Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 17. März 2016 - 13 C 20/16
Gericht
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 18. Januar 2016 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
1Die zulässige Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der von der Antragstellerin dargelegten Gründe befindet, ist unbegründet.
21. Die Einwände gegen die Berücksichtigung eines Lehrdeputats von 4 DS bei den mit befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeitern besetzten Stellen greifen nicht durch. Das Lehrdeputat entspricht § 3 Abs. 4 Satz 5 LVV, wonach die Lehrverpflichtung der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Universitäten in befristeten Arbeitsverhältnissen, soweit sie Lehraufgaben wahrnehmen, auf in der Regel 4 Lehrveranstaltungsstunden festzusetzen ist. Dass die Arbeitsverträge diesen Vorgaben nicht entsprechen, behauptet die Antragstellerin nicht.
3Im Kapazitätsrechtsstreit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats,
4vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Februar 2016 ‑ 13 C 21/15 - , juris, Rn. 3 ff., und vom 5. Juli 2013 ‑ 13 B 631/13 -, juris, Rn. 15, m. w. N. m
5nicht zu prüfen, ob die rechtlichen Vorgaben des WissZeitVG eingehalten und die Befristungsabreden wirksam sind. Die gegenüber den unbefristet Beschäftigten niedrigere Lehrverpflichtung verletzt das Kapazitätserschöpfungsgebot nicht. Sie rechtfertigt sich ebenso wie die Befristung selbst aus dem wichtigen Interesse der Allgemeinheit und der Hochschule an ausreichender Heranbildung von wissenschaftlichem Nachwuchs. Von diesem Regellehrdeputat kann nach der Rechtsprechung des Senats zum sog. Stellenprinzip (§ 8 Abs. 1 KapVO) nur abgewichen werden, wenn die Hochschule die Stelle bewusst dauerhaft mit einer Lehrperson besetzt, die individuell eine höhere Lehrverpflichtung als die der Stelle hat, und dadurch der Stelle faktisch einen anderen, dauerhaften, deputatmäßig höherwertigen Amtsinhalt vermittelt.
6Hierfür ist mit der Beschwerde nichts Substantiiertes dargetan worden. Im Übrigen verpflichtet weder das Stellenprinzip des § 8 Abs. 1 KapVO noch das Kapazitätserschöpfungsgebot die Antragsgegnerin zum Nachweis, ob sich bestimmte Stelleninhaber im Einzelfall tatsächlich (noch) in der Weiterbildung befinden und deshalb die Befristung des Arbeitsvertrages gerechtfertigt ist. Die für den Regelfall erfolgte Widmung der befristet zu besetzenden Stellen der wissenschaftlichen Mitarbeiter zur wissenschaftlichen Fort- und Weiterbildung stellt ein Kriterium dar, das einen Bezug zum Umfang der Lehrverpflichtungen ausweist, da ihr nur Rechnung getragen werden kann, wenn dem Stelleninhaber neben seiner Verpflichtung zur Erbringung wissenschaftlicher Dienstleistungen auch eine angemessene Zeit zur eigenständigen wissenschaftlichen Fort- und Weiterbildung zur Verfügung gestellt wird. Diese Zweckbestimmung der Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter rechtfertigt danach die Bildung einer eigenen Stellengruppe. Insoweit ist von einer typisierenden Betrachtung auszugehen, sodass es auf eine ins Einzelne gehende Feststellung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die jeweiligen Stelleninhaber tatsächlich eigene Fort- und Weiterbildung betreiben, grundsätzlich nicht ankommt.
7Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juli 1987 - 7 C 10.86 -, juris, Rn. 28; OVG Saarland, Beschluss vom 1. Juli 2011 - 2 B 45/11.NC u.a. -, juris, Rn. 59 ff.
8Einer weiteren gerichtlichen Aufklärung, wie sie die Antragstellerin für geboten hält, bedurfte es deshalb nicht.
92. Ein Anspruch auf eine kapazitätsrechtliche Erhöhung der Zulassungszahlen kann nach ständiger Senatsrechtsprechung aus dem Hochschulpakt 2020 und der hierzu getroffenen Verwaltungsvereinbarung solange nicht hergeleitet werden, wie Studienplätze aufgrund dieses Abkommens tatsächlich noch nicht geschaffen worden sind.
10Vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 26. August 2013 - 13 C 98/13 -, juris, Rn. 5, m. w. N.
11Ob es der Antragsgegnerin, wie die Antragstellerin meint, möglich wäre, wegen zur Verfügung stehender Hochschulpaktmittel Dauerstellen zu schaffen, ist deshalb irrelevant.
12Ausgehend hiervon besteht auch kein Anlass, das Lehrangebot um einen zusätzlichen Sicherheitsaufschlag in Höhe von 15 % zu erhöhen, zumal die Antragsgegnerin, soweit sie Personalstellen aus Mitteln des Hochschulpakts geschaffen hat, diese im Stellenplan der vorklinischen Medizin berücksichtigt hat.
13Die von der Antragstellerin in diesem Zusammenhang für unzutreffend gehaltene Prognose des Verwaltungsgerichts zum kontinuierlichen Rückgang der Zahl der Studierenden lässt sich im angefochtenen Beschluss nicht finden.
