Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 26. März 2015 - 2 LA 54/14


Gericht
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 6. Kammer - vom 22.05.2014 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 5.000,-- € festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist abzulehnen, da die Voraussetzungen des al lein geltend gemachten Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils) nicht gegeben sind. Zwar reicht hierzu nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bereits aus, dass ein Erfolg des Rechtsmittels, dessen Zulassung erstrebt wird, mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg (Beschl. vom 14.05.1999 - 2 L 244/98 -, NordÖR 1999, 285 = NVwZ 1999, 1354). Die Darlegungen in der Antragsbegründungsschrift erwecken solche Zweifel jedoch nicht.
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Entgegen der Ansicht des Klägers ist nicht erkennbar, aus welchem Rechtsgrund die Beklagte verpflichtet sein sollte, den Grabstein auf dem Grab seiner Tochter wieder aufstellen zu lassen. Der allein in Betracht kommende Folgenbeseitigungsanspruch ist zwar grundsätzlich auf die Beseitigung der rechtswidrigen Folgen des Tuns der vollziehenden Gewalt gerichtet und verpflichtet die vollziehende Gewalt nach dem Grundsatz der Naturalherstellung, der in § 249 Abs. 1 BGB einen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat, zur Herstellung des Zustandes, der bestünde, wenn sie die rechtswidrigen Folgen nicht herbeigeführt hätte. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen eines einzig in Betracht kommenden Folgenbeseitigungsanspruchs nicht vorliegen.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Bestehen eines Folgenbeseitigungsanspruchs sind (1) ein Eingriff in geschützte Rechtspositionen eines Privaten durch öffentlich-rechtliches Handeln, (2) die Rechtswidrigkeit dieses Eingriffs , (3) die Fortdauer der Folgen des Eingriffs und (4) die Zumutbarkeit des Rückgängigmachens. Diese Voraussetzungen sind im gegebenen Sachverhalt nicht erfüllt. Es mag sein, dass mit dem Umlegen des Grabsteins in Rechtspositionen des Klägers als Eigentümer des Grabsteins und Inhaber des Grabnutzungsrechts eingegriffen worden ist. Dieses Handeln der Mitarbeiter der Beklagten war jedoch nicht rechtswidrig, sondern rechtmäßig und bei der damals gegebenen Sachlage auch dringend geboten.
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Zwar führt der Kläger in seiner Antragsbegründungsschrift aus, dass ernsthafte Zweifel daran bestünden, dass der Grabstein überhaupt standunsicher gewesen sein soll. Dieser jetzige Vortrag steht jedoch bereits im Gegensatz zu dem zeitnäheren Vorbringen in der Klagschrift vom 10.10.2013, in der der Kläger geschildert hat, dass er sofort nach dem Telefonat mit der Beklagten am selben Tage mit Herrn ... von der Firma „..." eine Besichtigung der Grabstätte vorgenommen habe und festgestellt habe, „dass der Grabstein - vermutlich durch Grasmäharbeiten seitens der Beklagten - beschädigt worden war und dadurch in seiner Standfestigkeit beeinträchtigt wurde".
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Während diese Schilderung auf der Grundlage des damals selbst gewonnenen Eindrucks an der Grabstätte beruht hatte, betreffen die jetzigen Darstellungen in der Antragsbegründungsschrift lediglich Zweifel, die sich aus dem Umstand ergeben sollen, dass der Grab stein „durch zwei im Fundament verankerte massive Eisenstangen gehalten" wurde, „auf die dann der Grabstein, der mit passgenauen Bohrungen versehen ist, gehoben wird". Der Grabstein habe zwar gewackelt, „allerdings nur in dem von den Stahlträgern zugelassenen Rahmen". Es habe zu keinem Zeitpunkt die Gefahr bestanden, dass der Grabstein umzukippen drohte.
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Diese jetzigen „Zweifel" des Klägers daran, dass der Grabstein standunsicher gewesen war, führen nicht dazu, auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu wecken, denn die Schilderungen zur technischen Ausgestaltung der Grabsteinaufstellung bestärken diese Annahme nicht. Es ist nämlich auch hieraus nicht erkennbar, dass der Grabstein den Anforderungen der einschlägigen Regelwerke (z.B. TA Grabmal 2012 oder Richtlinie für die Erstellung und Prüfung von Grabmalanlagen des Bundesverbands Deutscher Steinmetze) entsprach. Im Gegenteil war nach dem Vortrag des Klägers in der Klagschrift wie auch in der jetzigen Zulassungsbegründungsschrift eine akute Gefahr durch den Grabstein gegeben.
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Die vom Kläger gegebene Beschreibung lässt nicht den Schluss zu, dass die Aufstellung des Grabsteins und seine Verankerung den technischen Anforderungen entsprochen hat ten. So ist mit keinem Wort die Rede davon, dass das Grabmal in der erforderlichen Wei se konstruktiv in seiner Lage gesichert worden war. Außer bei Kissensteinen oder Büchern, bei denen keine Kippgefahr besteht, sind Grabmäler mit Dübeln zu sichern. Davon ist im klägerischen Vortrag keine Rede. Im Gegenteil spricht der Vortrag, dass der Grab stein „in dem von den Stahlträgern zugelassenen Rahmen" gewackelt habe, dass die erforderliche Verdübelung nicht vorgenommen worden war. Der Kläger verkennt und verharmlost die Gefahren, die durch ein Umkippen eines Grabsteins bestehen.
