Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes – 12 K 117/04.A – wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Antragsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren im zweiten Rechtszug wird abgelehnt.

Gründe

Dem Antrag des im Jahre 2002 in die Bundesrepublik Deutschland eingereisten Klägers, der Staatsangehöriger der russischen Föderation tschetschenischer Volkszugehörigkeit ist, auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom 18.3.2005, mit dem das Verwaltungsgericht seine Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Bestehens von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 1 bis 7 AufenthaltsG abgewiesen hat, kann nicht entsprochen werden.

Das Vorbringen des Klägers in der Begründung seines Zulassungsantrages, das den gerichtlichen Prüfungsumfang in dem vorliegenden Verfahren begrenzt, rechtfertigt nicht die erstrebte Berufungszulassung wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG).

Soweit der Kläger die Frage als grundsätzlich bedeutsam aufwirft, ob tschetschenische Volkszugehörige als solche in der russischen Föderation einer Verfolgung ausgesetzt sind, ist diese Frage in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes geklärt,

hierzu Entscheidungen vom 23.6.2005 – 2 R 4/04 -, 2 R 17/03 -, - 2 R 16/03 - und - 2 R 11/03 – sowie vom 21.4.2005 – 2 Q 46/04 -.

Dort ist ausgeführt, dass eine landesweite Kollektivverfolgung aller tschetschenischen Volkszugehörigen im (gesamten) Staatsgebiet der Russischen Föderation bei Anlegung der hierzu in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten strengen Maßstäbe ungeachtet der sich im Gefolge von Terroranschlägen in der jüngeren Vergangenheit verschärfenden Spannungen und Vorbehalte nicht festgestellt werden kann. Insofern lasse sich nach dem vorliegenden Auskunftsmaterial weder ein staatliches (russisches) Verfolgungsprogramm mit dem Ziel einer physischen Vernichtung und/oder der gewaltsamen Vertreibung aller Tschetschenen aus dem Staatsgebiet nachweisen, noch ließen bekannt gewordene Einzelverfolgungsmaßnahmen mit Blick auf die zahlenmäßige Größe der die bei weitem größte der im Nordkaukasus beheimateten Ethnien stellenden Volksgruppe der Tschetschenen die Feststellung einer die Annahme einer landesweiten Gruppenverfolgung gebietenden Verfolgungsdichte zu.

Ob bezogen auf das Territorium von Tschetschenien das Vorliegen der genannten Voraussetzungen für die Annahme einer „regionalen Gruppenverfolgung“ anzunehmen ist, bleibt in den zitierten Entscheidungen offen. Selbst bei Anlegung des in der Rechtsprechung für die Fälle der so genannten Vorverfolgung im Heimatland entwickelten „herabgestuften“ Prognosemaßstabs für die Feststellung einer Rückkehrgefährdung stehe aber nach der o.g. Rechtsprechung den aus Tschetschenien stammenden Bürgern der Russischen Föderation russischer Volkzugehörigkeit aber auch ethnischen Tschetschenen in anderen Regionen der Russischen Föderation eine auch unter wirtschaftlichen Aspekten zumutbare für die Betroffenen tatsächlich erreichbare inländische Fluchtalternative zur Verfügung, die mit Blick auf den im Flüchtlingsrecht geltenden Grundsatz der Subsidiarität des Schutze vor politischer Verfolgung im Zufluchtsstaat, hier in der Bundesrepublik Deutschland, einen Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthaltsG ausschließe.

Auch die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthaltsG könnten nicht angenommen werden. Insoweit sei, was die Geltendmachung einer Gefährdung durch die allgemeine wirtschaftliche Versorgungslage angehe, zusätzlich die vom Bundesgesetzgeber beibehaltene Sperrwirkung nach den §§ 60 Abs. 7 Satz 2, 60a AufenthaltsG für die Berücksichtigungsfähigkeit von so genannten Allgemeingefahren für die Bevölkerung oder auch nur Bevölkerungsgruppen im Herkunftsstaat zu beachten. Darüber hinausgehende humanitäre Gesichtspunkte, wie sie beispielsweise den Empfehlungen verschiedener Menschenrechtsgruppen, gegenwärtig auf eine Rückführung von tschetschenischen Volkszugehörigen in die Russische Föderation zu verzichten, zugrunde lägen, habe der Bundesgesetzgeber danach auch am Maßstab des Verfassungsrechts in zulässiger Weise den hierfür zuständigen politischen Entscheidungsträgern überantwortet.

Der mittlerweile für das Herkunftsland des Klägers zuständig gewordene 3. Senat schließt sich, da durchgreifende gegenteilige Erkenntnisse bislang nicht vorliegen, dieser überzeugend begründeten Auffassung an. Der Durchführung eines weiteren Berufungsverfahrens vor dem OVG des Saarlandes zur Klärung der bezeichneten Grundsatzfrage bedarf es mithin nicht.

Soweit der Kläger meint, es sei grundsätzlich klärungsbedürftig, ob frühere Angehörige der Sicherheitskräfte der tschetschenischen Republik Itschkerija einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sind, rechtfertigt dies ebenfalls die begehrte Rechtsmittelzulassung nicht. Denn das Verwaltungsgericht hat die Abweisung des Begehrens des Klägers in erster Linie darauf gestützt, dass dessen Vortrag wegen nicht nachvollziehbarer und sich in wesentlicher Hinsicht widersprechender Angaben im Verwaltungs- und Klageverfahren unglaubhaft sei und dies im Einzelnen, teilweise unter Bezugnahme auf diesbezügliche Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 20.4.2004 dargelegt. Es gelangt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass dem Kläger, der sein Amt als einfacher Polizist bereits 3 Jahre vor der Ausreise aufgegeben habe, das mit Blick auf seine Gefährdung wegen Polizeidiensttätigkeit vorgetragene Verfolgungsschicksal nicht abgenommen werden kann.

Hiervon ausgehend stellt sich die von dem Kläger als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage bereits deshalb nicht, weil sie von dem insoweit maßgeblichen rechtlichen Ansatz des Verwaltungsgerichts her nicht entscheidungserheblich ist

vgl. zum Beispiel Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage, § 78 AsylVfG Rdnr. 16; Marx, AsylVfG, 6. Auflage 2005, § 78 Rdnr. 153; Gemeinschaftskommentar zum AsylVfG, § 78 Rdnr. 153 m.w.N. 169; siehe etwa auch Beschluss des Senats vom 5.5.2006 – 3 Q 22/06 -.

Von einer weiteren Begründung der Nichtzulassungsentscheidung wird abgesehen (§ 78 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG).

Für die erstrebte Rechtsmittelzulassung ist nach allem kein Raum.

Aus vorstehendem ergibt sich, dass die beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren mangels hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung zu versagen (§§ 166 VwGO, 114 ZPO) ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83 b AsylVfG.

Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 29. Mai 2006 - 3 Q 1/06 zitiert 4 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 166


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 30 Gegenstandswert in gerichtlichen Verfahren nach dem Asylgesetz


(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselb

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Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 05. Mai 2006 - 3 Q 22/06

bei uns veröffentlicht am 05.05.2006

Tenor Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. September 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes – 11 K 9/05.A – wird zurückgewiesen. Die außergerichtlichen Kost

Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Urteil, 23. Juni 2005 - 2 R 4/04

bei uns veröffentlicht am 23.06.2005

Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger. Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand Der Kläge

Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Urteil, 23. Juni 2005 - 2 R 17/03

bei uns veröffentlicht am 23.06.2005

Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger. Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand Die eige

Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Urteil, 23. Juni 2005 - 2 R 16/03

bei uns veröffentlicht am 23.06.2005

Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger. Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand Die mite

Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Urteil, 23. Juni 2005 - 2 R 11/03

bei uns veröffentlicht am 23.06.2005

Tenor Die Berufungen werden zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger. Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand Die
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 29. Mai 2006 - 3 Q 1/06.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 15. Feb. 2012 - A 3 S 1876/09

bei uns veröffentlicht am 15.02.2012

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25. August 2004 - A 18 K 11963/04 - wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtliche

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 13. Feb. 2007 - A 11 K 11805/05

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Tenor 1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28.10.2005 wird aufgehoben, soweit mit ihm nicht der Antrag der Klägerin auf Anerkennung als Asylberechtigte abgelehnt wird. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass d

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 13. Feb. 2007 - A 11 K 11438/05

bei uns veröffentlicht am 13.02.2007

Tenor 1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 31.08.2005 wird aufgehoben, soweit mit ihm nicht der Antrag der Klägerin auf Anerkennung als Asylberechtigte abgelehnt wird. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass d

Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 29. Juni 2006 - 3 Q 2/06; 2 Q 9/05

bei uns veröffentlicht am 29.06.2006

Tenor Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 12 K 185/04.A - wird zurückgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten d

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Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist ein am 8.6.2003 in Deutschland geborener Sohn der nach ihren Angaben aus Tschetschenien stammenden russischen Staatsangehörigen A. J. und A J., die im Jahre 2000 gemeinsam mit dem weiteren Kind K. J. in die Bundesrepublik Deutschland einreisten. Das von diesen eingeleitete Flüchtlingsanerkennungsbegehren ist Gegenstand eines beim Senat anhängigen gesonderten Berufungsverfahrens.

Einen am 23.6.2003 für den Kläger gestellten Asylantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.6.2003 ab. Gleichzeitig wurde das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG verneint und der Kläger wurde zur Ausreise binnen eines Monats aufgefordert. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde ihm seine Abschiebung in die Russische Föderation oder einen anderen zur Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat angedroht. In dem Ablehnungsbescheid heißt es unter anderem, der Kläger teile asylrechtlich das Schicksal seiner Eltern.

Die Entscheidung wurde dem Kläger am 27.6.2003 zugestellt; mit Eingang am 8.7.2003 hat er Klage erhoben, mit der er sein Asylanerkennungsbegehren in vollem Umfang weiter verfolgt hat. Der Kläger hat auf das Vorbringen der Eltern in deren Verfahren Bezug genommen und beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 25.6.2003 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen sowie festzustellen, dass hinsichtlich der Russische Föderation die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen,

hilfsweise,

festzustellen, dass Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG hinsichtlich der Russischen Föderation vorliegen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beteiligte hat sich erstinstanzlich nicht geäußert.

Mit Urteil vom 19.3.2004 - 12 K 111/03.A - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es, der Kläger habe nicht glaubhaft machen können, dass er sich aus Furcht vor politischer Verfolgung außerhalb der Russischen Föderation aufhalte oder befürchten müsse, im Falle seiner „Rückkehr“ dorthin gegenwärtig oder in absehbarer Zeit politisch verfolgt zu werden. Wegen des von den Eltern vorgetragen Verfolgungsschicksals habe der Kläger schon deshalb keine als politisch zu qualifizierenden Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten, weil die Eltern in ihrem Verfahren eine eigene Gefährdung weder mit Blick auf die insoweit behauptete Unterstützung tschetschenischer Rebellen noch allein wegen einer tschetschenischen Volkszugehörigkeit hätten glaubhaft machen können. Insoweit wurde auf das im Verfahren der Eltern ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Bezug genommen. An der darin vorgenommenen Lageeinschätzung sei aktuell festzuhalten. Auch derzeit seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Kläger wegen der von den Eltern geltend gemachten Asylgründe oder in Anknüpfung allein an eine tschetschenische Volkszugehörigkeit bei einer Rückkehr in die Russische Föderation politisch motivierte Verfolgungsmaßnahmen zu erwarten hätte. Einer Abschiebung des Klägers in die Russische Föderation stünden auch keine Hindernisse im Sinne des § 53 AuslG entgegen.

Zur Begründung der zugelassenen Berufung wiederholt der Kläger sein bisheriges Vorbringen und trägt weiter vor, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts des Saarlandes bestehe – wie etwa das VG Schleswig aus seiner Sicht zutreffend entscheiden habe - keine inländische Fluchtalternative für Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens. Eine solche müsse auch tatsächlich für die Betroffenen auf legalem Weg erreichbar sein. Die Flüchtlinge aus Tschetschenien hätten jedoch nach den Erkenntnissen des VG Ansbach schon keine Möglichkeit, in diese anderen Gebiete zu gelangen. Russische Sicherheitskräfte hätten, wie sich aus dem Jahresbericht 2001 von amnesty international (ai) ergebe, Filtrationslager eingerichtet, in denen tschetschenische Flüchtlinge abgeschirmt und gefoltert werden sollten. In einer kritischen Stellungnahme dieser Organisation zu einem ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes vom 24.4.2001 werde ferner auf Kontrollen an der Grenze zu Inguschetien verwiesen, wo russische Sicherheitskräfte die Fluchtwilligen aus Tschetschenien nicht nur am Verlassen des Kampfgebiets hinderten, sondern an ihnen regelmäßig und willkürlich Menschenrechtsverletzungen verübten. Das Fehlen einer inländischen Fluchtalternative verdeutliche auch eine Stellungnahme der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Hieraus ergebe sich unter anderem, dass die Flüchtlingslager in Inguschetien und dort sonst bestehende Unterkunftsmöglichkeiten in einem katastrophalen Zustand seien. In der Russischen Föderation werde danach in über 50 % der Fälle eine Registrierung der Flüchtlinge verweigert. Das Nichtbestehen von Fluchtalternativen in der Russischen Föderation lasse sich ferner aus einem Schreiben der Deutsch-Kaukasischen Gesellschaft e.V. sowie aus der Stellungnahme von ai an das VG Ansbach, die sich mit der Situation der Flüchtlinge in Inguschetien und Dagestan auseinander setze, ersehen. Das am 1.1.1992 de jure abgeschaffte Propiska-System bestehe faktisch weiter und die verfassungsrechtlich verbürgte Freizügigkeit stehe nur auf dem Papier. Auch nach den Erkenntnissen des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) existierten inoffizielle Weisungen im Zusammenhang mit Registrierungen, die im Widerspruch zu den Gesetzen stünden. Auf der Straße komme es zu häufigen Kontrollen von Personen mit kaukasischem Aussehen, zu illegalen Festnahmen und manchmal zu Misshandlungen. In der russischen Bevölkerung bestehe ein tiefgründiger Hass gegen die schon zu Zeiten Stalins deportierten Tschetschenen, der durch die Kriegsereignisse nun verstärkt worden sei. Es gebe eine große Diskrepanz zwischen rechtlichen Reglungen über Menschen- und Bürgerrechte und der Praxis.

Der Annahme einer Fluchtalternative stehe auch entgegen, dass in Russland 40 % der Bevölkerung einkommensmäßig zum Teil erheblich unterhalb des Existenzminimums lebten, was bei Rückkehr ein Dahinvegetieren erwarten lasse. Der Verweis des Verwaltungsgerichts auf die illegale „Schattenwirtschaft“ sei ebenfalls rechtlich nicht haltbar. Die fehlenden Möglichkeiten einer Existenzsicherung begründeten nach Ansicht des VG Weimar zumindest Abschiebungshindernisse im Sinne des § 53 AuslG. Der UNCHR habe in einer Stellungnahme vom Januar 2002 dargelegt, dass nur sehr wenige Flüchtlinge aus Tschetschenien, meist tschetschenische Volkszugehörige, in Russland einen Flüchtlingsstatus erhielten. Die Ablehnungen seien damit begründet worden, dass es sich bei dem Vorgehen der russischen Einheiten in Tschetschenien um eine „Anti-Terror-Kampagne“ handele. Die Binnenvertriebenen, denen ein Flüchtlingsstatus eingeräumt worden sei, zumeist Russen, hätten sich auf Nachstellungen durch islamisch-fundamentalistische Gruppen berufen. In Inguschetien sei die soziale Infrastruktur dem Zustrom der Binnenflüchtlinge nicht mehr gewachsen. Zudem sei in den letzten Monaten eine Tendenz der Behörden der russischen Föderation zu verzeichnen, in Inguschetien direkt zu intervenieren. In Dagestan stehe man der Aufnahme weiterer Binnenvertriebener sehr zurückhaltend gegenüber. Die Republiken Dagestan, Kabardino-Balkarien und Karatschei-Tscherkessien seien selbst regelmäßig mit Spannungen zwischen verschiedenen Volksgruppen konfrontiert. Die Regionen Stawropol und Krasnoda seien mehrfach vom Verfassungsgerichtshof der Russischen Föderation wegen Verstößen gegen die Bestimmungen über die Freizügigkeit und die Wahl des Aufenthalts- und Wohnorts zur Verantwortung gezogen worden. In beiden Regionen gebe es ferner starke russisch-nationalistische Gefühle. Nur ethnische Russen hätten eine Chance, hier aufgenommen zu werden. In Nordossetien-Alanien, das mehrheitlich von christlich-russischen Osseten bewohnt sei und sich in einer wirtschaftlich trostlosen Lage befinde, seien es restriktive örtliche Verwaltungspraktiken, die tschetschenischen Binnenvertriebenen den Aufenthalt unmöglich machten. Zwar gebe es unbestritten in Moskau 100.000 Tschetschenen. Das habe aber nichts mit der Frage zu tun, ob dort tschetschenische Flüchtlinge ihren Wohnsitz nehmen könnten. Tschetschenische Binnenvertriebene seien ferner zurückhaltend, sich in Gebiete zu begeben, in denen es keine ortsansässige tschetschenische Gemeinde gebe, bei der sie notfalls Unterkunft finden könnten. Berichten zufolge habe das Innenministerium der Föderation im November 1999 eine nicht öffentliche Weisung ausgegeben, Binnenvertriebenen aus Tschetschenien keine Identitätsdokumente auszustellen. In vielen Regionen Russlands sähen sich Tschetschenen mit polizeilichen Schikanen größeren Ausmaßes konfrontiert. Nach Erkenntnissen der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGfM) gebe es eine zentrale Tschetschenenkartei in Russland. Vor dem Hintergrund gingen die Verwaltungsgerichte in Schleswig und in Neustadt/Weinstraße vom Fehlen einer inländischen Fluchtalternative für tschetschenische Flüchtlinge aus.

Danach werde das Registrierungswesen als Hauptinstrument gegen die Flüchtlinge eingesetzt, das in verschiedenen Gebieten Russlands durch zusätzliche Verordnungen verschärft werde. Das wohl ausschlaggebende Instrument sei ein interner Befehl des Innenministeriums vom 17.9.1999 über Anti-Terror-Maßnahmen, wonach unter anderem für Personen tschetschenischer Volkszugehörigkeit in Moskau und anderen Städten die polizeiliche Anmeldung nach Möglichkeit eingestellt werden soll und besondere Aufsichts- und Überwachungsmaßnahmen eingeführt werden sollen. Auf dieser Grundlage würden unter dem Vorwand der Ausweiskontrolle durch russische Milizen gezielt Tschetschenen verfolgt. Angesichts der anti-tschetschenischen Hetze werde es für Tschetschenen zunehmend schwerer, in der Anonymität von Großstädten illegal eine Bleibe zu finden. In der Gesamtschau unterlägen Tschetschenen daher einer nicht nur theoretischen Gefahr, Opfer asylrelevanter Übergriffe zu werden. Nach Ansicht des VG Neustadt/Weinstraße könnten die Flüchtlinge aus Tschetschenien zwar in einer Vielzahl von Fällen in den großen Städten Russlands illegal leben und das Lebensnotwendige verdienen. Darauf könnten sie indes rechtlich nicht verwiesen werden. Orte, an denen ein legaler Aufenthalt möglich sei, könnten zwar existieren, seien aber von den Auskunftsstellen nicht konkret benannten worden. Die Suche danach sei daher letztlich mit einem unkalkulierbaren und unzumutbaren Risiko verbunden. Auch amnesty international gehe allgemein von einer fehlenden Rückkehrmöglichkeit in die russische Föderation aus, da es praktisch in allen Teilen Russlands zu Übergriffen komme. Nach der Moskauer Geiselnahme vom 23. bis 26.10.2002 sei es auch an den wenigen davor als Fluchtalternative in Betracht kommenden Orten für tschetschenische Flüchtlinge nicht mehr möglich, sich niederzulassen. Soweit das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung eine Auskunft des Auswärtigen Amts zu Grunde gelegt habe, so sei diese gerade dann „nichts sagend“, wenn konkrete Angaben verlangt würden, beziehungsweise widersprüchlich, soweit es um die Frage anderweitiger Niederlassungsmöglichkeiten für Tschetschenen gehe. Zur Frage der Übergriffe gegen Tschetschenen würden lediglich Behauptungen aufgestellt. Nach den Attentaten von Beslan und vor einer Metro-Station in Moskau sowie auf zwei entführte Flugzeuge müsse davon ausgegangen werden, dass sich die Situation tschetschenischer Flüchtlinge in Russland weiter verschlechtert habe.

Der Kläger beantragt,

unter die Beklagte Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 19.3.2004 - 12 K 111/03.A – sowie unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheids vom 25.6.2003 zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich einer Abschiebung in die Russische Föderation vorliegen,

hilfsweise,

dass einer Abschiebung in die Russische Föderation Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 8 und 10 AufenthG entgegenstehen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Der Beteiligte hat sich auch im Rechtsmittelverfahren nicht geäußert.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der zugehörigen Verwaltungsunterlagen und der im Sitzungsprotokoll sowie in der Anlage dazu genannten Auszüge aus der bei Gericht geführten Dokumentation „Russische Föderation“ verwiesen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Sache konnte verhandelt und entschieden werden, obwohl der Beteiligte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Die an ihn gerichtete ordnungsgemäße Ladung war mit einem dem § 102 Abs. 2 VwGO entsprechenden Hinweis versehen.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten (Bundesamt) vom 25.6.2003 zu Recht abgewiesen. Diese Verwaltungsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat sowohl die Anforderungen des Art. 16a GG wie auch die in der an den Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention (GK) angelehnten Vorschrift des § 60 Abs. 1 AufenthG genannten tatsächlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot im Falle des Klägers in dem angegriffenen Urteil zutreffend verneint; sie liegen auch aus heutiger Sicht (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) nicht vor.

Eine von den Eltern abgeleitete Berechtigung in Form des Familienasyls (§ 26 Abs. 1, 2 AsylVfG) kommt ebenso wenig in Betracht wie ein durch den zum 1.1.2005 in Kraft getretenen § 26 Abs. 4 AsylVfG n.F. erstmals vom Bundesgesetzgeber normierter Anspruch auf Familienabschiebungsschutz. Der erstgenannte Anspruch scheitert bereits daran, dass die Eltern des Klägers auf dem Landweg über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind, deshalb schon mit Blick auf die so genannte Drittstaatenregelung (Art. 16a Abs. 2 GG, § 26 a AsylVfG) von vorneherein aus dem Kreis potentiell Asylberechtigter ausgeschieden sind und von daher konsequent ihr von der Beklagten durch Bescheid vom 8.6.2001 abgelehntes Asylverlangen im Klageverfahren auch nicht mehr weiter verfolgt haben. Eine abgeleitete Flüchtlingsberechtigung kommt nicht Betracht, da die Eltern des Klägers keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für einen Abschiebungsschutz (§ 60 Abs. 1 AufenthG) in ihrem Falle haben. Insoweit kann auf das in deren Verfahren ergangene Berufungsurteil des Senats vom heutigen Tag – 2 R 17/03 – Bezug genommen werden. Vor diesem Hintergrund bedarf es im vorliegenden Fall keiner Befassung mit der Frage, welche prozessualen Konsequenzen das vom Gesetzgeber auch in dem Zusammenhang – aus gutem Grund – tatbestandlich geforderte Merkmal der Unanfechtbarkeit der Anerkennung des Stammberechtigten für das Verfahren des potentiell Ableitungsberechtigten vor der Unanfechtbarkeit hat.

Da der in Deutschland geborene Kläger selbst jedenfalls vom Wortlaut der Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a AsylVfG nicht unter die Drittstaatenklausel fällt, steht die zuvor genannte Regelung über die sicheren Drittstaaten seinem Begehren auf Anerkennung als Asylberechtigter jedenfalls nicht entgegen. Dieses kann indes – wie das Verlangen auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG – in der Sache keinen Erfolg haben. Dem Kläger steht weder Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) noch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des inzwischen an die Stelle des ehemaligen ausländergesetzlichen Abschiebungsverbots getretenen § 60 Abs. 1 AufenthG zu. Die für beide Anspruchsgrundlagen gleicher Maßen tatbestandlich zu fordernde Gefahr einer politischen Verfolgung des in Deutschland geborenen Klägers, der bisher ersichtlich nie in Russland gewesen ist, im Falle einer Rückführung in sein Heimatland besteht nicht.

Der Kläger wäre bei einer Rückkehr in die Russische Föderation nicht wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder, was angesichts seines Alters hier ein ohnehin nicht realistischer Ansatz ist, wegen seiner politischen Überzeugungen durch eines der in § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannten potentiellen Verfolgungssubjekte an Leib und Leben bedroht. Mit Blick auf die bezüglich der Gefährdung als solche bestehende Deckungsgleichheit der Anforderungen scheidet ein im Übrigen an engere Voraussetzungen geknüpfter Anspruch auf Asylanerkennung (Art. 16a GG) ebenfalls aus.

In dem Zusammenhang mag dahinstehen, ob es sich bei dem inzwischen „verschwundenen“ Vater des Klägers, dessen Mutter ethnische Russin ist, entsprechend seinen Behauptungen überhaupt um einen tschetschenischen Volkszugehörigen handelt. Die Richtigkeit dieser Behauptung kann auch vorliegend unterstellt werden, da es hierauf für das Ergebnis des Berufungsverfahrens nicht entscheidend ankommt. Die Erfolglosigkeit der Anerkennungsbegehren des Klägers (Art. 16a GG, § 60 Abs. 1 AufenthG) ergibt sich selbst dann, wenn – noch weitergehend – prozessbezogen „zu Gunsten“ des Klägers angenommen wird, dass dieser, was seine Mutter in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf den „typischen“ Namen des Klägers reklamiert hat, im Fall der Rückführung von Seiten der russischen Behörden und Sicherheitskräfte im Wege der ethnischen Fremdzuschreibung als Tschetschene „wahrgenommen“ und als solcher behandelt würde.

Selbst für tschetschenische Volkszugehörige besteht im Falle der Rückkehr eine sowohl die Asylberechtigung als auch die Voraussetzungen des §60 Abs. 1 AufenthG nach dem in beiden Fällen zu beachtenden Subsidiaritätsgrundsatz ausschließende inländische Fluchtalternative in der Russischen Föderation.

Nicht anzunehmen ist zunächst eine Verfolgung aller tschetschenischen Volkszugehörigen im (gesamten) Staatsgebiet der Russischen Föderation. Das vorhandene Auskunftsmaterial rechtfertigt bei Anlegung der hierzu in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten strengen Maßstäbe nicht die Feststellung einer landesweiten Gruppenverfolgung. Ungeachtet des im Gefolge der Kriegsereignisse in Tschetschenien insbesondere seit dem Jahre 1999 erneut zugespitzten, bekanntermaßen sehr angespannten Verhältnisses zwischen der (ethnisch) russischen Bevölkerung und den im Kaukasus beheimateten Volksgruppen, insbesondere den Tschetschenen, kann mit dem vorliegenden Auskunftsmaterial weder ein staatliches (russisches) Verfolgungsprogramm mit dem Ziel einer physischen Vernichtung und/oder der gewaltsamen Vertreibung aller Tschetschenen aus dem Staatsgebiet nachgewiesen werden, noch lassen bekannt gewordene Einzelverfolgungsmaßnahmen mit Blick auf die zahlenmäßige Größe der die bei weitem größte der im Nordkaukasus beheimateten Ethnien stellenden Tschetschenen die Feststellung einer die Annahme einer landesweiten Gruppenverfolgung gebietenden Verfolgungsdichte zu. Weder Anzahl noch Intensität der für die sonstigen Bereiche der Russischen Föderation bekannt gewordenen Übergriffe gegen Personen tschetschenischer Volkszugehörigkeit sind mit den gezielten Angriffen auf Leib und Leben der Zivilbevölkerung in Tschetschenien selbst vergleichbar.

Weniger klar erscheint die Beantwortung der Frage, ob bezogen auf das Territorium von Tschetschenien, wo die Eltern des Klägers nach ihren Angaben bis zu ihrer Ausreise im Jahre 2000 gelebt haben, bei einer auf dieses Gebiet beschränkten Betrachtung das Vorliegen der Voraussetzungen für die Annahme einer Gruppenverfolgung bejaht werden muss. Hierfür mag es trotz anders lautender obergerichtlicher Entscheidungen aus jüngerer Vergangenheit insbesondere seit Beginn der erneuten, von der russischen Führung als „antiterroristische Operation“ bezeichneten militärischen Auseinandersetzungen ab Ende 1999, die nach weitgehender „Zurückeroberung“ des tschetschenischen Territoriums durch russisches Militär in einen bis heute, also auch nach dem Abschluss der offenen kriegerischen Auseinandersetzungen im Jahre 2003, andauernden Guerilla-Krieg mündeten, Anhaltspunkte geben. Diese Beurteilung wird insbesondere dadurch erschwert, dass sich die von russischer Seite als „innere Angelegenheit“ betrachtete, gemeinhin als Zweiter Tschetschenienkrieg bezeichnete und unstreitig mit regelmäßig äußerst grausamen Maßnahmen der Sicherheitskräfte gegenüber der Zivilbevölkerung Tschetscheniens (sog. „Säuberungsaktionen“) einhergehende Vorgehensweise weitgehend „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ vollzieht. Die Bestimmung eines aus der Relation der Zahl der potentiell Betroffenen und der Zahl der dokumentierten Übergriffe zu ermittelnden individuellen Gefährdungspotentials ist von daher nur schwer möglich. Einigkeit besteht aber allgemein darüber, dass die Menschenrechtslage in Tschetschenien bis heute ungeachtet anders lautender offizieller regierungsseitiger Verlautbarungen für die von einer Vielzahl von Rechtsverletzungen in Form von willkürlichen Verhaftungen, Entführungen, „Verschwinden“, Misshandlungen, Vergewaltigungen und Ausraubungen betroffene Zivilbevölkerung der Region als „äußerst besorgniserregend“ bezeichnet werden muss. Ob die Vorgänge und Verhältnisse die Annahme einer begrenzten Kollektivverfolgung (aller) Tschetschenen in ihrer Heimatregion rechtfertigen, kann im Ergebnis für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits allerdings auch dahinstehen.

Selbst wenn man insoweit das Vorliegen einer „regionalen Gruppenverfolgung“ ethnischer Tschetschenen im Sinne der angesprochenen höchstrichterlichen Rechtsprechung seit dem Ausbruch des die vorherige faktische Autonomie Tschetscheniens beendenden Zweiten Tschetschenienkrieges (1999) unter weiterer Hintanstellung der Frage des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative für Tschetschenen schon bei Ausbruch der Kampfhandlungen – unterstellt und mithin im Fall des Klägers, der notwendigerweise selbst nie einer Verfolgung durch den russischen Staat unterlegen haben kann, entsprechend den Grundsätzen über einen nachträglichen Verfolgungseintritt („objektive Nachfluchtgründe“) den für die Konstellation der Vorverfolgung im Asyl- und Flüchtlingsrecht geltenden „herabgestuften“ Prognosemaß für die Feststellung einer Rückkehrgefährdung im Verständnis des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zugrunde legt, so könnten seine Anerkennungsbegehren keinen Erfolg haben. Dem Kläger stünde in diesem Fall, wie das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Urteil zutreffend und in Übereinstimmung mit der insoweit ersichtlich einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung entschieden hat, zumindest eine inländische Fluchtalternative in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens zur Verfügung. Der Kläger wäre im Falle eines Aufenthalts in der Russischen Föderation ungeachtet seiner Volkszugehörigkeit zum einen „hinreichend sicher“ vor politischer Verfolgung und hätte zum anderen dort auch „grundsätzlich die Möglichkeit zum Überleben“. Dies schließt mit Blick auf den im Flüchtlingsrecht geltenden Grundsatz der Subsidiarität des Schutzes vor politischer Verfolgung im Zufluchtsstaat, hier in der Bundesrepublik Deutschland, den geltend gemachten Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG aus.

Dabei mag es zutreffen, dass – wie der Kläger behauptet und wofür nach den vorliegenden Dokumenten einiges spricht – bestimmte territoriale Einheiten des Föderationsgebiets, speziell etwa das nach der „Wahl“ des moskautreuen Regierungschefs Sjasikow durch einen Politikwechsel in der Behandlung tschetschenischer Flüchtlinge gekennzeichnete und auch wirtschaftlich allenfalls noch begrenzt aufnahmefähige Inguschetien, im gegenwärtigen Zeitpunkt keine zumutbare Fluchtalternative für Tschetschenen (mehr) bieten. Ob das in dieser Allgemeinheit auch für die von dem Kläger im Berufungsverfahren unter Hinweis auf Erkenntnisse des UNHCR angeführten weiteren Regionen der Russischen Föderation, etwa Kabardino-Balkarien, Dagestan, Karatschei-Tscherkessien, Stawropol und Krasnodar sowie für Nordossetien-Alanien gilt, ist nach den vorgetragenen Gründen zumindest zweifelhaft, bedarf aber hier keiner abschließenden Beurteilung. Bei diesen Regionen handelt es sich – zusammen gesehen – allenfalls um einen kleineren Teil des Territoriums der Russischen Föderation und nach Überzeugung des Senats ist jedenfalls davon auszugehen, dass in den verbleibenden Gebieten eine Gefährdung des Klägers oder allgemein in das Heimatland zurückkehrender tschetschenischer Volkszugehöriger zwar nicht mit Sicherheit, aber doch jedenfalls mit einem so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass selbst bei der unterstellten Anwendbarkeit des aus Sicht des Klägers günstigen (herabgestuften) Prognosemaßstabs die Rückkehrer jedenfalls „hinreichend sicher“ sind.

Das gilt auch, wenn man – wovon alle Quellen übereinstimmend, wenngleich in unterschiedlichen Ausmaßen, berichten - davon ausgeht, dass das in der Verfassung der Russischen Föderation garantierte Recht auf Freizügigkeit, insbesondere hinsichtlich der Wahl des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthaltsortes, in der Praxis ungeachtet der 1993 durch das so genannte Föderationsgesetz eingeführten vereinfachten Registrierungsmöglichkeiten an zahlreichen Orten der Russischen Föderation nicht gleichermaßen uneingeschränkt in Anspruch genommen werden kann, und der Zuzug von Vertriebenen des Tschetschenienkriegs – auch wegen Ressentiments gegen Personen kaukasischer Herkunft – jedenfalls was eine an den Wohnsitznachweis geknüpfte Dauerregistrierung angeht, stark erschwert wird. Nach Überzeugung des Senats lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass es tschetschenischen Volkszugehörigen außerhalb der zuvor erwähnten „Problemzonen“ in der Russischen Föderation „flächendeckend“ nicht möglich wäre, unter Inanspruchnahme der geschilderten rechtlichen Garantien in der ein oder anderen Weise einen gesicherten Aufenthalt zu begründen. In dem Zusammenhang hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23.6.2005 zu Recht darauf hingewiesen, dass insbesondere die Menschenrechtsorganisation MEMORIAL an vielen Orten der Russischen Föderation eine Vielzahl von Unterstützungsstellen für betroffene Binnenflüchtlinge insbesondere aus Tschetschenien unterhält, mit deren Hilfe auch in einer Reihe von Fällen willkürlicher behördlicher Verweigerung der Aufenthaltsberechtigung erfolgreich entgegengetreten werden konnte. Die teilweise rechtswidrigen behördlichen Praktiken in bestimmten Teilen Russlands sind ferner mehrfach von Seiten des russischen Menschenrechtsbeauftragten und durch das Oberste Verfassungsgericht Russlands im Rahmen von Entscheidungen zugunsten registrierungswilliger Bürger beanstandet worden.

Das belegt allein die unstreitig in die Hunderttausende gehende Zahl der in der Russischen Föderation dauerhaft verbliebenen Binnenflüchtlinge aus Tschetschenien, von denen trotz einer allgemeinen politischen Zielsetzung, die Rückkehr nach Tschetschenien zu befördern, nicht bekannt ist, dass sie, sieht man einmal von dem Sonderfall der Nachbarrepublik Inguschetien ab, derart drangsaliert oder unter Druck gesetzt würden, dass ein Verbleib an den jeweiligen Zufluchtsorten in nennenswerter Zahl zwangsweise beendet würde. Glaubhaften Berichten zufolge hält sich gegenwärtig nur noch ein Drittel der ehemaligen Bevölkerung in Tschetschenien auf; der Rest ist geflohen und lebt überwiegend in anderen Gebieten der Russischen Föderation, davon etwa 50.000 allein in der Region Wolga. Dem steht ganz offenbar auch eine in weiten Teilen der Föderation ansiedlungsfeindliche Anwendung des neuen Registrierungsinstrumentariums in gesetzlich gerade nicht (mehr) vorgesehener Anwendung der früheren Praxis in der Sowjetunion nicht entgegen. Angesichts der vielfachen Verweise auf einen jeweils nicht registrierten Aufenthalt von Tschetschenen in Gebieten der Russischen Föderation muss aber auch davon ausgegangen werden, dass die Betroffenen in vielen Fällen, möglicherweise mit Blick auf die historischen Dimensionen des Konflikts zwischen Russen und Kaukasiern durchaus verständlich, wenn sie eine „Bleibe“ beispielsweise bei Bekannten und Verwandten oder auch nur in einem von Kaukasiern geprägten Umfeld gefunden haben, wenig Neigung zeigen, den Kontakt mit staatlich-russischen Stellen zu suchen.

Das Gesagte gilt allem Anschein nach sogar für die – letztlich wohl aus wirtschaftlichen Gründen – nicht nur gegenüber tschetschenischen Volkszugehörigen, sondern allgemein „zuzugsfeindlichen“ russischen Großstädte Moskau und St. Petersburg, bei denen es sich um die Wirtschaftsmetropolen des Landes mit allen unter wirtschaftlich angespannten Verhältnissen üblichen – positiven wie negativen – Begleiterscheinungen handelt, jedenfalls aber – und schon das schließt den Anerkennungsanspruch aus - für die eher ländlich geprägten („unproblematischen“) Bereiche des Territoriums der Russischen Föderation. Nicht einmal die in ihren Stellungnahmen bekanntermaßen nicht „flüchtlingsfeindlichen“ Menschenrechtsorganisationen gehen von einer „flächendeckenden“ Verweigerung der Aufenthalts- oder Niederlassungsberechtigung bei Tschetschenen aus. Des ungeachtet war es beispielsweise den Klägern des am selben Tag verhandelten, insofern gleich gelagerten Parallelverfahrens 2 R 16/03 nach deren eigenem Vorbringen sogar in Moskau, wo unstreitig eine große Zahl ethnischer Tschetschenen lebt, möglich, über zwei Jahre hinweg Unterkunft und ein den Lebensunterhalt sicherstellendes wirtschaftliches Auskommen zu finden.

Der von dem Kläger schriftsätzlich angesprochene, angeblich im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausbruch des zweiten Tschetschenienkriegs beziehungsweise der Inangriffnahme der antiterroristischen Operationen in der Region ergangene „Befehl“ Nr. 541 des früheren russischen Innenministers Ruschajlo vom 17.9.1999 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Nach der Erkenntnislage muss mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesem „Befehl“ um eine Fälschung handelt.

Eine Unzumutbarkeit der Verweisung des Klägers auf eine inländische Fluchtalternative lässt sich auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass es insbesondere in Moskau und in anderen Großstädten Russlands, die aufgrund ihrer Struktur für terroristische Aktivitäten besonders sensible Bereiche und „anfällige Ziele“ darstellen, gegenüber Personen kaukasischer Herkunft vergleichsweise vermehrt zu Personenkontrollen und, gerade bei fehlender Legitimierung, zu weitergehenden polizeilichen Maßnahmen kommt. Auch unter rechtsstaatlichen Aspekten müssen es selbst ansonsten individuell zunächst „unverdächtige“ Personen, die einer abgrenzbaren Gruppe angehören, von der im Vergleich zu anderen Bevölkerungskreisen eine erhebliche erhöhte Gefährdung für die Gesamtbevölkerung ausgeht, hinnehmen, dass sie in statistisch vermehrtem Maße im Interesse der Sicherheit aller Staatsbürger Kontrollen und Untersuchungen mit den damit verbundenen polizeilichen Eingriffsmaßnahmen, etwa erkennungsdienstlicher Behandlung, unterzogen werden. Dass es allgemein auch in Russland eine überproportional hohe Verflechtung von Tschetschenen mit der organisierten Schwerkriminalität gibt und dass insbesondere durch Angehörige dieses Volkes unter Berufung auf ein angebliches Recht zum „Gegenterror“ schwerste Terrorakte mit einer Vielzahl unschuldiger Opfer unter der Zivilbevölkerung begangen wurden, ist bekannt. Davon ausgehend ist es jedem Staat nicht nur zuzugestehen, sondern es erscheint aus Gründen der inneren Sicherheit geradezu angezeigt, diesen Personenkreis durch seine Sicherheitskräfte „im Auge zu behalten“. Jedenfalls nicht gerechtfertigt erscheint es, in dem Zusammenhang pauschal vom „Wohnungsdurchsuchungen aus rassistischen Gründen“ zu sprechen. Dass es bezogen auf die erwähnt große Zahl der in den als Fluchtalternative in Betracht kommenden Gebieten in der Russischen Föderation lebenden Tschetschenen ausweislich der Dokumentation in Einzelfällen zu Übergriffen von Sicherheitskräften gegenüber den Betroffenen und auch zu einer Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas mit der Folge spontaner Aktionen aus der russischen Bevölkerung heraus gegenüber unschuldigen Tschetschenen gekommen ist, soll hier nicht gerechtfertigt werden, lässt aber andererseits insbesondere auch vor dem Hintergrund der Neuregelung hinsichtlich potentieller Verfolgungssubjekte in § 60 Abs. 1 Satz 4 lit. c AufenthG nicht den Schluss zu, dass für jeden einzelnen tschetschenischen Rückkehrer eine landesweit beachtlich wahrscheinliche und nicht durch staatliche Sicherheitskräfte zu beherrschende Gefährdung bestünde, Opfer einer solchen Maßnahme zu werden. Dass es sich bezogen auf einen Terrorismusverdacht und mögliche Personenkontrollen speziell im Falle des Klägers mit Blick auf dessen Lebensalter individuell um ein allenfalls theoretisches Problem handelt, liegt auf der Hand.

Auch die wirtschaftlichen Zumutbarkeitskriterien für die Annahme einer gegenüber dem Flüchtlingsschutz im Aufnahmeland vorrangigen inländischen Fluchtalternative sind gegeben. Dass die Rückkehrer keine einfachen, sondern unter vielen Aspekten schwierige Lebensverhältnisse vorfinden werden, ist, wie schon das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, nicht in Abrede zu stellen. Es findet sich in der Dokumentation kein Bericht darüber, dass es in den nach Auffassung des Senats als solche in Betracht kommenden Bereichen der Russischen Föderation, in denen insgesamt Hunderttausende von vor den kriegerischen Auseinandersetzungen in Tschetschenien geflohenen oder auch bereits zuvor nach Russland umgezogenen Tschetschenen als Binnenflüchtlinge eine Bleibe gefunden haben, gerade unter diesem Personenkreis zu gravierenden Versorgungsengpässen oder gar zu personenübergreifenden Hungersnöten oder vergleichbaren überindividuellen humanitären Katastrophen gekommen wäre. Daher ist die grundsätzliche Möglichkeit zum Überleben zu bejahen und es spricht nichts Durchgreifendes für die Prognose, dass der Kläger im Rückkehrfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit an den alternativen Orten auf Dauer ein Leben unterhalb des Existenzminimums drohte, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tod führen könnte. Unter diesem Gesichtspunkt kommt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht darauf an, dass die mögliche Existenzsicherung unter Umständen – wie das bei einer Vielzahl von Bürgern der russischen Föderation der Fall ist – durch Betätigungen im Bereich der so genannten „Schattenwirtschaft“ bewerkstelligt wird. Hierbei ist davon auszugehen, dass der Kläger, bei dem es sich noch um ein Kleinkind handelt, auf absehbare Zeit allenfalls gemeinsam mit seinen Eltern in die Russische Föderation „zurückkehren“ wird.

