Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 01. Feb. 2019 - 13 A 3332/18.A
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 18. Juni 2018 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Die Berufung ist nicht wegen des allein geltend gemachten Verfahrensfehlers der Verletzung rechtlichen Gehörs nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
31. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ergibt sich nicht dadurch, dass das Verwaltungsgericht die in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge mit der Begründung abgelehnt hat, die zum Beweis gestellten Tatsachen, nämlich
4„dass die polizeiliche Anzeige vom 28. November 2017 gegenüber der Staatsanwaltschaft in der Provinz Kapisa echt ist“, und
5„dass es in Afghanistan üblich ist, dass die entsprechenden Vordrucke bei der zuständigen Behörde erworben werden können, durch eine amtliche Person aufgenommen und sodann bei der zuständigen Staatsanwaltschaft abgegeben werden“,
6könnten als wahr unterstellt werden.
7Der Anspruch auf rechtliches Gehör bietet grundsätzlich keinen Schutz gegen Entscheidungen des Gerichts, die das Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lassen. Die Ablehnung einer beantragten Beweiserhebung verletzt das rechtliche Gehör nur dann, wenn sie im maßgeblichen Prozessrecht keinerlei Stütze mehr findet.
8Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. August 2015 - 5 B 48.15 -, juris, Rn. 10, und vom 8. März 2006 - 1 B 84.05 -, juris, Rn. 7; OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Mai 2018 - 13 A 1190/18.A -, juris, Rn. 4 f., vom 18. Januar 2018 - 13 A 3298/17.A -, juris, Rn. 10 f., und vom 14. Juli 2017 ‑ 13 A 1277/17.A -, juris, Rn. 11 f.
9Die Ablehnung eines Beweisantrags durch Wahrunterstellung setzt voraus, dass die behauptete Beweistatsache im Folgenden so behandelt wird, als wäre sie wahr (vgl. § 244 Abs. 3 Satz 2 a.E. StPO). Dies kommt regelmäßig nur für nicht entscheidungs-erhebliche Behauptungen in Frage. Das Gericht darf sich im weiteren Verlauf nicht in Widerspruch zu den als wahr unterstellten Annahmen setzen und muss sie ohne inhaltliche Einschränkung so behandeln, als wären sie nachgewiesen.
10Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Dezember 2012 – 2 B 32.12 –, juris Rn. 12 m.w.N.
11Die Echtheit der Urkunde und der angegebene übliche Verfahrensablauf bei Erstattung einer Strafanzeige waren ausgehend vom maßgeblichen Standpunkt des Verwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich. Der Kläger führt insbesondere an, die Wahrunterstellung der Echtheit der Urkunde und des zum Beweis gestellten Verfahrensablaufs erstrecke sich auf die örtliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft in Kapisa für den Entführungsfall seiner Tochter. Deshalb habe das Verwaltungsgericht seine Angaben über die Entführung der Tochter nicht mit der Feststellung in Zweifel ziehen dürfen, dass seine Ortsangaben – Kabul als damaliger Wohnort der Familie einerseits und Kapisa als erst nachträglich benannter Ort der Entführung andererseits – nicht nachvollziehbar seien. Indes kommt es auf die Ortsangaben nicht an. Das Gericht hat den Vortrag des Klägers über die (angebliche) Entführung seiner Tochter unabhängig von dessen Ortsangaben mit selbstständig tragender Begründung auch deshalb für nicht glaubhaft gehalten, weil sie im Zusammenhang mit der bereits nicht glaubhaft dargelegten vorangegangenen Bedrohung seiner Person gestanden haben solle. Lediglich „abgesehen davon“ geht es auf die Angaben des Klägers zum Ort der Entführung ein (Urteilsabdruck S. 13).
12Stellte sich das Vorbringen des Klägers zur Entführung seiner Tochter nach dem maßgeblichen Standpunkt des Verwaltungsgerichts auch ungeachtet der Angaben zum Entführungsort als unglaubhaft dar, war das Gericht aufgrund der Wahrunterstellung der mit Blick auf den Entführungsort unter Beweis gestellten Tatsachen nicht gehalten, die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung angeführte durch die Entführung begründete Drucksituation zu dessen Gunsten zu berücksichtigen.
13Auch im Übrigen hat der Kläger einen Widerspruch zu den als wahr unterstellten Annahmen nicht aufgezeigt. Mit der Wahrunterstellung der Echtheit der Urkunde und des angegebenen üblichen Verfahrensablaufs ist über die Nachvollziehbarkeit seiner Angaben zum Ort der Entführung und erst recht über die vorgetragene Entführung als solche nichts gesagt. Sein darüber hinaus erhobener Einwand, das Gericht habe nicht zugrunde legen dürfen, dass es in Afghanistan in erheblichem Umfang echte Dokumente wahren Inhalts gebe, weil sich als Ergebnis der beantragten Beweiserhebung hätte ergeben können, dass das Dokument echt sei, zeigt einen Widerspruch zu der als wahr unterstellten Echtheit der Anzeige ebenfalls nicht auf.
142. Soweit der Kläger geltend macht, das Verwaltungsgericht habe sein Vorbringen bezüglich seiner Tätigkeit für die Firma „U. “ bzw. für die NATO – unter Verletzung der prozessualen Fürsorgepflicht – als pauschal und unsubstantiiert in Zweifel gezogen, ohne diese Zweifel in der mündlichen Verhandlung durch gezielte Fragen und Vorhalte erkennen zu lassen, hat er eine Verletzung seines Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG ebenfalls nicht aufgezeigt.
15Insbesondere hat das Verwaltungsgericht dem Kläger insoweit nicht unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Überraschungsentscheidung das rechtliche Gehör versagt. Eine den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs konkretisierende gerichtliche Hinweispflicht zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung besteht nur dann, wenn auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht mit einer bestimmten Bewertung seines Sachvortrags durch das Verwaltungsgericht zu rechnen braucht. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass aus dem in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgten Gebot des rechtlichen Gehörs grundsätzlich keine Hinweis- oder Aufklärungspflicht in Bezug auf die Rechtsansicht des Gerichts folgt und dass das Gericht auch nicht verpflichtet ist, bereits in der mündlichen Verhandlung das mögliche oder voraussichtliche Ergebnis der Sachverhalts- oder Beweiswürdigung bekannt zu geben, weil sich die tatsächliche und rechtliche Einschätzung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Entscheidungsfindung nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergibt. Dagegen kann von einer Überraschungsentscheidung nicht gesprochen werden, wenn das Gericht Tatsachen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten, in einer Weise würdigt, die nicht den subjektiven Erwartungen eines Prozessbeteiligten entsprechen oder von ihm für unrichtig gehalten werden.
16Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 -, juris, Rn. 7; BVerwG, Beschlüsse vom 2. Mai 2017 - 5 B 75.15 D -, juris, Rn. 11, und vom 28. Mai 2015 - 1 B 22.15 u.a. -, juris, Rn. 3; OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Februar 2018 - 13 A 342/18.A -, juris, Rn. 6, und vom 17. Oktober 2017 ‑ 13 A 2346/17.A -, juris, Rn. 3, jeweils m.w.N.
17Art. 103 Abs. 1 GG begründet keine Verpflichtung des Verwaltungsgerichts, auf Unstimmigkeiten und Widersprüche hinzuweisen und eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen.
18Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Februar 2018 - 13 A 342/18.A -, juris, Rn. 14, vom 11. Januar 2017 - 13 A 2220/16.A - , juris, Rn. 6 f. m.w.N., und vom 6. Juni 2016 - 13 A 1882/15.A -, juris, Rn. 28 ff.
19Es entspricht vielmehr ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung,
20vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 25. August 2015 ‑ 1 B 40.15 -, juris, Rn. 14,
21dass der Betroffene im Rahmen seiner individuellen Möglichkeiten gehalten ist, schlüssige, nachvollziehbare und substantiierte Angaben zu seinem Verfolgungsschicksal zu machen. Von dieser dem Asylbewerber obliegenden Mitwirkungspflicht dispensiert die Hinweispflicht des § 86 Abs. 3 VwGO nicht, denn diese dient nicht der Auffüllung von Lücken und Defiziten im Vorbringen des Asylbewerbers, sondern nur der Unterstützung des Asylbewerbers bei der Wahrnehmung seiner Mitwirkungspflicht.
22Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. August 2003 - 1 B 107.03, 1 PKH 28.03 -, juris, Rn. 5; OVG NRW, Beschluss vom 15. Februar 2018 - 13 A 342/18.A -, juris, Rn. 16 ff.
23Auch ist die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht geeignet, eine – vermeintlich – fehlerhafte Feststellung und Bewertung des Sachverhalts einschließlich seiner rechtlichen Würdigung oder eine – vermeintlich – fehlerhafte Rechtsauffassung zu beanstanden.
24Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2005 - 2 BvR 1090/05 -, juris, Rn. 26; OVG NRW, Beschlüsse vom 9. Januar 2017 - 13 A 1801/16.A -, juris, Rn. 3, vom 8. Mai 2015 - 13 A 949/15.A -, juris, Rn. 3 f., und vom 18. September 2014 - 13 A 1019/14.A -, juris, Rn. 7 f., jeweils m.w.N.
