Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 04. Nov. 2011 - 8 A 10888/11

ECLI:ECLI:DE:OVGRLP:2011:1104.8A10888.11.0A
bei uns veröffentlicht am04.11.2011

Tenor

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 30. Juni 2011 – 4 K 124/11.NW – wird abgelehnt.

Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 21.524,86 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

2

Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nicht gegeben.

3

Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Klagen gegen den Bescheid des Beklagten vom 30. November 2009, mit dem den Klägern die Beseitigung der alten Tragwerkskonstruktion im Dachstuhl ihres Anwesens aufgegeben, ein Nutzungs- und ein Betretungsverbot ausgesprochen, die Anbringung von Absperrungen angeordnet sowie die Ersatzvornahme und ein Zwangsgeld angedroht wurde, ebenso als unbegründet abgewiesen wie deren Klage gegen den Leistungsbescheid vom 8. Februar 2010 bezüglich der Kosten der Ersatzvornahme sowie gegen den Bescheid vom 19. Januar 2010 über Mahnforderungen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die drei angefochtenen Bescheide seien sämtlich rechtmäßig und verletzten die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Verfügung vom 30. November 2009 sei hinsichtlich aller Regelungsinhalte zu Recht auf §§ 59 Abs. 1 Satz 1, 13 LBauO gestützt worden, weil die alte Tragwerkskonstruktion auf dem Dach des klägerischen Wohnhauses akut einsturzgefährdet gewesen sei und die Kläger als Eigentümer nach § 54 Abs. 2 LBauO für die Beseitigung dieses Gefahrenzustandes verantwortlich seien. Die akute Einsturzgefahr der alten Tragwerkskonstruktion sei nachvollziehbar von dem vom Beklagten beauftragten Prüfingenieur festgestellt worden. Die dagegen vorgebrachten Einwände der Kläger seien nicht stichhaltig. Der Beklagte habe die Kläger auch ermessensfehlerfrei als Eigentümer herangezogen, obwohl sich die akute Einsturzgefahr erst nach dem Abriss des Dachstuhls auf dem Nachbaranwesen ergeben habe. Mit der Verfügung sei nicht die vorläufige Sicherung während der Bauphase, sondern die endgültige Beseitigung eines konstruktiv mangelhaften Zustandes auf dem Anwesen der Kläger bezweckt worden. Hierzu sei nicht der Nachbar als Bauherr des Bauvorhabens auf seinem Grundstück verantwortlich. Vielmehr sei die dauerhafte Sicherung vor einer Einsturzgefahr der Unterhaltungsphase zuzuordnen, die in die Verantwortung der Kläger als Eigentümer der konstruktiv mangelhaften Anlage gefallen sei. Vor diesem Hintergrund erwiesen sich auch die übrigen Inhalte der Verfügung sowie der Leistungsbescheid über die Kosten der Ersatzvornahme und die Mahnforderungen als rechtmäßig.

4

Dieses Urteil begegnet keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr zu Recht entschieden, dass die Kläger für die Beseitigung des Gefahrenzustandes nach § 54 Abs. 2 LBauO verantwortlich waren und der Beklagte auch keine ermessensfehlerhafte Adressatenauswahl getroffen hat. Die dagegen von den Klägern im Zulassungsverfahren vorgebrachten Einwände greifen nicht durch:

5

1. Das Verwaltungsgericht hat zunächst überzeugend darauf abgestellt, dass eine akute Einsturzgefahr der alten Tragwerkskonstruktion bestand, die ursächlich auf konstruktive Mängel derselben zurückzuführen war, auch wenn dieser Zustand erst durch die Beseitigung des alten Dachstuhls auf dem Nachbaranwesen, der der klägerischen Tragwerkskonstruktion gleichsam als Stütze diente, offenbar geworden ist. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht nicht beanstandet, dass sich der Beklagte bei dieser Gefahreneinschätzung auf die Feststellungen des Prüfingenieurs T. vom 25. November 2009 gestützt hat. Die Richtigkeit dieser Feststellungen wird auch von den Klägern letztlich nicht substantiiert in Frage gestellt, wenn sie im Zulassungsverfahren einräumen, dass jedenfalls eine „latente Standunsicherheit“ ihrer alten Tragwerkskonstruktion gegeben gewesen sei und diese „in der Hauskonstruktion bereits angelegte Einsturzgefahr“ lediglich „gebannt“ worden sei, solange der alte Dachstuhl des Nachbaranwesens nicht beseitigt wurde.

