Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 17. März 2014 - 2 HEs 145/12 + 17/13; 2 HEs 17/13

17.03.2014

Tenor

Die Untersuchungshaft hat bei beiden Angeklagten

f o r t z u d a u e r n .

Die weitere Haftprüfung wird bis zum 16. Juni 2014 dem Landgericht Stuttgart übertragen.

Gründe

 
I.
1. Die Angeklagten befinden sich in vorliegender Sache - aufgrund der (internationalen) Haftbefehle des Amtsgerichts Stuttgart vom 07. Mai 2012 (Az. 28 Gs 500/12 bzw. 28 Gs 502/12) - seit ihrer vorläufigen Festnahme am 12. Juni 2012 (L. M. B.) bzw. 14. August 2012 (H. H. P.) ununterbrochen in Untersuchungshaft.
Ihnen wird in den bezeichneten Haftbefehlen jeweils zur Last gelegt, in der Zeit vom 14. April 2004 bis 24. Mai 2007 zum Nachteil von 571 Anlegern durch außerbörslichen Vertrieb von Aktien einer S. Unternehmung (N. AG) einen Gesamtschaden in Höhe von (umgerechnet) mindestens EUR 19.554.381,77 verursacht und sich dadurch wegen 1.227 Vergehen des Betruges im besonders schweren Fall schuldig gemacht zu haben.
2. Der Senat war im Verfahren der besonderen Haftprüfung nach den §§ 121, 122 StPO bereits wiederholt mit der Sache befasst. Mit Beschlüssen vom 10. Januar 2013 und 02. Mai 2013 (den Angeklagten B. betreffend) bzw. 21. Februar 2013 und 22. Mai 2013 (den Angeklagten P. betreffend) wurde jeweils Haftfortdauer über sechs bzw. neun Monate hinaus angeordnet. Bereits zuvor war mit Senatsbeschluss vom 28. November 2012 (Az.: 2 Ws 278/12) die vom Angeklagten P. gegen eine Haftentscheidung des Landgerichts Stuttgart eingelegte weitere Beschwerde als unbegründet verworfen worden.
3. Unter Zulassung der am 05. April 2013 erhobenen - von 1.231 (Betrugs-) Taten zum Nachteil von 568 Anlegern und einer Gesamtschadenssumme von EUR 20.048.277,16 ausgehenden - Anklage hat die 6. Große Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Stuttgart mit Beschluss vom 28. Juni 2013 das Hauptverfahren eröffnet; die in der Folge ab dem 26. Juli 2013 begonnene Hauptverhandlung wurde am 04. Februar 2014 aufgrund „(…) eingetretener Schwangerschaft der beisitzenden Richterin (…)“ ausgesetzt. Weiter heißt es zur Begründung dieser Entscheidung im zugehörigen Kammerbeschluss (u. a.) wie folgt:
„(…) Aufgrund des großen Umfangs des Verfahrens mit zahlreichen im Ausland wohnenden Zeugen und dem bisherigen Gang der Hauptverhandlung ist mit einer Gesamtverfahrensdauer von mindestens noch einem Jahr auszugehen. Bislang wurden Hauptverhandlungstermine bis 26. Juni 2014 festgesetzt und weitere Termine, jeweils dienstags und donnerstags, bis Anfang 2015 angekündigt. Vor dem voraussichtlichen Beginn des Mutterschutzes Ende Mai 2014 ist eine Verfahrensbeendigung in dieser Hauptverhandlung daher nicht zu erwarten. Aufgrund der Fürsorgepflicht des Gerichts, den Erfordernissen eines fairen Verfahrens und insbesondere dem in Haftsachen in besonderem Maße geltenden Beschleunigungsgebot war die Hauptverhandlung deshalb auszusetzen.“
II.
1. Mit Schreiben vom 05. Februar 2014 - beim Oberlandesgericht eingegangen am selben Tag - hat der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer die Sache dem Oberlandesgericht gemäß § 121 Abs. 3 S. 3 StPO zur Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft vorgelegt; hierin werden unter Bezugnahme auf die getroffene Aussetzungsentscheidung die verfahrensrechtlichen Gegebenheiten in perspektivischer Hinsicht (u. a.) wie folgt konkretisiert:
„(…) Die Präsidentin des Landgerichts hat angekündigt, dem Präsidium die Zuweisung eines Richters bzw. einer Richterin vorzuschlagen (was vom Präsidium bereits in der letzten Sitzung vorberaten wurde), welche/r sich sofort als Berichterstatter/in in das Verfahren einarbeiten kann. Unter diesen Voraussetzungen ist beabsichtigt, in der 13. Kalenderwoche mit der Hauptverhandlung (erneut) zu beginnen und sie bis 26. Juni 2014 an den bereits festgesetzten Terminen sowie anschließend - wie den Verfahrensbeteiligten bereits mitgeteilt - jeweils dienstags und donnerstags fortzusetzen. Nach Mitteilung der Verteidiger über etwaige Verhinderungen wird die weitere Terminierung bis Anfang 2015 unverzüglich erfolgen. (…)“
2. Der Senat hat mit Beschluss vom 14. Februar 2014 der mit der Strafsache befassten Strafkammer Gelegenheit zur Stellungnahme hiernach offen gebliebener, für die anstehende Entscheidungsfindung relevanter Fragestellungen gegeben.
3. Mit Schreiben vom 27. Februar 2014, eingegangen beim Oberlandesgericht am selben Tag, hat der Strafkammervorsitzende das bezeichnete Vorlageschreiben durch weitere Ausführungen und Übermittlung einer konkretisierten Übersicht zum Gang / Verlauf der bisher durchgeführten Hauptverhandlung sowie seiner am 12. Februar 2014 getroffenen Terminverfügung für eine geplante Hauptverhandlung ab dem 25. März 2014 ergänzt.