25Hiervon ausgehend bestehen keine Anhaltspunkte für eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Das Verwaltungsgericht hat keine Anforderungen an den Sachvortrag gestellt, mit denen der Kläger nicht rechnen musste. Es hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung zu seiner Tätigkeit für die Firma U. bzw. die NATO – insbesondere zu deren Ort und Dauer – befragt. Dabei war es nicht gehalten, den Versuch zu unternehmen, durch gezielte Nachfragen weitere Details in Erfahrung zu bringen. Eine andere Bewertung ergibt sich nicht unter Berücksichtigung der vom Kläger angeführten Rechtsprechung, insbesondere des Beschlusses der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juli 1996 – 2 BvR 1416/94 –,
26NVwZ-Beilage 1997, 11 (13).
27Die dort angeführten besonderen Umstände des Einzelfalls sind mit der prozessualen Situation des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren nicht vergleichbar.
28Im Übrigen wendet sich der Kläger in dieser Hinsicht im Kern gegen die Sachverhaltswürdigung durch das Verwaltungsgericht, womit er den Verfahrensmangel eines Gehörsverstoßes nicht begründen kann.
293. Auch die weitere Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht habe seine Einwände gegen die Verwertbarkeit der Anhörungsniederschrift des Bundesamts nicht zur Kenntnis genommen, sondern die Niederschrift aus einem lediglich formalen Grund für verwertbar gehalten, führt nicht zur Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO.
30Das verfassungsrechtlich aus Art. 103 Abs. 1 GG folgende Gebot des rechtlichen Gehörs gibt einem Prozessbeteiligten das Recht, alles aus seiner Sicht Wesentliche vortragen zu können, und verpflichtet das Gericht, dieses Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in seine Entscheidungserwägungen einzustellen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings grundsätzlich erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat. Das Gericht ist hingegen nicht gehalten, den Ausführungen eines Beteiligten in der Sache zu folgen.
31Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2005 - 2 BvR 1090/05 -, juris, Rn. 26; OVG NRW, Beschlüsse vom 9. Januar 2017 - 13 A 1801/16.A -, juris, Rn. 3, vom 8. Mai 2015 - 13 A 949/15.A -, juris, Rn. 3 f., und vom 18. September 2014 - 13 A 1019/14.A -, juris, Rn. 7 f., jeweils m.w.N.
32Vorliegend hat sich das Verwaltungsgericht mit den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwänden gegen die Richtigkeit des Anhörungsprotokolls auseinandergesetzt. Aus dem Umstand, dass es die Einwände auf Seite 14 der Urteilsgründe nicht ausdrücklich wiedergegeben und im Ergebnis nicht für durchgreifend erachtet hat, lässt sich nicht schließen, dass es diese nicht zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat. Das Gericht muss den Vortrag des Klägers nicht in jedem Detail in den Entscheidungsgründen würdigen. Auch ist es nicht gehalten, der Einschätzung des Klägers zu folgen.
334. Schließlich ist auch das Vorbringen des Klägers bezüglich der Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu den erhaltenen Drohbriefen nicht geeignet, die Zulassung der Berufung wegen einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu begründen. Auch in dieser Hinsicht wendet sich der Kläger gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts. Sein Vorbringen ist dem sachlichen Recht und nicht der Frage nach der Gewährung rechtlichen Gehörs zuzuordnen.
34Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
35Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
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(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.
(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.
(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.
(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht
- 1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und - 2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.
Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn
- 1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, - 2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, - 3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, - 4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, - 5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder - 6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 26. Juni 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
31. Die Berufung ist nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die Darlegung der Grundsatzbedeutung setzt voraus, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchstgerichtlich noch nicht hinreichend geklärte und für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird; zudem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind die konkrete Frage, ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung.
4Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 20. Januar 2016 ‑ 13 A 1868/15.A, juris, Rn. 3, vom 7. Januar 2013 ‑ 13 A 727/10.A ‑, vom 10. August 2012 ‑ 13 A 151/12.A ‑, juris, Rn. 2 und vom 24. Februar 2011 ‑ 13 A 2839/10.A ‑.
5Daran fehlt es hier. Die Frage,
6„ob die inländische Schutzalternative des Artikel 8 QRL II voraussetzt, dass am Ort der inländischen Schutzalternative ein normales Leben mit Zugang zu Nahrung, Wasser, Unterkunft und medizinischer Versorgung unter Beachtung der individuellen Bedürfnisse und ein normales Leben mit mehr als dem bloßen Existenzminimum ohne ein Leben in Not und mit Entbehrungen auf Dauer gewährleistet, also sichergestellt ist, und die Garantie der Achtung der Menschenrechte des Betroffenen ein ausreichendes Maß an Stabilität und effektiven staatlichen und zivilen Schutzstrukturen, die auf Dauer effektiven Schutz vermitteln, gewährleistet, also sichergestellt ist“,
7ist nicht grundsätzlich bedeutsam. Sie betrifft die - nicht klärungsbedürftigen, weil bereits geklärten - Anforderungen, die an die Annahme einer internen Schutzalternative im Sinne des Art. 8 QRL II zu stellen sind. Die Frage, wann von einem Schutzsuchenden „vernünftigerweise erwartet werden kann“, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil aufhält, hat das Bundesverwaltungsgericht dahin präzisiert, dass dieser Zumutbarkeitsmaßstab über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinausgehe.
8Vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 ‑, juris, Rn. 35, und vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris, Rn. 20.
9Dass diese Feststellung nicht den Grad an Detailliertheit erreicht, den der Kläger insoweit für geboten hält, ist zulassungsrechtlich unerheblich. Im Übrigen ist diese Frage auch in der Rechtsprechung des Senats geklärt, der hierzu in seinem Urteil vom 26. August 2014 - 13 A 2998/11 - im Anschluss an die Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg ‑ Folgendes ausgeführt hat:
10„Nach den vorstehend genannten Grundsätzen bietet ein verfolgungssicherer Ort erwerbsfähigen Personen eine zumutbare Schutzalternative etwa dann, wenn sie dort, sei es durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem angemessenen Lebensunterhalt Erforderliche erlangen können. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder im Bausektor, ausgeübt werden können. Nicht zumutbar sind hingegen jedenfalls die entgeltliche Erwerbstätigkeit für eine kriminelle Organisation, die in der fortgesetzten Begehung von oder Teilnahme an Verbrechen besteht. Ein verfolgungssicherer Ort, an dem selbst das Existenzminimum nur durch derartiges kriminelles Handeln erlangt werden kann, bietet keinen internen Schutz.
11Vgl. VGH Bad.Württ., Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -, juris, Rn. 30.”
122. Die Berufung ist auch nicht wegen der vom Kläger erhobenen Divergenzrüge gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG zuzulassen. Die Darlegung einer Abweichung nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass der Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz benennt, mit dem das Verwaltungsgericht einem in der Rechtsprechung eines in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Divergenzgerichts aufgestellten entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz widersprochen hat.
13Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 2007 - 1 B 271.06 -, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Januar 2014 - 13 A 1705/13.A -, und vom 2. April 2004 - 15 A 1298/04.A -, juris, Rn. 8.
14Eine Abweichung ist danach vorliegend nicht dargetan.
15Das Verwaltungsgericht hat in der angegriffenen Entscheidung keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der von einem in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - aufgestellten Rechtssatz abweicht. In dem vom Kläger zitierten Urteilsausschnitt wird ausgeführt, welcher Zumutbarkeitsmaßstab beim Vorliegen eines bewaffneten Konflikts in der Herkunftsregion zur Bejahung eines internen Schutzes gilt, nämlich die Sicherung der Existenzgrundlage über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus, und zwar in einem solchen Umfang, dass vom Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält. Das Verwaltungsgericht widerspricht den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts nicht. Im Gegenteil wird im angefochtenen Urteil die Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht mit eben mit diesem Maßstab zitiert und auch richtigerweise erläutert, dass hierfür mehr zu fordern ist, als ein kümmerliches Einkommen zur Finanzierung eines Lebens am Rande des Existenzminimums. Wenn das Verwaltungsgericht im Folgenden dann ausführt, dass gesunde, junge und arbeitsfähige Männer im Falle der Abschiebung nach Afghanistan im Raum Kabul derzeit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit einer Extremgefahr für Leben und Gesundheit ausgesetzt seien (Seite 15) und dass der Kläger als alleinstehender, gesunder, junger und arbeitsfähiger Mann im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan im Raum Kabul derzeit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit einer Extremgefahr für Leben und Gesundheit ausgesetzt sei (Seite 16), kann dies allenfalls eine fehlerhafte Rechtsanwendung sein, nicht jedoch die konkludente Aufstellung eines erneuten abstrakten Rechtssatzes, der dazu noch demjenigen widerspricht, den das Verwaltungsgericht kurz zuvor auf Seite 15 unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als maßgeblich angesehen hat. Schließlich hat das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang auch auf eine Entscheidung des erkennenden Senats zum Bestehen einer internen Schutzalternative im Sinne von § 3e Abs. 1 AsylG bei Personen mit einem dem Kläger vergleichbaren Risikoprofil verwiesen,
16vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. August 2014 - 13 A 2998/11.A -, juris, Rn. 189 ff,
17in der sich der Senat ausdrücklich dem Maßstab des Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 31. Januar 2013 angeschlossen hat.