Des ungeachtet erschiene ohnedies zweifelhaft, ob – gegebenenfalls – das Fehlen eines wirtschaftlichen Existenzminimums am Ort der inländischen Fluchtalternative im konkreten Fall angesichts der desolaten wirtschaftlichen Situation in der Heimatregion Tschetschenien bei Wegzug der Eltern des Klägers im Jahre 2000 und auch heute überhaupt als verfolgungsbedingt und – nur dann – erheblich für die rechtliche Beurteilung eingestuft werden könnte. Derartige am verfolgungssicheren Ort drohende, nicht durch eine politische Verfolgung bedingte Gefahren schließen diesen Ort als inländische Fluchtalternative nur aus, wenn eine gleichartige existenzielle Gefährdung am Herkunftsort nicht bestünde.

Dass der Kläger und seine Eltern die als Fluchtalternativen in Betracht kommenden Gebiete der russischen Föderation schließlich – was im Rechtssinne die Annahme einer den Anspruch aus § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ausschließenden inländischen Fluchtalternative voraussetzt – auch tatsächlich erreichen können, unterliegt aus Sicht des Senats ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Dabei kommt es hier nicht auf die von dem Kläger in dem Zusammenhang unter Hinweis auf die Einrichtung so genannter Filtrationslager thematisierten angeblich eingeschränkten Möglichkeiten an, aus Tschetschenien „herauszukommen“, was seinen Eltern jedenfalls offenbar ohne Schwierigkeiten gelungen ist. Entscheidend ist vielmehr die Frage einer nach den Modalitäten zumutbaren Einreisemöglichkeit in die Russische Föderation. Eine solche besteht grundsätzlich. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts konnte keiner der erhobenen Vorwürfe einer willkürlichen Freiheitsentziehung, Erpressung oder gar Misshandlung von in die Russische Föderation zurückkehrenden „unauffälligen“ tschetschenischen Volkszugehörigen verifiziert werden. Entgegenstehende Anhaltspunkte zeigt der Sachvortrag des Klägers nicht auf, wobei allgemein festzuhalten bleibt, dass ein bloßer Verweis auf fehlende Reisedokumente in dem Zusammenhang nicht ausreicht, da solche – die geschuldete Mitwirkung des Ausländers unterstellt – regelmäßig beschafft werden können. Für eine generelle und „standhafte“ Weigerung der russischen Stellen in Deutschland, eigenen Bürgern entgegen völkerrechtlichen Verpflichtungen die für die Wiedereinreise notwendigen Personaldokumente auszustellen, bestehen insbesondere mit Blick auf die in der Dokumentation befindlichen Berichte über erfolgreiche Rückführungen in die Russische Föderation keine durchgreifenden Anhaltspunkte.

Hat damit das Verwaltungsgericht die Klage mit dem Hauptantrag zu Recht abgewiesen, so bleibt mit Blick auf das hilfsweise geltend gemachte Verpflichtungsbegehren festzustellen, dass auch die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 2 bis 8 beziehungsweise 10 AufenthG nicht erfüllt sind. Das gilt, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen entnehmen lässt, insbesondere hinsichtlich des an die Stelle des bisherigen § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG getretenen § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, nach dem von einer Abschiebung abgesehen werden soll, wenn im Zielstaat für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit besteht. Insoweit ist, was die Geltendmachung einer Gefährdung durch die allgemeine wirtschaftliche Versorgungslage angeht, zusätzlich auf die vom Bundesgesetzgeber beibehaltene Sperrwirkung nach den §§ 60 Abs. 7 Satz 2, 60a AufenthG für die Berücksichtigungsfähigkeit von so genannten Allgemeingefahren für die Bevölkerung oder auch nur Bevölkerungsgruppen im Herkunftsstaat hinzuweisen. Darüber hinausgehende humanitäre Gesichtspunkte, wie sie letztlich den Empfehlungen des UNHCR und verschiedener Menschenrechtsgruppen, gegenwärtig auf eine Rückführung von tschetschenischen Volkszugehörigen in die Russische Föderation zu verzichten, zugrunde liegen, hat der Bundesgesetzgeber auch am Maßstab des Verfassungsrechts in zulässiger Weise den hierfür zuständigen politischen Entscheidungsträgern überantwortet; sie haben daher für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens keine Bedeutung.

Einer Rückführung des Klägers in die Russische Föderation stünde auch nicht das sich – nunmehr – aus dem § 60 Abs. 2 und 5 AufenthG i.V.m. den Bestimmungen des Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergebende Verbot entgegen, wonach niemand durch seine Abschiebung der Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Strafe oder Behandlung ausgesetzt werden darf. Insbesondere Art. 3 EMRK schützt ebenso wie das Asylrecht im Ansatz nicht vor den allgemeinen Folgen von Naturkatastrophen, Bürgerkriegen und anderen bewaffneten Auseinandersetzungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 83b Abs. 1 AsylVfG (a.F.) und 154 Abs. 2 VwGO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Gründe

Die Sache konnte verhandelt und entschieden werden, obwohl der Beteiligte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Die an ihn gerichtete ordnungsgemäße Ladung war mit einem dem § 102 Abs. 2 VwGO entsprechenden Hinweis versehen.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten (Bundesamt) vom 25.6.2003 zu Recht abgewiesen. Diese Verwaltungsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat sowohl die Anforderungen des Art. 16a GG wie auch die in der an den Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention (GK) angelehnten Vorschrift des § 60 Abs. 1 AufenthG genannten tatsächlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot im Falle des Klägers in dem angegriffenen Urteil zutreffend verneint; sie liegen auch aus heutiger Sicht (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) nicht vor.

Eine von den Eltern abgeleitete Berechtigung in Form des Familienasyls (§ 26 Abs. 1, 2 AsylVfG) kommt ebenso wenig in Betracht wie ein durch den zum 1.1.2005 in Kraft getretenen § 26 Abs. 4 AsylVfG n.F. erstmals vom Bundesgesetzgeber normierter Anspruch auf Familienabschiebungsschutz. Der erstgenannte Anspruch scheitert bereits daran, dass die Eltern des Klägers auf dem Landweg über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind, deshalb schon mit Blick auf die so genannte Drittstaatenregelung (Art. 16a Abs. 2 GG, § 26 a AsylVfG) von vorneherein aus dem Kreis potentiell Asylberechtigter ausgeschieden sind und von daher konsequent ihr von der Beklagten durch Bescheid vom 8.6.2001 abgelehntes Asylverlangen im Klageverfahren auch nicht mehr weiter verfolgt haben. Eine abgeleitete Flüchtlingsberechtigung kommt nicht Betracht, da die Eltern des Klägers keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für einen Abschiebungsschutz (§ 60 Abs. 1 AufenthG) in ihrem Falle haben. Insoweit kann auf das in deren Verfahren ergangene Berufungsurteil des Senats vom heutigen Tag – 2 R 17/03 – Bezug genommen werden. Vor diesem Hintergrund bedarf es im vorliegenden Fall keiner Befassung mit der Frage, welche prozessualen Konsequenzen das vom Gesetzgeber auch in dem Zusammenhang – aus gutem Grund – tatbestandlich geforderte Merkmal der Unanfechtbarkeit der Anerkennung des Stammberechtigten für das Verfahren des potentiell Ableitungsberechtigten vor der Unanfechtbarkeit hat.

Da der in Deutschland geborene Kläger selbst jedenfalls vom Wortlaut der Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a AsylVfG nicht unter die Drittstaatenklausel fällt, steht die zuvor genannte Regelung über die sicheren Drittstaaten seinem Begehren auf Anerkennung als Asylberechtigter jedenfalls nicht entgegen. Dieses kann indes – wie das Verlangen auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG – in der Sache keinen Erfolg haben. Dem Kläger steht weder Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) noch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des inzwischen an die Stelle des ehemaligen ausländergesetzlichen Abschiebungsverbots getretenen § 60 Abs. 1 AufenthG zu. Die für beide Anspruchsgrundlagen gleicher Maßen tatbestandlich zu fordernde Gefahr einer politischen Verfolgung des in Deutschland geborenen Klägers, der bisher ersichtlich nie in Russland gewesen ist, im Falle einer Rückführung in sein Heimatland besteht nicht.

Der Kläger wäre bei einer Rückkehr in die Russische Föderation nicht wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder, was angesichts seines Alters hier ein ohnehin nicht realistischer Ansatz ist, wegen seiner politischen Überzeugungen durch eines der in § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannten potentiellen Verfolgungssubjekte an Leib und Leben bedroht. Mit Blick auf die bezüglich der Gefährdung als solche bestehende Deckungsgleichheit der Anforderungen scheidet ein im Übrigen an engere Voraussetzungen geknüpfter Anspruch auf Asylanerkennung (Art. 16a GG) ebenfalls aus.

In dem Zusammenhang mag dahinstehen, ob es sich bei dem inzwischen „verschwundenen“ Vater des Klägers, dessen Mutter ethnische Russin ist, entsprechend seinen Behauptungen überhaupt um einen tschetschenischen Volkszugehörigen handelt. Die Richtigkeit dieser Behauptung kann auch vorliegend unterstellt werden, da es hierauf für das Ergebnis des Berufungsverfahrens nicht entscheidend ankommt. Die Erfolglosigkeit der Anerkennungsbegehren des Klägers (Art. 16a GG, § 60 Abs. 1 AufenthG) ergibt sich selbst dann, wenn – noch weitergehend – prozessbezogen „zu Gunsten“ des Klägers angenommen wird, dass dieser, was seine Mutter in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf den „typischen“ Namen des Klägers reklamiert hat, im Fall der Rückführung von Seiten der russischen Behörden und Sicherheitskräfte im Wege der ethnischen Fremdzuschreibung als Tschetschene „wahrgenommen“ und als solcher behandelt würde.

Selbst für tschetschenische Volkszugehörige besteht im Falle der Rückkehr eine sowohl die Asylberechtigung als auch die Voraussetzungen des §60 Abs. 1 AufenthG nach dem in beiden Fällen zu beachtenden Subsidiaritätsgrundsatz ausschließende inländische Fluchtalternative in der Russischen Föderation.

Nicht anzunehmen ist zunächst eine Verfolgung aller tschetschenischen Volkszugehörigen im (gesamten) Staatsgebiet der Russischen Föderation. Das vorhandene Auskunftsmaterial rechtfertigt bei Anlegung der hierzu in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten strengen Maßstäbe nicht die Feststellung einer landesweiten Gruppenverfolgung. Ungeachtet des im Gefolge der Kriegsereignisse in Tschetschenien insbesondere seit dem Jahre 1999 erneut zugespitzten, bekanntermaßen sehr angespannten Verhältnisses zwischen der (ethnisch) russischen Bevölkerung und den im Kaukasus beheimateten Volksgruppen, insbesondere den Tschetschenen, kann mit dem vorliegenden Auskunftsmaterial weder ein staatliches (russisches) Verfolgungsprogramm mit dem Ziel einer physischen Vernichtung und/oder der gewaltsamen Vertreibung aller Tschetschenen aus dem Staatsgebiet nachgewiesen werden, noch lassen bekannt gewordene Einzelverfolgungsmaßnahmen mit Blick auf die zahlenmäßige Größe der die bei weitem größte der im Nordkaukasus beheimateten Ethnien stellenden Tschetschenen die Feststellung einer die Annahme einer landesweiten Gruppenverfolgung gebietenden Verfolgungsdichte zu. Weder Anzahl noch Intensität der für die sonstigen Bereiche der Russischen Föderation bekannt gewordenen Übergriffe gegen Personen tschetschenischer Volkszugehörigkeit sind mit den gezielten Angriffen auf Leib und Leben der Zivilbevölkerung in Tschetschenien selbst vergleichbar.

Weniger klar erscheint die Beantwortung der Frage, ob bezogen auf das Territorium von Tschetschenien, wo die Eltern des Klägers nach ihren Angaben bis zu ihrer Ausreise im Jahre 2000 gelebt haben, bei einer auf dieses Gebiet beschränkten Betrachtung das Vorliegen der Voraussetzungen für die Annahme einer Gruppenverfolgung bejaht werden muss. Hierfür mag es trotz anders lautender obergerichtlicher Entscheidungen aus jüngerer Vergangenheit insbesondere seit Beginn der erneuten, von der russischen Führung als „antiterroristische Operation“ bezeichneten militärischen Auseinandersetzungen ab Ende 1999, die nach weitgehender „Zurückeroberung“ des tschetschenischen Territoriums durch russisches Militär in einen bis heute, also auch nach dem Abschluss der offenen kriegerischen Auseinandersetzungen im Jahre 2003, andauernden Guerilla-Krieg mündeten, Anhaltspunkte geben. Diese Beurteilung wird insbesondere dadurch erschwert, dass sich die von russischer Seite als „innere Angelegenheit“ betrachtete, gemeinhin als Zweiter Tschetschenienkrieg bezeichnete und unstreitig mit regelmäßig äußerst grausamen Maßnahmen der Sicherheitskräfte gegenüber der Zivilbevölkerung Tschetscheniens (sog. „Säuberungsaktionen“) einhergehende Vorgehensweise weitgehend „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ vollzieht. Die Bestimmung eines aus der Relation der Zahl der potentiell Betroffenen und der Zahl der dokumentierten Übergriffe zu ermittelnden individuellen Gefährdungspotentials ist von daher nur schwer möglich. Einigkeit besteht aber allgemein darüber, dass die Menschenrechtslage in Tschetschenien bis heute ungeachtet anders lautender offizieller regierungsseitiger Verlautbarungen für die von einer Vielzahl von Rechtsverletzungen in Form von willkürlichen Verhaftungen, Entführungen, „Verschwinden“, Misshandlungen, Vergewaltigungen und Ausraubungen betroffene Zivilbevölkerung der Region als „äußerst besorgniserregend“ bezeichnet werden muss. Ob die Vorgänge und Verhältnisse die Annahme einer begrenzten Kollektivverfolgung (aller) Tschetschenen in ihrer Heimatregion rechtfertigen, kann im Ergebnis für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits allerdings auch dahinstehen.

Selbst wenn man insoweit das Vorliegen einer „regionalen Gruppenverfolgung“ ethnischer Tschetschenen im Sinne der angesprochenen höchstrichterlichen Rechtsprechung seit dem Ausbruch des die vorherige faktische Autonomie Tschetscheniens beendenden Zweiten Tschetschenienkrieges (1999) unter weiterer Hintanstellung der Frage des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative für Tschetschenen schon bei Ausbruch der Kampfhandlungen – unterstellt und mithin im Fall des Klägers, der notwendigerweise selbst nie einer Verfolgung durch den russischen Staat unterlegen haben kann, entsprechend den Grundsätzen über einen nachträglichen Verfolgungseintritt („objektive Nachfluchtgründe“) den für die Konstellation der Vorverfolgung im Asyl- und Flüchtlingsrecht geltenden „herabgestuften“ Prognosemaß für die Feststellung einer Rückkehrgefährdung im Verständnis des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zugrunde legt, so könnten seine Anerkennungsbegehren keinen Erfolg haben. Dem Kläger stünde in diesem Fall, wie das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Urteil zutreffend und in Übereinstimmung mit der insoweit ersichtlich einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung entschieden hat, zumindest eine inländische Fluchtalternative in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens zur Verfügung. Der Kläger wäre im Falle eines Aufenthalts in der Russischen Föderation ungeachtet seiner Volkszugehörigkeit zum einen „hinreichend sicher“ vor politischer Verfolgung und hätte zum anderen dort auch „grundsätzlich die Möglichkeit zum Überleben“. Dies schließt mit Blick auf den im Flüchtlingsrecht geltenden Grundsatz der Subsidiarität des Schutzes vor politischer Verfolgung im Zufluchtsstaat, hier in der Bundesrepublik Deutschland, den geltend gemachten Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG aus.

Dabei mag es zutreffen, dass – wie der Kläger behauptet und wofür nach den vorliegenden Dokumenten einiges spricht – bestimmte territoriale Einheiten des Föderationsgebiets, speziell etwa das nach der „Wahl“ des moskautreuen Regierungschefs Sjasikow durch einen Politikwechsel in der Behandlung tschetschenischer Flüchtlinge gekennzeichnete und auch wirtschaftlich allenfalls noch begrenzt aufnahmefähige Inguschetien, im gegenwärtigen Zeitpunkt keine zumutbare Fluchtalternative für Tschetschenen (mehr) bieten. Ob das in dieser Allgemeinheit auch für die von dem Kläger im Berufungsverfahren unter Hinweis auf Erkenntnisse des UNHCR angeführten weiteren Regionen der Russischen Föderation, etwa Kabardino-Balkarien, Dagestan, Karatschei-Tscherkessien, Stawropol und Krasnodar sowie für Nordossetien-Alanien gilt, ist nach den vorgetragenen Gründen zumindest zweifelhaft, bedarf aber hier keiner abschließenden Beurteilung. Bei diesen Regionen handelt es sich – zusammen gesehen – allenfalls um einen kleineren Teil des Territoriums der Russischen Föderation und nach Überzeugung des Senats ist jedenfalls davon auszugehen, dass in den verbleibenden Gebieten eine Gefährdung des Klägers oder allgemein in das Heimatland zurückkehrender tschetschenischer Volkszugehöriger zwar nicht mit Sicherheit, aber doch jedenfalls mit einem so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass selbst bei der unterstellten Anwendbarkeit des aus Sicht des Klägers günstigen (herabgestuften) Prognosemaßstabs die Rückkehrer jedenfalls „hinreichend sicher“ sind.

Das gilt auch, wenn man – wovon alle Quellen übereinstimmend, wenngleich in unterschiedlichen Ausmaßen, berichten - davon ausgeht, dass das in der Verfassung der Russischen Föderation garantierte Recht auf Freizügigkeit, insbesondere hinsichtlich der Wahl des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthaltsortes, in der Praxis ungeachtet der 1993 durch das so genannte Föderationsgesetz eingeführten vereinfachten Registrierungsmöglichkeiten an zahlreichen Orten der Russischen Föderation nicht gleichermaßen uneingeschränkt in Anspruch genommen werden kann, und der Zuzug von Vertriebenen des Tschetschenienkriegs – auch wegen Ressentiments gegen Personen kaukasischer Herkunft – jedenfalls was eine an den Wohnsitznachweis geknüpfte Dauerregistrierung angeht, stark erschwert wird. Nach Überzeugung des Senats lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass es tschetschenischen Volkszugehörigen außerhalb der zuvor erwähnten „Problemzonen“ in der Russischen Föderation „flächendeckend“ nicht möglich wäre, unter Inanspruchnahme der geschilderten rechtlichen Garantien in der ein oder anderen Weise einen gesicherten Aufenthalt zu begründen. In dem Zusammenhang hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23.6.2005 zu Recht darauf hingewiesen, dass insbesondere die Menschenrechtsorganisation MEMORIAL an vielen Orten der Russischen Föderation eine Vielzahl von Unterstützungsstellen für betroffene Binnenflüchtlinge insbesondere aus Tschetschenien unterhält, mit deren Hilfe auch in einer Reihe von Fällen willkürlicher behördlicher Verweigerung der Aufenthaltsberechtigung erfolgreich entgegengetreten werden konnte. Die teilweise rechtswidrigen behördlichen Praktiken in bestimmten Teilen Russlands sind ferner mehrfach von Seiten des russischen Menschenrechtsbeauftragten und durch das Oberste Verfassungsgericht Russlands im Rahmen von Entscheidungen zugunsten registrierungswilliger Bürger beanstandet worden.

Das belegt allein die unstreitig in die Hunderttausende gehende Zahl der in der Russischen Föderation dauerhaft verbliebenen Binnenflüchtlinge aus Tschetschenien, von denen trotz einer allgemeinen politischen Zielsetzung, die Rückkehr nach Tschetschenien zu befördern, nicht bekannt ist, dass sie, sieht man einmal von dem Sonderfall der Nachbarrepublik Inguschetien ab, derart drangsaliert oder unter Druck gesetzt würden, dass ein Verbleib an den jeweiligen Zufluchtsorten in nennenswerter Zahl zwangsweise beendet würde. Glaubhaften Berichten zufolge hält sich gegenwärtig nur noch ein Drittel der ehemaligen Bevölkerung in Tschetschenien auf; der Rest ist geflohen und lebt überwiegend in anderen Gebieten der Russischen Föderation, davon etwa 50.000 allein in der Region Wolga. Dem steht ganz offenbar auch eine in weiten Teilen der Föderation ansiedlungsfeindliche Anwendung des neuen Registrierungsinstrumentariums in gesetzlich gerade nicht (mehr) vorgesehener Anwendung der früheren Praxis in der Sowjetunion nicht entgegen. Angesichts der vielfachen Verweise auf einen jeweils nicht registrierten Aufenthalt von Tschetschenen in Gebieten der Russischen Föderation muss aber auch davon ausgegangen werden, dass die Betroffenen in vielen Fällen, möglicherweise mit Blick auf die historischen Dimensionen des Konflikts zwischen Russen und Kaukasiern durchaus verständlich, wenn sie eine „Bleibe“ beispielsweise bei Bekannten und Verwandten oder auch nur in einem von Kaukasiern geprägten Umfeld gefunden haben, wenig Neigung zeigen, den Kontakt mit staatlich-russischen Stellen zu suchen.

Das Gesagte gilt allem Anschein nach sogar für die – letztlich wohl aus wirtschaftlichen Gründen – nicht nur gegenüber tschetschenischen Volkszugehörigen, sondern allgemein „zuzugsfeindlichen“ russischen Großstädte Moskau und St. Petersburg, bei denen es sich um die Wirtschaftsmetropolen des Landes mit allen unter wirtschaftlich angespannten Verhältnissen üblichen – positiven wie negativen – Begleiterscheinungen handelt, jedenfalls aber – und schon das schließt den Anerkennungsanspruch aus - für die eher ländlich geprägten („unproblematischen“) Bereiche des Territoriums der Russischen Föderation. Nicht einmal die in ihren Stellungnahmen bekanntermaßen nicht „flüchtlingsfeindlichen“ Menschenrechtsorganisationen gehen von einer „flächendeckenden“ Verweigerung der Aufenthalts- oder Niederlassungsberechtigung bei Tschetschenen aus. Des ungeachtet war es beispielsweise den Klägern des am selben Tag verhandelten, insofern gleich gelagerten Parallelverfahrens 2 R 16/03 nach deren eigenem Vorbringen sogar in Moskau, wo unstreitig eine große Zahl ethnischer Tschetschenen lebt, möglich, über zwei Jahre hinweg Unterkunft und ein den Lebensunterhalt sicherstellendes wirtschaftliches Auskommen zu finden.

Der von dem Kläger schriftsätzlich angesprochene, angeblich im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausbruch des zweiten Tschetschenienkriegs beziehungsweise der Inangriffnahme der antiterroristischen Operationen in der Region ergangene „Befehl“ Nr. 541 des früheren russischen Innenministers Ruschajlo vom 17.9.1999 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Nach der Erkenntnislage muss mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesem „Befehl“ um eine Fälschung handelt.

Eine Unzumutbarkeit der Verweisung des Klägers auf eine inländische Fluchtalternative lässt sich auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass es insbesondere in Moskau und in anderen Großstädten Russlands, die aufgrund ihrer Struktur für terroristische Aktivitäten besonders sensible Bereiche und „anfällige Ziele“ darstellen, gegenüber Personen kaukasischer Herkunft vergleichsweise vermehrt zu Personenkontrollen und, gerade bei fehlender Legitimierung, zu weitergehenden polizeilichen Maßnahmen kommt. Auch unter rechtsstaatlichen Aspekten müssen es selbst ansonsten individuell zunächst „unverdächtige“ Personen, die einer abgrenzbaren Gruppe angehören, von der im Vergleich zu anderen Bevölkerungskreisen eine erhebliche erhöhte Gefährdung für die Gesamtbevölkerung ausgeht, hinnehmen, dass sie in statistisch vermehrtem Maße im Interesse der Sicherheit aller Staatsbürger Kontrollen und Untersuchungen mit den damit verbundenen polizeilichen Eingriffsmaßnahmen, etwa erkennungsdienstlicher Behandlung, unterzogen werden. Dass es allgemein auch in Russland eine überproportional hohe Verflechtung von Tschetschenen mit der organisierten Schwerkriminalität gibt und dass insbesondere durch Angehörige dieses Volkes unter Berufung auf ein angebliches Recht zum „Gegenterror“ schwerste Terrorakte mit einer Vielzahl unschuldiger Opfer unter der Zivilbevölkerung begangen wurden, ist bekannt. Davon ausgehend ist es jedem Staat nicht nur zuzugestehen, sondern es erscheint aus Gründen der inneren Sicherheit geradezu angezeigt, diesen Personenkreis durch seine Sicherheitskräfte „im Auge zu behalten“. Jedenfalls nicht gerechtfertigt erscheint es, in dem Zusammenhang pauschal vom „Wohnungsdurchsuchungen aus rassistischen Gründen“ zu sprechen. Dass es bezogen auf die erwähnt große Zahl der in den als Fluchtalternative in Betracht kommenden Gebieten in der Russischen Föderation lebenden Tschetschenen ausweislich der Dokumentation in Einzelfällen zu Übergriffen von Sicherheitskräften gegenüber den Betroffenen und auch zu einer Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas mit der Folge spontaner Aktionen aus der russischen Bevölkerung heraus gegenüber unschuldigen Tschetschenen gekommen ist, soll hier nicht gerechtfertigt werden, lässt aber andererseits insbesondere auch vor dem Hintergrund der Neuregelung hinsichtlich potentieller Verfolgungssubjekte in § 60 Abs. 1 Satz 4 lit. c AufenthG nicht den Schluss zu, dass für jeden einzelnen tschetschenischen Rückkehrer eine landesweit beachtlich wahrscheinliche und nicht durch staatliche Sicherheitskräfte zu beherrschende Gefährdung bestünde, Opfer einer solchen Maßnahme zu werden. Dass es sich bezogen auf einen Terrorismusverdacht und mögliche Personenkontrollen speziell im Falle des Klägers mit Blick auf dessen Lebensalter individuell um ein allenfalls theoretisches Problem handelt, liegt auf der Hand.

Auch die wirtschaftlichen Zumutbarkeitskriterien für die Annahme einer gegenüber dem Flüchtlingsschutz im Aufnahmeland vorrangigen inländischen Fluchtalternative sind gegeben. Dass die Rückkehrer keine einfachen, sondern unter vielen Aspekten schwierige Lebensverhältnisse vorfinden werden, ist, wie schon das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, nicht in Abrede zu stellen. Es findet sich in der Dokumentation kein Bericht darüber, dass es in den nach Auffassung des Senats als solche in Betracht kommenden Bereichen der Russischen Föderation, in denen insgesamt Hunderttausende von vor den kriegerischen Auseinandersetzungen in Tschetschenien geflohenen oder auch bereits zuvor nach Russland umgezogenen Tschetschenen als Binnenflüchtlinge eine Bleibe gefunden haben, gerade unter diesem Personenkreis zu gravierenden Versorgungsengpässen oder gar zu personenübergreifenden Hungersnöten oder vergleichbaren überindividuellen humanitären Katastrophen gekommen wäre. Daher ist die grundsätzliche Möglichkeit zum Überleben zu bejahen und es spricht nichts Durchgreifendes für die Prognose, dass der Kläger im Rückkehrfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit an den alternativen Orten auf Dauer ein Leben unterhalb des Existenzminimums drohte, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tod führen könnte. Unter diesem Gesichtspunkt kommt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht darauf an, dass die mögliche Existenzsicherung unter Umständen – wie das bei einer Vielzahl von Bürgern der russischen Föderation der Fall ist – durch Betätigungen im Bereich der so genannten „Schattenwirtschaft“ bewerkstelligt wird. Hierbei ist davon auszugehen, dass der Kläger, bei dem es sich noch um ein Kleinkind handelt, auf absehbare Zeit allenfalls gemeinsam mit seinen Eltern in die Russische Föderation „zurückkehren“ wird.

Des ungeachtet erschiene ohnedies zweifelhaft, ob – gegebenenfalls – das Fehlen eines wirtschaftlichen Existenzminimums am Ort der inländischen Fluchtalternative im konkreten Fall angesichts der desolaten wirtschaftlichen Situation in der Heimatregion Tschetschenien bei Wegzug der Eltern des Klägers im Jahre 2000 und auch heute überhaupt als verfolgungsbedingt und – nur dann – erheblich für die rechtliche Beurteilung eingestuft werden könnte. Derartige am verfolgungssicheren Ort drohende, nicht durch eine politische Verfolgung bedingte Gefahren schließen diesen Ort als inländische Fluchtalternative nur aus, wenn eine gleichartige existenzielle Gefährdung am Herkunftsort nicht bestünde.

Dass der Kläger und seine Eltern die als Fluchtalternativen in Betracht kommenden Gebiete der russischen Föderation schließlich – was im Rechtssinne die Annahme einer den Anspruch aus § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ausschließenden inländischen Fluchtalternative voraussetzt – auch tatsächlich erreichen können, unterliegt aus Sicht des Senats ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Dabei kommt es hier nicht auf die von dem Kläger in dem Zusammenhang unter Hinweis auf die Einrichtung so genannter Filtrationslager thematisierten angeblich eingeschränkten Möglichkeiten an, aus Tschetschenien „herauszukommen“, was seinen Eltern jedenfalls offenbar ohne Schwierigkeiten gelungen ist. Entscheidend ist vielmehr die Frage einer nach den Modalitäten zumutbaren Einreisemöglichkeit in die Russische Föderation. Eine solche besteht grundsätzlich. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts konnte keiner der erhobenen Vorwürfe einer willkürlichen Freiheitsentziehung, Erpressung oder gar Misshandlung von in die Russische Föderation zurückkehrenden „unauffälligen“ tschetschenischen Volkszugehörigen verifiziert werden. Entgegenstehende Anhaltspunkte zeigt der Sachvortrag des Klägers nicht auf, wobei allgemein festzuhalten bleibt, dass ein bloßer Verweis auf fehlende Reisedokumente in dem Zusammenhang nicht ausreicht, da solche – die geschuldete Mitwirkung des Ausländers unterstellt – regelmäßig beschafft werden können. Für eine generelle und „standhafte“ Weigerung der russischen Stellen in Deutschland, eigenen Bürgern entgegen völkerrechtlichen Verpflichtungen die für die Wiedereinreise notwendigen Personaldokumente auszustellen, bestehen insbesondere mit Blick auf die in der Dokumentation befindlichen Berichte über erfolgreiche Rückführungen in die Russische Föderation keine durchgreifenden Anhaltspunkte.

Hat damit das Verwaltungsgericht die Klage mit dem Hauptantrag zu Recht abgewiesen, so bleibt mit Blick auf das hilfsweise geltend gemachte Verpflichtungsbegehren festzustellen, dass auch die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 2 bis 8 beziehungsweise 10 AufenthG nicht erfüllt sind. Das gilt, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen entnehmen lässt, insbesondere hinsichtlich des an die Stelle des bisherigen § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG getretenen § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, nach dem von einer Abschiebung abgesehen werden soll, wenn im Zielstaat für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit besteht. Insoweit ist, was die Geltendmachung einer Gefährdung durch die allgemeine wirtschaftliche Versorgungslage angeht, zusätzlich auf die vom Bundesgesetzgeber beibehaltene Sperrwirkung nach den §§ 60 Abs. 7 Satz 2, 60a AufenthG für die Berücksichtigungsfähigkeit von so genannten Allgemeingefahren für die Bevölkerung oder auch nur Bevölkerungsgruppen im Herkunftsstaat hinzuweisen. Darüber hinausgehende humanitäre Gesichtspunkte, wie sie letztlich den Empfehlungen des UNHCR und verschiedener Menschenrechtsgruppen, gegenwärtig auf eine Rückführung von tschetschenischen Volkszugehörigen in die Russische Föderation zu verzichten, zugrunde liegen, hat der Bundesgesetzgeber auch am Maßstab des Verfassungsrechts in zulässiger Weise den hierfür zuständigen politischen Entscheidungsträgern überantwortet; sie haben daher für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens keine Bedeutung.

Einer Rückführung des Klägers in die Russische Föderation stünde auch nicht das sich – nunmehr – aus dem § 60 Abs. 2 und 5 AufenthG i.V.m. den Bestimmungen des Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergebende Verbot entgegen, wonach niemand durch seine Abschiebung der Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Strafe oder Behandlung ausgesetzt werden darf. Insbesondere Art. 3 EMRK schützt ebenso wie das Asylrecht im Ansatz nicht vor den allgemeinen Folgen von Naturkatastrophen, Bürgerkriegen und anderen bewaffneten Auseinandersetzungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 83b Abs. 1 AsylVfG (a.F.) und 154 Abs. 2 VwGO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Sonstige Literatur

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils bei dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Hausadresse: Kaiser-Wilhelm-Straße 15, 66740 Saarlouis/Postanschrift: 66724 Saarlouis) einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist ebenfalls bei dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Hausadresse: Kaiser-Wilhelm-Straße 15, 66740 Saarlouis/Postanschrift: 66724 Saarlouis) einzureichen. In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem das Urteil beruhen kann, bezeichnet werden. Die Einlegung und die Begründung der Beschwerde müssen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten erfolgen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger.

Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die eigenen Angaben zufolge aus Tschetschenien stammenden Kläger zu 1) und 2) sind miteinander verheiratet. Die Klägerin zu 1) ist Russin, der Kläger zu 2) nach seinem Vortrag tschetschenischer Volkszugehöriger. Bei der Klägerin zu 3) handelt es sich um eine gemeinsame Tochter.

Die Klägerinnen zu 1) und 3) reisten im August 2000 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten die Anerkennung als Asylberechtigte. Im Rahmen einer an 22.8.2000 durchgeführten persönlichen Anhörung führte die Klägerin zu 1) aus, sie habe bis zu ihrer Ausreise am 2.8.2000 in Snamenskaja gelebt. Damals sei ein Freund des Klägers zu 2), den sie an Silvester 1999/2000 zum letzten Mal gesehen habe und der „den Tschetschenen geholfen“ habe, zu ihr gekommen und habe ihr mitgeteilt, dass sie das Land verlassen müsse. Sie habe sich in Moskau am Bahnhof mit dem Kläger zu 2) treffen sollen. Sie sei dann mit ihrer Schwester und den Kindern nach Moskau und von dort mit dem Bus über Polen nach Deutschland gefahren. Ihre Heimat hätten sie wegen des Krieges und wegen der schlechten Lebensverhältnisse verlassen. Sie und der Kläger zu 2) hätten sich große Sorgen um das Leben des Kindes gemacht. „Solche wie sie“ würden in Russland nicht gebraucht. Die Russen gäben ihnen die Schuld dafür, dass ihre Kinder in Tschetschenien umkommen. In Russland bekämen Flüchtlinge weder eine Wohnung noch irgendeine Art von Hilfe.

Die Einreise des Klägers zu 2) erfolgte am 14.12.2000. Auch er stellte einen Asylantrag und führte zur Begründung aus, er sei im Waisenhaus aufgewachsen, weshalb er lediglich Russisch spreche. Es habe viele russische Kontrollen gegeben und man komme in Teufels Küche, wenn man als junger Tschetschene von den Russen erwischt werde. Tschetschenien habe er am 1.12.2000 verlassen und sei nach einem mehrtägigen Zwischenaufenthalt in Moskau über Brest in Weißrussland mit einem LKW nach Deutschland gefahren. Er habe häufig Brot und Lebensmittel für sein Volk zur Verfügung gestellt und sein Heimatland verlassen, um nicht im Gefängnis zu landen oder umgebracht zu werden. Die Russen hielten alle Tschetschenen für Mörder und Banditen und glaubten nicht, dass es Tschetschenen gebe, die sich an dem Krieg nicht beteiligten. Er habe gesehen, wie russische Soldaten die Bevölkerung mit Panzern überfahren und den Leichen anschließend die Goldzähne herausgezogen hätten. In so einem Land wolle er nicht mehr leben und auch nicht darauf warten, bis seine Familie „an der Reihe sei“. Wenn man von den Russen angehalten werde, könne man das schon als Problem bezeichnen. Ihn – den Kläger zu 2) - hätten sie in der Metro verhaftet und weil er keine Papiere gehabt habe, seien die wildesten Vermutungen angestellt worden. Er sei mitgenommen, auf dem Polizeirevier drei Tage festgehalten und dabei auch geschlagen worden. Das gehöre zur Normalität. Dann habe ein „besonders netter Polizist“ gesagt, dass er etwas Geld bezahlen müsse, um frei zu kommen, was er getan habe. Damals habe er Glück gehabt, dass man nicht herausbekommen habe, dass er Tschetschene sei. Er habe keine andere Wahl gehabt, als nach Deutschland zu kommen.

Mit Bescheid vom 8.6.2001 lehnte die Beklagte die Asylanträge der Kläger als offensichtlich unbegründet ab. Gleichzeitig wurde das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG verneint und die Kläger wurden zur Ausreise binnen einer Woche aufgefordert. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde ihnen die Abschiebung in die Russische Föderation oder einen anderen zur Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat angedroht. In dem Ablehnungsbescheid heißt es unter anderem, die Kläger hätten mit keinem einzigen Satz politische Verfolgung geltend gemacht. Auch die angebliche tschetschenische Volkszugehörigkeit des Klägers zu 2) und die geschilderte Ausreise aus Tschetschenien seien nicht glaubhaft. Alle Kläger hätten russische Vornamen und sprächen nicht Tschetschenisch. Aufgrund der Gesamtumstände und der Widersprüche in ihren Darlegungen sei „als sicher“ anzunehmen, dass die Kläger russische Volkszugehörige seien und nicht aus Tschetschenien stammten.

Die Entscheidung ist den Klägern am 11.6.2001 zugestellt worden; mit Eingang am 18.6.2001 haben sie Klage erhoben und ihre Feststellungsbegehren hinsichtlich des § 51 Abs. 1 AuslG und (hilfsweise) des § 53 AuslG weiter verfolgt. Auf ihren Antrag hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.

Die Kläger haben ihr Vorbringen bekräftigt und geltend gemacht, die geschilderten Lebensmitteltransporte durch den Kläger zu 2), der sich überwiegend bei verschiedenen Bekannten und teilweise auch bei den tschetschenischen Kämpfern aufgehalten habe, seien „auf Anweisung“ an verschiedene Orte, meist zu Verstecken in umliegenden Wäldern und Bergen gegangen. Das sei mehrmals pro Woche der Fall gewesen, so dass davon ausgegangen werden könne, dass dies den Sicherheitskräften auch bekannt geworden sei. Unabhängig davon würden Tschetschenen aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit landesweit erheblich diskriminiert und verfolgt, was sich beispielsweise aus einem Lagebericht der Schweizer Flüchtlingshilfe (SFH) vom Januar 2001 ergebe. Danach litten Tschetschenen in ganz Russland besonders stark unter einem weit verbreiteten Rassismus der Staatsorgane. Zu den gebräuchlichsten Formen der Schikanierung gehöre die selektive Durchsetzung von Niederlassungsbedingungen nach dem so genannten Propiska-System, das nur de jure abgeschafft sei. Das führe dazu, dass sich Tschetschenen außerhalb Tschetscheniens nicht niederlassen, nicht arbeiten, keine Immobilien besitzen und nicht am kostenlosen öffentlichen Gesundheitssystem teilnehmen könnten. Tschetschenen müssten ständig damit rechnen, unter Umständen mehrmals täglich auf offener Straße durchsucht, willkürlich festgenommen und anschließend festgehalten zu werden. Hierbei komme es auch zu Misshandlungen. Im Ergebnis sei es Tschetschenen nicht möglich, irgendwo in der Russischen Föderation ein menschenwürdiges Leben zu führen.

In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 22.5.2002 hat der Kläger zu 2) ergänzend ausgeführt, er habe seine Heimat verlassen, weil er ständig verfolgt worden sei. Auch die Klägerinnen zu 1) und 3) seien bedroht worden. Die „Personen“ seien teils in Zivil, teils in Uniform gekommen. Nach seinen Vermutungen habe es sich um den russischen Geheimdienst gehandelt und die Verfolgung habe im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die tschetschenischen Rebellen gestanden. Er habe die Partisanen mit Lebensmitteln, Kleidern und sonstigen Sachen versorgt. Er habe dies aus reinem Patriotismus getan. Ab und zu habe er auch an kriegerischen Auseinandersetzungen teilgenommen und Waffen transportiert. Diese habe er zum Teil im Austausch gegen russische Gefangene erhalten; teilweise seien sie bei russischen Militärangehörigen gekauft worden. Er habe sich meist in dem Dorf Bamut-Samaschki in der Region Urus-Martan sowie im Argun-Gebirge aufgehalten und bei tschetschenischen Rebellen oder in Wäldern übernachtet. Kleider, Lebensmittel und Waffen seien an einen Lieferpunkt gebracht worden und der Leiter dieser Operationen habe „umfangreiche Informationen“ über ihn und andere Mithelfer schriftlich festgehalten. Er – der Kläger zu 2) - vermute, dass all diese Informationen nach der Entdeckung des Treffpunktes schon im ersten Tschetschenienkrieg in die Hände der Russen gefallen seien und dass der russische Geheimdienst daher über seine Aktivitäten für die tschetschenischen Rebellen Bescheid gewusst habe. Die Familie habe er zuletzt zum Jahreswechsel 1999/2000 gesehen und nur geheim besuchen können, da er befürchtet habe, verhaftet zu werden. Er selbst sei in Tschetschenien nie verhaftet worden, habe allerdings von der Klägerin zu 1) Informationen erhalten, dass nach ihm gesucht und nach seinem Aufenthaltsort gefragt worden sei. Diese sei bedroht und beschimpft worden, weil sie mit einem Moslem zusammen lebe. Zwar sei er ab und an bei Kontrollpunkten überprüft worden. Eingehenden Kontrollen habe man aber durch Geldzahlungen ohne weiteres entgehen können. Die im Verwaltungsverfahren erwähnte kurzzeitige Verhaftung in der U-Bahn-Station sei in Moskau erfolgt, nachdem er Tschetschenien bereits wegen des Krieges verlassen gehabt habe. Er sei nicht wegen seines kaukasischen Aussehens festgenommen worden, sondern weil er keine Papiere habe vorweisen können. Damals habe seine Volkszugehörigkeit nicht interessiert und die Polizisten hätten diesbezüglich auch keine Nachforschungen angestellt. Bei seinem Vor- und Familiennamen handele es sich um typisch moslemische Namen.

Die Klägerin zu 1) gab an, sie habe gewusst, dass der Kläger zu 2) „die Tschetschenen“ mit Kleidern und Lebensmitteln versorgt habe. Genaueres könne sie dazu aber nicht sagen. Ihr sei auch bekannt, dass er Probleme mit russischen Sicherheitskräften beziehungsweise dem russischen Geheimdienst gehabe habe. Sie sei „von diesen Leuten“ zum Teil mehrfach am Tag aufgesucht und nach ihrem Mann und seinem Aufenthaltsort gefragt worden. Da sie das aber selbst nicht gewusst habe, sei sie bedroht und in übelster Art und Weise beschimpft worden.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 8.6.2001 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Russische Föderation vorliegen,

hilfsweise,

festzustellen, dass einer Abschiebung in die Russische Föderation Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG entgegenstehen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beteiligte hat sich erstinstanzlich nicht geäußert.

