Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 06. Mai 2014 - 13 A 1591/13
Gericht
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 21. Mai 2013 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 50.000 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
1Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
2Aus den im Zulassungsverfahren dargelegten Gründen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
3Das Verwaltungsgericht hat angenommen, der im Wege der Leistungsklage verfolgte Hauptantrag, die Beklagte zu verurteilen, der Änderung der außergerichtlichen Einigung vom 8. Dezember 2010 („Neuzulassungsvergleich“) zuzustimmen, sei unbegründet. Die Klägerin habe aus dem hier anwendbaren § 60 Abs. 1 VwVfG keinen Anspruch auf Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung. Die Tatsache, dass nach Auffassung des BfArM zur Erfüllung der Voraussetzungen einer Neuzulassung des streitbefangenen Arzneimittels auch eine sog. Phase II-Studie erforderlich sei, rechtfertige keine Verlängerung der Frist zur Stellung eines Neuzulassungsantrags um vier weitere Jahre. Die Frage der notwendigen klinischen Erprobung des Arzneimittels habe im Text der Vereinbarung keinerlei Niederschlag gefunden. Vielmehr sei dieser auf die Durchführung eines Beratungsgesprächs fokussiert gewesen. Ziel des „Neuzulassungsvergleichs“ sei es, der bestehenden Unsicherheit in Bezug auf die Anforderungen an einen Neuzulassungsantrag Rechnung zu tragen und dem Inhaber der fiktiven Zulassung des Alt-Arzneimittels befristet die Möglichkeit eines weiteren Inverkehrbringens zu eröffnen. Sei das Schicksal der Neuzulassung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ungewiss, könnten deren Voraussetzungen auch nicht Geschäftsgrundlage der Vereinbarung sein.
4Die Antragsbegründung, mit der im Wesentlichen das erstinstanzliche Vorbringen wiederholt wird, zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit dieser Erwägungen auf. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG setzt ein Änderungsverlangen voraus, dass sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert haben, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist. Diese Voraussetzungen sind aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht erfüllt. Die Frage, ob von der Klägerin für die Neuzulassung eine klinische Studie Phase II verlangt werden kann, ist hier unerheblich. Der von der Klägerin geltend gemachte, als wahr zu unterstellende Umstand, beide Beteiligten hätten bei Abschluss der Vereinbarung die Erforderlichkeit einer Phase II-Studie nicht in Erwägung gezogen, sondern lediglich die Phase III im Blick gehabt, ist für die Festsetzung des Vertragsinhalts nicht maßgebend gewesen. Wie die Klägerin einräumt, hat er keinen Eingang in die Vereinbarung gefunden. Vielmehr sollte in dem vereinbarten Beratungsgespräch im Einzelnen geklärt werden, welche konkreten Anforderungen an eine Neuzulassung gestellt werden. Ob und mit welchen Unterlagen ein Neuzulassungsantrag mit Erfolgsaussicht gestellt werden kann und gestellt wird, war daher im Zeitpunkt der Einigung offen. Die Notwendigkeit einer Phase II-Studie war damit schon nicht unvorhersehbar. Darüber hinaus fällt dieser Umstand in die Sphäre der Klägerin. Der pharmazeutische Unternehmer muss abschätzen, welches Studienmaterial er für eine Neuzulassung benötigt und ob er sich auf einen „Neuzulassungsvergleich“ einlässt. Dies wird er regelmäßig vor allem bei geringen Erfolgsaussichten des Nachzulassungsantrags tun, um das Produkt weiter im Markt zu halten, sich aber wenigstens einen Abverkauf zu sichern. Hiervon ausgehend rechtfertigt auch der im außergerichtlichen Vergleich fixierte zeitliche Rahmen keine andere Betrachtung. Dieser orientiert sich im Übrigen nicht lediglich an der Zeit, die für die Stellung eines Neuzulassungsantrags anzusetzen ist, sondern – nur so weit wird regelmäßig das Entgegenkommen des BfArM reichen – auch an der Dauer des gerichtlichen Verfahrens im Falle der Entscheidung des Rechtsstreits über die Nachzulassung.
5Selbst wenn man aber mit der Klägerin das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG bejahte, rechtfertigte die Anpassung an die geänderten Verhältnisse ausgehend von den vorstehenden Ausführungen jedenfalls nicht, die Frist – und damit die Marktposition bzw. jedenfalls den Abverkauf – um weitere vier Jahre auf insgesamt sechs Jahre zu verlängern.
6Das Verwaltungsgericht hat weiter angenommen, der Hilfsantrag, über den Nachzulassungsantrag erneut zu entscheiden, sei unzulässig. Die Klägerin habe sich wirksam verpflichtet, die Klage zurückzunehmen, wenn ein Neuzulassungsantrag bis zum 31. Dezember 2012 nicht gestellt werde. Die Fortsetzung des Verfahrens verstoße deshalb gegen Treu und Glauben. Dem ist die Klägerin im Zulassungsantrag schon nicht substantiiert entgegengetreten. Es entspricht aber ständiger Rechtsprechung, dass eine außergerichtliche Einigung mit einer Zusage des Klägers, die Klage unter bestimmten Voraussetzungen zurückzunehmen, zulässig ist. Eine solche Verpflichtung gewährt dem Beklagten ein prozessuales Abwehrrecht gegenüber dem durch die Vereinbarung erledigten Anspruch. Betreibt der Kläger der Abrede zuwider den Rechtsstreit weiter, kann der Beklagte dem – wie hier geschehen – die Einrede unzulässiger Rechtsausübung entgegensetzen, die zur Folge hat, dass die Klage unzulässig wird.
7Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 1993 – 4 B 175.93 -, NJW 1994, 2306 = juris, Rn. 10; BGH, Urteile vom 15. September 2009 – X ZR 115/05 -, juris, Rn. 18, vom 14. Mai 1986 – IVa ZR 146/85, NJW-RR 1987, 307 = juris, Rn. 7, und vom 14. November 1983 – IVb ZR 1/82 -, NJW 1984, 805 = juris, Rn. 8; siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 13. November 2013 – 13 E 273/13 -, juris, Rn. 10.
8Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
9Der Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Haben die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, sich seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, so kann diese Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen. Die Behörde kann den Vertrag auch kündigen, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
(2) Die Kündigung bedarf der Schriftform, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. Sie soll begründet werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.