18Soweit der Kläger darüber hinaus geltend macht, das Verwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung abweichend von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - und dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juni 2012 - 10 B 6.12 - inzident den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU (QRL II) sei bei Wahrunterstellung eines Vorverfolgungsschicksals nicht zu beachten, führt dieser Einwand ebenfalls nicht zum Erfolg der Divergenzrüge. Dem angefochtenen Urteil ist ein derartiger Rechtssatz schon weder ausdrücklich noch konkludent zu entnehmen. Art. 4 Abs. 4 QRL II ist im angefochtenen Urteil nicht erwähnt worden. Dies kann aber allenfalls eine im Rahmen der erhobenen Divergenzrüge unbeachtliche fehlerhafte einzelfallbezogene Rechtsanwendung sein, nicht jedoch das konkludente Aufstellen eines abstrakten Rechtssatzes. Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht selbständig tragend angenommen, dem Kläger könne die geltend gemachte Vorverfolgung nicht geglaubt werden.
193. Die Berufung ist schließlich auch nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO wegen der geltend gemachten Gehörsrüge zuzulassen.
20Das Gebot des rechtlichen Gehörs (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG) gibt einem Prozessbeteiligten das Recht, alles aus seiner Sicht Wesentliche vortragen zu können, und verpflichtet das Gericht, dieses Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in seine Entscheidungserwägungen einzustellen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat. Das Gericht ist nicht verpflichtet, den Ausführungen eines Beteiligten in der Sache zu folgen.
21Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - 2 BvR 722/06 -, juris, Rn. 23; BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 1999 - 6 B 65.98 -, juris, Rn. 9.
22Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist dabei von vornherein nicht geeignet, eine - vermeintlich - fehlerhafte Feststellung und Bewertung des Sachverhalts einschließlich seiner rechtlichen Würdigung zu beanstanden.
23Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. August 2004 - 1 BvR 1557/01 -, juris, Rn. 17, OVG NRW, Beschlüsse vom 28. März 2013 - 13 A 412/12.A, Rn. 3 - und vom 6. August 2010 - 13 A 829/09.A -, juris, Rn. 12.
24Gemessen hieran liegt ein Gehörsverstoß nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr die wesentlichen, entscheidungserheblichen Angaben des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal zur Kenntnis genommen und umfassend gewürdigt. Aus dem Zulassungsvorbringen ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht etwa tatsächliches Vorbringen des Klägers überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat.
25Das betrifft zunächst die vom Kläger vorgelegten Fotos, die ohnehin allenfalls den Tod der Personen belegen können, aber weder etwas zur Todesursache und erst recht nichts Zwingendes für das Verfolgungsschicksal des Klägers hergeben. Das Ignorieren der vom Kläger schon beim Bundesamt vorgelegten Schriftstücke, deren Absender die Taliban bzw. die Hesb-e Islami sein sollen, ist ebenfalls nicht erkennbar. Dass der Kläger diese erhalten haben soll wurde sowohl im Tatbestand als auch in den Entscheidungsgründen des Urteils angeführt und war auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auch hinsichtlich der im Zulassungsantrag angeführten Erkenntnisquellen ist eine Gehörsverletzung nicht festzustellen. Dass diese im Urteil des Verwaltungsgerichts nicht sämtlichst erwähnt werden, ist kein Beleg dafür, dass sie nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht mit erwogen wurden. Die Stellungnahme des Herrn Dr. Danesch an den HessVGH vom 3. September 2013, die bereits in der dem Kläger übersandten Erkenntnisliste des Verwaltungsgerichts enthalten ist, wurde auch im angefochtenen Urteil zitiert.
26Dass das Verwaltungsgericht nach Auffassung des Klägers nicht ausreichend seine Minderjährigkeit bei den von ihm geltend gemachten Verfolgungshandlungen, das ihm dabei zugefügte Leid, sein Bildungsniveau und den zwischenzeitlich vergangenen Zeitraum berücksichtigt habe, sind Fragen der rechtlichen Bewertung seines Vortrags und mit der Gehörsrüge nicht angreifbar. Ein Verfahrensverstoß kann allenfalls ausnahmsweise bei einer von Willkür geprägten Beweiswürdigung in Betracht kommen, etwa bei einem Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze.
27Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Juni 2005 - 1 B 185.04 -, juris, Rn. 3, und vom 18. April 2008 - 8 B 105.07 -, juris, Rn. 10, OVG NRW, Beschluss vom 28. März 2013 - 13 A 412/12.A -, juris.
28Eine von Willkür geprägte Beweiswürdigung liegt nicht in der Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt von nur einer Entführung berichtet. Dass er auf Seite 4 des Protokolls im ersten Absatz von einer und im dritten Absatz auf derselben Seite von einer weiteren Entführung berichtet haben soll, ist dem Protokoll schon nicht zu entnehmen. Vielmehr spricht alles dafür, dass Absatz 3 Konkretisierungen und Ergänzungen des bereits zuvor Geschilderten enthält und demzufolge keine weitere Entführung berichtet, sondern nur nochmals wiederholt wurde, dass eine Entführung stattgefunden habe. Willkürlich ist die angefochtene Entscheidung auch nicht deshalb, weil dem Kläger einerseits eine erhebliche Steigerung des Vorbringens vorgeworfen wird, andererseits aber ausgeführt wird, er habe sich weitestgehend auf einige wenige Angaben beschränkt. Es handelt sich dabei schon nicht um eine logisch unmögliche Schlussfolgerung. Im Übrigen wird im Urteil detailliert ausgeführt, inwieweit und warum gesteigertes Vorbringen vorliegt und worauf die Aussage gründet, der Kläger habe sich auch in der mündlichen Verhandlung weitestgehend auf einige wenige Angaben beschränkt. Desweiteren ist die Wertung des Gerichts, eine weitere Entführung des Klägers zur Aufenthaltsermittlung des Vaters spreche für eine Intensivierung von Foltermaßnahmen, nicht willkürlich. Eine derartige Schlussfolgerung ist vielmehr logisch nachvollziehbar, wenngleich nicht unbedingt zwingend. Gleiches gilt auch für die Ausführungen des Gerichts zu den Drohbriefen. Einen Widerspruch anzunehmen, wenn der Kläger zunächst angibt, er habe die Briefe erhalten und später auf Nachfrage ausführt, nicht er direkt habe die Briefe erhalten, Ansprechpartner sei vielmehr der Onkel gewesen, ist jedenfalls nicht denkunlogisch. Eine objektiv willkürliche Beweiswürdigung ist ferner nicht anzunehmen, soweit das Verwaltungsgericht keinerlei Anhaltspunkte dafür sieht, dass der Kläger in Kabul nach längerer Zeit von den Taliban aus der Provinz Kapisa gesucht und ausfindig gemacht werde. Unter Berücksichtigung der Ausführungen des vorliegenden Falles verstößt die Wertung des Verwaltungsgerichts auch mit Blick auf die vom Kläger genannten Erkenntnisquellen weder gegen allgemeine Erfahrungssätze noch gegen Denkgesetze. Schließlich sind auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur drohenden Zwangsrekrutierung des Klägers durch die Taliban (Seite 12) mit Blick auf die Angaben des Klägers und deren Bewertung durch das Gericht nachvollziehbar und keineswegs willkürlich.
29Soweit das Verwaltungsgericht aus den auf Seite 10 bis 12 des Urteils genannten Gründen den Vortrag des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal als insgesamt unglaubhaft bewertet hat, ohne den Kläger vorab darauf sowie auf die Bewertung der einzelnen Komplexe seiner Schilderungen hinzuweisen, betrifft das lediglich den der Gehörsrüge entzogenen Bereich der richterlichen Rechtsfindung. Das Recht auf rechtliches Gehör begründet keine Pflicht des Gerichts, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder mögliche Würdigung des Sachverhalts hinzuweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Einschätzung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Entscheidungsfindung nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergibt. Eine den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs konkretisierende gerichtliche Hinweispflicht - zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung - besteht nur dann, wenn auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht mit einer bestimmten Bewertung seines Sachvortrags durch das Verwaltungsgericht zu rechnen braucht.
30Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Januar 2010 - 5 B 21.09 -, juris Rn. 18 und vom 26. November 2001 - 1 B 347.01 -, juris, Rn. 5 m. w. N.
31Im Übrigen besteht insbesondere aus Art. 103 Abs. 1 GG keine Verpflichtung des Verwaltungsgerichts, auf Unstimmigkeiten und Widersprüche hinzuweisen und eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen.
32Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. April 1986 - 9 C 318.85 ‑, juris, Rn. 13.
33Danach waren selbst bei Berücksichtigung besonderer Umstände des Einzelfalles, wie eine möglicherweise geringe Schulbildung des Klägers, seine Minderjährigkeit während des Zeitraumes der behaupteten Verfolgungshandlungen sowie eine möglicherweise nicht wortgetreue Protokollierung beim Bundesamt, nicht ausnahmsweise zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung Hinweise des Verwaltungsgerichts auf Widersprüche, Ungereimtheiten und gesteigertes Vorbringen sowie auf die Würdigung des Sachverhalts geboten. Sowohl aus dem Anhörungsprotokoll des Bundesamtes als auch aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass der Kläger in der Lage ist, sich angemessen zu artikulieren. Verständnisschwierigkeiten mit dem Dolmetscher hatte er nach eigenem Bekunden nicht. Er wird darüber hinaus auch anwaltlich vertreten. Die vom Kläger angeführten Verfahrensgarantien für Minderjährige sind unerheblich, da der Kläger bereits bei Stellung des Asylantrags nicht mehr minderjährig war.