Mit Urteil vom 22.5.2002 - 12 K 70/01.A - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es, es könne dahinstehen, ob der Kläger zu 2) wegen der von ihm behaupteten Unterstützung tschetschenischer Rebellen oder in Anknüpfung an seine Volkszugehörigkeit politisch motivierter Verfolgung ausgesetzt gewesen sei oder bei Rückkehr zu befürchten habe. Unabhängig davon könnten die Kläger jedenfalls auf das übrige Staatsgebiet der Russischen Föderation verwiesen werden, in dem insbesondere der Kläger zu 2) vor an eine tschetschenische Volkszugehörigkeit anknüpfenden staatlichen Verfolgungsmaßnahmen sicher sei. Zwar bestehe zwischen Russen und zwischen Bevölkerungsteilen mit kaukasischer Herkunft vielerorts ein distanziertes und angespanntes Verhältnis. Viele Russen trauten Angehörigen dieser durch „südliches“ Aussehen im Straßenbild auffallenden Bevölkerungsgruppe eine Neigung zur Kriminalität bis hin zum Auftragsmord zu. Dieser Kriminalisierung insbesondere tschetschenischer Flüchtlinge werde von russischen Politikern und Medien massiv und bewusst Vorschub geleistet, ohne dass allerdings Ausschreitungen bekannt geworden seien. Es habe zwar Diskriminierungen und Benachteiligungen gegeben, die aber weitgehend auf das Gebiet Moskaus und weiterer russischer Großstädte beschränkt gewesen seien. In anderen Teilen der Russischen Föderation, insbesondere in solchen mit einer Bevölkerung mehrheitlich kaukasischen Ursprungs wie Dagestan und Inguschetien, lebten die tschetschenischen Volkszugehörigen, von denen sich zwei Drittel außerhalb Tschetscheniens aufhielten, weitgehend unbehelligt. Zwar bestehe angesichts der wegen der Ereignisse in Tschetschenien aufgeheizten Atmosphäre eine besondere Gefährdung solcher Personen, die sich bisher in der Tschetschenienfrage engagiert hätten.

Davon sei aber bei den Klägern nicht auszugehen. Auch der Kläger zu 2) sei nach Überzeugung der Kammer durch die behaupteten Unterstützungshandlungen für die Rebellen nicht derart ins Blickfeld russischer Behörden geraten, dass bei ihm von einem erhöhten Gefährdungsrisiko im Rückkehrfall ausgegangen werden könne. Auch bei seiner Verhaftung in Moskau sei kein Zusammenhang mit bewaffneten Aktivitäten hergestellt oder vermutet worden. Die Kläger seien auch nicht anderweitig gehindert, sich außerhalb Tschetscheniens in der Russischen Föderation niederzulassen. Zwar hätten die wirtschaftlich interessanten Metropolen angesichts der Flüchtlingsflut und des Zuwanderungsdrucks ein vitales Interesse daran, einen weiteren ungeregelten Zuzug von Flüchtlingen zu begrenzen und daher werde ungeachtet der verfassungsrechtlichen Freizügigkeitsgarantie ein Zuzug von aus den südlichen Republiken stammenden Personen durch Verwaltungsvorschriften verhindert beziehungsweise erschwert. Die Kläger seien allerdings nicht gehalten, ihren Aufenthalt in solchen Großstädten zu nehmen. Eine Registrierung sei außerhalb von Großstädten auf der Grundlage der regional geltenden Auflagen grundsätzlich möglich beziehungsweise sei die Registrierungspflicht in einigen Regionen nach Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit offiziell abgeschafft worden und auch tatsächlich nicht mehr in Kraft. Etwas anderes ergebe sich insbesondere auch nicht aus dem internen, hinsichtlich seiner Authentizität ohnehin nicht belegten Befehl Nr. 541 des Innenministeriums. Dieser betreffe ausschließlich Moskau sowie andere Städte der Russischen Föderation, in denen die polizeilichen Anmeldemöglichkeiten für Tschetschenen einzuschränken beziehungsweise einzustellen seien. Einer Abschiebung der Kläger in die Russische Föderation stünden auch keine Hindernisse im Sinne des § 53 AuslG entgegen.

Zur Begründung der zugelassenen Berufung beziehen sich die Kläger auf ihr bisheriges Vorbringen und tragen weiter vor, nach den Erkenntnissen des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) aus dem Jahre 2002 hätten nur sehr wenige Flüchtlinge aus Tschetschenien in Russland einen Flüchtlingsstatus erhalten. Die Ablehnungen seien damit begründet worden, dass es sich bei dem Vorgehen der russischen Einheiten in Tschetschenien um eine „Anti-Terror-Kampagne“ handele. Die Binnenvertriebenen, denen ein Flüchtlingsstatus eingeräumt worden sei, zumeist Russen, hätten sich auf Nachstellungen durch islamisch-fundamentalistische Gruppen berufen. Trotz der offiziellen Abschaffung werde das so genannte „Propiska-System“ landesweit durch restriktive örtliche Vorschriften oder Verwaltungspraktiken weiter angewandt. In Inguschetien sei die soziale Infrastruktur dem Zustrom der Binnenflüchtlinge nicht gewachsen. Infolge von Spannungen mit der örtlichen Bevölkerung sei es bereits zu Ausweisungen gekommen. Zuletzt hätten die inguschetischen Behörden die Registrierung aller neu eintreffenden Flüchtlinge aus Tschetschenien ausgesetzt. Zudem sei in den letzten Monaten eine Tendenz der Behörden der russischen Föderation zu verzeichnen, in Inguschetien direkt zu intervenieren. Inguschetien stelle daher entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts keine Fluchtalternative für die Kläger dar. In Dagestan stehe man der Aufnahme weiterer Binnenvertriebener sehr zurückhaltend gegenüber.

Die Republiken Dagestan, Kabardino-Baktarien und Karatschei-Tscherkessien seien selbst regelmäßig mit Spannungen zwischen verschiedenen Volksgruppen konfrontiert. Die Regionen Stawropol und Krasnoda seien mehrfach vom Verfassungsgerichtshof der Russischen Föderation wegen Verstößen gegen die Bestimmungen über die Freizügigkeit und die Wahl des Aufenthalts- und Wohnorts zur Verantwortung gezogen worden. In beiden Regionen gebe es starke russisch-nationalistische Gefühle. Nur ethnische Russen hätten eine Chance, hier aufgenommen zu werden. In Nordossetien-Alanien, das mehrheitlich von christlich-russischen Osseten bewohnt sei und sich in einer wirtschaftlich trostlosen Lage befinde, seien es restriktive örtliche Verwaltungspraktiken, die tschetschenischen Binnenvertriebenen den Aufenthalt unmöglich machten. In den übrigen Teilen der russischen Föderation, auch außerhalb von Moskau und St. Petersburg, lebten größere Gruppen von Tschetschenen traditionell nicht außerhalb der nordkaukasischen Republiken und der größeren Städte. Zwar befänden sich unbestritten in Moskau 100.000 Tschetschenen. Das habe aber nichts mit der Frage zu tun, ob dort tschetschenische Flüchtlinge ihren Wohnsitz nehmen könnten. Berichten zufolge habe das Innenministerium der Föderation im November 1999 eine nicht öffentliche Weisung ausgegeben, Binnenvertriebenen aus Tschetschenien keine Identitätsdokumente auszustellen. In vielen Regionen Russlands sähen sich Tschetschenen mit polizeilichen Schikanen größeren Ausmaßes konfrontiert. Nach Erkenntnissen der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) gebe es eine zentrale Tschetschenenkartei, da gegen alle in Russland lebenden Tschetschenen eine kollektive Schuldzuweisung vorgenommen werde. In Inguschetien finde inzwischen eine vom russischen Innenministerium geleitete Vertreibungsaktion gegenüber den Migranten aus Tschetschenien statt. Den Flüchtlingen in den Lagern würden Ultimaten gestellt und Versorgungsleitungen würden gekappt. In vergleichbarer Situation befänden sich die tschetschenischen Flüchtlinge im russischen Binnenland, wie das Beispiel eines Lagers bei Twer zeige. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse gingen die Verwaltungsgerichte in Schleswig und in Neustadt/Weinstraße vom Fehlen einer inländischen Fluchtalternative für tschetschenische Flüchtlinge aus.

Danach werde das Registrierungswesen als Hauptinstrument gegen die Flüchtlinge eingesetzt, das in verschiedenen Gebieten Russlands durch zusätzliche Verordnungen verschärft werde. Das wohl ausschlaggebende Instrument sei ein interner Befehl des Innenministeriums vom 17.9.1999 über Anti-Terror-Maßnahmen. Auf dieser Grundlage würden unter dem Vorwand der Ausweiskontrolle durch russische Milizen gezielt Tschetschenen verfolgt. Angesichts der anti-tschetschenischen Hetze werde es für Tschetschenen zunehmend schwerer, in der Anonymität von Großstädten illegal eine Bleibe zu finden. Nach Ansicht des VG Neustadt/Weinstraße könnten die Flüchtlinge aus Tschetschenien zwar in einer Vielzahl von Fällen in den großen Städten Russlands illegal leben und das Lebensnotwendige verdienen. Darauf könnten sie indes rechtlich nicht verwiesen werden. Orte, an denen ein legaler Aufenthalt möglich sei, seien von den Auskunftsstellen bisher nicht konkret benannt worden. Die Suche danach sei daher letztlich mit einem unkalkulierbaren und unzumutbaren Risiko verbunden. Dort habe sich durch die Wahl des „kremlfreundlichen“ Geheimdienstgenerals Sjasikow im April 2002 ein Machtwechsel mit konkreten Auswirkungen auf die Flüchtlingssituation vollzogen. Auch amnesty international gehe allgemein von einer fehlenden Rückkehrmöglichkeit in die russische Föderation aus, da es praktisch in allen Teilen Russlands zu Übergriffen komme. Nach der Moskauer Geiselnahme vom 23. bis 26.10.2002 sei es auch an den wenigen davor als Fluchtalternative in Betracht kommenden Orten für tschetschenische Flüchtlinge nicht mehr möglich, sich niederzulassen. Das gelte auch für die Wolgaregion.

Die Kläger beantragen,

unter die Beklagte Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 22.5.2002 - 12 K 70/01.A – sowie unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheids vom 8.6.2001 zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich einer Abschiebung in die Russische Föderation vorliegen,

hilfsweise,

dass einer Abschiebung in die Russische Föderation Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 8 und 10 AufenthG entgegenstehen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Ansicht, die Kläger könnten auf eine inländische Fluchtalternative in der Wolgaregion der Russischen Föderation verwiesen werden. Da sie sich nicht in der tschetschenischen Sache engagiert hätten, müsse ihre Sicherheit in diesem Landesteil Russlands nicht in Frage gestellt werden. Unter Berücksichtigung des Maßstabs beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohten den Klägern auch keine anderen Nachteile und Gefahren an diesem Zufluchtsort. Zwar könne eine Konfrontation mit erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht ausgeschlossen werden, doch seien diese in Tschetschenien nicht weniger gravierend im Hinblick auf die in der Region wegen andauernder Kampfhandlungen herrschende humanitäre Notlage. Etwaige Gefahren erreichten auch nicht die Schwelle des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG (nunmehr § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG).

Der Beteiligte hat sich auch im Rechtsmittelverfahren nicht geäußert.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der zugehörigen Verwaltungsunterlagen und der im Sitzungsprotokoll sowie in der Anlage dazu genannten Auszüge aus der bei Gericht geführten Dokumentation „Russische Föderation“ verwiesen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Sache konnte verhandelt und entschieden werden, obwohl der Beteiligte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Die an ihn gerichtete ordnungsgemäße Ladung war mit einem dem § 102 Abs. 2 VwGO entsprechenden Hinweis versehen.

Die zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten (Bundesamt) vom 8.6.2001 zu Recht abgewiesen, soweit darin die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG abgelehnt worden ist. Diese Verwaltungsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt die Kläger daher nicht in subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Den Klägern steht kein Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des inzwischen an die Stelle des ehemaligen ausländergesetzlichen Abschiebungsverbots getretenen § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich der Russischen Föderation zu. Die in dieser im Wesentlichen den bisherigen Regelungsgehalt fortschreibenden, an den Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention (GK) angelehnten Vorschrift genannten tatsächlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot hat das Verwaltungsgericht im Falle der Kläger in dem angegriffenen Urteil zutreffend verneint; sie liegen auch aus heutiger Sicht (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) nicht vor. Die Kläger wären bei einer Rückkehr in die Russische Föderation nicht wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen politischer Überzeugungen durch eines der in § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannten potentiellen Verfolgungssubjekte an Leib und Leben bedroht.

In dem Zusammenhang mag dahinstehen, ob es sich bei dem Kläger zu 2) – entsprechend seinen Behauptungen – um einen tschetschenischen Volkszugehörigen handelt. Dies hat die Beklagte in ihrer Entscheidung dezidiert und unter Angabe beachtlicher Gründe, insbesondere aber wegen des Fehlens jeglicher Kenntnisse der tschetschenischen Sprache, verneint. Diesen Umstand hat der Kläger zu 2) – wenig nachvollziehbar – damit erklärt, dass er nach dem Tod seines früh verstorbenen Vaters („Ruslan Jusupov“) von seiner Mutter („Ludmilla B.“) in einem Waisenhaus abgegeben worden und dann dort aufgewachsen sei. Eine nähere Aufklärung dieser Tatsachenfrage war in der mündlichen Verhandlung nicht möglich, da der nicht persönlich erschienene Kläger zu 2) nach den Angaben der Klägerin zu 1) vor mehreren Wochen spur- und kommentarlos verschwunden ist und sein aktueller Aufenthaltsort trotz entsprechender Suche auch durch die eingeschaltete Polizei nicht ermittelt werden konnte. Für die vorliegende Entscheidung kann die Richtigkeit der Angaben des Klägers zu 2) zu seiner Volkszugehörigkeit indes im Ergebnis unterstellt werden. Auch vor dem Hintergrund ergibt sich für ihn kein Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG.

Für eine individuell erlittene politische Verfolgung vor dem Verlassen des Heimatlandes bieten der Sachvortrag der Kläger bei deren Anhörung beim (damaligen) Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und das Vorbringen im gerichtlichen Verfahren keine ausreichenden Anhaltspunkte. Die Darlegungen der Kläger zu einem erlittenen Verfolgungsschicksal des Klägers zu 2) aufgrund seiner angeblichen Teilnahme an den Kämpfen der tschetschenischen Rebellen gegen russische Einheiten genügen den von der Rechtsprechung für die Glaubhaftmachung eines Verfolgungsschicksals in Asyl- und Flüchtlingsverfahren entwickelten Anforderungen nicht. Danach ist der Schutzsuchende aufgrund ihm obliegender prozessualer Mitwirkungspflichten gehalten, von sich aus unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich die Voraussetzungen seines Anerkennungsanspruchs ergeben. Bleibt sein Vorbringen hinter diesen Anforderungen zurück, so kann er bereits deshalb nicht als Asylberechtigter (Art. 16a GG) beziehungsweise – hier - als Schutzbedürftiger im Verständnis des § 60 Abs. 1 AufenthG anerkannt werden. Zwar kann wegen der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten bereits der Tatsachenvortrag des Asylbewerbers zu einer Anerkennung führen, das aber nur dann, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die erforderliche Überzeugungsgewissheit seiner Wahrheit vermittelt wird. Das in freier Würdigung des Sachverhalts entscheidende Gericht (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) darf einer aus Sicht des Betroffenen positiven Entscheidung dabei nur einen von ihm als feststehend erachteten, nicht hingegen einen von ihm lediglich als mehr oder weniger wahrscheinlich angesehenen Sachverhalt zugrunde legen. Das Vorbringen eines Asylbewerbers (Schutzsuchenden) kann nach diesen Maßstäben als unglaubhaft beurteilt werden, wenn es erhebliche nicht überzeugend aufgelöste Widersprüche und/oder Steigerungen im Vortrag enthält.

Letzteres ist vorliegend der Fall. Dabei ist hervorzuheben, dass sich der Senat auch zu diesen Schilderungen aus dem schon zuvor genannten Grund keinen persönlichen Eindruck von der Glaubhaftigkeit des Sachvortrags beziehungsweise von der persönlichen Glaubwürdigkeit des Klägers zu 2) verschaffen konnte. Nach dem von daher allein als Beurteilungsgrundlage zur Verfügung stehenden Akteninhalt handelt es sich bei dem Vortrag des Klägers zu 2) um den klassischen Fall eines sich aus Anlass negativer Entscheidungen in die vermeintlich „richtige“ Richtung steigernden Vorbringens. War der Kläger zu 2) anfänglich nach seinen Schilderungen ein friedlicher Tschetschene, der mit dem Krieg nichts zu tun haben wollte, lediglich „Brot und Lebensmittel“ für sein Volk zur Verfügung gestellt hatte und sich wunderte, dass bei den Russen alle Tschetschenen quasi unter dem Verdacht des Terrorismus standen, so stellte er sich im erstinstanzlichen Verfahren als aktiver tschetschenischer Freiheitskämpfer dar, der – so die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht – selbst Waffen beschafft und transportiert und an Kampfhandlungen auf Seiten der Partisanen gegen die Russen teilgenommen haben wollte. Der Vortrag scheint daher nach dem Akteninhalt insgesamt in sich unschlüssig und damit unglaubhaft. Gegen die Glaubhaftigkeit spricht auch die Behauptung des Klägers zu 2), dass seine Aktivitäten bei der angeblichen Verhaftung in Moskau glücklicher Weise - wohlgemerkt trotz der behaupteten tschetschenischen Volkszugehörigkeit - „nicht aufgefallen“ seien. Die geschilderte Verhaftung in Moskau erscheint insgesamt wenig überzeugend. Dabei will der Kläger zu 2) wegen fehlender Papiere mitgenommen und insgesamt drei Tage lang festgehalten worden sein, wobei die Polizisten „die wildesten Vermutungen“ hinsichtlich seiner Person angestellt haben sollen. Legt man den Vortrag des Klägers zu 2) in der Sitzung des Verwaltungsgerichts zugrunde, wo er sich zum – je nach Perspektive – Freiheitskämpfer beziehungsweise Terroristen „entwickelt“ hatte, der zudem durch den russischen Geheimdienst namentlich enttarnt und von diesem auch gesucht worden sein will, so scheint es sehr unglaubhaft, dass er nach der Verhaftung in Moskau keine Probleme gehabt haben sollte. Dass die Einlassung der Klägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, dass sie einerseits „rollentypisch“ von dem Kläger zu 2) nicht in dessen Aktivitäten eingeweiht worden sei und dass dieser andererseits in Deutschland zunächst nicht habe „die Karten auf den Tisch legen“ wollen, nicht geeignet ist, die Glaubwürdigkeitsbedenken zu zerstreuen oder gar die Annahme eines den eingangs genannten Anforderungen genügenden glaubhaften Sachvortrags zu rechtfertigen, bedarf keiner Vertiefung. Vielmehr spricht alles dafür, dass die Kläger ihre Heimat verlassen haben, um der dortigen bekannt äußerst trostlosen, weder ihnen noch insbesondere der Klägerin zu 3) eine vernünftige Perspektive bietenden allgemeinen Lage zu entgehen. Die Annahme einer politischen Verfolgung im Verständnis des Flüchtlingsrechts (§ 60 Abs. 1 AufenthG) rechtfertigt das offensichtlich nicht.

Neben der zeitlichen Dimension des Falles ist bemerkenswert die ethnische Zuordnung der Klägerin zu 1). Zumindest bei ihr handelt es sich um eine (rein) russische Volkszugehörige. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes rechtfertigt aber die Frage, ob Tschetschenen russischer Volkszugehörigkeit in der Russischen Föderation eine inländische Fluchtalternative offen steht, nicht (einmal) die Zulassung der Berufung, da sie sich bereits nach der allgemeinen Auskunftslage ohne weiteres bejahen lässt. Zweifel an der Richtigkeit dieser Rechtsprechung ergeben sich auch nicht auf der Grundlage des Vorbringens der Kläger im vorliegenden Verfahren. Diese gehen danach im Berufungsverfahren selbst von einer Möglichkeit russischer Volkszugehöriger aus, beispielsweise in den Regionen Stawropol und Krasnodar Aufnahme zu finden. Sie weisen ferner in anderem Zusammenhang darauf hin, dass es sich bei den Binnenvertriebenen aus Tschetschenien, denen ein Flüchtlingsstatus durch die russischen Migrationsbehörden eingeräumt worden ist, „zumeist um Russen“ gehandelt habe, die sich auf Nachstellungen durch islamische Fundamentalisten berufen hätten. Wie auszuführen sein wird, ist eine inländische Fluchtalternative selbst für tschetschenische Volkszugehörige, also vorliegend erst recht für die nach ihrem Vortrag nie von den russischen Sicherheitskräften behelligte Klägerin zu 1), zu bejahen. Auch wenn man – wie die Klägerin zu 1) das in der mündlichen Verhandlung reklamiert hat – den Blick auf den Umstand einer unterschiedlichen Ethnie bei den Klägern zu 1) und 2) richtet, so bleibt aus Sicht des Senats jedenfalls festzuhalten, dass die russische Volkszugehörigkeit der Klägerin zu 1) im Vergleich zu einer Familie rein tschetschenischer Herkunft die Chancen eines anderweitigen Unterkommens in Russland zumindest verbessert. Auch dem Kläger zu 2) drohte in Ansehung einer – nach dem eingangs Gesagten immer unterstellten - tschetschenischen Volkszugehörigkeit im Rückkehrfall keine politische Verfolgung (§ 60 Abs. 1 AufenthG).

Auszuschließen ist zunächst eine Verfolgung aller tschetschenischen Volkszugehörigen im (gesamten) Staatsgebiet der Russischen Föderation und zwar sowohl für den Ausreisezeitpunkt der Klägerin als auch für die heutige Situation. Das vorhandene Auskunftsmaterial rechtfertigt bei Anlegung der hierzu in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten strengen Maßstäbe nicht die Annahme einer landesweiten Gruppenverfolgung. Ungeachtet des im Gefolge der Kriegsereignisse in Tschetschenien insbesondere seit dem Jahre 1999 erneut zugespitzten, bekanntermaßen sehr angespannten Verhältnisses zwischen der (ethnisch) russischen Bevölkerung und den im Kaukasus beheimateten Volksgruppen, insbesondere den Tschetschenen, kann mit dem vorliegenden Auskunftsmaterial weder ein staatliches (russisches) Verfolgungsprogramm mit dem Ziel einer physischen Vernichtung und/oder der gewaltsamen Vertreibung aller Tschetschenen aus dem Staatsgebiet nachgewiesen werden, noch lassen bekannt gewordene Einzelverfolgungsmaßnahmen mit Blick auf die zahlenmäßige Größe der die bei weitem größte der im Nordkaukasus beheimateten Ethnien stellenden Tschetschenen die Feststellung einer die Annahme einer landesweiten Gruppenverfolgung gebietenden Verfolgungsdichte zu. Weder Anzahl noch Intensität der für die sonstigen Bereiche der Russischen Föderation bekannt gewordenen Übergriffe gegen Personen tschetschenischer Volkszugehörigkeit sind mit den gezielten Angriffen auf Leib und Leben der Zivilbevölkerung in Tschetschenien selbst vergleichbar.

Weniger klar erscheint die Beantwortung der Frage, ob bezogen auf das Territorium von Tschetschenien bei einer auf dieses Gebiet beschränkten Betrachtung das Vorliegen der genannten Voraussetzungen für die Annahme einer Gruppenverfolgung bejaht werden muss. Hierfür mag es trotz anders lautender obergerichtlicher Entscheidungen aus jüngerer Vergangenheit insbesondere seit Beginn der erneuten, von der russischen Führung als „antiterroristische Operation“ bezeichneten militärischen Auseinandersetzungen ab Ende 1999, die nach weitgehender „Zurückeroberung“ des tschetschenischen Territoriums durch russisches Militär in einen bis heute, also auch nach dem Abschluss der offenen kriegerischen Auseinandersetzungen im Jahre 2003, andauernden Guerilla-Krieg mündeten, Anhaltspunkte geben. Diese Beurteilung wird insbesondere dadurch erschwert, dass sich die von russischer Seite als „innere Angelegenheit“ betrachtete, gemeinhin als Zweiter Tschetschenienkrieg bezeichnete und unstreitig mit regelmäßig äußerst grausamen Maßnahmen der Sicherheitskräfte gegenüber der Zivilbevölkerung Tschetscheniens (sog. „Säuberungsaktionen“) einhergehende Vorgehensweise weitgehend „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ vollzieht. Die Bestimmung eines aus der Relation der Zahl der potentiell Betroffenen und der Zahl der dokumentierten Übergriffe zu ermittelnden individuellen Gefährdungspotentials ist von daher nur schwer möglich. Einigkeit besteht aber allgemein darüber, dass die Menschenrechtslage in Tschetschenien bis heute ungeachtet anders lautender offizieller regierungsseitiger Verlautbarungen für die von einer Vielzahl von Rechtsverletzungen in Form von willkürlichen Verhaftungen, Entführungen, „Verschwinden“, Misshandlungen, Vergewaltigungen und Ausraubungen betroffene Zivilbevölkerung der Region als „äußerst besorgniserregend“ bezeichnet werden muss. Ob die Vorgänge und Verhältnisse die Annahme einer begrenzten Kollektivverfolgung (aller) Tschetschenen in ihrer Heimatregion rechtfertigen, kann im Ergebnis für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits allerdings dahinstehen.

Selbst wenn man aber insoweit das Vorliegen einer „regionalen Gruppenverfolgung“ ethnischer Tschetschenen im Sinne der angesprochenen höchstrichterlichen Rechtsprechung seit dem Ausbruch des die vorherige faktische Autonomie Tschetscheniens beendenden Zweiten Tschetschenienkrieges unter Hintanstellung der Frage des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative für Tschetschenen schon bei Ausbruch der Kampfhandlungen – unterstellt und mithin trotz individuell unverfolgter Ausreise in seinem Fall den für die Konstellation der Vorverfolgung im Asyl- und Flüchtlingsrecht geltenden „herabgestuften“ Prognosemaß für die Feststellung einer Rückkehrgefährdung im Verständnis des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zugrunde legt, so könnte das Anerkennungsbegehren des Klägers zu 2) keinen Erfolg haben. Ihm stünde in diesem Fall, wie das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Urteil zutreffend und in Übereinstimmung mit der insoweit ersichtlich einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung entschieden hat, zumindest eine inländische Fluchtalternative in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens zur Verfügung. Der Kläger zu 2) wäre im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation ungeachtet einer tschetschenischen Volkszugehörigkeit zum einen „hinreichend sicher“ vor politischer Verfolgung und hätte zum anderen dort auch „grundsätzlich die Möglichkeit zum Überleben“. Das hätte nach dem zuvor Gesagten – ihre Verfolgungsgefährdung in Tschetschenien immer unterstellt - erst recht für die russische Klägerin zu 1) zu gelten. Dies schließt mit Blick auf den im Flüchtlingsrecht geltenden Grundsatz der Subsidiarität des Schutzes vor politischer Verfolgung im Zufluchtsstaat, hier in der Bundesrepublik Deutschland, den geltend gemachten Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG aus.

Dabei mag es zutreffen, dass – wie die Kläger behaupten und wofür nach den vorliegenden Dokumenten einiges spricht – bestimmte territoriale Einheiten des Föderationsgebiets, speziell etwa das nach der „Wahl“ des moskautreuen Regierungschefs Sjasikow durch einen Politikwechsel in der Behandlung tschetschenischer Flüchtlinge gekennzeichnete und auch wirtschaftlich allenfalls noch begrenzt aufnahmefähige Inguschetien, im gegenwärtigen Zeitpunkt keine zumutbare Fluchtalternative für Tschetschenen (mehr) bieten. Ob das in dieser Allgemeinheit auch für die von den Klägern im Berufungsverfahren unter Hinweis auf Erkenntnisse des UNHCR angeführten weiteren Regionen der Russischen Föderation, etwa Kabardino-Balkarien, Dagestan, Karatschei-Tscherkessien, Stawropol und Krasnodar sowie für Nordossetien-Alanien gilt, ist nach den vorgetragenen Gründen zumindest zweifelhaft, bedarf aber hier keiner abschließenden Beurteilung. Bei diesen Regionen handelt es sich – zusammen gesehen – allenfalls um einen kleineren Teil des Territoriums der Russischen Föderation und nach Überzeugung des Senats ist jedenfalls davon auszugehen, dass in den verbleibenden Gebieten eine Gefährdung des Klägers zu 2) oder allgemein in das Heimatland zurückkehrender tschetschenischer Volkszugehöriger zwar nicht mit Sicherheit, aber doch jedenfalls mit einem so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass selbst bei der unterstellten Anwendbarkeit des aus Sicht der Kläger günstigen (herabgestuften) Prognosemaßstabs die Rückkehrer jedenfalls „hinreichend sicher“ sind.

Das gilt auch, wenn man – wovon alle Quellen übereinstimmend, wenngleich in unterschiedlichen Ausmaßen, berichten - davon ausgeht, dass das in der Verfassung der Russischen Föderation garantierte Recht auf Freizügigkeit, insbesondere hinsichtlich der Wahl des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthaltsortes, in der Praxis ungeachtet der 1993 durch das so genannte Föderationsgesetz eingeführten vereinfachten Registrierungsmöglichkeiten an zahlreichen Orten der Russischen Föderation nicht gleichermaßen uneingeschränkt in Anspruch genommen werden kann, und der Zuzug von Vertriebenen des Tschetschenienkriegs – auch wegen Ressentiments gegen Personen kaukasischer Herkunft – jedenfalls was eine an den Wohnsitznachweis geknüpfte Dauerregistrierung angeht, stark erschwert wird. Nach Überzeugung des Senats lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass es tschetschenischen Volkszugehörigen außerhalb der zuvor erwähnten „Problemzonen“ in der Russischen Föderation „flächendeckend“ nicht möglich wäre, unter Inanspruchnahme der geschilderten rechtlichen Garantien in der ein oder anderen Weise einen gesicherten Aufenthalt zu begründen. In dem Zusammenhang hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23.6.2005 zu Recht darauf hingewiesen, dass insbesondere die Menschenrechtsorganisation MEMORIAL an vielen Orten der Russischen Föderation eine Vielzahl von Unterstützungsstellen für betroffene Binnenflüchtlinge insbesondere aus Tschetschenien unterhält, mit deren Hilfe auch in einer Reihe von Fällen willkürlicher behördlicher Verweigerung der Aufenthaltsberechtigung erfolgreich entgegengetreten werden konnte. Die teilweise rechtswidrigen behördlichen Praktiken in bestimmten Teilen Russlands sind ferner mehrfach von Seiten des russischen Menschenrechtsbeauftragten und durch das Oberste Verfassungsgericht Russlands im Rahmen von Entscheidungen zugunsten registrierungswilliger Bürger beanstandet worden.

Das belegt allein die unstreitig in die Hunderttausende gehende Zahl der in der Russischen Föderation dauerhaft verbliebenen Binnenflüchtlinge aus Tschetschenien, von denen trotz einer allgemeinen politischen Zielsetzung, die Rückkehr nach Tschetschenien zu befördern, nicht bekannt ist, dass sie, sieht man einmal von dem Sonderfall der Nachbarrepublik Inguschetien ab, derart drangsaliert oder unter Druck gesetzt würden, dass ein Verbleib an den jeweiligen Zufluchtsorten in nennenswerter Zahl zwangsweise beendet würde. Glaubhaften Berichten zufolge hält sich gegenwärtig nur noch ein Drittel der ehemaligen Bevölkerung in Tschetschenien auf; der Rest ist geflohen und lebt überwiegend in anderen Gebieten der Russischen Föderation, davon etwa 50.000 allein in der Region Wolga. Dem steht ganz offenbar auch eine in weiten Teilen der Föderation ansiedlungsfeindliche Anwendung des neuen Registrierungsinstrumentariums in gesetzlich gerade nicht (mehr) vorgesehener Anwendung der früheren Praxis in der Sowjetunion nicht entgegen. Angesichts der vielfachen Verweise auf einen jeweils nicht registrierten Aufenthalt von Tschetschenen in Gebieten der Russischen Föderation muss aber auch davon ausgegangen werden, dass die Betroffenen in vielen Fällen, möglicherweise mit Blick auf die historischen Dimensionen des Konflikts zwischen Russen und Kaukasiern durchaus verständlich, wenn sie eine „Bleibe“ beispielsweise bei Bekannten und Verwandten oder auch nur in einem von Kaukasiern geprägten Umfeld gefunden haben, wenig Neigung zeigen, den Kontakt mit staatlich-russischen Stellen zu suchen.

Das Gesagte gilt allem Anschein nach sogar für die – letztlich wohl aus wirtschaftlichen Gründen – nicht nur gegenüber tschetschenischen Volkszugehörigen, sondern allgemein „zuzugsfeindlichen“ russischen Großstädte Moskau und St. Petersburg, bei denen es sich um die Wirtschaftsmetropolen des Landes mit allen unter wirtschaftlich angespannten Verhältnissen üblichen – positiven wie negativen – Begleiterscheinungen handelt, jedenfalls aber – und schon das schließt den Anerkennungsanspruch aus - für die ländlich geprägten („unproblematischen“) Bereiche des Territoriums der Russischen Föderation. Nicht einmal die in ihren Stellungnahmen bekanntermaßen nicht „flüchtlingsfeindlichen“ Menschenrechtsorganisationen gehen von einer „flächendeckenden“ Verweigerung der Aufenthalts- oder Niederlassungsberechtigung bei Tschetschenen aus. So war es beispielsweise den Klägern des am selben Tag verhandelten insofern – gerade auch hinsichtlich der gemischt-ethnischen, russisch-tschetschenischen Ehe - gleich gelagerten Parallelverfahrens 2 R 16/03 nach deren eigenem Vorbringen sogar in Moskau, wo unstreitig eine große Zahl ethnischer Tschetschenen lebt, möglich, über zwei Jahre hinweg Unterkunft und ein zumindest den Lebensunterhalt sicherstellendes wirtschaftliches Auskommen zu finden.

Der von den Klägern schriftsätzlich angesprochene, angeblich im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausbruch des zweiten Tschetschenienkriegs beziehungsweise der Inangriffnahme der antiterroristischen Operationen in der Region ergangene „Befehl“ Nr. 541 des früheren russischen Innenministers Ruschajlo vom 17.9.1999 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Nach der Erkenntnislage muss mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesem „Befehl“ um eine Fälschung handelt.

Eine Unzumutbarkeit der Verweisung der Kläger auf eine inländische Fluchtalternative lässt sich auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass es insbesondere in Moskau und in anderen Großstädten Russlands, die aufgrund ihrer Struktur für terroristische Aktivitäten besonders sensible Bereiche und „anfällige Ziele“ darstellen, gegenüber Personen kaukasischer Herkunft vergleichsweise vermehrt zu Personenkontrollen und, gerade bei fehlender Legitimierung, auch zu weitergehenden polizeilichen Maßnahmen kommt. Auch unter hiesigen rechtsstaatlichen Aspekten müssen es selbst ansonsten individuell zunächst „unverdächtige“ Personen, die einer abgrenzbaren Gruppe angehören, von der im Vergleich zu anderen Bevölkerungskreisen eine erhebliche erhöhte Gefährdung für die Gesamtbevölkerung ausgeht, hinnehmen, dass sie in statistisch vermehrtem Maße im Interesse der Sicherheit aller Staatsbürger Kontrollen und Untersuchungen mit den damit verbundenen polizeilichen Eingriffsmaßnahmen, etwa erkennungsdienstlicher Behandlung, unterzogen werden. Dass es allgemein auch in Russland eine überproportional hohe Verflechtung von Tschetschenen mit der organisierten Schwerkriminalität gibt und dass insbesondere durch Angehörige dieses Volkes unter Berufung auf ein angebliches Recht zum „Gegenterror“ schwerste Terrorakte mit einer Vielzahl unschuldiger Opfer unter der Zivilbevölkerung begangen wurden, ist bekannt. Davon ausgehend ist es jedem Staat nicht nur zuzugestehen, sondern es erscheint aus Gründen der inneren Sicherheit geradezu angezeigt, diesen Personenkreis durch seine Sicherheitskräfte „im Auge zu behalten“. Jedenfalls nicht gerechtfertigt erscheint es, in dem Zusammenhang pauschal vom „Wohnungsdurchsuchungen aus rassistischen Gründen“ zu sprechen. Dass es bezogen auf die erwähnt große Zahl der in den als Fluchtalternative in Betracht kommenden Gebieten in der Russischen Föderation lebenden Tschetschenen ausweislich der Dokumentation in Einzelfällen zu Übergriffen von Sicherheitskräften gegenüber den Betroffenen und auch zu einer Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas mit der Folge spontaner Aktionen aus der russischen Bevölkerung heraus gegenüber unschuldigen Tschetschenen gekommen ist, soll hier nicht gerechtfertigt werden, lässt aber andererseits insbesondere auch vor dem Hintergrund der Neuregelung hinsichtlich potentieller Verfolgungssubjekte in § 60 Abs. 1 Satz 4 lit. c AufenthG nicht den Schluss zu, dass für jeden einzelnen tschetschenischen Rückkehrer eine landesweit beachtlich wahrscheinliche und nicht durch staatliche Sicherheitskräfte zu beherrschende Gefährdung bestünde, Opfer einer solchen Maßnahme zu werden.

Auch die wirtschaftlichen Zumutbarkeitskriterien für die Annahme einer gegenüber dem Flüchtlingsschutz im Aufnahmeland vorrangigen inländischen Fluchtalternative sind gegeben. Dass die Rückkehrer keine einfachen, sondern unter vielen Aspekten schwierige Lebensverhältnisse vorfinden werden, ist, wie schon das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, nicht in Abrede zu stellen. Es findet sich in der Dokumentation kein Bericht darüber, dass es in den nach Auffassung des Senats als solche in Betracht kommenden Bereichen der Russischen Föderation, in denen insgesamt Hunderttausende von vor den kriegerischen Auseinandersetzungen in Tschetschenien geflohenen oder auch bereits zuvor nach Russland umgezogenen Tschetschenen als Binnenflüchtlinge eine Bleibe gefunden haben, gerade unter diesem Personenkreis zu gravierenden Versorgungsengpässen oder gar zu personenübergreifenden Hungersnöten oder vergleichbaren überindividuellen humanitären Katastrophen gekommen wäre. Daher ist die grundsätzliche Möglichkeit zum Überleben zu bejahen und es spricht nichts Durchgreifendes für die Prognose, dass den Klägern im Rückkehrfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit an den alternativen Orten auf Dauer ein Leben unterhalb des Existenzminimums drohte, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tod führen könnte. Unter diesem Gesichtspunkt kommt es schließlich entgegen der Auffassung der Kläger nicht darauf an, dass die mögliche Existenzsicherung unter Umständen – wie das bei einer Vielzahl von Bürgern der Russischen Föderation der Fall ist – durch Betätigungen im Bereich der so genannten „Schattenwirtschaft“ bewerkstelligt wird.

Des ungeachtet erschiene ohnedies zweifelhaft, ob – gegebenenfalls – das Fehlen eines wirtschaftlichen Existenzminimums am Ort der inländischen Fluchtalternative im konkreten Fall angesichts der desolaten wirtschaftlichen Situation in der Heimatregion Tschetschenien bei Wegzug der Kläger im Jahre 2000 und auch heute überhaupt als verfolgungsbedingt und – nur dann – erheblich für die rechtliche Beurteilung eingestuft werden könnte. Derartige am verfolgungssicheren Ort drohende, nicht durch eine politische Verfolgung bedingte Gefahren schließen diesen Ort als inländische Fluchtalternative nur aus, wenn eine gleichartige existenzielle Gefährdung am Herkunftsort nicht bestünde.

Dass die Kläger die als Fluchtalternativen in Betracht kommenden Gebiete der russischen Föderation schließlich – was im Rechtssinne die Annahme einer den Anspruch aus § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ausschließenden inländischen Fluchtalternative voraussetzt – auch tatsächlich erreichen können, unterliegt aus Sicht des Senats ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Dabei kommt es hier nicht auf die von den Klägern in dem Zusammenhang unter Hinweis auf die Einrichtung so genannter Filtrationslager thematisierten angeblich eingeschränkten Möglichkeiten an, aus Tschetschenien „herauszukommen“, was den Klägern offenbar ohne Schwierigkeiten gelungen ist. Entscheidend ist vielmehr die Frage einer nach den Modalitäten zumutbaren Einreisemöglichkeit in die Russische Föderation. Eine solche besteht grundsätzlich. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts konnte keiner der erhobenen Vorwürfe einer willkürlichen Freiheitsentziehung, Erpressung oder gar Misshandlung von in die Russische Föderation zurückkehrenden „unauffälligen“ tschetschenischen Volkszugehörigen verifiziert werden. Entgegenstehende Anhaltspunkte zeigt der Sachvortrag der Kläger nicht auf, wobei allgemein festzuhalten bleibt, dass ein bloßer Verweis auf fehlende Reisedokumente in dem Zusammenhang nicht ausreicht, da solche – die geschuldete Mitwirkung des Ausländers unterstellt – regelmäßig beschafft werden können. Für eine generelle und „standhafte“ Weigerung der russischen Stellen in Deutschland, eigenen Bürgern entgegen völkerrechtlichen Verpflichtungen die für die Wiedereinreise notwendigen Personaldokumente auszustellen, bestehen insbesondere mit Blick auf die in der Dokumentation befindlichen Berichte über erfolgreiche Rückführungen in die Russische Föderation keine durchgreifenden Anhaltspunkte.

Schließlich kann auch vor dem Hintergrund des in der Russischen Föderation eingeführten befristeten Erfordernisses des Umtauschs von Inlandspässen nicht von einer nach der Rückkehr bestehenden Verpflichtung der Kläger zu einer zumindest vorübergehenden erneuten Rückkehr nach Tschetschenien selbst ausgegangen werden. Dabei mag dahinstehen, ob die Kläger überhaupt im Besitz der nach dem am 6.2.1992 in Kraft getretenen russischen Staatsbürgerschaftsgesetz beziehungsweise der Begrenzung ihrer Gültigkeitsdauer bis zum 1.1.2004 umtauschpflichtigen „alten“ sowjetischen Pässe waren. Nach dem vorliegenden Erkenntnismaterial ist davon auszugehen, dass selbst bei umtauschpflichtigen Bürgern der Russischen Föderation im vorgenannten Verständnis die dafür notwendigen behördlichen Formalitäten – gegebenenfalls unter Zuhilfenahme wiederum von Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen in Russland nicht nur am Ort einer Registrierung, sondern auch am Wohnort vorgenommen werden können. Daher kann in der Gesamtschau nicht angenommen werden, dass das neue Russische Passrecht zwingend zur Folge hat, dass sich Passbewerber zum Umtausch oder zur Neuausstellung eines Inlandspasses an den Ort ihrer letzten Registrierung – im Falle der Kläger also nach Tschetschenien – begeben müssen.

