Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 02. September 2014 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich gegen eine Abänderungsentscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 80 Abs. 7 VwGO, durch die eine zu Gunsten der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vollziehbar geworden ist.

2

Die erteilte Baugenehmigung betrifft die Errichtung des „Hauses C“ auf dem Grundstück D.-Straße in Greifswald. Die Beigeladene errichtet dort auf der Nordseite der D.-Straße über den ganz überwiegenden Teil der Breite des Quartiers zwischen E.- und F.-Straße eine mehrgeschossige Wohnbebauung, bestehend aus den in geschlossener Bauweise errichteten Häusern A, B und C. Das Haus C soll östlich an das im Eigentum des Antragstellers stehende Eckgrundstück F.-Straße und das dort grenzständig errichtete Wohngebäude angrenzen. Die gemeinsame Grenze zwischen dem Vorhabengrundstück und dem Nachbargrundstück der Beigeladenen verläuft von der D.-Straße etwa rechtwinklig 9,50 m nach Norden, knickt dann nach Westen ab und verläuft auf einer Strecke von 11 m etwa parallel zur Straße, bevor sie wiederum nach Norden abknickt. Das Haus C soll in dem Bereich errichtet werden, in dem die gemeinsame Grundstücksgrenze in einem Abstand von 9,50 m parallel zur D.-Straße verläuft.

3

Mit Datum vom 16.01.2013 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen für das Haus C eine Baugenehmigung sowie eine Abweichung von der Einhaltung der Abstandflächen im Hinblick darauf, dass das mit einer Tiefe von 9,50 m geplante Gebäude rückwärtig auf der Grenze zum Grundstück des Antragstellers stehen soll. Das Haus C soll in diesem Bereich über die gesamte Tiefe und Breite des Grundstücks viergeschossig errichtet werden und ein Flachdach erhalten. Die Höhe des Gebäudes soll die Traufhöhe des Nachbargebäudes im Bereich der gemeinsamen Grundstücksgrenze rückwärtig um etwa 2 m überschreiten, dessen Firsthöhe aber deutlich unterschreiten.

4

Der Antragsteller hat nach erfolglosem Widerspruch gegen die Baugenehmigung Klage erhoben. Seinem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 06.11.2013 zum Az. 5 B 888/13 mit der Begründung stattgegeben, dass die erteilte Abweichung nicht mit den nachbarlichen Belangen vereinbar sei. Dadurch, dass die Giebelwand des 3. Obergeschosses des Gebäudes der Beigeladenen ein Dachflächenfenster im Gebäude F.-Straße verdecke, werde auf die nachbarlichen Belange nicht ausreichend Rücksicht genommen.

5

Mit Bescheid vom 09.01.2014 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen eine Änderungsgenehmigung und eine erneute Abweichung von der Einhaltung der Abstandflächen an der rückwärtigen Grundstücksgrenze. Das geänderte Vorhaben sah vor, dass im - das benachbarte Dachflächenfenster betreffenden - Bereich des 3. Obergeschosses die Giebelwand des knapp 1,75 m breiten rückwärtigen Laubenganges um 2,11 m von der Grundstücksgrenze und damit von dem Gebäude F.-Straße zurück - nach Westen - versetzt werden sollte. Den daraufhin von dem Beigeladenen gestellten Abänderungsantrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 19.02.2014 zum Az. 5 B 52/14 mit der Begründung abgelehnt, das geänderte Vorhaben verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Die Beeinträchtigung des Dachflächenfensters im Dachgeschoss des Nachbargebäudes sei durch die Änderung abgemildert, aber nicht beseitigt worden.

6

Mit Bescheid vom 09.07.2014 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen eine erneute Änderungsgenehmigung sowie nochmals eine Abweichung von den Vorschriften des Abstandflächenrechts. Im Bereich des rückwärtigen Laubenganges soll die Giebelwand des 3. Obergeschosses nunmehr um 4,16 m von der Grundstücksgrenze zurück versetzt werden. Zwischen dieser Giebelwand und der Grundstücksgrenze ist ein Satteldach vorgesehen, das die Höhe und Neigung des auf dem Nachbargrundstück vorhandenen Satteldaches aufnimmt, und unterhalb des betroffenen Dachflächenfensters verläuft.

7

Dem daraufhin vom Beigeladenen gestellten erneuten Abänderungsantrag hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss stattgegeben und ausgeführt: Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liege nicht mehr vor. Das Landesbaurecht halte für ausreichend, wenn ein Bauherr sein Vorhaben mit einem Abstand von 0,4 H, mindestens 3 m von der Grenze errichte. Vorliegend halte die 3,34 m hohe Außenwand des oberen Laubengangs, von der potentiell eine Beeinträchtigung des Dachflächenfensters des Nachbarn ausgehen könne, einen Abstand von mehr als 1 H von der Grenze. Die Abweichungsentscheidung verletze den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Eine grundstücksbezogene Atypik liege auf Grund des abknickenden Grenzverlaufs vor. Die Einhaltung einer Abstandfläche von mindestens 3 m würde dazu führen, dass die Beigeladene die planungsrechtlich zulässige Bebauung ihres Grundstücks nicht in angemessener Weise verwirklichen könnte. Nach der Bebauung der näheren Umgebung stelle sich die gesamte Fläche zwischen der D.-Straße und der in einem Abstand von etwa 9,50 m parallel hierzu verlaufenden rückwärtigen Grundstücksgrenze im Bereich des Hauses C als überbaubare Grundstücksfläche dar. Die Nachbargrundstücke seien im vorderen Grundstücksbereich mit deutlich tieferen Hauptgebäuden bebaut, so z.B. das Grundstück des Antragstellers mit einer Tiefe von etwa 12,50 m. Die Abweichung berücksichtige in ausreichendem Maße die öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange. Belange des Brandschutzes seien gewahrt; das Nachbargrundstück sei von dem Laubengang nicht einsehbar. Hinsichtlich der Belichtung und Belüftung entspreche die Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks, dem was für Eckgrundstücke innerhalb einer geschlossenen Bebauung typisch und daher zu erwarten sei. Etwas anderes gelte auch nicht deshalb, weil die rückwärtige Traufhöhe des Hauses C sowohl die Traufhöhe des Nachbargebäudes F.-Straße als auch die des früheren Bestandes auf dem Vorhabengrundstück um etwa 2 m übersteige. Ausreichend sei, dass diese sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Allerdings sei zweifelhaft, ob dies zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung der Fall gewesen sei. Zur maßgeblichen näheren Umgebung gehörten jedoch nunmehr auch die fertig gestellten Häuser A und B, deren rückwärtige Traufhöhen noch deutlich höher lägen als die des Hauses C. Eine erdrückende Wirkung für das Grundstück des Antragstellers gehe von dem Vorhaben nicht aus. Ebenso seien unzulässige Lärmimmissionen nicht zu erwarten.

8

Gegen den am 08.09.2014 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsteller mit der am 22.09.2014 eingelegten und am 08.10.2014 begründeten Beschwerde.

II.

9

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Es fehlt an der gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO erforderlichen Darlegung der Gründe, aus denen die Entscheidung abzuändern sein soll, bzw. das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO maßgebliche Beschwerdevorbringen führt nicht zu einer Änderung der Entscheidung.

10

1. Dies gilt zunächst, soweit der Antragsteller die Auffassung vertritt, das geänderte Vorhaben verstoße nach wie vor gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Er macht hierzu geltend, die landesrechtlichen Abstandflächenvorschriften seien nicht eingehalten, und der Abstandflächenverstoß trete gerade deshalb ein, weil der Antragsgegner eine Abweichung zugelassen habe. Ohne das Heranreichen der hinteren Gebäudeabschlusswand an die hintere Grundstücksgrenze würde der Baukörper nicht in der Blickrichtung der Wohnungen in dem Gebäude des Antragstellers bzw. in der Sichtachse der Küchenfenster stehen. Diese Begründung reicht nicht aus. Ein - unterstellter - Verstoß gegen das bauordnungsrechtlichen Abstandflächenrecht indiziert nicht einen Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme (OVG Greifswald U. v. 30.10.2013 - 3 L 183/10 - Juris Rn. 71 mwN). Insbesondere kann eine solche Folgerung nicht daraus gezogen werden, dass umgekehrt ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme regelmäßig ausscheidet, wenn die Abstandflächen eingehalten sind (vgl. hierzu OVG Greifswald B. v. 06.01.2010 - 3 M 231/09 - Juris Rn. 36). Das Gebot der Rücksichtnahme garantiert auch nicht allgemein eine freie Sichtachse. Soweit der Antragsteller sich zur Begründung des Rücksichtnahmeverstoßes auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 19.02.2014 zum Az. 5 B 52/14 beruft, lag diesem ein anderer Sachverhalt zu Grunde. Der ferner in Bezug genommene eigene Schriftsatz vom 21.08.2014 an das Verwaltungsgericht betrifft zwar das hiesige Vorhaben, enthält aber zur Begründung eines Rücksichtnahmeverstoßes keine weiteren Ausführungen. Die bloße Erwähnung der "bedrückenden Wirkung der fast 12 m hohen und 11 m langen Innenhofwand" an anderer Stelle in der Beschwerdebegründung reicht zur Darlegung eines Rücksichtnahmeverstoßes unter dem Gesichtspunkt der erdrückenden Wirkung des Vorhabens ebenfalls nicht aus. Mit den näheren Ausführungen des Verwaltungsgericht zu diesem Gesichtspunkt setzt die Beschwerde sich nicht auseinander.

11

2. Die Beschwerde bleibt ferner erfolglos, soweit der Antragsteller sich gegen die Zulassung einer Abweichung von den Vorschriften des Abstandflächenrechts hinsichtlich der rückwärtigen Grundstücksgrenze wendet.

12

a) Insoweit zieht er zunächst das Vorliegen einer atypischen Grundstückssituation mit der Begründung in Zweifel, dass das etwa 9 m tiefe Grundstück der Beigeladenen unter Einhaltung eines rückwärtigen Grenzabstandes ohne weiteres bebaubar sei. Hierzu fehlt es jedoch an einer näheren Erläuterung. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass bei Einhaltung einer Abstandfläche die Beigeladene die planungsrechtlich zulässige Bebauung ihres Grundstücks nicht in angemessener Weise verwirklichen könnte, weil sich die gesamte Fläche zwischen der D.-Straße und der im Bereich des Hauses C parallel hierzu verlaufenden Grundstücksgrenze als überbaubare Grundstücksfläche darstelle und auch die Nachbargrundstücke mit deutlich tieferen Hauptgebäuden bebaut seien. Damit ist nicht gemeint, dass eine Abweichung von den Vorschriften des Abstandflächenrechts mit der Begründung gerechtfertigt werden könnte, dem Bauherren solle die maximale planungsrechtlich zulässige bauliche Ausnutzung seines Grundstücks ermöglicht werden. Vielmehr geht es darum, dass im Hinblick auf den Zuschnitt des Vorhabengrundstücks im Bereich des Hauses C eine dem Rahmen der Umgebungsbebauung entsprechende bauliche Nutzung – nämlich für eine mehrgeschossige Wohnbebauung mit einer der Umgebungsbebauung entsprechenden Gebäudetiefe - vernünftigerweise überhaupt nur möglich ist, wenn bis an die rückwärtige Grundstücksgrenze herangebaut wird. Insofern liegt ein Fall vor, wie ihn die Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern in der bis zum 31.08.2006 geltenden Fassung in § 6 Abs. 14 erfasste; danach konnten in überwiegend bebauten Gebieten geringere Tiefen der Abstandflächen gestattet werden, wenn die Gestaltung des Straßenbildes oder besondere städtebauliche Verhältnisse dies rechtfertigten und Gründe des Brandschutzes nicht entgegen standen.

13

Auch im übrigen führt das Beschwerdevorbringen nicht zu einer von der des Verwaltungsgerichts abweichenden Bewertung. Der vom Antragsteller zum Vergleich herangezogene Fall, dass ein Vorhabengrundstück zu klein ist, um eine Bebauung wie auf den Nachbargrundstücken zu verwirklichen, liegt gerade nicht vor. Der Antragsteller weist ferner darauf hin, dass das Haus C auf einem deutlich größeren Gesamtgrundstück steht und vertritt die Auffassung, dass auf dem Grundstücksteil, auf dem das Haus C verwirklicht werde, nicht unbedingt genau das verwirklicht werden müsse, was auf den anderen Teilen des Grundstücks zulässig sei und zugelassen worden sei; vielmehr könnten „Kompensationen auf das Gesamtgrundstück“ angenommen werden. Dabei lässt er jedoch außer Acht, dass es für das Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung gemäß § 34 Abs. 1 BauGB in erster Linie auf solche Maße ankommt, die nach außen wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung leicht in Beziehung zueinander setzen lassen, d.h. insbesondere ihre (absolute) Größe nach Grundfläche, Geschosszahl und Höhe, während die relativen Maßstäbe der Grundflächen- und Geschossflächenzahl regelmäßig allenfalls eine untergeordnete Bedeutung haben, weil sie in der Örtlichkeit nicht ohne weiteres ablesbar sind (vgl. BVerwG U. v. 23.03.1994 – 4 C 18.92 – BVerwGE 95, 277 = Juris Rn. 7). Ebenso kommt es für das Einfügen nach der überbaubaren Grundstücksfläche im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB auf die konkrete Größe der Grundfläche der baulichen Anlage und ihre räumliche Lage innerhalb der vorhandenen Bebauung, nicht aber auf die Grenzen des Baugrundstücks an (vgl. BVerwG B. v. 28.09.1988 – 4 B 175.88 – NVwZ 1989, 354).

14

b) Soweit der Antragsteller sinngemäß geltend macht, eine Abweichung hätte jedenfalls nur für das Erdgeschoss zugelassen werden dürfen, nicht aber für die Obergeschosse, bei denen durch seitliche Rücksprünge „die bedrückende Wirkung der fast 12 m hohen und 11 m langen Innenhofwand“ hätte vermieden werden können, fehlt es ebenfalls an der erforderlichen Darlegung. Die vom Antragsteller verlangten „seitlichen Rücksprünge“ werden nicht näher erläutert. Die Beschwerdebegründung setzt sich auch nicht mit dem Umstand auseinander, dass die Beigeladene dann im Umfang der verlangten „seitlichen Rücksprünge“ gehindert wäre, die planungsrechtlich zulässige Bebauung ihres Grundstücks zu verwirklichen. Auch die Nachbargrundstücke sind in der vollen Tiefe der Hauptbaukörper mehrgeschossig bebaut und weisen rückwärtig erhebliche Traufhöhen und damit Höhen der Innenhofwände auf. So beträgt die rückwärtige Traufhöhe des eigenen Gebäudes des Antragstellers nach der Hofansicht des „Deckblatt Änderung Laubengang Grundriss 3. Obergeschoss – Genehmigungsplanung“ vom 21.05.2014 (BA G, 805) knapp 10 m.

15

3. Der Antragsteller kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, der Bescheid des Antragsgegners vom 09.07.2014 sei deshalb rechtswidrig, weil die nunmehr von der seitlichen – östlichen - Grundstücksgrenze zurückgesetzte giebelseitige Außenwand des Laubengangs den notwendigen Grenzabstand nicht einhalte.

