht mehr fördern kann. Auch eine Nutzungsuntersagung vermag dem Nachbarschutz der Antragsteller nicht zu dienen, weil die Gebäudeabschlusswand gerade von innen nach außen über eine hinreichende Feuerwiderstandsfähigkeit gem. Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BayBO verfügt (s.o.) und damit eine relevante Gefahrerhöhung für eine Brandausbreitung von innen nach außen und folglich auch für einen Brand der Außenwandbekleidung aufgrund einer Brandursache im Innern des Anbaus der Beigeladenen kraft gesetzlicher Wertung ausgeschlossen ist. Selbst wenn die Bauordnungsbehörde aufgrund eines eventuellen Widerspruchs zum objektiven Recht eine Baueinstellung und / oder eine Nutzungsuntersagung in Ausübung ordnungsgemäßen Ermessens nach Art. 75 Abs. 1, Art. 76 Satz 2 BayBO erlassen dürfte bzw. könnte, ist nicht ersichtlich, dass hierfür gerade von Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BayBO geschützte Belange der Antragsteller als Nachbarn eine Direktive für die Ausübung des behördlichen Ermessens sein könnten. Vor diesem Hintergrund kann in dieser Situation eine subjektive Anspruchsposition der Antragsteller – und sei es nur auf ermessensfehlerfreie Entscheidung – gerade in Bezug auf eine Baueinstellung und / oder eine Nutzungsuntersagung wegen der Außenfassade und ihrer Befestigungskonstruktion nicht begründet sein. Erst recht ist nicht ersichtlich, dass Belange der Antragsteller als Nachbarn diesbezüglich eine Ermessensreduzierung auf null zu ihren Gunsten begründen könnten (vgl. z.B. VG München, B.v. 11.11.2014 – M 8 E1 14.4665 – Rn. 42 ff.; B.v. 8.6.2017 – M 8 E 17.2327 – juris Rn. 49 ff.).