6

Allein aus dem Umstand, dass die in den konstruktiven Mängeln der alten Tragwerkskonstruktion der Kläger angelegte Einsturzgefahr erst durch die Beseitigung des alten Dachstuhls auf dem Nachbaranwesen in eine akute Einsturzgefahr umschlug, war jedoch – wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat – nicht zu folgern, dass vorrangig der Nachbar als Bauherr und nicht die Kläger als Eigentümer für die Beseitigung des Gefahrenzustandes herangezogen werden durften. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr zu Recht nicht beanstandet, dass der Beklagte mit der Anordnung der Beseitigung der alten Tragwerkskonstruktion eine dauerhafte Beseitigung der – in deren konstruktiven Mängeln begründeten – Einsturzgefahr bezweckt hat. Für eine dauerhafte Sicherung waren aber die Kläger als Eigentümer, nicht der Nachbar als Bauherr verantwortlich. Dies ergibt sich – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – aus der Systematik des § 54 LBauO (vgl. dazu Schmidt, in: Jeromin, LBauO, 2. Aufl., § 54, Rn. 5 f., 10, 13). Danach fallen, wenn etwa durch eine Abrissmaßnahme im Zuge eines Bauvorhabens eine latente Einsturzgefahr auf dem Nachbaranwesen zu einer aktuellen Gefahr wird, lediglich vorläufige Maßnahmen der Sicherung in die „Bauphase“ und damit nach § 54 Abs. 1 LBauO in die Verantwortung des Bauherrn, während dauerhafte Maßnahmen zur Herstellung der Standsicherheit der Unterhaltungsphase und damit nach § 54 Abs. 2 LBauO dem Verantwortungsbereich des Eigentümers des einsturzgefährdeten Anwesens zuzuordnen sind (so überzeugend das im angefochtenen Urteil zitierte Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 1. Juli 2010 – 7 K 352/10.KO –, juris, Rn. 31 und 37; bestätigt durch Beschluss des OVG RP vom 15. November 2010 – 1 A 10938/10.OVG –).

7

Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht ein rechtlich geschütztes Interesse der Kläger, vorrangig den Nachbarn zu dauerhaften Sicherungsmaßnahmen – etwa in Form einer dauerhaften Abstützung der in sein Anwesen hineinragenden alten Tragwerkskonstruktion – heranzuziehen, zu Recht nicht anerkannt. Denn hierdurch wäre eine vom Grundstück der Kläger ausgehende, rechtswidrige Veränderung des vorherigen Zustands – das rechtswidrige Hineinragen ihrer alten Tragwerkskonstruktion in den Luftraum über dem Grundstück des Nachbarn – perpetuiert worden und hätte den Nachbarn dauerhaft an der Ausführung seines Bauvorhabens gehindert, obwohl dieses – wie der Senat mit weiterem Beschluss vom 4. November 2011 im Verfahren 8 A 10889/11.OVG bestätigt hat – keine im dortigen Verfahren zu prüfenden nachbarschützenden Rechte der Kläger verletzt.

8

Dass der Nachbar vom Beklagten nicht vorrangig zu vorläufigen Sicherungsmaßnahmen herangezogen wurde, hat das Verwaltungsgericht im Übrigen ebenfalls zu Recht nicht beanstandet. Zum einen erwiesen sich vorläufige Sicherungsmaßnahmen im Hinblick auf den rechtswidrigen Zustand des Hineinragens der alten Tragwerkskonstruktion der Kläger in das Nachbaranwesen als sinnlos, weil sie diesen rechtswidrigen Zustand unberührt gelassen hätten. Zum anderen waren sie im Hinblick auf die bestehende Einsturzgefahr unzweckmäßig, weil sie einen zusätzlichen, ähnlich hohen Kostenaufwand wie die endgültige Gefahrenbeseitigung durch Abriss der alten Konstruktion erfordert hätten, ohne die Einsturzgefahr dauerhaft zu beseitigen.

9

2. Die Kläger können auch nicht mit Erfolg geltend machen, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass ihnen die in der angegriffenen Verfügung auferlegte Beseitigung der alten Tragwerkskonstruktion weder rechtlich noch tatsächlich möglich gewesen sei, weil die Beseitigung nur vom Nachbargrundstück aus durchgeführt werden konnte, es aber an einer entsprechenden Duldungsverfügung gegenüber dem Nachbarn fehlte.

10

Einer solchen Duldungsverfügung bedurfte es nicht. Denn der Nachbar hatte sich von Anfang an ausdrücklich damit einverstanden erklärt, dass erforderliche Maßnahmen im Zusammenhang mit der Beseitigung der von der alten Tragwerkskonstruktion der Kläger ausgehenden Einsturzgefahr von seinem Grundstück aus vorgenommen werden konnten und dieses dazu betreten werden durfte. Dies ergibt sich aus dem Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 16. November 2009 (Bl. 16 der Verwaltungsakte) sowie aus dem dieses bestätigenden Schreiben des Beklagten vom selben Tage (Bl. 18 f. der Verwaltungsakte). Letztlich hat der Nachbar auch tatsächlich gestattet, dass sein Grundstück betreten werden konnte, um von dort aus die alte Tragwerkskonstruktion im Wege der Ersatzvornahme zu beseitigen (vgl. Bl. 169 der Verwaltungsakte).

11

3. Bestehen danach an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts keine ernstlichen Zweifel, ohne dass es noch einer weiteren Sachaufklärung im Berufungsverfahren bedürfte, besteht für den Senat auch kein Anlass, die von den Klägern mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2011 begehrten weiteren Bauakten beizuziehen.

