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I. Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma H. und V. -S..... (im folgenden Gemeinschuldnerin) von der Beklagten, einer Sozialversicherungsträgerin, im Wege der Insolvenzanfechtung die Rückerstattung bezahlter Beiträge.
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Die Gemeinschuldnerin war mit der Begleichung von Sozialversicherungsbeiträgen in Rückstand geraten. Da sie auf verschiedene Mahnschreiben der Beklagten keine Zahlung leistete, beauftragte diese das Hauptzollamt Hamburg-Stadt mit der Beitreibung des offenen Betrags von 13.869,16 EUR im Wege der Zwangsvollstreckung. Am 10.06.2002 suchte ein Vollziehungsbeamter die Geschäftsräume der Gemeinschuldnerin auf. Da diese sich nicht in der Lage sah, den geforderten Betrag zu übergeben, händigte ihr Geschäftsführer zur Abwendung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das bewegliche Vermögen dem Vollstreckungsbeamten einen auf den 24.06.2002 vordatierten Scheck über 13.869,16 EUR aus. Der Scheck wurde an die Beklagte weitergeleitet, von dieser der kontoführenden Bank, der H. Sparkasse, vorgelegt und dem Konto der Gemeinschuldnerin am 25.06.2002 belastet (Anl. K 3 = Bl. 24/5 d.A.).
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Die Belastung des Kontos erfolgte, obwohl dieses sich im Zeitpunkt der Abbuchung mit 155.953,80 EUR (Anl. K 3 = Bl. 24/5 d.A.) im Soll befand und die Hamburger Sparkasse der Gemeinschuldnerin vertraglich lediglich einen Kontokorrentkredit bis 102.000,-- EUR (vgl. Anl. K 4 = Bl. 33/1) eingeräumt hatte. Die Bank duldete die weitere Überziehung der Kreditlinie.
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Am 22.07.2002 stellte die Gemeinschuldnerin beim Amtsgericht Hamburg einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Anl. K 1 = Bl. 24/1 d.A.). Das Amtsgericht Hamburg entsprach am 24.09.2002 dem Antrag und ernannte den Kläger zum Insolvenzverwalter (Anl. K 2 = Bl. 24/3 d.A.).
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Der Kläger hat vor dem Landgericht die Meinung vertreten, ihm stünde gegen die Beklagte im Wege der Insolvenzanfechtung ein Rückgewähranspruch in Höhe von 13.869,16 EUR zu. Es sei von einer inkongruenten Deckung auszugehen, da die Gemeinschuldnerin den vordatierten Scheck zur Abwendung einer Zwangsvollstreckung hingegeben habe, Die Zahlung sei im letzten Monat vor Antragstellung erfolgt. Die erforderliche Gläubigerbenachteiligung liege vor, obwohl das Konto der Gemeinschuldnerin im Debet geführt worden ist und die Auszahlung trotz einer Überschreitung des vereinbarten Kreditrahmens vorgenommen wurde. Die H. Sparkasse habe durch Einlösung des Schecks konkludent den Kreditrahmen erweitert, wodurch die Gemeinschuldnerin liquide Mittel erhalten habe, die wegen des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung nach den insolvenzrechtlichen Anfechtungsvorschriften in die Masse zurückgeführt werden müssten.
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Der Kläger hat beantragt:
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.869,16 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz p.a. hieraus seit dem 26.06.2002 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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Sie war der Ansicht, die streitgegenständliche Zahlung sei nicht anfechtbar, da die Leistung nicht aus dem freien und pfändbaren Vermögen der Gemeinschuldnerin erfolgt sei. Im Fall der lediglich geduldeten Überziehung einer Kreditlinie stünden keine Vermögenswerte in Rede, auf die die Gläubiger zugreifen könnten. Die Zahlung durch das kontoführende Kreditinstitut habe nur dazu geführt, dass eine Verminderung der Verbindlichkeiten gegenüber der Beklagten eingetreten sei und in gleicher Höhe die Bank eine Forderung erhalten habe. Das könne eine insolvenzrechtliche Anfechtung nicht rechtfertigen, weil dadurch eine Verschlechterung der Befriedigungsquote der Insolvenzgläubiger nicht eingetreten sei.