Es verbliebe zum Schutz der Antragsteller als Nachbarn allenfalls ein auf Art. 54 Abs. 2 Satz 2 und / oder Abs. 4 BayBO (vgl. BayVGH, B.v. 11.10.2017 – 15 CS 17.1055 – NVwZ-RR 2018, 14 = juris Rn. 14) zu stützender nachbarlicher Anspruch auf bauordnungsrechtliches Eingreifen bzw. auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein solches mit dem Ziel der Beseitigung oder der brandschutzrechtlichen Ertüchtigung der brennbaren Außenbekleidung und ihrer Unterkonstruktion. Unabhängig von den oben aufgeworfenen Fragen, ob die Abweichung der Außenbekleidung mit Unterkonstruktion von den Vorgaben des Art. 28 Abs. 11, Abs. 7 Satz 3 BayBO am Maßstab von Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO zulassungsfähig wäre (zu den Anforderungen bei Brandwänden vgl. BayVGH, B.v. 19.7.2016 – 9 CS 15.336 – NVwZ-RR 2017, 87 ff.) und ob die vorliegende „Bescheinigung Brandschutz III“ vom 15. März 2017 die Rechtmäßigkeit der Abweichung fingiert, ist es dem Senat gem. § 88 VwGO und dem hierin zum Ausdruck kommenden Grundsatz „ne ultra petita“ verwehrt, die Antragsgegnerin in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung des Verwaltungsgericht zum Erlass derartiger Maßnahmen zu verpflichten. Nach § 88 VwGO, der über § 122 Abs. 1 VwGO auch im Verfahren gem. § 123 VwGO anwendbar ist, darf das Gericht über das Antragsbegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Wesentlich ist der geäußerte Parteiwille, wie er sich aus der prozessualen Erklärung und sonstigen Umständen ergibt. Zwar steht es gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V. mit § 938 Abs. 1 ZPO grundsätzlich im freien Ermessen des Gerichts, welche Anordnungen zur Erreichung des Zwecks, d.h. zur Sicherung des Rechts oder zur vorläufigen Regelung, i.S. von § 123 Abs. 1 VwGO getroffen werden. Trotz dieser gewissen „Lockerung“ von der Antragsbindung (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14 Aufl. 2014, § 123 Rn. 64) dürfen die Verwaltungsgerichte auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO nichts aussprechen, was vom ersichtlichen Willen des Antragstellers nicht getragen ist (vgl. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juni 2017, § 123 Rn. 134). Insbesondere legitimiert § 88 VwGO das Gericht nicht dazu, an die Stelle dessen, was eine Partei erklärtermaßen will, das zu setzen, was sie – nach Meinung des Gerichts – zur Verwirklichung ihres Bestrebens wollen sollte (vgl. BVerwG, B.v. 14.4.2003 – 3 B 141.02 – juris Rn. 2; speziell zu § 123 VwGO vgl. OVG NRW, B.v. 19.1.2017 – 13 B 1163/16 – juris Rn. 12 ff.). Nach dem anwaltlich eindeutig formulierten Antrag schon im erstinstanzlichen Verfahren ist das Rechtsschutzbegehren der Antragsteller hier ausschließlich auf die (vorläufige) Baueinstellung und Nutzungsuntersagung – also auf Maßnahmen nach den speziellen Eingriffsnormen gem. Art. 75 Abs. 1, Art. 76 Satz 2 BayBO – gerichtet. Alternative Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 BayBO, wie etwa eine Ertüchtigung der Außenfassade mit Unterkonstruktion bis hin zu deren Beseitigung, gegen die sowohl die Beigeladene (vgl. Seite 5 der Beschwerdebegründung vom 19. Januar 2018) als auch die Antragsgegnerin (vgl. Seite 3 des Schriftsatzes vom 14. Februar 2018; im erstinstanzlichen Verfahren vgl. bereits Schriftsätze vom 24. November 2017, 14. Dezember 2017) offenbar nichts Grundsätzliches einzuwenden hätten, entsprechen demgegenüber offensichtlich nicht dem Rechtsschutzziel der Antragsteller im vorläufigen Rechtsschutzverfahren. Denn sie haben schriftsätzlich ausdrücklich klargestellt, dass eine Ertüchtigung der Brandwand nicht Gegenstand des einstweiligen Anordnungsverfahrens ist (vgl. Seite 4 des erstinstanzlichen Schriftsatzes vom 1. Dezember 2017). Zudem wurden derartige Ersatzmaßnahmen von ihnen wiederholt als unzureichend beurteilt. Zuletzt haben die Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren ausgeführt, selbst an einer auch vollständigen Beseitigung der Wandbekleidung (Fassade) kein Interesse zu haben, da aus ihrer Sicht auch der verbleibende Wandaufbau den Brandschutzanforderungen nicht entspreche. Angesichts dieser Umstände würde sogar eine gerichtlich ausgesprochene Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Erlass einer Anordnung zur Beseitigung der Holzfassade mit Unterkonstruktion die Grenzen einer zulässigen Auslegung des Eilantrags gem. § 88 VwGO überschreiten.

f) Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass eine subjektive Rechtsverletzung der Antragsteller auch nicht wegen der Verletzung des Abstandsflächenrechts (Art. 6 BayBO) in Betracht kommt. Die in der Baugenehmigung vom 12. Juli 2011 unter Textziffer IV, 2. Tiret erteilte Abweichung von der nach Westen nicht eingehaltenen Abstandsfläche, die laut der Änderungsgenehmigung vom 7. Juni 2017 fortwirken soll, dürfte ins Leere gehen, weil nach dem Bebauungsplans Nr. ... – dessen Wirksamkeit im Eilverfahren zu unterstellen ist – die streitgegenständliche Grenzbebauung gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO zulässig war. Der Bebauungsplan sieht an entsprechender Stelle auf der Grenze zwischen dem Baugrundstück und dem Antragstellergrundstück eine Baulinie vor, auf der gem. § 23 Abs. 2 Satz 1 BauNVO gebaut werden muss. Korrespondierend hierzu wird gemäß § 5 Abs. 1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans u.a. für das hier betroffene Wohngebiet „WA 110“ eine abweichende Bauweise gem. § 22 Abs. 4 BauNVO festgesetzt, wonach „in Abweichung von der offenen Bauweise (...) eingeschossige Erweiterungsbauten mit einseitigem Grenzanbau an den vorgeschlagenen Grundstücksgrenzen zulässig“ sind (vgl. auch Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Aufl. 2012, Art. 6 Rn. 23 m.w.N.). Selbst wenn der Bebauungsplan unwirksam wäre, dürfte aufgrund der durch auch durch Anbauten an den Grundstückswestgrenzen geprägten Umgebungsbebauung (vgl. die über den BayernAtlasPlus recherchierbaren Luftbilder und Lagepläne) das streitgegenständliche Vorhaben der Beigeladenen wohl auch in Anwendung von § 34 Abs. 1 BauGB bauplanungsrechtlich an die Grenze gebaut werden (vgl. BayVGH, B.v. 8.10.2013 – 9 CS 13.1636 – juris Rn. 10 f.; VGH BW, U.v. 2.6.2015 – 8 S 1914/14 – NVwZ-RR 2016, 19 = juris Rn. 42 ff.; VG Würzburg, U.v. 27.7.2017 – W 5 K 16.938 – juris Rn. 20 ff.).

g) Auf die weitere Frage, ob es zudem mangels Eilbedürftigkeit an einem Anordnungsgrund mangelt, weil keine erheblichen konkreten Beeinträchtigungen oder Gefahren für die Antragsteller bestehen, die sofort beseitigt werden müssten (vgl. BayVGH, B.v. 19.11.2013 – 2 CE 13.2253 – juris Rn. 2 f.), bzw. (unterstellte) verbleibende Gefahren aufgrund der umgesetzten Holzfassade ggf. jederzeit durch eine brandschutztechnische Ertüchtigung der Gebäudeabschlusswand an der gemeinsamen Grenze (bis hin zur ggf. möglichen Auswechslung der Außenwandbekleidung mit Unterkonstruktion unter gleichzeitiger Ersetzung der Gipskartonplatte durch den ursprünglich vorgesehenen Putz) beseitigt werden könnten, kommt es nicht mehr an.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Antragsteller tragen billigerweise auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, weil sich diese in beiden Rechtszügen durch die Stellung von Sachanträgen einem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO) und ihre Beschwerde erfolgreich ist. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG und folgt der Streitwertfestsetzung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Senat orientiert sich neben Nr. 1.5 an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt als Anhang in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014), weil die Bedeutung der Sache für einen Kläger bei einem Nachbaranspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten ähnlich zu bewerten ist wie bei einer Nachbarklage gegen eine Baugenehmigung (BayVGH, B.v. 14.3.2016 – 15 ZB 16.168 – juris Rn. 10 m.w.N.).

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Das Oberverwaltungsgericht ist instanziell unzuständig.

Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht des Saarlandes verwiesen.

Gründe

Der Kläger wendet sich gegen die nachträgliche immissions-schutzrechtliche Anordnung nach § 17 BImSchG des Beklagten vom 30.9.2003 und hat entsprechend deren Rechtsmittelbelehrung die Klage unmittelbar beim Oberverwaltungsgericht erhoben.

Das Oberverwaltungsgericht ist ungeachtet des Umfangs der betroffenen Anlage nach Sinn und Zweck der Großvorhabenzuständigkeit des § 48 I Nr. 5 VwGO in der ab 1.1.1997 geltenden Fassung des Gesetzes vom 1.11.1996 (BGBl. I S. 1626) für nachträgliche immissionsschutzrechtliche Anordnungen nicht zuständig. Ihrem Wortlaut nach weist die Zuständigkeitsvorschrift allerdings eine im Prozessrecht ungewöhnliche Unschärfe auf.

Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Januar 2003, § 48 Rdnr. 14.

