Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 26. Juni 2014 - 16 A 107/14
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 27. November 2013 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungszulassungsverfahrens.
1
Gründe
2Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils) und des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) gestützte Zulassungsantrag, über den im Einverständnis der Beteiligten der Berichterstatter entscheidet (§ 125 Abs. 1 i. V. m. § 87a Abs. 2 und 3 VwGO), ist unbegründet, weil keiner der genannten Zulassungsgründe hinreichend dargelegt ist bzw. in der Sache vorliegt.
3Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines erstinstanzlichen Urteils sind dann dargelegt, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz der angegriffenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt.
4Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. März 2007 ‑ 1 BvR 2228/02 ‑, NVwZ‑RR 2008, 1 = juris, Rn. 25.
5Diesen Anforderungen genügen die klägerischen Darlegungen nicht. Der Kläger bemängelt, das Verwaltungsgericht habe die ihm gewährten Leistungen des Landschaftsverbandes Westfalen‑Lippe einer erweiterten Hilfe i. S. v. § 19 Abs. 5 SGB XII in Form einer ambulanten Wohnbetreuung bzw. der Eingliederungshilfe zu Unrecht nicht unter einen der Befreiungstatbestände des hier noch anzuwendenden Rundfunkgebührenstaatsvertrages (RundfGebStV) in der Fassung des Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 18. Dezember 2008 (GV. NRW. 2009 S. 199) gefasst, obwohl es sich dabei eindeutig um Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII handele bzw. jedenfalls ein Bezug zur Sozialhilfe gegeben sei, zumal er keinen Kostenbeitrag zu der ambulanten Wohnbetreuung leisten müsse. Dieses Vorbringen lässt außer Acht, dass der Katalog der Befreiungstatbestände des § 6 Abs. 1 Satz 1 RundfGebStV nicht etwa ausnahmslos alle Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII aufführt, sondern nur die Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RundfGebStV), von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (Nr. 2) und von Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII (Nr. 9). Die dem Kläger gewährte Eingliederungshilfe ist demgegenüber im Sechsten Kapitel des SGB XII (§§ 53 bis 60) geregelt und unabhängig von der Frage eines Kostenbeitrages des Hilfeempfängers vom Katalog des § 6 Abs. 1 Satz 1 RundfGebStV nicht umfasst. Es widerspräche der differenzierenden Erfassung der unterschiedlichen Sozialleistungen ‑ auch nach dem SGB XII ‑ in § 6 Abs. 1 Satz 1 RundfGebStV, einen bloßen Bezug zur Sozialhilfe oder zum Anwendungsbereich des vielfältige Leistungsarten umfassenden SGB XII für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht genügen zu lassen.
6Auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i. S. v. § 124a Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nicht dargelegt. Es fehlt schon an der eindeutigen Benennung einer konkreten Rechtsfrage; vielmehr enthalten die Darlegungen des Klägers auch zu diesem Zulassungsgrund nur apodiktische Rechtsbehauptungen. Aber auch wenn den Ausführungen im Zulassungsantrag, die vom Kläger ‑ ohne Kostenbeitragsverpflichtung ‑ bezogene Art von Sozialleistungen sei "unstreitig auch in die Befreiungstatbestände der Beklagten aufzunehmen" bzw. "die streitgegenständliche Eingliederungshilfe bzw. die erweiterte Hilfe zum Lebensunterhalt durch ambulante Wohnbetreuung" sei "auch in dem Befreiungskatalog der Beklagten zu berücksichtigen" der Sinn beigelegt wird, es sei entweder die Zugehörigkeit der dem Kläger gewährten Hilfen zum Katalog des § 6 Abs. 1 Satz 1 RundfGebStV oder aber das Bestehen einer diesbezüglichen Regelungslücke ‑ mit der Folge des Eingreifens der Härtefallregelung des § 6 Abs. 3 RundfGebStV ‑ zu klären, würde das dem Zulassungsbegehren nicht zum Erfolg verhelfen.
7Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn für die Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete fallübergreifende, bisher in der Rechtsprechung noch nicht geklärte Rechts‑ oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, die auch für die Entscheidung im Rechtsmittelverfahren erheblich wäre und deren Klärung im Interesse der einheitlichen Rechtsanwendung oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint.
8Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 124 Rn. 127 mit weiteren Nachweisen.
9Nach 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO obliegt es dem Rechtsmittelführer, die genannten Voraussetzungen darzulegen. Diese sind insbesondere dann nicht erfüllt, wenn eine als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage bereits geklärt ist, aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Weiteres beantwortet werden kann oder wenn sie nur einzelfallbezogen zu beantworten ist und deshalb keine allgemeine Bedeutung hat. Vorliegend ergibt sich für beide Verständnisalternativen der aufgeworfenen Fragen, dass sich diese auch ohne Zulassung der Berufung ohne Weiteres beantworten lassen. Soweit es um die Frage geht, ob die dem Kläger gewährten Leistungen der Eingliederungshilfe schon nach der bestehenden normativen Lage zur Rundfunkgebührenbefreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 RundfGebStV führt, ist bereits oben zum Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO das Notwendige ausgeführt worden. Soweit der Kläger die Klärung begehren sollte, ob die Eingliederungshilfe im Katalog des § 6 Abs. 1 Satz 1 RundfGebStV aufgeführt werden müsste, also eine planwidrige Unvollständigkeit der Befreiungsgründe gegeben ist, kann auch das unschwer verneint werden. Die in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 RundfGebStV genannten Leistungen setzen jeweils voraus, dass der Bezieher (gesteigert) bedürftig ist, d. h. seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten kann (§ 27 Abs. 1 bzw. § 41 Abs.1 SGB XII), wobei der notwendige Lebensbedarf jedenfalls grundsätzlich nach Regelsätzen bemessen wird bzw. sich am Begriff des Existenzminimums orientiert (§ 27a Abs. 1 bis 3 SGB XII). Demgegenüber sind die Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII ‑ vormals als Hilfen in besonderen Lebenslagen bezeichnet ‑ lediglich davon abhängig, dass den betroffenen Personen die Aufbringung der für die Hilfen benötigten Mittel nicht zugemutet werden kann, wobei im Ausgangspunkt ein Grundbetrag in Höhe des zweifachen Regelsatzes berücksichtigt wird (§ 85 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII). Zu diesen demnach unter erleichterten Voraussetzungen gewährten Leistungen gehört auch die vom Kläger bezogene Eingliederungshilfe. Daraus folgt auch, dass der Bezug von Hilfen in besonderen Lebenslagen wie etwa von Eingliederungshilfe in lediglich gemindertem Maße den Rückschluss auf eine herausgehoben schlechte, das Existenzminimum berührende wirtschaftliche Lage des Betroffenen schließen lässt. Dieser Unterschied schließt es aus, die Einbeziehung der Hilfe zum Lebensunterhalt und der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in den Katalog des § 6 Abs. 1 Satz 1 RundfGebStV bei gleichzeitigem Ausschluss der Eingliederungshilfe und anderer Hilfen in besonderen Lebenslagen als Systemfehler zu begreifen, der zur Vermeidung einer sinnwidrigen Differenzierung durch die Anerkennung eines Härtefalles nach § 6 Abs. 3 RundfGebStV auszugleichen wäre. Nichts anderes gilt im Ergebnis, soweit der nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 RundfGebStV zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht führende Bezug von Hilfe zur Pflege und die vom Kläger bezogene Eingliederungshilfe gegenübergestellt werden. Wenngleich auch die Hilfe zur Pflege zu den Leistungen "in besonderen Lebenslagen" gehört, die nach Maßgabe der wirtschaftlichen Zumutbarkeit gemäß § 85 SGB XII unter erleichterten Voraussetzungen gewährt wird und folglich nicht den Schluss auf eine unterhalb des Existenzminimums liegende wirtschaftliche Situation zulässt, wird doch aus der Gesamtregelung des § 6 Abs.1 Satz 1 RundfGebStV deutlich, dass die normgebenden Staatsvertragsparteien