143. Die Antragsgegnerin hat nicht durch ihr Überbuchungsverhalten zu erkennen gegeben, mehr als die festgesetzten Studienplätze vergeben zu können. Mit der Überbuchung durch die Zulassung von mehr Bewerbern, als dies nach der festgesetzten Zulassungszahl geboten ist, soll den Hochschulen ermöglicht werden, die Studienplätze möglichst vollständig im ersten Zulassungsdurchgang zu besetzen (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 4, § 23 Abs. 2 Satz 1 VergabeVO NRW). Die Bindung der Hochschule an die Zulassungszahl dient - ausgehend davon, dass die Zulassungszahl entsprechend den Vorgaben der Kapazitätsverordnung kapazitätserschöpfend festgesetzt ist - der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Hochschulbetriebes, also dem Schutz der Rechte von Hochschule, Hochschullehrern und eingeschriebenen Studenten. Die infolge eines - auch verfahrensfehlerhaft durchgeführten - Überbuchungsverfahrens erfolgte Besetzung von Studienplätzen jenseits der festgesetzten Kapazität führt deshalb grundsätzlich weder zu einer Rechtsverletzung des Bewerbers um einen "außerkapazitären" Studienplatz, noch vermittelt sie diesem einen Rechtsanspruch auf Zuweisung eines solchen. Dementsprechend kann der auf die Zuweisung eines außerkapazitären Studienplatzes klagende Bewerber nur erfolgreich sein, wenn trotz erfolgter kapazitätsverzehrend wirkender Überbuchung gleichwohl weitere Studienplätze nicht in das Vergabeverfahren einbezogen wurden und bei Einhaltung der normativ vorgegebenen Verteilungsmaßstäbe ungenutzt blieben und unwiederbringlich verlorengingen.
15Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. November 2014 - 13 B 1119/14 -, juris, Rn. 3f.
16Ob vom Vorliegen nicht erschöpfter Kapazitäten schon dann auszugehen ist, wenn die Hochschule durch eine von vornherein beabsichtigte Überschreitung die Sollzahl nach der Zulassungszahlenverordnung als variable Größe behandelt und eine deutliche Überbuchung vornimmt,
17vgl. den einen Einzelfall mit greifbar weiterer Kapazität betreffenden Senatsbeschluss vom 26. Januar 2011 - 13 B 1640/10 -, juris, Rn. 32, sowie Schemmer, DVBl. 2011, 1338 (1339f.),
18kann offen bleiben. Dies dürfte allenfalls in Ausnahmefällen anzunehmen sein. Für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls bietet die Überbuchungspraxis der Antragsgegnerin keinen Anlass.
19Anders als die Antragstellerin meint, folgt ein Anspruch auf außerkapazitäre Zulassung wegen einer Überbuchung auch nicht aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. März 2011 - 6 CN 3.10 -. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dieser Entscheidung ausgeführt, die Hochschulen des Landes dürften im Regelungsbereich der Zulassungszahlenverordnungen aus eigener Kompetenz keine dort nicht ausgewiesenen Studienplätze vergeben. Würden jedoch in verwaltungsgerichtlichen Kapazitätsstreitigkeiten in den Zulassungszahlenverordnungen nicht angegebene Studienplätze aufgedeckt, befänden sich diese definitionsgemäß außerhalb des Regelungsbereiches dieser Verordnungen (juris, Rn. 15). Mit diesen Vorgaben steht die Senatsrechtsprechung zur Überbuchung im Einklang.
204. Die Forderung nach einer stärkeren Einbeziehung von Lehrpersonen aus der Klinik in die Lehre der Vorklinik verhilft der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Art. 12 Abs. 1 GG gebietet es nicht, klinisches Personal in der Vorklinik einzusetzen.
21Das – zulässigerweise hier zugrundegelegte – Berechnungsmodell der Kapazitätsverordnung geht verbindlich von drei Lehreinheiten aus. Hiervon ausgehend sowie unter Berücksichtigung der rechtlichen Verselbständigung des Universitätsklinikums ist die Antragsgegnerin nicht verpflichtet, sich für die Ausbildung in der Vorklinik der Lehrleistung von Lehrpersonal der Klinik zu bedienen. Auch das Kapazitätserschöpfungsgebot verpflichtet nicht zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze durch Verlagerung von Stellen aus anderen Lehreinheiten, sondern nur zur vollen Ausschöpfung der nach der verbindlichen Kapazitätsverordnung und deren Modell zu errechnenden Studienplätze.
225. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Nachfragerzahl beim Dienstleistungsabzug nicht wegen Doppel-/Zweitstudenten zu verringern. Die Kapazitätsverordnung sieht eine Verringerung nicht vor. Zudem ist die Zahl etwaiger Doppel-/Zweitstudenten - wenn überhaupt - verschwindend gering und kann bei der nur möglichen ex-ante- Kapazitätsberechnung nicht hinreichend prognostiziert werden. Die Absolvierung eines Doppelstudiums der Medizin und Zahnmedizin wird in der Regel nach nordrhein-westfälischem Hochschulrecht (vgl. § 48 Abs. 2 HG NRW) auch ausgeschlossen sein.
23Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Mai 2013 - 13 C 41/13 -, juris, Rn. 5.
246. Beurlaubungen fallen nicht unter die Kategorien des Schwunds nach § 14 Abs. 3 Nr. 3, § 16 KapVO. Beurlaubte nehmen die Lehrveranstaltungen lediglich zu einem späteren Zeitpunkt in Anspruch und stellen keine echte Schwundentlastung der Lehreinheit bei der studentischen Nachfrage dar.
25Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Mai 2013 - 13 C 41/13 -, juris, Rn. 9.
26Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
27Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.