16

a) Allerdings geht der Antragsteller zu Recht davon aus, dass diese Außenwand den Anforderungen des § 6 LBauO M-V nicht entspricht. Nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Satz 3 LBauO M-V ist eine Abstandfläche nur dann nicht erforderlich, wenn tatsächlich an die Grenze gebaut wird. Ist dies nicht der Fall, so muss eine Abstandfläche eingehalten werden, deren Tiefe sich gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 LBauO M-V nach der Wandhöhe bemisst. Bei einem Staffelgeschoss entspricht die Wandhöhe der Höhe der fiktiv nach unten bis zum Schnitt mit der Geländeoberfläche verlängerten Außenwand des Staffelgeschosses; von diesem fiktiven Schnitt mit der Geländeoberfläche aus ist dann auch die Abstandfläche zu bemessen (OVG Greifswald, B. v. 21.01.2010 - 3 M 244/10 - Juris Rn. 12). Diese Grundsätze sind ebenso heranzuziehen, wenn es nicht um die Außenwand eines Staffelgeschosses geht, sondern um einen Außenwandteil, der durch die Gestaltung eines einheitlichen Geschosses mit bereichsweise unterschiedlichen Höhen bzw. unterschiedlichen Dachformen entsteht. Dies gilt auch dann, wenn das Staffelgeschoss bzw. der zurückgesetzte Teil der Außenwand sich auf einem Gebäude befindet, das in den darunter liegenden Geschossen grenzständig errichtet und daher insoweit gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 LBauO M-V nicht abstandflächenpflichtig ist (vgl. OVG Münster, B. v. 17.07.2008 – 7 B 195/08 – NVwZ-RR 2008, 760). Die sich danach für die giebelseitige Außenwand des Laubengangs ergebende Abstandfläche wird nicht eingehalten. Ausgehend von der in der Hofansicht des „Deckblatt Änderung Laubengang Grundriss 3. Obergeschoss - Genehmigungsplanung“ vom 21.05.2014 (BA G, 805) genannten Höhe der dem Grundstück des Antragstellers zugewandten Giebelwand von 16,43 m HN beträgt das Maß H 12,18 m; die gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 LBauO M-V mit 0,4 H zu bemessende Tiefe der Abstandfläche beträgt 4,87 m; tatsächlich hält die Giebelwand von der Grundstücksgrenze jedoch lediglich einen Abstand von 4,16 m ein.

17

b) Daraus ergibt sich jedoch nicht die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides. Zwar hat der Antragsgegner eine Abweichung gemäß § 67 Abs. 1 LBauO M-V auch von den Vorgaben des Abstandflächenrechts bezogen auf die seitliche – östliche - Grundstücksgrenze nicht erteilt; die Beigeladene hatte sie auch nicht beantragt. Der Antragsgegner ist jedoch im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null verpflichtet, auch insoweit eine Abweichung zuzulassen. Es handelt sich um eine Bebauungssituation, in der eine Grenzbebauung grundsätzlich bauplanungsrechtlich nicht nur zulässig, sondern obligatorisch ist, weil die Umgebungsbebauung eine geschlossene Bauweise vorgibt, und Abstandflächen deshalb gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 LBauO M-V nicht einzuhalten sind. Verlangen in einer solchen Bebauungssituation besondere Gesichtspunkte der Rücksichtnahme – wie hier im Hinblick auf das Dachflächenfenster im Gebäude des Antragstellers – ein teilweises Zurückweichen des Baukörpers von der Grundstücksgrenze, so muss es bei einem Zurückweichen in dem Maß bleiben, in dem das Gebot der Rücksichtnahme dies verlangt. Ein weiter gehender Anspruch des Nachbarn darauf, dass der zurückweichende Teil des Baukörpers nunmehr auch die sonst geltenden Abstandflächen einhält, ist nicht gerechtfertigt. Weiter gehende Schutzzwecke des Abstandflächenrechts stehen nicht in Rede. Eine Abweichung von den Anforderungen des Abstandflächenrechts hinsichtlich der seitlichen Grundstücksgrenze ist in dieser konkreten Situation gemäß § 67 Abs. 1 LBauO M-V unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des § 3 Abs. 1 LBauO M-V vereinbar und nach der wechselseitigen Interessenlage geboten.

18

4. Ist die Nichteinhaltung der Abstandfläche hinsichtlich der seitlichen – östlichen - Grundstücksgrenze wegen der Pflicht des Antragsgegners zur Erteilung einer Abweichung rechtmäßig, so kommt auch der Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, den Antragsgegner zum bauaufsichtlichen Einschreiten zu verpflichten, nicht in Betracht.

19

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

20

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Nov. 2015 - 2 CS 15.1251

bei uns veröffentlicht am 11.11.2015

Tenor I. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 18. Mai 2015 wird die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. November 2014 insgesamt

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

Tenor

Auf die Berufung des Beigeladenen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 06. August 2010 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Auflage Nr. 1 der von der Beklagten zu Gunsten des Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom 12. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2009 wird aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.

Die Kosten des Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht werden wie folgt verteilt: Die Gerichtskosten tragen die Beteiligten zu je 1/3. Die Klägerin trägt je 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Beklagten und des Beigeladenen.

Die Beklagte und der Beigeladene tragen je 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Im Übrigen werden die außergerichtlichen Kosten nicht erstattet.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten können die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich als Nachbarin gegen eine zu Gunsten des Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für ein Nebengebäude an der Grundstücksgrenze.

2

Ursprünglich hatte die Beklagte dem Beigeladenen 1999 eine Baugenehmigung für ein als "Garage mit Abstellraum" bezeichnetes Vorhaben erteilt, für das die Bauvorlagen eine Grundfläche von 9 m (Länge entlang der Grundstücksgrenze) x 5,50 m und eine Höhe von 2,97 m auswiesen. Mit Urteil vom 18.10.2007 zum Az. 1 A 922/03 hatte das Verwaltungsgericht Greifswald die Baugenehmigung aufgehoben und die Beklagte zum Erlass einer Beseitigungsverfügung verpflichtet. Zur Begründung ist ausgeführt, die Baugenehmigung verstoße gegen die nachbarschützenden Vorschriften des Abstandflächenrechts. Die Baugenehmigung sei hinsichtlich der höhenmäßigen Einordnung des Vorhabens nicht hinreichend bestimmt, weil die zum Gegenstand der Baugenehmigung gemachten Bauvorlagen keine Angaben zu der vor Ausführung des Vorhabens vorhandenen natürlichen Geländeoberfläche enthielten. Soweit Angaben zur Geländeoberfläche vorlägen, halte das auf dieser Grundlage genehmigte Vorhaben nicht die notwendigen Abstandflächen ein, weil das Gebäude mit einer Wandhöhe von 3 m nicht auf der natürlichen Geländeoberfläche, sondern auf einer etwa 20 cm hohen Anschüttung errichtet worden sei. Die Baugenehmigung sei auch hinsichtlich der maßgeblichen Wandhöhe an der Grundstücksgrenze unbestimmt bzw. rechtswidrig, weil die Bauvorlagen lediglich die Höhe der Oberkante der Dachsparren auswiesen, nicht aber den oberen Abschluss der Wand. Mit Schalung und Dachpappen ergebe sich die - im Termin vor Ort auch gemessene - Wandhöhe von etwa 3,05 m. Im übrigen seien die Voraussetzungen einer zulässigen Grenzbebauung auch deshalb nicht erfüllt, weil es sich nicht um ein Gebäude ohne Aufenthaltsräume handele. Insbesondere der als "Abstellraum" bezeichnete größere der beiden geplanten Räume sei als Aufenthaltsraum objektiv geeignet und im übrigen - wie vor Ort festgestellt worden sei - auch tatsächlich entsprechend ausgebaut. Einen zunächst gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil hatte der Beigeladene zurückgenommen.

3

Am 16.04.2008 beantragte der Beigeladene erneut die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Garage mit Abstellraum an der Grenze zum Grundstück der Klägerin mit Abmessungen von 9 m (Länge entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze) x 5,50 m (Breite) x 2,97 m (Höhe an der Grundstücksgrenze). Die Geländehöhe wurde im Bereich der beiden Gebäudeecken an der Grundstücksgrenze unter Bezugnahme auf den Lageplan des ÖbVI Schröder vom 25.07.2002 mit 14,27 m angegeben, im Bereich der der Grenze abgewandten Gebäudeecken mit 14,13 und 14,19 m. Die geplante Nutzung der Räume ist in den Bauvorlagen mit "Garage 17,77 qm", "Lager- u. Abstellraum 4,42 qm" sowie "Abstellraum und Werkraum (unbeheizt) 18,8 qm" angegeben.

4

Mit Bescheid vom 14.07.2008 lehnte die Beklagte die Erteilung einer Baugenehmigung mit der Begründung ab, das beantragte Gebäude halte zwar die zulässige mittlere Wandhöhe von 3 m und die Gesamtlänge von 9 m ein. Es könne jedoch nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden, dass auch die Errichtung eines Aufenthaltsraumes beabsichtigt sei. Damit könne der Verstoß gegen die nachbarschützende Vorschrift des Abstandflächenrechts (§ 6 Abs. 7 Nr. 1 LBauO M-V) nicht ausgeräumt werden.

5

Nachdem der Beigeladene gegen die Ablehnung Widerspruch eingelegt und bestimmte bauliche Veränderungen - insbesondere eine Verkleinerung der Fenster - angeboten hatte, um sicher zu stellen, dass das Gebäude nicht zu Aufenthaltszwecken genutzt wird, und am 01.12.2008 zu diesen Fragen ein Termin vor Ort mit Vertretern der Beklagten und des Beigeladenen stattgefunden hatte, erteilte die Beklagte mit Bescheid vom 12.12.2008 die beantragte Baugenehmigung und nahm mit gesondertem Bescheid vom 16.12.2008 den Ablehnungsbescheid zurück.

6

In dem Baugenehmigungsbescheid vom 12.12.2008 heißt es:

7

"Auf Ihren Antrag vom 16.04.2008 erteile ich Ihnen, unbeschadet privater Rechte Dritter, die Genehmigung, das vorgenannte Vorhaben, die Errichtung einer Garage mit Abstellraum, entsprechend den beigefügten und als zugehörig gekennzeichneten Bauvorlagen auszuführen.

8

Die Prüfung der Bauvorlagen erfolgte im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 63 Abs. 1 LBauO M-V. Der Prüfumfang beschränkt sich hierbei auf den in der Vorschrift genannten Rahmen.

9

Die nachstehend oder in den Anlagen enthaltenen Bedingungen (B) und Auflagen (A) sowie die grünen Eintragungen sind Bestandteile dieser Genehmigung. Die Hinweise (H) sind bei der Ausführung zu beachten:

10

1. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens und der während der durchgeführten Besichtigung vom 01.12.08 getroffenen Festlegungen sind nachfolgende Maßnahmen bis zum 31.05.09 zu realisieren und der Vollzug der Bauaufsichtsbehörde schriftlich anzuzeigen:

11

- Zumauern des kleineren Fensters in der Garage

12

- Verkleinerung der 3 verbleibenden Fenster (davon 1 Fenster in der Garage und 2 Fenster im Abstell- und Werkraum) auf das Maß von 800 x 1000 mm

13

- Entfernen der Fliesen im Werk-, Abstellraum gemäß Schreiben des Bauherrn vom 05.07.2008

14

- Rückbau der Dachwandanschlußhöhe an der Grundstücksgrenze als Nachweis der Einhaltung der mittleren Wandhöhe von 3 m für grenzständige Nebengebäude gemäß § 6 (7) LBauO. (A) ..."

15

Der Rücknahmebescheid und die Baugenehmigung, die keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält, wurden dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 16.12.2008 übersandt. Darin heißt es:

16

"Durch die Änderung der Bauvorlagen und die Beauflagungen in der Baugenehmigung sind die Räume der Garage mit Abstellraum objektiv nicht mehr als Aufenthaltsräume geeignet. Nach dem Vollzug der Baugenehmigung werden die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten und keine nachbarrechtlichen Belange mehr beeinträchtigt."

17

Die Klägerin legte am 22.01.2009 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.2009, zugestellt am 20.03.2009, zurückwies. In der Begründung heißt es, das beantragte Nebengebäude sei im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen. Weiter ist ausgeführt:

18

"... Zum Prüfumfang gehören nicht die Vorschriften des Abstandsflächenrechts. Da durch das vorhergehende Verwaltungsstreitverfahren aber festgestellt wurde, dass das vorhandene Gebäude gegen nachbarschützende Vorschriften des Abstandsflächenrechts nach § 6 LBauO M-V verstößt, ist eine Legitimierung des Gebäudes durch Um/Rückbau nur möglich, wenn dadurch die nachbarschützenden Abstandsflächenvorschriften eingehalten werden."

19

Im Rahmen des Vor-Ort-Termins am 01.12.2008 hätten die Vertreter der Beklagten sich davon überzeugen können, dass das Gebäude als Garage und zu Abstellzwecken genutzt werde. Durch erfolgte bauliche Änderungen sowie die in der Baugenehmigung erteilten Auflagen sei sicher gestellt, dass die Räume objektiv nicht mehr für Aufenthaltszwecke geeignet seien. Das Gebäude verstoße danach nicht mehr gegen die nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts. Ihm stünden keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegen; ein Grund die Beseitigung zu verfügen, sei nicht mehr erkennbar.

20

Die Klägerin hat am 24.03.2009 Klage erhoben und geltend gemacht: Das Gebäude sei nach wie vor unzulässig, weil es grenzständig mit einer Wandhöhe von ca. 3,05 m errichtet worden sei. Daran habe sich nichts geändert. Auch die in dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 18.10.2007 zum Az. 1 A 922/03 beanstandeten Mängel bei der Einmessung des Gebäudes lägen weiterhin vor. Das ursprüngliche Gebäude sei ferner als Ferienwohnung ausgebaut worden, wie sich an den verwendeten Materialien, Anzahl und Dimension der Fenster, Elektro- und Sanitärinstallation gezeigt habe. Dies bleibe auch auf der Grundlage der neuen Baugenehmigung unverändert. Die Um- und Rückbaumaßnahmen änderten nicht den Charakter des Gebäudes. Dieses könne nach wie vor ohne großen Aufwand zu Wohnzwecken genutzt werden. Die Absicht, den Nutzungszweck zu ändern, sei nicht glaubhaft. Die Baugenehmigung sei daher rechtswidrig.

21

Die Klägerin hat beantragt,

22

die Baugenehmigung der Beklagten vom 12.12.2008 und ihren Widerspruchsbescheid vom 12.03.2009 aufzuheben.

23

Die Beklagte hat beantragt,

24

die Klage abzuweisen.

25

Sie hat vorgetragen: Die Beschaffenheit des Gebäudes mache derzeit eine Wohnnutzung nicht mehr in annehmbarer Form möglich, insbesondere nachdem die Fensteröffnungen verkleinert und in der Zahl verringert worden seien.