Die Formulierung "Verfahren für die Errichtung, den Betrieb und die wesentliche Änderung von ...Anlagen" lässt allerdings ohne Weiteres eine Einbeziehung der nachträglichen Anordnung nach § 17 BImSchG zu, denn die nachträgliche Anordnung betrifft den Anlagenbetrieb und schränkt ihn gegebenenfalls ein.

Jarass, Bundes-Immissionsschutzgesetz, 4. Auflage 1999, § 17 Rdnrn. 21 und 22.

Die zutreffende Auslegung ergibt sich nach der überzeugenden Auffassung des VGH Baden-Württemberg aus der Reichweite des gesetzlichen Beschleunigungszwecks für Großvorhaben.

VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.7.1999 - 10 S 373/99 -, S. 2 des Juris-Ausdrucks; ebenso im Ergebnis OVG Lüneburg, Beschluss vom 1.7.2003 - 7 KS 115/03 - für nachträgliche Schutzauflagen.

Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts soll die Gesamtverfahrensdauer verkürzen. Nach den gesetzgeberischen Erwägungen erschwert die überlange Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren bei Großprojekten die Investitionstätigkeit der Wirtschaft.

Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Januar 2003, § 48 Rdnr. 3 unter Bezugnahme auf die Bundestagsdrucksache 10/171.

Zur Verwirklichung der Investitionsvorhaben bedarf es indessen immissionsschutzrechtlich nur der Genehmigung (§ 4 BImSchG) und ergänzend der Änderungsgenehmigung (§ 16 BImSchG). Für nachträgliche Maßnahmen stellt das Immissionsschutzrecht die drei Instrumente der nachträglichen Anordnung nach § 17 BImSchG, das Verbot des Anlagenbetriebs nach § 20 BImSchG sowie den Widerruf nach § 21 BImSchG zur Verfügung.

Zu dieser Zusammenfassung Jarass, BImSchG, § 17 Rdnr. 1.

Alle nachträglichen Maßnahmen betreffen den Betrieb der Anlage. Entscheidend ist aber die unterschiedliche Zweckrichtung: Nur die Genehmigungsverfahren dienen der Verwirklichung der Investitionsvorhaben der Wirtschaft und damit dem Zweck der Beschleunigungsvorschrift, die nachträglichen Maßnahmen schränken umgekehrt die Investitionsvorhaben ein. Für diesen Zweck greift der Beschleunigungszweck der Großvorhabenzuständigkeit nicht, und deshalb verbleibt es für alle nachträglichen immissionsschutzrechtlichen Maßnahmen bei der Regelzuständigkeit des Verwaltungsgerichts nach § 45 VwGO.

Die hier bestehende instanzielle Unzuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts ist verfahrensmäßig nach den Vorschriften der §§ 83 VwGO, 17 a und 17 b GVG zu behandeln.

Bader u.a. VwGO, 1999, § 83 Rdnr. 3; Redeker/von Oertzen, VwGO, 13. Auflage 2000, § 83 Rdnr. 1.

Mithin stellt das Oberverwaltungsgericht nach der hier erfolgten Anhörung der Beteiligten seine Unzuständigkeit von Amts wegen fest und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Verwaltungsgericht des Saarlandes (§§ 83 VwGO, 17 a II 1 GVG). Abweichend von der Rechtsmittelregelung des § 17 a IV GVG ist nach § 83 Satz 2 VwGO der Verweisungsbeschluss unanfechtbar. Die vor dem angerufenen Oberverwaltungsgericht entstandenen Kosten werden nach § 17 b II GVG als Teil der Kosten vor dem Verwaltungsgericht behandelt; für die Mehrkosten kann gegebenenfalls die durch die Rechtsmittelbelehrung veranlasste Anrufung des Oberverwaltungsgerichts von Bedeutung sein.

Vgl. Redeker/von Oertzen VwGO, 13. Auflage, § 17 b GVG im Anhang zu § 41 VwGO, Rdnr. 20, ungeachtet der Normierung des § 17 b II 2 GVG, wonach der Kläger die Mehrkosten trägt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.