unter den Beziehern von Hilfen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII eine weitere Differenzierung zwischen den Beziehern von Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII und den Beziehern der sonstigen Hilfen in besonderen Lebenslagen für sachgerecht gehalten haben. Gerade wegen der Aufnahme der Hilfe zur Pflege in den Katalog der Befreiungstatbestände verbietet sich die Annahme, die Normgeber könnten die sonstigen Hilfen in besonderen Lebenslagen, darunter die vom Kläger bezogene Eingliederungshilfe, übersehen haben. Für diese normgeberische Differenzierung lassen sich auch hinreichende sachliche Gründe anführen, denn der Kreis der Bezieher von Hilfe zur Pflege ist dadurch charakterisiert, dass eine relativ schwache ‑ wenngleich nicht das Existenzminimum unterschreitende ‑ wirtschaftliche Situation mit gesundheitlichen Einbußen zusammenfällt, die schon der Bewältigung der einfachen Verrichtungen des täglichen Lebens entge1genstehen. Dem Katalog der Befreiungsgründe in § 6 Abs. 1 Satz 1 RundfGebStV kann insgesamt entnommen werden, dass entweder eine ausgeprägte wirtschaftliche Schwäche (Nrn. 1 bis 5) oder eine durch spezielle gesundheitliche Einschränkungen geprägte soziale Situation (Nrn. 6 bis 8) nachgewiesen sein müssen. Demgegenüber ist die Fallgruppe der Nr. 9 dadurch gekennzeichnet, dass gleichsam eine Kombination (relativer) wirtschaftlicher Schwäche und (unspezifischer) gesundheitlicher Beeinträchtigung vorliegt. Wenn demgegenüber Personen, die entweder bei bestehender Behinderung eingliederungsfähig (§ 53 Abs. 1 SGB XII) oder aber (lediglich) von einer Behinderung bedroht sind (§ 53 Abs. 2 SGB XII), unter entsprechenden wirtschaftlichen Umständen nicht von der Rundfunkgebührenpflicht befreit sind, lässt das nicht auf eine innere Widersprüchlichkeit des Regelungsganzen schließen, die zur Anwendung der Härtefallregelung des § 6 Abs. 3 RundfGebStV zwingt.
10Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 und 188 Satz 2 VwGO.
11Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,
- 1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens; - 2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe; - 3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe; - 4.
über den Streitwert; - 5.
über Kosten; - 6.
über die Beiladung.
(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.
(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.
(1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.
(2) Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel dieses Buches ist Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel vor.
(3) Hilfen zur Gesundheit, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen werden nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist.
(4) Lebt eine Person bei ihren Eltern oder einem Elternteil und ist sie schwanger oder betreut ihr leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres, werden Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils nicht berücksichtigt.
(5) Ist den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen im Sinne der Absätze 1 und 2 möglich oder im Sinne des Absatzes 3 zuzumuten und sind Leistungen erbracht worden, haben sie dem Träger der Sozialhilfe die Aufwendungen in diesem Umfang zu ersetzen. Mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner.
(6) Der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld steht, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat.
(1) Bei der Durchführung der Aufgaben dieses Buches werden Personen beschäftigt, die sich hierfür nach ihrer Persönlichkeit eignen und in der Regel entweder eine ihren Aufgaben entsprechende Ausbildung erhalten haben oder über vergleichbare Erfahrungen verfügen.
(2) Die Träger der Sozialhilfe gewährleisten für die Erfüllung ihrer Aufgaben eine angemessene fachliche Fortbildung ihrer Fachkräfte. Diese umfasst auch die Durchführung von Dienstleistungen, insbesondere von Beratung und Unterstützung.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Leistungsberechtigt nach diesem Kapitel sind Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus Einkommen und Vermögen nach § 43 bestreiten können, wenn sie die Voraussetzungen nach Absatz 2, 3 oder 3a erfüllen.