26

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

27

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 06.08.2010 die Baugenehmigung vom 12.12.2008 und den Widerspruchsbescheid vom 12.03.2009 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt: Das Vorhaben sei im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen, in dem das Abstandflächenrecht nicht zum Prüfprogramm gehöre. Davon sei die Beklagte jedoch abgewichen, indem sie die Baugenehmigung mit Nebenbestimmungen versehen habe, die die Einhaltung des Abstandflächenrechts gewährleisten sollten, und indem sie im Widerspruchsbescheid ausdrücklich davon ausgegangen sei, dass die "Legitimierung des Gebäudes", also die Erteilung der Baugenehmigung, nur möglich sei, wenn die Abstandflächen eingehalten würden. Allerdings werde auch durch eine ausdrückliche Prüfung nicht zum gesetzlichen Prüfprogramm gehörender Vorschriften keine Regelung im Hinblick auf die Vereinbarkeit des Vorhabens mit diesen Vorschriften getroffen. Eine entsprechende Baugenehmigung erwecke aber den Anschein, dass die Vereinbarkeit des Vorhabens mit bestimmten Vorschriften über das gesetzliche Prüfprogramm hinaus verbindlich festgestellt werde. Wegen dieses Rechtsscheins könne die Baugenehmigung, so weit es um nachbarschützende Vorschriften wie hier das Abstandflächenrecht gehe, erfolgreich angefochten werden. Das genehmigte Vorhaben verstoße gegen das Abstandflächenrecht. Die Baugenehmigung sei insoweit unbestimmt, weil die maßgeblichen Bauvorlagen, insbesondere der Schnitt, der die Wandhöhe angebe, nicht mit einem Zugehörigkeitsvermerk zur Baugenehmigung versehen sei. Unabhängig davon liege eine Verletzung des materiellen Abstandflächenrechts vor, weil die Bauvorlagen eine durch Aufschüttung um 15 bis 20 cm veränderte Geländeoberfläche zu Grunde legten, die Wandhöhe aber von der natürlichen Geländeoberfläche aus zu bestimmen sei. Die Wandhöhe betrage danach tatsächlich zwischen 3,15 und 3,20 m.

28

Der Beigeladene hat gegen das am 14.08.2010 zugestellte Urteil am 10.09.2010 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese nach Gewährung einer entsprechenden Fristverlängerung am 11.11.2010 begründet.

29

Er trägt vor: Ein Rechtsschein, der über das gesetzliche Prüfprogramm hinausreiche, könne von einer Baugenehmigung nicht ausgehen. Dass die Höhenlage nicht ausreichend bestimmt sei, treffe nicht zu. Die Höhe der Garagenwand sei vor Erteilung der Baugenehmigung durch die Beklagte überprüft worden; dies sei ausreichend. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Wandhöhe könnten nicht zutreffen. In dem Verfahren VG Greifswald Az. 1 A 922/03 sei die Wandhöhe im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor Ort am 18.10.2007 mit 3,05 m gemessen worden. Er - der Beigeladene - habe entsprechend den Auflagen das Dach aufgenommen und die Wand um 10 cm zurück gebaut, so dass die vorgeschriebene Höhe von 3,00 m hergestellt worden sei. Davon habe sich die Beklagte während des Ortstermins zur Überprüfung der Durchführung der erteilten Auflagen überzeugt. Er sei beim Rückbau des Daches und der Abtragung der Wandhöhe von der vorgefundenen Geländeoberfläche an der Grundstücksgrenze ausgegangen. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liege nicht vor. Belange der Klägerin würden nicht unzumutbar beeinträchtigt. Ein störender Schattenwurf könne nicht eintreten, weil das Vorhaben nördlich des Hauses der Klägerin liege. Durch eine geringe Höhenüberschreitung von nur 15 oder 20 cm würden weder die Sichtverhältnisse der Klägerin unzumutbar beeinträchtigt noch liege eine erhebliche ästhetische Beeinträchtigung vor. Auch wenn die Garage entfernt werden müsste, würde er – der Beigeladene - auf jeden Fall eine Mauer bis zu 2 m Höhe als Grundstückseingrenzung für erforderlich halten. Im übrigen habe bis 1999 auf der fraglichen Fläche in Höhe des Wohnhauses der Klägerin ein Stallgebäude gestanden. Durch dessen Abriss und die Errichtung der Garage hätten sich die Sicht- und Lichtverhältnisse für die Klägerin erheblich verbessert. Auch das OVG Greifswald habe in einer Entscheidung vom 06.01.2010 zum Az. 3 M 231/09 in einer Überschreitung der in der näheren Umgebung vorhandenen Geschosszahl keine unzumutbare Beeinträchtigung der Nachbarschaft gesehen und die Auffassung vertreten, dass bei einer geringfügigen Abweichung von den erforderlichen Abstandflächen ein vorläufiger Baustopp nicht in Betracht komme.

30

Der Beigeladene beantragt,

31

das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 06.08.2010 zu ändern und die Klage abzuweisen.

32

Die Klägerin beantragt,

33

die Berufung zurückzuweisen.

34

Sie trägt vor: Auf eine wertende Betrachtung, ob die mit der Verletzung der Abstandflächen verbundenen Beeinträchtigungen für den Nachbarn zumutbar seien oder nicht, komme es nicht an. Rechtmäßigkeitskriterium sei lediglich die Einhaltung eines bestimmten Maßes. Im übrigen könne auch deshalb nicht von einer nur ganz geringfügigen Überschreitung ausgegangen werden, weil wegen der Unbestimmtheit der Höhenlagen überhaupt nicht festgestellt werden könne, um welches Maß die Wandhöhe überschritten worden sei. Auf früher vorhandene Baulichkeiten komme es nicht an, da mit deren Entfernung der Bestandsschutz entfallen sei.

35

Die Beklagte stellt keinen Antrag.

36

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie der beigezogenen Gerichtsakte VG Greifswald Az. 1 A 922/03 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

37

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht begründet worden, nachdem die Begründungsfrist von zwei Monaten nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils, die am 14.10.2010 abgelaufen wäre, auf den am 06.10.2010 und damit rechtzeitig vor Fristablauf gestellten Antrag des Beigeladenen bis zum 11.11.2010 verlängert worden war, § 124a Abs. 3 Sätze 1 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

38

Die Berufung ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im übrigen ist sie unbegründet.

39

I. Hinsichtlich der Auflage Nr. 1 zur Baugenehmigung und der darin sinngemäß enthaltenen Feststellung der abstandflächenrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht der von der Klägerin erhobenen Nachbarklage stattgegeben und den angefochtenen Bescheid aufgehoben.

40

Die Klage ist zulässig. Insbesondere kann die Klägerin geltend machen, durch den angefochtenen Bescheid in eigenen Rechten verletzt zu sein, § 42 Abs. 2 VwGO. Dafür genügt es, dass die behauptete Rechtsverletzung möglich erscheint. Dies ist bereits dann anzunehmen, wenn die Verletzung eigener subjektiver Rechte eines Klägers nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (stRspr des BVerwG, vgl. U. v. 10.07.2001 - 1 C 35.00 - BVerwGE 114, 356 = Juris Rn. 15; U. v. 27.02.1996 - 1 C 41.93 - BVerwGE 100, 287, 299; U. v. 29.06.1995 - 2 C 32.94 - BVerwGE 99, 64, 66 mwN). Dies ist hier der Fall. Im Hinblick auf die in dem Baugenehmigungsbescheid vom 12.12.2008 enthaltene Auflage, mit der offenbar die Einhaltung der abstandflächenrechtlichen Vorschriften, insbesondere der Voraussetzungen des § 6 Abs. 7 LBauO M-V gewährleistet werden soll, kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass der Bescheid eine Regelung über die abstandflächenrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens auch mit Wirkung gegenüber der Klägerin enthält. Da die abstandflächenrechtlichen Vorschriften nachbarschützend sind, kann die Klägerin geltend machen, durch deren Anwendung in eigenen Rechten verletzt zu sein. Die Frage der Auslegung des Bescheides in dieser Hinsicht kann nicht bereits im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit abschließend behandelt werden ohne die prozessualen Anforderungen an eine nur mögliche Rechtsverletzung zu überspannen; sie bleibt deshalb der Begründetheitsprüfung vorbehalten.

41

Die Klage ist hinsichtlich der Auflage Nr. 1 zur Baugenehmigung und der darin sinngemäß enthaltenen Feststellung der abstandflächenrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens auch begründet. Insoweit sind der Bescheid der Beklagten vom 12.12.2008 und deren Widerspruchsbescheid vom 12.03.2009 rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

42

1. Der Baugenehmigungsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist dahin gehend auszulegen, dass die Beklagte neben der Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren nach § 63 LBauO M-V sinngemäß die selbständige Feststellung getroffen hat, dass das Vorhaben des Beigeladenen nach § 6 LBauO M-V zulässig ist.

43

Gegenstand dieser Feststellung ist das geplante Vorhaben, das auch Gegenstand der Baugenehmigung ist, nicht ein tatsächlich vorhandener Bestand. Auf den Vortrag des Beigeladenen, er habe entsprechend den Auflagen das Dach aufgenommen und die Wand um 10 cm zurück gebaut, so dass die vorgeschriebene Höhe von 3,00 m hergestellt worden sei, kommt es daher nicht an.

44

a) Die Prüfung des Abstandflächenrechts ist nicht im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens erfolgt.

45

Das Vorhaben unterfällt gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c LBauO M-V dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren, in dem die Übereinstimmung des Vorhabens mit den bauordnungsrechtlichen Vorschriften der Landesbauordnung einschließlich des Abstandflächenrechts nicht geprüft werden. Zur Erweiterung des in § 63 Abs. 1 LBauO M-V gesetzlich vorgegebenen Prüfprogramms und damit der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für die zu erteilende Baugenehmigung (§ 72 Abs. 1 LBauO M-V) ist die Bauaufsichtsbehörde nicht befugt. Die Feststellungswirkung der Baugenehmigung bezieht sich nur auf die Einhaltung der Vorschriften, die zum Prüfprogramm gehören (vgl. OVG Koblenz, U. v. 22.10.2008 - 8 A 10942/08 - BRS 73 Nr. 147 = Juris Rn. 24; Wolf in: Simon/Busse BayBO Art. 59 Rn. 106; Hornmann HessBO 2. Aufl. 2011 § 58 Rn. 17; Sauthoff BauR 2013, 415, 416). Die im vereinfachten Genehmigungsverfahren ergehende Baugenehmigung stellt keine (tendenziell) umfassende, sondern nur eine "beschränkte öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung" dar (Jäde in: Jäde u.a. BayBO Anm. 1 zu Art. 73 BayBO). Dass die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung und die Rechtmäßigkeit des Bauvorhabens auseinanderfallen können, ist die Konsequenz der Einführung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens (OVG Koblenz aaO). Dabei bleibt es grundsätzlich auch dann bei dem gesetzlich beschränkten Prüfprogramm und der entsprechend beschränkten Feststellungswirkung der Baugenehmigung, wenn sich aus den Verwaltungsvorgängen ergibt, dass die Baubehörde sich mit Vorschriften außerhalb des Prüfungsprogramms befasst hat (VGH München B. v. 08.02.2010 - 2 AS 09.2907 - Juris Rn. 24; B. v. 27.10.1999 - 2 CS 99.2387 - BRS 62 Nr. 166 = Juris Rn. 16).

46

Den beschränkten Prüfungsumfang im vereinfachten Genehmigungsverfahren hat die Beklagte auch nicht verkannt. Dies ergibt sich aus dem Hinweis im Ausgangsbescheid: "Die Prüfung der Bauvorlagen erfolgte im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 63 Abs. 1 LBauO M-V. Der Prüfumfang beschränkt sich hierbei auf den in der Vorschrift genannten Rahmen." Ebenso heißt es im Widerspruchsbescheid ausdrücklich: "Zum Prüfumfang gehören nicht die Vorschriften des Abstandflächenrechts." Insoweit unterscheiden sich die hier streitigen Entscheidungen von dem vorangegangenen Ablehnungsbescheid vom 14.07.2008, in dem der Prüfungsumfang nicht erörtert worden war; dort war lediglich § 72 LBauO M-V als Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Baugenehmigung genannt, ein Verstoß gegen § 6 Abs. 7 Nr. 1 LBauO M-V als nachbarschützende Vorschrift des Abstandflächenrechts festgestellt und anschließend formuliert worden: "Eine Baugenehmigung kann nicht erteilt werden, da das Vorhaben gegen o.g. öffentlich-rechtliche Vorschrift verstößt."

47

b) Die Beklagte hat jedoch im hier vorliegenden konkreten Einzelfall zusätzlich zur Durchführung des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens die Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Abstandflächenrecht geprüft und hierzu eine selbständige - positive - Feststellung getroffen.

48

Die Beklagte hat nicht nur in der Begründung des Bescheides Ausführungen zum Abstandflächenrecht gemacht, sondern mit den Auflagen unter Ziff. 1 in dem Bescheid Regelungen hierzu ausdrücklich tenoriert. Dabei handelt es sich zwar zunächst nur um bauordnungsrechtliche Anordnungen, die an den Beigeladenen gerichtet sind und nur diesen belasten. Nach Auffassung des Senats erschöpft sich die Bedeutung der Auflagen darin jedoch nicht. Vor dem Hintergrund des vorangegangenen Verfahrens, in dem die Einhaltung der Abstandsflächen durch das Vorhaben des Beigeladenen den maßgeblichen Streitpunkt bildete, wollte die Beklagte nicht nur einen Teilaspekt der Abstandsflächenproblematik allein mit belastender Wirkung gegenüber dem Beigeladenen regeln. Auf die Frage, ob eine solche Regelung gestützt auf § 58 Abs. 1 S. 2 LBauO M-V rechtmäßig sein könnte, kommt es daher vorliegend nicht an. Der Beklagten ging es vielmehr darum, die Frage der Einhaltung des Abstandflächenrechts durch das geänderte Vorhaben des Beigeladenen mit Wirkung für und gegen den Beigeladenen und für und gegen die Klägerin abschließend zu regeln.

49

Hierfür spricht zunächst die Struktur der Entscheidung. Dass die Beklagte in den Baugenehmigungsbescheid, d.h. unter die Überschrift „Baugenehmigung“ auch Aussagen zu der über das Prüfprogramm des Baugenehmigungsverfahrens hinausgehenden Frage der Abstandflächen aufgenommen hat, legt nahe, dass sie die für die Baugenehmigung typische Feststellungswirkung auch für diese - im Baugenehmigungsverfahren an sich nicht zu prüfenden - Frage erreichen wollte. Für das Vorliegen einer abschließenden Regelung zum Abstandflächenrecht auch mit Wirkung zu Gunsten des Beigeladenen und zu Lasten der Klägerin spricht ferner die Formulierung des Widerspruchsbescheides, der den ursprünglichen Verwaltungsakt abschließend gestaltet (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Nach dessen Begründung war "eine Legitimierung des Gebäudes" gerade im Hinblick auf das nachbarschützende Abstandflächenrecht beabsichtigt. Entsprechendes gilt schließlich im Hinblick auf die Übersendung des Baugenehmigungsbescheides an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin, verbunden mit den Aussagen, auf Grund der Änderung der Bauvorlagen und der Beauflagungen in der Baugenehmigung seien die Räume der Garage mit Abstellraum objektiv nicht mehr als Aufenthaltsräume geeignet, und nach dem Vollzug der Baugenehmigung würden die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten und keine nachbarrechtlichen Belange mehr beeinträchtigt,

50

Dem Baugenehmigungsbescheid ist deshalb über die ausdrücklich tenorierten Regelungen hinaus sinngemäß die Feststellung zu entnehmen, dass das Vorhaben des Beigeladenen so wie es zur Genehmigung gestellt ist und bei Einhaltung der verfügten Auflagen dem Abstandflächenrecht entspricht. Die Auflagen sind dann als Nebenbestimmungen zu dieser selbständigen Feststellung zu verstehen, die das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der Feststellung sicher stellen sollen (vgl. § 36 Abs. 1, 2. Alt. VwVfG M-V).

51

2. Die Feststellung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Vorschriften des Abstandflächenrechts ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

52

a) Für die getroffene Feststellung fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

53

Allerdings hat das OVG Koblenz (U. v. 22.11.2011 - 8 A 10636/11 - NVwZ-RR 2012, 304 = Juris Rn. 23) angenommen, es bleibe der Bauaufsichtsbehörde neben der Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren unbenommen, zur Klärung der Rechtslage die aus ihrer Sicht gegebene bauordnungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens festzustellen. Für eine solche Verfahrensweise bestehe insbesondere dann Anlass, wenn bereits im vereinfachten Genehmigungsverfahren Einwendungen des Nachbarn hinsichtlich der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens vorlägen und die Behörde deshalb ohnehin gehalten sei, sich mit einem Begehren auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten zu befassen.