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Die - wenn auch vielleicht nur zusätzliche - Verklebung des Grabsteins mit der Fundamentplatte deutet zusätzlich auf eine technisch unsachgemäße Aufstellung hin. Da die fachgerechte Reparatur mit höheren Kosten verbunden ist, wird oftmals versucht, Kleber in die Fuge zu spritzen. Dieser Kleber übernimmt dabei die Aufgabe, das Kippmoment, das beispielsweise durch die jährliche Prüfung entsteht, aufzunehmen und auf das Fundament zu übertragen.
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Vermörtelungen und Verklebungen von Stand- und Lagerfugen zur alleinigen Sicherung des Grabmals sind verboten. Ist das Standmoment des Grabsteins nicht ausreichend, ist eine Verdübelung oder eine gleichwertige mechanische Befestigung erforderlich. Die Verklebung oder Vermörtelung der Fugen führt allein dazu, dass kein Wasser durch Kapillarwirkung in die Fuge gelangt und im Winter zu Frostschäden führt. Weiterhin verhindert die Klebung, dass es zu Kantenpressungen und Abplatzungen am Grabstein kommt, trägt zur Standsicherheit des Grabsteins jedoch nicht bei (vgl. Stein in: Böttcher, Das aktuelle Praxishandbuch des Friedhofs- und Bestattungswesens, dort Tz. 10/6.6.3.1).
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Da in diesem Falle die Dübeltragwirkung nicht vorhanden ist und deshalb eine nicht vorhandene Standsicherheit vorgetäuscht wird, ist ein solches Verkleben sowohl nach der Richtlinie des Bundesinnungsverbandes wie auch nach der TA Grabmal die Lastübertragung verboten (siehe Merkblatt 4 der Deutschen Natursteinakademie: www.denak.de/downloads/mb4_klebungen-an-grabanlagen.pdf).
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Der Kläger trägt selbst vor, dass der Grabstein bei der Besichtigung Ende 2012 gewackelt hatte. Dies zeigt, dass der Stein nicht standsicher war. Es darf nämlich nicht übersehen werden, dass ein üblicher aus Granit gefertigter Grabstein von 73 cm Breite, 12 cm Dicke und 90 cm Höhe eine errechnete Gewichtskraft von 294 kg hat (vgl. zur Berechnung Stein a.a.O.). Kippt dieser Grabstein, kann ihn keine Person halten. Der Kläger trägt keinerlei Tatsachen vor, aus denen geschlossen werden könnte, dass trotzdessen die Standsicherheit des Grabsteins gesichert gewesen sein könnte. Er bewertet die unstreitigen Tatsachen lediglich anders. Dass dieser Grabstein im November 2012 ein „Spiel" hatte, ist kein Zeichen der Standsicherheit, sondern ein deutliches Zeichen der bestehenden Kippgefahr.
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Ging von dem Grabmal eine konkrete Gefahr für die Friedhofsbesucher aus, so war die Beklagte als Trägerin des Friedhofes aufgrund ihrer Anstaltsgewalt befugt, die zur Abwehr der Gefahr notwendigen Maßnahmen zu treffen (vgl. Böttcher, Das aktuelle Praxishand buch des Friedhofs- und Bestattungswesens, dort Tz. 6/7.2.3). Da wegen des Verhaltens des Klägers zu befürchten war, dass der gefährliche Zustand längere Zeit andauerte, waren provisorische Maßnahmen wie das Absperren der Gefahrenstelle durch Trassierband o.ä. nicht angezeigt. Die Gemeinde handelte deshalb mit dem Umlegen des Grabsteins im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines allein in Betracht kommenden Folgenbeseitigungsanspruchs sind damit nicht gegeben. Andere Anspruchsgrundlagen sind im gegebenen Sachverhalt angesichts dessen, dass die Mitarbeiter der Beklagten mit dem Umlegen des Grabsteins rechtmäßig gehandelt haben, nicht ersichtlich. Ob und wer den Grab stein durch Touchieren mit Fahrzeugen oder sonstigen Geräten in der Vergangenheit eventuell in seiner Fundamentierung gelockert haben könnte, ist in diesem Zusammen hang ohne jeden Belang. Von dem Stein ging eine konkrete Gefahr für Leib und Leben der Friedhofsbesucher aus und der Kläger war als Nutzungsberechtigter der Grabstätte und Eigentümer des Grabsteins (vgl. § 95 BGB) als Zustandsstörer für die Beseitigung der Gefahr verantwortlich.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
(1) Zu den Bestandteilen eines Grundstücks gehören solche Sachen nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind. Das Gleiche gilt von einem Gebäude oder anderen Werk, das in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden ist.
(2) Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck in ein Gebäude eingefügt sind, gehören nicht zu den Bestandteilen des Gebäudes.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.