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Die Parteien haben im Rahmen der Güteverhandlung vor dem Landgericht Ellwangen einen widerruflichen Vergleich abgeschlossen (Bl. 26 d.A.). Für den Fall des Vergleichswiderrufs stellten die Parteienvertreter die angekündigten Anträge und das Landgericht bestimmte einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung (Bl. 27 d.A.).
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Der Klägervertreter hat den Vergleich widerrufen und in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 10.08.2004 vorgetragen, dass eine Gläubigerbenachteiligung auch deshalb angenommen werden könne, weil die H. Sparkasse besser als die Beklagte gesichert gewesen sei, da deren Ansprüche durch die Globalabtretung vom 06.09.1999 (Anl. K 5 = Bl. 33/3 d.A.) und eine Grundschuld (Anl. K 6 = Bl. 33/6) unterlegt gewesen seien.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dazu ausgeführt, dass die erforderliche Gläubigerbenachteiligung nicht bejaht werden könne. Eine lediglich geduldete Überziehung eines debitorischen Bankkontos sei nicht pfändbar. Ein derartiger Fall sei hier gegeben. Soweit der Kläger nach Schluss der mündlichen Verhandlung behauptet habe, die H. Sparkasse sei durch eine Globalzession und die Bestellung einer Grundschuld gesichert gewesen, könne dieser Vortrag der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden. Es habe auch kein Anlass bestanden, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, weil dem Kläger kein Schriftsatzrecht nachgelassen worden sei und auch kein Verfahrensfehler des Gerichts vorliege.
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Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er weiterhin die Ansicht vertritt, der Klage müsse unabhängig davon stattgegeben werden, ob die H. Sparkasse besser als die Beklagte gesichert gewesen sei. Es reiche aus, dass die Beklagte innerhalb der kritischen Zeit tatsächlich Gelder erhalten habe, über die die Gemeinschuldnerin verfügen konnte, nachdem die kontoführende Bank sich mit einer Überziehung des gewährten Kreditrahmens einverstanden erklärt habe. Außerdem sei das Landgericht gehalten gewesen, den Vortrag im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 10.08.2004 zu berücksichtigen, da die angefochtene Entscheidung tatsächlich sogar ohne mündliche Verhandlung ergangen sei, weil die Anträge lediglich für den Fall des Vergleichswiderrufs gestellt worden seien. Abgesehen davon habe das Landgericht jedenfalls Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. Im Übrigen wiederholt und vertieft der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag.
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.869,16 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz p.a. hieraus seit dem 26.06.2002 zu zahlen.
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags die angefochtene Entscheidung als richtig und macht geltend, dass das Landgericht den Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 10.08.2004 zutreffend als unbeachtlich behandelt habe. Außerdem seien die Ausführungen ohnehin unschlüssig, weil der Kläger gar nicht dargelegt habe, dass von einer wirksamen Sicherungszession ausgegangen werden könne. Der Kläger habe auch nicht dargelegt, dass das Grundstück, auf dem die Grundschuld laste, im Eigentum der Gemeinschuldnerin stehe. Im Übrigen sei unklar, ob durch die streitgegenständliche Zahlung die der Bank möglicherweise zustehenden Sicherheiten stärker in Anspruch genommen werden mussten.
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Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivortrags wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze, das angefochtene Urteil sowie die Verhandlungsprotokollierungen Bezug genommen.
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II. Die zulässige Berufung ist im Wesentlichen begründet.
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1. Allerdings kann der Ansicht des Klägers (vgl. Bl. 60/61 d.A.), das Landgericht sei gar nicht in die mündliche Verhandlung eingetreten, nicht gefolgt werden. Es fand eine mündliche Verhandlung statt, die mit der Bestimmung eines Verkündungstermins endete.
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Das Landgericht hat durch Verfügung vom 22.06.2004 (Bl. 6 d.A.) Termin zur Güteverhandlung und zur Durchführung des frühen ersten Termins bestimmt.