12

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG, wobei sich der Senat der Festsetzung der Einzelstreitwerte für die verschiedenen Streitgegenstände durch die Vorinstanz anschließt.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

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Verwaltungsgericht Koblenz Urteil, 01. Juli 2010 - 7 K 352/10.KO

bei uns veröffentlicht am 01.07.2010

Tenor Die baurechtliche Verfügung des Beklagten vom 14. November 2008 wird aufgehoben, soweit dort dem Kläger in den Ziffern 1 bis 4 vorläufige Sicherungsmaßnahmen aufgegeben werden und die Ersatzvornahme für diese Maßnahmen angedroht wird.
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 04. Nov. 2011 - 8 A 10888/11.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 16. März 2016 - 9 CS 16.191

bei uns veröffentlicht am 16.03.2016

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,-- Euro festgesetzt. Gründe

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 05. Juli 2017 - 3 M 179/17

bei uns veröffentlicht am 05.07.2017

Tenor 1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 06.03.2017 geändert und wie folgt neu gefasst. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Beigeladenen aufzugeben

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.


Tenor

Die baurechtliche Verfügung des Beklagten vom 14. November 2008 wird aufgehoben, soweit dort dem Kläger in den Ziffern 1 bis 4 vorläufige Sicherungsmaßnahmen aufgegeben werden und die Ersatzvornahme für diese Maßnahmen angedroht wird.

Der Leistungsbescheid des Beklagten vom 27. März 2009 wird aufgehoben, soweit der vom Kläger angeforderte Betrag 8.700,-- € übersteigt.

Die Kostenbescheide des Beklagten vom 14. November 2008 und 27. März 2009 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung seitens des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, sofern der Kläger nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine baurechtliche Verfügung zur Herstellung der Standsicherheit seines Wohnhauses und gegen einen daran anknüpfenden Leistungsbescheid.

2

Er ist Eigentümer des Grundstückes W.-Gasse 7 in M. (Flur 13, Parzellen-Nr. 111). Das Grundstück ist mit einem zweieinhalbgeschossigen Wohnhaus bebaut. Entlang der W.-Gasse besteht geschlossene Bauweise. Die Firstrichtung der Gebäude verläuft parallel zur Straße. Das Wohnhaus des Klägers hat nach Westen keine vollständige Außengiebelwand. Die Außenwand des Nachbargebäudes W.-Gasse 5 (Flur 13, Parzellen-Nr. 110) wurde teilweise mitbenutzt. Nur soweit die Konturen des Nachbargebäudes überschritten wurden, verfügt das Gebäude des Klägers über eine eigene Giebelwand, so besonders im Dachgeschoss.

3

Beim Nachbargrundstück W.-Gasse 5 waren bereits im Jahr 2000 Wasserschäden aufgrund eines defekten Daches aufgetreten. Der Beklagte hat im Jahr 2002 veranlasst, dass das Dach komplett entfernt wurde; der Gebäudetorso wurde abgedeckt. Auf Beschwerden der Nachbarn hin überprüfte der Beklagte das Gebäude W.-Gasse 5 auf Standsicherheit und hielt am 28. Januar 2008 die Grenzwandsituation der Gebäude W.-Gasse 5 und 7 in einer Skizze fest. Am 8. Mai 2008 erließ der Beklagte gegenüber der Eigentümerin des Grundstücks W.-Gasse 5 eine Abbruchverfügung. Diese Abbruchverfügung setzte er Mitte September 2008 im Wege der Ersatzvornahme um. Im Zuge der Arbeiten wurde festgestellt, dass das Gebäude des Klägers für sich allein nicht standsicher sei.

4

Mit Schreiben vom 15. September 2008 hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Anordnung zur Herstellung der Standsicherheit seines Gebäudes an. Ohne die Nachbarwand sei das Gebäude nicht standsicher.

5

Der Beklagte zog im Verwaltungsverfahren das Ingenieurbüro V. hinzu. Dieses bestätigte das Fehlen der Standsicherheit des Gebäudes W.-Gasse 7 und empfahl vier Maßnahmen als kurzfristige Lösung zur Herstellung der Standsicherheit und als langfristige Maßnahme das Aufmauern einer neuen Giebelwand.

6

Der Kläger wandte gegen die beabsichtigten Maßnahmen ein, dass unklar sei, auf wessen Grundstück die gemeinsame Wand errichtet worden sei. Zudem sei das Gebäude vor dem Abriss des Nachbargebäudes standsicher gewesen.