54

Dieser Auffassung folgt der Senat jedoch für das Landesrecht Mecklenburg-Vorpommern jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation nicht. Rechtsgrundlage für eine Feststellung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Abstandflächenrecht könnte hier nur § 58 Abs. 1 Satz 2 oder § 80 Abs. 1 LBauO M-V sein. Anlass für eine Entscheidung der Beklagten nach § 80 Abs. 1 LBauO M-V bestand vorliegend im Hinblick auf das rechtskräftige Verpflichtungsurteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 18.10.2007 zum Az. 1 A 922/03. Aus dieser Rechtsgrundlage ergibt sich jedoch nicht auch die Ermächtigung der Bauaufsichtsbehörde, das Nichtvorliegen bestimmter Voraussetzungen für ein Einschreiten gesondert festzustellen. Damit würde dem Nachbarn die Anfechtungslast auferlegt. Er würde die Möglichkeit verlieren, die Verletzung nachbarschützender Vorschriften geltend zu machen, wenn der Verwaltungsakt ihm gegenüber bestandskräftig würde (vgl. Sauthoff BauR 2013, 415, 421 f.). Die behördliche Entscheidung hätte damit insoweit die gleiche Wirkung wie die Erteilung einer Baugenehmigung, der nach dem Willen des Gesetzgebers eine entsprechende Feststellungswirkung auch für das materielle Bauordnungsrecht aber gerade nicht zukommen soll. Diese Entscheidung des Gesetzgebers darf bei der Auslegung der Ermächtigungsgrundlagen für ein bauaufsichtliches Einschreiten nicht überspielt werden.

55

b) Die getroffene Feststellung ist ferner im konkreten Fall rechtswidrig.

56

aa) Allerdings steht ihr nicht die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 18.10.2007 - 1 A 922/03 - entgegen. Diese erfasst nicht auch das hier zur Beurteilung stehende Vorhaben.

57

Die Rechtskraft endet, wenn sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage nachträglich verändert, und diese Änderung entscheidungserheblich ist. Dabei hängt die Erheblichkeit der Änderung nicht davon ab, ob die Behörde oder das Gericht auf der Grundlage des neuen Sachverhalts zu einem anderen Ergebnis kommt als das rechtskräftige Urteil. Es reicht aus, dass die Änderung so wesentlich ist, dass auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Rechtskraft eines Urteils eine erneute Sachentscheidung gerechtfertigt ist. Eine von der Rechtskraftbindung des früheren Urteils befreiende entscheidungserhebliche Änderung der Sachlage liegt danach vor, wenn es für die geltend gemachte Rechtsfolge um die rechtliche Bewertung eines jedenfalls in wesentlichen Punkten neuen Sachverhalts geht, zu dem das rechtskräftige Urteil - auch unter Berücksichtigung seiner Rechtsfrieden und Rechtssicherheit stiftenden Funktion - keine verbindlichen Aussagen mehr enthält (vgl. BVerwG U. v. 18.09.2001 - 1 C 7.01 - BVerwGE 115, 118 = Juris Rn. 10 ff.).

58

Maßgeblich ist danach, ob das Bauvorhaben, das nunmehr verwirklicht werden soll, mit dem früheren im wesentlichen identisch ist, oder ob es in wesentlicher Beziehung hiervon abweicht. Das nunmehrige Vorhaben unterscheidet sich von dem früher zur Genehmigung gestellten - soweit es für die Anwendung der Vorschriften des Abstandflächenrechts möglicherweise von Bedeutung ist – insofern, als von dem früheren "Abstellraum" mit 23,67 qm nunmehr ein 4,42 qm großer (fensterloser) "Lager- und Abstellraum" abgetrennt werden soll und die Nutzung im übrigen mit "Abstellraum und Werkraum" bezeichnet ist; ferner hinsichtlich der Größe der Fenster in dem "Abstell- und Werkraum" (80 x 100 cm statt 91,5 x 126 cm) und hinsichtlich der Stärke der Zwischenwand zur Garage (26 cm statt 11,5 cm). Zusätzlich hat die Beklagte den Beigeladenen beauflagt, in dem Werk- und Abstellraum die (Boden-)Fliesen zu entfernen; ein entsprechender Grünvermerk findet sich auch in den Bauvorlagen. Im nördlichen Garagenteil, der ursprünglich fensterlos geplant war, ist nunmehr ebenfalls ein Fenster mit einer Größe von 80 x 100 cm vorgesehen.

59

Danach unterscheidet sich das nunmehrige Vorhaben immerhin in einem der seinerzeit vom Verwaltungsgericht bei der abstandflächenrechtlichen Bewertung für maßgeblich gehaltenen Punkte von dem ursprünglichen, nämlich insoweit als die Fenster in dem früheren Abstellraum von etwa 10 % auf etwa 8,5 % der Netto-Grundfläche verkleinert worden sind (für Aufenthaltsräume vorgeschrieben sind 12,5 %, § 47 Abs. 2 LBauO M-V). Dies reicht aus, um eine Neubewertung zu rechtfertigen.

60

bb) Die Feststellung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Vorschriften des Abstandflächenrechts ist jedoch rechtswidrig, weil sie materiell-rechtlich falsch ist. Das Vorhaben steht mit § 6 LBauO M-V nicht in Einklang.

61

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Diese müssen auf dem Grundstück selbst liegen, § 6 Abs. 2 Satz 1 LBauO M-V. Die Tiefe der Abstandfläche beträgt 0,4 H, mindestens aber 3 m, wobei das Maß H der Wandhöhe von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand entspricht (§ 6 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 LBauO M-V). Gemäß § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBauO M-V sind in den Abstandflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandflächen Garagen und Gebäude ohne Aufenthaltsräume und ohne Feuerstätten mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m und einer Gesamtlänge je Grundstücksgrenze von 9 m zulässig. Diese Voraussetzungen werden von dem grenzständigen Vorhaben des Beigeladenen jedoch nicht eingehalten.

62

Das Vorhaben des Beigeladenen überschreitet die gemäß § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBauO M-V zulässige Wandhöhe von 3 m. Diese wird von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand gemessen, § 6 Abs. 4 Satz 1, 2. Hs. LBauO M-V. Ausgangspunkt der Messung ist dabei die natürliche Geländeoberfläche. Die Bauvorlagen für das hier zu beurteilende Bauvorhaben stellen jedoch mit der Höhenangabe von 14,27 m für die Grenze zum Grundstück der Klägerin eine bereits veränderte Geländeoberfläche dar. Der entsprechende Lageplan datiert vom 25.07.2002; zu diesem Zeitpunkt war das Gebäude bereits errichtet. Der Kläger hat am 10.02.2005 in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Greifswald in dem Verfahren 1 A 922/03 angegeben, nach Abschluss der Bauarbeiten die Geländeoberfläche angeglichen zu haben, die ursprünglich in Richtung auf das Grundstück der Klägerin leicht abschüssig gewesen sei, wobei er die Höhendifferenz zwischen der Eingangsseite des Gebäudes und der Grundstücksgrenze auf etwa 15 bis 20 cm schätze. Die Vermessung sei erst nach der Angleichung des Geländes erfolgt. Die Höhe der nach diesem Vorbringen unverändert gebliebenen Geländeoberfläche auf der der gemeinsamen Grundstücksgrenze abgewandten Seite des Nebengebäudes ist in dem Lageplan mit 14,13 m bzw. 14,19 m angegeben. Liegt die natürliche Geländeoberfläche im Bereich der gemeinsamen Grundstücksgrenze nach den Angaben des Klägers etwa 15 bis 20 cm tiefer, so ist insoweit von einer Höhe von etwa 14,00 m auszugehen. Die maßgebliche Wandhöhe des Vorhabens an der Grundstücksgrenze beträgt dann etwa 3,24 m.

63

Daran ändert auch der Unterpunkt 4 der Auflage Nr. 1 zur Baugenehmigung nichts, mit dem dem Beigeladenen der "Rückbau der Dachwandanschlußhöhe an der Grundstücksgrenze als Nachweis der Einhaltung der mittleren Wandhöhe von 3 m für grenzständige Nebengebäude gemäß § 6 (7) LBauO" aufgegeben wird. Diese Regelung steht in Widerspruch zu den genehmigten Bauvorlagen; zudem ist sie unbestimmt und deshalb nicht vollziehbar. Was die "Dachwandanschlusshöhe" sein soll, ist nicht klar. Die Beklagte hat insoweit den vom Beigeladenen persönlich in seinem Schreiben vom 05.07.2008 laienhaft verwendeten Begriff in die Baugenehmigung übernommen, ohne ihn näher zu definieren. Zudem ist nicht klar, von welcher Geländeoberfläche die Beklagte ausgehen will, d.h. ob die Angaben aus den Bauvorlagen maßgeblich sein sollen oder ob die ursprüngliche – natürliche - Geländeoberfläche zu Grunde gelegt werden soll.

64

Schließlich erfüllt das nunmehr zur Beurteilung stehende Vorhaben des Beigeladenen auch deshalb nicht die Voraussetzungen eines privilegierten Grenzgebäudes gemäß § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBauO M-V, weil es sich nicht um ein Gebäude ohne Aufenthaltsräume handelt. Aufenthaltsräume sind nach § 2 Abs. 5 LBauO M-V Räume, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind. Anders als bei dem ursprünglich genehmigten Vorhaben liegt hier bereits eine Zweckbestimmung als Aufenthaltsraum vor. Der Beigeladene hat als Nutzungsart für den südlichen Gebäudeteil nunmehr "Abstell- und Werkraum" angegeben. Anders als ein Abstellraum ist ein Werkraum jedoch - jedenfalls bei nicht nur kurzzeitiger Nutzung - als Aufenthaltsraum anzusehen (vgl. Heintz in: Gädtke ua BauO NRW 11. Aufl. 2008 § 2 Rn. 233 f.). Auf die Frage, wie die Geeignetheit der Räume als Aufenthaltsräume nach der Verkleinerung der Fensteröffnungen unter Berücksichtigung der Regelung des § 47 Abs. 2 LBauO M-V zu beurteilen ist, kommt es daher nicht mehr an.

65

3. Da die Vorschriften des Abstandflächenrechts Nachbarschutz vermitteln, verletzt die rechtswidrige Feststellung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Abstandflächenrecht die Klägerin in ihren Rechten.

66

a) Zu Unrecht beruft der Beigeladene sich darauf, der Senat habe in seinem Beschluss vom 06.01.2010 - 3 M 231/09 - einen Abwehranspruch des Nachbarn bei lediglich geringfügiger Überschreitung der Abstandflächen verneint. Die genannte Entscheidung betraf einen anderen Streitgegenstand, nämlich den (Verpflichtungs-)Anspruch des Nachbarn auf bauordnungsrechtliches Einschreiten, nicht aber - wie hier - dessen Abwehranspruch gegen eine die Zulässigkeit des benachbarten Vorhabens feststellende Regelung. Ferner ging es in dem angeführten Beschluss um eine Abstandflächenüberschreitung um lediglich (bis zu) 8 cm und eine betroffene Fläche von (höchstens) 1 qm. Die Entscheidung erging ferner im vorläufigen Rechtsschutzverfahren, in dem der Senat lediglich einen Anspruch auf Erlass eines vorläufigen Baustopps verneinte, und zwar mit der Begründung dass die Überschreitung der Abstandfläche noch durch bauliche Maßnahmen bei der Vollendung des im Rohbau bereits fertig gestellten Gebäudes vermieden werden könne, und der Bauherr eine entsprechende Änderung bereits angekündigt habe. So liegt der Fall hier aber nicht.

67

bb) Die Klägerin ist auch nicht deshalb gehindert, die Rechtsverletzung geltend zu machen, weil ihr eigenes Bestandsgebäude auf dem Nachbargrundstück die Abstandflächen nicht einhält. Eine unzulässige Rechtsausübung liegt nur vor, wenn der Nachbar seinerseits den erforderlichen Abstand nicht einhält und sich dennoch gegen einen vergleichbaren Rechtsverstoß durch ein Vorhaben auf dem angrenzenden Grundstück zur Wehr setzt (vgl. VGH Mannheim U. v. 18.11.2002 - 3 S 882/02 - BRS 65 Nr. 193; OVG Münster U. v. 24.04.2001 - 10 A 1402/98 - BRS 64 Nr. 188). Für die Vergleichbarkeit wechselseitiger Rechtsverstöße ist neben dem Maß des Grenzabstands die Qualität der Beeinträchtigung von Bedeutung (vgl. OVG Münster aaO).

68

Nach diesen Maßstäben liegt ein vergleichbarer Rechtsverstoß hier nicht vor. Zwar hatte die Klägerin in dem vorangegangenen Verfahren vor dem VG Greifswald erklärt, der Verandenteil ihres Wohngebäudes stehe von der Grundstücksgrenze lediglich 2,63 m entfernt. Auch wenn davon auszugehen sein sollte, dass dies über die gesamte Breite des Gebäudes der Fall ist - die vorliegenden Lagepläne lassen unterschiedliche Verläufe der Grundstücksgrenze erkennen - ergibt sich daraus lediglich eine Abstandflächenverletzung in einem Umfang von etwa 0,37 m x 9 m, d.h. von etwa 3,3 qm, während das Gebäude des Beigeladenen eine Abstandfläche von insgesamt etwa 3,24 m x 9 m, d.h. von etwa 29,16 qm auslöst. Denn sind die Voraussetzungen eines privilegierten Grenzgebäudes nicht erfüllt, so tritt eine Abstandflächenverletzung nicht nur in dem Umfang ein, um den die für ein Privilegierung einzuhaltenden Abmessungen überschritten werden, sondern im vollen Umfang der durch das Gebäude ausgelösten Abstandfläche, die dann nach den allgemeinen Regeln des Abstandflächenrechts auf dem Grundstück des Bauherren liegen müsste (§ 6 Abs. 2 Satz 1 LBauO M-V).

69

Hinzu kommt, dass die Abstandflächenverletzung durch das Gebäude der Klägerin sich lediglich im rückwärtigen Bereich des Grundstücks des Beigeladenen auswirkt und das Wohngebäude nicht tangiert, während das streitgegenständliche Gebäude des Beigeladenen sich auf die Belichtung des Wohngebäudes der Klägerin auswirkt.

70

4. Durch die Aufhebung der Auflagen Nr. 1 zur Baugenehmigung wird gleichzeitig die damit sinngemäß verbundene Feststellung der Abstandflächenrechtskonformität des Vorhabens aufgehoben, weil sie rechtswidrig ist und Rechte der Klägerin verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Bescheid ist insoweit nicht teilbar, weil die Beklagte eine einheitliche Entscheidung treffen wollte. Die isolierte Aufrechterhaltung der Auflagen selbst als derjenigen Nebenbestimmungen, durch die die Voraussetzungen für die Feststellung der Abstandflächenkonformität abgesichert werden sollen, kommt nicht in Betracht.