34Die Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrags Nr. 4 begründet keine Verletzung rechtlichen Gehörs. Die Ablehnung von Beweisanträgen stellt nur dann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO, § 244 StPO). Dass lässt sich nicht feststellen. Das Verwaltungsgericht hat die Ablehnung selbstständig darauf gestützt, dass die Beweistatsachen nicht entscheidungserheblich sind, weil es auf die Verhältnisse in der Provinz Kapisa, die Gegenstand des Beweisantrags sind, nicht ankomme. Eine Beweiserhebung über Tatsachen, die nach der Auffassung des Gerichts nicht entscheidungserheblich sind, ist prozessrechtlich unter keinem Gesichtspunkt geboten. Sofern der Kläger mit seinen Ausführungen zudem die Verletzung der Aufklärungspflicht rügt, führt dies schon deshalb nicht weiter, weil der Verstoß gegen die Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) keinen Zulassungsgrund im Sinne des § 78 Abs. 3 AsylG darstellt und grundsätzlich auch keinen Gehörsverstoß begründet.
35Die fehlende Prüfung des Art. 4 Abs. 4 QRL II durch das Verwaltungsgericht trotz eines entsprechenden Hinweises des Klägers auf diese Norm begründet schon deshalb keine Gehörsverletzung, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Das Verwaltungsgericht hat den Vortrag des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal als insgesamt unglaubhaft bewertet und daher keine Vorverfolgung angenommen.
36Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 83 b AsylG.
37Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 12. März 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3I. Der vom Kläger zunächst geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels wegen der Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG in Verbindung mit § 138 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.
4Das in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Gebot des rechtlichen Gehörs gibt einem Prozessbeteiligten das Recht, alles aus seiner Sicht Wesentliche vortragen zu können. Es verpflichtet das Gericht, dieses Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in seine Entscheidungserwägungen einzustellen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat. Das Gericht ist nicht verpflichtet, den Ausführungen eines Beteiligten in der Sache zu folgen. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht geeignet, eine - vermeintlich - fehlerhafte Feststellung und Bewertung des Sachverhalts einschließlich seiner rechtlichen Würdigung zu beanstanden.
5Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. September 2014
6-13 A 2557/13.A -, juris Rn. 3 f.
7Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Gerichte das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie brauchen sich dabei nicht mit jedem Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Aus einem Schweigen der Entscheidungsgründe zu Einzelheiten des Prozessstoffs allein kann noch nicht der Schluss gezogen werden, das Gericht habe diese nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann daher nur dann festgestellt werden, wenn sich aus den besonderen Umständen des Falles deutlich ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen der Beteiligten nicht in Erwägung gezogen hat,
8vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2011
9- 10 B 38.11 -, juris.
10Gemessen daran ist eine Gehörsverletzung auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht feststellbar. Ohne Erfolg wendet der Kläger insoweit ein, das Verwaltungsgericht habe den Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom 5. Oktober 2014 (Afghanistan: Update – Die aktuelle Sicherheitslage), auf den er sich mit seinem Schriftsatz vom 25. Februar 2015 „zur ergänzenden Klagebegründung“ bezogen hat, nicht zur Kenntnis genommen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht den Bericht der SFH nicht zur Kenntnis genommen hat. Dass dieser in der Entscheidung nicht ausdrücklich benannt oder auf andere Weise positiv erkennbar wird, dass er Berücksichtigung gefunden hat, ist unschädlich. Inhaltlich benannte der Bevollmächtigte des Klägers diesen Bericht der SFH in seinem Schriftsatz vom 25. Februar 2015 zur ergänzenden Klagebegründung und fokussierte die Aufmerksamkeit auf die in dem Bericht enthaltenen Informationen zur „prekären Lebenssituation aus dem Ausland zurückgekehrter Flüchtlinge und von Binnenvertriebenen“, was er als entscheidungserheblich bezeichnete, da der Kläger keine Verwandten in Afghanistan, keine abgeschlossene Berufsausbildung, keinen Wohnraum und kein soziales Umfeld habe. Die in dem Bericht der SFH vom 5. Oktober 2014 zur Situation von zurückkehrenden Flüchtlingen oder intern Vertriebenen enthaltenen Informationen finden sich auf der letzen von 21 Seiten (Ziff. 7: „Rückkehr“) und enthalten keine neuen Erkenntnisse zu dieser Thematik. Der vom Kläger als nicht berücksichtigt gerügte Bericht steht damit zugleich nicht im Widerspruch zu den Einschätzungen des Verwaltungsgerichts zur Rückkehrgefährdung des Klägers. Einen solchen Widerspruch hat auch der Kläger nicht dargelegt. Dass der Bericht nicht zitiert wurde, ist nicht entscheidend.
11Die übrigen Ausführungen des Klägers zu der behaupteten Verletzung seines rechtlichen Gehörs legen eine Gehörsverletzung im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG in Verbindung mit § 138 Nr. 3 VwGO schon nicht dar. Der Kläger benennt hier nicht konkret von ihm vorgetragene und nicht berücksichtigte Umstände bzw. rügt nicht ihm genommene Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen. Vielmehr kritisiert er u. a., das Verwaltungsgericht habe keine (Erkenntnis-)Quellen aus 2014/2015 herangezogen, die aktuelle Rechtsprechung des OVG NRW nicht erwähnt und keine Quellen berücksichtigt, die sich mit der angeblich „qualitativ veränderten Situation nach Abzug der ausländischen Truppen“ befassten; insgesamt führe dies zu der Annahme, dass das Verwaltungsgericht die gesamte Entwicklung in Afghanistan im Jahr 2014 nicht zur Kenntnis genommen habe. All dies reicht schon nicht zur Darlegung eines Gehörsverstoßes, weil es letztlich gegen den vom Gericht ermittelten bzw. zu ermittelnden (§ 86 Abs. 1 VwGO) bzw. den zu Grunde gelegten Sachverhalt (§ 108 Abs. 1 VwGO) gerichtet ist. Behauptete Verstöße gegen diese Vorschriften – die letztlich auch nicht vorliegen dürften – gehören im Asylprozess nicht zu den Verfahrensfehlern, die gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 VwGO zur Zulassung der Berufung führen können.
12II. Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) zuzulassen.
13Die vom Kläger aufgeworfenen Fragen,
141. ob in der afghanischen Provinz Faryab unter Berücksichtigung des Abzugs eines großen Teils der internationalen Streitkräfte sowie der Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen in Afghanistan eine besonders exponierte Gefahrenlage, die durch ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt gekennzeichnet ist, besteht,
152. ob sich seit der Entscheidung des OVG Münster vom 26. August 2014 – 13 A 2098/11.A – in Folge des Abzugs eines großen Teils der internationalen Streitkräfte und des Ergebnisses der Präsidentschaftswahlen die Sicherheitslage in Afghanistan, speziell in Kabul und im Großraum von Kabul sowie in der Provinz Faryab in der Weise verschlechtert hat, dass jederzeit und überall mit Anschlägen der Taliban zu rechnen ist und die afghanischen Sicherheitskräfte effektiven Schutz auch der Zivilbevölkerung nicht (mehr) gewährleisten können,
163. ob sich die humanitäre Lage nach dem Abzug eines Großteils der internationalen Streitkräfte insbesondere durch Übergriffe der Taliban gegen Lebensmitteltransporte, Hilfskonvois und NGOs so verschärft hat, dass die Versorgung der Bevölkerung im Großraum Kabul gefährdet ist, und
174. ob sich seit der Entscheidung des OVG Münster vom 26. August 2014 die humanitäre Lage in Kabul und im Großraum Kabul aufgrund des Vordringens der Taliban und anderer radikaler Kräfte und aufgrund von Übergriffen der Taliban und anderer radikaler Kräfte auf Hilfskonvois und Versorgungsgüter in einer Weise verändert hat, dass einem alleinstehenden jungen Mann, der aus dem Ausland zurückkehrt, die Sicherung seines Existenzminimums nicht (mehr) gewährleistet ist,
18die sich teilweise überschneiden und Redundanzen aufweisen, rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung.
191. In Bezug auf die 1. Frage hat der Kläger schon deren grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit nicht in der von § 124 a Abs. 3 Satz 5 VwGO geforderten Weise „dargelegt“. Denn im Zulassungsantrag vom 20. März 2015 trägt der Kläger vor, das Verwaltungsgericht habe den Rechtssatz aufgestellt, dass aktuell weder in den nördlichen Provinzen noch sonst in Afghanistan eine besonders exponierte Gefahrenlage im Sinne der Definition der subsidiären Schutzgewährung bestehe. Dies trifft jedoch nicht zu (vgl. S. 9 Mitte des Urteilsabdruckes). Das Verwaltungsgericht hat im Weiteren lediglich auf die Verhältnisse in Kabul abgestellt.