7

Am 14. November 2008 erließ der Beklagte die streitgegenständliche Verfügung. Darin wurden unter dem Kläger unter den Ziffern 1 bis 4 die vom Ingenieurbüro V. vorgeschlagenen vorläufigen Maßnahmen aufgegeben. Errichtet werden sollten: Ein Andreaskreuzes im Obergeschoss an der Westseite, seitliche Einfassungen der freien Traufwandecke mit Beihölzern samt Anbindung am Andreaskreuz, eine horizontale Stahldiagonale unter der Obergeschossdecke und horizontale Abstrebungen über die Baulücke hinweg zum Haus W.-Gasse 3. Ziffer 5 betrifft den Bauschutt. In den Ziffern 6 und 7 wurden dem Kläger die Errichtung einer neuen Giebelwand und die Überprüfung der Querunterzüge aufgegeben. Die vorläufigen Maßnahmen sollten bis zum 31. Dezember 2008, die weiteren bis zum 30. Juni 2009 ausgeführt werden. Die Verfügung wurde damit begründet, dass das Gebäude des Klägers nach dem Abriss des Nachbargebäudes nicht mehr standsicher sei. Nach § 54 Abs. 2 LBauO sei der Eigentümer dafür verantwortlich, dass eine bauliche Anlage den baurechtlichen Vorschriften entspreche. Um dies zu erreichen, halte der Beklagte in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens den Erlass der Verfügung für erforderlich. Die Anordnung werde zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung für geboten gehalten. Die sofortige Vollziehung der Verfügung wurde angeordnet. Überdies wurde die Ersatzvornahme angedroht.

8

Mit separatem Bescheid vom gleichen Tag wurden die Gebühren für diesen Bescheid (167,00 €) festgesetzt.

9

Nachdem der Kläger der Verfügung nicht nachgekommen war, erließ der Beklagte am 27. März 2009 den streitgegenständlichen Leistungsbescheid. Darin wurde der Kläger zur Zahlung von 34.000,00 € aufgefordert (4.000,00 € für die vorläufigen und 30.000,00 € für die endgültigen Maßnahmen). Nach § 63 Abs. 2 LVwVG könnten die Kosten für eine Ersatzvornahme im Voraus verlangt werden.

10

Am gleichen Tag wurden die Gebühren für diesen Bescheid (75,-- € festgesetzt.

11

Die Widersprüche des Klägers sowohl gegen die baurechtliche Verfügung wie auch gegen den Leistungsbescheid hatten keinen Erfolg. Die baurechtliche Verfügung war dem Rechtsanwalt des Klägers am 15. November 2008 zugestellt worden; sein Widerspruch ging erst am 18. Dezember 2008 ein. Er wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2010 zurückgewiesen. Das Gebäude verstoße gegen §§ 3 und 13 LBauO. Es sei einsturzgefährdet und gefährde deshalb die öffentliche Sicherheit. Gemäß § 54 Abs. 2 LBauO sei der Kläger als Eigentümer des Grundstückes dafür verantwortlich, dass öffentlich-rechtliche Vorschriften eingehalten würden. Die Auswahl des Klägers sei ermessensfehlerfrei erfolgt. Er sei der richtige Verantwortliche. Die Baufälligkeit des Gebäudes sei nicht vom Beklagten verursacht worden, sondern sei Ergebnis der schon vorher fehlenden Standsicherheit.

12

Der Widerspruch gegen den Leistungsbescheid wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2010 zurückgewiesen.

13

Mit seiner binnen eines Monats nach Zustellung der Widerspruchsbescheide erhobenen Klage macht der Kläger gegen die bauaufsichtsrechtliche Verfügung geltend, dass es in der fraglichen Häuserzeile gemeinschaftliche Abschlussmauern gebe. Die fehlende Standsicherheit sei erst durch den Abriss des Nachbargebäudes entstanden. Die Abbruchmaßnahmen seien nicht sachgerecht ausgeführt worden. Dem Beklagten sei bekannt gewesen, dass zwischen den beiden Häusern lediglich eine Grenzwand bestanden habe. Die Störerauswahl sei ermessensfehlerhaft erfolgt. Da sein Gebäude weder baufällig noch standunsicher gewesen sei, hätte er nicht herangezogen werden dürfen. Da die baurechtliche Verfügung fehlerhaft sei, seien auch die sonstigen Verwaltungsentscheidungen rechtsfehlerhaft.

14

Der Kläger beantragt,

15

1. den Bescheid des Beklagten vom 14. November 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Februar 2010 aufzuheben;

16

2. den Bescheid des Beklagten vom 27. März 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Februar 2010 aufzuheben.

17

Der Beklagte beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Er wendet ein, dass eine bauliche Anlage während der gesamten Dauer ihres zweckbestimmten Bestandes standsicher sein müsse. Daher hätte das Haus W.-Gasse 7 so konstruiert sein müssen, dass es unabhängig vom Nachbarhaus stehen bleiben könne.