(2) Leistungsberechtigt sind Personen nach Absatz 1 wegen Alters, wenn sie die Altersgrenze erreicht haben. Personen, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, erreichen die Altersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Für Personen, die nach dem 31. Dezember 1946 geboren sind, wird die Altersgrenze wie folgt angehoben:
für den Geburtsjahrgang | erfolgt eine Anhebung um Monate | auf Vollendung eines Lebensalters von |
1947 | 1 | 65 Jahren und 1 Monat |
1948 | 2 | 65 Jahren und 2 Monaten |
1949 | 3 | 65 Jahren und 3 Monaten |
1950 | 4 | 65 Jahren und 4 Monaten |
1951 | 5 | 65 Jahren und 5 Monaten |
1952 | 6 | 65 Jahren und 6 Monaten |
1953 | 7 | 65 Jahren und 7 Monaten |
1954 | 8 | 65 Jahren und 8 Monaten |
1955 | 9 | 65 Jahren und 9 Monaten |
1956 | 10 | 65 Jahren und 10 Monaten |
1957 | 11 | 65 Jahren und 11 Monaten |
1958 | 12 | 66 Jahren |
1959 | 14 | 66 Jahren und 2 Monaten |
1960 | 16 | 66 Jahren und 4 Monaten |
1961 | 18 | 66 Jahren und 6 Monaten |
1962 | 20 | 66 Jahren und 8 Monaten |
1963 | 22 | 66 Jahren und 10 Monaten |
ab 1964 | 24 | 67 Jahren. |
(3) Leistungsberechtigt sind Personen nach Absatz 1 wegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung, wenn sie das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Absatz 2 des Sechsten Buches sind und bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann.
(3a) Leistungsberechtigt sind Personen nach Absatz 1, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, für den Zeitraum, in dem sie
- 1.
in einer Werkstatt für behinderte Menschen (§ 57 des Neunten Buches) oder bei einem anderen Leistungsanbieter (§ 60 des Neunten Buches) das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich durchlaufen oder - 2.
in einem Ausbildungsverhältnis stehen, für das sie ein Budget für Ausbildung (§ 61a des Neunten Buches) erhalten.
(4) Keinen Anspruch auf Leistungen nach diesem Kapitel hat, wer in den letzten zehn Jahren die Hilfebedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.
(1) Der für die Gewährleistung des Existenzminimums notwendige Lebensunterhalt umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile, persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens sowie Unterkunft und Heizung. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft; dies gilt in besonderem Maß für Kinder und Jugendliche. Für Schülerinnen und Schüler umfasst der notwendige Lebensunterhalt auch die erforderlichen Hilfen für den Schulbesuch.
(2) Der gesamte notwendige Lebensunterhalt nach Absatz 1 mit Ausnahme der Bedarfe nach dem Zweiten bis Vierten Abschnitt ergibt den monatlichen Regelbedarf. Dieser ist in Regelbedarfsstufen unterteilt; für Abgrenzung und Höhe der Regelbedarfsstufen sind zu berücksichtigen:
- 1.
bei Kindern und Jugendlichen altersbedingte Unterschiede, - 2.
bei Erwachsenen die Art der Unterkunft, in der sie leben, und zusätzlich bei in Wohnungen oder sonstigen Unterkünften nach § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 3 lebenden Erwachsenen, ob sie in einer Paarbeziehung oder ohne Paarbeziehung zusammenleben.
(3) Für Leistungsberechtigte nach diesem Kapitel sind zur Deckung der Regelbedarfe, die sich nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28 ergeben, monatliche Regelsätze als Bedarf anzuerkennen; dies gilt nicht für Leistungsberechtigte, deren notwendiger Lebensunterhalt sich nach § 27b bestimmt. Der Regelsatz stellt einen monatlichen Pauschalbetrag zur Bestreitung des Regelbedarfs dar, über dessen Verwendung die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich entscheiden; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen. Besteht die Leistungsberechtigung für weniger als einen Monat, ist der Regelsatz anteilig als Bedarf anzuerkennen. Zur Deckung der Regelbedarfe von Personen, die in einer sonstigen Unterkunft oder vorübergehend nicht in einer Unterkunft untergebracht sind, sind als Bedarfe monatliche Regelsätze anzuerkennen, die sich in entsprechender Anwendung der Regelbedarfsstufen nach der Anlage zu § 28 ergeben.