Hat damit das Verwaltungsgericht die Klage mit dem Hauptantrag zu Recht abgewiesen, so bleibt mit Blick auf das hilfsweise geltend gemachte Verpflichtungsbegehren festzustellen, dass auch die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 2 bis 8 beziehungsweise 10 AufenthG nicht erfüllt sind. Das gilt, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen entnehmen lässt, insbesondere hinsichtlich des an die Stelle des bisherigen § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG getretenen § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, nach dem von einer Abschiebung abgesehen werden soll, wenn im Zielstaat für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit besteht. Insoweit ist, was die Geltendmachung einer Gefährdung durch die allgemeine wirtschaftliche Versorgungslage angeht, zusätzlich auf die vom Bundesgesetzgeber beibehaltene – vorliegend beachtliche - Sperrwirkung nach den §§ 60 Abs. 7 Satz 2, 60a AufenthG für die Berücksichtigungsfähigkeit von so genannten Allgemeingefahren für die Bevölkerung oder auch nur Bevölkerungsgruppen im Herkunftsstaat hinzuweisen. Darüber hinausgehende humanitäre Gesichtspunkte, wie sie letztlich den Empfehlungen des UNHCR und verschiedener Menschenrechtsgruppen, gegenwärtig auf eine Rückführung von tschetschenischen Volkszugehörigen in die Russische Föderation zu verzichten, zugrunde liegen, hat der Bundesgesetzgeber auch am Maßstab des Verfassungsrechts in zulässiger Weise den hierfür zuständigen politischen Entscheidungsträgern überantwortet; sie haben daher für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens keine Bedeutung.

Der nicht weiter substantiierte und auch nicht durch die Vorlage ärztlicher Atteste konkretisierte Hinweis ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, dass sich die Klägerin zu 1) in psychotherapeutischer Behandlung befinde und dass ihre eine maximal dreiwöchige Kur bewilligt worden sei, bietet offensichtlich keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass in ihrem Fall ein individuelles zielstaatsbezogenes und daher im vorliegenden Verfahren im Rahmen des § 60 Abs. 1 AufenthG berücksichtigungsfähiges Abschiebungshindernis aus medizinischen Gründen besteht.

Einer Rückführung der Kläger in die Russische Föderation stünde auch nicht das sich – nunmehr – aus dem § 60 Abs. 2 und 5 AufenthG i.V.m. den Bestimmungen des Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergebende Verbot entgegen, wonach niemand durch seine Abschiebung der Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Strafe oder Behandlung ausgesetzt werden darf. Insbesondere Art. 3 EMRK schützt ebenso wie das Asylrecht im Ansatz nicht vor den allgemeinen Folgen von Naturkatastrophen, Bürgerkriegen und anderen bewaffneten Auseinandersetzungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 83b Abs. 1 AsylVfG (a.F.) und 154 Abs. 2, 159 VwGO, 100 ZPO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Gründe

Die Sache konnte verhandelt und entschieden werden, obwohl der Beteiligte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Die an ihn gerichtete ordnungsgemäße Ladung war mit einem dem § 102 Abs. 2 VwGO entsprechenden Hinweis versehen.

Die zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten (Bundesamt) vom 8.6.2001 zu Recht abgewiesen, soweit darin die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG abgelehnt worden ist. Diese Verwaltungsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt die Kläger daher nicht in subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Den Klägern steht kein Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des inzwischen an die Stelle des ehemaligen ausländergesetzlichen Abschiebungsverbots getretenen § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich der Russischen Föderation zu. Die in dieser im Wesentlichen den bisherigen Regelungsgehalt fortschreibenden, an den Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention (GK) angelehnten Vorschrift genannten tatsächlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot hat das Verwaltungsgericht im Falle der Kläger in dem angegriffenen Urteil zutreffend verneint; sie liegen auch aus heutiger Sicht (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) nicht vor. Die Kläger wären bei einer Rückkehr in die Russische Föderation nicht wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen politischer Überzeugungen durch eines der in § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannten potentiellen Verfolgungssubjekte an Leib und Leben bedroht.

In dem Zusammenhang mag dahinstehen, ob es sich bei dem Kläger zu 2) – entsprechend seinen Behauptungen – um einen tschetschenischen Volkszugehörigen handelt. Dies hat die Beklagte in ihrer Entscheidung dezidiert und unter Angabe beachtlicher Gründe, insbesondere aber wegen des Fehlens jeglicher Kenntnisse der tschetschenischen Sprache, verneint. Diesen Umstand hat der Kläger zu 2) – wenig nachvollziehbar – damit erklärt, dass er nach dem Tod seines früh verstorbenen Vaters („Ruslan Jusupov“) von seiner Mutter („Ludmilla B.“) in einem Waisenhaus abgegeben worden und dann dort aufgewachsen sei. Eine nähere Aufklärung dieser Tatsachenfrage war in der mündlichen Verhandlung nicht möglich, da der nicht persönlich erschienene Kläger zu 2) nach den Angaben der Klägerin zu 1) vor mehreren Wochen spur- und kommentarlos verschwunden ist und sein aktueller Aufenthaltsort trotz entsprechender Suche auch durch die eingeschaltete Polizei nicht ermittelt werden konnte. Für die vorliegende Entscheidung kann die Richtigkeit der Angaben des Klägers zu 2) zu seiner Volkszugehörigkeit indes im Ergebnis unterstellt werden. Auch vor dem Hintergrund ergibt sich für ihn kein Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG.

Für eine individuell erlittene politische Verfolgung vor dem Verlassen des Heimatlandes bieten der Sachvortrag der Kläger bei deren Anhörung beim (damaligen) Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und das Vorbringen im gerichtlichen Verfahren keine ausreichenden Anhaltspunkte. Die Darlegungen der Kläger zu einem erlittenen Verfolgungsschicksal des Klägers zu 2) aufgrund seiner angeblichen Teilnahme an den Kämpfen der tschetschenischen Rebellen gegen russische Einheiten genügen den von der Rechtsprechung für die Glaubhaftmachung eines Verfolgungsschicksals in Asyl- und Flüchtlingsverfahren entwickelten Anforderungen nicht. Danach ist der Schutzsuchende aufgrund ihm obliegender prozessualer Mitwirkungspflichten gehalten, von sich aus unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich die Voraussetzungen seines Anerkennungsanspruchs ergeben. Bleibt sein Vorbringen hinter diesen Anforderungen zurück, so kann er bereits deshalb nicht als Asylberechtigter (Art. 16a GG) beziehungsweise – hier - als Schutzbedürftiger im Verständnis des § 60 Abs. 1 AufenthG anerkannt werden. Zwar kann wegen der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten bereits der Tatsachenvortrag des Asylbewerbers zu einer Anerkennung führen, das aber nur dann, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die erforderliche Überzeugungsgewissheit seiner Wahrheit vermittelt wird. Das in freier Würdigung des Sachverhalts entscheidende Gericht (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) darf einer aus Sicht des Betroffenen positiven Entscheidung dabei nur einen von ihm als feststehend erachteten, nicht hingegen einen von ihm lediglich als mehr oder weniger wahrscheinlich angesehenen Sachverhalt zugrunde legen. Das Vorbringen eines Asylbewerbers (Schutzsuchenden) kann nach diesen Maßstäben als unglaubhaft beurteilt werden, wenn es erhebliche nicht überzeugend aufgelöste Widersprüche und/oder Steigerungen im Vortrag enthält.

Letzteres ist vorliegend der Fall. Dabei ist hervorzuheben, dass sich der Senat auch zu diesen Schilderungen aus dem schon zuvor genannten Grund keinen persönlichen Eindruck von der Glaubhaftigkeit des Sachvortrags beziehungsweise von der persönlichen Glaubwürdigkeit des Klägers zu 2) verschaffen konnte. Nach dem von daher allein als Beurteilungsgrundlage zur Verfügung stehenden Akteninhalt handelt es sich bei dem Vortrag des Klägers zu 2) um den klassischen Fall eines sich aus Anlass negativer Entscheidungen in die vermeintlich „richtige“ Richtung steigernden Vorbringens. War der Kläger zu 2) anfänglich nach seinen Schilderungen ein friedlicher Tschetschene, der mit dem Krieg nichts zu tun haben wollte, lediglich „Brot und Lebensmittel“ für sein Volk zur Verfügung gestellt hatte und sich wunderte, dass bei den Russen alle Tschetschenen quasi unter dem Verdacht des Terrorismus standen, so stellte er sich im erstinstanzlichen Verfahren als aktiver tschetschenischer Freiheitskämpfer dar, der – so die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht – selbst Waffen beschafft und transportiert und an Kampfhandlungen auf Seiten der Partisanen gegen die Russen teilgenommen haben wollte. Der Vortrag scheint daher nach dem Akteninhalt insgesamt in sich unschlüssig und damit unglaubhaft. Gegen die Glaubhaftigkeit spricht auch die Behauptung des Klägers zu 2), dass seine Aktivitäten bei der angeblichen Verhaftung in Moskau glücklicher Weise - wohlgemerkt trotz der behaupteten tschetschenischen Volkszugehörigkeit - „nicht aufgefallen“ seien. Die geschilderte Verhaftung in Moskau erscheint insgesamt wenig überzeugend. Dabei will der Kläger zu 2) wegen fehlender Papiere mitgenommen und insgesamt drei Tage lang festgehalten worden sein, wobei die Polizisten „die wildesten Vermutungen“ hinsichtlich seiner Person angestellt haben sollen. Legt man den Vortrag des Klägers zu 2) in der Sitzung des Verwaltungsgerichts zugrunde, wo er sich zum – je nach Perspektive – Freiheitskämpfer beziehungsweise Terroristen „entwickelt“ hatte, der zudem durch den russischen Geheimdienst namentlich enttarnt und von diesem auch gesucht worden sein will, so scheint es sehr unglaubhaft, dass er nach der Verhaftung in Moskau keine Probleme gehabt haben sollte. Dass die Einlassung der Klägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, dass sie einerseits „rollentypisch“ von dem Kläger zu 2) nicht in dessen Aktivitäten eingeweiht worden sei und dass dieser andererseits in Deutschland zunächst nicht habe „die Karten auf den Tisch legen“ wollen, nicht geeignet ist, die Glaubwürdigkeitsbedenken zu zerstreuen oder gar die Annahme eines den eingangs genannten Anforderungen genügenden glaubhaften Sachvortrags zu rechtfertigen, bedarf keiner Vertiefung. Vielmehr spricht alles dafür, dass die Kläger ihre Heimat verlassen haben, um der dortigen bekannt äußerst trostlosen, weder ihnen noch insbesondere der Klägerin zu 3) eine vernünftige Perspektive bietenden allgemeinen Lage zu entgehen. Die Annahme einer politischen Verfolgung im Verständnis des Flüchtlingsrechts (§ 60 Abs. 1 AufenthG) rechtfertigt das offensichtlich nicht.

Neben der zeitlichen Dimension des Falles ist bemerkenswert die ethnische Zuordnung der Klägerin zu 1). Zumindest bei ihr handelt es sich um eine (rein) russische Volkszugehörige. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes rechtfertigt aber die Frage, ob Tschetschenen russischer Volkszugehörigkeit in der Russischen Föderation eine inländische Fluchtalternative offen steht, nicht (einmal) die Zulassung der Berufung, da sie sich bereits nach der allgemeinen Auskunftslage ohne weiteres bejahen lässt. Zweifel an der Richtigkeit dieser Rechtsprechung ergeben sich auch nicht auf der Grundlage des Vorbringens der Kläger im vorliegenden Verfahren. Diese gehen danach im Berufungsverfahren selbst von einer Möglichkeit russischer Volkszugehöriger aus, beispielsweise in den Regionen Stawropol und Krasnodar Aufnahme zu finden. Sie weisen ferner in anderem Zusammenhang darauf hin, dass es sich bei den Binnenvertriebenen aus Tschetschenien, denen ein Flüchtlingsstatus durch die russischen Migrationsbehörden eingeräumt worden ist, „zumeist um Russen“ gehandelt habe, die sich auf Nachstellungen durch islamische Fundamentalisten berufen hätten. Wie auszuführen sein wird, ist eine inländische Fluchtalternative selbst für tschetschenische Volkszugehörige, also vorliegend erst recht für die nach ihrem Vortrag nie von den russischen Sicherheitskräften behelligte Klägerin zu 1), zu bejahen. Auch wenn man – wie die Klägerin zu 1) das in der mündlichen Verhandlung reklamiert hat – den Blick auf den Umstand einer unterschiedlichen Ethnie bei den Klägern zu 1) und 2) richtet, so bleibt aus Sicht des Senats jedenfalls festzuhalten, dass die russische Volkszugehörigkeit der Klägerin zu 1) im Vergleich zu einer Familie rein tschetschenischer Herkunft die Chancen eines anderweitigen Unterkommens in Russland zumindest verbessert. Auch dem Kläger zu 2) drohte in Ansehung einer – nach dem eingangs Gesagten immer unterstellten - tschetschenischen Volkszugehörigkeit im Rückkehrfall keine politische Verfolgung (§ 60 Abs. 1 AufenthG).

Auszuschließen ist zunächst eine Verfolgung aller tschetschenischen Volkszugehörigen im (gesamten) Staatsgebiet der Russischen Föderation und zwar sowohl für den Ausreisezeitpunkt der Klägerin als auch für die heutige Situation. Das vorhandene Auskunftsmaterial rechtfertigt bei Anlegung der hierzu in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten strengen Maßstäbe nicht die Annahme einer landesweiten Gruppenverfolgung. Ungeachtet des im Gefolge der Kriegsereignisse in Tschetschenien insbesondere seit dem Jahre 1999 erneut zugespitzten, bekanntermaßen sehr angespannten Verhältnisses zwischen der (ethnisch) russischen Bevölkerung und den im Kaukasus beheimateten Volksgruppen, insbesondere den Tschetschenen, kann mit dem vorliegenden Auskunftsmaterial weder ein staatliches (russisches) Verfolgungsprogramm mit dem Ziel einer physischen Vernichtung und/oder der gewaltsamen Vertreibung aller Tschetschenen aus dem Staatsgebiet nachgewiesen werden, noch lassen bekannt gewordene Einzelverfolgungsmaßnahmen mit Blick auf die zahlenmäßige Größe der die bei weitem größte der im Nordkaukasus beheimateten Ethnien stellenden Tschetschenen die Feststellung einer die Annahme einer landesweiten Gruppenverfolgung gebietenden Verfolgungsdichte zu. Weder Anzahl noch Intensität der für die sonstigen Bereiche der Russischen Föderation bekannt gewordenen Übergriffe gegen Personen tschetschenischer Volkszugehörigkeit sind mit den gezielten Angriffen auf Leib und Leben der Zivilbevölkerung in Tschetschenien selbst vergleichbar.

Weniger klar erscheint die Beantwortung der Frage, ob bezogen auf das Territorium von Tschetschenien bei einer auf dieses Gebiet beschränkten Betrachtung das Vorliegen der genannten Voraussetzungen für die Annahme einer Gruppenverfolgung bejaht werden muss. Hierfür mag es trotz anders lautender obergerichtlicher Entscheidungen aus jüngerer Vergangenheit insbesondere seit Beginn der erneuten, von der russischen Führung als „antiterroristische Operation“ bezeichneten militärischen Auseinandersetzungen ab Ende 1999, die nach weitgehender „Zurückeroberung“ des tschetschenischen Territoriums durch russisches Militär in einen bis heute, also auch nach dem Abschluss der offenen kriegerischen Auseinandersetzungen im Jahre 2003, andauernden Guerilla-Krieg mündeten, Anhaltspunkte geben. Diese Beurteilung wird insbesondere dadurch erschwert, dass sich die von russischer Seite als „innere Angelegenheit“ betrachtete, gemeinhin als Zweiter Tschetschenienkrieg bezeichnete und unstreitig mit regelmäßig äußerst grausamen Maßnahmen der Sicherheitskräfte gegenüber der Zivilbevölkerung Tschetscheniens (sog. „Säuberungsaktionen“) einhergehende Vorgehensweise weitgehend „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ vollzieht. Die Bestimmung eines aus der Relation der Zahl der potentiell Betroffenen und der Zahl der dokumentierten Übergriffe zu ermittelnden individuellen Gefährdungspotentials ist von daher nur schwer möglich. Einigkeit besteht aber allgemein darüber, dass die Menschenrechtslage in Tschetschenien bis heute ungeachtet anders lautender offizieller regierungsseitiger Verlautbarungen für die von einer Vielzahl von Rechtsverletzungen in Form von willkürlichen Verhaftungen, Entführungen, „Verschwinden“, Misshandlungen, Vergewaltigungen und Ausraubungen betroffene Zivilbevölkerung der Region als „äußerst besorgniserregend“ bezeichnet werden muss. Ob die Vorgänge und Verhältnisse die Annahme einer begrenzten Kollektivverfolgung (aller) Tschetschenen in ihrer Heimatregion rechtfertigen, kann im Ergebnis für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits allerdings dahinstehen.

Selbst wenn man aber insoweit das Vorliegen einer „regionalen Gruppenverfolgung“ ethnischer Tschetschenen im Sinne der angesprochenen höchstrichterlichen Rechtsprechung seit dem Ausbruch des die vorherige faktische Autonomie Tschetscheniens beendenden Zweiten Tschetschenienkrieges unter Hintanstellung der Frage des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative für Tschetschenen schon bei Ausbruch der Kampfhandlungen – unterstellt und mithin trotz individuell unverfolgter Ausreise in seinem Fall den für die Konstellation der Vorverfolgung im Asyl- und Flüchtlingsrecht geltenden „herabgestuften“ Prognosemaß für die Feststellung einer Rückkehrgefährdung im Verständnis des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zugrunde legt, so könnte das Anerkennungsbegehren des Klägers zu 2) keinen Erfolg haben. Ihm stünde in diesem Fall, wie das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Urteil zutreffend und in Übereinstimmung mit der insoweit ersichtlich einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung entschieden hat, zumindest eine inländische Fluchtalternative in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens zur Verfügung. Der Kläger zu 2) wäre im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation ungeachtet einer tschetschenischen Volkszugehörigkeit zum einen „hinreichend sicher“ vor politischer Verfolgung und hätte zum anderen dort auch „grundsätzlich die Möglichkeit zum Überleben“. Das hätte nach dem zuvor Gesagten – ihre Verfolgungsgefährdung in Tschetschenien immer unterstellt - erst recht für die russische Klägerin zu 1) zu gelten. Dies schließt mit Blick auf den im Flüchtlingsrecht geltenden Grundsatz der Subsidiarität des Schutzes vor politischer Verfolgung im Zufluchtsstaat, hier in der Bundesrepublik Deutschland, den geltend gemachten Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG aus.

Dabei mag es zutreffen, dass – wie die Kläger behaupten und wofür nach den vorliegenden Dokumenten einiges spricht – bestimmte territoriale Einheiten des Föderationsgebiets, speziell etwa das nach der „Wahl“ des moskautreuen Regierungschefs Sjasikow durch einen Politikwechsel in der Behandlung tschetschenischer Flüchtlinge gekennzeichnete und auch wirtschaftlich allenfalls noch begrenzt aufnahmefähige Inguschetien, im gegenwärtigen Zeitpunkt keine zumutbare Fluchtalternative für Tschetschenen (mehr) bieten. Ob das in dieser Allgemeinheit auch für die von den Klägern im Berufungsverfahren unter Hinweis auf Erkenntnisse des UNHCR angeführten weiteren Regionen der Russischen Föderation, etwa Kabardino-Balkarien, Dagestan, Karatschei-Tscherkessien, Stawropol und Krasnodar sowie für Nordossetien-Alanien gilt, ist nach den vorgetragenen Gründen zumindest zweifelhaft, bedarf aber hier keiner abschließenden Beurteilung. Bei diesen Regionen handelt es sich – zusammen gesehen – allenfalls um einen kleineren Teil des Territoriums der Russischen Föderation und nach Überzeugung des Senats ist jedenfalls davon auszugehen, dass in den verbleibenden Gebieten eine Gefährdung des Klägers zu 2) oder allgemein in das Heimatland zurückkehrender tschetschenischer Volkszugehöriger zwar nicht mit Sicherheit, aber doch jedenfalls mit einem so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass selbst bei der unterstellten Anwendbarkeit des aus Sicht der Kläger günstigen (herabgestuften) Prognosemaßstabs die Rückkehrer jedenfalls „hinreichend sicher“ sind.

Das gilt auch, wenn man – wovon alle Quellen übereinstimmend, wenngleich in unterschiedlichen Ausmaßen, berichten - davon ausgeht, dass das in der Verfassung der Russischen Föderation garantierte Recht auf Freizügigkeit, insbesondere hinsichtlich der Wahl des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthaltsortes, in der Praxis ungeachtet der 1993 durch das so genannte Föderationsgesetz eingeführten vereinfachten Registrierungsmöglichkeiten an zahlreichen Orten der Russischen Föderation nicht gleichermaßen uneingeschränkt in Anspruch genommen werden kann, und der Zuzug von Vertriebenen des Tschetschenienkriegs – auch wegen Ressentiments gegen Personen kaukasischer Herkunft – jedenfalls was eine an den Wohnsitznachweis geknüpfte Dauerregistrierung angeht, stark erschwert wird. Nach Überzeugung des Senats lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass es tschetschenischen Volkszugehörigen außerhalb der zuvor erwähnten „Problemzonen“ in der Russischen Föderation „flächendeckend“ nicht möglich wäre, unter Inanspruchnahme der geschilderten rechtlichen Garantien in der ein oder anderen Weise einen gesicherten Aufenthalt zu begründen. In dem Zusammenhang hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23.6.2005 zu Recht darauf hingewiesen, dass insbesondere die Menschenrechtsorganisation MEMORIAL an vielen Orten der Russischen Föderation eine Vielzahl von Unterstützungsstellen für betroffene Binnenflüchtlinge insbesondere aus Tschetschenien unterhält, mit deren Hilfe auch in einer Reihe von Fällen willkürlicher behördlicher Verweigerung der Aufenthaltsberechtigung erfolgreich entgegengetreten werden konnte. Die teilweise rechtswidrigen behördlichen Praktiken in bestimmten Teilen Russlands sind ferner mehrfach von Seiten des russischen Menschenrechtsbeauftragten und durch das Oberste Verfassungsgericht Russlands im Rahmen von Entscheidungen zugunsten registrierungswilliger Bürger beanstandet worden.

Das belegt allein die unstreitig in die Hunderttausende gehende Zahl der in der Russischen Föderation dauerhaft verbliebenen Binnenflüchtlinge aus Tschetschenien, von denen trotz einer allgemeinen politischen Zielsetzung, die Rückkehr nach Tschetschenien zu befördern, nicht bekannt ist, dass sie, sieht man einmal von dem Sonderfall der Nachbarrepublik Inguschetien ab, derart drangsaliert oder unter Druck gesetzt würden, dass ein Verbleib an den jeweiligen Zufluchtsorten in nennenswerter Zahl zwangsweise beendet würde. Glaubhaften Berichten zufolge hält sich gegenwärtig nur noch ein Drittel der ehemaligen Bevölkerung in Tschetschenien auf; der Rest ist geflohen und lebt überwiegend in anderen Gebieten der Russischen Föderation, davon etwa 50.000 allein in der Region Wolga. Dem steht ganz offenbar auch eine in weiten Teilen der Föderation ansiedlungsfeindliche Anwendung des neuen Registrierungsinstrumentariums in gesetzlich gerade nicht (mehr) vorgesehener Anwendung der früheren Praxis in der Sowjetunion nicht entgegen. Angesichts der vielfachen Verweise auf einen jeweils nicht registrierten Aufenthalt von Tschetschenen in Gebieten der Russischen Föderation muss aber auch davon ausgegangen werden, dass die Betroffenen in vielen Fällen, möglicherweise mit Blick auf die historischen Dimensionen des Konflikts zwischen Russen und Kaukasiern durchaus verständlich, wenn sie eine „Bleibe“ beispielsweise bei Bekannten und Verwandten oder auch nur in einem von Kaukasiern geprägten Umfeld gefunden haben, wenig Neigung zeigen, den Kontakt mit staatlich-russischen Stellen zu suchen.

Das Gesagte gilt allem Anschein nach sogar für die – letztlich wohl aus wirtschaftlichen Gründen – nicht nur gegenüber tschetschenischen Volkszugehörigen, sondern allgemein „zuzugsfeindlichen“ russischen Großstädte Moskau und St. Petersburg, bei denen es sich um die Wirtschaftsmetropolen des Landes mit allen unter wirtschaftlich angespannten Verhältnissen üblichen – positiven wie negativen – Begleiterscheinungen handelt, jedenfalls aber – und schon das schließt den Anerkennungsanspruch aus - für die ländlich geprägten („unproblematischen“) Bereiche des Territoriums der Russischen Föderation. Nicht einmal die in ihren Stellungnahmen bekanntermaßen nicht „flüchtlingsfeindlichen“ Menschenrechtsorganisationen gehen von einer „flächendeckenden“ Verweigerung der Aufenthalts- oder Niederlassungsberechtigung bei Tschetschenen aus. So war es beispielsweise den Klägern des am selben Tag verhandelten insofern – gerade auch hinsichtlich der gemischt-ethnischen, russisch-tschetschenischen Ehe - gleich gelagerten Parallelverfahrens 2 R 16/03 nach deren eigenem Vorbringen sogar in Moskau, wo unstreitig eine große Zahl ethnischer Tschetschenen lebt, möglich, über zwei Jahre hinweg Unterkunft und ein zumindest den Lebensunterhalt sicherstellendes wirtschaftliches Auskommen zu finden.

Der von den Klägern schriftsätzlich angesprochene, angeblich im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausbruch des zweiten Tschetschenienkriegs beziehungsweise der Inangriffnahme der antiterroristischen Operationen in der Region ergangene „Befehl“ Nr. 541 des früheren russischen Innenministers Ruschajlo vom 17.9.1999 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Nach der Erkenntnislage muss mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesem „Befehl“ um eine Fälschung handelt.

Eine Unzumutbarkeit der Verweisung der Kläger auf eine inländische Fluchtalternative lässt sich auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass es insbesondere in Moskau und in anderen Großstädten Russlands, die aufgrund ihrer Struktur für terroristische Aktivitäten besonders sensible Bereiche und „anfällige Ziele“ darstellen, gegenüber Personen kaukasischer Herkunft vergleichsweise vermehrt zu Personenkontrollen und, gerade bei fehlender Legitimierung, auch zu weitergehenden polizeilichen Maßnahmen kommt. Auch unter hiesigen rechtsstaatlichen Aspekten müssen es selbst ansonsten individuell zunächst „unverdächtige“ Personen, die einer abgrenzbaren Gruppe angehören, von der im Vergleich zu anderen Bevölkerungskreisen eine erhebliche erhöhte Gefährdung für die Gesamtbevölkerung ausgeht, hinnehmen, dass sie in statistisch vermehrtem Maße im Interesse der Sicherheit aller Staatsbürger Kontrollen und Untersuchungen mit den damit verbundenen polizeilichen Eingriffsmaßnahmen, etwa erkennungsdienstlicher Behandlung, unterzogen werden. Dass es allgemein auch in Russland eine überproportional hohe Verflechtung von Tschetschenen mit der organisierten Schwerkriminalität gibt und dass insbesondere durch Angehörige dieses Volkes unter Berufung auf ein angebliches Recht zum „Gegenterror“ schwerste Terrorakte mit einer Vielzahl unschuldiger Opfer unter der Zivilbevölkerung begangen wurden, ist bekannt. Davon ausgehend ist es jedem Staat nicht nur zuzugestehen, sondern es erscheint aus Gründen der inneren Sicherheit geradezu angezeigt, diesen Personenkreis durch seine Sicherheitskräfte „im Auge zu behalten“. Jedenfalls nicht gerechtfertigt erscheint es, in dem Zusammenhang pauschal vom „Wohnungsdurchsuchungen aus rassistischen Gründen“ zu sprechen. Dass es bezogen auf die erwähnt große Zahl der in den als Fluchtalternative in Betracht kommenden Gebieten in der Russischen Föderation lebenden Tschetschenen ausweislich der Dokumentation in Einzelfällen zu Übergriffen von Sicherheitskräften gegenüber den Betroffenen und auch zu einer Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas mit der Folge spontaner Aktionen aus der russischen Bevölkerung heraus gegenüber unschuldigen Tschetschenen gekommen ist, soll hier nicht gerechtfertigt werden, lässt aber andererseits insbesondere auch vor dem Hintergrund der Neuregelung hinsichtlich potentieller Verfolgungssubjekte in § 60 Abs. 1 Satz 4 lit. c AufenthG nicht den Schluss zu, dass für jeden einzelnen tschetschenischen Rückkehrer eine landesweit beachtlich wahrscheinliche und nicht durch staatliche Sicherheitskräfte zu beherrschende Gefährdung bestünde, Opfer einer solchen Maßnahme zu werden.

Auch die wirtschaftlichen Zumutbarkeitskriterien für die Annahme einer gegenüber dem Flüchtlingsschutz im Aufnahmeland vorrangigen inländischen Fluchtalternative sind gegeben. Dass die Rückkehrer keine einfachen, sondern unter vielen Aspekten schwierige Lebensverhältnisse vorfinden werden, ist, wie schon das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, nicht in Abrede zu stellen. Es findet sich in der Dokumentation kein Bericht darüber, dass es in den nach Auffassung des Senats als solche in Betracht kommenden Bereichen der Russischen Föderation, in denen insgesamt Hunderttausende von vor den kriegerischen Auseinandersetzungen in Tschetschenien geflohenen oder auch bereits zuvor nach Russland umgezogenen Tschetschenen als Binnenflüchtlinge eine Bleibe gefunden haben, gerade unter diesem Personenkreis zu gravierenden Versorgungsengpässen oder gar zu personenübergreifenden Hungersnöten oder vergleichbaren überindividuellen humanitären Katastrophen gekommen wäre. Daher ist die grundsätzliche Möglichkeit zum Überleben zu bejahen und es spricht nichts Durchgreifendes für die Prognose, dass den Klägern im Rückkehrfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit an den alternativen Orten auf Dauer ein Leben unterhalb des Existenzminimums drohte, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tod führen könnte. Unter diesem Gesichtspunkt kommt es schließlich entgegen der Auffassung der Kläger nicht darauf an, dass die mögliche Existenzsicherung unter Umständen – wie das bei einer Vielzahl von Bürgern der Russischen Föderation der Fall ist – durch Betätigungen im Bereich der so genannten „Schattenwirtschaft“ bewerkstelligt wird.

Des ungeachtet erschiene ohnedies zweifelhaft, ob – gegebenenfalls – das Fehlen eines wirtschaftlichen Existenzminimums am Ort der inländischen Fluchtalternative im konkreten Fall angesichts der desolaten wirtschaftlichen Situation in der Heimatregion Tschetschenien bei Wegzug der Kläger im Jahre 2000 und auch heute überhaupt als verfolgungsbedingt und – nur dann – erheblich für die rechtliche Beurteilung eingestuft werden könnte. Derartige am verfolgungssicheren Ort drohende, nicht durch eine politische Verfolgung bedingte Gefahren schließen diesen Ort als inländische Fluchtalternative nur aus, wenn eine gleichartige existenzielle Gefährdung am Herkunftsort nicht bestünde.

Dass die Kläger die als Fluchtalternativen in Betracht kommenden Gebiete der russischen Föderation schließlich – was im Rechtssinne die Annahme einer den Anspruch aus § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ausschließenden inländischen Fluchtalternative voraussetzt – auch tatsächlich erreichen können, unterliegt aus Sicht des Senats ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Dabei kommt es hier nicht auf die von den Klägern in dem Zusammenhang unter Hinweis auf die Einrichtung so genannter Filtrationslager thematisierten angeblich eingeschränkten Möglichkeiten an, aus Tschetschenien „herauszukommen“, was den Klägern offenbar ohne Schwierigkeiten gelungen ist. Entscheidend ist vielmehr die Frage einer nach den Modalitäten zumutbaren Einreisemöglichkeit in die Russische Föderation. Eine solche besteht grundsätzlich. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts konnte keiner der erhobenen Vorwürfe einer willkürlichen Freiheitsentziehung, Erpressung oder gar Misshandlung von in die Russische Föderation zurückkehrenden „unauffälligen“ tschetschenischen Volkszugehörigen verifiziert werden. Entgegenstehende Anhaltspunkte zeigt der Sachvortrag der Kläger nicht auf, wobei allgemein festzuhalten bleibt, dass ein bloßer Verweis auf fehlende Reisedokumente in dem Zusammenhang nicht ausreicht, da solche – die geschuldete Mitwirkung des Ausländers unterstellt – regelmäßig beschafft werden können. Für eine generelle und „standhafte“ Weigerung der russischen Stellen in Deutschland, eigenen Bürgern entgegen völkerrechtlichen Verpflichtungen die für die Wiedereinreise notwendigen Personaldokumente auszustellen, bestehen insbesondere mit Blick auf die in der Dokumentation befindlichen Berichte über erfolgreiche Rückführungen in die Russische Föderation keine durchgreifenden Anhaltspunkte.

Schließlich kann auch vor dem Hintergrund des in der Russischen Föderation eingeführten befristeten Erfordernisses des Umtauschs von Inlandspässen nicht von einer nach der Rückkehr bestehenden Verpflichtung der Kläger zu einer zumindest vorübergehenden erneuten Rückkehr nach Tschetschenien selbst ausgegangen werden. Dabei mag dahinstehen, ob die Kläger überhaupt im Besitz der nach dem am 6.2.1992 in Kraft getretenen russischen Staatsbürgerschaftsgesetz beziehungsweise der Begrenzung ihrer Gültigkeitsdauer bis zum 1.1.2004 umtauschpflichtigen „alten“ sowjetischen Pässe waren. Nach dem vorliegenden Erkenntnismaterial ist davon auszugehen, dass selbst bei umtauschpflichtigen Bürgern der Russischen Föderation im vorgenannten Verständnis die dafür notwendigen behördlichen Formalitäten – gegebenenfalls unter Zuhilfenahme wiederum von Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen in Russland nicht nur am Ort einer Registrierung, sondern auch am Wohnort vorgenommen werden können. Daher kann in der Gesamtschau nicht angenommen werden, dass das neue Russische Passrecht zwingend zur Folge hat, dass sich Passbewerber zum Umtausch oder zur Neuausstellung eines Inlandspasses an den Ort ihrer letzten Registrierung – im Falle der Kläger also nach Tschetschenien – begeben müssen.

Hat damit das Verwaltungsgericht die Klage mit dem Hauptantrag zu Recht abgewiesen, so bleibt mit Blick auf das hilfsweise geltend gemachte Verpflichtungsbegehren festzustellen, dass auch die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 2 bis 8 beziehungsweise 10 AufenthG nicht erfüllt sind. Das gilt, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen entnehmen lässt, insbesondere hinsichtlich des an die Stelle des bisherigen § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG getretenen § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, nach dem von einer Abschiebung abgesehen werden soll, wenn im Zielstaat für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit besteht. Insoweit ist, was die Geltendmachung einer Gefährdung durch die allgemeine wirtschaftliche Versorgungslage angeht, zusätzlich auf die vom Bundesgesetzgeber beibehaltene – vorliegend beachtliche - Sperrwirkung nach den §§ 60 Abs. 7 Satz 2, 60a AufenthG für die Berücksichtigungsfähigkeit von so genannten Allgemeingefahren für die Bevölkerung oder auch nur Bevölkerungsgruppen im Herkunftsstaat hinzuweisen. Darüber hinausgehende humanitäre Gesichtspunkte, wie sie letztlich den Empfehlungen des UNHCR und verschiedener Menschenrechtsgruppen, gegenwärtig auf eine Rückführung von tschetschenischen Volkszugehörigen in die Russische Föderation zu verzichten, zugrunde liegen, hat der Bundesgesetzgeber auch am Maßstab des Verfassungsrechts in zulässiger Weise den hierfür zuständigen politischen Entscheidungsträgern überantwortet; sie haben daher für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens keine Bedeutung.

Der nicht weiter substantiierte und auch nicht durch die Vorlage ärztlicher Atteste konkretisierte Hinweis ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, dass sich die Klägerin zu 1) in psychotherapeutischer Behandlung befinde und dass ihre eine maximal dreiwöchige Kur bewilligt worden sei, bietet offensichtlich keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass in ihrem Fall ein individuelles zielstaatsbezogenes und daher im vorliegenden Verfahren im Rahmen des § 60 Abs. 1 AufenthG berücksichtigungsfähiges Abschiebungshindernis aus medizinischen Gründen besteht.

Einer Rückführung der Kläger in die Russische Föderation stünde auch nicht das sich – nunmehr – aus dem § 60 Abs. 2 und 5 AufenthG i.V.m. den Bestimmungen des Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergebende Verbot entgegen, wonach niemand durch seine Abschiebung der Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Strafe oder Behandlung ausgesetzt werden darf. Insbesondere Art. 3 EMRK schützt ebenso wie das Asylrecht im Ansatz nicht vor den allgemeinen Folgen von Naturkatastrophen, Bürgerkriegen und anderen bewaffneten Auseinandersetzungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 83b Abs. 1 AsylVfG (a.F.) und 154 Abs. 2, 159 VwGO, 100 ZPO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Sonstige Literatur

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils bei dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Hausadresse: Kaiser-Wilhelm-Straße 15, 66740 Saarlouis/Postanschrift: 66724 Saarlouis) einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist ebenfalls bei dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Hausadresse: Kaiser-Wilhelm-Straße 15, 66740 Saarlouis/Postanschrift: 66724 Saarlouis) einzureichen. In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem das Urteil beruhen kann, bezeichnet werden.

Die Einlegung und die Begründung der Beschwerde müssen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten erfolgen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger.

Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die miteinander verheirateten Kläger reisten am 30.10.1998 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten am 3.11.1998 die Anerkennung als Asylberechtigte. Der Kläger ist russischer, die Klägerin tschetschenischer Volkszugehörigkeit.

Im Rahmen einer an 4.11.1998 durchgeführten persönlichen Anhörung führte der Kläger zur Stützung des Anerkennungsbegehrens aus, er sei von Beruf Kraftfahrer und habe im Heimatland – allerdings ohne feste Anstellung – Autos repariert. Im Alter von 7 Jahren sei er 1980 mit den Eltern nach Sali in Tschetschenien gezogen, wo er bis Dezember 1994 gelebt habe. Nach zwischenzeitlichen gemeinsamen Aufenthalten in Wolgograd und Moskau seien sie – die Kläger - im Mai 1997 kurz nach Tschetschenien zurückgekehrt. Dort hätten sie sich allerdings nur einen Monat aufgehalten, da es unmöglich gewesen sei, zu überleben. Sie hätten dann versucht, sich in Wolgograd oder Moskau, wo sie etwa ein Jahr gewesen seien, niederzulassen. Es sei eine schwierige Lage für sie gewesen, insbesondere weil sie aus Tschetschenien gekommen seien. In Wolgograd habe es überhaupt keine Arbeit gegeben, in Moskau nichts Geregeltes. Schließlich hätten sie auf einem Markt Lebensmittel verkauft. In ihrem Heimatland sei es für sie nicht mehr möglich gewesen, in Frieden zu leben. In Tschetschenien, wo er habe kämpfen sollen, habe man sie für Russen gehalten und dafür gehasst. In Russland sei man ihnen feindlich gesonnen gewesen, weil sie aus Tschetschenien gekommen seien. Die Menschen dort hätten den Kontakt mit ihnen gemieden und sie als tschetschenische Banditen beschimpft. In Moskau sei er deswegen mehrfach von der Polizei festgenommen, mehrere Tage lang festgehalten und dabei geschlagen worden. Zuletzt sei das im Mai 1998 der Fall gewesen, als er im Rahmen einer Personenkontrolle auf der Straße angehalten, auf das Polizeirevier mitgenommen und dort zwei Tage festgehalten worden sei. Man habe ihm gesagt, er solle dahin gehen, wo er hergekommen sei. Er habe sich nicht politisch engagiert, sei nie verurteilt worden und nicht Mitglied irgendeiner Organisation. Ende Mai 1998 hätten sie die russische Föderation verlassen und sich anschließend vier Monate in der Ukraine aufgehalten. Schließlich seien sie mit einem Kleinbus nach Deutschland gebracht worden. In Tschetschenien werde er umgebracht, wie dies mit vielen Russen bereits geschehen sei. Eine Rückkehr in die russische Föderation sei ebenfalls nicht möglich. Dort sei er „überflüssig und unerwünscht“. Er habe kein Vertrauen mehr in die Lage und seitens der Politiker werde nichts unternommen. Er wolle ein normales Leben führen ohne Angst haben zu müssen, vertrieben oder gar umgebracht zu werden.

Die Klägerin bestätigte bei ihrer Anhörung im Wesentlichen diese Angaben und führte ergänzend aus, bei der Rückkehr nach Tschetschenien im Jahre 1997 hätten sie ihre Heimatstadt als Ruine vorgefunden und erfahren, dass ihre – der Klägerin – Mutter bei einem Bombenangriff umgekommen sei. Die Eltern des Klägers seien nicht mehr ausfindig zu machen gewesen. Dieser habe für die Tschetschenen kämpfen sollen, das aber abgelehnt. Ihr selbst seien Vorhaltungen gemacht worden, wieso sie einen Russen geheiratet habe. Deswegen seien sie nach einem Monat nach Moskau zurückgekehrt, wo sie ein Jahr bei einer alten Frau gelebt hätten, bei der sie schon vorher gewesen seien. Dann hätten sie Probleme mit den Nachbarn bekommen, die offenbar Söhne in Tschetschenien verloren gehabt hätten. Sie seien beleidigt und beschimpft worden. Auch die Polizei habe Probleme gemacht und sie hätten ständig in Angst gelebt. Sie selbst sei im Gegensatz zu dem Kläger, der zwar Russe sei, aber einen tschetschenischen Pass gehabt habe, nie mitgenommen worden. Der Kläger sei einmal fast eine Woche weg gewesen. Letztlich habe es sich um Schikanen gehandelt. Auch nach Hause seien die Polizisten, vermutlich nach einer Anzeige durch die Nachbarn, gekommen und hätten sie – die Kläger – aufgefordert, die Wohnung zu verlassen. Auch die alte Frau habe sich gegenüber früher „irgendwie verändert“ gehabt und sie schließlich „quasi rausgeschmissen“. Anschließend seien sie in die Ukraine gefahren. Auf der Zugfahrt dorthin seien ihnen die Personalpapiere gestohlen worden. In der Ukraine hätten sie wegen der fehlenden Papiere nicht bleiben können. In Russland sei es „allgemein von Nachteil“, wenn man aus Tschetschenien komme. Vermutlich hätten die Tschetschenen wegen verschiedener krimineller Taten einen schlechten Ruf. Darunter hätten auch sie zu leiden gehabt. Eine erneute Niederlassung in Russland sei mangels Papieren nicht möglich.

Die Asylanträge lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.11.1998 ab. Gleichzeitig wurde das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG verneint und die Kläger wurden zur Ausreise binnen eines Monats aufgefordert. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde ihnen die Abschiebung in die Russische Föderation oder einen anderen zur Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat angedroht. Der Ablehnungsbescheid, in dem im Wesentlichen auf die Möglichkeit eines anderweitigen Unterkommens in Russland verwiesen wurde, ist den Klägern am 12.11.1998 ausgehändigt worden; mit Eingang am 18.11.1998 haben sie Klage beim Verwaltungsgericht erhoben und ihre Feststellungsbegehren hinsichtlich des § 51 Abs. 1 AuslG und (hilfsweise) des § 53 AuslG weiter verfolgt.