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Dementsprechend wurde der Termin am 20.07.2004 auch abgehalten. Das Landgericht trat zunächst in eine Güteverhandlung ein, in deren Rahmen ein widerruflicher Vergleich abgeschlossen worden ist (vgl. Bl. 26 d.A.). Für den Fall des Vergleichswiderrufs haben die Parteien streitig zur Sache verhandelt (Bl. 26 d.A.). Das Landgericht hat für diesen Fall darüber hinaus Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt (Bl. 27 d.A.). Nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 10.08.2004 den Vergleich widerrufen hat (Bl. 29 d.A.), war eine Entscheidung zu verkünden.
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Der Umstand, dass die Anträge lediglich für den Fall des Vergleichswiderrufs gestellt wurden, ist nicht zu beanstanden. Es handelt sich dabei um eine innerprozessuale Bedingung, von deren Eintritt die Antragstellung abhängig gemacht werden darf (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 253 Rn. 1; vor § 128 Rn. 20). Entsprechendes gilt für den anberaumten Verkündungstermin.
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2. Bereits nach dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien steht dem Kläger der streitgegenständliche Anspruch dem Grunde nach gemäß §§ 131 Abs. 1 Nr. 1, 129 InsO zu.
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Nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, welche einem Insolvenzgläubiger eine Sicherheit oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte, wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist und eine Gläubigerbenachteiligung gem. § 129 Abs. 1 InsO herbeigeführt hat.
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a) Die Beklagte ist Insolvenzgläubigerin, deren Forderung durch die Hingabe des Schecks und dessen Einlösung erfüllt wurde.
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b) Diese Befriedigung konnte die Beklagte nicht beanspruchen. Die Deckung war inkongruent.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist eine Leistung, die der Schuldner dem Gläubiger auf eine fällige Forderung zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung gewährt hat, als eine inkongruente Deckung anzusehen, wenn diese nach § 131 InsO während der „kritischen Zeit“ erfolgte, d.h. innerhalb eines Zeitraums von 3 Monaten vor der Insolvenzantragsstellung (vgl. dazu etwa BGH NJW 2002, 2568; 1997, 3445; 1995, 1090; WM 2004, 299; 2003, 1690; ZIP 2002, 228, 229; Braun/de Bra, InsO, 2. Aufl., § 131 Rn. 13; ausführlich Gerhardt/Kreft, Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung, 8. Aufl., Rn. 350 ff.).
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Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Scheck wurde allein deshalb übergeben, weil der Vollziehungsbeamte andernfalls unmittelbar die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen der Schuldnerin eingeleitet hätte. Das war am 10.06.2002. Der Eigenantrag der Gemeinschuldnerin datiert vom 22.07.2002 (Anl. K 1 = Bl. 24/1 d.A.).
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c) Die Rechtshandlung wurde innerhalb des letzten Monats vor Stellung des Antrages vorgenommen.
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Die Bestimmung des Zeitpunkts der Vornahme der Rechtshandlung regelt § 140 InsO. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift kommt es auf den Zeitpunkt an, in dem die rechtlichen Wirkungen der Handlung eintreten. Die Norm bringt zum Ausdruck, dass der Zeitpunkt entscheiden soll, in dem durch die Handlung eine Rechtsposition begründet worden ist, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne die Anfechtung beachtet werden müsste (BGH NJW 2004, 1444 m.w.N.; Kreft in HK-InsO, 3. Aufl., § 140 Rn. 2; Kirchhof in MünchKomm-InsO, 2002, § 140 Rn. 1).
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Zwar wurde der Scheck bereits am 10.06.2002 übergeben. Gleichwohl wurde die Monatsfrist eingehalten, da die Belastung des Kontos der Gemeinschuldnerin erst am 25.06.2002 erfolgte. Auf diesen Zeitpunkt ist abzustellen, da die bezogene Bank keiner Einlösungspflicht unterlag. Der Scheck war weder bankbestätigt noch mittels einer Scheckkarte hingegeben worden. Die Beklagte besaß als Gläubigerin gegenüber der Bank vor der Einlösung keine feste Rechtsposition (vgl. Dauernheim in Frankfurter Kommentar zur InsO, 3. Aufl., § 140 Rn. 8; Kirchhof, a.a.O., § 140 Rn. 11; Kübler/Prütting/Paulus, InsO, Stand 3/04, § 140 Rn. 4; BGH NJW 1992, 1960, 1961).