20

In der mündlichen Verhandlung vor Ort hat der Beklagte angegeben, dass alle angeordneten Arbeiten auf seine Veranlassung bereits durchgeführt worden seien. Die Kosten dafür beliefen sich auf insgesamt ca. 21.900,-- € (Aussteifungsmaßnahmen – 3.150,-- €; Miete von Deckenstützen – 7.000,-- €; Außenwand – 8.700,-- €; Gutachten – 2.800,-- €). Die Standsicherheit des Gebäudes des Klägers sei unter anderem deswegen gefährdet gewesen, weil ein Deckenbalken auf der nun abgerissenen Außenmauer des Nachbarhauses aufgelegen habe. Frau Dipl.-Ing. M. vom Ingenieur-Büro V. hat betont, dass das Gebäude des Klägers nach Abriss des Nachbarhauses nicht mehr standsicher gewesen sei. Die vorläufigen Sicherungsmaßnahmen hätten nur für zwei bis drei Monate Bestand haben können.

21

Hinsichtlich des sonstigen Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten (4 Heftungen), insbesondere auf die darin enthaltenen Fotos und die Stellungnahmen des Ingenieurbüros V., Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

22

Die Klage hat nur im tenorierten Umfang Erfolg. Sie ist zwar zulässig (I.), jedoch nur teilweise begründet (II.).

I.

23

Die Klage ist zulässig.

24

Insbesondere fehlt der Klage, soweit sie sich gegen die baurechtliche Verfügung vom 14. November 2008 richtet, nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Zwar sind inzwischen die dort angeordneten Maßnahmen ausgeführt worden mit der Folge, dass insoweit der Regelungsinhalt der Verfügung erschöpft ist. Gleichwohl entfaltet die Verfügung weiterhin rechtliche Wirkungen. Sie bleibt nämlich Basis für die Verwaltungsvollstreckung und damit zugleich für die Kostenanforderung vom 27. März 2009 (vgl. OVG Sachsen, Urteil vom 27. Januar 2009 – 4 B 809/06 –; BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 – 7 C 5/08 –; beide nach juris).

25

Die Klage kann sodann in Bezug auf die Verfügung vom 14. November 2008 nicht deshalb als unzulässig eingestuft werden, weil die besondere Sachurteilsvoraussetzung des ordnungsgemäß durchgeführten Vorverfahrens fehlte. Zwar hat der Klägerbevollmächtigte den Widerspruch gegen die baurechtliche Verfügung verspätet, nämlich nach Ablauf der einmonatigen Widerspruchsfrist (§ 70 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)) erhoben; die Verfügung wurde am 15. November 2008 zugestellt, der Widerspruch ging erst am Donnerstag, den 18. Dezember 2008 beim Beklagten ein. Dennoch hat der Kreisrechtsausschuss des Beklagten über den Widerspruch verhandelt und in der Sache entschieden. Dabei führt der Ausschuss zwar im Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2010 die Daten der Zustellung und der Widerspruchserhebung korrekt auf, kommt aber gleichwohl ohne nähere Darlegung zu dem Schluss, dass der Widerspruch form- und fristgerecht eingelegt worden sei. Die klar zu Tage tretende Fristversäumung gilt aber nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls bei einseitig belastenden Verwaltungsakten – wie hier – mit der Sachbefassung der Widerspruchsbehörde als geheilt und der Weg zur verwaltungsgerichtlichen Überprüfung als eröffnet (vgl. etwa Urteil vom 4. August 1982 – 4 C 42/79 –, NVwZ 1983, 285).

II .

26

Die Klage hat jedoch nur teilweise Erfolg. Sowohl die Verfügung vom 14. November 2008 (1.) wie auch der Bescheid vom 27. März 2009 (2.) erweisen sich – samt Widerspruchsbescheiden – teilweise als rechtswidrig und verletzen den Kläger lediglich insoweit in seinen Rechten. Ihre Aufhebung kann er nur in diesem Umfang fordern (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

27

1. Die baurechtliche Verfügung vom 14. November 2008 erweist sich nur in Bezug auf die Ziffern 1 bis 4 als rechtswidrig (a)), ansonsten ist die Verfügung nicht zu beanstanden (b)).

28

a) Die in den vorgenannten Ziffern enthaltene Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen zur Gewährleistung der Standsicherheit des Gebäudes W.-Gasse 7 ist rechtswidrig, weil die Auswahl des Klägers als Adressat fehlerhaft war.

29

Der Beklagte stützt seine Verfügung auf § 59 i.V.m. §§ 13 und 54 Abs. 2 der Landesbauordnung (LBauO). Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein baupolizeiliches Einschreiten nach diesen Vorschriften dürften gegeben sein. Nach § 59 Abs. 1 Satz 1 LBauO kann die Baubehörde Maßnahmen zur Einhaltung baurechtlicher Vorschriften treffen. Eine solche Vorschrift ist § 13 Abs. 1 Satz 1 LBauO, wonach jede bauliche Anlage im Ganzen für sich genommen standsicher sein muss. Diesen Anforderungen genügte das Gebäude des Klägers nach Abriss des Nachbarhauses nicht mehr. Dies ergibt sich für die Kammer nicht nur schlüssig aus den gutachterlichen Stellungnahmen von Frau Dipl.-Ing. M. und der Bewertung des sachkundigen Beklagtenvertreters, es liegt auch auf der Hand. Wenn an einem Wohngebäude die Giebelwand entfernt wird, in der Deckenbalken verankert sind, ist die Standsicherheit des Torsos schon deshalb nicht mehr gewährleistet, weil die beiden Traufwände dem Druck der Decken und des Daches auf Dauer allein nicht standhalten können.