Die Kläger haben geltend gemacht, bei einer Rückkehr nach Tschetschenien sei das Leben des Klägers auf Grund seiner russischen Volkszugehörigkeit gefährdet. Es komme dort zu brutalen Hinrichtungen, deren Hintergrund ein aufkeimender islamischer Fundamentalismus sei. In diesem Zusammenhang sei auch der gegenüber der Klägerin erhobene Vorwurf der Heirat eines Russen zu werten. Hierin liege nach „fundamentalistischem islamischem Denken“ ein noch größeres Verbrechen als in der bloßen Ungläubigkeit. Russen würden auch als Angehörige eines „Kolonialvolkes“ angesehen und verfolgt. Staatlicher Schutz sei nicht zu erlangen. Auch ein Leben in anderen Regionen Russlands sei nicht möglich. Es komme immer wieder zu polizeilichen Razzien und Drangsalierungen von generell unerwünschten Personen aus Tschetschenien. Die Stimmung in Russland gegenüber den Flüchtlingen aus Tschetschenien sei „äußerst aggressiv“, wobei die zugegebenermaßen nicht zu unterschätzende Kriminalität von Personen aus dem Kaukasusgebiet als Vorwand für diese Fremdenfeindlichkeit diene. Sie könnten sich wegen ihrer Herkunft nirgends in der Russischen Föderation registrieren lassen, was überall notwendig sei.

In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 29.9.2000 führten die Kläger ferner aus, ein Versuch, sich im Rathaus von Moskau registrieren zu lassen, sei erfolglos gewesen. Ihnen sei gesagt worden, sie seien in Tschetschenien gemeldet und sollten sich dorthin begeben. Warum der Kläger so oft kontrolliert worden sei, könnten sie nicht erklären; alle seien kontrolliert worden. Auch auf dem Markt von Moskau, wo sie „schwarz“ gearbeitet hätten, habe es scharfe Kontrollen gegeben. Vom Gewinn hätten sie leben und die Miete bezahlen können. Warum der Kläger nach einer solchen Kontrolle im Frühjahr 1998 eine Woche festgehalten worden sei, könnten sie nicht sagen. Auch in Wolgograd sei ihnen die Registrierung nicht gelungen. Sich in anderen Städten Russlands anzumelden, hätten sie in ihrer Verzweiflung nicht mehr versucht. Die „Oma“, bei der sie in Moskau gelebt hätten, habe sich für sie nach einer solchen Möglichkeit erkundigt gehabt, und eine negative Auskunft bekommen. Die etwa 1.500,- $ für die Reise nach Deutschland hätten sie sich aufgrund ihrer Arbeit zusammengespart gehabt.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10.11.1998 zu verpflichten, festzustellen, dass hinsichtlich einer Abschiebung in die Russische Föderation die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen,

hilfsweise,

festzustellen, dass einer Abschiebung in die Russische Föderation Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG entgegenstehen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beteiligte hat sich erstinstanzlich nicht geäußert.

Mit Urteil vom 29.9.2000 - 12 K 180/98.A - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es, es könne dahinstehen, ob der Kläger in Tschetschenien wegen seiner russischen Volkszugehörigkeit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen sei, ob die Angaben zu Inhaftierungen des Klägers während des Aufenthalts in Moskau zuträfen und ob diese gegebenenfalls als politische Verfolgung bewertet werden könnten. Unabhängig davon sei es dem Kläger ohne weiteres zuzumuten, in sonstigen Landesteilen der Russischen Föderation Zuflucht zu nehmen, in denen Flüchtlinge aus Tschetschenien vor derartigen ungesetzlichen Übergriffen von staatlicher Seite aus hinreichend sicher seien. Die von den Klägern angesprochenen Personenkontrollen seien vor dem Hintergrund der Ereignisse in Tschetschenien zu sehen und fänden vorwiegend in Moskau und anderen Großstädten Russlands statt. Gerade in Moskau habe es immer wieder willkürliche Verhaftungen und gewalttätige Übergriffe insbesondere gegen Personen tschetschenischer Herkunft gegeben, zuletzt infolge der Bombenattentate auf Wohnhäuser in russischen Großstädten zu Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges im Herbst 1999, die tschetschenischen Rebellen zugeschrieben worden seien. Dass für den Kläger landesweit insbesondere auch in wirtschaftlich weniger interessanten Regionen der Russischen Föderation die Gefahr bestanden habe, mit solchen Maßnahmen überzogen zu werden, sei allerdings nicht zuletzt im Hinblick auf seine russische Volkszugehörigkeit nicht anzunehmen. Solche Personenkontrollen und Festnahmen hätten einen deutlich ordnungs- und sicherheitspolitischen Charakter und zielten in der Regel darauf ab, zu überprüfen, ob sich die Betroffenen zum Beispiel in Moskau rechtmäßig, das heißt registriert, aufhielten. Angesichts des Flüchtlingsdrucks und der Zuwanderungsflut in die Russische Föderation bestehe bei den wirtschaftlichen Metropolen ein vitales Interesse an der Verhinderung eines weiteren ungezügelten Zuzugs von Flüchtlingen. Außerhalb der wirtschaftlich besonders interessanten Metropolen Russlands sei der Kläger auch im Rückkehrfall hinreichend sicher vor politischer Verfolgung. Entsprechendes gelte für die Klägerin, die auch nicht aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten habe. Tschetschenische Volkszugehörige seien weder im Zeitpunkt der Ausreise landesweit die Annahme politischer Verfolgung rechtfertigenden Maßnahmen ausgesetzt gewesen noch sei das heute der Fall. Diskriminierende Kontrollmaßnahmen und praktische Benachteiligungen bei der Suche nach Arbeitsplatz und Wohnraum erreichten nach Intensität und Häufigkeit nicht die Schwelle, von der ab jeder Angehörige der Volksgruppe befürchten müsse, selbst Opfer eines solchen Übergriffs zu werden. Vielmehr lebten die tschetschenischen Volkszugehörigen, von denen sich zwei Drittel außerhalb Tschetscheniens aufhielten, in anderen Teilen der Russischen Föderation weitgehend unbehelligt. Erkenntnisse darüber, dass seit dem Wiederbeginn der Kampfhandlungen nach Russland abgeschobene tschetschenische Volkszugehörige nach der Rückkehr Repressalien ausgesetzt gewesen seien, lägen dem Auswärtigen Amt nicht vor. Zwar bestehe angesichts der wegen der Ereignisse in Tschetschenien aufgeheizten Atmosphäre eine besondere Gefährdung solcher Personen, die sich bisher in der Tschetschenienfrage engagiert hätten. Dafür gebe es allerdings im Falle der Klägerin keine Anhaltspunkte. Einer Abschiebung der Kläger in die Russische Föderation stünden auch keine Hindernisse im Sinne des § 53 AuslG entgegen. Eine lebensbedrohliche Gefährdung infolge unzureichender Versorgungslage lasse sich nicht feststellen. Das gelte insbesondere angesichts des Lebensalters der Kläger, die zudem über eine qualifizierte Schul- und Berufsausbildung verfügten und unter keinen gravierenden gesundheitlichen Einschränkungen litten. Auch unter diesem Gesichtspunkt seien die Kläger nicht gehalten, ihren künftigen Aufenthalt in einer russischen Großstadt zu nehmen. Für ein durch Registrierungspflichten bestehendes Hindernis der Begründung eines Aufenthalts außerhalb der Ballungszentren gebe es nach der Auskunftslage keine durchgreifenden Anhaltspunkte.

Mit der zugelassenen Berufung beziehen sich die Kläger auf ihr bisheriges Vorbringen und tragen weiter vor, nach den Erkenntnissen des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) aus dem Jahre 2002 hätten nur sehr wenige Flüchtlinge aus Tschetschenien in Russland einen Flüchtlingsstatus erhalten. Die Ablehnungen seien damit gerechtfertigt worden, dass es sich bei dem Vorgehen der russischen Einheiten in Tschetschenien um eine „Anti-Terror-Kampagne“ handele. Die Binnenvertriebenen, denen ein Flüchtlingsstatus eingeräumt worden sei, zumeist Russen, hätten sich auf Nachstellungen durch islamisch-fundamentalistische Gruppen berufen. Trotz der offiziellen Abschaffung werde das so genannte „Propiska-System“ landesweit durch restriktive örtliche Vorschriften oder Verwaltungspraktiken weiter angewandt. In Inguschetien sei die soziale Infrastruktur dem Zustrom der Binnenflüchtlinge nicht gewachsen. Infolge von Spannungen mit der örtlichen Bevölkerung sei es bereits zu Ausweisungen gekommen. Zuletzt hätten die inguschetischen Behörden die Registrierung aller neu eintreffenden Flüchtlinge aus Tschetschenien ausgesetzt. Zudem sei in den letzten Monaten eine Tendenz der Behörden der russischen Föderation zu verzeichnen, in Inguschetien direkt zu intervenieren. In Dagestan stehe man der Aufnahme weiterer Binnenvertriebener sehr zurückhaltend gegenüber. Die Republiken Dagestan, Kabardino-Balkarien und Karatschai-Tscherkessien seien selbst regelmäßig mit Spannungen zwischen verschiedenen Volksgruppen konfrontiert. Die Regionen Stawropol und Krasnoda seien mehrfach vom Verfassungsgerichtshof der Russischen Föderation wegen Verstößen gegen die Bestimmungen über die Freizügigkeit und die Wahl des Aufenthalts- und Wohnorts zur Verantwortung gezogen worden. In beiden Regionen gebe es starke russisch-nationalistische Gefühle. Nur ethnische Russen hätten eine Chance, hier aufgenommen zu werden. In Nordossetien-Alanien, das mehrheitlich von christlich-russischen Osseten bewohnt sei und sich in einer wirtschaftlich trostlosen Lage befinde, machten restriktive örtliche Verwaltungspraktiken tschetschenischen Binnenvertriebenen den Aufenthalt unmöglich. In den übrigen Teilen der russischen Föderation, auch außerhalb von Moskau und St. Petersburg, gebe es größere Gruppen von Tschetschenen traditionell nicht außerhalb der nordkaukasischen Republiken und der größeren Städte. Zwar lebten unbestritten in Moskau 100.000 Tschetschenen. Das habe aber nichts mit der Frage zu tun, ob dort tschetschenische Flüchtlinge ihren Wohnsitz nehmen könnten. Tschetschenische Binnenvertriebene seien ferner zurückhaltend, sich in Gebiete zu begeben, in denen es keine ortsansässige tschetschenische Gemeinde gebe, bei der sie notfalls Unterkunft finden könnten. Berichten zufolge habe das Innenministerium der Föderation im November 1999 eine nicht öffentliche Weisung ausgegeben, Binnenvertriebenen aus Tschetschenien keine Identitätsdokumente auszustellen. In vielen Regionen Russlands sähen sich Tschetschenen mit polizeilichen Schikanen größeren Ausmaßes konfrontiert. Nach Erkenntnissen der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) gebe es eine zentrale Tschetschenenkartei in Russland, da gegen alle in Russland lebenden Tschetschenen eine kollektive Schuldzuweisung vorgenommen werde. In Inguschetien finde inzwischen eine vom russischen Innenministerium geleitete Vertreibungsaktion gegenüber den Migranten aus Tschetschenien statt. Den Flüchtlingen in den Lagern würden Ultimaten gestellt und Versorgungsleitungen würden gekappt. In vergleichbarer Situation befänden sich die tschetschenischen Flüchtlinge im russischen Binnenland, wie das Beispiel eines Lagers bei Twer zeige. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse gingen die Verwaltungsgerichte in Schleswig und in Neustadt/Weinstraße vom Fehlen einer inländischen Fluchtalternative für tschetschenische Flüchtlinge aus. Danach werde das Registrierungswesen als Hauptinstrument gegen die Flüchtlinge eingesetzt, das in verschiedenen Gebieten Russlands durch zusätzliche Verordnungen verschärft werde. Das wohl ausschlaggebende Instrument sei ein interner Befehl des Innenministeriums vom 17.9.1999 über Anti-Terror-Maßnahmen, wonach unter anderem für Personen tschetschenischer Volkszugehörigkeit in Moskau und anderen Städten die polizeiliche Anmeldung nach Möglichkeit eingestellt werden solle und besondere Aufsichts- und Überwachungsmaßnahmen eingeführt werden sollten. Auf dieser Grundlage würden unter dem Vorwand der Ausweiskontrolle durch russische Milizen gezielt Tschetschenen verfolgt. Ohne Registrierung sei die Aufnahme legaler Arbeit nicht möglich. In den Flüchtlingslagern in Inguschetien sei die Lage katastrophal. Es fehle an Nahrungsmitteln, Medikamenten und Zugang zu frischem Wasser. Nach Ansicht des VG Neustadt/Weinstraße könnten die Flüchtlinge aus Tschetschenien zwar in einer Vielzahl von Fällen in den großen Städten Russlands illegal leben und das Lebensnotwendige verdienen. Darauf könnten sie indes rechtlich nicht verwiesen werden. Orte, an denen ein legaler Aufenthalt möglich sei, könnten zwar existieren, seien aber von den Auskunftsstellen nicht konkret benannten worden. Die Suche danach sei daher letztlich mit einem unkalkulierbaren und unzumutbaren Risiko verbunden. Auch nach den Erkenntnissen des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Stand Juni 2002) sei den Vertriebenen des zweiten Tschetschenienkriegs eine legale Binnenmigration innerhalb der russischen Föderation praktisch nicht mehr möglich. Auch amnesty international gehe allgemein von einer fehlenden Rückkehrmöglichkeit in die russische Föderation aus, da es praktisch in allen Teilen Russlands zu Übergriffen komme. Nach der Moskauer Geiselnahme vom 23. bis 26.10.2002 sei es an den wenigen davor als Fluchtalternative in Betracht kommenden Orten für tschetschenische Flüchtlinge nicht mehr möglich, sich niederzulassen. Das gelte auch für die Wolgaregion. Es möge sein, dass dort etwa 50.000 Tschetschenen lebten und dass es keine spezifischen Zuzugsbeschränkungen gebe. Auch im Gebiet Volgoda oder in der autonomen Republik Mari El in der Wolgaregion werde Tschetschenen aber keine Registrierung ausgestellt.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 29.9.2000 - 12 K 180/98.A – sowie unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheids vom 10.11.1998 die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass hinsichtlich einer Abschiebung in die Russische Föderation die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,

hilfsweise,

dass einer Abschiebung in die Russische Föderation Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 8 und 10 AufenthG entgegenstehen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Kläger könnten auf eine inländische Fluchtalternative in der Wolgaregion der Russischen Föderation verwiesen werden. Da sie sich nicht in der tschetschenischen Sache engagiert hätten, müsse ihre Sicherheit in diesem Landesteil Russlands nicht in Frage gestellt werden. Unter Berücksichtigung des Maßstabs beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohten den Klägern auch keine anderen Nachteile und Gefahren an diesem Zufluchtsort. Zwar könne eine Konfrontation mit erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht ausgeschlossen werden, doch seien diese in Tschetschenien nicht weniger gravierend im Hinblick auf die in der Region wegen andauernder Kampfhandlungen herrschende humanitäre Notlage.

Der Beteiligte hat sich auch im Rechtsmittelverfahren nicht geäußert.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der zugehörigen Verwaltungsunterlagen und der im Sitzungsprotokoll sowie in der Anlage dazu genannten Auszüge aus der bei Gericht geführten Dokumentation „Russische Föderation“ verwiesen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Sache konnte verhandelt und entschieden werden, obwohl der Beteiligte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Die an ihn gerichtete ordnungsgemäße Ladung war mit einem dem § 102 Abs. 2 VwGO entsprechenden Hinweis versehen.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage der Kläger gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten (Bundesamt) vom 10.11.1998 zu Recht abgewiesen, soweit darin die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG abgelehnt worden ist. Diese Verwaltungsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt die Kläger daher nicht in subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Den Klägern steht kein Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des inzwischen an die Stelle des ehemaligen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbots getretenen § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich der Russischen Föderation zu. Die in dieser im Wesentlichen den bisherigen Regelungsgehalt fortschreibenden, an den Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention (GK) angelehnten Vorschrift genannten tatsächlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot hat das Verwaltungsgericht im Falle der Kläger in dem angegriffenen Urteil zutreffend verneint. Sie liegen auch aus heutiger Sicht (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) nicht vor. Die Kläger wären bei einer Rückkehr in die Russische Föderation nicht wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen politischer Überzeugungen durch eines der in § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannten potentiellen Verfolgungssubjekte an Leib und Leben bedroht.

Für eine individuell erlittene politische Verfolgung in diesem Sinne vor dem Verlassen des Heimatlandes bieten weder der Sachvortrag der Kläger bei deren Anhörung beim (damaligen) Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge noch das Vorbringen im gerichtlichen Verfahren ausreichende Anhaltspunkte. Die Kläger, deren Schilderungen insgesamt glaubhaft sind, haben ihr Heimatland bereits 1998 und damit vor Entfesselung des – je nach Standpunkt – „Zweiten Tschetschenienkriegs“ beziehungsweise – so die offizielle russische Version - der Einleitung der im Grunde bis heute in Tschetschenien andauernden „antiterroristischen Aktionen“ des russischen Militärs verlassen. Folgerichtig hatten die Kläger im Rahmen ihrer Anhörungen beim Bundesamt zu einem wesentlichen Teil spezifische Probleme ihrerseits während der Zwischenphase nach dem das Ende des ersten, durch die einseitige Unabhängigkeitserklärung im Jahre 1991 ausgelösten Krieges in Tschetschenien markierenden Waffenstillstandsabkommen vom 31.8.1996 geschildert. Diese Phase war durch eine zunehmende Islamisierung von Staat und Gesellschaft in Tschetschenien selbst gekennzeichnet. Dementsprechend haben die Kläger in erster Linie sich aus ihrer gemischt-ethnischen Lebensgemeinschaft ergebende Probleme in Form von Anfeindungen durch Tschetschenen in Tschetschenien geschildert, etwa dass der Kläger als Russe und die Klägerin wegen ihrer Ehe mit einem solchen als missliebig betrachtet wurden. Diese Umstände erlangen für die Beurteilung des Vorliegens einer Verfolgungsgefährdung im Verständnis des § 60 Abs. 1 AufenthG jedoch zumindest aus heutiger Sicht (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) keine ausschlaggebende Bedeutung (mehr). Aus den in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ebenfalls glaubhaft dargelegten Schwierigkeiten des Klägers, der in Moskau wiederholten Personenkontrollen durch russische Sicherheitskräfte unterlag und wegen eines auf den Herkunftsort in Tschetschenien hinweisenden Ausweises mehrfach kurzzeitig durch die Polizei von Moskau festgesetzt und überprüft worden ist, lässt sich ebenfalls keine asylrelevante Gefährdung im Rückkehrfall herleiten. Letztlich verlassen haben die Kläger ihr Heimatland wegen der dortigen allgemein trostlosen und für den Einzelnen insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht wenig Perspektiven bietenden Gesamtsituation, das heißt – wie die Klägerin das bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt im Jahre 1998 ausgedrückt hat – wegen aus ihrer Sicht fehlender Möglichkeiten, sich „eine Lebensgrundlage zu errichten“. Eine zielgerichtete politische Verfolgung des Klägers im Verständnis des § 60 Abs. 1 AufenthG stellen die geschilderten polizeilichen Maßnahmen gegenüber dem Kläger nicht dar. Letztlich verlassen haben die Kläger Tschetschenien 1997 nach ihrer Rückkehr und einem etwa einmonatigen Aufenthalt aber wegen der bereits vor dem neuerlichen Ausbruch der Kämpfe Ende 1999 bestehenden katastrophalen Gesamtsituation mit unter anderem weitgehender Zerstörung ihrer Heimat, die sich inzwischen noch weiter verschärft hat.

Neben der zeitlichen Dimension des Falles ist bemerkenswert und letztlich auch entscheidungserheblich die ethnische Zuordnung des Klägers, bei dem es sich um einen russischen Volkszugehörigen handelt. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes rechtfertigt die Frage, ob Tschetschenen russischer Volkszugehörigkeit in der Russischen Föderation eine inländische Fluchtalternative zusteht, nicht (einmal) die Zulassung der Berufung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG/Grundsatzrüge), da sie sich bereits auf der Grundlage der allgemeinen Auskunftslage ohne weiteres bejahen lässt. Die Kläger selbst gehen nach eigenem Vorbringen im Berufungsverfahren von einer Möglichkeit russischer Volkszugehöriger aus, beispielsweise in den Regionen Stawropol und Krasnoda Aufnahme zu finden. Zweifel an der Richtigkeit dieser Rechtsprechung ergeben sich auch nicht auf der Grundlage des Vorbringens der Kläger im vorliegenden Verfahren. Wie auszuführen sein wird, ist eine inländische Fluchtalternative selbst für tschetschenische Volkszugehörige, also vorliegend für die freilich selbst nach ihrem Vortrag nie von den russischen Sicherheitskräften behelligte Klägerin, zu bejahen. Auch wenn man – wie die Kläger das in der mündlichen Verhandlung reklamiert haben – den Blick auf den Umstand ihrer unterschiedlichen Ethnien richtet, so bleibt aus Sicht des Senats jedenfalls festzuhalten, dass die russische Volkszugehörigkeit des Klägers im Vergleich zu einer Familie rein tschetschenischer Abstammung die Chancen eines anderweitigen Unterkommens in Russland zumindest verbessert. Der Klägerin droht ferner in Ansehung ihrer tschetschenischen Volkszugehörigkeit im Rückkehrfall keine politische Verfolgung (§ 60 Abs. 1 AufenthG).

Auszuschließen ist zunächst eine Verfolgung aller tschetschenischen Volkszugehörigen im (gesamten) Staatsgebiet der Russischen Föderation und zwar sowohl für den Ausreisezeitpunkt der Klägerin als auch für die heutige Situation. Das vorhandene Auskunftsmaterial rechtfertigt bei Anlegung der hierzu in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten strengen Maßstäbe nicht die Annahme einer landesweiten Gruppenverfolgung. Ungeachtet des sich im Gefolge der Kriegsereignisse in Tschetschenien insbesondere seit dem Jahre 1999, daher freilich erst nach der Ausreise der Klägerin, erneut verschärfenden, bekanntermaßen sehr angespannten Verhältnisses zwischen der (ethnisch) russischen Bevölkerung und den im Kaukasus beheimateten Volksgruppen, insbesondere den Tschetschenen, lässt sich dem vorliegenden Auskunftsmaterial weder ein staatliches (russisches) Verfolgungsprogramm mit dem Ziel einer physischen Vernichtung und/oder der gewaltsamen Vertreibung aller Tschetschenen aus dem Staatsgebiet nachweisen, noch lassen bekannt gewordene Einzelverfolgungsmaßnahmen mit Blick auf die zahlenmäßige Größe der die bei weitem größte der im Nordkaukasus beheimateten Ethnien stellenden Tschetschenen die Feststellung einer die Annahme einer landesweiten Gruppenverfolgung gebietenden Verfolgungsdichte zu. Weder Anzahl noch Intensität der für die sonstigen Bereiche der Russischen Föderation bekannt gewordenen Übergriffe gegen Personen tschetschenischer Volkszugehörigkeit sind mit den gezielten Angriffen auf Leib und Leben der Zivilbevölkerung in Tschetschenien selbst vergleichbar.

Weniger klar erscheint die Beantwortung der Frage, ob bezogen auf das Territorium von Tschetschenien bei einer auf dieses Gebiet beschränkten Betrachtung das Vorliegen der genannten Voraussetzungen für die Annahme einer Gruppenverfolgung bejaht werden muss. Hierfür mag es trotz anders lautender obergerichtlicher Entscheidungen aus jüngerer Vergangenheit insbesondere seit Beginn der erneuten, von der russischen Führung als „antiterroristische Operation“ bezeichneten militärischen Auseinandersetzungen ab Ende 1999, die nach weitgehender „Zurückeroberung“ des tschetschenischen Territoriums durch russisches Militär in einen bis heute, also auch nach dem Abschluss der offenen kriegerischen Auseinandersetzungen im Jahre 2003, andauernden Guerilla-Krieg mündeten, Anhaltspunkte geben. Diese Beurteilung wird insbesondere dadurch erschwert, dass sich die von russischer Seite als „innere Angelegenheit“ betrachtete, gemeinhin als Zweiter Tschetschenienkrieg bezeichnete und unstreitig mit regelmäßigen äußerst grausamen Maßnahmen der Sicherheitskräfte gegenüber der Zivilbevölkerung Tschetscheniens (sog. „Säuberungsaktionen“) einhergehende Vorgehensweise weitgehend „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ vollzieht. Die Bestimmung eines aus der Relation der Zahl der potentiell Betroffenen und der Zahl der dokumentierten Übergriffe zu ermittelnden individuellen Gefährdungspotentials ist von daher nur schwer möglich. Einigkeit besteht aber allgemein darüber, dass die Menschenrechtslage in Tschetschenien bis heute ungeachtet anders lautender offizieller regierungsseitiger Verlautbarungen für die von einer Vielzahl von Rechtsverletzungen in Form von willkürlichen Verhaftungen, Entführungen, „Verschwinden“, Misshandlungen, Vergewaltigungen und Ausraubungen betroffene Zivilbevölkerung der Region als „äußerst besorgniserregend“ bezeichnet werden muss. Ob die Vorgänge und Verhältnisse die Annahme einer begrenzten Kollektivverfolgung (aller) Tschetschenen in ihrer Heimatregion rechtfertigen, kann im Ergebnis für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits allerdings dahinstehen.

Selbst wenn man aber insoweit das Vorliegen einer „regionalen Gruppenverfolgung“ ethnischer Tschetschenen im Sinne der angesprochenen höchstrichterlichen Rechtsprechung seit dem Ausbruch des die vorherige faktische Autonomie Tschetscheniens beendenden Zweiten Tschetschenienkrieges und – davon ausgehend – vorliegend mit Blick auf den Ausreisezeitpunkt der Klägerin eine Relevanz unter dem Gesichtspunkt eines so genannten objektiven Nachfluchtgrundes - unter weiterer Hintanstellung der Frage des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative für Tschetschenen schon bei Ausbruch der Kampfhandlungen – unterstellt und trotz individuell unverfolgter Ausreise in ihrem Fall den für die Konstellation der Vorverfolgung im Asyl- und Flüchtlingsrecht geltenden „herabgestuften“ Prognosemaß für die Feststellung einer Rückkehrgefährdung im Verständnis des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zugrunde legt, so könnte ihr Anerkennungsbegehren keinen Erfolg haben. Der Klägerin stünde in diesem Fall, wie das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Urteil zutreffend und in Übereinstimmung mit der insoweit ersichtlich einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung entschieden hat, eine inländische Fluchtalternative in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens zur Verfügung. Die Klägerin wäre im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation ungeachtet ihrer tschetschenischen Volkszugehörigkeit zum einen „hinreichend sicher“ vor politischer Verfolgung und hätte zum anderen dort auch „grundsätzlich die Möglichkeit zum Überleben“ und das hätte nach dem zuvor Gesagten – seine Verfolgungsgefährdung in Tschetschenien immer unterstellt - erst recht für den russischen Kläger zu gelten. Dies schließt mit Blick auf den im Flüchtlingsrecht geltenden Grundsatz der Subsidiarität des Schutzes vor politischer Verfolgung im Zufluchtsstaat, hier in der Bundesrepublik Deutschland, den geltend gemachten Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG aus.

Dabei mag es zutreffen, dass – wie die Kläger behaupten und wofür nach den vorliegenden Dokumenten einiges spricht – bestimmte territoriale Einheiten des Föderationsgebiets, speziell etwa das nach der „Wahl“ des moskautreuen Regierungschefs Sjasikow durch einen Politikwechsel in der Behandlung tschetschenischer Flüchtlinge gekennzeichnete und auch wirtschaftlich allenfalls noch begrenzt aufnahmefähige Inguschetien, im gegenwärtigen Zeitpunkt keine zumutbare Fluchtalternative für Tschetschenen (mehr) bieten. Ob das in dieser Allgemeinheit auch für die von den Klägern im Berufungsverfahren unter Hinweis auf Erkenntnisse des UNHCR angeführten weiteren Regionen der Russischen Föderation, etwa Kabardino-Balkarien, Dagestan, Karatschai-Tscherkessien, Stawropol und Krasnodar sowie für Nordossetien-Alanien gilt, ist nach den dafür vorgetragenen Gründen zumindest zweifelhaft, bedarf aber hier keiner abschließenden Beurteilung. Bei diesen Regionen handelt es sich – zusammen gesehen – allenfalls um einen kleineren Teil des Territoriums der Russischen Föderation und nach Überzeugung des Senats ist jedenfalls davon auszugehen, dass in den verbleibenden Gebieten eine Gefährdung der Kläger oder allgemein in das Heimatland zurückkehrender tschetschenischer Volkszugehöriger zwar nicht mit Sicherheit, aber doch jedenfalls mit einem so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass selbst bei der unterstellten Anwendbarkeit des aus Sicht der Kläger günstigen (herabgestuften) Prognosemaßstabs die Rückkehrer jedenfalls „hinreichend sicher“ sind.

Das gilt auch, wenn man – wovon eigentlich alle Quellen übereinstimmend, wenngleich in unterschiedlichen Ausmaßen, berichten - davon ausgeht, dass das in der Verfassung der Russischen Föderation garantierte Recht auf Freizügigkeit, insbesondere hinsichtlich der Wahl des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthaltsortes, in der Praxis ungeachtet der 1993 durch das so genannte Föderationsgesetz eingeführten vereinfachten Registrierungsmöglichkeiten an zahlreichen Orten der Russischen Föderation nicht gleichermaßen uneingeschränkt in Anspruch genommen werden kann, und der Zuzug von Vertriebenen des Tschetschenienkriegs – auch wegen Ressentiments gegen Personen kaukasischer Herkunft – jedenfalls was eine an den Wohnsitznachweis geknüpfte Dauerregistrierung angeht, stark erschwert wird. Nach Überzeugung des Senats lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass es tschetschenischen Volkszugehörigen außerhalb der zuvor erwähnten „Problemzonen“ in der Russischen Föderation „flächendeckend“ nicht möglich wäre, unter Inanspruchnahme der geschilderten rechtlichen Garantien in der ein oder anderen Weise einen gesicherten Aufenthalt zu begründen. In dem Zusammenhang hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23.6.2005 zu Recht darauf hingewiesen, dass insbesondere die Menschenrechtsorganisation MEMORIAL an vielen Orten der Russischen Föderation eine Vielzahl von Unterstützungsstellen für betroffene Binnenflüchtlinge insbesondere aus Tschetschenien unterhält, mit deren Hilfe auch in einer Reihe von Fällen willkürlicher behördlicher Verweigerung der Aufenthaltsberechtigung erfolgreich entgegen getreten werden konnte. Die teilweise rechtswidrigen behördlichen Praktiken in bestimmten Teilen Russlands sind ferner mehrfach von Seiten des russischen Menschenrechtsbeauftragten und durch das Oberste Verfassungsgericht Russlands im Rahmen von Entscheidungen zugunsten registrierungswilliger Bürger beanstandet worden.

Das belegt allein die unstreitig in die Hunderttausende gehende Zahl der in der Russischen Föderation dauerhaft verbliebenen Binnenflüchtlinge aus Tschetschenien, von denen trotz einer allgemeinen politischen Zielsetzung, die Rückkehr nach Tschetschenien zu befördern, nicht bekannt ist, dass sie, sieht man einmal von dem geschilderten Sonderfall der Nachbarrepublik Inguschetien ab, derart drangsaliert oder unter Druck gesetzt würden, dass ein Verbleib an den jeweiligen Zufluchtsorten in nennenswerter Zahl zwangsweise beendet würde. Glaubhaften Berichten zufolge hält sich gegenwärtig nur noch ein Drittel der ehemaligen Bevölkerung in Tschetschenien auf. Der Rest ist geflohen und lebt überwiegend in anderen Gebieten der Russischen Föderation, davon etwa 50.000 allein in der Region Wolga. Dem steht ganz offenbar auch eine in weiten Teilen der Föderation ansiedlungsfeindliche Anwendung des neuen Registrierungsinstrumentariums in gesetzlich gerade nicht (mehr) vorgesehener Anwendung der früheren Praxis in der Sowjetunion nicht entgegen. Angesichts der vielfachen Verweise auf einen jeweils nicht registrierten Aufenthalt von Tschetschenen in Gebieten der Russischen Föderation muss aber auch davon ausgegangen werden, dass die Betroffenen – anders als die Kläger das für sich vortragen - in vielen Fällen, möglicherweise mit Blick auf die historischen Dimensionen des Konflikts zwischen Russen und Kaukasiern durchaus verständlich, wenn sie eine „Bleibe“ beispielsweise bei Bekannten und Verwandten oder auch nur in einem von Kaukasiern geprägten Umfeld gefunden haben, wenig Neigung zeigen, den Kontakt mit staatlich-russischen Stellen zu suchen.

Das Gesagte gilt allem Anschein nach sogar für die – letztlich wohl aus wirtschaftlichen Gründen – nicht nur gegenüber tschetschenischen Volkszugehörigen, sondern allgemein „zuzugsfeindlichen“ russischen Großstädte Moskau und St. Petersburg, bei denen es sich um die Wirtschaftsmetropolen des Landes mit allen unter wirtschaftlich angespannten Verhältnissen üblichen – positiven wie negativen – Begleiterscheinungen handelt, jedenfalls aber – und schon das schließt den Anerkennungsanspruch aus - für die eher ländlich geprägten („unproblematischen“) Bereiche des Territoriums der Russischen Föderation. Nicht einmal in ihren Stellungnahmen bekanntermaßen nicht „flüchtlingsfeindliche“ Menschenrechtsorganisationen gehen von einer „flächendeckenden“ Verweigerung der Aufenthalts- oder Niederlassungsberechtigung bei Tschetschenen aus. Des ungeachtet war es beispielsweise, worauf der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung zu Recht hingewiesen hat, gerade den Klägern nach deren eigenem Vorbringen sogar in Moskau, wo unstreitig eine große Zahl ethnischer Tschetschenen lebt, möglich, über zwei Jahre hinweg Unterkunft und ein den Lebensunterhalt sicherstellendes wirtschaftliches Auskommen zu finden, selbst wenn ihnen eine dauerhafte Anmeldung nach ihren durchaus glaubhaften Bekundungen in der russischen Hauptstadt – ebenso wie in Wolgograd – seinerzeit nicht gelungen ist.

Der in der mündlichen Verhandlung unter Vorlage eines Internetauszugs bekräftigte Verweis der Kläger auf einen in der Rechtsprechung vielfach thematisierten angeblich im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausbruch des zweiten Tschetschenienkriegs beziehungsweise der Inangriffnahme der antiterroristischen Operationen in der Region ergangenen „Befehl“ Nr. 541 des früheren russischen Innenministers Ruschajlo vom 17.9.1999 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Nach derzeitiger Erkenntnislage muss mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesem „Befehl“ um eine Fälschung handelt. Gegen die behauptete konsequente Umsetzung solcher Antiterrormaßnahmen gegenüber allen Tschetschenen in der Russischen Föderation und sogar für den Bereich der russischen Hauptstadt oder gar die in dem Zusammenhang weiter behauptete Existenz beziehungsweise Anwendung einer so genannten „Tschetschenenkartei“ spricht im Übrigen bereits ganz vehement der Vortrag der Kläger im vorliegenden Verfahren. Die Klägerin hat ausdrücklich betont, dass sie selbst trotz ihrer tschetschenischen Abstammung nie die Probleme des im Gegensatz zu ihr häufig kontrollierten Klägers mit den russischen Sicherheitskräften hatte.

Eine Unzumutbarkeit der Verweisung der Kläger auf eine inländische Fluchtalternative lässt sich auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass es insbesondere in Moskau und in anderen Großstädten Russlands, die aufgrund ihrer Struktur für terroristische Aktivitäten besonders sensible Bereiche und „anfällige Ziele“ darstellen, gegenüber Personen kaukasischer Herkunft vergleichsweise vermehrt zu Personenkontrollen und, gerade bei fehlender Legitimierung, auch zu weitergehenden polizeilichen Maßnahmen kommt. Auch unter hiesigen rechtsstaatlichen Aspekten müssen es selbst ansonsten individuell zunächst „unverdächtige“ Personen, die einer abgrenzbaren Gruppe angehören, von der im Vergleich zu anderen Bevölkerungskreisen eine erhebliche erhöhte Gefährdung für die Gesamtbevölkerung ausgeht, hinnehmen, dass sie in statistisch vermehrtem Maße im Interesse der Sicherheit aller Staatsbürger Kontrollen und Untersuchungen mit den damit verbundenen polizeilichen Eingriffsmaßnahmen, etwa erkennungsdienstlicher Behandlung, unterzogen werden. Dass es allgemein, die Kläger selbst sind damit nicht gemeint, auch in Russland eine überproportional hohe Verflechtung von Tschetschenen mit der organisierten Schwerkriminalität gibt und dass insbesondere durch Angehörige dieses Volkes unter Berufung auf ein angebliches Recht zum „Gegenterror“ schwerste Terrorakte mit einer Vielzahl unschuldiger Opfer unter der Zivilbevölkerung, beispielsweise auch die Schulkinder von Beslan, begangen wurden, ist bekannt. Davon ausgehend ist es jedem Staat nicht nur zuzugestehen, sondern es erscheint aus Gründen der inneren Sicherheit geradezu geboten, diesen Personenkreis durch seine Sicherheitskräfte „im Auge zu behalten“. Jedenfalls nicht gerechtfertigt erscheint es, in dem Zusammenhang pauschal vom „Wohnungsdurchsuchungen aus rassistischen Gründen“ zu sprechen. Dass es bezogen auf die erwähnt große Zahl der in den als Fluchtalternative in Betracht kommenden Gebieten in der Russischen Föderation lebenden Tschetschenen ausweislich der Dokumentation in Einzelfällen zu weitergehenden Übergriffen von Sicherheitskräften gegenüber den Betroffenen und auch zu einer Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas mit der Folge spontaner Aktionen aus der russischen Bevölkerung heraus gegenüber unschuldigen Tschetschenen gekommen ist, soll hier nicht gerechtfertigt werden, lässt aber andererseits insbesondere auch vor dem Hintergrund der Neuregelung hinsichtlich potentieller Verfolgungssubjekte in § 60 Abs. 1 Satz 4 lit. c AufenthG nicht den Schluss zu, dass für jeden einzelnen tschetschenischen Rückkehrer eine landesweit beachtlich wahrscheinliche und nicht durch staatliche Sicherheitskräfte zu beherrschende Gefährdung bestünde, Opfer einer solchen Maßnahme zu werden.

Auch die wirtschaftlichen Zumutbarkeitskriterien für die Annahme einer gegenüber dem Flüchtlingsschutz im Aufnahmeland vorrangigen inländischen Fluchtalternative sind gegeben. Dass die Rückkehrer keine einfachen, sondern unter vielen Aspekten schwierige Lebensverhältnisse vorfinden werden, ist, wie schon das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, nicht in Abrede zu stellen. Es findet sich in der Dokumentation kein Bericht darüber, dass es in den nach Auffassung des Senats als solche in Betracht kommenden Bereichen der Russischen Föderation, in denen insgesamt Hunderttausende von vor den kriegerischen Auseinandersetzungen in Tschetschenien geflohenen oder auch bereits zuvor nach Russland umgezogenen Tschetschenen als Binnenflüchtlinge eine Bleibe gefunden haben, gerade unter diesem Personenkreis zu gravierenden Versorgungsengpässen oder gar zu personenübergreifenden Hungersnöten oder vergleichbaren überindividuellen humanitären Katastrophen gekommen wäre. Daher ist die grundsätzliche Möglichkeit zum Überleben zu bejahen und es spricht nichts Durchgreifendes für die Prognose, dass den Klägern im Rückkehrfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit an den alternativen Orten auf Dauer ein Leben unterhalb des Existenzminimums drohte, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tod führen könnte. Mit Blick auf die zu beurteilende wirtschaftliche Überlebensfähigkeit bleibt festzustellen, dass die Kläger nach eigenem Vorbringen – unabhängig von der Legalisierung des Wohnsitzes in Moskau – sogar auf dem dortigen Markt Handel mit Waren betreiben und dabei nach den Angaben beim Bundesamt nicht unerhebliche finanzielle Rücklagen zu bilden vermochten, die dann zur Zahlung der Ausreise eingesetzt werden konnten. Unter diesem Gesichtspunkt kommt es schließlich entgegen der Auffassung der Kläger nicht darauf an, dass die mögliche Existenzsicherung unter Umständen – wie das bei einer Vielzahl von Bürgern der Russischen Föderation der Fall ist – durch Betätigungen im Bereich der so genannten „Schattenwirtschaft“ bewerkstelligt wird.

Des ungeachtet erschiene ohnedies zweifelhaft, ob – gegebenenfalls – das Fehlen eines wirtschaftlichen Existenzminimums am Ort der inländischen Fluchtalternative im konkreten Fall angesichts der desolaten wirtschaftlichen Situation in der Heimatregion Tschetschenien auch schon bei Wegzug der Kläger und erst recht heute überhaupt als verfolgungsbedingt und – nur dann – erheblich für die rechtliche Beurteilung eingestuft werden könnte. Derartige am verfolgungssicheren Ort drohende, nicht durch eine politische Verfolgung bedingte Gefahren schließen diesen Ort als inländische Fluchtalternative nur aus, wenn eine gleichartige existenzielle Gefährdung am Herkunftsort nicht bestünde.

Dass die Kläger die als Fluchtalternativen in Betracht kommenden Gebiete der russischen Föderation schließlich – was im Rechtssinne die Annahme einer den Anspruch aus § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ausschließenden inländischen Fluchtalternative voraussetzt – auch tatsächlich erreichen können, unterliegt aus Sicht des Senats ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Dabei kommt es hier nicht auf die von den Klägern in dem Zusammenhang unter Hinweis auf die Einrichtung so genannter Filtrationslager thematisierten angeblich eingeschränkten Möglichkeiten an, aus Tschetschenien „herauszukommen“, was den Klägern offenbar ohne Schwierigkeiten wiederholt gelungen ist. Entscheidend ist vielmehr die Frage einer nach den Modalitäten zumutbaren Einreisemöglichkeit in die Russische Föderation. Eine solche besteht grundsätzlich. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts konnte nicht ein einziger der bisweilen erhobenen Vorwürfe einer willkürlichen Freiheitsentziehung, Erpressung oder gar Misshandlung von in die Russische Föderation zurückkehrenden „unauffälligen“ tschetschenischen Volkszugehörigen verifiziert werden. Entgegenstehende Anhaltspunkte zeigt der Sachvortrag der Kläger nicht auf, wobei allgemein festzuhalten bleibt, dass ein bloßer Verweis auf fehlende Reisedokumente in dem Zusammenhang nicht ausreicht, da solche – die geschuldete Mitwirkung des Ausländers unterstellt – regelmäßig beschafft werden können. Für eine generelle und „standhafte“ Weigerung der russischen Stellen in Deutschland, eigenen Bürgern entgegen völkerrechtlichen Verpflichtungen die für die Wiedereinreise notwendigen Personaldokumente auszustellen, bestehen insbesondere mit Blick auf die in der Dokumentation befindlichen Berichte über erfolgreiche Rückführungen in die Russische Föderation keine durchgreifenden Anhaltspunkte.