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d) Die erforderliche Gläubigerbenachteiligung ist eingetreten.
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Jede Anfechtung setzt voraus, dass ihr Gegenstand ohne die Rechtshandlung gerade zum haftenden Vermögen des Insolvenzschuldners gehört, also dem Zugriff der Insolvenzgläubiger offen gestanden hätte. Rechtshandlungen, die ausschließlich schuldnerfremdes Vermögen betreffen, wirken sich nicht nachteilig auf die Insolvenzmasse und damit nicht auf die Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger aus (BGH ZIP 2004, 1509, 1510; 2001, 1248; Kirchhof, a.a.O., § 129 Rn. 76).
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Für die Beeinträchtigung des Gläubigerzugriffs sind die Befriedigungsmöglichkeiten der (nicht voll gesicherten) Insolvenzgläubiger maßgebend (Kreft, a.a.O., § 129 Rn. 36).
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Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Schuldnervermögen vereitelt, erschwert oder verzögert hat, wenn sich also die Befriedigungsmöglichkeit der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätte (Kreft, a.a.O., § 129 Rn. 36 m.z.N.).
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Durch die Verringerung von Aktivvermögen des Schuldners wird grundsätzlich der Zugriff der Gläubiger im Allgemeinen beeinträchtigt (vgl. BGH NJW 2002, 1574, 1575; 1994, 449; 1992, 2485, 2486; Kreft, a.a.O., § 129 Rn. 36).
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Wird die Forderung eines (späteren) Gesamtvollstreckungsgläubigers ganz oder teilweise aus haftendem Vermögen des Gesamtvollstreckungsschuldners getilgt, so benachteiligt dies die Gesamtvollstreckungsgläubiger im Allgemeinen wenigstens mittelbar (BGH NJW 1991, 2144, 2146; RG JW 1914, 255, 256), wenn dass Schuldnervermögen nach der Verfahrenseröffnung nicht ausreicht, um alle Forderungen zu befriedigen. Denn dann hat jede Tilgung zum Nennwert einer Gesamtvollstreckungsforderung zwangsläufig zur Folge, dass die für die anderen Gläubiger verbleibende Befriedigungsquote noch geringer wird. Damit werden sie rechtlich und wirtschaftlich schlechter gestellt.
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aa) Obwohl diesbezüglicher Parteivortrag fehlt, kann davon ausgegangen werden, dass das Schuldnervermögen nicht ausreicht, um alle Forderungen zu befriedigen. Das Insolvenzverfahren ist wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet worden (Anl. K 2 = Bl. 24/3 d.A.). Unter dieser Voraussetzung spricht eine tatsächliche Vermutung gegen ein in diesem Sinne ausreichendes Schuldnervermögen (BGH NJW 2002, 1574, 1575; ZIP 1997, 853, 854 f. m.w.N.).
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bb) Auch in Fällen, in denen, wie vorliegend, die kontoführende Bank eine Zahlung von einem debitorischen Konto leistet, ohne dass vorher ein für die Zahlung ausreichender Kreditrahmen vereinbart worden war, ist eine Gläubigerbenachteiligung gegeben.
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Wird die Forderung eines späteren Insolvenzgläubigers mit darlehensweise in Anspruch genommenen Mitteln erfüllt, bewirkt dies regelmäßig eine Gläubigerbenachteiligung (BGH NJW 2002, 1574; Gerhardt/Kreft, a.a.O., Rn. 104 ff.).
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(1) Dies ist jedenfalls im Fall eines zugesagten Kredits anzunehmen, wobei der Umstand, dass die Inanspruchnahme des Darlehens noch von einem Abruf des Schuldners abhängt, keine andere Bewertung rechtfertigt. Die Frage, ob ohne einen derartigen Abruf des Schuldners die Forderung schon pfändbar gewesen wäre, kann nicht entscheidend sein, da der Schuldner durch sein Verhalten das Darlehen tatsächlich abgerufen hat. Ebenso ist es irrelevant, dass der Schuldner die Verfügung möglicherweise nicht getroffen hätte, wenn ihm die Anfechtbarkeit bewusst gewesen wäre, da es nur auf das reale Geschehen ankommt, nicht auf hypothetische Erwägungen (vgl. dazu BGH NJW 2002, 1574, 1576; 1995, 659, 661; 1993, 3267).