30

Die angegriffene Verfügung – samt Widerspruchsbescheid – legt auch nachvollziehbar dar, dass der Beklagte sich aus Gründen der öffentlichen Sicherheit zum Einschreiten veranlasst sah (Entschließungsermessen).

31

Hingegen sind die Verwaltungsentscheidungen in Bezug auf die Auswahl des Klägers als Adressat für die Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen fehlerhaft. Der Beklagte hat bei der Auswahlentscheidung eine entscheidungserhebliche Regelung nicht berücksichtigt. Er hat seine Auswahl auf § 54 Abs. 2 LBauO gestützt, ohne sich mit dem vorhergehenden § 54 Abs. 1 LBauO auseinanderzusetzen. Der Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2010 greift zwar den Einwand auf, dass der Beklagte selbst hätte Maßnahmen zur Standsicherheit veranlassen müssen. Dem Einwand wird dort lediglich entgegengehalten, dass das Gebäude des Klägers schon vor Abbruch des Nachbargebäudes baufällig gewesen sei. Davon einmal abgesehen, dass sich kein Nachweis für diese These in den Akten finden lässt, trägt sie überdies der Systematik des § 54 LBauO nicht ausreichend Rechnung. Diese Norm regelt die Verantwortlichkeit für die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften in Bezug auf bauliche Anlagen. Dabei ordnet Absatz 1 der Norm die Verantwortlichkeit während der Phase der Einwirkungen auf eine bauliche Anlage (Bauphase) unmissverständlich dem jeweiligen Bauherrn oder anderen am Bau Beteiligten zu (vgl. Jeromin, LBauO-Komm., 2. Aufl. 2008, § 54 Rdnrn. 10, 12). Davon zu trennen ist die Verantwortlichkeit während der – anschließenden – Unterhaltungsphase. Die (Zustands-)Haftung für die fortdauernde Übereinstimmung baulicher Anlagen mit öffentlichen Vorschriften kann nach § 54 Abs. 2 LBauO neben dem Bauherrn auch den Eigentümer treffen. Vorliegend hätte der Beklagte nicht auf den Eigentümer des Gebäudes W.-Gasse 7 zurückgreifen dürfen, da die vorläufigen Maßnahmen der Beseitigung von akuten Standsicherheitsproblemen dienten, die während des Abrisses des Nachbargebäudes entstanden sind. Der Abbruch baulicher Anlagen gehört nach dem Wortlaut von § 54 Abs. 1 LBauO zur Bauphase und damit in die Verantwortung des Bauherrn. Bauherr, also Herr des Baugeschehens (vgl. Jeromin, a.a.O., § 55 Rdnr. 2), war in Bezug auf das Gebäude W.-Gasse 5 der Beklagte selbst. Damit war dieser zugleich für die Einhaltung der Standsicherheitsregelungen in Bezug auf das Gebäude des Klägers verantwortlich (§ 13 Abs. 1 Satz 2 LBauO). Dem steht nicht entgegen, dass das Gebäude des Klägers von vorneherein keine vollständige Giebelwand hatte, also latent standunsicher war. Denn diese in der Hauskonstruktion bereits angelegte Einsturzgefahr war gebannt, solange das Nachbarhaus stand. Erst durch dessen Abriss auf Veranlassung des Beklagten wurde die latente Einsturzgefahr zu einer virulenten. Folglich steht die unmittelbare Gefährdung in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Abriss und ist von deren Veranlasser zu beseitigen. Selbst wenn – wie der Beklagte behauptet – die Grenzwand „morsch“ gewesen wäre, ist doch zu sehen, dass sich durch den Abriss die Situation verschärft hat.

32

Wegen der Rechtswidrigkeit der Grundverfügung in den Ziffern 1 bis 4 erweist sich die Androhung der Ersatzvornahme ebenfalls als rechtswidrig. Denn die Ersatzvornahme setzt die rechtmäßige Verpflichtung zur Vornahme bestimmter Handlungen voraus.

33

b) Die Verfügung vom 14. November 2008 ist darüber hinaus nicht zu beanstanden.

34

aa) Dies gilt zunächst für die dem Kläger in den Ziffern 6 und 7 aufgegebenen dauerhaften Maßnahmen zur Herstellung der Standsicherheit seines Gebäudes.