202. Auch die vom Kläger aufgeworfene 2. Frage rechtfertigt nicht die Berufungszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung. Die damit letztlich zur grundsätzlichen Entscheidung gestellte Frage der Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des Klägers sowie im Großraum Kabul ist einer generellen und grundsätzlichen Klärung schon nicht zugänglich: Die Provinz Faryab umfasst bereits sehr verschiedene Distrikte mit ganz erheblich verschiedenen Gefährdungslagen. Kabul bzw. der Großraum Kabul sind wieder ganz anders zu bewerten. Wie sich die Sicherheitslage in diesen Bereichen auf eine einzelne Person wiederum auswirkt, hängt entscheidend von den Eigenschaften dieser Person ab. All dies bewirkt, dass eine grundsätzliche Klärung der vom Kläger gestellten 2. Frage für die in seinem Fall zu treffende Entscheidung über subsidiären Schutz nicht dienlich ist.
21Zudem bedarf diese Frage auch nicht der grundsätzlichen Klärung. Der Senat hat sich vor relativ kurzer Zeit eingehend mit den Sicherheitsfragen in und um Kabul sowie anderen Provinzen befasst und sämtliche verfügbaren Erkenntnisse umfassend ausgewertet und bewertet,
22Urteil vom 26. August 2014 – 13 A 2998/11.A –, juris.
23Zu diesem Zeitpunkt befand sich die als Transition bezeichnete Übergabe der Sicherheitsverantwortung von der in der ISAF repräsentierten internationalen Gemeinschaft an die afghanischen Sicherheitskräfte bereits seit Mitte 2013 im Gange. Die zuvor in erheblichen Umfang in Afghanistan stationierten Kräfte der ISAF-Mission waren bereits deutlich reduziert, von ca. 130.000 Soldaten Anfang 2012 auf ca. 35.000 Soldaten (etwas später, im Oktober 2014),
24Wikipedia, Artikel „International Security Assistance Force”, http://de.wikipedia.org/wiki/International_Security_Assistance_Force, abgerufen am 5. Mai 2015.
25Dieser – unvollständige – Truppenabzug der internationalen Streitkräfte setzte sich bis zum Jahresende 2014 fort. Ab Anfang 2015 befinden sich planerisch noch internationale Streitkräfte im Umfang von etwa 13.000 Soldaten in Afghanistan, die im Rahmen der ISAF-Nachfolgemission „Resolute Support“ die afghanischen Sicherheitskräfte beraten, ausbilden und unterstützen sollen. Die vom Kläger angeführte und den von ihm im Zulassungsantrag genannten Erkenntnissen grundsätzlich auch zu entnehmende negative Entwicklung der Sicherheitslage in Afghanistan im Zusammenhang mit dem überwiegenden Abzug der internationalen Streitkräfte war zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung vom 26. August 2014 bereits erkennbar. Der fortgesetzte Abzug der internationalen Streitkräfte im zweiten Halbjahr 2014 und das Ende der ISAF-Mission gebieten keine veränderte Bewertung der Sicherheitslage in Afghanistan in Bezug auf die Gewährung subsidiären Schutzes oder die Feststellung von Abschiebungsverboten.
26Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Januar 2015 – 13 A 1201/12.A –, juris Rn. 46 f.; Sächs. OVG, Beschluss vom 23. Januar 2015 – A 1 A 140/13 –, juris Rn. 9; BayVGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 13a B 14.30309 –, juris Rn. 17 ff., insbesondere Rn. 23.
27Bei Auswertung sämtlicher vom Kläger im Zulassungsantrag benannter Erkenntnisse (Schweizerische Flüchtlingshilfe – SFH – vom 5. Oktober 2014: Afghanistan: Update – Die aktuelle Sicherheitslage; EASO, Country of Origin Information Report von Januar 2015: Afghanistan – Security Situation; UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs – OCHA – von November 2014: 2015 – Humanitarian Needs Overview: Afghanistan; Integrated Regional Information Network – IRIN – vom 19. Januar 2015: Aid at risk as Afghanistan’s war splinters) sowie des jüngsten Berichts des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 2. März 2015 (Stand Oktober 2014) gelangt der Senat zur aktuellen Einschätzung, dass sich im Zeitverlauf mit dem fortschreitenden Truppenabzug gewisse Veränderungen der Sicherheitslage in Afghanistan ergeben haben mögen, diese jedoch kein hinreichendes Gewicht besitzen, um das Bedürfnis für eine erneute grundsätzliche Klärung zu begründen. Es bleibt bei der Bewertung, dass Kabul als interne Schutzalternative gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3 e AsylVfG einen Anspruch eines alleinstehenden, gesunden Mannes auf Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter ausschließt.
28Die Situation in Bezug auf die Präsidentschaftswahlen aus dem Frühjahr 2014 hat keine gesonderten Auswirkungen von einigem Gewicht auf die für den Senat entscheidende Sicherheitslage. Zum Zeitpunkt des Urteils vom 26. August 2014 – 13 A 2998/11.A – befand sich Afghanistan in der instabilen „Hänge-Phase“ zwischen den Präsidentschaftswahlen und der Einigung zwischen Ashraf Ghani Ahmadzai und Abdullah Abdullah über die Regierungsbildung. Diese Situation lag jener Entscheidung zugrunde. Die dann Ende September 2014 erfolgte Bildung der Einheitsregierung unter Beteiligung beider Männer an der Macht hat die politisch schwierige und mit Instabilität und unklaren Zukunftsaussichten verbundene Situation jedenfalls nicht verschlechtert.
293. Auch die vom Kläger zu Ziff. 3. und 4. aufgeworfenen Fragen rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht. Dabei ist Frage 3. schon überflüssig, weil sie im Vergleich mit Frage 4. einen abstrakteren Blickwinkel eröffnet, der für die Entscheidung des Begehrens des Klägers so nicht relevant ist. Die von Frage 4. vorgenommene Fokussierung auf die Veränderungen nach der Entscheidung des Senats vom 26. August 2014 – 13 A 2998/11.A – sowie die Gefährdungsbewertung für einen Rückkehrer mit dem Risikoprofil des Klägers verdeutlicht, dass diese gegenüber der Frage 3. vorrangig ist. Jedoch gilt auch für Frage 4., dass die seit dem 26. August 2014 eingetretenen Entwicklungen keine grundlegende Neubewertung der Lage in Kabul, auch nicht aus dem humanitären Blickwinkel, gebieten und deshalb aus den zu 2. dargelegten Gründen auch kein Bedarf für eine – erneute – grundsätzliche Klärung besteht. Die wohl verminderte Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte über die Hauptstadt Kabul, die Region Kabul oder andere Teile Afghanistans erweitert zwar die Möglichkeiten der regierungsfeindlichen Kräfte zu Anschlägen, Ausübung von Gewalt oder anderen Aktionen. Dies führt jedoch für sich genommen nicht zu einer extremen Gefahrenlage. Auch die Auswirkungen auf die humanitäre Situation, besonders die Infrastruktur oder die Versorgungslage in Bezug auf alle lebensnotwendigen Bereiche, sind jedoch für die afghanische Bevölkerung im Allgemeinen bzw. einen Rückkehrer wie den Kläger nicht erheblich. Der vom Kläger hergestellte Zusammenhang zwischen erweiterten Möglichkeiten der Gewaltausübung für regierungsfeindliche Kräfte und der Versorgungslage für die Bevölkerung durch angebliche Angriffe auf Nichtregierungsorganisationen, Hilfskonvois oder Lebensmitteltransporte lässt sich nicht in relevantem Umfang feststellen. Solche Aktionen, die sich nennenswert auf die Versorgungslage der Bevölkerung auswirken müssten, lassen sich den vom Kläger benannten Erkenntnissen nicht entnehmen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere der IRIN-Artikel „Aid at risk as Afghanistan‘s war splinters“ vom 19. Januar 2015 erwähnt lediglich singulär einen im Mai 2013 erfolgten Angriff auf den Sitz des Roten Kreuzes (IKRK) in Jalalabad in der Provinz Nangahar, der dem Vernehmen nach einer Taliban-Fraktion zugeschrieben wurde. Ein flächendeckendes Auftreten solcher Aktionen in jüngerer Zeit, besonders nach dem 26. August 2014, mit nennenswerten Auswirkungen für die Versorgungslage der Bevölkerung ist der Erkenntnislage hingegen nicht zu entnehmen.
30Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.
31Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 27. März 2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Keiner der in § 78 Abs. 3 AsylVfG abschließend aufgeführten Gründe für eine Zulassung der Berufung liegt vor.
31. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG). Die Darlegung der Grundsatzbedeutung setzt voraus, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärte und für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird; zudem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind die konkrete Frage, ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung.
4Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Januar 2013 - 13 A 727/10.A -, vom 10. August 2012 - 13 A 151/12.A ‑, juris, Rn. 2 und vom 24. Februar 2011 ‑ 13 A 2839/10.A -.
