Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 19. März 2014 - 13 C 8/14
Gericht
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 28. Januar 2014 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
1Die zulässige Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der von der Antragsgegnerin dargelegten Gründe befindet, ist unbegründet.
21. Das Verwaltungsgericht hat das Lehrdeputat für die Stelle des Studienrats im Hochschuldienst zu Recht mit 17 Lehrveranstaltungsstunden berücksichtigt.
3In welchem Umfang das Personal der Hochschule zur Lehrtätigkeit verpflichtet ist, bestimmt sich nach der – auf der Grundlage des § 33 Abs. 5 HG NRW ergangenen – Verordnung über die Lehrverpflichtung an Universitäten und Fachhochschulen (Lehrverpflichtungsverordnung – LVV) vom 24. Juni 2009. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 16 LVV haben Studienräte im Hochschuldienst je nach Umfang der weiteren Dienstaufgaben eine Lehrverpflichtung von 13 bis 17 Lehrveranstaltungsstunden. Der Erlass des Ministeriums für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 30. Januar 2013 - 213-7.01.02.02.06.03 - verweist unter 1. uneingeschränkt auf die Geltung der LVV. Weshalb die Antragsgegnerin mit der Berücksichtigung von 13 Lehrveranstaltungsstunden einer Vorgabe des Ministeriums in dem entsprechenden Formular gefolgt ist, ist nicht nachvollziehbar.
4§ 3 Nr. 16 LVV sieht zwar anders als § 5 LVV keine Ermäßigung der Lehrverpflichtung wegen besonderer dienstlicher Aufgaben vor, sondern bestimmt eine Bandbreite von 13 bis 17 Lehrveranstaltungsstunden. Damit stellt der Verordnungsgeber den Universitäten aber lediglich ein Instrument zur Flexibilisierung des Personaleinsatzes zur Verfügung.
5Vgl. hierzu auch Gesetzesentwurf der Landesregierung - Hochschulfreiheitsgesetz (HFG), LT- Drs. 14/2063, S. 156 zu § 33 Abs. 5 HG.
6Kapazitätsrechtlich führt dies aber nicht zur Anrechnung des Mindestdeputats. Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 LVV prüft der Dekan studienjährlich, ob und aus welchen Gründen von der Obergrenze der Bandbreite der Lehrverpflichtung abgewichen wurde. Hiervon ausgehend ist eine Abweichung von der Obergrenze der Bandbreite – 17 Lehrveranstaltungsstunden - nur bei Wahrnehmung weiterer Dienstaufgaben anzuerkennen ist. Fehlt es an solchen, verbleibt es deshalb bei der Obergrenze von 17 Lehrveranstaltungsstunden. Soweit die Prüfung des Dekans nachträglich erfolgt, entbindet auch dies die Universitäten nicht von der Verpflichtung, die nach der LVV vorgesehenen Lehrveranstaltungsstunden nach Maßgabe der berücksichtigungsfähigen weiteren Aufgaben in die Kapazitätsberechnung einzustellen. Dies gilt schon deshalb, weil eine von Seiten des Dekans für notwendig erachtete Korrektur rückwirkend keine kapazitätsrechtliche Berücksichtigung finden kann.
7Ohne Erfolg bleibt weiter der Einwand der Antragsgegnerin, die Stelle sei nicht planmäßig besetzt, auf ihr werde eine Akademische Rätin mit ständigen Lehraufgaben und einer Lehrverpflichtung von 9 Lehrveranstaltungsstunden geführt. Auf diesen Umstand kommt es wegen der Geltung des abstrakten Stellenprinzips nicht an. Ob für die Stelle, wenn sie mit einem Studienrat im Hochschuldienst besetzt werden würde, 13 Lehrveranstaltungsstunden anzusetzen wären, wenn diesem Dienstaufgaben in der Hochschulambulanz übertragen werden würden, ist rein hypothetisch, da die Stelle tatsächlich nicht stellenadäquat besetzt ist.
8Die Anrechnung von 17 Lehrveranstaltungsstunden führt nicht zu einem für die Antragsgegnerin untragbaren Ergebnis. Sie hat es in der Hand, entweder ihren Stellenplan anzupassen oder die ausgewiesene Stelle adäquat zu besetzen.
9Die Berücksichtigung der vier zusätzlichen Lehrveranstaltungsstunden führt - von der vorgelegten Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin ausgehend - (S. 6 oben) statt der bisher errechneten 223 zu zusätzlichen vier Studienplätzen der Lehreinheit Psychologie (418,46: 1,84 = 227,42). Diese können an die vier Antragsteller in den anhängigen vier Beschwerdeverfahren vergeben werden.