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In derartigen Fällen kann nicht nur eine die Anfechtung nicht rechtfertigende Gläubigerauswechslung angenommen werden. Zwar tritt aus Rechtsgründen eine Gläubigerbenachteiligung nicht ein, wenn der Gläubiger einer Insolvenzforderung unmittelbar nur durch einen anderen, nicht besser gesicherten gleichartigen Gläubiger ersetzt wird. Ein derartiger Sachverhalt steht aber nicht in Rede. Die bezogene Bank erwirbt in diesen Fällen nicht etwa die Forderung des befriedigten Gläubigers. Vielmehr wird die Forderung mit Kreditmitteln getilgt, die die Gemeinschuldnerin selbst in Anspruch hätten nehmen können und über die sie grundsätzlich frei verfügen konnte (vgl. dazu BGH WM 1990, 649, 650; Gerhardt/Kreft, a.a.O., Rn. 106; Kirchhof WM 1996, Sonderbeil. Nr. 2, S. 21).
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(2) Der vorliegend in Rede stehende Fall der lediglich geduldeten Überziehung einer Kreditlinie ist im Hinblick auf das Merkmal der Gläubigerbenachteiligung nicht anders zu beurteilen. Dieser Sachverhalt ist bei der Anwendung der insolvenzrechtlichen Anfechtungsvorschriften gleich zu behandeln wie die Inanspruchnahme eines allgemein eingeräumten und nicht bereits ausgeschöpften Kreditrahmens (OLG Hamburg ZIP 2002, 1360; OLGR 2002, 373; LG Hamburg ZIP 2001, 711; Braun/de Bra, a.a.O., § 129 Rn. 31 a.E.; Blank ZInsO 2004, 983 f.; wohl auch BGH NJW 2002, 2568).
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Nach der Rechtsprechung des BGH ist es grundsätzlich unerheblich, wie sich der Schuldner die zur Tilgung verwendeten Mittel verschafft hat, soweit sie nicht Aus- oder Absonderungsberechtigten zustehen (BGH NJW 2002, 1574, 1575).
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Die Vorschriften über die Insolvenzanfechtung sollen sicher stellen, dass dann, wenn der Zustand der materiellen Insolvenz eingetreten ist, also die Liquidität nicht mehr ausreicht, um die fälligen, eingeforderten Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, die Mittel des Schuldners nicht nur zugunsten einzelner, sondern zum Nutzen aller Gläubiger verwendet werden (vgl. auch BGH NJW 1997, 3445, 3446). Nach der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise kann es nicht darauf ankommen, ob es sich um bare oder um Kreditmittel handelt (BGH NJW 1990, 2687; OLG Hamburg ZIP 2002, 1360, 1363; OLGR 2002, 373).
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Verfügbare Kreditmittel eines Schuldners bestimmen seine wirtschaftliche Bewegungsfreiheit nicht anders als bare Mittel, welche zweifellos zur Aktivmasse zu rechnen sind. Auch bei der Prüfung der Frage, ob noch Zahlungsfähigkeit gegeben ist und ob es damit an einem Grund zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 17 InsO fehlt, kommt es nicht entscheidend darauf an, in welcher Form die Liquidität vorhanden ist.
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Die geduldete Überziehung verschafft dem Schuldner über einen Kreditvertrag ebenfalls Liquidität. Der Darlehensvertrag kommt durch die willentliche Auszahlung des Scheckbetrags seitens der Bank zustande (Felke WM 2002, 1632, 1634; Palandt/Putzo, BGB, 64. Aufl., § 493 Rn. 16; Bitter WM 2001, 889, 890).