5Die vom Kläger aufgeworfene Frage,
6„ob Mitglieder monarchistischer Organisationen bzw. der monarchistischen Bewegung mit schwerer Bestrafung rechnen müssen, wenn man ihnen konkrete regimefeindliche Aktivitäten nachweisen kann“
7ist nicht entscheidungserheblich und deswegen auch nicht klärungsbedürftig. Denn das Verwaltungsgericht hat es bereits als unglaubhaft angesehen, dass der Kläger sich im Iran politisch betätigt und regimefeindliche Aktivitäten, namentlich mit dem Ziel der Verbreitung des Buches „Die satanischen Verse“ von Salman Rushdie, entfaltet hat. Es ist deswegen nicht von Bedeutung, welche Sanktionen Personen erwarten, die sich in dieser Form betätigen. Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, das Verwaltungsgericht habe sein Vorbringen insoweit zu Unrecht als unglaubhaft gewürdigt, und versucht, dessen getroffene Bewertung im Stil einer Berufungsschrift zu entkräften, wendet er sich - zur Begründung der Grundsatzbedeutung ohne Aussicht auf Erfolg - gegen eine Sachverhalts- und Beweiswürdigung im konkreten Einzelfall.
82. Die Berufung ist nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO wegen der geltend gemachten Gehörsrüge zuzulassen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gibt einem Prozessbeteiligten das Recht, alles aus seiner Sicht Wesentliche vortragen zu können, und verpflichtet das Gericht, dieses Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in seine Entscheidungserwägungen einzustellen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat. Das Gericht ist nicht verpflichtet, den Ausführungen eines Beteiligten in der Sache zu folgen.
9Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - 2 BvR 722/06 -, juris, Rn. 23; BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 1999 - 6 B 65.98 -, juris, Rn. 9.
10Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist dabei von vornherein nicht geeignet, eine - vermeintlich - fehlerhafte Feststellung und Bewertung des Sachverhalts einschließlich seiner rechtlichen Würdigung zu beanstanden.
11Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. August 2004- 1 BvR 1557/01 -, juris, Rn. 17; OVG NRW, Beschlüsse vom 28. März 2013 - 13 A 412/12.A -, juris, Rn. 3 und vom 7. Februar 2013 - 13 A 2871/12.A -, juris, Rn. 14.
12Entgegen der Auffassung des Klägers folgt ein Gehörsverstoß nicht aus der Ablehnung der in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge zu den Ziffern 2 und 3. Die Ablehnung von Beweisanträgen führt nur dann zu einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO, § 244 StPO). Das ist hier nicht der Fall, weil die Ablehnung der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge zu den Ziffern 2 und 3 durch das Prozessrecht gedeckt ist.
13Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung beantragt hat, zum Beweis der Tatsache, dass er von seiner monarchistischen Organisation beauftragt war, das englischsprachige Manuskript des Buches „Die satanischen Verse“ von Salman Rushdie einem Übersetzer/Dolmetscher zu überbringen, zwei von ihm benannte Zeugen zu vernehmen, hat das Verwaltungsgericht diesen Antrag prozessordnungsrechtlich beanstandungsfrei mit der Begründung abgelehnt, der dem Antrag zugrunde liegende Tatsachenvortrag sei unsubstantiiert und widersprüchlich. Hierin liegt kein Verstoß gegen das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung. Es ist anerkannt, dass das Verwaltungsgericht auch einem substantiierten Beweisantrag zum Verfolgungsgeschehen nicht nachgehen muss, wenn die Schilderung, die der Asylkläger hierzu gibt, in wesentlichen Punkten unzutreffend oder in nicht auflösbarer Weise widersprüchlich ist.
14Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 1989 - 9 B 405.89 -, juris, Rn. 8 und Beschluss vom 20. Juni 1998 - 9 B 10.98 -, juris, Rn. 6.
15In ihrer Gesamtschau erlaubten die Angaben des Klägers - auch ohne, dass hierin eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung liegt - die Bewertung, dass
16die für die Ablehnung eines Beweisantrages in dieser Hinsicht erforderliche Schwelle überschritten war. Dass das Verwaltungsgericht seinen Beweisantrag abgelehnt hat, begegnet auch deswegen keinen Bedenken, weil er unsubstantiiert war. Denn es fehlt an der Darlegung, welche Wahrnehmungen die in Deutschland lebenden benannten Zeugen in Bezug auf das Beweisthema selbst gemacht haben sollen. Der pauschale Hinweis darauf, dass sie über „die Tätigkeit des Klägers im Iran“ informiert gewesen seien, reicht insoweit ohne nähere Erläuterungen nicht aus. Daraus ergibt sich schon nicht, dass die Zeugen über die hier in Rede stehende Einzelaktion informiert waren. Angesichts dessen, dass die Zeugen ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, und der jedenfalls nicht auf der Hand liegenden besonderen Bedeutsamkeit der letztlich nur als Botenleistung einzustufenden behaupteten Tätigkeit des Klägers ist dies auch lebensfremd.
17Den unter Ziffer 3 gestellten Antrag, zum Beweis der Tatsache, dass Mitglieder monarchistischer Organisationen bzw. der monarchistischen Bewegung mit schwerer Bestrafung rechnen müssen, wenn man ihnen konkrete regierungsfeindliche Aktivitäten - wie die Verbreitung des Buches von Salman Rushdie „Die satanische Verse“ - nachweisen kann, eine sachverständige Auskunft einzuholen, hat das Verwaltungsgericht ebenfalls im Einklang mit dem Prozessrecht abgelehnt. Denn eine Beweiserhebung dazu wäre, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, für die Entscheidung ohne Bedeutung, weil der Kläger derartige Aktivitäten nach dessen Überzeugung bereits nicht glaubhaft dargelegt hat.
18Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylVfG.
19Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.
(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.
(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.
(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht
- 1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und - 2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.
Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn
- 1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, - 2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, - 3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, - 4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, - 5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder - 6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 12. März 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3I. Der vom Kläger zunächst geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels wegen der Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG in Verbindung mit § 138 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.
4Das in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Gebot des rechtlichen Gehörs gibt einem Prozessbeteiligten das Recht, alles aus seiner Sicht Wesentliche vortragen zu können. Es verpflichtet das Gericht, dieses Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in seine Entscheidungserwägungen einzustellen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat. Das Gericht ist nicht verpflichtet, den Ausführungen eines Beteiligten in der Sache zu folgen. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht geeignet, eine - vermeintlich - fehlerhafte Feststellung und Bewertung des Sachverhalts einschließlich seiner rechtlichen Würdigung zu beanstanden.
5Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. September 2014
6-13 A 2557/13.A -, juris Rn. 3 f.
7Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Gerichte das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie brauchen sich dabei nicht mit jedem Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Aus einem Schweigen der Entscheidungsgründe zu Einzelheiten des Prozessstoffs allein kann noch nicht der Schluss gezogen werden, das Gericht habe diese nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann daher nur dann festgestellt werden, wenn sich aus den besonderen Umständen des Falles deutlich ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen der Beteiligten nicht in Erwägung gezogen hat,
8vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2011
9- 10 B 38.11 -, juris.
10Gemessen daran ist eine Gehörsverletzung auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht feststellbar. Ohne Erfolg wendet der Kläger insoweit ein, das Verwaltungsgericht habe den Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom 5. Oktober 2014 (Afghanistan: Update – Die aktuelle Sicherheitslage), auf den er sich mit seinem Schriftsatz vom 25. Februar 2015 „zur ergänzenden Klagebegründung“ bezogen hat, nicht zur Kenntnis genommen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht den Bericht der SFH nicht zur Kenntnis genommen hat. Dass dieser in der Entscheidung nicht ausdrücklich benannt oder auf andere Weise positiv erkennbar wird, dass er Berücksichtigung gefunden hat, ist unschädlich. Inhaltlich benannte der Bevollmächtigte des Klägers diesen Bericht der SFH in seinem Schriftsatz vom 25. Februar 2015 zur ergänzenden Klagebegründung und fokussierte die Aufmerksamkeit auf die in dem Bericht enthaltenen Informationen zur „prekären Lebenssituation aus dem Ausland zurückgekehrter Flüchtlinge und von Binnenvertriebenen“, was er als entscheidungserheblich bezeichnete, da der Kläger keine Verwandten in Afghanistan, keine abgeschlossene Berufsausbildung, keinen Wohnraum und kein soziales Umfeld habe. Die in dem Bericht der SFH vom 5. Oktober 2014 zur Situation von zurückkehrenden Flüchtlingen oder intern Vertriebenen enthaltenen Informationen finden sich auf der letzen von 21 Seiten (Ziff. 7: „Rückkehr“) und enthalten keine neuen Erkenntnisse zu dieser Thematik. Der vom Kläger als nicht berücksichtigt gerügte Bericht steht damit zugleich nicht im Widerspruch zu den Einschätzungen des Verwaltungsgerichts zur Rückkehrgefährdung des Klägers. Einen solchen Widerspruch hat auch der Kläger nicht dargelegt. Dass der Bericht nicht zitiert wurde, ist nicht entscheidend.