102. Der Vergabe dieser Plätze kann die Antragsgegnerin auch nicht mit Erfolg entgegen halten, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass die eigentliche Kapazitätsberechnung eine Zahl von 114 Studienplätzen im 1-Fach-Bachelor Psychologie ergebe, und dass diese Zahl noch einmal um weitere 11 Studienplätze erhöht worden sei, um die Zielvereinbarung mit dem Land zum Hochschulpakt II erfüllen zu können. Die Antragsgegnerin meint, bei diesen Studienplätzen handele es sich um zusätzliche Plätze, die nicht durch entsprechende Deputate unterlegt seien (Plätze „über den Durst"). Zu dieser Mehraufnahme habe sich die Universität aus allgemeinen bildungspolitischen Erwägungen bereit erklärt, ohne hierzu im Außenverhältnis rechtlich verpflichtet zu sein.
11Anders als die Antragsgegnerin meint, können die auf Grund der Zielvereinbarung zusätzlich aufgenommenen 11 Studenten nicht kapazitätsdeckend mit den im gerichtlichen Verfahren „gefundenen“ vier außerkapazitären Studienplätze verrechnet werden, weil die Antragsgegnerin für die 11 zusätzlichen Studienplätze ein zusätzliches Lehrangebot anzubieten hat. Dieses kann, da die Antragstellerin kein zusätzliches Lehrangebot im Stellenplan ausgewiesen hat, auch ein kapazitätsneutrales Lehrangebot sein (z.B. Einsatz von Titellehre). Anders als die Antragsgegnerin wohl meint, ermöglichen weder das HZG NRW noch die KapVO den Hochschulen die Aufnahme von Studenten ohne Schaffung entsprechender Ausbildungskapazitäten. Zwar kann das Ministerium nach § 6 HG NRW mit den Hochschulen Vereinbarungen für mehrere Jahre über strategische Entwicklungsziele sowie konkrete Leistungsziele treffen und diesen finanzielle Mittel nach Maßgabe der Zielerreichung zur Verfügung stellen. Dies ändert aber nichts daran, dass die Festsetzung der Zulassungszahl nach § 1 Satz 2 HZG NRW unter Beachtung der Ziel- und Leistungsvereinbarungen sowie unter Berücksichtigung der personellen, räumlichen, sächlichen und fachspezifischen Gegebenheiten bei erschöpfender Nutzung der Ausbildungskapazitäten zu bestimmen ist und sich die Festsetzung aus der Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität des Studienganges ergibt. Soweit es deshalb im Erlass des Ministeriums für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 30. Januar 2013 heißt, „Um die vereinbarten Ziele des Hochschulpakts zu erfüllen, weise ich darauf hin, dass bei Studiengängen, die mit einer Zulassungsbeschränkung versehen sind, die Möglichkeit besteht, höhere Zulassungszahlen als Vorschlag der Hochschule festzusetzen.“ (Seite 2 Mitte), ist dies nicht als Ermächtigung der Hochschule zu verstehen, zusätzliche Studenten ohne entsprechende Lehrkapazität auszubilden. Gegen eine solche Annahme spricht bereits, dass auch der Erlass (Seite 3 letzter Absatz) bestimmt, „Aus dem Hochschulpakt 2020 finanzierte wissenschaftliche Stellen und Lehraufträge sind nach den zum Hochschulpakt vereinbarten Regelungen des Lehrangebots zusätzlich zu berücksichtigen. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass angesichts der erwarteten Steigerung der Studienanfängerzahlen die Ausbildungskapazitäten an den Hochschulen über die bestehende Grundlehrleistung hinaus zunächst für die Laufzeit des Hochschulpakts II (bis einschließlich 2015) temporär erhöht werden können.“ Entsprechend sieht auch die Vereinbarung zum Hochschulpakt II 2011 – 2015 zwischen der Antragsgegnerin und dem Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen vom 26. Januar 2012 vor, dass die Universität für jeden Studienanfänger eine Prämie von 20.000 Euro erhält, wobei die Mittel aus dem Hochschulpakt mindestens zur Hälfte für Personalkosten zu verwenden sind.
12Danach ist davon auszugehen, dass für die zusätzlich aufgenommenen Studenten Ausbildungskapazitäten auch tatsächlich zur Verfügung stehen, sodass die Antragsgegnerin nicht mit dem Argument gehört werden kann, ihre errechnete Kapazität sei erschöpft, weil sie über ihre Grundkapazität hinaus überobligatorisch 11 Studenten wegen des doppelten Abiturjahrgangs aufgenommen habe.
133. Auf die Frage, ob für die vier Juniorprofessoren vier zusätzliche Deputatstunden anzusetzen sind, kommt es aus den obigen Gründen nicht mehr an.
14Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
15Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
16Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
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(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.