35

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine solche Anordnung liegen vor. Insbesondere ist ein Verstoß gegen die bauordnungsrechtliche Vorschrift des § 13 Abs. 1 Satz 1 LBauO gegeben. Das Gebäude war nicht dauerhaft standsicher. Dass dies ab dem Abriss des Nachbarhauses so war, wurde oben bereits dargelegt und ist überdies einhellige Meinung der Beteiligten. Aber auch nach Vornahme der vorläufigen Maßnahmen war die Standsicherheit des Gebäudes des Klägers nicht dauerhaft gesichert. Dies wurde von Frau Dipl.-Ing. M. in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt. Vor allem ihre Ausführungen dazu, dass ohne feste Giebelmauer kein ausreichender Schutz vor Witterung und insbesondere Windwirkungen bestehe, überzeugt. Es ist plausibel, dass ohne dauerhaften Windschutz im Innern des Hauses Kräfte entstehen, die die Standsicherheit massiv gefährden.

36

Mildere und gleich wirksame Mittel als das Aufmauern der Giebelwand zur Herstellung der dauerhaften Standsicherheit des klägerischen Gebäudes sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Insbesondere hätte eine Plane keinen ausreichenden Windschutz gewährleistet.

37

Im Hinblick auf die vorgenannten endgültigen Maßnahmen war die Auswahl des Klägers als Adressat der Anordnung nicht ermessensfehlerhaft. Diesbezüglich sind keine Anhaltspunkte für im Sinne des § 114 VwGO relevante Ermessensfehler ersichtlich. Insbesondere kann insoweit gegen die Auswahl des Klägers nicht eingewandt werden, der Beklagte habe wesentliche Gesichtspunkte wie etwa die Regelung in § 54 Abs. 1 LBauO übersehen. Denn anders als die der Bau(Abriss-)phase zuzuordnenden vorläufigen Maßnahmen ist die Erstellung der Giebelmauer der Unterhaltungsphase zuzuordnen, für die nach § 54 Abs. 2 LBauO der Eigentümer verantwortlich ist. Wenn auch dem Bauherrn einer Abrissmaßnahme die vorübergehende Beseitigung einer durch sie entstandenen Einsturzgefahr beim Nachbargebäude aufgegeben werden kann, gilt dies nicht für die endgültige Beseitigung bereits zuvor bestehender konstruktiver Mängel, auf denen die fehlende Standsicherheit beruht. Vorliegend war das Gebäude des Klägers nur mit drei vollständigen – eigenen – Außenmauern errichtet worden. Ohne die Giebelmauer des Gebäudes W.-Gasse 5 war das Haus des Klägers wegen der fehlenden kraftschlüssigen Horizontalverbindung der beiden Traufmauern latent einsturzgefährdet. Es ist nicht Aufgabe des Bauherrn des Abrisses des Nachbarhauses, diesem Manko entgegenzuwirken, sondern die des Klägers als Eigentümer des unvollständigen Hauses. Es ist aus baurechtlicher Sicht seine Aufgabe, die konstruktiven Mängel seines Hauses durch Einfügen der bis dato fehlenden Giebelwand zu beseitigen.

38

Dem stehen etwaige Ansprüche des Klägers auf Erhalt der Nachbarwand (§ 922 Satz 3 BGB, § 10 Abs. 1 Satz 1 des Landesnachbarschaftsgesetzes (LNRG)) nicht entgegen. Denn diese richten sich gegen den Nachbarn und nicht gegen die Baubehörde. Überdies sind solche Erhaltungsansprüche nach Abriss des Nachbarhauses gegenstandslos geworden.

39

Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten, deren der Kläger sich berühmt, lassen seine Auswahl ebenfalls nicht ermessensfehlerhaft erscheinen. Die Adressatenauswahl hat sich daran zu orientieren, wer schnell und effektiv eine bestehende Gefährdung beseitigen kann; etwaige nachgeschaltete Schadensersatzansprüche sind dabei ohne Belang. Erst recht gilt dies, wenn aus ihnen kein Anspruch auf Herstellung der Giebelwand abzuleiten ist. So liegt es hier. Auch wenn der Kläger Ausgleichsansprüche für den Abriss einer gemeinsamen Grenzwand dem Grunde nach hätte, gingen diese jedoch nur bei einer Schädigung der Substanz des eigenen Gebäudes – die hier nicht vorliegt – auf vollen Schadensersatz (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 11. Januar 2000 – 1 U 1545/98 –, nach juris). Keinesfalls hat der Kläger einen Anspruch darauf, dass sein verbleibendes Gebäude als freistehendes konstruiert, also die vorher nicht vorhandene Giebelwand nunmehr erstmals errichtet wird (vgl. LG Halle, Urteil vom 10. Oktober 2008 – 5 O 497/03 –, nach juris).

40

bb) In Bezug auf die endgültigen Maßnahmen ist die Androhung der Ersatzvornahme nicht zu beanstanden. Ihre Rechtfertigung findet sie in der drohenden und nicht dauerhaft beseitigten Einsturzgefahr. Im Übrigen wird insoweit auf den Bescheid vom 14. November 2008 verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO).

41

2. Der Leistungsbescheid vom 27. März 2009 erweist sich als rechtswidrig, soweit dort vom Kläger Kosten angefordert werden, die über den Betrag von 8.700,-- € hinausgehen (a)). Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig (b)).