Schließlich kann auch vor dem Hintergrund des in der Russischen Föderation eingeführten befristeten Erfordernisses des Umtauschs von Inlandspässen nicht von einer nach der Rückkehr bestehenden Verpflichtung der Kläger zu einer zumindest vorübergehenden erneuten Rückkehr nach Tschetschenien selbst ausgegangen werden. Dabei mag dahinstehen, ob die Kläger überhaupt im Besitz der nach dem am 6.2.1992 in Kraft getretenen russischen Staatsbürgerschaftsgesetz beziehungsweise der Begrenzung ihrer Gültigkeitsdauer bis zum 1.1.2004 umtauschpflichtigen „alten“ sowjetischen Pässe waren. Nach gegenwärtigem Stand beziehungsweise ihren Angaben gegenüber den deutschen Behörden besitzen sie überhaupt keine russischen Ausweise mehr. Nach dem vorliegenden Erkenntnismaterial ist davon auszugehen, dass selbst bei umtauschpflichtigen Bürgern der Russischen Föderation im vorgenannten Verständnis die dafür notwendigen behördlichen Formalitäten – gegebenenfalls unter Zuhilfenahme wiederum von Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen in Russland nicht nur am Ort einer Registrierung, sondern auch am Wohnort vorgenommen werden können. Daher kann in der Gesamtschau nicht angenommen werden, dass das neue Russische Passrecht zwingend zur Folge hat, dass sich Passbewerber zum Umtausch oder zur Neuausstellung eines Inlandspasses an den Ort ihrer letzten Registrierung – im Falle der Kläger also nach Tschetschenien – begeben müssen.

Hat damit das Verwaltungsgericht die Klage mit dem Hauptantrag zu Recht abgewiesen, so bleibt mit Blick auf das hilfsweise geltend gemachte Verpflichtungsbegehren festzustellen, dass auch die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 2 bis 8 beziehungsweise 10 AufenthG nicht erfüllt sind. Das gilt, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen entnehmen lässt, insbesondere hinsichtlich des an die Stelle des bisherigen § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG getretenen § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, nach dem von einer Abschiebung abgesehen werden soll, wenn im Zielstaat für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit besteht. Insoweit ist, was die Geltendmachung einer Gefährdung durch die allgemeine wirtschaftliche Versorgungslage angeht, zusätzlich auf die vom Bundesgesetzgeber beibehaltene – vorliegend beachtliche - Sperrwirkung nach den §§ 60 Abs. 7 Satz 2, 60a AufenthG für die Berücksichtigungsfähigkeit von so genannten Allgemeingefahren für die Bevölkerung oder auch nur Bevölkerungsgruppen im Herkunftsstaat hinzuweisen. Darüber hinausgehende humanitäre Gesichtspunkte, wie sie letztlich den Empfehlungen des UNHCR und verschiedener Menschenrechtsgruppen, gegenwärtig auf eine Rückführung von tschetschenischen Volkszugehörigen in die Russische Föderation zu verzichten, zugrunde liegen, hat der Bundesgesetzgeber auch am Maßstab des Verfassungsrechts in zulässiger Weise den hierfür zuständigen politischen Entscheidungsträgern überantwortet; sie haben daher für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens keine Bedeutung.

Einer Rückführung der Kläger in die Russische Föderation stünde auch nicht das sich – nunmehr – aus dem § 60 Abs. 2 und 5 AufenthG i.V.m. den Bestimmungen des Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergebende Verbot entgegen, wonach niemand durch seine Abschiebung der Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Strafe oder Behandlung ausgesetzt werden darf. Insbesondere Art. 3 EMRK schützt ebenso wie das Asylrecht im Ansatz nicht vor den allgemeinen Folgen von Naturkatastrophen, Bürgerkriegen und anderen bewaffneten Auseinandersetzungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 83b Abs. 1 AsylVfG und 154 Abs. 2, 159 VwGO, 100 ZPO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Gründe

Die Sache konnte verhandelt und entschieden werden, obwohl der Beteiligte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Die an ihn gerichtete ordnungsgemäße Ladung war mit einem dem § 102 Abs. 2 VwGO entsprechenden Hinweis versehen.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage der Kläger gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten (Bundesamt) vom 10.11.1998 zu Recht abgewiesen, soweit darin die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG abgelehnt worden ist. Diese Verwaltungsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt die Kläger daher nicht in subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Den Klägern steht kein Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des inzwischen an die Stelle des ehemaligen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbots getretenen § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich der Russischen Föderation zu. Die in dieser im Wesentlichen den bisherigen Regelungsgehalt fortschreibenden, an den Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention (GK) angelehnten Vorschrift genannten tatsächlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot hat das Verwaltungsgericht im Falle der Kläger in dem angegriffenen Urteil zutreffend verneint. Sie liegen auch aus heutiger Sicht (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) nicht vor. Die Kläger wären bei einer Rückkehr in die Russische Föderation nicht wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen politischer Überzeugungen durch eines der in § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannten potentiellen Verfolgungssubjekte an Leib und Leben bedroht.

Für eine individuell erlittene politische Verfolgung in diesem Sinne vor dem Verlassen des Heimatlandes bieten weder der Sachvortrag der Kläger bei deren Anhörung beim (damaligen) Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge noch das Vorbringen im gerichtlichen Verfahren ausreichende Anhaltspunkte. Die Kläger, deren Schilderungen insgesamt glaubhaft sind, haben ihr Heimatland bereits 1998 und damit vor Entfesselung des – je nach Standpunkt – „Zweiten Tschetschenienkriegs“ beziehungsweise – so die offizielle russische Version - der Einleitung der im Grunde bis heute in Tschetschenien andauernden „antiterroristischen Aktionen“ des russischen Militärs verlassen. Folgerichtig hatten die Kläger im Rahmen ihrer Anhörungen beim Bundesamt zu einem wesentlichen Teil spezifische Probleme ihrerseits während der Zwischenphase nach dem das Ende des ersten, durch die einseitige Unabhängigkeitserklärung im Jahre 1991 ausgelösten Krieges in Tschetschenien markierenden Waffenstillstandsabkommen vom 31.8.1996 geschildert. Diese Phase war durch eine zunehmende Islamisierung von Staat und Gesellschaft in Tschetschenien selbst gekennzeichnet. Dementsprechend haben die Kläger in erster Linie sich aus ihrer gemischt-ethnischen Lebensgemeinschaft ergebende Probleme in Form von Anfeindungen durch Tschetschenen in Tschetschenien geschildert, etwa dass der Kläger als Russe und die Klägerin wegen ihrer Ehe mit einem solchen als missliebig betrachtet wurden. Diese Umstände erlangen für die Beurteilung des Vorliegens einer Verfolgungsgefährdung im Verständnis des § 60 Abs. 1 AufenthG jedoch zumindest aus heutiger Sicht (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) keine ausschlaggebende Bedeutung (mehr). Aus den in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ebenfalls glaubhaft dargelegten Schwierigkeiten des Klägers, der in Moskau wiederholten Personenkontrollen durch russische Sicherheitskräfte unterlag und wegen eines auf den Herkunftsort in Tschetschenien hinweisenden Ausweises mehrfach kurzzeitig durch die Polizei von Moskau festgesetzt und überprüft worden ist, lässt sich ebenfalls keine asylrelevante Gefährdung im Rückkehrfall herleiten. Letztlich verlassen haben die Kläger ihr Heimatland wegen der dortigen allgemein trostlosen und für den Einzelnen insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht wenig Perspektiven bietenden Gesamtsituation, das heißt – wie die Klägerin das bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt im Jahre 1998 ausgedrückt hat – wegen aus ihrer Sicht fehlender Möglichkeiten, sich „eine Lebensgrundlage zu errichten“. Eine zielgerichtete politische Verfolgung des Klägers im Verständnis des § 60 Abs. 1 AufenthG stellen die geschilderten polizeilichen Maßnahmen gegenüber dem Kläger nicht dar. Letztlich verlassen haben die Kläger Tschetschenien 1997 nach ihrer Rückkehr und einem etwa einmonatigen Aufenthalt aber wegen der bereits vor dem neuerlichen Ausbruch der Kämpfe Ende 1999 bestehenden katastrophalen Gesamtsituation mit unter anderem weitgehender Zerstörung ihrer Heimat, die sich inzwischen noch weiter verschärft hat.

Neben der zeitlichen Dimension des Falles ist bemerkenswert und letztlich auch entscheidungserheblich die ethnische Zuordnung des Klägers, bei dem es sich um einen russischen Volkszugehörigen handelt. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes rechtfertigt die Frage, ob Tschetschenen russischer Volkszugehörigkeit in der Russischen Föderation eine inländische Fluchtalternative zusteht, nicht (einmal) die Zulassung der Berufung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG/Grundsatzrüge), da sie sich bereits auf der Grundlage der allgemeinen Auskunftslage ohne weiteres bejahen lässt. Die Kläger selbst gehen nach eigenem Vorbringen im Berufungsverfahren von einer Möglichkeit russischer Volkszugehöriger aus, beispielsweise in den Regionen Stawropol und Krasnoda Aufnahme zu finden. Zweifel an der Richtigkeit dieser Rechtsprechung ergeben sich auch nicht auf der Grundlage des Vorbringens der Kläger im vorliegenden Verfahren. Wie auszuführen sein wird, ist eine inländische Fluchtalternative selbst für tschetschenische Volkszugehörige, also vorliegend für die freilich selbst nach ihrem Vortrag nie von den russischen Sicherheitskräften behelligte Klägerin, zu bejahen. Auch wenn man – wie die Kläger das in der mündlichen Verhandlung reklamiert haben – den Blick auf den Umstand ihrer unterschiedlichen Ethnien richtet, so bleibt aus Sicht des Senats jedenfalls festzuhalten, dass die russische Volkszugehörigkeit des Klägers im Vergleich zu einer Familie rein tschetschenischer Abstammung die Chancen eines anderweitigen Unterkommens in Russland zumindest verbessert. Der Klägerin droht ferner in Ansehung ihrer tschetschenischen Volkszugehörigkeit im Rückkehrfall keine politische Verfolgung (§ 60 Abs. 1 AufenthG).

Auszuschließen ist zunächst eine Verfolgung aller tschetschenischen Volkszugehörigen im (gesamten) Staatsgebiet der Russischen Föderation und zwar sowohl für den Ausreisezeitpunkt der Klägerin als auch für die heutige Situation. Das vorhandene Auskunftsmaterial rechtfertigt bei Anlegung der hierzu in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten strengen Maßstäbe nicht die Annahme einer landesweiten Gruppenverfolgung. Ungeachtet des sich im Gefolge der Kriegsereignisse in Tschetschenien insbesondere seit dem Jahre 1999, daher freilich erst nach der Ausreise der Klägerin, erneut verschärfenden, bekanntermaßen sehr angespannten Verhältnisses zwischen der (ethnisch) russischen Bevölkerung und den im Kaukasus beheimateten Volksgruppen, insbesondere den Tschetschenen, lässt sich dem vorliegenden Auskunftsmaterial weder ein staatliches (russisches) Verfolgungsprogramm mit dem Ziel einer physischen Vernichtung und/oder der gewaltsamen Vertreibung aller Tschetschenen aus dem Staatsgebiet nachweisen, noch lassen bekannt gewordene Einzelverfolgungsmaßnahmen mit Blick auf die zahlenmäßige Größe der die bei weitem größte der im Nordkaukasus beheimateten Ethnien stellenden Tschetschenen die Feststellung einer die Annahme einer landesweiten Gruppenverfolgung gebietenden Verfolgungsdichte zu. Weder Anzahl noch Intensität der für die sonstigen Bereiche der Russischen Föderation bekannt gewordenen Übergriffe gegen Personen tschetschenischer Volkszugehörigkeit sind mit den gezielten Angriffen auf Leib und Leben der Zivilbevölkerung in Tschetschenien selbst vergleichbar.

Weniger klar erscheint die Beantwortung der Frage, ob bezogen auf das Territorium von Tschetschenien bei einer auf dieses Gebiet beschränkten Betrachtung das Vorliegen der genannten Voraussetzungen für die Annahme einer Gruppenverfolgung bejaht werden muss. Hierfür mag es trotz anders lautender obergerichtlicher Entscheidungen aus jüngerer Vergangenheit insbesondere seit Beginn der erneuten, von der russischen Führung als „antiterroristische Operation“ bezeichneten militärischen Auseinandersetzungen ab Ende 1999, die nach weitgehender „Zurückeroberung“ des tschetschenischen Territoriums durch russisches Militär in einen bis heute, also auch nach dem Abschluss der offenen kriegerischen Auseinandersetzungen im Jahre 2003, andauernden Guerilla-Krieg mündeten, Anhaltspunkte geben. Diese Beurteilung wird insbesondere dadurch erschwert, dass sich die von russischer Seite als „innere Angelegenheit“ betrachtete, gemeinhin als Zweiter Tschetschenienkrieg bezeichnete und unstreitig mit regelmäßigen äußerst grausamen Maßnahmen der Sicherheitskräfte gegenüber der Zivilbevölkerung Tschetscheniens (sog. „Säuberungsaktionen“) einhergehende Vorgehensweise weitgehend „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ vollzieht. Die Bestimmung eines aus der Relation der Zahl der potentiell Betroffenen und der Zahl der dokumentierten Übergriffe zu ermittelnden individuellen Gefährdungspotentials ist von daher nur schwer möglich. Einigkeit besteht aber allgemein darüber, dass die Menschenrechtslage in Tschetschenien bis heute ungeachtet anders lautender offizieller regierungsseitiger Verlautbarungen für die von einer Vielzahl von Rechtsverletzungen in Form von willkürlichen Verhaftungen, Entführungen, „Verschwinden“, Misshandlungen, Vergewaltigungen und Ausraubungen betroffene Zivilbevölkerung der Region als „äußerst besorgniserregend“ bezeichnet werden muss. Ob die Vorgänge und Verhältnisse die Annahme einer begrenzten Kollektivverfolgung (aller) Tschetschenen in ihrer Heimatregion rechtfertigen, kann im Ergebnis für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits allerdings dahinstehen.

Selbst wenn man aber insoweit das Vorliegen einer „regionalen Gruppenverfolgung“ ethnischer Tschetschenen im Sinne der angesprochenen höchstrichterlichen Rechtsprechung seit dem Ausbruch des die vorherige faktische Autonomie Tschetscheniens beendenden Zweiten Tschetschenienkrieges und – davon ausgehend – vorliegend mit Blick auf den Ausreisezeitpunkt der Klägerin eine Relevanz unter dem Gesichtspunkt eines so genannten objektiven Nachfluchtgrundes - unter weiterer Hintanstellung der Frage des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative für Tschetschenen schon bei Ausbruch der Kampfhandlungen – unterstellt und trotz individuell unverfolgter Ausreise in ihrem Fall den für die Konstellation der Vorverfolgung im Asyl- und Flüchtlingsrecht geltenden „herabgestuften“ Prognosemaß für die Feststellung einer Rückkehrgefährdung im Verständnis des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zugrunde legt, so könnte ihr Anerkennungsbegehren keinen Erfolg haben. Der Klägerin stünde in diesem Fall, wie das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Urteil zutreffend und in Übereinstimmung mit der insoweit ersichtlich einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung entschieden hat, eine inländische Fluchtalternative in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens zur Verfügung. Die Klägerin wäre im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation ungeachtet ihrer tschetschenischen Volkszugehörigkeit zum einen „hinreichend sicher“ vor politischer Verfolgung und hätte zum anderen dort auch „grundsätzlich die Möglichkeit zum Überleben“ und das hätte nach dem zuvor Gesagten – seine Verfolgungsgefährdung in Tschetschenien immer unterstellt - erst recht für den russischen Kläger zu gelten. Dies schließt mit Blick auf den im Flüchtlingsrecht geltenden Grundsatz der Subsidiarität des Schutzes vor politischer Verfolgung im Zufluchtsstaat, hier in der Bundesrepublik Deutschland, den geltend gemachten Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG aus.

Dabei mag es zutreffen, dass – wie die Kläger behaupten und wofür nach den vorliegenden Dokumenten einiges spricht – bestimmte territoriale Einheiten des Föderationsgebiets, speziell etwa das nach der „Wahl“ des moskautreuen Regierungschefs Sjasikow durch einen Politikwechsel in der Behandlung tschetschenischer Flüchtlinge gekennzeichnete und auch wirtschaftlich allenfalls noch begrenzt aufnahmefähige Inguschetien, im gegenwärtigen Zeitpunkt keine zumutbare Fluchtalternative für Tschetschenen (mehr) bieten. Ob das in dieser Allgemeinheit auch für die von den Klägern im Berufungsverfahren unter Hinweis auf Erkenntnisse des UNHCR angeführten weiteren Regionen der Russischen Föderation, etwa Kabardino-Balkarien, Dagestan, Karatschai-Tscherkessien, Stawropol und Krasnodar sowie für Nordossetien-Alanien gilt, ist nach den dafür vorgetragenen Gründen zumindest zweifelhaft, bedarf aber hier keiner abschließenden Beurteilung. Bei diesen Regionen handelt es sich – zusammen gesehen – allenfalls um einen kleineren Teil des Territoriums der Russischen Föderation und nach Überzeugung des Senats ist jedenfalls davon auszugehen, dass in den verbleibenden Gebieten eine Gefährdung der Kläger oder allgemein in das Heimatland zurückkehrender tschetschenischer Volkszugehöriger zwar nicht mit Sicherheit, aber doch jedenfalls mit einem so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass selbst bei der unterstellten Anwendbarkeit des aus Sicht der Kläger günstigen (herabgestuften) Prognosemaßstabs die Rückkehrer jedenfalls „hinreichend sicher“ sind.

Das gilt auch, wenn man – wovon eigentlich alle Quellen übereinstimmend, wenngleich in unterschiedlichen Ausmaßen, berichten - davon ausgeht, dass das in der Verfassung der Russischen Föderation garantierte Recht auf Freizügigkeit, insbesondere hinsichtlich der Wahl des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthaltsortes, in der Praxis ungeachtet der 1993 durch das so genannte Föderationsgesetz eingeführten vereinfachten Registrierungsmöglichkeiten an zahlreichen Orten der Russischen Föderation nicht gleichermaßen uneingeschränkt in Anspruch genommen werden kann, und der Zuzug von Vertriebenen des Tschetschenienkriegs – auch wegen Ressentiments gegen Personen kaukasischer Herkunft – jedenfalls was eine an den Wohnsitznachweis geknüpfte Dauerregistrierung angeht, stark erschwert wird. Nach Überzeugung des Senats lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass es tschetschenischen Volkszugehörigen außerhalb der zuvor erwähnten „Problemzonen“ in der Russischen Föderation „flächendeckend“ nicht möglich wäre, unter Inanspruchnahme der geschilderten rechtlichen Garantien in der ein oder anderen Weise einen gesicherten Aufenthalt zu begründen. In dem Zusammenhang hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23.6.2005 zu Recht darauf hingewiesen, dass insbesondere die Menschenrechtsorganisation MEMORIAL an vielen Orten der Russischen Föderation eine Vielzahl von Unterstützungsstellen für betroffene Binnenflüchtlinge insbesondere aus Tschetschenien unterhält, mit deren Hilfe auch in einer Reihe von Fällen willkürlicher behördlicher Verweigerung der Aufenthaltsberechtigung erfolgreich entgegen getreten werden konnte. Die teilweise rechtswidrigen behördlichen Praktiken in bestimmten Teilen Russlands sind ferner mehrfach von Seiten des russischen Menschenrechtsbeauftragten und durch das Oberste Verfassungsgericht Russlands im Rahmen von Entscheidungen zugunsten registrierungswilliger Bürger beanstandet worden.

Das belegt allein die unstreitig in die Hunderttausende gehende Zahl der in der Russischen Föderation dauerhaft verbliebenen Binnenflüchtlinge aus Tschetschenien, von denen trotz einer allgemeinen politischen Zielsetzung, die Rückkehr nach Tschetschenien zu befördern, nicht bekannt ist, dass sie, sieht man einmal von dem geschilderten Sonderfall der Nachbarrepublik Inguschetien ab, derart drangsaliert oder unter Druck gesetzt würden, dass ein Verbleib an den jeweiligen Zufluchtsorten in nennenswerter Zahl zwangsweise beendet würde. Glaubhaften Berichten zufolge hält sich gegenwärtig nur noch ein Drittel der ehemaligen Bevölkerung in Tschetschenien auf. Der Rest ist geflohen und lebt überwiegend in anderen Gebieten der Russischen Föderation, davon etwa 50.000 allein in der Region Wolga. Dem steht ganz offenbar auch eine in weiten Teilen der Föderation ansiedlungsfeindliche Anwendung des neuen Registrierungsinstrumentariums in gesetzlich gerade nicht (mehr) vorgesehener Anwendung der früheren Praxis in der Sowjetunion nicht entgegen. Angesichts der vielfachen Verweise auf einen jeweils nicht registrierten Aufenthalt von Tschetschenen in Gebieten der Russischen Föderation muss aber auch davon ausgegangen werden, dass die Betroffenen – anders als die Kläger das für sich vortragen - in vielen Fällen, möglicherweise mit Blick auf die historischen Dimensionen des Konflikts zwischen Russen und Kaukasiern durchaus verständlich, wenn sie eine „Bleibe“ beispielsweise bei Bekannten und Verwandten oder auch nur in einem von Kaukasiern geprägten Umfeld gefunden haben, wenig Neigung zeigen, den Kontakt mit staatlich-russischen Stellen zu suchen.

Das Gesagte gilt allem Anschein nach sogar für die – letztlich wohl aus wirtschaftlichen Gründen – nicht nur gegenüber tschetschenischen Volkszugehörigen, sondern allgemein „zuzugsfeindlichen“ russischen Großstädte Moskau und St. Petersburg, bei denen es sich um die Wirtschaftsmetropolen des Landes mit allen unter wirtschaftlich angespannten Verhältnissen üblichen – positiven wie negativen – Begleiterscheinungen handelt, jedenfalls aber – und schon das schließt den Anerkennungsanspruch aus - für die eher ländlich geprägten („unproblematischen“) Bereiche des Territoriums der Russischen Föderation. Nicht einmal in ihren Stellungnahmen bekanntermaßen nicht „flüchtlingsfeindliche“ Menschenrechtsorganisationen gehen von einer „flächendeckenden“ Verweigerung der Aufenthalts- oder Niederlassungsberechtigung bei Tschetschenen aus. Des ungeachtet war es beispielsweise, worauf der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung zu Recht hingewiesen hat, gerade den Klägern nach deren eigenem Vorbringen sogar in Moskau, wo unstreitig eine große Zahl ethnischer Tschetschenen lebt, möglich, über zwei Jahre hinweg Unterkunft und ein den Lebensunterhalt sicherstellendes wirtschaftliches Auskommen zu finden, selbst wenn ihnen eine dauerhafte Anmeldung nach ihren durchaus glaubhaften Bekundungen in der russischen Hauptstadt – ebenso wie in Wolgograd – seinerzeit nicht gelungen ist.

Der in der mündlichen Verhandlung unter Vorlage eines Internetauszugs bekräftigte Verweis der Kläger auf einen in der Rechtsprechung vielfach thematisierten angeblich im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausbruch des zweiten Tschetschenienkriegs beziehungsweise der Inangriffnahme der antiterroristischen Operationen in der Region ergangenen „Befehl“ Nr. 541 des früheren russischen Innenministers Ruschajlo vom 17.9.1999 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Nach derzeitiger Erkenntnislage muss mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesem „Befehl“ um eine Fälschung handelt. Gegen die behauptete konsequente Umsetzung solcher Antiterrormaßnahmen gegenüber allen Tschetschenen in der Russischen Föderation und sogar für den Bereich der russischen Hauptstadt oder gar die in dem Zusammenhang weiter behauptete Existenz beziehungsweise Anwendung einer so genannten „Tschetschenenkartei“ spricht im Übrigen bereits ganz vehement der Vortrag der Kläger im vorliegenden Verfahren. Die Klägerin hat ausdrücklich betont, dass sie selbst trotz ihrer tschetschenischen Abstammung nie die Probleme des im Gegensatz zu ihr häufig kontrollierten Klägers mit den russischen Sicherheitskräften hatte.

Eine Unzumutbarkeit der Verweisung der Kläger auf eine inländische Fluchtalternative lässt sich auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass es insbesondere in Moskau und in anderen Großstädten Russlands, die aufgrund ihrer Struktur für terroristische Aktivitäten besonders sensible Bereiche und „anfällige Ziele“ darstellen, gegenüber Personen kaukasischer Herkunft vergleichsweise vermehrt zu Personenkontrollen und, gerade bei fehlender Legitimierung, auch zu weitergehenden polizeilichen Maßnahmen kommt. Auch unter hiesigen rechtsstaatlichen Aspekten müssen es selbst ansonsten individuell zunächst „unverdächtige“ Personen, die einer abgrenzbaren Gruppe angehören, von der im Vergleich zu anderen Bevölkerungskreisen eine erhebliche erhöhte Gefährdung für die Gesamtbevölkerung ausgeht, hinnehmen, dass sie in statistisch vermehrtem Maße im Interesse der Sicherheit aller Staatsbürger Kontrollen und Untersuchungen mit den damit verbundenen polizeilichen Eingriffsmaßnahmen, etwa erkennungsdienstlicher Behandlung, unterzogen werden. Dass es allgemein, die Kläger selbst sind damit nicht gemeint, auch in Russland eine überproportional hohe Verflechtung von Tschetschenen mit der organisierten Schwerkriminalität gibt und dass insbesondere durch Angehörige dieses Volkes unter Berufung auf ein angebliches Recht zum „Gegenterror“ schwerste Terrorakte mit einer Vielzahl unschuldiger Opfer unter der Zivilbevölkerung, beispielsweise auch die Schulkinder von Beslan, begangen wurden, ist bekannt. Davon ausgehend ist es jedem Staat nicht nur zuzugestehen, sondern es erscheint aus Gründen der inneren Sicherheit geradezu geboten, diesen Personenkreis durch seine Sicherheitskräfte „im Auge zu behalten“. Jedenfalls nicht gerechtfertigt erscheint es, in dem Zusammenhang pauschal vom „Wohnungsdurchsuchungen aus rassistischen Gründen“ zu sprechen. Dass es bezogen auf die erwähnt große Zahl der in den als Fluchtalternative in Betracht kommenden Gebieten in der Russischen Föderation lebenden Tschetschenen ausweislich der Dokumentation in Einzelfällen zu weitergehenden Übergriffen von Sicherheitskräften gegenüber den Betroffenen und auch zu einer Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas mit der Folge spontaner Aktionen aus der russischen Bevölkerung heraus gegenüber unschuldigen Tschetschenen gekommen ist, soll hier nicht gerechtfertigt werden, lässt aber andererseits insbesondere auch vor dem Hintergrund der Neuregelung hinsichtlich potentieller Verfolgungssubjekte in § 60 Abs. 1 Satz 4 lit. c AufenthG nicht den Schluss zu, dass für jeden einzelnen tschetschenischen Rückkehrer eine landesweit beachtlich wahrscheinliche und nicht durch staatliche Sicherheitskräfte zu beherrschende Gefährdung bestünde, Opfer einer solchen Maßnahme zu werden.

Auch die wirtschaftlichen Zumutbarkeitskriterien für die Annahme einer gegenüber dem Flüchtlingsschutz im Aufnahmeland vorrangigen inländischen Fluchtalternative sind gegeben. Dass die Rückkehrer keine einfachen, sondern unter vielen Aspekten schwierige Lebensverhältnisse vorfinden werden, ist, wie schon das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, nicht in Abrede zu stellen. Es findet sich in der Dokumentation kein Bericht darüber, dass es in den nach Auffassung des Senats als solche in Betracht kommenden Bereichen der Russischen Föderation, in denen insgesamt Hunderttausende von vor den kriegerischen Auseinandersetzungen in Tschetschenien geflohenen oder auch bereits zuvor nach Russland umgezogenen Tschetschenen als Binnenflüchtlinge eine Bleibe gefunden haben, gerade unter diesem Personenkreis zu gravierenden Versorgungsengpässen oder gar zu personenübergreifenden Hungersnöten oder vergleichbaren überindividuellen humanitären Katastrophen gekommen wäre. Daher ist die grundsätzliche Möglichkeit zum Überleben zu bejahen und es spricht nichts Durchgreifendes für die Prognose, dass den Klägern im Rückkehrfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit an den alternativen Orten auf Dauer ein Leben unterhalb des Existenzminimums drohte, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tod führen könnte. Mit Blick auf die zu beurteilende wirtschaftliche Überlebensfähigkeit bleibt festzustellen, dass die Kläger nach eigenem Vorbringen – unabhängig von der Legalisierung des Wohnsitzes in Moskau – sogar auf dem dortigen Markt Handel mit Waren betreiben und dabei nach den Angaben beim Bundesamt nicht unerhebliche finanzielle Rücklagen zu bilden vermochten, die dann zur Zahlung der Ausreise eingesetzt werden konnten. Unter diesem Gesichtspunkt kommt es schließlich entgegen der Auffassung der Kläger nicht darauf an, dass die mögliche Existenzsicherung unter Umständen – wie das bei einer Vielzahl von Bürgern der Russischen Föderation der Fall ist – durch Betätigungen im Bereich der so genannten „Schattenwirtschaft“ bewerkstelligt wird.

Des ungeachtet erschiene ohnedies zweifelhaft, ob – gegebenenfalls – das Fehlen eines wirtschaftlichen Existenzminimums am Ort der inländischen Fluchtalternative im konkreten Fall angesichts der desolaten wirtschaftlichen Situation in der Heimatregion Tschetschenien auch schon bei Wegzug der Kläger und erst recht heute überhaupt als verfolgungsbedingt und – nur dann – erheblich für die rechtliche Beurteilung eingestuft werden könnte. Derartige am verfolgungssicheren Ort drohende, nicht durch eine politische Verfolgung bedingte Gefahren schließen diesen Ort als inländische Fluchtalternative nur aus, wenn eine gleichartige existenzielle Gefährdung am Herkunftsort nicht bestünde.

Dass die Kläger die als Fluchtalternativen in Betracht kommenden Gebiete der russischen Föderation schließlich – was im Rechtssinne die Annahme einer den Anspruch aus § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ausschließenden inländischen Fluchtalternative voraussetzt – auch tatsächlich erreichen können, unterliegt aus Sicht des Senats ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Dabei kommt es hier nicht auf die von den Klägern in dem Zusammenhang unter Hinweis auf die Einrichtung so genannter Filtrationslager thematisierten angeblich eingeschränkten Möglichkeiten an, aus Tschetschenien „herauszukommen“, was den Klägern offenbar ohne Schwierigkeiten wiederholt gelungen ist. Entscheidend ist vielmehr die Frage einer nach den Modalitäten zumutbaren Einreisemöglichkeit in die Russische Föderation. Eine solche besteht grundsätzlich. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts konnte nicht ein einziger der bisweilen erhobenen Vorwürfe einer willkürlichen Freiheitsentziehung, Erpressung oder gar Misshandlung von in die Russische Föderation zurückkehrenden „unauffälligen“ tschetschenischen Volkszugehörigen verifiziert werden. Entgegenstehende Anhaltspunkte zeigt der Sachvortrag der Kläger nicht auf, wobei allgemein festzuhalten bleibt, dass ein bloßer Verweis auf fehlende Reisedokumente in dem Zusammenhang nicht ausreicht, da solche – die geschuldete Mitwirkung des Ausländers unterstellt – regelmäßig beschafft werden können. Für eine generelle und „standhafte“ Weigerung der russischen Stellen in Deutschland, eigenen Bürgern entgegen völkerrechtlichen Verpflichtungen die für die Wiedereinreise notwendigen Personaldokumente auszustellen, bestehen insbesondere mit Blick auf die in der Dokumentation befindlichen Berichte über erfolgreiche Rückführungen in die Russische Föderation keine durchgreifenden Anhaltspunkte.

Schließlich kann auch vor dem Hintergrund des in der Russischen Föderation eingeführten befristeten Erfordernisses des Umtauschs von Inlandspässen nicht von einer nach der Rückkehr bestehenden Verpflichtung der Kläger zu einer zumindest vorübergehenden erneuten Rückkehr nach Tschetschenien selbst ausgegangen werden. Dabei mag dahinstehen, ob die Kläger überhaupt im Besitz der nach dem am 6.2.1992 in Kraft getretenen russischen Staatsbürgerschaftsgesetz beziehungsweise der Begrenzung ihrer Gültigkeitsdauer bis zum 1.1.2004 umtauschpflichtigen „alten“ sowjetischen Pässe waren. Nach gegenwärtigem Stand beziehungsweise ihren Angaben gegenüber den deutschen Behörden besitzen sie überhaupt keine russischen Ausweise mehr. Nach dem vorliegenden Erkenntnismaterial ist davon auszugehen, dass selbst bei umtauschpflichtigen Bürgern der Russischen Föderation im vorgenannten Verständnis die dafür notwendigen behördlichen Formalitäten – gegebenenfalls unter Zuhilfenahme wiederum von Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen in Russland nicht nur am Ort einer Registrierung, sondern auch am Wohnort vorgenommen werden können. Daher kann in der Gesamtschau nicht angenommen werden, dass das neue Russische Passrecht zwingend zur Folge hat, dass sich Passbewerber zum Umtausch oder zur Neuausstellung eines Inlandspasses an den Ort ihrer letzten Registrierung – im Falle der Kläger also nach Tschetschenien – begeben müssen.

Hat damit das Verwaltungsgericht die Klage mit dem Hauptantrag zu Recht abgewiesen, so bleibt mit Blick auf das hilfsweise geltend gemachte Verpflichtungsbegehren festzustellen, dass auch die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 2 bis 8 beziehungsweise 10 AufenthG nicht erfüllt sind. Das gilt, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen entnehmen lässt, insbesondere hinsichtlich des an die Stelle des bisherigen § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG getretenen § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, nach dem von einer Abschiebung abgesehen werden soll, wenn im Zielstaat für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit besteht. Insoweit ist, was die Geltendmachung einer Gefährdung durch die allgemeine wirtschaftliche Versorgungslage angeht, zusätzlich auf die vom Bundesgesetzgeber beibehaltene – vorliegend beachtliche - Sperrwirkung nach den §§ 60 Abs. 7 Satz 2, 60a AufenthG für die Berücksichtigungsfähigkeit von so genannten Allgemeingefahren für die Bevölkerung oder auch nur Bevölkerungsgruppen im Herkunftsstaat hinzuweisen. Darüber hinausgehende humanitäre Gesichtspunkte, wie sie letztlich den Empfehlungen des UNHCR und verschiedener Menschenrechtsgruppen, gegenwärtig auf eine Rückführung von tschetschenischen Volkszugehörigen in die Russische Föderation zu verzichten, zugrunde liegen, hat der Bundesgesetzgeber auch am Maßstab des Verfassungsrechts in zulässiger Weise den hierfür zuständigen politischen Entscheidungsträgern überantwortet; sie haben daher für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens keine Bedeutung.

Einer Rückführung der Kläger in die Russische Föderation stünde auch nicht das sich – nunmehr – aus dem § 60 Abs. 2 und 5 AufenthG i.V.m. den Bestimmungen des Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergebende Verbot entgegen, wonach niemand durch seine Abschiebung der Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Strafe oder Behandlung ausgesetzt werden darf. Insbesondere Art. 3 EMRK schützt ebenso wie das Asylrecht im Ansatz nicht vor den allgemeinen Folgen von Naturkatastrophen, Bürgerkriegen und anderen bewaffneten Auseinandersetzungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 83b Abs. 1 AsylVfG und 154 Abs. 2, 159 VwGO, 100 ZPO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Sonstige Literatur

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils bei dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Hausadresse: Kaiser-Wilhelm-Straße 15, 66740 Saarlouis/Postanschrift: 66724 Saarlouis) einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist ebenfalls bei dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Hausadresse: Kaiser-Wilhelm-Straße 15, 66740 Saarlouis/Postanschrift: 66724 Saarlouis) einzureichen. In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem das Urteil beruhen kann, bezeichnet werden´.

Die Einlegung und die Begründung der Beschwerde müssen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten erfolgen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.

Tenor

Die Berufungen werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger.

Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger zu 1) und 2), tschetschenische Volkszugehörige, sind Eheleute. Bei den Klägerinnen zu 3) und 4) handelt es sich um gemeinsame Töchter. Alle besitzen die Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation.

Der Kläger zu 1) reiste am 11.9.1999 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 13.9.1999 die Anerkennung als Asylberechtigter. Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung führte er zur Stützung des Anerkennungsbegehrens aus, er habe mit der Klägerin zu 2) und vier Kindern in Grosny gelebt. In den Jahren 1995/96 habe er als Fahrer für die russische Polizei gearbeitet. Im Jahre 1998 habe Aslan Maschadow befohlen, dass alle, die für die Russen gearbeitet hatten, zu bestrafen seien. Als er Ladungen eines „religiösen Gerichts“, das nach den Regeln des Korans urteile, erhalten habe, hätten ihm Freunde geraten, wegzugehen. Dieses Gericht habe ihm auch seinen Personalausweis abgenommen. Es habe sich um ein Ermittlungsverfahren gehandelt und er habe erklärt, dass er die Russen zwar nicht möge, aber habe arbeiten müssen, um die Familie zu ernähren. Im Februar 1999 sei er für 3 Tage und Nächte inhaftiert worden und als man ihn freigelassen habe, habe er seine Familie weggeschickt. Er selbst sei zunächst geblieben, da er nicht habe ausreisen dürfen. Bei seiner Freilassung habe er eine Verpflichtung unterschreiben müssen, dass er Grosny beziehungsweise Tschetschenien nicht verlassen werde. Ihm sei vorgeworfen worden, dass er sich durch die Arbeit für die Russen „gegen sein Volk gestellt“ habe. Anschließend habe er sich nur noch ein- bis zweimal pro Woche zu Hause aufgehalten. Ab dem 30.8.1999 sei er dann gar nicht mehr zu Hause gewesen. An dem Tag sei er zu einem Freund in den Ort Machatschkala gegangen und schließlich mit einem LKW nach Deutschland mitgenommen worden. Politisch engagiert habe er sich in der Heimat nicht. Schwierigkeiten mit russischen Sicherheitskräften habe er nie gehabt; an diese habe er sich aber auch nicht wenden können, da sie die Tschetschenen hassten. Aus diesem Grund könne er sich mit seiner Familie nicht an einem anderen Ort in der Russischen Föderation niederlassen.

Mit Bescheid vom 22.10.1999 lehnte die Beklagte den Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab. Gleichzeitig wurde das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG verneint und der Kläger zu 1) wurde zur Ausreise binnen einer Woche aufgefordert. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde ihm die Abschiebung in die Russische Föderation oder in einen anderen zur Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat angedroht. Der Ablehnungsbescheid, in dem im wesentlichen auf das Waffenstillstandsabkommen von 1996 sowie auf die Möglichkeit zumindest eines anderweitigen Unterkommens in Russland verwiesen wurde, ist dem Kläger zu 1) am 27.10.1999 ausgehändigt worden; mit Eingang am 3.11.1999 hat er Klage beim Verwaltungsgericht erhoben und sein Feststellungsbegehren hinsichtlich des § 51 Abs. 1 AuslG und (hilfsweise) des § 53 AuslG weiter verfolgt. Ein gleichzeitig gestellter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs blieb erfolglos.

Der Kläger zu 1) hat geltend gemacht, entgegen den Darlegungen im Ablehnungsbescheid bestehe keine Möglichkeit, in anderen Gebieten der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens unterzukommen. Das belegten die Schilderungen seiner beiden älteren, in der Heimat verbliebenen Kinder, die Tschetschenien ebenfalls „fluchtartig verlassen“ hätten. Sie hätten nirgendwo eine Niederlassungserlaubnis erhalten. In Wolgograd seien beide direkt nach dem Ausstieg aus dem Zug von Sicherheitskräften verhaftet worden. Ihnen sei erklärt worden, dass sie die Stadt nicht betreten dürften. Bereits nach drei Stunden seien sie wieder „in den Zug gesteckt“ und „abgeschoben“ worden. Auch der Versuch, in Woronesch eine Niederlassungserlaubnis zu erhalten, sei gescheitert. Sein Sohn sei dort wegen seiner Herkunft aus Tschetschenien verhaftet, drei Tage festgehalten und geschlagen worden. Dann habe man ihm 24 Stunden Zeit gegeben, den Kreis Woronesch zu verlassen. Die schwangere Tochter habe in Woronesch vergeblich versucht, ärztliche Hilfe zu erhalten. Ihr sei erklärt worden, dass sich das tschetschenische Volk nicht vermehren dürfe. In Moskau sei die Tochter, die mittlerweile Wehen gehabt habe, von keinem Krankenhaus aufgenommen worden. Sie habe ihr Kind in einer Wohnung zur Welt bringen müssen. Auch in Moskau hätten der Sohn und die Tochter nicht bleiben können. Beide hätten ihm am Telefon berichtet, dass sie versucht hätten, sich an mehreren Orten im Westen Russlands niederzulassen, aber nirgends geduldet worden seien. Das Letzte, was er von den Kindern gehört habe, sei die Mitteilung gewesen, dass sie „zurück müssten“. In Russland gebe es keine Ortschaft, in der nicht mindestens ein Russe gelebt habe, der im Krieg in Tschetschenien gestorben sei. Daher könne er – der Kläger zu 1) – sich nirgendwo in der Föderation niederlassen.

Der Kläger zu 1) hat beantragt,

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom 22.10.1999 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Russischen Föderation vorliegen,

hilfsweise,

festzustellen, dass Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG hinsichtlich der Russischen Föderation vorliegen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beteiligte hat sich erstinstanzlich nicht geäußert.

Mit Urteil vom 15.12.2000 - 12 K 119/99.A - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es, es könne dahinstehen, ob der Kläger zu 1) vor seiner Ausreise aus der Russischen Föderation Verfolgungsmaßnahmen von tschetschenischer Seite ausgesetzt gewesen sei oder bei einer Rückkehr in die Republik Tschetschenien wegen der Tätigkeit als Fahrer für die russische Polizei mit einer als politisch zu qualifizierenden Verfolgungssituation rechnen müsse. Unabhängig davon könne der Kläger zu 1) auf das übrige Staatsgebiet der Russischen Föderation verwiesen werden. Mit Verfolgungsmaßnahmen tschetschenischer Organe außerhalb Tschetscheniens müsse der Kläger zu 1) nicht rechnen. Er sei auch nicht gehindert, sich außerhalb der tschetschenischen Republik niederzulassen. Nach Art. 27 der Verfassung der Russischen Föderation habe jeder, der sich rechtmäßig in der Föderation aufhalte, das Recht, seinen Aufenthalts- und Wohnort frei zu wählen. Zwar bestehe angesichts des Flüchtlingsdrucks und der Zuwanderungsflut in die Russische Föderation bei den wirtschaftlichen Metropolen ein vitales Interesse an der Verhinderung eines weiteren ungezügelten Zuzugs von Flüchtlingen. Der Kläger zu 1) könne sich aber dort niederlassen, wo Zuzugsbeschränkungen nicht praktiziert würden. Allein wegen seiner tschetschenischen Volkszugehörigkeit drohe dem Kläger zu 1) bei der Rückkehr in die Russische Föderation ebenfalls keine politische Verfolgung. Tschetschenische Volkszugehörige seien weder im Zeitpunkt der Ausreise Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen, die von Intensität und Häufigkeit die Annahme einer mittelbaren oder unmittelbaren Gruppenverfolgung rechtfertigten, noch sei das heute der Fall. Diskriminierende Kontrollmaßnahmen und praktische Benachteiligungen bei der Suche nach Arbeitsplatz und Wohnraum erreichten nach Intensität und Häufigkeit nicht die Schwelle, von der ab jeder Angehörige der Volksgruppe befürchten müsse, selbst Opfer eines solchen Übergriffs zu werden. Vielmehr lebten die tschetschenischen Volkszugehörigen in anderen Teilen der Russischen Föderation weitgehend unbehelligt. Zwar bestehe angesichts der wegen der Ereignisse in Tschetschenien aufgeheizten Atmosphäre eine besondere Gefährdung solcher Personen, die sich bisher in der Tschetschenienfrage engagiert hätten. Dafür gebe es allerdings im Falle des Klägers zu 1) keine Anhaltspunkte. Einer Abschiebung des Klägers in die Russische Föderation stünden auch keine Hindernisse im Sinne des § 53 AuslG entgegen.