11Die übrigen Ausführungen des Klägers zu der behaupteten Verletzung seines rechtlichen Gehörs legen eine Gehörsverletzung im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG in Verbindung mit § 138 Nr. 3 VwGO schon nicht dar. Der Kläger benennt hier nicht konkret von ihm vorgetragene und nicht berücksichtigte Umstände bzw. rügt nicht ihm genommene Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen. Vielmehr kritisiert er u. a., das Verwaltungsgericht habe keine (Erkenntnis-)Quellen aus 2014/2015 herangezogen, die aktuelle Rechtsprechung des OVG NRW nicht erwähnt und keine Quellen berücksichtigt, die sich mit der angeblich „qualitativ veränderten Situation nach Abzug der ausländischen Truppen“ befassten; insgesamt führe dies zu der Annahme, dass das Verwaltungsgericht die gesamte Entwicklung in Afghanistan im Jahr 2014 nicht zur Kenntnis genommen habe. All dies reicht schon nicht zur Darlegung eines Gehörsverstoßes, weil es letztlich gegen den vom Gericht ermittelten bzw. zu ermittelnden (§ 86 Abs. 1 VwGO) bzw. den zu Grunde gelegten Sachverhalt (§ 108 Abs. 1 VwGO) gerichtet ist. Behauptete Verstöße gegen diese Vorschriften – die letztlich auch nicht vorliegen dürften – gehören im Asylprozess nicht zu den Verfahrensfehlern, die gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 VwGO zur Zulassung der Berufung führen können.
12II. Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) zuzulassen.
13Die vom Kläger aufgeworfenen Fragen,
141. ob in der afghanischen Provinz Faryab unter Berücksichtigung des Abzugs eines großen Teils der internationalen Streitkräfte sowie der Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen in Afghanistan eine besonders exponierte Gefahrenlage, die durch ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt gekennzeichnet ist, besteht,
152. ob sich seit der Entscheidung des OVG Münster vom 26. August 2014 – 13 A 2098/11.A – in Folge des Abzugs eines großen Teils der internationalen Streitkräfte und des Ergebnisses der Präsidentschaftswahlen die Sicherheitslage in Afghanistan, speziell in Kabul und im Großraum von Kabul sowie in der Provinz Faryab in der Weise verschlechtert hat, dass jederzeit und überall mit Anschlägen der Taliban zu rechnen ist und die afghanischen Sicherheitskräfte effektiven Schutz auch der Zivilbevölkerung nicht (mehr) gewährleisten können,
163. ob sich die humanitäre Lage nach dem Abzug eines Großteils der internationalen Streitkräfte insbesondere durch Übergriffe der Taliban gegen Lebensmitteltransporte, Hilfskonvois und NGOs so verschärft hat, dass die Versorgung der Bevölkerung im Großraum Kabul gefährdet ist, und
174. ob sich seit der Entscheidung des OVG Münster vom 26. August 2014 die humanitäre Lage in Kabul und im Großraum Kabul aufgrund des Vordringens der Taliban und anderer radikaler Kräfte und aufgrund von Übergriffen der Taliban und anderer radikaler Kräfte auf Hilfskonvois und Versorgungsgüter in einer Weise verändert hat, dass einem alleinstehenden jungen Mann, der aus dem Ausland zurückkehrt, die Sicherung seines Existenzminimums nicht (mehr) gewährleistet ist,
18die sich teilweise überschneiden und Redundanzen aufweisen, rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung.
191. In Bezug auf die 1. Frage hat der Kläger schon deren grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit nicht in der von § 124 a Abs. 3 Satz 5 VwGO geforderten Weise „dargelegt“. Denn im Zulassungsantrag vom 20. März 2015 trägt der Kläger vor, das Verwaltungsgericht habe den Rechtssatz aufgestellt, dass aktuell weder in den nördlichen Provinzen noch sonst in Afghanistan eine besonders exponierte Gefahrenlage im Sinne der Definition der subsidiären Schutzgewährung bestehe. Dies trifft jedoch nicht zu (vgl. S. 9 Mitte des Urteilsabdruckes). Das Verwaltungsgericht hat im Weiteren lediglich auf die Verhältnisse in Kabul abgestellt.
202. Auch die vom Kläger aufgeworfene 2. Frage rechtfertigt nicht die Berufungszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung. Die damit letztlich zur grundsätzlichen Entscheidung gestellte Frage der Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des Klägers sowie im Großraum Kabul ist einer generellen und grundsätzlichen Klärung schon nicht zugänglich: Die Provinz Faryab umfasst bereits sehr verschiedene Distrikte mit ganz erheblich verschiedenen Gefährdungslagen. Kabul bzw. der Großraum Kabul sind wieder ganz anders zu bewerten. Wie sich die Sicherheitslage in diesen Bereichen auf eine einzelne Person wiederum auswirkt, hängt entscheidend von den Eigenschaften dieser Person ab. All dies bewirkt, dass eine grundsätzliche Klärung der vom Kläger gestellten 2. Frage für die in seinem Fall zu treffende Entscheidung über subsidiären Schutz nicht dienlich ist.
21Zudem bedarf diese Frage auch nicht der grundsätzlichen Klärung. Der Senat hat sich vor relativ kurzer Zeit eingehend mit den Sicherheitsfragen in und um Kabul sowie anderen Provinzen befasst und sämtliche verfügbaren Erkenntnisse umfassend ausgewertet und bewertet,
22Urteil vom 26. August 2014 – 13 A 2998/11.A –, juris.
23Zu diesem Zeitpunkt befand sich die als Transition bezeichnete Übergabe der Sicherheitsverantwortung von der in der ISAF repräsentierten internationalen Gemeinschaft an die afghanischen Sicherheitskräfte bereits seit Mitte 2013 im Gange. Die zuvor in erheblichen Umfang in Afghanistan stationierten Kräfte der ISAF-Mission waren bereits deutlich reduziert, von ca. 130.000 Soldaten Anfang 2012 auf ca. 35.000 Soldaten (etwas später, im Oktober 2014),
24Wikipedia, Artikel „International Security Assistance Force”, http://de.wikipedia.org/wiki/International_Security_Assistance_Force, abgerufen am 5. Mai 2015.
25Dieser – unvollständige – Truppenabzug der internationalen Streitkräfte setzte sich bis zum Jahresende 2014 fort. Ab Anfang 2015 befinden sich planerisch noch internationale Streitkräfte im Umfang von etwa 13.000 Soldaten in Afghanistan, die im Rahmen der ISAF-Nachfolgemission „Resolute Support“ die afghanischen Sicherheitskräfte beraten, ausbilden und unterstützen sollen. Die vom Kläger angeführte und den von ihm im Zulassungsantrag genannten Erkenntnissen grundsätzlich auch zu entnehmende negative Entwicklung der Sicherheitslage in Afghanistan im Zusammenhang mit dem überwiegenden Abzug der internationalen Streitkräfte war zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung vom 26. August 2014 bereits erkennbar. Der fortgesetzte Abzug der internationalen Streitkräfte im zweiten Halbjahr 2014 und das Ende der ISAF-Mission gebieten keine veränderte Bewertung der Sicherheitslage in Afghanistan in Bezug auf die Gewährung subsidiären Schutzes oder die Feststellung von Abschiebungsverboten.
26Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Januar 2015 – 13 A 1201/12.A –, juris Rn. 46 f.; Sächs. OVG, Beschluss vom 23. Januar 2015 – A 1 A 140/13 –, juris Rn. 9; BayVGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 13a B 14.30309 –, juris Rn. 17 ff., insbesondere Rn. 23.
27Bei Auswertung sämtlicher vom Kläger im Zulassungsantrag benannter Erkenntnisse (Schweizerische Flüchtlingshilfe – SFH – vom 5. Oktober 2014: Afghanistan: Update – Die aktuelle Sicherheitslage; EASO, Country of Origin Information Report von Januar 2015: Afghanistan – Security Situation; UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs – OCHA – von November 2014: 2015 – Humanitarian Needs Overview: Afghanistan; Integrated Regional Information Network – IRIN – vom 19. Januar 2015: Aid at risk as Afghanistan’s war splinters) sowie des jüngsten Berichts des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 2. März 2015 (Stand Oktober 2014) gelangt der Senat zur aktuellen Einschätzung, dass sich im Zeitverlauf mit dem fortschreitenden Truppenabzug gewisse Veränderungen der Sicherheitslage in Afghanistan ergeben haben mögen, diese jedoch kein hinreichendes Gewicht besitzen, um das Bedürfnis für eine erneute grundsätzliche Klärung zu begründen. Es bleibt bei der Bewertung, dass Kabul als interne Schutzalternative gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3 e AsylVfG einen Anspruch eines alleinstehenden, gesunden Mannes auf Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter ausschließt.
28Die Situation in Bezug auf die Präsidentschaftswahlen aus dem Frühjahr 2014 hat keine gesonderten Auswirkungen von einigem Gewicht auf die für den Senat entscheidende Sicherheitslage. Zum Zeitpunkt des Urteils vom 26. August 2014 – 13 A 2998/11.A – befand sich Afghanistan in der instabilen „Hänge-Phase“ zwischen den Präsidentschaftswahlen und der Einigung zwischen Ashraf Ghani Ahmadzai und Abdullah Abdullah über die Regierungsbildung. Diese Situation lag jener Entscheidung zugrunde. Die dann Ende September 2014 erfolgte Bildung der Einheitsregierung unter Beteiligung beider Männer an der Macht hat die politisch schwierige und mit Instabilität und unklaren Zukunftsaussichten verbundene Situation jedenfalls nicht verschlechtert.
