Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 19. Jan. 2015 - 1 A 878/13


Gericht
Tenor
Der Antrag wird auf Kosten des Klägers abgelehnt.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 3.190,04 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 VwGO sind bereits nicht entsprechend den Anforderungen an eine hinreichende Darlegung (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) dargelegt bzw. liegen auf der Grundlage der maßgeblichen – fristgerecht vorgelegten – Darlegungen nicht vor.
31. Die Berufung ist nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.
4Schwierigkeiten in diesem Sinne liegen vor, wenn der Ausgang des Rechtsstreits aufgrund des Zulassungsvorbringens bei summarischer Prüfung als offen erscheint. Dies ist dann der Fall, wenn das Zulassungsvorbringen Anlass zu solchen Zweifeln gibt, welche sich nicht schon ohne Weiteres im Zulassungsverfahren, sondern erst in einem Berufungsverfahren mit der erforderlichen Sicherheit klären und entscheiden ließen.
5Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Januar 2012– 1 A 134/10 –, juris, Rn. 4, m. w. N.
6a) Der Kläger rügt zunächst, § 4 Abs. 2 Buchstabe b BVO NRW in der ab 1. April 2009 geltenden Fassung verstoße gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Er habe nicht damit rechnen müssen, dass der Verordnungsgeber im November 2009 rückwirkend zum 1. April 2009 die in der Rechtsprechung streitigen Fälle der Implantate in einer Einzelzahnlücke zu seinem Nachteil ändern würde.
7Dieses Vorbringen legt keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten dar. Das Verwaltungsgericht hat unter Hinweis auf die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insoweit geltenden Maßstäbe zu Recht ausgeführt, dass § 4 Abs. 2 Buchstabe b BVO NRW in der ab 1. April 2009 geltenden Fassung nicht gegen das Rückwirkungsverbot verstößt. Die für Beihilfeberechtigte bis dahin „günstige“ Rechtslage ergab sich nur daraus, dass die Rechtsprechung die restriktiveren Vorgängerregelungen zu Implantaten für nichtig hielt und die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Implantate nur an den allgemeinen Voraussetzungen (notwendige Aufwendungen in angemessenem Umfang) maß. Ein etwaiges Vertrauen darauf, dass diese Rechtslage auch künftig beibehalten würde, war nicht schutzwürdig. Der Beihilfeberechtigte musste vielmehr damit rechnen, dass nichtige Vorschriften durch neue, rechtmäßige ersetzt werden.
8Entsprechendes hat der Senat in seinem Beschluss vom 12. April 2013,
9– 1 A 1355/11 –, juris, Rn. 12,
10zu § 4 Abs. 2 Buchstabe b BVO NRW in der ab 1. April 2009 geltenden Fassung ausgeführt: „Es ist eher so, dass die Normadressaten gerade in Anbetracht der Ungültigkeit von leistungsbeschränkenden Regelungen (prinzipiell) jederzeit mit deren Ersetzung durch neues, freilich nunmehr den rechtlichen Maßstäben genügendes Recht rechnen müssen.“
11Daran hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers fest.
12b) Soweit der Kläger sich auf das Urteil des Senats vom 4. April 2011 – 1 A 2177/09 – (n. v.) beruft, bezieht sich dieses auf eine Implantatbehandlung im August und September 2008 (Urteilsabdruck, Seite 11) und auf die in diesem Zeitpunkt geltende Beihilfenverordnung. Da diese sich hinsichtlich der Implantatbehandlungen von der im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Rechtslage unterscheidet, kann der Kläger aus der zur alten Rechtslage ergangenen Rechtsprechung keine Beihilfeansprüche ableiten.
13c) Soweit der Kläger pauschal behauptet, in dem hier vorliegenden Fall (verringerte Belastungsfähigkeit der angrenzenden beiden Zähne bzw. Vermeidung der Entfernung zweier angrenzender intakter Brücken) sei entsprechend dem Urteil des Senats vom 4. April 2011 die Indikationenregelung der BVO NRW zu eng und damit nichtig, so dass alle Aufwendungen für ein Implantat beihilfefähig seien, genügt sein Vorbringen nicht den Darlegungsanforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Denn er hat sich schon insoweit nicht mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auseinandergesetzt, in denen dieses begründet hat, dass § 4 Abs. 2 Buchstabe b BVO NRW in der ab 1. April 2009 geltenden Fassung grundsätzlich mit der Fürsorgepflicht vereinbar sei. Diese Ansicht teilt auch der Senat.
14Vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. September 2014– 1 A 954/13 –, juris, Rn. 10 ff. (zur Freiendlücke), vom 12. April 2013 – 1 A 1355/11 –, juris, Rn. 13 ff. (zur Freiendlücke), und vom 26. März 2013 – 1 A 631/11 –, juris, Rn. 13 ff. (zur Doppellücke).
15Der Kläger hat weiter nicht hinreichend dargelegt, dass und warum aus Gründen der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht die Zahnlücken seiner Ehefrau mit dem in § 4 Abs. 2 Buchstabe b Nr. 6 BVO NRW in der ab 1. April 2009 geltenden Fassung geregelten Fall einer Einzelzahnlücke, soweit nicht beide Nachbarzähne überkront sind, zwingend gleichzusetzen sind.
16d) Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, die Implantatbehandlung seiner Ehefrau habe bereits „vor der Wirksamkeit der VO (April 2009) begonnen“, und für eine fortgeführte Behandlung müsse bis zu deren Abschluss das alte Recht gelten. Dies ist nicht der Fall.
17Nach ständiger Rechtsprechung sind beihilferechtliche Streitigkeiten grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfen verlangt werden, zu beurteilen.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. November 2012 – 5 C 4.12 –, NVwZ-RR 2013, 192 = juris, Rn. 12, m. w. N., und OVG NRW, Urteil vom 12. Dezember 2013 – 1 A 1127/11 –, DÖD 2014, 199 = juris, Rn. 21 f.
19Gemäß § 3 Abs. 5 Satz 2 BVO NRW in der ab 1. April 2009 geltenden Fassung (ebenso § 3 Abs. 5 Satz 2 BVO NRW in der vorher geltenden Fassung) gelten die Aufwendungen als entstanden in dem Zeitpunkt, in dem die sie verursachenden Umstände eingetreten sind, z. B. der Zeitpunkt der Behandlung durch den Arzt. Diese erfolgte hier ausweislich der streitgegenständlichen Arztrechnungen vom 2. September 2009 und vom 23. März 2010 wegen des Implantats in Zahn 16 ab dem 3. August 2009 und wegen des Implantats in Zahn 23 ab dem 10. Februar 2010, also jeweils nach April 2009. Letzteres wird dadurch belegt, dass der entsprechende Heil‑ und Kostenplan erst vom 15. September 2009 datiert. Daher richtet sich die Beihilfefähigkeit der entsprechenden Aufwendungen nach § 4 Abs. 2 Buchstabe b BVO NRW in der ab 1. April 2009 geltenden Fassung.
20Der Umstand, dass die Implantatbehandlung in regio 16 vor November 2009 begonnen wurden, also bevor rückwirkend zum 1. April 2009 die neuen Beihilfevorschriften in Kraft traten, steht der Anwendung der Beihilfenverordnung in der ab 1. April 2009 geltenden Fassung nach den oben genannten Grundsätzen der Rechtsprechung zur maßgeblichen Rechtslage im Beihilferecht nicht entgegen. Insoweit kann sich der Kläger aus den unter a) genannten Gründen auch nicht auf Vertrauensschutz berufen.
212. Die Berufung kann auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen werden. Der Kläger hat hier schon keine Rechtsfrage ausformuliert, der er grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne beimisst. Soweit er sinngemäß die Frage aufwirft, ob § 4 Abs. 2 Buchstabe b BVO NRW in der ab 1. April 2009 geltenden Fassung gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstößt, lässt diese sich auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts nach allgemeinen Auslegungsmethoden und auf der Basis der bereits vorliegenden Rechtsprechung zur Rückwirkung von Gesetzen aus den unter 1. genannten Gründen ohne Weiteres verneinen.
223. Schließlich ist die Berufung nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Bezogen auf das unter Ziffer 1. dieses Beschlusses behandelte Vorbringen des Klägers ergeben sich aus den dort genannten Gründen keine ernstlichen Zweifel. Andere Gründe hat der Kläger nicht dargelegt.
23Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
24Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 GKG in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung (vgl. § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG).
25Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nach den §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Das angefochtene Urteil ist nunmehr rechtskräftig, § 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO.

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
(1) In Rechtsstreitigkeiten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, werden die Kosten nach bisherigem Recht erhoben. Dies gilt nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung eingelegt worden ist. Die Sätze 1 und 2 gelten auch, wenn Vorschriften geändert werden, auf die dieses Gesetz verweist.
(2) In Strafsachen, in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten und nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes, werden die Kosten nach dem bisherigen Recht erhoben, wenn die über die Kosten ergehende Entscheidung vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung rechtskräftig geworden ist.
(3) In Insolvenzverfahren, Verteilungsverfahren nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung und Verfahren der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung gilt das bisherige Recht für Kosten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung fällig geworden sind.
(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.
(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.