Die Einreise der Klägerinnen zu 2) bis 4) erfolgte am 30.12.1999. Bei der Anhörung zu den auch von ihnen gestellten Asylanträgen führte die Klägerin zu 2) aus, sie habe seit ihrer Hochzeit 1976 in Grosny gelebt, sei gelernte Köchin und habe bis 1990 als Küchenchefin in der Kantine der dortigen Berufsschule gearbeitet. Danach habe sie nur noch Gelegenheitsarbeiten ausgeführt. Ihr Haus in der Nähe des Flughafens sei im ersten Krieg bombardiert worden. In der Folge hätten sie bei der Schwiegermutter gewohnt. Nachdem die Tschetschenen im Jahre 1996 die Macht wieder übernommen gehabt hätten, sei der Kläger zu 1) wegen seiner Tätigkeit als Polizeifahrer in den Jahren 1995 und 1996 verfolgt worden. Seit Februar 1999 sei sie – die Klägerin zu 2) – Flüchtling in mehreren Republiken der Russischen Föderation gewesen, bevor sie im September 1999, allerdings ohne den Sohn, kurzzeitig nach Grosny zurückgekehrt sei, weil sie gedacht hätten, es sei ruhiger geworden. Im Oktober hätten sie dann Verwandte aus Dagestan informiert, dass der Kläger zu 1) aus Deutschland angerufen habe. Ende Oktober 1999 habe sie die Stadt letztmalig verlassen. Sie sei zunächst in Inguschetien gewesen, habe sich am 18.12.1999 eine Fahrkarte nach Moskau gekauft und sei dann von dort aus am 28.12.1999 ausgereist. Sie sei mit den Klägerinnen zu 3) und 4) mit einem von einer Freundin besorgten Touristenvisum nach Deutschland gefahren. Die beiden älteren Kinder seien in Russland geblieben, da das Geld nicht gereicht habe, um sie mitzunehmen. Sie habe die Heimat verlassen, weil dort alles „bombardiert“ sei, es keine Arbeit gebe und weil sich ihr Mann, der Kläger zu 1), in Deutschland aufgehalten habe. Für die Klägerinnen zu 3) und 4) würden keine eigenen Gründe geltend gemacht. Sie wolle, dass die Kinder die Schule besuchen könnten und nicht ständig in Angst leben müssten. In Russland würden alle Tschetschenen als Feinde des russischen Volkes betrachtet; ihnen werde die Schuld am Krieg gegeben.

Mit Bescheid vom 10.1.2000 lehnte die Beklagte auch diese Asylanträge ab. Gleichzeitig wurde das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG verneint und die Klägerinnen zu 2) bis 4) wurden zur Ausreise binnen eines Monats aufgefordert. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde ihnen die Abschiebung in die Russische Föderation oder einen anderen zur Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat angedroht. Der Ablehnungsbescheid, in dem auf die fehlende Geltendmachung eigener Verfolgungsgründe verwiesen wurde, ist der Klägerin zu 2) am 13.1.2000 ausgehändigt worden; mit Eingang am 20.1.2000 haben auch die Klägerinnen zu 2) bis 4) Klage beim Verwaltungsgericht erhoben, mit der sie die Feststellungsbegehren hinsichtlich des § 51 Abs. 1 AuslG und (hilfsweise) des § 53 AuslG weiter verfolgt haben. Zur Begründung haben sie geltend gemacht, ihnen drohe – ebenso wie dem Kläger zu 1) – in Tschetschenien und in den übrigen Gebieten der Russischen Föderation aufgrund der Volkszugehörigkeit beziehungsweise wegen ihrer Herkunft „politisch geprägte Verfolgung“. Sie hätten sich in Moskau zunächst bei Nachbarn beziehungsweise Verwandten aus Grosny, die seit etwa 10 Jahren in Moskau lebten, aufgehalten, was jedoch aus wirtschaftlichen Gründen dann nicht mehr möglich gewesen sei. Dort befänden sich der Sohn beziehungsweise Bruder, der im Rahmen der Suche nach dem Vater in „Sippenhaft’“ genommen und schwer misshandelt worden sei, und die älteste Tochter beziehungsweise Schwester. Die frühere Nachbarin sei Hebamme und habe die Tochter/Schwester entbunden, so dass diese nicht in ein Krankenhaus habe gehen müssen, was aufgefallen wäre. Mit Hilfe der früheren Nachbarn sei auch erfolglos versucht worden, eine Aufenthaltsnahme in der Russischen Föderation zu ermöglichen. Anschließend habe eine Odyssee für sie begonnen. Eine inländische Fluchtalternative für sie in der Russischen Föderation gebe es nicht. Tschetschenen würden im russischen Kernland aus „nationalen und rassischen Gründen“ verfolgt. Als Grundlage dienten insbesondere der Befehl des Innenministeriums Nr. 541 vom 17.9.1999, aber auch andere Verordnungen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ergänzte die Klägerin zu 2) ihre Sachverhaltsangaben dahingehend, dass die in Moskau zurückgelassenen Kinder im März 2000, nachdem sie keine Papiere erhalten hätten, nach Tschetschenien zurückgekehrt seien. Der Sohn, dem von den Tschetschenen vorgeworfen werde, dass sein Vater – der Kläger zu 1) – die Russen unterstützt habe, verlasse die Wohnung praktisch nicht mehr.

Die Klägerinnen zu 2) bis 4) haben beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10.1.2000 zu verpflichten, festzustellen, dass hinsichtlich einer Abschiebung in die Russische Föderation die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen,

hilfsweise,

festzustellen, dass einer Abschiebung in die Russische Föderation Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG entgegenstehen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beteiligte hat sich erstinstanzlich nicht geäußert.

Mit Urteil vom 19.3.2002 - 12 K 8/00.A - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es, die Nachstellungen gegenüber dem Kläger zu 1) wegen seiner Tätigkeit als Polizeifahrer könnten dem russischen Staat nicht zugerechnet werden. Dieser sei jedenfalls in weiten Teilen bereit und in der Lage, seinen Staatsangehörigen Schutz vor Verfolgung durch tschetschenische Kräfte zu gewähren. In Russland hätten die Klägerinnen zu 2) bis 4) auch nicht allein wegen der tschetschenischen Herkunft mit Verfolgung zu rechnen. Zwar bestehe vielerorts ein angespanntes Verhältnis der russischen Bevölkerung zu Personen kaukasischer Herkunft, denen eine Neigung zur Kriminalität bis hin zum Auftragsmord zugeschrieben werde. Dieser Kriminalisierung insbesondere tschetschenischer Flüchtlinge werde von russischen Politikern und Medien massiv Vorschub geleistet, ohne dass allerdings Ausschreitungen bekannt geworden seien. Es habe insbesondere im Gefolge von tschetschenischen Urhebern zugeschriebenen Bombenattentaten Diskriminierungen und Benachteiligungen gegeben, die aber weitgehend auf das Gebiet Moskaus und weiterer russischer Großstädte beschränkt geblieben seien. In anderen Teilen der Russischen Föderation lebten die tschetschenischen Volkszugehörigen, von denen sich zwei Drittel außerhalb Tschetscheniens aufhielten, aber weitgehend unbehelligt. Für ein durch Registrierungspflichten ausgelöstes Hindernis zur Realisierung des in der Verfassung verankerten Rechts auf Freizügigkeit durch Begründung eines Aufenthalts außerhalb der Ballungszentren, insbesondere Moskaus oder St. Petersburgs, gebe es nach der Auskunftslage keine durchgreifenden Anhaltspunkte. Ein solches ergebe sich insbesondere auch nicht aus dem internen, hinsichtlich seiner Authentizität ohnehin nicht belegten Befehl Nr. 541 des Innenministeriums. Einer Abschiebung der Klägerinnen zu 2) bis 4) in die Russische Föderation stünden auch keine Hindernisse im Sinne des § 53 AuslG entgegen. Eine lebensbedrohliche Gefährdung infolge unzureichender Versorgungslage sei nicht zu erwarten. Zwar lebten in Russland etwa 50 Millionen Menschen unterhalb der landesdurchschnittlichen Armutsgrenze. Unabhängig vom Wohnort und der Nationalität sei es diesen Menschen aber möglich, ihren Lebensunterhalt mit Hilfe von Freunden und Verwandten oder durch unterschiedliche Formen der verbreiteten Schattenwirtschaft zu sichern.

Mit ihren zugelassenen, vom Gericht verbundenen Berufungen wiederholen die Kläger ihr bisheriges Vorbringen und tragen weiter vor, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts des Saarlandes bestehe – wie etwa das VG Schleswig aus ihrer Sicht zutreffend entschieden habe - keine inländische Fluchtalternative für Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens. Eine solche müsse für die Betroffenen auf legalem Weg erreichbar sein. Die Flüchtlinge aus Tschetschenien hätten jedoch nach den Erkenntnissen des VG Ansbach schon keine Möglichkeit, in diese anderen Gebiete zu gelangen. Russische Sicherheitskräfte hätten, wie sich auch aus dem Jahresbericht 2001 von amnesty international (ai) ergebe, Filtrationslager eingerichtet, in denen tschetschenische Flüchtlinge abgeschirmt und gefoltert werden sollten. In einer kritischen Stellungnahme dieser Organisation zu einem ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes vom 24.4.2001 werde ferner auf Kontrollen an der Grenze zu Inguschetien verwiesen, wo russische Sicherheitskräfte die Fluchtwilligen aus Tschetschenien nicht nur am Verlassen des Kampfgebiets hinderten, sondern an ihnen regelmäßig und willkürlich Menschenrechtsverletzungen verübten. Das Fehlen einer inländischen Fluchtalternative verdeutliche auch eine Stellungnahme der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Hieraus ergebe sich unter anderem, dass die Flüchtlingslager in Inguschetien in einem katastrophalen Zustand seien. In der Russischen Föderation werde danach in über 50 % der Fälle eine Registrierung der Flüchtlinge verweigert. Sie würden in die Armut getrieben und lebten in einer feindlichen Atmosphäre von Diskriminierung und Intoleranz. Das Nichtbestehen von Fluchtalternativen in der Russischen Föderation lasse sich ferner aus einem Schreiben der Deutsch-Kaukasischen Gesellschaft e.V. sowie aus einer Stellungnahme von ai an das VG Ansbach, die sich mit der Situation der Flüchtlinge in Inguschetien und Dagestan auseinander setze, ersehen. Das am 1.1.1992 de jure abgeschaffte Propiska-System bestehe faktisch weiter und die verfassungsrechtlich verbürgte Freizügigkeit stehe nur auf dem Papier. Auch nach den Erkenntnissen des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) existierten inoffizielle Weisungen im Zusammenhang mit Registrierungen, die im Widerspruch zu den Gesetzen stünden. Auf der Straße komme es zu häufigen Kontrollen von Personen mit kaukasischem Aussehen und auch zu illegalen Festnahmen und manchmal zu Misshandlungen. In der russischen Bevölkerung bestehe ein tiefgründiger Hass gegen die schon zu Zeiten Stalins deportierten Tschetschenen, der durch die Kriegsereignisse nun verstärkt worden sei. Die Maßnahmen beschränkten sich nicht auf Moskau und andere Großstädte. Der Annahme einer Fluchtalternative stehe auch entgegen, dass in Russland 40 % der Bevölkerung einkommensmäßig zum Teil erheblich unterhalb des Existenzminimums lebten, was bei Rückkehr der Kläger ein Dahinvegetieren erwarten lasse. Der Verweis des Verwaltungsgerichts auf die illegale „Schattenwirtschaft“ sei rechtlich nicht haltbar. Die fehlenden Möglichkeiten einer Existenzsicherung begründeten nach Ansicht des VG Weimar zumindest Abschiebungshindernisse im Sinne des § 53 AuslG. Der UNCHR habe in einer Stellungnahme vom Januar 2002 dargelegt, dass nur sehr wenige Flüchtlinge aus Tschetschenien in Russland einen Flüchtlingsstatus erhielten. Die Ablehnungen seien damit begründet worden, dass es sich bei dem Vorgehen der russischen Einheiten in Tschetschenien um eine „Anti-Terror-Kampagne“ handele. Die Binnenvertriebenen, denen ein Flüchtlingsstatus eingeräumt worden sei, zumeist Russen, hätten sich auf Nachstellungen durch islamisch-fundamentalistische Gruppen berufen. In Inguschetien sei die soziale Infrastruktur dem Zustrom der Binnenflüchtlinge nicht mehr gewachsen. Zuletzt hätten die inguschetischen Behörden die Registrierung aller neu eintreffenden Flüchtlinge aus Tschetschenien ausgesetzt. Zudem sei in den letzten Monaten eine Tendenz der Behörden der russischen Föderation zu verzeichnen, in Inguschetien direkt zu intervenieren, wobei Personen unter dem Verdacht festgenommen worden seien, tschetschenischen Rebellengruppen anzugehören. Inguschetien stelle daher keine Fluchtalternative für die Kläger dar.

In Dagestan stehe man der Aufnahme weiterer Binnenvertriebener sehr zurückhaltend gegenüber. Die Republiken Dagestan, Kabardino-Balkarien und Karatschai-Tscherkessien seien selbst regelmäßig mit Spannungen zwischen verschiedenen Volksgruppen konfrontiert. Die Regionen Stawropol und Krasnoda seien mehrfach vom Verfassungsgerichtshof der Russischen Föderation wegen Verstößen gegen die Bestimmungen über die Freizügigkeit und die Wahl des Aufenthalts- und Wohnorts zur Verantwortung gezogen worden. In beiden Regionen gebe es ferner starke russisch-nationalistische Gefühle. Nur ethnische Russen hätten eine Chance, hier aufgenommen zu werden. In Nordossetien-Alanien, das mehrheitlich von christlich-russischen Osseten bewohnt sei und sich in einer wirtschaftlich trostlosen Lage befinde, seien es restriktive örtliche Verwaltungspraktiken, die tschetschenischen Binnenvertriebenen den Aufenthalt unmöglich machten. In dem durch große ethnische Spannungen gekennzeichneten Umfeld würden tschetschenische Flüchtlinge als destabilisierender Faktor wahrgenommen. In den übrigen Teilen der russischen Föderation, auch außerhalb von Moskau und St. Petersburg, lebten größere Gruppen von Tschetschenen traditionell nicht außerhalb der nordkaukasischen Republiken und der größeren Städte. Zwar gebe es unbestritten in Moskau 100.000 Tschetschenen. Das habe aber nichts mit der Frage zu tun, ob dort tschetschenische Flüchtlinge ihren Wohnsitz nehmen könnten. Tschetschenische Binnenvertriebene seien ferner zurückhaltend, sich in Gebiete zu begeben, in denen es keine ortsansässige tschetschenische Gemeinde gebe, bei der sie notfalls Unterkunft finden könnten. Nach Erkenntnissen der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGfM) gebe es eine zentrale Tschetschenenkartei in Russland. In Inguschetien finde inzwischen eine vom russischen Innenministerium geleitete Vertreibungsaktion gegenüber den Migranten aus Tschetschenien statt. In vergleichbarer Situation befänden sich die tschetschenischen Flüchtlinge im russischen Binnenland, wie das Beispiel eines Lagers bei Twer zeige. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse gingen die Verwaltungsgerichte in Schleswig und in Neustadt/Weinstraße vom Fehlen einer inländischen Fluchtalternative für tschetschenische Flüchtlinge aus. Danach werde das Registrierungswesen als Hauptinstrument gegen die Flüchtlinge eingesetzt, das in verschiedenen Gebieten Russlands durch zusätzliche Verordnungen verschärft werde. Zum Teil gebe es gegen Tschetschenen gerichtete ressortinterne Anweisungen wie zum Beispiel die bereits vor Beginn des ersten Tschetschenienkriegs ergangene Anweisung des föderalen Migrationsdienstes, Personen tschetschenischer Volkszugehörigkeit nicht als Flüchtlinge zu registrieren.

Diese Weisung sei nach wie vor in Kraft und das Haupthindernis für die Betroffenen, außerhalb Tschetscheniens an einem anderen Ort Russlands eine Bleibe zu finden. Das zweite und wohl ausschlaggebende Instrument sei ein interner Befehl des Innenministeriums vom 17.9.1999 über Anti-Terror-Maßnahmen, wonach unter anderem für Personen tschetschenischer Volkszugehörigkeit in Moskau und anderen Städten die polizeiliche Anmeldung nach Möglichkeit eingestellt werden soll und besondere Aufsichts- und Überwachungsmaßnahmen eingeführt werden sollen. Auf dieser Grundlage würden unter dem Vorwand der Ausweiskontrolle durch russische Milizen gezielt Tschetschenen verfolgt. Ohne Registrierung sei die Aufnahme legaler Arbeit nicht möglich und auch die medizinische Versorgung werde wegen der Volkszugehörigkeit verweigert. Nach Ansicht des VG Neustadt/Weinstraße könnten die Flüchtlinge aus Tschetschenien zwar in einer Vielzahl von Fällen in den großen Städten Russlands illegal leben und das Lebensnotwendige verdienen. Darauf könnten sie indes rechtlich nicht verwiesen werden. Orte, an denen ein legaler Aufenthalt möglich sei, könnten zwar existieren, seien aber von den Auskunftsstellen nicht konkret benannt worden. Die Suche danach sei daher letztlich mit einem unkalkulierbaren und unzumutbaren Risiko verbunden. Auch nach den Erkenntnissen des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Stand Juni 2002) sei den Vertriebenen des zweiten Tschetschenienkriegs eine legale Binnenmigration innerhalb der russischen Föderation praktisch nicht mehr möglich und nach der aktuellen Entwicklung in Inguschetien könne diese Nachbarrepublik nicht mehr als echte Fluchtalternative angesehen werden. Dort habe sich durch die Wahl des „kremlfreundlichen“ Geheimdienstgenerals Sjasikow im April 2002 ein Machtwechsel mit konkreten Auswirkungen auf die Flüchtlingssituation vollzogen. Auch amnesty international gehe allgemein von einer fehlenden Rückkehrmöglichkeit in die russische Föderation aus, da es praktisch in allen Teilen Russlands zu Übergriffen komme. Nach der Moskauer Geiselnahme vom 23. bis 26.10.2002 sei es auch an den wenigen davor als Fluchtalternative in Betracht kommenden Orten für tschetschenische Flüchtlinge nicht mehr möglich, sich niederzulassen. Das gelte auch für die Wolgaregion. Es möge sein, dass dort etwa 50.000 Tschetschenen lebten und dass es dort keine spezifischen Zuzugsbeschränkungen gebe. Auch im Gebiet Volgoda oder in der autonomen Republik Mari El in der Wolgaregion werde Tschetschenen aber keine Registrierung ausgestellt.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung der Urteile des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 15.12.2000 - 12 K 119/99.A – und vom 19.3.2002 – 12 K 8/00.A - sowie unter entsprechender Aufhebung der Bescheide vom 22.10.1999 und vom 10.1.2000 die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass hinsichtlich einer Abschiebung der Kläger in die Russische Föderation die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,

hilfsweise,

dass ihrer Abschiebung in die Russische Föderation Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 8 beziehungsweise 10 AufenthG entgegenstehen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Kläger könnten auf eine inländische Fluchtalternative in der Wolgaregion der Russischen Föderation verwiesen werden. Da sie sich nicht in der tschetschenischen Sache engagiert hätten, müsse ihre Sicherheit in diesem Landesteil Russlands nicht in Frage gestellt werden. Zwar könne eine Konfrontation mit erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht ausgeschlossen werden, doch seien diese in Tschetschenien nicht weniger gravierend im Hinblick auf die in der Region wegen andauernder Kampfhandlungen herrschende humanitäre Notlage. Etwaige Gefahren erreichten auch nicht die Schwelle des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG (nunmehr § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG).

Der Beteiligte hat sich auch im Rechtsmittelverfahren nicht geäußert.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der zugehörigen Verwaltungsunterlagen und der im Sitzungsprotokoll sowie in der Anlage dazu genannten Auszüge aus der bei Gericht geführten Dokumentation „Russische Föderation“ verwiesen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Sache konnte verhandelt und entschieden werden, obwohl der Beteiligte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Die an ihn gerichtete ordnungsgemäße Ladung war mit einem dem § 102 Abs. 2 VwGO entsprechenden Hinweis versehen.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen der Kläger gegen die Ablehnungsbescheide der Beklagten (Bundesamt) vom 22.10.1999 (Kläger zu 1)) und vom 10.1.2000 (Klägerinnen zu 2) bis 4)) zu Recht abgewiesen, soweit darin die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG abgelehnt worden ist. Diese Verwaltungsentscheidungen erweisen sich als rechtmäßig und verletzen die Kläger daher nicht in subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Den Klägern stehen keine Ansprüche auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des inzwischen an die Stelle des ehemaligen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbots getretenen § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich der Russischen Föderation zu. Die in dieser im Wesentlichen den bisherigen Regelungsgehalt fortschreibenden, an den Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention (GK) angelehnten Vorschrift genannten tatsächlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot – bezogen auf den Heimatstaat – hat das Verwaltungsgericht im Falle der Kläger in den angegriffenen Urteilen zu Recht verneint; sie liegen auch aus heutiger Sicht (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) nicht vor. Die Kläger wären bei einer Rückkehr in die Russische Föderation nicht wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen politischer Überzeugungen durch eines der in § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannten potentiellen Verfolgungssubjekte an Leib und Leben bedroht.

Für eine individuell erlittene politische Verfolgung in diesem Sinne vor dem Verlassen des Heimatlandes bieten weder der Sachvortrag der Kläger zu 1) und 2) bei deren Anhörung beim (damaligen) Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge noch das Vorbringen im gerichtlichen Verfahren durchgreifende Anhaltspunkte. Die Kläger, deren Schilderungen insoweit glaubhaft sind, haben ihr Heimatland unmittelbar vor Entfesselung des – je nach Standpunkt – „Zweiten Tschetschenienkriegs“ beziehungsweise – so die offizielle russische Version - der Einleitung der im Grunde bis heute in Tschetschenien andauernden „antiterroristischen Aktionen“ des russischen Militärs verlassen. Folgerichtig haben die Kläger zu 1) und 2) im Rahmen ihrer Anhörungen beim Bundesamt spezifische Probleme des Klägers zu 1) während der Zwischenphase nach dem das Ende des ersten, durch die einseitige Unabhängigkeitserklärung im Jahre 1991 ausgelösten Krieges in Tschetschenien markierenden Waffenstillstandsabkommen vom 31.8.1996 geschildert. Diese Phase war – wie vom Kläger zu 1) im Verlaufe des Verfahrens recht anschaulich dargestellt - durch eine zunehmende Islamisierung von Staat und Gesellschaft in Tschetschenien gekennzeichnet. Sein Vorbringen, wonach ihm in dieser Zeit seine Tätigkeit als Fahrer für die russische Polizei in Tschetschenien in den Jahren 1995 und 1996 von einem der von Maschadow 1999 unter dem Druck von Islamisten in Tschetschenien installierten „Scharia-Gerichte“ als „Verrat am tschetschenischen Volk“ vorgehalten wurde, ist einerseits ohne weiteres nachvollziehbar, andererseits durch weitere politische Entwicklung in Tschetschenien überholt worden und erlangt daher für die Beurteilung des Vorliegens einer Verfolgungsgefährdung im Verständnis des § 60 Abs. 1 AufenthG zumindest aus heutiger Sicht (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) keine ausschlaggebende Bedeutung (mehr). Insbesondere die Darlegungen der Klägerin zu 2) vor dem Bundesamt am 5.1.2000 machen deutlich, dass die Ausreise der Klägerinnen zu 2) bis 4) aus dem ohne weiteres verständlichen Wunsch heraus erfolgte, dem allgegenwärtigen Chaos sowie den äußerst problematischen und trostlosen Lebensverhältnissen in ihrer Heimatregion Tschetschenien zu entfliehen. Die Klägerin zu 2) sah zudem – wohl zu Recht - weder für sich eine wirtschaftliche Perspektive noch für die beiden jüngeren Töchter, die Klägerinnen zu 3) und 4), eine realistische Chance, in ihrer Heimat in den Genuss einer vernünftigen Ausbildung zu gelangen. Mit einer zielgerichteten politischen Verfolgung im Verständnis des § 60 Abs. 1 AufenthG hat das aber nichts zu tun.

Auszuschließen ist eine Verfolgung aller tschetschenischen Volkszugehörigen in dem (gesamten) Staatsgebiet der Russischen Föderation und zwar sowohl für den Ausreisezeitpunkt als auch für die heutige Situation. Das vorhandene Auskunftsmaterial rechtfertigt bei Anlegung der hierzu in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten strengen Maßstäbe nicht die Annahme einer solchen landesweiten Gruppenverfolgung. Ungeachtet des im Gefolge der Kriegsereignisse in Tschetschenien insbesondere ab dem Jahre 1999 erneut verschärften, bekanntermaßen sehr angespannten Verhältnisses zwischen der (ethnisch) russischen Bevölkerung und den im Kaukasus beheimateten Volksgruppen, insbesondere den Tschetschenen, lässt sich dem vorliegenden Auskunftsmaterial weder ein staatliches (russisches) Verfolgungsprogramm mit dem Ziel einer physischen Vernichtung und/oder der gewaltsamen Vertreibung aller Tschetschenen aus dem Staatsgebiet nachweisen, noch lassen bekannt gewordene Einzelverfolgungsmaßnahmen mit Blick auf die zahlenmäßige Größe der gemeinsam mit den Inguschen die Bevölkerungsgruppe der Wajnachen bildenden und die bei weitem größte der im Nordkaukasus beheimateten Ethnien stellenden Tschetschenen sowie deren Bevölkerungsanteil die Feststellung einer die Annahme einer landesweiten Gruppenverfolgung gebietenden Verfolgungsdichte zu. Weder Anzahl noch Intensität der für die sonstigen Bereiche der Russischen Föderation bekannt gewordenen staatlichen Übergriffe gegen Personen tschetschenischer Volkszugehörigkeit sind mit den gezielten Angriffen auf Leib und Leben der Zivilbevölkerung in Tschetschenien selbst vergleichbar.

Weniger klar erscheint die Beantwortung der Frage, ob bezogen auf das Territorium von Tschetschenien bei einer auf dieses Gebiet beschränkten Betrachtung das Vorliegen der genannten Voraussetzungen für die Annahme einer Gruppenverfolgung bejaht werden muss. Hierfür mag es trotz anders lautender obergerichtlicher Entscheidungen aus jüngerer Vergangenheit insbesondere seit Beginn der erneuten, von der russischen Führung als „antiterroristische Operation“ bezeichneten militärischen Auseinandersetzungen ab Ende 1999, die nach weitgehender „Zurückeroberung“ des tschetschenischen Territoriums durch russisches Militär in einen bis heute, also auch nach dem Abschluss der offenen kriegerischen Auseinandersetzungen im Jahre 2003, andauernden Guerilla-Krieg mündeten, Anhaltspunkte geben. Diese Beurteilung wird insbesondere dadurch erschwert, dass sich diese von russischer Seite als „innere Angelegenheit“ betrachtete, gemeinhin als Zweiter Tschetschenienkrieg bezeichnete und unstreitig mit regelmäßigen äußerst grausamen Übergriffen der Sicherheitskräfte gegenüber der Zivilbevölkerung Tschetscheniens (sog. „Säuberungsaktionen“) einhergehende Vorgehensweise weitgehend „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ vollzieht. Die Bestimmung eines aus der Relation der Zahl der potentiell Betroffenen und der Zahl der dokumentierten Übergriffe zu ermittelnden individuellen Gefährdungspotentials ist von daher kaum möglich. Einigkeit besteht aber allgemein darüber, dass die Menschenrechtslage in Tschetschenien bis heute ungeachtet anders lautender offizieller regierungsseitiger Verlautbarungen für die von einer Vielzahl von Rechtsverletzungen in Form von willkürlichen Verhaftungen, Entführungen, „Verschwinden“, Misshandlungen, Vergewaltigungen und Ausraubungen betroffene Zivilbevölkerung der Region als „äußerst besorgniserregend“ bezeichnet werden muss. Ob die Vorgänge und Verhältnisse die Annahme einer begrenzten Kollektivverfolgung (aller) Tschetschenen in ihrer Heimatregion rechtfertigen, kann im Ergebnis für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits allerdings dahinstehen. Vehement dagegen spricht allerdings die Einlassung der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23.6.2005, dass die in Russland verbliebene ältere Tochter beziehungsweise Schwester inzwischen in Tschetschenien geheiratet hat, dort mit dem Ehemann entsprechend den landesüblichen Gebräuchen nunmehr in dessen Familienverband lebt und gelegentlich in die Nachbarregion Dagestan reist, um von dort aus telefonisch mit den Klägern in Kontakt zu treten, ohne dass dabei von Verfolgungsmaßnahmen gegenüber der Tochter/Schwester die Rede gewesen wäre.

Selbst wenn man aber insoweit das Vorliegen einer „regionalen Gruppenverfolgung“ ethnischer Tschetschenen im Sinne der angesprochenen höchstrichterlichen Rechtsprechung seit dem Ausbruch des die vorherige faktische Autonomie Tschetscheniens beendenden Zweiten Tschetschenienkrieges und – davon ausgehend – vorliegend mit Blick auf den Ausreisezeitpunkt der Kläger unter dem Gesichtspunkt eines so genannten objektiven Nachfluchtgrundes - unter weiterer Hintanstellung der Frage des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative für Tschetschenen schon bei Ausbruch der Kampfhandlungen – unterstellt und trotz individuell unverfolgter Ausreise in ihrem Fall den für die Konstellation der Vorverfolgung im Asyl- und Flüchtlingsrecht geltenden „herabgestuften“ Prognosemaß für die Feststellung einer Rückkehrgefährdung im Verständnis des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zugrunde legt, so müsste ihr Anerkennungsbegehren erfolglos bleiben. Den Klägern stünde in diesem Fall, wie das Verwaltungsgericht in den angegriffenen Urteilen zutreffend und im Übrigen in Übereinstimmung mit der insoweit ersichtlich einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung entschieden hat, eine inländische Fluchtalternative in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens zur Verfügung. Sie wären im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation ungeachtet ihrer tschetschenischen Volkszugehörigkeit zum einen „hinreichend sicher“ vor politischer Verfolgung und hätten zum anderen dort auch „grundsätzlich die Möglichkeit zum Überleben“. Das schließt mit Blick auf den im Flüchtlingsrecht geltenden Grundsatz der Subsidiarität des Schutzes vor politischer Verfolgung im Zufluchtsstaat, hier in der Bundesrepublik Deutschland, den geltend gemachten Anspruch auf Anerkennung nach § 60 Abs. 1 AufenthG aus.

Dabei mag es zutreffen, dass – wie die Kläger behaupten und wofür nach den vorliegenden Dokumenten einiges spricht – bestimmte territoriale Einheiten des Föderationsgebiets, speziell etwa das nach der „Wahl“ des moskautreuen Regierungschefs Sjasikow durch einen Politikwechsel in der Behandlung tschetschenischer Flüchtlinge gekennzeichnete und auch wirtschaftlich nur noch begrenzt aufnahmefähige Inguschetien, im gegenwärtigen Zeitpunkt keine zumutbare Fluchtalternative (mehr) bieten. Ob das in dieser Allgemeinheit auch für die von den Klägern im Berufungsvorbringen unter Hinweis auf Erkenntnisse des UNHCR angeführten weiteren Regionen der Russischen Föderation, etwa Kabardino-Balkarien, Dagestan, Karatschai-Tscherkessien, Stawropol und Krasnodar sowie für Nordossetien-Alanien gilt, ist nach den dafür vorgetragenen Gründen zumindest zweifelhaft, bedarf aber hier keiner abschließenden Beurteilung. Bei den genannten Regionen handelt es sich – zusammen gesehen – lediglich um einen kleineren Teil des Territoriums der Russischen Föderation und nach Überzeugung des Senats ist jedenfalls davon auszugehen, dass in den verbleibenden Gebieten eine Gefährdung der Kläger oder allgemein in das Heimatland zurückkehrender tschetschenischer Volkszugehöriger zwar nicht mit Sicherheit, aber doch jedenfalls mit einem so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass selbst bei der unterstellten Anwendbarkeit des aus Sicht der Kläger günstigen (herabgestuften) Prognosemaßstabs die Rückkehrer jedenfalls „hinreichend sicher“ sind.

Das gilt auch, wenn man – wovon eigentlich alle Quellen übereinstimmend, wenn auch in unterschiedlichen Ausmaßen, berichten - davon ausgeht, dass das in der Verfassung der Russischen Föderation garantierte Recht auf Freizügigkeit, insbesondere hinsichtlich der Wahl des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthaltsortes, in der Praxis ungeachtet der 1993 durch das so genannte Föderationsgesetz eingeführten vereinfachten Registrierungsmöglichkeiten an zahlreichen Orten der Russischen Föderation nicht gleichermaßen uneingeschränkt in Anspruch genommen werden kann, und der Zuzug von Vertriebenen des Tschetschenienkriegs – auch wegen Ressentiments gegen Personen kaukasischer Herkunft – jedenfalls was eine an den Wohnsitznachweis geknüpfte Dauerregistrierung angeht, stark erschwert wird. Nach Überzeugung des Senats lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass es tschetschenischen Volkszugehörigen außerhalb der zuvor erwähnten „Problemzonen“ in der Russischen Föderation „flächendeckend“ nicht möglich wäre, unter Inanspruchnahme der geschilderten rechtlichen Garantien in der ein oder anderen Weise einen gesicherten Aufenthalt zu begründen. In dem Zusammenhang hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23.6.2005 zu Recht darauf hingewiesen, dass insbesondere die Menschenrechtsorganisation MEMORIAL an vielen Orten der Russischen Föderation eine Vielzahl von Unterstützungsstellen für betroffene Binnenflüchtlinge insbesondere aus Tschetschenien unterhält, mit deren Hilfe auch in einer Reihe von Fällen willkürlicher behördlicher Verweigerung der Aufenthaltsberechtigung erfolgreich entgegen getreten werden konnte. Die teilweise rechtswidrigen behördlichen Praktiken in bestimmten Teilen Russlands sind ferner mehrfach von Seiten des russischen Menschenrechtsbeauftragten und durch das Oberste Verfassungsgericht Russlands im Rahmen von Entscheidungen zugunsten registrierungswilliger Bürger beanstandet worden.

Das belegt allein die unstreitig in die Hunderttausende gehende Zahl der in der Russischen Föderation dauerhaft verbliebenen Binnenflüchtlinge aus Tschetschenien, von denen – sieht man von der Sondersituation in dem hier nach dem zuvor Gesagten nicht zur Rede stehenden Inguschetien einmal ab – trotz einer allgemeinen politischen Zielsetzung, die Rückkehr nach Tschetschenien zu befördern, nicht bekannt ist, dass sie derart drangsaliert oder unter Druck gesetzt würden, dass ein Verbleib an den jeweiligen Zufluchtsorten in nennenswerter Zahl zwangsweise beendet würde. Glaubhaften Berichten zufolge hält sich gegenwärtig nur noch ein Drittel der ursprünglichen Bevölkerung in Tschetschenien selbst auf; der Rest ist geflohen und lebt überwiegend in anderen Regionen der Russischen Föderation, davon etwa 50.000 allein in der Region Wolga. Dem steht ganz offenbar auch eine in weiten Teilen der Föderation ansiedlungsfeindliche Anwendung des neuen Registrierungsinstrumentariums in Anlehnung an die frühere Praxis in der Sowjetunion nicht entgegen. Angesichts der vielfachen Verweise auf einen jeweils nicht registrierten Aufenthalt von Tschetschenen in Gebieten der Russischen Föderation muss aber auch davon ausgegangen werden, dass die Betroffenen – anders als die Kläger das für sich vortragen - in vielen Fällen, möglicherweise mit Blick auf die historischen Dimensionen des Konflikts zwischen Russen und Kaukasiern durchaus verständlich, wenn sie eine „Bleibe“ beispielsweise bei Bekannten und Verwandten oder auch nur in einem von Kaukasiern geprägten Umfeld gefunden haben, wenig Neigung zeigen, den Kontakt mit staatlich-russischen Stellen zu suchen.

Das gilt allem Anschein nach sogar für die – letztlich wohl aus wirtschaftlichen Gründen – nicht nur gegenüber tschetschenischen Volkszugehörigen, sondern allgemein „zuzugsfeindlichen“ russischen Großstädte Moskau und St. Petersburg, bei denen es sich auch um die Wirtschaftsmetropolen des Landes mit allen unter wirtschaftlich angespannten Verhältnissen üblichen – positiven wie negativen – Begleiterscheinungen handelt, jedenfalls aber – und schon das allein schließt den Anerkennungsanspruch aus - für die eher ländlich geprägten („unproblematischen“) Bereiche des Territoriums der Russischen Föderation. Nicht einmal in ihren Stellungnahmen bekanntermaßen nicht „flüchtlingsfeindliche“ Menschenrechtsorganisationen gehen von einer „flächendeckenden“ Verweigerung der Aufenthalts- oder Niederlassungsberechtigung bei Tschetschenen aus. Des ungeachtet war es beispielsweise den Klägern des am selben Tag verhandelten Parallelverfahrens 2 R 16/03 nach deren eigenem Vorbringen sogar in Moskau, wo eine große Zahl ethnischer Tschetschenen lebt, möglich, über zwei Jahre hinweg Unterkunft und ein den Lebensunterhalt sicherstellendes wirtschaftliches Auskommen zu finden, selbst wenn ihnen eine dauerhafte Anmeldung nach ihren durchaus glaubhaften Bekundungen in der russischen Hauptstadt – ebenso wie in Wolgograd – seinerzeit nicht gelungen ist.

Der Verweis der Kläger auf einen in der Rechtsprechung vielfach thematisierten angeblich im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausbruch des zweiten Tschetschenienkriegs beziehungsweise – so die „regierungsamtliche Sicht“ - der Inangriffnahme der antiterroristischen Operationen in der Region ergangenen „Befehl“ Nr. 541 des früheren russischen Innenministers Ruschajlo vom 17.9.1999 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Nach derzeitiger Erkenntnislage muss mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesem „Befehl“ um eine Fälschung handelt.

Eine Unzumutbarkeit der Verweisung der Kläger auf eine inländische Fluchtalternative lässt sich auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass es insbesondere in Moskau und in anderen Großstädten Russlands, die aufgrund ihrer Struktur für terroristische Aktivitäten besonders sensible Bereiche und „anfällige Ziele“ darstellen, gegenüber Personen kaukasischer Herkunft vergleichsweise vermehrt zu Personenkontrollen und, gerade bei fehlender Legitimierung, auch zu weitergehenden polizeilichen Maßnahmen kommt. Auch unter hiesigen rechtsstaatlichen Aspekten müssen es selbst ansonsten individuell zunächst „unverdächtige“ Personen, die einer abgrenzbaren Gruppe angehören, von der im Vergleich zu anderen Bevölkerungskreisen eine erhebliche erhöhte Gefährdung für die Gesamtbevölkerung ausgeht, hinnehmen, dass sie in statistisch vermehrtem Maße im Interesse der Sicherheit aller Staatsbürger Kontrollen und Untersuchungen mit den damit verbundenen polizeilichen Eingriffsmaßnahmen, etwa erkennungsdienstlicher Behandlung, unterzogen werden. Dass es allgemein, die Kläger selbst sind damit nicht gemeint, auch in Russland eine überproportional hohe Verflechtung von Tschetschenen mit der organisierten Schwerkriminalität gibt und dass insbesondere durch Angehörige dieses Volkes unter Berufung auf ein angebliches Recht zum „Gegenterror“ schwerste Terrorakte mit einer Vielzahl unschuldiger Opfer unter der Zivilbevölkerung, beispielsweise auch die Schulkinder von Beslan, begangen wurden, ist bekannt. Davon ausgehend ist es jedem Staat nicht nur zuzugestehen, sondern es erscheint aus Gründen der inneren Sicherheit geradezu geboten, diesen Personenkreis durch die Sicherheitskräfte „im Auge zu behalten“. Jedenfalls nicht gerechtfertigt erscheint es, in dem Zusammenhang pauschal vom „Wohnungsdurchsuchungen aus rassistischen Gründen“ zu sprechen. Dass es bezogen auf die erwähnt große Zahl der in den als Fluchtalternative in Betracht kommenden Gebieten in der Russischen Föderation lebenden Tschetschenen ausweislich der Dokumentation in Einzelfällen zu weitergehenden Übergriffen von Sicherheitskräften gegenüber den Betroffenen und auch zu einer Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas mit der Folge spontaner Aktionen aus der russischen Bevölkerung heraus gegenüber unschuldigen Tschetschenen gekommen ist, soll hier nicht gerechtfertigt werden, lässt aber andererseits insbesondere auch vor dem Hintergrund der Neuregelung hinsichtlich potentieller Verfolgungssubjekte in § 60 Abs. 1 Satz 4 lit. c AufenthG nicht den Schluss zu, dass für jeden einzelnen tschetschenischen Rückkehrer eine landesweit beachtlich wahrscheinliche und nicht durch staatliche Sicherheitskräfte zu beherrschende Gefährdung bestünde, Opfer einer solchen Maßnahme zu werden.

Auch die wirtschaftlichen Zumutbarkeitskriterien für die Annahme einer gegenüber dem Flüchtlingsschutz im Aufnahmeland vorrangigen inländischen Fluchtalternative sind gegeben. Dass die Rückkehrer keine einfachen, sondern unter vielen Aspekten schwierige Lebensverhältnisse vorfinden werden, ist, wie schon das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, nicht in Abrede zu stellen. Es findet sich in der Dokumentation aber kein Bericht darüber, dass es in den nach Auffassung des Senats als solche in Betracht kommenden Bereichen der Russischen Föderation, in denen insgesamt Hunderttausende von vor den kriegerischen Auseinandersetzungen in Tschetschenien geflohenen oder auch bereits zuvor nach Russland umgezogenen Tschetschenen als Binnenflüchtlinge eine Bleibe gefunden haben, gerade unter diesem Personenkreis zu gravierenden Versorgungsengpässen oder gar zu personenübergreifenden Hungersnöten, Seuchen oder vergleichbaren überindividuellen humanitären Katastrophen gekommen wäre. Daher ist die grundsätzliche Möglichkeit zum Überleben zu bejahen und es spricht nichts Durchgreifendes für die Prognose, dass den Klägern im Rückkehrfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit an den alternativen Orten auf Dauer ein Leben unterhalb des Existenzminimums drohte, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tod führen könnte. Unter diesem Gesichtspunkt kommt es schließlich entgegen der Auffassung der Kläger nicht darauf an, dass die mögliche Existenzsicherung unter Umständen – wie das bei einer Vielzahl von Bürgern der Russischen Föderation der Fall ist – durch Betätigungen im Bereich der so genannten „Schattenwirtschaft“ bewerkstelligt wird.

Des ungeachtet erschiene zumindest zweifelhaft, ob – gegebenenfalls – das Fehlen eines wirtschaftlichen Existenzminimums am Ort der inländischen Fluchtalternative im konkreten Fall angesichts der desolaten wirtschaftlichen Situation in der Heimatregion Tschetschenien auch schon bei Wegzug der Kläger und erst recht heute überhaupt als verfolgungsbedingt und – nur dann – erheblich für die rechtliche Beurteilung eingestuft werden könnte. Derartige am verfolgungssicheren Ort drohende, nicht durch eine politische Verfolgung bedingte Gefahren schließen diesen Ort als inländische Fluchtalternative nur aus, wenn eine gleichartige existenzielle Gefährdung am Herkunftsort nicht bestünde.