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Ein Gemeinschuldner hatte auf Grund einer geduldeten Überziehung seines Bankkontos die Möglichkeit, sich Barmittel zu verschaffen. Es ist ihm möglich gewesen, entsprechende Barmittel, also Aktivmasse zu erhalten. Er hat durch sein Verhalten auch dokumentiert, dass er von dieser Möglichkeit Gebrauch machen will. Nach dem gewöhnlichen Ablauf kann man auch nicht davon ausgehen, dass ein Schuldner ohne die (angefochtene) Zahlung die Möglichkeit einer Inanspruchnahme von Kreditmitteln nicht genutzt hätte. Es entspricht vielmehr der Lebenserfahrung, dass ein Schuldner in der Krise alle liquiden Mittel ausschöpft, um den endgültigen wirtschaftlichen Zusammenbruch abzuwenden.
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Der Umstand, dass die Liquidität bei einer Scheckeinlösung unmittelbar zugunsten eines Gläubigers abfließt, rechtfertigt keine andere Bewertung. Der Vorgang der Scheckeinlösung ist in zwei rechtlich getrennte Vorgänge zu untergliedern: einerseits die Gewährung eines Kredits an den Schuldner und andererseits die Zahlung der durch den Kredit erhaltenen Gelder vom Schuldner an den späteren Insolvenzgläubiger.
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Diese Untergliederung ist angezeigt, weil grundsätzlich jede Rechtshandlung selbstständig auf ihre Ursächlichkeit für die konkret angefochtene gläubigerbenachteiligende Folge zu überprüfen ist. Denn jede anfechtbare Rechtshandlung begründet ein eigenes, selbstständiges Rückgewährschuldverhältnis (BGH NJW 1987, 1812, 1813; Huber in Gottwald, InsolvenzR-Hdb., 2. Aufl., § 52 Rn. 2). Anfechtungsrechtlich unabhängig voneinander zu erfassen sind auch mehrere Rechtshandlungen, die gleichzeitig vorgenommen werden oder die sich wirtschaftlich ergänzen (Kirchhof, a.a.O., § 129 Rn. 55). Wirtschaftliche Erwägungen rechtfertigen es allenfalls unter besonderen, als zusätzliche Klammer wirkenden rechtlichen Voraussetzungen, mehrere Rechtshandlungen zu einer Einheit zu verbinden (BGH NJW 2002, 1574, 1575 f.).
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Dafür genügt es nicht allein, dass der Schuldner einen Kredit nur aufgenommen hat, um eine bestimmte Schuld zu tilgen. Denn eine solche interne Verwendungsabsicht beschränkt die Vollstreckungsmasse noch weniger als eine zweiseitige Zweckvereinbarung, die schon nicht ausreicht, solange sie nicht aus Gründen treuhänderischer Bindung zur Unpfändbarkeit des Darlehensanspruchs führt (BGH NJW 2002, 1574, 1575 f.).
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Eine andere Bewertung könnte allenfalls dann erwogen werden, wenn mit der bezogenen Bank eine Abrede bestanden hätte, wonach Abbuchungen von dem debitorischen Konto nur für die angefochtene Zahlung, nicht aber für andere Zwecke des Geschäftsbetriebes zugelassen werden sollen. Für einen derartigen Ausnahmefall ist nichts vorgetragen. Konkrete Anhaltspunkte für eine derartige Zweckbindung sind auch nicht ersichtlich. Ein Schuldner kann die ihm durch die Duldung einer Überziehung der Kreditlinie zur Verfügung stehenden Mittel im Regelfall nach seinem Belieben verwenden. Es ist deshalb davon auszugehen, dass es sich um einen allgemeinen Betriebsmittelkredit handelte (dazu OLG Hamburg ZInsO 2004, 982, 983; ZIP 2002, 1360, 1363; OLGR 2002, 373, 376).
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Tatsächlich wurde vorliegend der Kredit verwendet, um die Forderung der Beklagten zu begleichen. Gerade dieser Vorgang führt aber zu einer ungleichmäßigen Befriedigung eines Gläubigers, welche nach den Vorschriften über die Insolvenzanfechtung verhindert werden soll.