71

II. Soweit das Verwaltungsgericht auch die im vereinfachten Verfahren erteilte Baugenehmigung aufgehoben hat, hat die Berufung hingegen Erfolg. Insoweit verletzen der angefochtene Baugenehmigungsbescheid und der Widerspruchsbescheid die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Insbesondere liegt ein Verstoß gegen das in dem Gebot des Einfügens gemäß § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme nicht vor. Das Gebot der Rücksichtnahme in seiner subjektiv-rechtlichen Ausprägung ist nur dann verletzt, wenn die Bebauung sich als dem Nachbarn gegenüber unzumutbar erweist. Wann dies der Fall ist, kann nur aufgrund einer Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist, beurteilt werden. BVerwG, U. v. 25.02.1977 - IV C 22/75 - BVerwGE 52, 122). Eine Bebauung ist u.a. dann rücksichtslos, wenn sie eine erdrückende Wirkung hat (vgl. BVerwG, U. v. 23.05.1986 – 4 C 34.85 – NVwZ 1987, 34 = Juris Rn. 15; U. v. 13.03.1981 – 4 C 1.78 – BauR 1981, 155 = Juris Rn. 38). Eine solche Wirkung geht von dem Vorhaben des Beigeladenen jedoch nicht aus. Es wird zwar grenzständig errichtet und überschreitet das Maß des nach dem landesrechtlichen Abstandsflächenrecht Zulässigen. Die Nichteinhaltung des landesrechtlichen Abstandflächenrechts indiziert aber nicht das Vorliegen eines Rücksichtnahmeverstoßes (zur Unabhängigkeit der Frage der Einhaltung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebotes von der Beachtung der bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften vgl. BVerwG U. v. 23.05.1986 – 4 C 34.85 – aaO Rn. 17). Auch dass mit der Überschreitung des abstandflächenrechtlich Zulässigen eine zusätzliche Beeinträchtigung der Belichtung des Wohngebäudes der Klägerin verbunden ist, reicht nicht aus. Die Höhe eines abstandflächenrechtlich zulässigen Grenzgebäudes wird nur in einem begrenzten Maß überschritten; dem entsprechend begrenzt ist das Maß der zusätzlichen Beeinträchtigung. Ein grobes Missverhältnis zwischen den Kubaturen der einander gegenüber stehenden Baukörper liegt nicht vor. Die beengte Wohnsituation beruht auch auf der Anordnung des Gebäudes der Klägerin im Verhältnis zur Grundstücksgrenze. Auf die Frage, ob sich insoweit auch auswirkt, dass die Klägerin die Bebauung ihres Grundstücks in einer Weise, dass sie auf die Belichtung des Gebäudes aus der Richtung des Nachbargrundstücks angewiesen ist, zu einem Zeitpunkt vorgenommen hat, zu dem sich an der Nachbargrenze ebenfalls eine Grenzbebauung befand, kommt es nicht mehr an.

72

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

73

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 10. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Baugenehmigung, die der Antragsgegner dem Beigeladenen erteilt hat.

2

Der Beigeladene ist nach eigenen Angaben Eigentümer des Flurstücks B der Flur C der Gemarkung A. Die Antragstellerin ist nach eigenen Angaben Eigentümerin des benachbarten Anwesens mit der Straßenbezeichnung B.straße 6. Dieses besteht aus zwei Flurstücken, für die eine Vereinigungsbaulast bestellt ist (Flurstücke D und E) und ist bebaut mit einem Wohnhaus, dessen Firsthöhe 6,80 m beträgt. Ein spitzgiebeliger Eingangsbereich überragt die Dachfläche des Segmentbodengiebels. In der B.straße finden sich nach einer Aufstellung des Antragsgegners mehrere denkmalgeschützte Wohngebäude. Die maximale Traufhöhe der Bebauung in der B.straße beträgt 10,60 m und die maximale Firsthöhe 15 m. Mehr als drei Geschosse finden sich nach dieser Auflistung in keinem der vorhandenen Gebäude. In der C.straße erreicht ein Haus eine Firsthöhe von 16,00 m; die Traufhöhe und die Zahl der Geschosse ist nirgendwo höher als in der B.straße. Gleiches gilt für die D.straße, in der die maximale Firsthöhe 14,00 m beträgt.

3

Der Beklagte erteilte dem Beigeladenen eine Baugenehmigung, die in der Fassung des ersten Nachtrages vom 07.08.2009 folgendes Bauvorhaben zum Gegenstand hat: es soll ein Wohnhaus errichtet werden, das neben einem Kellergeschoss, das mit einer Höhe von 1,20 m aus dem Erdboden herausragt, drei Geschosse und einen Spitzboden aufweist. Die natürliche Geländehöhe wird mit 14,60 HN in den Bauzeichnungen angegeben. Die Oberkante des dritten Geschosses endet bei 12,95 m, wobei die östliche Außenwand des dritten Geschosses um 13 cm zurückspringt. Die Traufhöhe wird mit 14,30 m über OFF (entspricht 15,50 m über Gelände) angegeben. Diese wird gemessen am Schnittpunkt der Dachhaut über dem Spitzboden mit der Außenwand des Spitzbodens. Die Firsthöhe beträgt 17,50 m über Gelände. Nach den vorgelegten Bauunterlagen beträgt der Abstand des geplanten Gebäudes zur Grundstücksgrenze der Antragstellerin an der schmalsten Stelle 5,65 m.

4

Die Antragstellerin wurde am Baugenehmigungsverfahren nicht beteiligt. Sie legte gegen die Baugenehmigung in der Fassung des ersten Nachtrages am 04.11.2009 Widerspruch ein. Über den Widerspruch ist bislang nicht entschieden. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner ab, weil die Baugenehmigung offensichtlich rechtmäßig sei. Die von der Antragstellerin als verletzt gerügten Abstandsflächen seien - wie sich aus Nachmessungen am Rohbau ergeben hätte - eingehalten. Das Gebäude sei auch nicht rücksichtslos.

5

Die Antragstellerin beantragte am 03.12.2009 beim Verwaltungsgericht vorläufigen Rechtsschutz. Das Bauvorhaben füge sich nicht in die nähere Umgebung ein. Diese sei davon geprägt, dass der Hauseingang auf einer Gebäude(längs)seite liege und der Wohnbereich zur anderen Gebäudeseite ausgerichtet sei. So schaue der jeweilige Wohnbereich auf den Eingangsbereich des Nachbarn. Dem entspreche das Bauvorhaben des Antragstellers nicht. Es weise auf der zum Grundstück der Antragstellerin gerichteten Gebäudeseite insgesamt acht Fenster auf, so dass der Rückzugsraum auf diesem Grundstück unter Beobachtung stehe und wegfalle. Das Vorhaben hause das Grundstück der Antragstellerin ein. Die Grenzgarage verstärke diesen Eindruck. Die Abstandsfläche zum Grundstück der Antragstellerin sei nicht eingehalten. Die bei der Nachmessung von der Behörde vorgegebene Grundstückshöhe von 14,70 m sei willkürlich. Die Berechnungen der Abstandsfläche beruhten auf fehlerhaften Zahlen, weil unterschiedliche Höhensysteme HN und NN verwendet worden seien. Zudem seien die Höhenangaben in den Schnittzeichnungen des ersten Nachtrages nicht nachvollziehbar, weil die Erhöhung der OKG um 20 cm nicht berücksichtigt worden sei. Der Rücksprung sei rechtlich unbeachtlich. Der Rohbau sei tatsächlich um 0,755 m höher ausgefallen als genehmigt.

6

Die Antragstellerin hat beantragt,

7

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung vom 29.04.2009 in Gestalt des ersten Nachtrages vom 07.08.2009 anzuordnen,

8

dem Beigeladenen vorläufig bei Meidung eines festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe bis zu 250.000 EUR aufzugeben, die Bauarbeiten einstweilen, längstens bis zu einer Entscheidung über den Eilantrag, einzustellen und

9

hilfsweise dem Antragsgegner aufzugeben, einen vorläufigen Baustopp gegenüber dem Beigeladenen auszusprechen.

10

Der Beklagte hat die Nachmessungen im Widerspruchsverfahren und die dort ermittelten Höhenwerte erläutert und verteidigt.

11

Das Verwaltungsgericht hat mit dem angegriffenen Beschluss vom 10.12.2009 die Anträge abgelehnt. Ein Abwehrrecht der Antragstellerin aus dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme aus § 34 BauGB liege erst vor, wenn der Verstoß gegen das Einfügen bei den Merkmalen Vollgeschoss und Gebäudehöhe schwer und unerträglich sowie unzumutbar beeinträchtigend sei. Dies sei nicht zu erkennen. Jedenfalls in der C.straße befinde sich ein noch höheres Gebäude und die Überschreitung der vorhandenen Geschosszahl sei als solche keine unzumutbare Beeinträchtigung der Nachbarschaft. Das Vorhaben wirke auch nicht erdrückend. Eine Verletzung der Abstandsflächen durch die Baugenehmigung liege nicht vor. Allerdings verletze der abweichend von der Baugenehmigung errichtete Rohbau geringfügig die erforderlichen Abstandsflächen. Wegen der Fertigstellung des Rohbaus scheide eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung eines vorläufigen Baustopps aus. Ein solcher Baustopp sei zudem unverhältnismäßig. Der Beigeladene könne die Abstandsflächen durch noch mögliche Veränderungen am Rohbau einhalten. Eine Verurteilung des Beigeladenen zur Einstellung der Bauarbeiten sei nicht möglich.

12

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie macht im wesentlichen geltend, ihr stehe ein Gebietserhaltungsanspruch zur Seite. Auch die vom Verwaltungsgericht nicht beachtete Erhaltungssatzung räume ihr einen solchen Anspruch ein. Wegen der Überschreitung des Maßes der baulichen Nutzung, wie es in der näheren Umgebung zu finden sei, und der dadurch hervorgerufenen Störung des Ortsbildes werde sie in ihrem Gebietserhaltungsanspruch verletzt. Auch die Verletzung der Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse könne sie als subjektives Recht geltend machen. Sie verliere durch die Einsichtsmöglichkeiten vom Vorhaben in ihren Wohnbereich den erforderlichen Schutz ihrer Privatsphäre. Das Vorhaben habe auch deshalb erdrückende Wirkung. Selbst wenn die Abstandsflächen eingehalten sein sollten, folge daraus nicht, dass das Vorhaben dem Gebot der Rücksichtnahme entspreche. Die städtebaulichen Abstandsflächen seien von denen des Bauordnungsrechts zu unterscheiden, zudem sei durch die Verringerung der bauordnungsrechtlichen Mindestabstände die frühere Rechtsprechung zu diesem Punkt nicht mehr anwendbar. Die erforderlichen Abstandsflächen seien nicht eingehalten. Die Einhaltung der Abstandsflächen sei von dem Antragsgegner geprüft und damit zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht worden. Das Ermessen des Antragsgegners sei auf den Erlass eines Baustopps reduziert, weil anders rechtmäßige Zustände nicht hergestellt werden könnten.

13

Die Antragsgegnerin beantragt,

14

den Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern und nach den bisherigen Anträgen zu 1. und 3. zu beschließen.

15

Der Antragsgegner beantragt,

16

die Beschwerde zurückzuweisen.

17

Er ist der Auffassung, das Rechtschutzinteresse der Antragstellerin an dem beantragten Baustopp sei nach Fertigstellung des Rohbaus entfallen. Die Abstandsflächen seien eingehalten; zu Lasten der Antragstellerin könne maximal eine Überschreitung der Mindestabstandsfläche von 40 cm² angenommen werden. Das Vorhaben des Beigeladenen sei weder unter dem Gesichtspunkt der Art noch dem des Maßes der baulichen Nutzung rücksichtlos. Gleiches gelte für die Verschattung und die Einsichtnahmemöglichkeit. Eine erdrückende Wirkung gehe von dem Vorhaben nicht aus. Die Erhaltungssatzung begründe kein subjektives Recht der Antragstellerin.

18

Der anwaltlich nicht vertretene Beigeladene hat sich über seinen Architekten zur Akte gemeldet.

19

Der Senat hat am 05.01.2010 das Vorhaben und die nähere Umgebung in Augenschein genommen und die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert.

II.

20

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

21

A. Die fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde ist nicht deswegen unzulässig, weil zwischenzeitlich der Rohbau der genehmigten baulichen Anlage fertig gestellt wurde. Allerdings hat der Senat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, mit der Fertigstellung des Rohbaus einer genehmigten baulichen Anlage entfalle das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz, wenn die Verletzung subjektiver Rechte des Nachbarn allein durch den Baukörper ausgelöst wird (so bereits B. v. 22.03.1994 - 3 M 66/93; B. v. 31.05.1994 - 3 M 11/04 -, NVwZ 1995, 400). Der Senat hat aber in den genannten Beschlüssen auch ausgeführt, dass anderes gelte, wenn auch die Nutzung der baulichen Anlage eine Verletzung subjektiver Rechte der Nachbarn bewirkt und beispielhaft die Einsichtsmöglichkeiten in den Ruhebereich eines Hausgrundstücks benannt (vgl. weiter Beschluss des Senats v. 17.01.2005 - 3 M 37/04 -, BRS 69 [2005] Nr. 134). Aus dieser bisherigen ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 19.08.2009 - 3 M 127/09), an der der Senat festhält, ergibt sich für den hier zu entscheidenden Einzelfall, dass die Fertigstellung des Rohbaus nicht zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Antragstellers führt. Ausweislich der Baugenehmigung weist die zum Grundstück der Antragstellerin gerichtete Wand des Vorhabens eine Reihe von Fenstern in jedem Geschoss auf, durch die Einsichtsmöglichkeiten auf das Grundstück der Antragstellerin eröffnet werden. Unabhängig von der Frage der Einhaltung der Abstandsflächen macht die Antragstellerin geltend, das streitbefangene Vorhaben füge sich nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die nähere Umgebung ein. Angesichts dieses substantiierten Vorbringens kann nicht mit Wirkung der Verneinung des Rechtsschutzinteresses angenommen werden, eine Verbesserung der Rechtslage könne die Antragstellerin im Eilverfahren nicht mehr erreichen.

22

Der vorliegende Fall gibt dem Senat keine Veranlassung zur Entscheidung, ob zukünftig an dieser Rechtsprechung festgehalten wird oder gewichtigen Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur (VGH Mannheim, B. v. 07.03.1995 - 3 S 174/95 - NVwZ-RR 1995, 488; OVG Münster, B. v. 17.10.2000 - 10 B 1053/00 - BRS 63 Nr. 198; OVG Bautzen, B. v. 09.09.1994 - 1 S 259/94 - BRS 56 Nr. 115; Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, § 80a Rdn. 67; alle zit. nach OVG Berlin-Brandenburg B. v. 23.03.2006 - 10 S 21.05 -, juris) zu folgen ist, dass erst eine weitgehende oder endgültige Fertigstellung des baulichen Vorhabens das Rechtsschutzinteresse entfallen lässt.