(4) Im Einzelfall wird der Regelsatz abweichend von der maßgebenden Regelbedarfsstufe festgesetzt (abweichende Regelsatzfestsetzung), wenn ein durch die Regelbedarfe abgedeckter Bedarf nicht nur einmalig, sondern für eine Dauer von voraussichtlich mehr als einem Monat
- 1.
nachweisbar vollständig oder teilweise anderweitig gedeckt ist oder - 2.
unausweichlich in mehr als geringem Umfang oberhalb durchschnittlicher Bedarfe liegt, wie sie sich nach den bei der Ermittlung der Regelbedarfe zugrundeliegenden durchschnittlichen Verbrauchsausgaben ergeben, und die dadurch bedingten Mehraufwendungen begründbar nicht anderweitig ausgeglichen werden können.
(5) Sind minderjährige Leistungsberechtigte in einer anderen Familie, insbesondere in einer Pflegefamilie, oder bei anderen Personen als bei ihren Eltern oder einem Elternteil untergebracht, so wird in der Regel der individuelle Bedarf abweichend von den Regelsätzen in Höhe der tatsächlichen Kosten der Unterbringung festgesetzt, sofern die Kosten einen angemessenen Umfang nicht übersteigen.
(1) Bei der Hilfe nach dem Fünften bis Neunten Kapitel ist der nachfragenden Person und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner die Aufbringung der Mittel nicht zuzumuten, wenn während der Dauer des Bedarfs ihr monatliches Einkommen zusammen eine Einkommensgrenze nicht übersteigt, die sich ergibt aus
- 1.
einem Grundbetrag in Höhe des Zweifachen der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28, - 2.
den Aufwendungen für die Unterkunft, soweit diese den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang nicht übersteigen und - 3.
einem Familienzuschlag in Höhe des auf volle Euro aufgerundeten Betrages von 70 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner und für jede Person, die von der nachfragenden Person, ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner überwiegend unterhalten worden ist oder für die sie nach der Entscheidung über die Erbringung der Sozialhilfe unterhaltspflichtig werden.
(2) Ist die nachfragende Person minderjährig und unverheiratet, so ist ihr und ihren Eltern die Aufbringung der Mittel nicht zuzumuten, wenn während der Dauer des Bedarfs das monatliche Einkommen der nachfragenden Person und ihrer Eltern zusammen eine Einkommensgrenze nicht übersteigt, die sich ergibt aus
- 1.
einem Grundbetrag in Höhe des Zweifachen der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28, - 2.
den Aufwendungen für die Unterkunft, soweit diese den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang nicht übersteigen und - 3.
einem Familienzuschlag in Höhe des auf volle Euro aufgerundeten Betrages von 70 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für einen Elternteil, wenn die Eltern zusammenleben, sowie für die nachfragende Person und für jede Person, die von den Eltern oder der nachfragenden Person überwiegend unterhalten worden ist oder für die sie nach der Entscheidung über die Erbringung der Sozialhilfe unterhaltspflichtig werden.
(3) Die Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 bestimmt sich nach dem Ort, an dem der Leistungsberechtigte die Leistung erhält. Bei der Leistung in einer Einrichtung sowie bei Unterbringung in einer anderen Familie oder bei den in § 107 genannten anderen Personen bestimmt er sich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Leistungsberechtigten oder, wenn im Falle des Absatzes 2 auch das Einkommen seiner Eltern oder eines Elternteils maßgebend ist, nach deren gewöhnlichem Aufenthalt. Ist ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln, ist Satz 1 anzuwenden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.