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Der Insolvenzverwalter ist nicht gehalten, vorzutragen, dass und wofür die Kreditmittel ohne die angefochtene Rechtshandlung in Anspruch genommen worden wären und inwieweit sich aus diesem Mitteleinsatz ein Nutzen für die Gesamtheit der Gläubiger ergeben hätte. Auf derartige Überlegungen kommt es bei dem Anfechtungsanspruch nicht an; die Kriterien eines Schadensersatzanspruchs sind auf die Feststellung einer Gläubigerbenachteiligung nicht anzuwenden. Maßgeblich ist allein, dass die Aktivmasse des Schuldners bei einer Inanspruchnahme des Kredits größer gewesen wäre, wenn die erhaltenen Mittel nicht abgeflossen wären (dazu BGH NJW 2002, 1574; WM 1990, 649, 650; 1985, 364, 365; OLG Hamburg ZIP 2002, 1360, 1363; OLGR 2002, 373, 376; a.A. OLG Dresden, Urt. vom 25.02.1999 – Az. 4 U 455/98 {juris}). Auch ist nicht entscheidend, ob die Schuldnerin die Darlehensmittel - ohne die angefochtene Tilgungshandlung - auf andere Weise nutzbringend verwendet hätte (BGH NJW 2002, 1574, 1576).
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Würde man der Ansicht des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung folgen, so wäre die Befriedigung einzelner Gläubiger in der Krise häufig nicht mehr anfechtbar. Wirtschaftlich ist der bargeldlose Zahlungsverkehr weitgehend an die Stelle von Barzahlungen getreten. Die wenigsten Unternehmen kommen ohne Betriebsmittelkredite aus, zumal dann, wenn die Phase der materiellen Insolvenz erreicht ist. Faktisch werden die meisten Zahlungen in der Krise durch weitere Belastungen eines debitorischen Bankkontos erbracht. Die Anfechtungsvorschriften würden die ihnen zugedachte Bedeutung verlieren, wenn sie in diesen faktischen Regelfällen nur noch bei Darlegung besonderer Umstände durchgreifen könnten (so OLG Hamburg ZIP 2002, 1360, 1364; OLGR 2002, 373, 377).
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Außerdem würde eine andere Handhabung zu zufälligen, nicht sachgerechten Differenzierungen führen. Verfügt der Schuldner etwa über mehrere Bankverbindungen, so käme es darauf an, ob er für eine bargeldlose Zahlung ein im Haben oder ein im Soll geführtes Konto gewählt hat, wobei ggf. weiter danach differenziert werden müsste, ob auf dem im Soll geführten Konto ein entsprechender Kreditrahmen vorgesehen war oder nicht. Auch wäre im Gegensatz zu einer Zahlung per Scheck, per Lastschrift oder per Überweisung aus einem debitorischen Bankkonto eine Zahlung dann ohne weiteres anfechtbar, wenn der Schuldner sie - beispielsweise zur Abwendung eines angekündigten Zwangsvollstreckungsversuches - nach Abhebung eines entsprechenden Betrages von demselben Konto in bar geleistet hätte. Ferner käme man zu unterschiedlichen Ergebnissen je nach der Zufälligkeit, ob auf einem Konto zunächst eine Gutschrift vorgenommen wurde, so dass die angefochtene unbare Zahlung aus einem Guthaben erfolgte, oder ob zunächst die angefochtene Zahlung aus einem Konto ohne ausreichende Deckung stattfand und der entstandene Saldo dann erst durch eine Gutschrift ausgeglichen würde (auch dazu OLG Hamburg ZIP 2002 1360, 1364; OLGR 2002, 373, 377).
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Nach allem tritt bei der Einlösung eines Schecks auf einem debitorischen Konto eine Gläubigerbenachteiligung auch dann ein, wenn der - zunächst vereinbarte - Kreditrahmen bereits überschritten worden ist.
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Wegen dieser Einschätzung musste der Frage, ob die Voraussetzungen gegeben sind, unter denen sich der (einfache) Überziehungskredit in einen Dispositionskredit verwandelt (dazu etwa Bitter, a.a.O., S. 890; v. Plehwe in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, 2004, § 13 Rn. 6; Weber, Recht des Zahlungsverkehrs, 4. Aufl., S. 319), nicht nachgegangen werden.