23

Der Senat sieht auch im vorliegenden konkreten Einzelfall keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine prozessuale Verwirkung des nachbarlichen Anfechtungsrechts wegen einer erst im Zeitpunkt der weitgehenden Errichtung des Rohbaus erfolgten Widerspruchseinlegung und Beantragung gerichtlichen vorläufigen Rechtsschutzes. In den Fällen, in denen - wie hier - die einmonatige Widerspruchsfrist des § 58 Abs. 1 VwGO nicht zu laufen beginnt, weil die Baugenehmigung dem Nachbarn nicht bekannt gegeben worden ist, gelten die folgenden Grundsätze (vgl. Beschluss des Senats vom 14.07.2005 - 3 M 69/05 -, NordÖR 2005, 424):

24

Das Rechtsverhältnis zwischen - wie hier - unmittelbar benachbarten Grundstückseigentümern ist durch ein besonderes nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis gekennzeichnet, das nach Treu und Glauben besondere Rücksicht der Nachbarn aufeinander fordert. Der Nachbar des Bauherrn ist danach verpflichtet, durch zumutbares aktives Verhalten mitzuwirken, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst gering zu halten. Hat er von der dem Bauherrn erteilten Baugenehmigung, obwohl sie ihm nicht bekanntgegeben worden ist, auf andere Weise zuverlässig Kenntnis erlangt, muss er sich in aller Regel nach Treu und Glauben bezüglich der Widerspruchseinlegung so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung amtlich bekannt gegeben worden. Die Frist zur Einlegung des Widerspruchs richtet sich daher für ihn vom Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung an regelmäßig nach den Fristvorschriften der § 70 Abs. 2, § 58 Abs. 2 VwGO, d.h. er muss seinen Widerspruch - da ihm eine amtliche Rechtsmittelbelehrung nicht erteilt worden sein wird - regelmäßig innerhalb der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO einlegen. Gleiches gilt für den Fall, dass der Nachbar von der Baugenehmigung zuverlässige Kenntnis hätte haben müssen, weil sich ihm das Vorliegen der Genehmigung aufdrängen musste, und weil es ihm möglich und zumutbar war, sich hierüber - etwa durch Anfrage bei dem Bauherrn oder der Baugenehmigungsbehörde - Gewissheit zu verschaffen. Dann beginnt für ihn die Frist der §§ 70 Abs. 2, 58 Abs. 2 VwGO für die Einlegung des Widerspruchs von dem Zeitpunkt an zu laufen, in dem er zuverlässige Kenntnis von der Genehmigung hätte erlangen müssen. Allerdings kann es sich dabei nur um solche Zeitpunkte handeln, die zeitlich der Genehmigung nachfolgen, denn die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO kann frühestens mit der Erteilung der Baugenehmigung in Lauf gesetzt werden (OVG Weimar, U. v. 26.02.2002 - 1 KO 305/99 -, BRS 65 Nr. 130). Überdies setzt die Verwirkung des prozessualen nachbarlichen Abwehrrechts voraus, dass der Betroffene die Rechtsverletzung erkannt hat oder jedenfalls hätte erkennen müssen, d.h. es kommt für den Fristbeginn auf die hinreichende Erkennbarkeit eines Eingriffs in seine geschützte Rechtsstellung an. Dabei kann auch ein Nachbar zunächst einmal von rechtmäßigem Verwaltungshandeln ausgehen und es kann ihm nicht angesonnen werden, gleichsam auf Verdacht Bautätigkeit auf dem benachbarten Grundstück zum Anlass zu nehmen, sich über den Inhalt einer Baugenehmigung kundig zu machen (OVG Saarlouis, B. v. 19.09.1997 - 2 V 10/97 -, BRS 59 Nr. 111). Die Nichterweislichkeit des Verwirkungstatbestandes geht zu Lasten desjenigen, der sich auf diesen Ausnahmetatbestand beruft (VG Potsdam, U. v. 26.10.2000 - 5 K 2871/99 -, zitiert nach juris).

25

Die Antragstellerin macht geltend, dass das Maß der baulichen Nutzung und die Problematik der Einhaltung der Abstandsflächen erst Ende Oktober 2009 erkennbar geworden sei, als das 3. Geschoss errichtet wurde. Sie habe nach zeitnaher Einsicht in die Baugenehmigungsakte am 04.11.2009 Widerspruch eingelegt. Unter diesen Umständen, die der Antragsgegner nicht substantiiert in Frage gestellt hat, ergibt sich keine prozessuale Verwirkung.

26

B. Die Beschwerde führt aber nicht zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses, weil sich aus der für die Entscheidung maßgebenden Beschwerdebegründung nicht ergibt, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts fehlerhaft ist.

27

1. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung.

28

a. Die Beschwerde macht zunächst geltend, die Baugenehmigung sei rechtswidrig, weil sich das Vorhaben nicht im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB in die nähere Umgebung einfüge. Dadurch verletze die Baugenehmigung zum einen den sich aus § 34 Abs. 1 BauGB i.V.m. der Erhaltungssatzung der Stadt Neubrandenburg vom 17.11.1994 ergebenden Gebietserhaltungsanspruch der Antragstellerin und verletze sie zum anderen in ihrem Anspruch auf Rücksichtnahme aus § 34 Abs. 1 BauGB.

29

aa. Die Antragstellerin leitet - so kann die Beschwerdebegründung verstanden werden - aus der Rechtsprechung des BVerwG einen Gebietserhaltungsanspruch, der konkrete Beeinträchtigungen nicht voraussetzt, auch für den Fall ab, dass sich das Vorhaben zwar nach der Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, nicht aber nach dem Maß der baulichen Nutzung. Die Antragstellerin stützt sich dabei insbesondere auf das Urteil des BVerwG vom 16.09.1993 (4 C 28/91 - BVerwGE 94, 151). Der Senat entnimmt - anders als die Antragstellerin - dieser Entscheidung nicht die Rechtsauffassung, dass auch das Maß der baulichen Nutzung im unbeplanten Innenbereich Drittschutz vermittelt. Das BVerwG hat in der genannten Entscheidung eingangs seiner Überlegung zum Nachbarschutz verdeutlicht, dass die Gemeinde bezüglich des Nachbarschutzes grundsätzlich frei ist und regelmäßig selbst entscheidet, ob eine Festsetzung im Bebauungsplan auch zum Schutze Dritter ergeht. Die Festsetzungen eines Bebauungsplanes sind nicht bereits deshalb drittschützend, weil sie die Grundstückseigentümer im Bebauungsplangebiet Nutzungsvorgaben unterwerfen und diese dies nur hinnehmen müssen, weil es sich um für alle geltende Regelungen handelt mit der Folge, dass der einzelne die Befolgung einklagen kann. Dies muss, um Wertungswidersprüche zu vermeiden, auch für den unbeplanten Innenbereich gelten. Für die Art der baulichen Nutzung allerdings hat das BVerwG im Wege einer Ausnahme von dem dargestellten Grundsatz einen generellen Drittschutz bejaht, der sich aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergebe. Zudem verweise § 34 Abs. 2 BauGB nicht mehr auf das Einfügensgebot, sondern ausschließlich auf die Regelungen der BauNVO. Daraus lässt sich der Rechtssatz entnehmen, dass nur dann und soweit das im Begriff des Einfügens enthaltene drittschützende Rücksichtnahmegebot im unbeplanten Innenbereich nicht gilt, eine den Festsetzungen der Baunutzungsverordnung entsprechende faktische Bebauung generell drittschützende Wirkung entfalten kann. Für das Maß der baulichen Nutzung gilt dies nicht: dieses ist für den unbeplanten Innenbereich in § 34 Abs. 1 BauGB erfasst. Die Norm vermittelt den Drittschutz über das Tatbestandsmerkmal des Einfügens und damit über das subjektive Recht auf Rücksichtnahme. Drittschutz gegen ein sich nicht einfügendes Maß der baulichen Nutzung setzt voraus, dass dadurch eine den Nachbarn unzumutbar beeinträchtigende Situation entsteht.

30

bb. Soweit der Beschwerdebegründung die Rechtsauffassung entnommen werden kann, aus § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB i.V.m. § 172 BauGB und der darauf fußenden Erhaltungssatzung der Stadt N vom 17.11.1994 ergebe sich eine Regelung der Gebietsart im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB, vermag der Senat diesem Gedanken nicht zu folgen. Die Bestimmung des § 172 BauGB findet sich im ersten Abschnitt des sechsten Teils des BauGB und damit innerhalb des BauGB in einem völlig anderem systematischen Zusammenhang als § 34 BauGB, der sich im Ersten Abschnitt des dritten Teils findet. Die Erhaltungssatzung, die im sechsten Teil des BauGB geregelt ist, ist ein eigenständiges Rechtsinstitut, als dessen Rechtsfolge eine spezielle Genehmigung erforderlich ist (§ 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Im übrigen ist das Ortsbild ungeeignet, eine Gebietsart im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB, die sich nur auf die nähere Umgebung erstrecken kann, zu prägen, weil es einen größeren Bereich erfasst als die nähere Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB (vgl. BVerwG U. v. 11.05.2000 - 4 C 14/98 -, NVwZ 2000, 1169). Eine rechtliche Verbindung zu § 34 Abs. 1 BauGB lässt sich den einschlägigen Normen auch dann nicht entnehmen, wenn berücksichtigt wird, dass §34 Abs. 1 Satz 2 BauGB das Ortsbild als vor einer Beeinträchtigung zu schützen regelt. Darin mag ein identischer Schutzgegenstand gesehen werden, doch ist der Gesetzgeber frei, für diesen unterschiedliche Schutzsysteme zu ermöglichen, ohne dass dies erlaubt, ohne Gesetzebefehl eine gegenseitige rechtliche Wechselwirkung anzunehmen.

31

Im Übrigen enthält § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB keine drittschützenden Regelungen (vgl. BVerwG U. v. 23.05.1986 - 4 C 34/85 -, NVwZ 1987, 34; BVerwG B. v. 11.01.1999 - 4 B 128/98 -, BRS 62 Nr. 102). Daher ergibt sich auch aus den Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse kein Drittschutz.

32

cc. Soweit der Beschwerde der Vortrag entnommen werden kann, das Vorhaben des Beigeladenen verstoße gegen das in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB enthaltene Gebot der Rücksichtnahme in seiner subjektiv-rechtlichen Ausprägung, führt dies nicht zum Erfolg der Beschwerde.

33

Nach Auffassung des Senats, die er auch auf das Ergebnis des Augenscheins stützt, fügt sich das Vorhaben des Beigeladenen nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Bei der Konkretisierung des Begriffs der näheren Umgebung muss die Umgebung einmal insoweit berücksichtigt werden, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann, und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Dabei muss zwar die Betrachtung auf das Wesentliche zurückgeführt werden, und es muss alles außer acht gelassen werden, was die Umgebung nicht prägt oder in ihr gar als Fremdkörper erscheint; aber es darf doch nicht nur diejenige Bebauung als erheblich angesehen werden, die gerade in der unmittelbaren Nachbarschaft des Baugrundstücks überwiegt, sondern es muss auch die Bebauung der weiteren Umgebung des Grundstücks insoweit berücksichtigt werden, als auch sie noch prägend auf dasselbe einwirkt (BVerwG U. v. 18.10.1974 - BVerwG IV C 77.73 - Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 4 5 S 111 (114)).

34

Nach dieser Vorgabe erstreckt sich die nähere Umgebung entlang der B.straße, umfasst den südlichen Teil der C.straße und den nordwestlichen Teil der D.straße jeweils mit der dort befindlichen Bebauung sowie die Fläche zwischen der Bebauung entlang des nordwestlichen Teils der D.straße bis hin zur Wohnbebauung entlang der nordwestlichen C.straße, wobei diese Bebauung nicht mehr prägend auf das Grundstück des Beigeladenen einwirkt. Innerhalb dieses Gebietes findet sich sehr unterschiedliche Bebauung, die zwischen einem eingeschossigen Flachbau mit aus dem Erdboden herausragenden Kellergeschoss und Gründerzeitvillen mit zwei Geschossen und ausgebautem Dachgeschoss sowie aus dem Erdboden herausragendem Kellergeschoss variiert. Das Maß der baulichen Nutzung ist unterschiedlich, wobei eine Bebauung von mehr als zwei Geschossen und einem ausgebauten Dachgeschoss oder drei Geschossen nicht zu finden ist. Gebäude mit einer Firsthöhe über 15,00 m sind nach den Feststellungen des Antragsgegners nicht vorhanden. Der Beigeladene trägt demgegenüber vor, jedenfalls ein Haus in der B.straße habe eine Firsthöhe von 17,50 m und ein anderes eine solche von 16,30 m. Streitig ist ebenfalls die Firsthöhe eines Gebäudes in der C.straße, die der Antragsgegner mit 16,00 m und der Beigeladenen mit 18,00 m angibt. Maßgebend für die Überzeugung des Senats, dass sich das Vorhaben des Beigeladenen nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, ist der Umstand, dass das Vorhaben nach außen erkennbar über vier Geschosse und einen für Aufenthaltszwecke verwendeten Spitzboden verfügt, dessen Firsthöhe 17,50 m beträgt. Ein solches Maß der baulichen Nutzung hat der Senat in der näheren Umgebung nicht vorgefunden. Nach dem Eindruck, den der Senat beim Augenschein gewonnen hat, bringt das Vorhaben des Beigeladenen durch das in seiner Geschosszahl zum Ausdruck kommende Maß der baulichen Nutzung die nähere Umgebung in Bewegung und löst so bodenrechtliche Spannungen aus.

35

Das objektiv-rechtliche Nichteinfügen in die Eigenart der näheren Umgebung führt nicht automatisch zu einer Verletzung von Nachbarrechten. Das Gebot der Rücksichtnahme in seiner subjektiv-rechtlichen Ausprägung ist nur dann verletzt, wenn die Bebauung sich als dem Nachbarn gegenüber unzumutbar erweist. Wann dies der Fall ist, kann nur aufgrund einer Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtsnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist, beurteilt werden (BVerwG, U. v. 25.02.1977 - IV C 22/75 -, BVerwGE 52, 122).

36

Eine Bebauung ist jedenfalls dann rücksichtslos, wenn sie eine erdrückende Wirkung auslöst. Diese geht vom Vorhaben des Beigeladenen nicht aus. Es wird nicht grenzständig errichtet, sondern ganz überwiegend unter Einhaltung der landesrechtlich verlangten Abstandsflächen. Das genügt für sich genommen nicht in jedem Fall, um das Gebot der Rücksichtnahme zu erfüllen, auch wenn nach der Rechtsprechung des BVerwG davon ausgegangen werden kann, dass im Regelfall die Einhaltung der landesrechtlich verlangten Abstandsflächen die Einhaltung des Gebots der Rücksichtnahme indiziert (BVerwG B. v. 11.01.1999 - 4 B 128/98 - , BRS 62 Nr. 102). Auch wenn diese Rechtsprechung noch unter der Geltung der früheren landesrechtlichen Regelungen über den Mindestabstand ergangen ist, die im Vergleich zur jetzt geltenden Regelung größere Abstandsflächen vorsahen, vermag der Senat nicht zu erkennen, dass der vom BVerwG aufgestellte Grundsatz nicht mehr anwendbar ist. Die indizielle Wirkung mag sich in der Weise abgeschwächt haben, dass die Zahl der tatsächlich das Gebot der Rücksichtnahme nicht mehr erfüllenden Vorhaben größer geworden ist, die das geltende bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht einhalten. Doch folgt daraus nur, dass sich im Einzelfall die Prüfungspflicht erhöht, wenn besondere Umstände es nahelegen, dass aus städtebaulichen Gründen ein größerer Abstand als landesrechtlich gefordert erforderlich ist.

37

Weder für das unbebaute im Eigentum der Antragstellerin stehende und unmittelbar an das Grundstück des Beigeladenen angrenzende Flurstück D noch für das sich daran in östlicher Richtung anschließende Flurstück E der Antragstellerin, das mit einem Wohnhaus bebaut ist, ist eine vom Vorhaben des Beigeladenen ausgehende erdrückende Wirkung festzustellen. Die Unterschreitung der Mindestgrenzabstände in Richtung des Flurstücks D betrifft nach den nicht substantiiert bestrittenen Feststellungen des Antragsgegners maximal 40 cm². Das Gebäude enthält an dieser Seite keine Balkone oder andere aus der Wand herausspringende Bauteile. Das Anwesen der Antragstellerin ist zur B.straße hin offen. Nördlich angrenzend ist es nur einem eingeschossigen Flachbau ausgesetzt, der auf einem aus dem Erdboden herausragenden Kellergeschoss errichtet wurde. In nordwestlicher Richtung öffnet sich eine mit Gartenhäusern (Datschen) bebaute Fläche, die im wesentlichen als Garten genutzt wird. In östlicher Richtung ist sowohl die Bebauung der Antragstellerin wie des Nachbarn nicht grenzständig und es liegt zwischen beiden Gebäuden eine freie Fläche. Eine Einmauerung des Anwesens der Antragstellerin ist nicht erkennbar. Dass sie sich einer gut 14 m hohen Außenwand gegenübersieht, begründet für sich keine erdrückende Wirkung, weil diese Wand durch mehrere Fensteröffnungen gegliedert ist.