42

a) Der Leistungsbescheid kann nicht auf die einschlägige Ermächtigungsgrundlage in § 63 Abs. 2 Satz 1 des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes (LVwVG) gestützt werden, soweit dort Kosten für andere als den endgültigen Maßnahmen zur Gewährleistung der Standsicherheit des Gebäudes des Klägers angefordert werden. Nach dieser Norm kann zwar bestimmt werden, dass der Vollstreckungsschuldner die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme im Voraus zu zahlen hat. Dies setzt aber implizit voraus, dass die Grundverfügung, die per Ersatzvornahme durchgesetzt werden soll, rechtmäßig ist. Die baurechtliche Verfügung vom 14. November 2008 ist jedoch, wie oben in Abschnitt 1.a) dargelegt, hinsichtlich der Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen rechtswidrig. Zu den vorläufigen Maßnahmen sind auch die Kosten der vom Beklagten eingeholten gutachterlichen Stellungnahme und die Mietkosten für die Baustützen zu rechnen. Beides steht primär nicht in Zusammenhang mit den endgültigen Maßnahmen.

43

b) Rechtmäßig ist der Leistungsbescheid insoweit, als dort Kosten für die endgültigen Maßnahmen angefordert werden. Insoweit liegen die Voraussetzungen des § 63 Abs. 2 LVwVG vor, insbesondere ist die Anordnung dieser Maßnahmen im der Verfügung vom 14. November 2008 rechtmäßig (siehe oben, Abschnitt 1.b)aa)).

44

Die Kammer vermag dem Beklagten allerdings nicht zu folgen, soweit er dort die voraussichtlichen Kosten für die endgültigen Maßnahmen mit 30.000,-- € beziffert. Dieser Betrag ist angesichts der tatsächlichen Kosten (8.700,-- €) auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Kosten zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids nur geschätzt werden konnten, deutlich zu hoch.

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Da der Bescheid nach Bestandskraft ein Titel für die Kostenbeitreibung ist, hält es die Kammer für angezeigt, ihn auf die Höhe der tatsächlich angefallenen Kosten zu reduzieren.

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3. Die Kostenbescheide vom 14. November 2008 und 27. März 2009 waren ebenfalls aufzuheben.

47

Beide gelten gemäß § 22 Abs. 1 Halbsatz 2 des Landesgebührengesetzes (LGebG) als mit angefochten. Beide Leistungsbescheide sind aufzuheben, da sich eine Prämisse, unter der sie ergangen sind, als unhaltbar erweist. Der Beklagte geht offenbar von der alleinigen Kostenschuldnerschaft des Klägers aus. Diese Prämisse ist aber nach den vorstehenden Erwägungen nicht mehr haltbar. Insbesondere hat der Kläger weder die Anordnung der vorläufigen Sicherungsmaßnahmen noch die Anforderung der entsprechenden Kosten im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 1 LGebG veranlasst; die Maßnahmen fielen – wie dargelegt – in die Verantwortung des Beklagten. Diesem bleibt aber unbenommen, seine Verwaltungskosten teilweise in neuen Bescheiden gegenüber dem Kläger festzusetzen.

III.

48

Die Kostenentscheidung folgt § 155 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO. Die Kammer hält es für angezeigt, die Kosten gegeneinander aufzuheben, weil dies dem wechselseitigen Obsiegen und Unterliegen entspricht. So obsiegt der Kläger hinsichtlich der Verfügung vom 14. November 2008 in einem Verhältnis von 3.150,-- € (vorläufige Maßnahmen) zu 8.700,-- € (endgültige Maßnahmen), was gerundet einer Quote von 25% zu 75% entspricht. Hinsichtlich des Leistungsbescheids obsiegt er mit 25.300,-- € (Anforderung für nicht-endgültige Maßnahmen) zu 8.700,-- € (endgültige Maßnahmen); die gerundete Quote beträgt dort 75% zu 25%. Da beide Bescheide im Kern dieselben Maßnahmen betreffen, sind die Quoten zusammenzurechnen; bezogen auf den Gesamtrechtsstreit haben die Beteiligten folglich je zur Hälfte gewonnen bzw. verloren.

49

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 Abs. 2 und 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

50

Beschluss

51

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 34.000,-- € festgesetzt (§ 52 Abs. 1, § 63 Abs. 2 GKG). Auf diesen Wert schätzt die Kammer die Bedeutung des Verfahrens für den Kläger. Denn auf diesen Betrag hatte der Beklagte die Kosten für die angeordneten Maßnahmen veranschlagt und vom Kläger angefordert. Dem steht – für die Streitwertfestsetzung – nicht entgegen, dass die tatsächlich angefallenen Kosten geringer waren. Die Kammer sieht allerdings auf Grund dieser Besonderheit von einer Kostenerhöhung für die Vollstreckungsmaßnahme „Kostenanforderung“ ab.

52

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde angefochten werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.