293. Auch die vom Kläger zu Ziff. 3. und 4. aufgeworfenen Fragen rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht. Dabei ist Frage 3. schon überflüssig, weil sie im Vergleich mit Frage 4. einen abstrakteren Blickwinkel eröffnet, der für die Entscheidung des Begehrens des Klägers so nicht relevant ist. Die von Frage 4. vorgenommene Fokussierung auf die Veränderungen nach der Entscheidung des Senats vom 26. August 2014 – 13 A 2998/11.A – sowie die Gefährdungsbewertung für einen Rückkehrer mit dem Risikoprofil des Klägers verdeutlicht, dass diese gegenüber der Frage 3. vorrangig ist. Jedoch gilt auch für Frage 4., dass die seit dem 26. August 2014 eingetretenen Entwicklungen keine grundlegende Neubewertung der Lage in Kabul, auch nicht aus dem humanitären Blickwinkel, gebieten und deshalb aus den zu 2. dargelegten Gründen auch kein Bedarf für eine – erneute – grundsätzliche Klärung besteht. Die wohl verminderte Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte über die Hauptstadt Kabul, die Region Kabul oder andere Teile Afghanistans erweitert zwar die Möglichkeiten der regierungsfeindlichen Kräfte zu Anschlägen, Ausübung von Gewalt oder anderen Aktionen. Dies führt jedoch für sich genommen nicht zu einer extremen Gefahrenlage. Auch die Auswirkungen auf die humanitäre Situation, besonders die Infrastruktur oder die Versorgungslage in Bezug auf alle lebensnotwendigen Bereiche, sind jedoch für die afghanische Bevölkerung im Allgemeinen bzw. einen Rückkehrer wie den Kläger nicht erheblich. Der vom Kläger hergestellte Zusammenhang zwischen erweiterten Möglichkeiten der Gewaltausübung für regierungsfeindliche Kräfte und der Versorgungslage für die Bevölkerung durch angebliche Angriffe auf Nichtregierungsorganisationen, Hilfskonvois oder Lebensmitteltransporte lässt sich nicht in relevantem Umfang feststellen. Solche Aktionen, die sich nennenswert auf die Versorgungslage der Bevölkerung auswirken müssten, lassen sich den vom Kläger benannten Erkenntnissen nicht entnehmen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere der IRIN-Artikel „Aid at risk as Afghanistan‘s war splinters“ vom 19. Januar 2015 erwähnt lediglich singulär einen im Mai 2013 erfolgten Angriff auf den Sitz des Roten Kreuzes (IKRK) in Jalalabad in der Provinz Nangahar, der dem Vernehmen nach einer Taliban-Fraktion zugeschrieben wurde. Ein flächendeckendes Auftreten solcher Aktionen in jüngerer Zeit, besonders nach dem 26. August 2014, mit nennenswerten Auswirkungen für die Versorgungslage der Bevölkerung ist der Erkenntnislage hingegen nicht zu entnehmen.
30Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.
31Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 27. März 2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Keiner der in § 78 Abs. 3 AsylVfG abschließend aufgeführten Gründe für eine Zulassung der Berufung liegt vor.
31. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG). Die Darlegung der Grundsatzbedeutung setzt voraus, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärte und für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird; zudem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind die konkrete Frage, ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung.
4Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Januar 2013 - 13 A 727/10.A -, vom 10. August 2012 - 13 A 151/12.A ‑, juris, Rn. 2 und vom 24. Februar 2011 ‑ 13 A 2839/10.A -.
5Die vom Kläger aufgeworfene Frage,
6„ob Mitglieder monarchistischer Organisationen bzw. der monarchistischen Bewegung mit schwerer Bestrafung rechnen müssen, wenn man ihnen konkrete regimefeindliche Aktivitäten nachweisen kann“
7ist nicht entscheidungserheblich und deswegen auch nicht klärungsbedürftig. Denn das Verwaltungsgericht hat es bereits als unglaubhaft angesehen, dass der Kläger sich im Iran politisch betätigt und regimefeindliche Aktivitäten, namentlich mit dem Ziel der Verbreitung des Buches „Die satanischen Verse“ von Salman Rushdie, entfaltet hat. Es ist deswegen nicht von Bedeutung, welche Sanktionen Personen erwarten, die sich in dieser Form betätigen. Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, das Verwaltungsgericht habe sein Vorbringen insoweit zu Unrecht als unglaubhaft gewürdigt, und versucht, dessen getroffene Bewertung im Stil einer Berufungsschrift zu entkräften, wendet er sich - zur Begründung der Grundsatzbedeutung ohne Aussicht auf Erfolg - gegen eine Sachverhalts- und Beweiswürdigung im konkreten Einzelfall.
82. Die Berufung ist nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO wegen der geltend gemachten Gehörsrüge zuzulassen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gibt einem Prozessbeteiligten das Recht, alles aus seiner Sicht Wesentliche vortragen zu können, und verpflichtet das Gericht, dieses Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in seine Entscheidungserwägungen einzustellen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat. Das Gericht ist nicht verpflichtet, den Ausführungen eines Beteiligten in der Sache zu folgen.
9Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - 2 BvR 722/06 -, juris, Rn. 23; BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 1999 - 6 B 65.98 -, juris, Rn. 9.
10Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist dabei von vornherein nicht geeignet, eine - vermeintlich - fehlerhafte Feststellung und Bewertung des Sachverhalts einschließlich seiner rechtlichen Würdigung zu beanstanden.
11Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. August 2004- 1 BvR 1557/01 -, juris, Rn. 17; OVG NRW, Beschlüsse vom 28. März 2013 - 13 A 412/12.A -, juris, Rn. 3 und vom 7. Februar 2013 - 13 A 2871/12.A -, juris, Rn. 14.
12Entgegen der Auffassung des Klägers folgt ein Gehörsverstoß nicht aus der Ablehnung der in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge zu den Ziffern 2 und 3. Die Ablehnung von Beweisanträgen führt nur dann zu einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO, § 244 StPO). Das ist hier nicht der Fall, weil die Ablehnung der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge zu den Ziffern 2 und 3 durch das Prozessrecht gedeckt ist.
13Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung beantragt hat, zum Beweis der Tatsache, dass er von seiner monarchistischen Organisation beauftragt war, das englischsprachige Manuskript des Buches „Die satanischen Verse“ von Salman Rushdie einem Übersetzer/Dolmetscher zu überbringen, zwei von ihm benannte Zeugen zu vernehmen, hat das Verwaltungsgericht diesen Antrag prozessordnungsrechtlich beanstandungsfrei mit der Begründung abgelehnt, der dem Antrag zugrunde liegende Tatsachenvortrag sei unsubstantiiert und widersprüchlich. Hierin liegt kein Verstoß gegen das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung. Es ist anerkannt, dass das Verwaltungsgericht auch einem substantiierten Beweisantrag zum Verfolgungsgeschehen nicht nachgehen muss, wenn die Schilderung, die der Asylkläger hierzu gibt, in wesentlichen Punkten unzutreffend oder in nicht auflösbarer Weise widersprüchlich ist.
14Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 1989 - 9 B 405.89 -, juris, Rn. 8 und Beschluss vom 20. Juni 1998 - 9 B 10.98 -, juris, Rn. 6.
15In ihrer Gesamtschau erlaubten die Angaben des Klägers - auch ohne, dass hierin eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung liegt - die Bewertung, dass
16die für die Ablehnung eines Beweisantrages in dieser Hinsicht erforderliche Schwelle überschritten war. Dass das Verwaltungsgericht seinen Beweisantrag abgelehnt hat, begegnet auch deswegen keinen Bedenken, weil er unsubstantiiert war. Denn es fehlt an der Darlegung, welche Wahrnehmungen die in Deutschland lebenden benannten Zeugen in Bezug auf das Beweisthema selbst gemacht haben sollen. Der pauschale Hinweis darauf, dass sie über „die Tätigkeit des Klägers im Iran“ informiert gewesen seien, reicht insoweit ohne nähere Erläuterungen nicht aus. Daraus ergibt sich schon nicht, dass die Zeugen über die hier in Rede stehende Einzelaktion informiert waren. Angesichts dessen, dass die Zeugen ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, und der jedenfalls nicht auf der Hand liegenden besonderen Bedeutsamkeit der letztlich nur als Botenleistung einzustufenden behaupteten Tätigkeit des Klägers ist dies auch lebensfremd.
17Den unter Ziffer 3 gestellten Antrag, zum Beweis der Tatsache, dass Mitglieder monarchistischer Organisationen bzw. der monarchistischen Bewegung mit schwerer Bestrafung rechnen müssen, wenn man ihnen konkrete regierungsfeindliche Aktivitäten - wie die Verbreitung des Buches von Salman Rushdie „Die satanische Verse“ - nachweisen kann, eine sachverständige Auskunft einzuholen, hat das Verwaltungsgericht ebenfalls im Einklang mit dem Prozessrecht abgelehnt. Denn eine Beweiserhebung dazu wäre, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, für die Entscheidung ohne Bedeutung, weil der Kläger derartige Aktivitäten nach dessen Überzeugung bereits nicht glaubhaft dargelegt hat.
18Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylVfG.
19Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.