38

Die Antragstellerin macht weiter geltend, die durch das Vorhaben des Beigeladenen eröffneten Einsichtsmöglichkeiten seien rücksichtslos, weil sie dadurch jeglicher Rückzugsmöglichkeiten ins Private beraubt würde. Jeder Punkt des Grundstücks, auf dem sie bisher vor neugierigen Augen geschützt hätte leben können, sei einer Einsicht durch Nutzer des Vorhabens des Beigeladenen ausgesetzt. Der Senat hat sich davon überzeugt, dass jedenfalls aus den beiden oberen Geschossen des Vorhabens des Beigeladenen die Möglichkeit besteht, umfassend auf das Anwesen der Antragstellerin zu schauen. Doch ist die Einsichtsmöglichkeit für sich regelmäßig nicht geeignet, das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme zu verletzen (BVerwG B. v. 03.01.1983 - 4 B 224/82 -, BRS 40 Nr. 192; B. v. 24.04.1999 - 4 B 72/89). Mit der Möglichkeit der Einsichtnahme auf sein Grundstück muss ein Grundstückseigentümer grundsätzlich rechnen. Das mag in Sonderfällen anders sein (zu einem solchen Sonderfall vgl. Beschluss des Senats v. 19.08.2009 - 3 M 127/09), doch liegt ein solcher Sonderfall hier nicht vor. Die Bebauung der näheren Umgebung ist unterschiedlich und nicht dadurch geprägt, dass die Grundstücke so bebaut sind, dass keine oder allenfalls geringfügige Einsichtsmöglichkeiten vorhanden waren. Das Grundstück der Antragstellerin ist davon geprägt, dass das Grundstück des Beigeladenen mit einem bis zu 15 m hohen Gebäude mit einem ausgebauten Dachgeschoss bebaut werden kann, dessen Ostwand Fenster enthält. Die damit gegebenen Einsichtsmöglichkeiten sind von der Antragstellerin hinzunehmen. Die durch die Errichtung des Vorhabens des Beigeladenen quantitativ verstärkten Einsichtsmöglichkeiten bewirken keine qualitative Erhöhung der Beeinträchtigung der Nutzungssituation der Antragstellerin.

39

b. Die Antragstellerin kann aus den Bestimmungen der Erhaltungsatzung unmittelbar - die Wirksamkeit dieser Satzung unterstellt - keine subjektiven Rechte ableiten. Die Erhaltungssatzung beruht auf § 172 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass eine solche Erhaltungsatzung individualisierte Belange Dritter nicht berücksichtigen will (Urteil vom 14.12.2000 - 3 K 25/99 -, NVwZ-RR 2001, 719). Die Einwände der Antragstellerin dagegen greifen nicht durch. Sie beruhen auf einer Übertragung der Argumentation des BVerwG zum Gebietserhaltungsanspruch durch die Festsetzung der Art der baulichen Nutzung in einem Bebauungsplan auf die Erhaltungsatzung. Diese Übertragung ist nicht möglich. Der Regelungszweck einer Erhaltungssatzung ist ein anderer als der eines Bebauungsplanes. Die Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB kann gerade nicht die Interessen einzelner berücksichtigen und zu ihrem Schutz Bestimmungen enthalten, wie sich aus den sehr engen Genehmigungsversagungstatbeständen des § 172 Abs. 3 Satz 1 BauGB ergibt. Den Versagungstatbeständen lässt sich nicht entnehmen, dass sie auch dem Schutz individueller Interessen zu dienen bestimmt sind. Es handelt sich ausschließlich um objektive städtebauliche Gründe.

40

c. Die Baugenehmigung ist auch nicht deswegen überwiegend wahrscheinlich rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten, weil sie rechtswidrige Abstandsflächen genehmigt. Vielmehr enthält die Baugenehmigung keine Regelung über die Abstandsflächen.

41

Die Baugenehmigung wird im so genannten vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach § 63 Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern vom 18.04.2006 (GVOBl. M-V S.102 - LBauO M-V) erteilt. Nach dieser Vorschrift prüft die Bauaufsichtsbehörde bei Wohngebäuden - um ein solches im Sinne der §§ 63 Abs. 1 lit. a), 2 Abs. 2 S. 2 LBauO M-V handelt es sich - nicht die Einhaltung der Abstandsflächen, wie sich aus § 63 Abs. 1 LBauO M-V ergibt. Die Baugenehmigung wird folgerichtig nach § 72 Abs. 1 LBauO M-V erteilt, wenn keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Der Prüfumfang kann in diesen Fällen hinter den öffentlich-rechtlichen Anforderungen, die nach der Landesbauordnung und anderen Vorschriften an eine bauliche Anlage gestellt werden, zurückbleiben. Dies ist vom Gesetzgeber so gewollt und kann im Einzelfall dazu führen, dass eine Baugenehmigung für ein Vorhaben erteilt wird, dass nicht zu prüfenden Anforderungen nicht entspricht.

42

Enthält die Baugenehmigung keine Hinweise darauf, dass abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen zusätzliche, über § 63 Abs. 1 LBauO M-V hinausgehende rechtliche Anforderungen geprüft und zum Gegenstand der Genehmigung gemacht worden sind, beschränkt sich die Baugenehmigung hinsichtlich der geprüften Vorschriften auf das gesetzlich vorgegebene eingeschränkte Prüfprogramm. Einen solchen Hinweis meint die Beschwerde in dem Umstand sehen zu können, dass Teile des Bauantrages, die sich mit den Abstandsflächen befassen, einen so genannten Grünstempel erhalten haben. Dieser Grünstempel hat den Inhalt "Gehört zum Bescheid". Damit wird schon dem Wortlaut nach nicht ausgedrückt, dass eine bauaufsichtliche Prüfung des Inhalts der Bauantragsunterlagen erfolgt ist. Der Stempel dokumentiert nur, dass ein bestimmtes, durch die Antragsunterlagen konkretisiertes Vorhaben verwirklicht werden soll und sichert, dass später kontrolliert werden kann, ob das durch die Genehmigung erfasste Vorhaben auch so wie beantragt errichtet wird. Aus diesem Grund macht es Sinn, wenn § 63 Abs. 2 Satz 1 LBauO M-V i.V.m. der Bauvorlagenverordnung M-V (vom 10. Juli 2006 - GVOBl. S. 612) die Vorlage des vollständigen Bauantrages verlangt. Zum Umfang einer bauaufsichtlichen Prüfung lässt sich dem Grünstempel nichts entnehmen.

43

Der Senat hat an dieser Stelle nicht zu entscheiden, wie eine zur Erteilung der Baugenehmigung zuständige Bauaufsichtsbehörde zu reagieren hat, wenn sie feststellt, dass das zur Genehmigung gestellte Vorhaben zwar im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu genehmigen ist, trotzdem aber ersichtlich gegen nicht zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt (dazu Beschluss des Senats vom 21.08.2009 - 3 M 50/09). Denn jedenfalls führt der Verstoß gegen nicht zu prüfende Anforderung dann nicht zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung, wenn nicht dadurch ausnahmsweise das Sachbescheidungsinteresse des Bauherrn entfällt. Für den Wegfall des Sachbescheidungsinteresses bieten weder die Beschwerdebegründung noch der Sachverhalt Anhaltspunkte. Ebensowenig hat der Senat der Frage nachzugehen, ob durch die Erteilung der Baugenehmigung bei fehlendem Sachbescheidungsinteresse der Nachbar in seinen Rechten verletzt sein kann, wenn das fehlende Sachbescheidungsinteresse in dem offenkundigen Verstoß gegen ihn schützende Vorschriften liegen könnte.

44

2. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich kein Anspruch der Antragstellerin auf Verpflichtung des Antragsgegners auf Erlass eines vorläufigen Baustopps gem. § 79 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V gegenüber dem Beigeladenen, der durch eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO gesichert werden kann. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass die Antragstellerin durch das Vorhaben des Beigeladenen in eigenen Rechten verletzt wird und die Verpflichtung des Antragstellers auf Erlass einer Baueinstellungsverfügung gegen den Beigeladenen verhältnismäßig ist. Jedenfalls an der letztgenannten Voraussetzung fehlt es nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur summarisch möglichen Ermittlung des Sachverhaltes.

45

a. Die Antragstellerin macht die Verletzung der gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen durch das Vorhaben des Beigeladenen geltend. Eine solche Abstandsflächenverletzung räumt der Antragsgegner ein und sie ergibt sich auch aus den im Widerspruchsverfahren vorgenommenen Ermittlungen zum Sachverhalt.

46

Der Antragsgegner hat im Widerspruchsverfahren den Beigeladenen aufgefordert, die Abstandsflächen des Rohbaues, soweit er im Zeitpunkt der Ermittlung errichtet war, zu messen. Diese Messung erfolgte durch das Büro des öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs E.. Der Senat hat keine substantiierten Zweifel daran, dass die vorgelegten Unterlagen (Blatt 142-144 des dem Gericht vorgelegten Verwaltungsvorganges; die Paginierung der Akte des Antragsgegners weicht von dieser Zählung ab) von diesem Vermessungsbüro stammen und der öffentlich beeidigte Vermessungsingenieur durch seine Unterschrift die Unterlagen als von ihm stammend legitimiert. Seine Unterschrift erfasst entgegen den Ausführungen der Beschwerdebegründung den über ihr stehenden Text und die Zeichnungen. Mit dieser Unterschrift übernimmt Herr E. - anders als die Antragsgegnerin meint - die Verantwortung für alle in den Unterlagen vorfindlichen Angaben, soweit es sich um solche handelt, die für die Vermessung von Bedeutung sind.

47

Aus diesen Angaben ergibt sich, dass an dem vom Vermesser herangezogenen Eckpunkt H 1 bei einer zugrundegelegten Geländehöhe von 14,70 m HN das Gebäude eine Endhöhe von 28,80 m HN hat. Der Senat ist der Überzeugung, dass es sich um Höhenmaße nach HN handelt, weil, wie die Antragstellerin wenn auch in anderem Zusammenhang herausstellt, diese Vermessung auf dem Lageplan vom 11.03.2009 (Bl. 34 des zu den Gerichtsakten gereichten Verwaltungsvorgangs) gründet. Dort wird als Höhenbezug HN angegeben. Dass der Antragsgegner ausweislich des Vermerks Blatt 131 des dem Senat vorliegenden Verwaltungsvorgangs den Vermesser aufgefordert hat, den Höhenbezug NN zu wählen, hat der Antragsgegner nachvollziehbar als Schreibversehen bezeichnet; unabhängig davon fehlt es an Erkenntnissen, dass der Vermesser anders als bei dem erwähnten Lageplan das Höhenmaß NN angewandt hat. Denn dann wären signifikante Unterschiede in den einzelnen Geländehöhen zu erwarten gewesen, die aber fehlen. Die vom Vermesser übernommenen Geländehöhen beziehen sich ersichtlich auf HN.

48

Aus der Vermessung vom 24.11.2009 ergibt sich eine Abstandsfläche von 5,64 m, die nach den Messungen des Vermessers exakt eingehalten wird. Zu Recht wendet die Antragstellerin ein, dass die zugrundegelegte Geländehöhe von 14,70 m nicht vor Beginn der Bauarbeiten ermittelt wurde, sondern auf einer Mittelung beruht, deren Richtigkeit angezweifelt werden kann. Zudem sind im Bauantrag die Abstandsflächen bei einer Geländehöhe von 14,60 m errechnet worden. Der Senat folgt dem Einwand der Antragstellerin nicht, die Abstandsfläche sei weiter zu erhöhen, weil bei der Verwirklichung des Vorhabens die ursprüngliche Geländeoberfläche rings um das Gebäude abgegraben worden sei, damit die Fenster des Kellergeschosses ausreichend belichtet werden. Eine solche Abgrabung ist bei der Augenscheineinnahme nicht festgestellt worden.

49

Bei einer angenommenen Geländehöhe von 14,60 m erhöht sich die Abstandsfläche um 4 cm und liegt dann nicht mehr vollständig auf dem Grundstück des Beigeladenen. Wird weiter zugunsten der Antragstellerin berücksichtigt, dass die Festlegung des Eckpunktes H 1 davon ausgeht, dass dieser am oberen Ende des Rücksprungs des obersten Geschosses liegt und damit den Rücksprung berücksichtigt, könnte sich die Abstandsfläche weiter erhöhen, wenn aus Rechtsgründen dieser Rücksprung nicht bei der Ermittlung der Abstandsfläche zu berücksichtigen wäre. Ob dies rechtlich zwingend ist, muss der Senat nicht entscheiden, weil es nicht entscheidungserheblich ist. Denn bei der für den Beigeladenen ungünstigsten Berechnung der Abstandsfläche ergibt sich eine Abstandsfläche von 5,73 m. Der tatsächliche Grenzabstand liegt an der dem Grundstück der Antragstellerin nächsten Stelle des Gebäudes bei 5,65 m. An dieser Stelle ragt - bei dieser dem Beigeladenen ungünstigsten Betrachtung - die Abstandsfläche des Vorhabens des Beigeladenen um 8 cm auf das Grundstück der Antragstellerin. Der Grenzverlauf zwischen dem Flurstück 546/2 und dem Grundstück des Beigeladenen (Flurstück 545) verläuft vom Schnittpunkt der Abstandsfläche des Eckpunktes H 1 in südliche Richtung gesehen (dem Verlauf der Gebäudewand nach Süden folgend) schräg nach Osten. Der Abstand des Gebäudes zur Grundstücksgrenze der Antragstellerin vergrößert sich kontinuierlich. Der Antragsgegner hat daraus eine maximale Überschreitung der Abstandsfläche von 40 cm² errechnet. Auch wenn diese Fläche zugunsten der Antragstellerin um die bei fehlender Berücksichtigung des Rücksprungs dargestellte Erhöhung der Abstandsfläche vergrößert wird, ergibt sich eine Abstandsflächenüberschreitung im Bereich von etwa 1 m². Dass diese Überschreitung der erforderlichen Abstandsfläche nicht durch bauliche Maßnahmen bei der Vollendung des im Rohbau bereits fertiggestellten Gebäudes abgefangen werden kann, ergibt sich im summarischen Verfahren nicht. Der Beigeladene hat bereits eine entsprechende Änderung des Vorhabens angekündigt und durch seinen Architekten fachlich beurteilen lassen. Dem Vorbringen der Antragstellerin lässt sich nicht entnehmen, dass diese Planung nicht zu verwirklichen ist. Unter diesen Umständen: geringfügige Überschreitung der Mindestabstandsfläche und Möglichkeit der Beseitigung durch Veränderung des Baukörpers ist die von der Antragstellerin begehrte Verpflichtung des Antragsgegners zum Erlass einer Baueinstellungsverfügung, die das gesamte Gebäude betrifft, unverhältnismäßig und damit nicht ermessensgerecht.