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Ebenso wenig musste die zwischen den Parteien streitige Frage geklärt werden, ob die kontoführende Bank als Gläubigerin über besondere Sicherheiten verfügte. Infolgedessen war auch nicht zu entscheiden, ob das Landgericht gehalten war, den neuen Sachvortrag des Klägervertreters in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 10.08.2004 zu berücksichtigen.
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e) Entgegen der vom Beklagtenvertreter geäußerten Ansicht (Bl. 38/39 d.A.) rechtfertigt der Umstand, dass vorliegend die Rückforderung gezahlter Sozialversicherungsbeiträge im Streit steht, keine andere Bewertung.
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Sozialversicherungsträger sind im Insolvenzverfahren nicht anders zu behandeln als sonstige Insolvenzgläubiger (deutlich BGH WM 2001, 2398 = DStR 2002, 366 mit zust. Anm. Goette).
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aa) Nach § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO hat der Insolvenzgläubiger die empfangene Leistung zurückzugewähren, wenn der Schuldner eine Verbindlichkeit in anfechtbarer Weise erfüllt hat (vgl. dazu Kirchhof, a.a.O., § 143 Rn. 50).
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bb) Die Beklagte schuldet auch die Rückgewähr derjenigen Sozialkassenbeiträge, die sie als Einzugsstelle für fremde Rechnung gegen die Gemeinschuldnerin vollstreckt hat und die von ihr im Zweifel an die berechtigten Kassen ausgekehrt wurden (vgl. BGH WM 2004, 899 = ZIP 2004, 862; BGH Urt. v. 12.2.2004 – Az. IX ZR 146/03).
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Nichts anderes gilt, soweit mit der Zahlung an die Beklagte die rückständigen Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung beglichen wurden (BGH WM 2001, 2398 = DStR 2002, 366; OLG Hamburg OLGR 2002, 373, 377 f.; OLG Frankfurt ZIP 2002, 1852, 1855 ff.).
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cc) Gem. § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO umfasst der Rückgewähranspruch von der Weggabe an auch die gesetzlichen Zinsen (Kreft, a.a.O., § 143 Rn. 18; OLG Brandenburg ZIP 1999, 1015, 1017). Auf die hypothetische Frage, ob der Insolvenzschuldner seinerseits das Geld verzinslich angelegt oder zur Tilgung verzinslicher Schulden ausgegeben oder aber anderweitig verwendet hätte, kommt es nicht an (Kirchhof, a.a.O., § 143 Rn. 60).
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Ein Zinssatz in Höhe von 4 % folgt aus § 246 BGB. Um einen höheren Zins zu erhalten, muss der Insolvenzverwalter nachweisen, dass der Anfechtungsgegner einen größeren Nutzen tatsächlich erlangt hat oder bei ordnungsgemäßer Wirtschaft hätte erzielen können (vgl. Kirchhof, a.a.O., § 143 Rn. 63, 97, 98). Das ist hier nicht geschehen.
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dd) Darüber hinaus steht der Insolvenzmasse jedoch nach § 286 Abs. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch zu, wenn der Anfechtungsgegner mit der Rückgewähr in Schuldnerverzug geraten ist (vgl. dazu Kirchhof a.a.O., Rn. 11, 58).
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Nachdem der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 06.05.2004 unter Fristsetzung zum 16.05.2004 zur Zahlung aufforderte, befand sich die Beklagte ab dem 17.05.2004 in Verzug.
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Mangels abweichendem Klägervortrag ist vorliegend gem. § 288 Abs. 1 S. 2 BGB der objektive Mindestschaden anzusetzen. Dementsprechend war für die Zeit ab dem 17.05.2004 eine Verzinsung mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auszuurteilen.
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2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10; 711 ZPO.
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3. Der Senat hat - der Anregung beider Parteivertreter folgend (Bl. 95 d.A.) - gem. § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Revision zugelassen, da über klärungsbedürftige Rechtsfragen, die in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten können, zu entscheiden war.
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