Dass die Kläger die als Fluchtalternativen in Betracht kommenden Gebiete der russischen Föderation schließlich – was im Rechtssinne die Annahme einer den Anspruch aus § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ausschließenden inländischen Fluchtalternative voraussetzt – auch tatsächlich erreichen können, unterliegt aus Sicht des Senats ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Dabei kommt es hier nicht auf die von den Klägern in dem Zusammenhang unter Hinweis auf die Einrichtung so genannter Filtrationslager thematisierten angeblich eingeschränkten Möglichkeiten an, aus Tschetschenien „herauszukommen“, was den Klägern offenbar ohne Schwierigkeiten gelungen ist und im Übrigen der in Tschetschenien lebenden Tochter – wie erwähnt – nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung bis heute gelingt. Entscheidend ist vorliegend vielmehr die Frage einer nach den Modalitäten zumutbaren Einreisemöglichkeit in die Russische Föderation. Dass eine solche gegeben ist, unterliegt keinen durchgreifenden Zweifeln. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts konnte nicht ein einziger der bisweilen erhobenen Vorwürfe einer willkürlichen Freiheitsentziehung, Erpressung oder gar Misshandlung von in die Russische Föderation zurückkehrenden – jedenfalls „unauffälligen“ – tschetschenischen Volkszugehörigen verifiziert werden. Entgegenstehende Anhaltspunkte zeigt der Sachvortrag der Kläger nicht auf, wobei allgemein festzuhalten bleibt, dass ein Verweis auf fehlende Reisedokumente in dem Zusammenhang nicht ausreicht, da solche – die geschuldete Mitwirkung des Ausländers unterstellt – regelmäßig beschafft werden können. Für eine generelle und „standhafte“ Weigerung der russischen Stellen in Deutschland, eigenen Bürgern entgegen völkerrechtlichen Verpflichtungen die für die Wiedereinreise notwendigen Personaldokumente auszustellen, bestehen insbesondere mit Blick auf die in der Dokumentation befindlichen Berichte über danach jedenfalls erfolgreiche Rückführungen in die Russische Föderation keine durchgreifenden Anhaltspunkte.

Schließlich kann auch insbesondere vor dem Hintergrund des in der Russischen Föderation eingeführten befristeten Erfordernisses des Umtauschs von Inlandspässen nicht von einer nach der Rückkehr bestehenden Verpflichtung der Kläger zu einer zumindest vorübergehenden Heimreise nach Tschetschenien selbst ausgegangen werden. Dabei mag hier dahinstehen, ob die Kläger überhaupt im Besitz der nach dem am 6.2.1992 in Kraft getretenen russischen Staatsbürgerschaftsgesetz beziehungsweise der Begrenzung ihrer Gültigkeitsdauer bis zum 1.1.2004 umtauschpflichtigen „alten“ sowjetischen Pässe waren. Nach gegenwärtigem Stand beziehungsweise ihren Angaben gegenüber den deutschen Behörden besitzen sie überhaupt keine Passpapiere mehr. Nach dem vorliegenden Erkenntnismaterial ist davon auszugehen, dass selbst bei umtauschpflichtigen Bürgern der Russischen Föderation im vorgenannten Verständnis die dafür notwendigen behördlichen Formalitäten – gegebenenfalls unter Zuhilfenahme wiederum von Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen in Russland nicht nur am Ort einer Registrierung, sondern auch am Wohnort vorgenommen werden können. Daher kann in der Gesamtschau nicht davon ausgegangen werden, dass das neue Russische Passrecht zwingend zur Folge hat, dass sich Passbewerber zum Umtausch oder zur Neuausstellung eines Inlandspasses an den Ort ihrer letzten Registrierung – im Falle der Kläger also nach Tschetschenien – begeben müssen.

Hat damit das Verwaltungsgericht die Klagen mit den Hauptanträgen zu Recht abgewiesen, so bleibt ergänzend mit Blick auf das hilfsweise geltend gemachte Verpflichtungsbegehren festzustellen, dass auch die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 8 beziehungsweise 10 AufenthG nicht erfüllt sind. Das gilt, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen entnehmen lässt, insbesondere hinsichtlich des an die Stelle des bisherigen § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG getretenen § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, nach dem von einer Abschiebung abgesehen werden soll, wenn im Zielstaat für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit besteht. Insoweit ist, was die Geltendmachung einer Gefährdung durch die allgemeine wirtschaftliche Versorgungslage angeht, zusätzlich auf die vom Bundesgesetzgeber beibehaltene – vorliegend beachtliche - Sperrwirkung nach den §§ 60 Abs. 7 Satz 2, 60a AufenthG für die Berücksichtigungsfähigkeit von so genannten Allgemeingefahren für die Bevölkerung oder auch nur Bevölkerungsgruppen im Herkunftsstaat hinzuweisen. Darüber hinausgehende humanitäre Gesichtspunkte, wie sie den Empfehlungen des UNHCR und verschiedener Menschenrechtsgruppen, gegenwärtig auf eine Rückführung von tschetschenischen Volkszugehörigen in die Russische Föderation zu verzichten, zugrunde liegen, hat der Bundesgesetzgeber damit auch am Maßstab des Verfassungsrechts in zulässiger Weise den hierfür zuständigen politischen Entscheidungsträgern überantwortet; sie haben daher für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens keine Bedeutung.

Einer Rückführung der Kläger in die Russische Föderation stünde auch nicht das sich – nunmehr – aus dem § 60 Abs. 2 und 5 AufenthG i.V.m. den Bestimmungen des Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergebende Verbot entgegen, wonach niemand durch seine Abschiebung der Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Strafe oder Behandlung ausgesetzt werden darf. Insbesondere Art. 3 EMRK schützt ebenso wie das Asylrecht im Ansatz nicht vor den allgemeinen Folgen von Naturkatastrophen, Bürgerkriegen und anderen bewaffneten Auseinandersetzungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 83b Abs. 1 AsylVfG und 154 Abs. 2, 159 VwGO, 100 ZPO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Gründe

Die Sache konnte verhandelt und entschieden werden, obwohl der Beteiligte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Die an ihn gerichtete ordnungsgemäße Ladung war mit einem dem § 102 Abs. 2 VwGO entsprechenden Hinweis versehen.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen der Kläger gegen die Ablehnungsbescheide der Beklagten (Bundesamt) vom 22.10.1999 (Kläger zu 1)) und vom 10.1.2000 (Klägerinnen zu 2) bis 4)) zu Recht abgewiesen, soweit darin die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG abgelehnt worden ist. Diese Verwaltungsentscheidungen erweisen sich als rechtmäßig und verletzen die Kläger daher nicht in subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Den Klägern stehen keine Ansprüche auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des inzwischen an die Stelle des ehemaligen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbots getretenen § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich der Russischen Föderation zu. Die in dieser im Wesentlichen den bisherigen Regelungsgehalt fortschreibenden, an den Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention (GK) angelehnten Vorschrift genannten tatsächlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot – bezogen auf den Heimatstaat – hat das Verwaltungsgericht im Falle der Kläger in den angegriffenen Urteilen zu Recht verneint; sie liegen auch aus heutiger Sicht (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) nicht vor. Die Kläger wären bei einer Rückkehr in die Russische Föderation nicht wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen politischer Überzeugungen durch eines der in § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannten potentiellen Verfolgungssubjekte an Leib und Leben bedroht.

Für eine individuell erlittene politische Verfolgung in diesem Sinne vor dem Verlassen des Heimatlandes bieten weder der Sachvortrag der Kläger zu 1) und 2) bei deren Anhörung beim (damaligen) Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge noch das Vorbringen im gerichtlichen Verfahren durchgreifende Anhaltspunkte. Die Kläger, deren Schilderungen insoweit glaubhaft sind, haben ihr Heimatland unmittelbar vor Entfesselung des – je nach Standpunkt – „Zweiten Tschetschenienkriegs“ beziehungsweise – so die offizielle russische Version - der Einleitung der im Grunde bis heute in Tschetschenien andauernden „antiterroristischen Aktionen“ des russischen Militärs verlassen. Folgerichtig haben die Kläger zu 1) und 2) im Rahmen ihrer Anhörungen beim Bundesamt spezifische Probleme des Klägers zu 1) während der Zwischenphase nach dem das Ende des ersten, durch die einseitige Unabhängigkeitserklärung im Jahre 1991 ausgelösten Krieges in Tschetschenien markierenden Waffenstillstandsabkommen vom 31.8.1996 geschildert. Diese Phase war – wie vom Kläger zu 1) im Verlaufe des Verfahrens recht anschaulich dargestellt - durch eine zunehmende Islamisierung von Staat und Gesellschaft in Tschetschenien gekennzeichnet. Sein Vorbringen, wonach ihm in dieser Zeit seine Tätigkeit als Fahrer für die russische Polizei in Tschetschenien in den Jahren 1995 und 1996 von einem der von Maschadow 1999 unter dem Druck von Islamisten in Tschetschenien installierten „Scharia-Gerichte“ als „Verrat am tschetschenischen Volk“ vorgehalten wurde, ist einerseits ohne weiteres nachvollziehbar, andererseits durch weitere politische Entwicklung in Tschetschenien überholt worden und erlangt daher für die Beurteilung des Vorliegens einer Verfolgungsgefährdung im Verständnis des § 60 Abs. 1 AufenthG zumindest aus heutiger Sicht (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) keine ausschlaggebende Bedeutung (mehr). Insbesondere die Darlegungen der Klägerin zu 2) vor dem Bundesamt am 5.1.2000 machen deutlich, dass die Ausreise der Klägerinnen zu 2) bis 4) aus dem ohne weiteres verständlichen Wunsch heraus erfolgte, dem allgegenwärtigen Chaos sowie den äußerst problematischen und trostlosen Lebensverhältnissen in ihrer Heimatregion Tschetschenien zu entfliehen. Die Klägerin zu 2) sah zudem – wohl zu Recht - weder für sich eine wirtschaftliche Perspektive noch für die beiden jüngeren Töchter, die Klägerinnen zu 3) und 4), eine realistische Chance, in ihrer Heimat in den Genuss einer vernünftigen Ausbildung zu gelangen. Mit einer zielgerichteten politischen Verfolgung im Verständnis des § 60 Abs. 1 AufenthG hat das aber nichts zu tun.

Auszuschließen ist eine Verfolgung aller tschetschenischen Volkszugehörigen in dem (gesamten) Staatsgebiet der Russischen Föderation und zwar sowohl für den Ausreisezeitpunkt als auch für die heutige Situation. Das vorhandene Auskunftsmaterial rechtfertigt bei Anlegung der hierzu in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten strengen Maßstäbe nicht die Annahme einer solchen landesweiten Gruppenverfolgung. Ungeachtet des im Gefolge der Kriegsereignisse in Tschetschenien insbesondere ab dem Jahre 1999 erneut verschärften, bekanntermaßen sehr angespannten Verhältnisses zwischen der (ethnisch) russischen Bevölkerung und den im Kaukasus beheimateten Volksgruppen, insbesondere den Tschetschenen, lässt sich dem vorliegenden Auskunftsmaterial weder ein staatliches (russisches) Verfolgungsprogramm mit dem Ziel einer physischen Vernichtung und/oder der gewaltsamen Vertreibung aller Tschetschenen aus dem Staatsgebiet nachweisen, noch lassen bekannt gewordene Einzelverfolgungsmaßnahmen mit Blick auf die zahlenmäßige Größe der gemeinsam mit den Inguschen die Bevölkerungsgruppe der Wajnachen bildenden und die bei weitem größte der im Nordkaukasus beheimateten Ethnien stellenden Tschetschenen sowie deren Bevölkerungsanteil die Feststellung einer die Annahme einer landesweiten Gruppenverfolgung gebietenden Verfolgungsdichte zu. Weder Anzahl noch Intensität der für die sonstigen Bereiche der Russischen Föderation bekannt gewordenen staatlichen Übergriffe gegen Personen tschetschenischer Volkszugehörigkeit sind mit den gezielten Angriffen auf Leib und Leben der Zivilbevölkerung in Tschetschenien selbst vergleichbar.

Weniger klar erscheint die Beantwortung der Frage, ob bezogen auf das Territorium von Tschetschenien bei einer auf dieses Gebiet beschränkten Betrachtung das Vorliegen der genannten Voraussetzungen für die Annahme einer Gruppenverfolgung bejaht werden muss. Hierfür mag es trotz anders lautender obergerichtlicher Entscheidungen aus jüngerer Vergangenheit insbesondere seit Beginn der erneuten, von der russischen Führung als „antiterroristische Operation“ bezeichneten militärischen Auseinandersetzungen ab Ende 1999, die nach weitgehender „Zurückeroberung“ des tschetschenischen Territoriums durch russisches Militär in einen bis heute, also auch nach dem Abschluss der offenen kriegerischen Auseinandersetzungen im Jahre 2003, andauernden Guerilla-Krieg mündeten, Anhaltspunkte geben. Diese Beurteilung wird insbesondere dadurch erschwert, dass sich diese von russischer Seite als „innere Angelegenheit“ betrachtete, gemeinhin als Zweiter Tschetschenienkrieg bezeichnete und unstreitig mit regelmäßigen äußerst grausamen Übergriffen der Sicherheitskräfte gegenüber der Zivilbevölkerung Tschetscheniens (sog. „Säuberungsaktionen“) einhergehende Vorgehensweise weitgehend „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ vollzieht. Die Bestimmung eines aus der Relation der Zahl der potentiell Betroffenen und der Zahl der dokumentierten Übergriffe zu ermittelnden individuellen Gefährdungspotentials ist von daher kaum möglich. Einigkeit besteht aber allgemein darüber, dass die Menschenrechtslage in Tschetschenien bis heute ungeachtet anders lautender offizieller regierungsseitiger Verlautbarungen für die von einer Vielzahl von Rechtsverletzungen in Form von willkürlichen Verhaftungen, Entführungen, „Verschwinden“, Misshandlungen, Vergewaltigungen und Ausraubungen betroffene Zivilbevölkerung der Region als „äußerst besorgniserregend“ bezeichnet werden muss. Ob die Vorgänge und Verhältnisse die Annahme einer begrenzten Kollektivverfolgung (aller) Tschetschenen in ihrer Heimatregion rechtfertigen, kann im Ergebnis für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits allerdings dahinstehen. Vehement dagegen spricht allerdings die Einlassung der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23.6.2005, dass die in Russland verbliebene ältere Tochter beziehungsweise Schwester inzwischen in Tschetschenien geheiratet hat, dort mit dem Ehemann entsprechend den landesüblichen Gebräuchen nunmehr in dessen Familienverband lebt und gelegentlich in die Nachbarregion Dagestan reist, um von dort aus telefonisch mit den Klägern in Kontakt zu treten, ohne dass dabei von Verfolgungsmaßnahmen gegenüber der Tochter/Schwester die Rede gewesen wäre.

Selbst wenn man aber insoweit das Vorliegen einer „regionalen Gruppenverfolgung“ ethnischer Tschetschenen im Sinne der angesprochenen höchstrichterlichen Rechtsprechung seit dem Ausbruch des die vorherige faktische Autonomie Tschetscheniens beendenden Zweiten Tschetschenienkrieges und – davon ausgehend – vorliegend mit Blick auf den Ausreisezeitpunkt der Kläger unter dem Gesichtspunkt eines so genannten objektiven Nachfluchtgrundes - unter weiterer Hintanstellung der Frage des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative für Tschetschenen schon bei Ausbruch der Kampfhandlungen – unterstellt und trotz individuell unverfolgter Ausreise in ihrem Fall den für die Konstellation der Vorverfolgung im Asyl- und Flüchtlingsrecht geltenden „herabgestuften“ Prognosemaß für die Feststellung einer Rückkehrgefährdung im Verständnis des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zugrunde legt, so müsste ihr Anerkennungsbegehren erfolglos bleiben. Den Klägern stünde in diesem Fall, wie das Verwaltungsgericht in den angegriffenen Urteilen zutreffend und im Übrigen in Übereinstimmung mit der insoweit ersichtlich einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung entschieden hat, eine inländische Fluchtalternative in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens zur Verfügung. Sie wären im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation ungeachtet ihrer tschetschenischen Volkszugehörigkeit zum einen „hinreichend sicher“ vor politischer Verfolgung und hätten zum anderen dort auch „grundsätzlich die Möglichkeit zum Überleben“. Das schließt mit Blick auf den im Flüchtlingsrecht geltenden Grundsatz der Subsidiarität des Schutzes vor politischer Verfolgung im Zufluchtsstaat, hier in der Bundesrepublik Deutschland, den geltend gemachten Anspruch auf Anerkennung nach § 60 Abs. 1 AufenthG aus.

Dabei mag es zutreffen, dass – wie die Kläger behaupten und wofür nach den vorliegenden Dokumenten einiges spricht – bestimmte territoriale Einheiten des Föderationsgebiets, speziell etwa das nach der „Wahl“ des moskautreuen Regierungschefs Sjasikow durch einen Politikwechsel in der Behandlung tschetschenischer Flüchtlinge gekennzeichnete und auch wirtschaftlich nur noch begrenzt aufnahmefähige Inguschetien, im gegenwärtigen Zeitpunkt keine zumutbare Fluchtalternative (mehr) bieten. Ob das in dieser Allgemeinheit auch für die von den Klägern im Berufungsvorbringen unter Hinweis auf Erkenntnisse des UNHCR angeführten weiteren Regionen der Russischen Föderation, etwa Kabardino-Balkarien, Dagestan, Karatschai-Tscherkessien, Stawropol und Krasnodar sowie für Nordossetien-Alanien gilt, ist nach den dafür vorgetragenen Gründen zumindest zweifelhaft, bedarf aber hier keiner abschließenden Beurteilung. Bei den genannten Regionen handelt es sich – zusammen gesehen – lediglich um einen kleineren Teil des Territoriums der Russischen Föderation und nach Überzeugung des Senats ist jedenfalls davon auszugehen, dass in den verbleibenden Gebieten eine Gefährdung der Kläger oder allgemein in das Heimatland zurückkehrender tschetschenischer Volkszugehöriger zwar nicht mit Sicherheit, aber doch jedenfalls mit einem so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass selbst bei der unterstellten Anwendbarkeit des aus Sicht der Kläger günstigen (herabgestuften) Prognosemaßstabs die Rückkehrer jedenfalls „hinreichend sicher“ sind.

Das gilt auch, wenn man – wovon eigentlich alle Quellen übereinstimmend, wenn auch in unterschiedlichen Ausmaßen, berichten - davon ausgeht, dass das in der Verfassung der Russischen Föderation garantierte Recht auf Freizügigkeit, insbesondere hinsichtlich der Wahl des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthaltsortes, in der Praxis ungeachtet der 1993 durch das so genannte Föderationsgesetz eingeführten vereinfachten Registrierungsmöglichkeiten an zahlreichen Orten der Russischen Föderation nicht gleichermaßen uneingeschränkt in Anspruch genommen werden kann, und der Zuzug von Vertriebenen des Tschetschenienkriegs – auch wegen Ressentiments gegen Personen kaukasischer Herkunft – jedenfalls was eine an den Wohnsitznachweis geknüpfte Dauerregistrierung angeht, stark erschwert wird. Nach Überzeugung des Senats lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass es tschetschenischen Volkszugehörigen außerhalb der zuvor erwähnten „Problemzonen“ in der Russischen Föderation „flächendeckend“ nicht möglich wäre, unter Inanspruchnahme der geschilderten rechtlichen Garantien in der ein oder anderen Weise einen gesicherten Aufenthalt zu begründen. In dem Zusammenhang hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23.6.2005 zu Recht darauf hingewiesen, dass insbesondere die Menschenrechtsorganisation MEMORIAL an vielen Orten der Russischen Föderation eine Vielzahl von Unterstützungsstellen für betroffene Binnenflüchtlinge insbesondere aus Tschetschenien unterhält, mit deren Hilfe auch in einer Reihe von Fällen willkürlicher behördlicher Verweigerung der Aufenthaltsberechtigung erfolgreich entgegen getreten werden konnte. Die teilweise rechtswidrigen behördlichen Praktiken in bestimmten Teilen Russlands sind ferner mehrfach von Seiten des russischen Menschenrechtsbeauftragten und durch das Oberste Verfassungsgericht Russlands im Rahmen von Entscheidungen zugunsten registrierungswilliger Bürger beanstandet worden.

Das belegt allein die unstreitig in die Hunderttausende gehende Zahl der in der Russischen Föderation dauerhaft verbliebenen Binnenflüchtlinge aus Tschetschenien, von denen – sieht man von der Sondersituation in dem hier nach dem zuvor Gesagten nicht zur Rede stehenden Inguschetien einmal ab – trotz einer allgemeinen politischen Zielsetzung, die Rückkehr nach Tschetschenien zu befördern, nicht bekannt ist, dass sie derart drangsaliert oder unter Druck gesetzt würden, dass ein Verbleib an den jeweiligen Zufluchtsorten in nennenswerter Zahl zwangsweise beendet würde. Glaubhaften Berichten zufolge hält sich gegenwärtig nur noch ein Drittel der ursprünglichen Bevölkerung in Tschetschenien selbst auf; der Rest ist geflohen und lebt überwiegend in anderen Regionen der Russischen Föderation, davon etwa 50.000 allein in der Region Wolga. Dem steht ganz offenbar auch eine in weiten Teilen der Föderation ansiedlungsfeindliche Anwendung des neuen Registrierungsinstrumentariums in Anlehnung an die frühere Praxis in der Sowjetunion nicht entgegen. Angesichts der vielfachen Verweise auf einen jeweils nicht registrierten Aufenthalt von Tschetschenen in Gebieten der Russischen Föderation muss aber auch davon ausgegangen werden, dass die Betroffenen – anders als die Kläger das für sich vortragen - in vielen Fällen, möglicherweise mit Blick auf die historischen Dimensionen des Konflikts zwischen Russen und Kaukasiern durchaus verständlich, wenn sie eine „Bleibe“ beispielsweise bei Bekannten und Verwandten oder auch nur in einem von Kaukasiern geprägten Umfeld gefunden haben, wenig Neigung zeigen, den Kontakt mit staatlich-russischen Stellen zu suchen.

Das gilt allem Anschein nach sogar für die – letztlich wohl aus wirtschaftlichen Gründen – nicht nur gegenüber tschetschenischen Volkszugehörigen, sondern allgemein „zuzugsfeindlichen“ russischen Großstädte Moskau und St. Petersburg, bei denen es sich auch um die Wirtschaftsmetropolen des Landes mit allen unter wirtschaftlich angespannten Verhältnissen üblichen – positiven wie negativen – Begleiterscheinungen handelt, jedenfalls aber – und schon das allein schließt den Anerkennungsanspruch aus - für die eher ländlich geprägten („unproblematischen“) Bereiche des Territoriums der Russischen Föderation. Nicht einmal in ihren Stellungnahmen bekanntermaßen nicht „flüchtlingsfeindliche“ Menschenrechtsorganisationen gehen von einer „flächendeckenden“ Verweigerung der Aufenthalts- oder Niederlassungsberechtigung bei Tschetschenen aus. Des ungeachtet war es beispielsweise den Klägern des am selben Tag verhandelten Parallelverfahrens 2 R 16/03 nach deren eigenem Vorbringen sogar in Moskau, wo eine große Zahl ethnischer Tschetschenen lebt, möglich, über zwei Jahre hinweg Unterkunft und ein den Lebensunterhalt sicherstellendes wirtschaftliches Auskommen zu finden, selbst wenn ihnen eine dauerhafte Anmeldung nach ihren durchaus glaubhaften Bekundungen in der russischen Hauptstadt – ebenso wie in Wolgograd – seinerzeit nicht gelungen ist.

Der Verweis der Kläger auf einen in der Rechtsprechung vielfach thematisierten angeblich im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausbruch des zweiten Tschetschenienkriegs beziehungsweise – so die „regierungsamtliche Sicht“ - der Inangriffnahme der antiterroristischen Operationen in der Region ergangenen „Befehl“ Nr. 541 des früheren russischen Innenministers Ruschajlo vom 17.9.1999 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Nach derzeitiger Erkenntnislage muss mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesem „Befehl“ um eine Fälschung handelt.

Eine Unzumutbarkeit der Verweisung der Kläger auf eine inländische Fluchtalternative lässt sich auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass es insbesondere in Moskau und in anderen Großstädten Russlands, die aufgrund ihrer Struktur für terroristische Aktivitäten besonders sensible Bereiche und „anfällige Ziele“ darstellen, gegenüber Personen kaukasischer Herkunft vergleichsweise vermehrt zu Personenkontrollen und, gerade bei fehlender Legitimierung, auch zu weitergehenden polizeilichen Maßnahmen kommt. Auch unter hiesigen rechtsstaatlichen Aspekten müssen es selbst ansonsten individuell zunächst „unverdächtige“ Personen, die einer abgrenzbaren Gruppe angehören, von der im Vergleich zu anderen Bevölkerungskreisen eine erhebliche erhöhte Gefährdung für die Gesamtbevölkerung ausgeht, hinnehmen, dass sie in statistisch vermehrtem Maße im Interesse der Sicherheit aller Staatsbürger Kontrollen und Untersuchungen mit den damit verbundenen polizeilichen Eingriffsmaßnahmen, etwa erkennungsdienstlicher Behandlung, unterzogen werden. Dass es allgemein, die Kläger selbst sind damit nicht gemeint, auch in Russland eine überproportional hohe Verflechtung von Tschetschenen mit der organisierten Schwerkriminalität gibt und dass insbesondere durch Angehörige dieses Volkes unter Berufung auf ein angebliches Recht zum „Gegenterror“ schwerste Terrorakte mit einer Vielzahl unschuldiger Opfer unter der Zivilbevölkerung, beispielsweise auch die Schulkinder von Beslan, begangen wurden, ist bekannt. Davon ausgehend ist es jedem Staat nicht nur zuzugestehen, sondern es erscheint aus Gründen der inneren Sicherheit geradezu geboten, diesen Personenkreis durch die Sicherheitskräfte „im Auge zu behalten“. Jedenfalls nicht gerechtfertigt erscheint es, in dem Zusammenhang pauschal vom „Wohnungsdurchsuchungen aus rassistischen Gründen“ zu sprechen. Dass es bezogen auf die erwähnt große Zahl der in den als Fluchtalternative in Betracht kommenden Gebieten in der Russischen Föderation lebenden Tschetschenen ausweislich der Dokumentation in Einzelfällen zu weitergehenden Übergriffen von Sicherheitskräften gegenüber den Betroffenen und auch zu einer Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas mit der Folge spontaner Aktionen aus der russischen Bevölkerung heraus gegenüber unschuldigen Tschetschenen gekommen ist, soll hier nicht gerechtfertigt werden, lässt aber andererseits insbesondere auch vor dem Hintergrund der Neuregelung hinsichtlich potentieller Verfolgungssubjekte in § 60 Abs. 1 Satz 4 lit. c AufenthG nicht den Schluss zu, dass für jeden einzelnen tschetschenischen Rückkehrer eine landesweit beachtlich wahrscheinliche und nicht durch staatliche Sicherheitskräfte zu beherrschende Gefährdung bestünde, Opfer einer solchen Maßnahme zu werden.

Auch die wirtschaftlichen Zumutbarkeitskriterien für die Annahme einer gegenüber dem Flüchtlingsschutz im Aufnahmeland vorrangigen inländischen Fluchtalternative sind gegeben. Dass die Rückkehrer keine einfachen, sondern unter vielen Aspekten schwierige Lebensverhältnisse vorfinden werden, ist, wie schon das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, nicht in Abrede zu stellen. Es findet sich in der Dokumentation aber kein Bericht darüber, dass es in den nach Auffassung des Senats als solche in Betracht kommenden Bereichen der Russischen Föderation, in denen insgesamt Hunderttausende von vor den kriegerischen Auseinandersetzungen in Tschetschenien geflohenen oder auch bereits zuvor nach Russland umgezogenen Tschetschenen als Binnenflüchtlinge eine Bleibe gefunden haben, gerade unter diesem Personenkreis zu gravierenden Versorgungsengpässen oder gar zu personenübergreifenden Hungersnöten, Seuchen oder vergleichbaren überindividuellen humanitären Katastrophen gekommen wäre. Daher ist die grundsätzliche Möglichkeit zum Überleben zu bejahen und es spricht nichts Durchgreifendes für die Prognose, dass den Klägern im Rückkehrfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit an den alternativen Orten auf Dauer ein Leben unterhalb des Existenzminimums drohte, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tod führen könnte. Unter diesem Gesichtspunkt kommt es schließlich entgegen der Auffassung der Kläger nicht darauf an, dass die mögliche Existenzsicherung unter Umständen – wie das bei einer Vielzahl von Bürgern der Russischen Föderation der Fall ist – durch Betätigungen im Bereich der so genannten „Schattenwirtschaft“ bewerkstelligt wird.

Des ungeachtet erschiene zumindest zweifelhaft, ob – gegebenenfalls – das Fehlen eines wirtschaftlichen Existenzminimums am Ort der inländischen Fluchtalternative im konkreten Fall angesichts der desolaten wirtschaftlichen Situation in der Heimatregion Tschetschenien auch schon bei Wegzug der Kläger und erst recht heute überhaupt als verfolgungsbedingt und – nur dann – erheblich für die rechtliche Beurteilung eingestuft werden könnte. Derartige am verfolgungssicheren Ort drohende, nicht durch eine politische Verfolgung bedingte Gefahren schließen diesen Ort als inländische Fluchtalternative nur aus, wenn eine gleichartige existenzielle Gefährdung am Herkunftsort nicht bestünde.

Dass die Kläger die als Fluchtalternativen in Betracht kommenden Gebiete der russischen Föderation schließlich – was im Rechtssinne die Annahme einer den Anspruch aus § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ausschließenden inländischen Fluchtalternative voraussetzt – auch tatsächlich erreichen können, unterliegt aus Sicht des Senats ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Dabei kommt es hier nicht auf die von den Klägern in dem Zusammenhang unter Hinweis auf die Einrichtung so genannter Filtrationslager thematisierten angeblich eingeschränkten Möglichkeiten an, aus Tschetschenien „herauszukommen“, was den Klägern offenbar ohne Schwierigkeiten gelungen ist und im Übrigen der in Tschetschenien lebenden Tochter – wie erwähnt – nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung bis heute gelingt. Entscheidend ist vorliegend vielmehr die Frage einer nach den Modalitäten zumutbaren Einreisemöglichkeit in die Russische Föderation. Dass eine solche gegeben ist, unterliegt keinen durchgreifenden Zweifeln. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts konnte nicht ein einziger der bisweilen erhobenen Vorwürfe einer willkürlichen Freiheitsentziehung, Erpressung oder gar Misshandlung von in die Russische Föderation zurückkehrenden – jedenfalls „unauffälligen“ – tschetschenischen Volkszugehörigen verifiziert werden. Entgegenstehende Anhaltspunkte zeigt der Sachvortrag der Kläger nicht auf, wobei allgemein festzuhalten bleibt, dass ein Verweis auf fehlende Reisedokumente in dem Zusammenhang nicht ausreicht, da solche – die geschuldete Mitwirkung des Ausländers unterstellt – regelmäßig beschafft werden können. Für eine generelle und „standhafte“ Weigerung der russischen Stellen in Deutschland, eigenen Bürgern entgegen völkerrechtlichen Verpflichtungen die für die Wiedereinreise notwendigen Personaldokumente auszustellen, bestehen insbesondere mit Blick auf die in der Dokumentation befindlichen Berichte über danach jedenfalls erfolgreiche Rückführungen in die Russische Föderation keine durchgreifenden Anhaltspunkte.

Schließlich kann auch insbesondere vor dem Hintergrund des in der Russischen Föderation eingeführten befristeten Erfordernisses des Umtauschs von Inlandspässen nicht von einer nach der Rückkehr bestehenden Verpflichtung der Kläger zu einer zumindest vorübergehenden Heimreise nach Tschetschenien selbst ausgegangen werden. Dabei mag hier dahinstehen, ob die Kläger überhaupt im Besitz der nach dem am 6.2.1992 in Kraft getretenen russischen Staatsbürgerschaftsgesetz beziehungsweise der Begrenzung ihrer Gültigkeitsdauer bis zum 1.1.2004 umtauschpflichtigen „alten“ sowjetischen Pässe waren. Nach gegenwärtigem Stand beziehungsweise ihren Angaben gegenüber den deutschen Behörden besitzen sie überhaupt keine Passpapiere mehr. Nach dem vorliegenden Erkenntnismaterial ist davon auszugehen, dass selbst bei umtauschpflichtigen Bürgern der Russischen Föderation im vorgenannten Verständnis die dafür notwendigen behördlichen Formalitäten – gegebenenfalls unter Zuhilfenahme wiederum von Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen in Russland nicht nur am Ort einer Registrierung, sondern auch am Wohnort vorgenommen werden können. Daher kann in der Gesamtschau nicht davon ausgegangen werden, dass das neue Russische Passrecht zwingend zur Folge hat, dass sich Passbewerber zum Umtausch oder zur Neuausstellung eines Inlandspasses an den Ort ihrer letzten Registrierung – im Falle der Kläger also nach Tschetschenien – begeben müssen.

Hat damit das Verwaltungsgericht die Klagen mit den Hauptanträgen zu Recht abgewiesen, so bleibt ergänzend mit Blick auf das hilfsweise geltend gemachte Verpflichtungsbegehren festzustellen, dass auch die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 8 beziehungsweise 10 AufenthG nicht erfüllt sind. Das gilt, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen entnehmen lässt, insbesondere hinsichtlich des an die Stelle des bisherigen § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG getretenen § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, nach dem von einer Abschiebung abgesehen werden soll, wenn im Zielstaat für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit besteht. Insoweit ist, was die Geltendmachung einer Gefährdung durch die allgemeine wirtschaftliche Versorgungslage angeht, zusätzlich auf die vom Bundesgesetzgeber beibehaltene – vorliegend beachtliche - Sperrwirkung nach den §§ 60 Abs. 7 Satz 2, 60a AufenthG für die Berücksichtigungsfähigkeit von so genannten Allgemeingefahren für die Bevölkerung oder auch nur Bevölkerungsgruppen im Herkunftsstaat hinzuweisen. Darüber hinausgehende humanitäre Gesichtspunkte, wie sie den Empfehlungen des UNHCR und verschiedener Menschenrechtsgruppen, gegenwärtig auf eine Rückführung von tschetschenischen Volkszugehörigen in die Russische Föderation zu verzichten, zugrunde liegen, hat der Bundesgesetzgeber damit auch am Maßstab des Verfassungsrechts in zulässiger Weise den hierfür zuständigen politischen Entscheidungsträgern überantwortet; sie haben daher für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens keine Bedeutung.

Einer Rückführung der Kläger in die Russische Föderation stünde auch nicht das sich – nunmehr – aus dem § 60 Abs. 2 und 5 AufenthG i.V.m. den Bestimmungen des Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergebende Verbot entgegen, wonach niemand durch seine Abschiebung der Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Strafe oder Behandlung ausgesetzt werden darf. Insbesondere Art. 3 EMRK schützt ebenso wie das Asylrecht im Ansatz nicht vor den allgemeinen Folgen von Naturkatastrophen, Bürgerkriegen und anderen bewaffneten Auseinandersetzungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 83b Abs. 1 AsylVfG und 154 Abs. 2, 159 VwGO, 100 ZPO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Sonstige Literatur

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils bei dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Hausadresse: Kaiser-Wilhelm-Straße 15, 66740 Saarlouis/Postanschrift: 66724 Saarlouis) einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist ebenfalls bei dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Hausadresse: Kaiser-Wilhelm-Straße 15, 66740 Saarlouis/Postanschrift: 66724 Saarlouis) einzureichen. In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem das Urteil beruhen kann, bezeichnet werden. Die Einlegung und die Begründung der Beschwerde müssen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten erfolgen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. September 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes – 11 K 9/05.A – wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Antragsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

Dem Antrag des im Jahre 2003 in die Bundesrepublik Deutschland eingereisten Klägers, der serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo ist, auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom 23.9.2005, mit dem das Verwaltungsgericht seine Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Bestehens von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 7 AufenthaltsG abgewiesen hat, kann nicht entsprochen werden.

Das Vorbringen des Klägers in der Begründung seines Zulassungsantrages, das den gerichtlichen Prüfungsumfang in dem vorliegenden Verfahren begrenzt, rechtfertigt nicht die erstrebte Berufungszulassung wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG).

Der Kläger, der vorträgt, sein Vater sei Albaner und seine Mutter sei Serbin, aufgrund dieser Herkunft sei er im Kosovo von Albanern drangsaliert, misshandelt und bedroht worden, wirft in der Begründung seines Zulassungsantrages als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf, ob und inwieweit Angehörige aus gemischt-ethnischen Familien im Kosovo einer extremen Gefahrenlage im Sinne von § 60 Abs. 7 AufenthaltsG ausgesetzt sind, sowie – konkret – ob und inwieweit Angehörige gemischt-serbisch-albanischer Familien im Kosovo gefährdet sind. Er führt in diesem Zusammenhang aus, die in dem angefochtenen Urteil in Bezug genommene Entscheidung der 10. Kammer des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 28.06.2005 – 10 K 76/03.A – enthalte zwar Ausführungen zur Situation gemischt-ethnischer Familien, nicht jedoch zur Situation solcher Familien, bei denen ein Teil der Volksgruppe der Serben angehöre. Zudem stünden die Einschätzungen der 10. und der 11. Kammer des Verwaltungsgerichts derjenigen des UNHCR entgegen, der in einem vom Auswärtigen Amt in seinem „Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro (Kosovo)“ vom 4.11.2004 angeführten Bericht zur fortdauernden Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo von Januar 2003 darauf hinweise, dass es einige Kategorien von Kosovo-Albanern, so von solchen gemischt-ethnischer Herkunft gebe, die mit ernsten Problemen einschließlich physischer Gefahr konfrontiert werden könnten, wenn sie nach Hause zurückkehrten. Die von der 11. Kammer eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 16.9.2005, die über ein Jahr nach Ergehen des noch von der damals zuständigen 10. Kammer erlassenen Beweisbeschlusses vom 23.6.2004 vorgelegt worden sei, erschöpfe sich in der Aussage, es seien bis zum heutigen Tag keine konkreten Fälle einer tatsächlichen Gefährdung von Personen gemischt-ethnischer Herkunft bekannt geworden, erlaube indes nicht den Schluss, dass es eine solche Gefährdung nicht gebe. Albaner, die sich mit Serben einließen oder eingelassen hätten, würden als Vertreter an der gemeinsamen albanischen Sache eingestuft und müssten deshalb mit Vergeltung und Repressalien rechnen. Nach der UNHCR-Position zur fortlaufenden Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo von 2005 seien Personen in gemischt-ethnischen Ehen oder gemischt-ethnischer Abstammung weiterhin einer erhöhten Verfolgungsgefahr ausgesetzt. Die vom Verwaltungsgericht angeführte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 20.3.2000 – 3 R 89/99 – werde wohl der aktuellen Lage nicht mehr gerecht.

Dieser Vortrag rechtfertigt die begehrte Rechtsmittelzulassung nicht. Denn das Verwaltungsgericht hat die Abweisung des Begehrens des Klägers in erster Linie darauf gestützt, dass dessen Vortrag wegen sich in wesentlicher Hinsicht steigernder und widersprechender Angaben im Verwaltungs- und Klageverfahren unglaubhaft sei und dies im Einzelnen, teilweise unter Bezugnahme auf diesbezügliche Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid vom 20.1.2003 dargelegt. Es gelangt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass das gesamte Vorbringen des Klägers, der Drangsalierungen, Misshandlungen und Bedrohungen durch Albaner wegen seiner angeblichen gemischt-ethnischen Herkunft geltend gemacht hatte, „zum Grund seiner Flucht aus dem Kosovo nicht der Wahrheit entspricht, er vielmehr aus anderen als den vorgetragenen Gründen sein Heimatland verlassen hat.“

Die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger sei unglaubhaft, erstreckt sich dabei, wie aus der Bezugnahme auf die diesbezüglichen Ausführungen im Bescheid vom 20.1.2003 (siehe dort Seiten 6 und 7) sowie aus den eigenen Erwägungen des Verwaltungsgerichts (Seite 7 und 8 des Urteilsabdrucks) hervorgeht, sowohl auf die Behauptung des Klägers, seine Mutter sei Serbin, als auch auf die angeblichen Vorfälle, die ihn dazu veranlasst haben sollen, den Kosovo zu verlassen. Sie bezieht sich mithin auf das Sachvorbringen, das Auslöser für die von dem Kläger als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen ist

vgl. hierzu Marx, AsylVfG, 6. Auflage 2005, § 78 Rdnr. 169.

Lediglich ergänzend – „Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen“ – hat das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die auch im Berufungszulassungsantrag zitierten Entscheidungen und die im vorliegenden Verfahren eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 16.9.2005 ausgeführt, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit des Saarlandes in ständiger Rechtsprechung davon ausgehe, dass gemischt-ethnische Familien im Kosovo keiner extremen Gefahrenlage im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthaltsG ausgesetzt seien. Aufgrund der einleitenden Formulierung und der lediglich kursorischen Aussage ist bereits anzunehmen, dass es sich bei diesem Teil des erstinstanzlichen Urteils in der Tat lediglich um einen bloßen Hinweis und nicht um einen tragenden Teil der Entscheidungsgründe handelt. Hiervon ausgehend stellen sich die von dem Kläger als grundsätzlich bedeutsam bezeichneten Fragen bereits deshalb nicht, weil sie von dem insoweit maßgeblichen rechtlichen Ansatz des Verwaltungsgerichts her nicht entscheidungserheblich sind

vgl. zum Beispiel Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage, § 78 AsylVfG Rdnr. 16; Marx, AsylVfG, 6. Auflage 2005, § 78 Rdnr. 153; Gemeinschaftskommentar zum AsylVfG, § 78 Rdnr. 153 m.w.N..

Aber auch wenn dem „Hinweis“ des Verwaltungsgerichts auf die Situation gemischt-ethnischer Familien im Kosovo die Bedeutung einer weiteren tragenden (Hilfs-)Begründung zukommen sollte, könnte dem Zulassungsbegehren des Klägers nicht entsprochen werden, denn in Fallgestaltungen, in denen das angefochtene Urteil auf mehrere selbstständig tragende Gründe gestützt ist, ist für eine Rechtsmittelzulassung nur Raum, wenn hinsichtlich eines jeden dieser Gründe ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt

vgl. zum Beispiel Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.10.1989 – 9 B 405/89 – NVwZ – RR 1990, 379; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 7.7.2005 – 2 Q 23/05 m.w.N. (Fußnote 12); Marx, AsylVfG, 6. Auflage 2005, § 78 Rdnr. 155.

Daran fehlt es hier. Der Kläger hat sich nämlich in seinem Berufungszulassungsantrag darauf beschränkt, von ihm für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Fragen bezüglich der Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Situation gemischt-ethnischer Familien im Kosovo aufzuwerfen, hinsichtlich der das angefochtene Urteil zumindest in erster Linie tragenden Erwägung, der Vortrag des Klägers sei unglaubhaft, die sich – wie bereits ausgeführt – auf Sachvorbringen erstreckt, das Auslöser für die aufgeworfenen Fragen ist, hat er indes keinen Zulassungsgrund vorgebracht.

Von einer weiteren Begründung der Nichtzulassungsentscheidung wird abgesehen (§ 78 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG).

Für die erstrebte Rechtsmittelzulassung ist danach kein Raum.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83 b AsylVfG.

Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.

(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.