50

b. Durch dieses Ergebnis wird die Antragstellerin auch nicht rechtsschutzlos gestellt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Antragstellerin in einem eventuellen Hauptsacheverfahren den von ihr begehrten Rechtsschutz erlangen kann. Ob und in welchem Umfang die Abstandsflächen tatsächlich nicht eingehalten worden sind, kann erst nach Abschluss der Bauarbeiten mit der erforderlichen endgültigen Sicherheit festgestellt werden. In diesem Zusammenhang kann die Antragstellerin auch unter Beweis stellen und ermitteln lassen, ob das Vorhaben des Beigeladenen entsprechend den Bauunterlagen errichtet wurde. Bei der Ermessensentscheidung der Behörde über eine Beseitigungsanordnung bei festgestellter Verletzung der Abstandsflächenvorschriften kann der Beigeladene sich nicht auf darauf berufen, dass er im Vertrauen auf eine Baugenehmigung gebaut habe, weil die Baugenehmigung nicht die Einhaltung der gesetzlichen Mindestabstandsflächen regelt oder feststellt. Der Beigeladene hat das Vorhaben in Kenntnis der Abstandsflächenproblematik errichtet und damit auf eigenes Risiko gebaut, wenn sich später herausstellt, dass das Gebäude die Mindestabstandsflächen nicht einhält. Soweit sich herausstellen sollte, dass das Gebäude abweichend von den eingereichten Bauantragsunterlagen errichtet wurde und dadurch Nachbarrechte verletzt werden, kann sich der Beigeladene ebenfalls nicht auf Vertrauensschutz berufen. Dies wäre bei der Ermessensausübung zu beachten.

51

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Der anwaltlich nicht vertretene Beigeladene war im Beschwerdeverfahren nicht postulationsfähig, so dass die die Antragstellerin treffende Auferlegung seiner außergerichtlichen Kosten nicht angemessen erscheint.

52

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2 GKG.

53

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 3, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 08.11.2010 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen im Beschwerdeverfahren sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin als unmittelbare Nachbarin (T. 9/10) wendet sich gegen die dem Beigeladenen durch Bescheid vom 01.06.2010 für ein Wohnhaus mit Tiefgarage erteilte Baugenehmigung (T. 8). Der Widerspruch der Antragstellerin hiergegen blieb ohne Erfolg; über die Klage (VG Greifswald 5 A 1298/10) ist noch nicht entschieden.

2

Den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht Greifswald durch Beschluss vom 08.11.2010 ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Das Vorhaben füge sich offenbar nach dem Maß der baulichen Nutzung gemäß § 34 Abs. 1 BauGB in die nähere Umgebung ein. Ob dies auch für die Traufhöhe gelte, könne offenbleiben, da dieses Maß in der Umgebung nicht prägend sei. Von dem Vorhaben gehe keine erdrückende Wirkung auf das Grundstück der Antragstellerin aus. Hiervon könne nur gesprochen werden, wenn das Nachbargrundstück aufgrund außergewöhnlicher Umstände regelrecht abgeriegelt werde, d. h. dort ein Gefühl des „Eingemauertseins“ oder eine „Gefängnishofsituation“ hervorgerufen werde. Dem Grundstück müsse dann die „Luft zum Atmen“ genommen werden. Hiervon könne keine Rede sein. Im Hinblick auf die Einhaltung des Abstandsflächenrechts könne die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigung nicht angeordnet werden, da dieser Gesichtspunkt nicht zum Prüfungsumfang gehöre, weil die Voraussetzungen eines Sonderbaus nach § 2 Abs. 4 LBauO M-V nicht erfüllt seien. Vorschriften der Gestaltungssatzung kämen regelmäßig keine nachbarschützende Wirkung zu. Hinsichtlich einer Gefährdung der Standsicherheit des eigenen Gebäudes habe die Antragstellerin nicht ansatzweise glaubhaft gemacht, dass die Errichtung der Tiefgarage die Standsicherheit ihres Gebäudes und die Tragfähigkeit des Nachbargrundstücks gefährden könne. Schließlich würden von der Nutzung der Tiefgarage mit ihren 34 Stellplätzen keine unzumutbaren Immissionen für das Nachbargrundstück ausgehen.

3

Dieser Beschluss wurde der Antragstellerin am 11.11.2010 zugestellt. Hiergegen hat sie am 22.11.2010 beim Verwaltungsgericht Beschwerde eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 01.12.2010, bei Gericht eingegangen am 06.12.2010, begründet hat.

II.

4

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

5

In derartigen Antragsverfahren nach den §§ 80a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist Entscheidungskriterium für die Verwaltungsgerichte die mit den Erkenntnismöglichkeiten des Eilverfahrens zu prognostizierende Erfolgsaussicht des in der Hauptsache eingelegten Nachbarrechtsbehelfs. Maßgebend ist daher nicht die objektive (umfassende) Zulässigkeit des bekämpften Bauvorhabens, sondern allein die Frage des Vorliegens einer für den Erfolg der Anfechtungsklage der Antragstellerin unabdingbaren Verletzung ihrem Schutz dienender Vorschriften des öffentlichen Rechts durch die Baugenehmigung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein maßgebliche Beschwerdevorbringen rechtfertigt daran gemessen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts.

6

Die Antragstellerin macht zunächst geltend, es handele sich bei dem Vorhaben um einen Sonderbau nach § 2 Abs. 4 LBauO M-V, da das Gebäude zu Ferienwohnzwecken genutzt werden solle, gegebenenfalls als Aparthotel. Daher habe die Baugenehmigung nicht im vereinfachten Verfahren nach § 63 LBauO M-V erteilt werden dürfen mit der Folge, dass unter anderem auch die Abstandsflächen nach § 6 LBauO M-V hätten geprüft werden müssen.

7

Die Antragstellerin trägt vor, § 2 Abs. 4 Nr. 8 LBauO M-V sei auf das vorliegende Vorhaben anwendbar. Danach sind Schank- und Speisegaststätten mit mehr als 40 Gastplätzen und Beherbergungsstätten mit mehr als 12 Betten Sonderbauten. Maßgebend für die Qualifizierung des Gebäudes ist indessen die Bestimmung, die der Bauherr im Bauantrag trifft. Als Zweckbestimmung gibt der Beigeladene in seinem Bauantrag im vereinfachten Verfahren unter Ziff. 1 an „Wohngebäude mit Tiefgarage“. Nur diese Nutzung ist Gegenstand der Baugenehmigung. Eine Baugenehmigung kann regelmäßig nicht mit der Erwägung angefochten werden, der Bauherr werde in Wirklichkeit eine andere Art der baulichen Nutzung realisieren. In diesem Falle würde es sich um eine formell illegale Nutzung handeln, gegen die gegebenenfalls die Antragsgegnerin im Wege bauaufsichtlicher Verfügungen einschreiten könnte (vgl. § 58 Abs. 1 Satz 2 und §§ 80 f. LBauO M-V). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der dem Vortrag der Antragstellerin zugrundeliegenden Überlegung, das Vorhaben hätte nicht im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 63 LBauO M-V genehmigt werden dürfen. Hiermit würde sie allein ein fehlerhaftes Genehmigungsverfahren geltend machen. Ein Nachbar hat indessen kein Anspruch darauf, dass das erforderliche Baugenehmigungsverfahren durchgeführt wird, da diese Vorschriften der Landesbauordnung nicht nachbarschützend sind (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 20.01.2010 – 1 A 140/09 -, BauR 2010, 947 [Leitsatz]; vgl. auch OVG Saarland, Beschluss vom 27.05.2010 - 2 B 95/10).

8

Soweit die Antragstellerin des weiteren geltend macht, das Vorhaben füge sich nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die nähere Umgebung ein, so macht sie insoweit keine Verletzung eines sie schützenden subjektiv-öffentlichen Nachbarrechts geltend. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nämlich geklärt, dass § 34 Abs. 1 BauGB selbst keine nachbarschützende Wirkung hat. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob ein Vorhaben sich objektiv in die nähere Umgebung einfügt. Nachbarschutz könnte sie – worauf die Antragstellerin unter Ziff. 5 ihrer Beschwerdeschrift eingeht – allenfalls unter dem Gesichtspunkt des Gebots der Rücksichtnahme haben (vgl. zusammenfassend BVerwG, Beschluss vom 20.01.1992 – 4 B 229/91 -).

9

Die Antragstellerin beruft sich des weiteren auf die Gestaltungssatzung der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf und macht geltend, das Vorhaben halte eine Vielzahl von Parametern dieser Satzung nicht ein. Örtliche Bauvorschriften sind indes grundsätzlich nicht nachbarschützend (OVG B-Stadt, Urteil vom 03.05.2007 - 7 A 2364/06 - NVwZ-RR 2007, 744). Es kann offenbleiben, ob etwas anderes gelten könnte, wenn sie die gesetzlichen Abstandsflächen verkürzen oder die Auslegung der Vorschriften ergibt, dass die Gemeinde ihnen drittschützende Wirkung beimessen wollte (VG des Saarlandes, Urteil vom 08.12.2004 - 5 K 141/03). Derartiges hat die Antragstellerin in ihrer Beschwerdeschrift nicht vorgetragen. Dies liegt hinsichtlich der von der Antragstellerin genannten Kriterien, die im Wesentlichen das Maß der baulichen Nutzung betreffen, auch nicht nahe, da auch aus bauplanungsrechtlichen Gründen das Maß der baulichen Nutzung in der Regel nicht nachbarschützend ist.

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Soweit die Antragstellerin weiter vorträgt, die Abstandsflächen seien nicht eingehalten worden, kann dieser Gesichtspunkt gegen die angefochtene Baugenehmigung nicht ins Feld geführt werden. Sie ist im vereinfachten Verfahren ergangen, so dass die Antragsgegnerin gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 2 LBauO M-V diesen Gesichtspunkt nicht zu prüfen hatte. Aus der seit der Novellierung der Landesbauordnung im Jahre 2006 geltenden Reduzierung des das gesamte Bauordnungsrecht ausklammernden präventiven Pflichtprüfungsprogramms im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 LBauO M-V) folgt notwendig ein für die Beurteilung der Frage des Vorliegens einer Nachbarrechtsverletzung eingeschränkter Entscheidungsinhalt einer solchen Baugenehmigung. Bauordnungsrechtliche Anforderungen an Bauvorhaben darf die Bauaufsichtsbehörde danach in diesem Verfahren - vorbehaltlich einer konkreten Abweichung (§ 67 Abs. 1 LBauO M-V) und zusätzlich eines auf deren Zulassung zielenden Antrags des Bauherrn (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 und § 67 Abs. 2 Satz 1 LBauO M-V) - generell nicht mehr prüfen. Der angefochtenen Baugenehmigung, die Gegenstand des vorliegenden Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ist, kann eine Feststellungswirkung im Hinblick auf die Einhaltung der Anforderung des § 6 LBauO M-V nicht entnommen werden.

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Sollten die Bedenken der Antragstellerin zutreffen, hätte sie daher einen Antrag gemäß § 123 Abs. 1 VwGO auf Einschreiten der Antragsgegnerin gegen das Vorhaben aus diesem Gesichtspunkt stellen müssen.

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Im Übrigen ist der Vortrag der Antragstellerin dazu, dass die Vorgaben des § 6 LBauO M-V nicht eingehalten würden, nicht hinreichend substantiiert. Der zitierte Vermerk vom 10.08.2010 (Blatt 32 der Beiakte D) beinhaltet keine Prüfung dieses Gesichtspunkts, weil sie mangels Abstandsflächenplan als nicht möglich angesehen wird. Einen Abstandsflächenplan hat die Beigeladene allerdings vorgelegt (Blatt 22 der Beiakte E), der Gegenstand der eingereichten Bauunterlagen ist. Soweit die Antragstellerin vorträgt, das Staffelgeschoss müsse bei der Berechnung der Abstandsfläche berücksichtigt werden, da es weniger als 3 m zurückspringe, trifft dies im Ausgangspunkt nicht zu. Die Tiefe der Abstandfläche bemisst sich gem. § 6 Abs. 4 LBauO M-V nach der Wandhöhe. Als Wandhöhe gilt das Maß von der Geländeoberfläche bis zur Schnittlinie der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand. Für Gebäude mit Staffelgeschoss bedeutet dies: Ausgehend von dem zurückspringenden Wandteil des Staffelgeschosses ist die Gesamthöhe der Wand zu ermitteln durch eine gedachte Verlängerung der Wand des Staffelgeschosses bis zum Schnitt mit der Geländeoberfläche. Von diesem fiktiven Schnitt mit der Geländeoberfläche aus ist die Abstandfläche zu bemessen. Das Staffelgeschoss wirft dann eine eigene Abstandfläche auf, wenn sie tiefer ist als die für die darunter liegende Wand. Das Abfallen des Geländes von der Bergstraße zur T. lässt sich an Hand der Geländehöhen, die in dem Abstandsplan sowie den Längsschnitten (a.a.O. Blatt 34) eingetragen sind, nachvollziehen. Dass dieser Umstand bei der Bestimmung der Abstandsflächen gleichwohl nicht berücksichtigt worden sein soll, hätte die Antragstellerin – unbeschadet dessen, dass es hierauf aus den genannten Gründen nicht ankommt – näher darlegen müssen.

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Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang darauf verweist, die Baugenehmigung enthalte eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften, gegen die sie sich wenden könne, trifft dies nicht zu. Die Baugenehmigung kann nicht gleichsam konkludent eine Abweichungsentscheidung enthalten. Dem stehen § 63 Abs. 1 Nr. 2 und § 67 Abs. 2 Satz 1 LBauO M-V entgegen, wonach Abweichungen gesondert schriftlich zu beantragen und zu begründen sind. Einen solchen Antrag hat der Beigeladene nicht gestellt. Die Annahme der Antragstellerin, gleichwohl beinhalte die Baugenehmigung eine Prüfung dieses Gesichtspunkts und die Gewährung einer Abweichung, ist mit dem dargelegten System des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nicht vereinbar.

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Die Antragstellerin macht schließlich einen Verstoß gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme geltend. Sie trägt zunächst vor, die Voraussetzungen, die das Verwaltungsgericht formuliert hat, seien zu streng. Die vom Verwaltungsgericht seiner Würdigung zugrunde gelegten Anforderungen entsprechen indes der Rechtsprechung auch des Senats (Beschluss vom 06.01.2010 – 3 M 231/09; vgl. BVerwG, B. v. 11.12.2006 - 4 B 72/06 - NVwZ 2007, 336). Die Antragstellerin legt auch nicht näher dar, aus welchen Gründen die beabsichtigte Bebauung im Sinne der genannten Grundsätze das Gebot der Rücksichtnahme verletzt. Angesichts der Bebauung auf dem Grundstück der Antragstellerin mit zwei Gebäuden und der zwei Gebäude, die Gegenstand der Baugenehmigung sind, hätte dies näherer Darlegungen bedurft. Im Übrigen setzt sich die Antragstellerin mit dem Argument des Verwaltungsgerichts nicht auseinander, dass in dem angesprochenen südöstlichen Bereich keine Bebauung vorhanden sei. Zudem spricht gegen eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme, dass zwischen dem Vorhaben und den Gebäuden auf dem Grundstück der Antragstellerin ein Abstand von mindestens 7,5 m liegt und das Grundstück der Antragstellerin im südlichen Bereich zumindest mit einem drei- wenn nicht viergeschossigen Gebäude mit Abstand zur eigenen Grundstücksgrenzen von ca. 2,5 m bebaut ist. Die Gesamtbetrachtung dieser Umstände führt dazu, dass eine erdrückende Wirkung oder eine sonstige Unzumutbarkeit des Vorhabens zu Lasten der Antragstellerin nicht feststellbar ist.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO sowie § 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 53 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

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Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 5 und § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.