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4. Die Angeklagten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Angeklagte B. hat über seinen Verteidiger, Rechtsanwalt W., mit Schriftsatz vom 06. Februar 2014 u. a. Folgendes vortragen lassen:
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„(…) Vorliegend ist zu konstatieren, dass aufgrund eines Justizverschuldens, nämlich der Nichtvorlage von Ermittlungsakten bzw. der Gewährung unvollständiger Akteneinsicht an die Verteidigung und die Angeklagten das Verfahren nicht ordnungsgemäß gefördert wurde, und Unterbrechungen der Hauptverhandlung notwendig waren. (…) Der Angeklagte ist deutscher Staatsangehöriger, und hat seinen Lebensmittelpunkt in der Bundesrepublik Deutschland; er wird regelmäßig von seiner Familie in der Untersuchungshaft besucht und es bestehen enge soziale Bindungen einzig in die Bundesrepublik Deutschland. Von daher sind jedenfalls weniger einschneidende Maßnahmen, namentlich auch engmaschige Meldeauflagen, geeignet, einer etwaiger bestehenden Fluchtgefahr zu begegnen.“
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Im nachfolgenden Schrittsatz vom 07. Februar 2014 wurden diese Ausführungen u. a. wie folgt ergänzt:
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„(…) Die Verteidigung ist (…) der Auffassung, dass die Aussetzung (…) rechtswidrig ist. (…) § 229 Abs. 3 StPO (…) gilt (…) nicht nur für Angeklagte, sondern auch für zur Urteilsfindung berufene Personen. (…) Mit dieser Ausdehnung der Hemmungsregelung sollte vermieden werden, dass Verfahren nach mehreren Verhandlungstagen wegen der Erkrankung von Richtern und Schöffen ausgesetzt werden müssen. (…) Der Gesetzeszweck (…) erfordert es (…), die Regelung für den Bereich des Beschäftigungsverbotes infolge einer Entbindung anzuwenden. (…) Eine entsprechende Anwendung des § 229 Abs. 3 StPO ist (…) für alle Beteiligten, insbesondere aber für den Angeklagten, geboten. (…) Von daher hätte die Kammer - ggfl. in höherer Verhandlungsdichte - weiterverhandeln müssen, um sodann nach der Niederkunft der Berichterstatterin innerhalb der Fristen des § 229 III (…) zu unterbrechen. Die Berichterstatterin wäre zudem verpflichtet gewesen, die (disponiblen) Fristen des Beschäftigungsverbotes des Mutterschutzgesetzes vor der Niederkunft zu ignorieren, (…); fest steht, dass nunmehr eine Hauptverhandlung (…) vollständig neu durchgeführt werden muss, und dass ein Fortschritt in der Beweisführung und Beweiserhebung somit nach 18 Monaten Untersuchungshaft nicht festgestellt werden kann. (…) Zudem muss Berücksichtigung finden, dass der neue Berichterstatter sich in ein derart umfangreiches Verfahren innerhalb kürzester Zeit einarbeiten müsste, wobei nicht zu erwarten steht, dass die Gesamtheit des Verfahrens in (…) nur sechs Wochen aktenmäßig bearbeitet werden kann. (…) Auch ist in Betracht zu nehmen, dass der Angeklagte um die Existenz des vorliegenden Verfahrens bereits seit (…) 2009 wusste, mithin (…) damit rechnen musste, dass ein Haftbefehl gegen ihn ergeht; (…) Der Angeklagte hat sich jedoch (…) dem Verfahren gerade nicht entzogen. Er hat seinen Wohnsitz weiterhin in der Bundesrepublik Deutschland gehabt, und war nur kurzzeitig im Ausland. (…) Weiterhin ist der Angeklagte an Blasenkrebs erkrankt, welcher (…) nunmehr (…) wieder ausgebrochen ist; (…) Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Vorsitzende (…) bei der Terminierung dieses Verfahren (…) hätte erkennen müssen, dass (…) die Hinzuziehung von Ergänzungsrichtern und Ergänzungsschöffen angezeigt ist. Dass dies unterblieben ist, ist nicht dem Angeklagten anzulasten, so dass die (…) Aussetzung des Verfahrens allein und einzig auf ein (…) Justizverschulden zurückzuführen ist. (…)“
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Im Schriftsatz des Verteidigers, Rechtsanwalt W., vom 07. März 2014 heißt es u. a. weiter wie folgt:
15 
„(…) Die Verteidigung erspart sich (…) eingehendere Ausführungen zur Frage des Tatverdachts, wenngleich zu erwähnen ist, daß keiner der gehörten Anleger jemals mit dem Angeklagten B. zu tun gehabt hatte und auch sonst durch die Beweisaufnahme nicht erhellt wurde, was Herr B. mit dem Verkauf von N.-Aktien de facto zu tun gehabt haben soll. Allerdings fällt auf, daß die Strafkammer in ihrer Bewertung der Aussage des Telefonverkäufers B. (…) nicht erwähnt, daß dieser Zeuge den Angeklagten B. zwar mal in den Räumen der T. Financial Service gesehen haben will, auf mehrfaches Nachfragen der Verteidigung aber keineswegs darlegen konnte, welche auch nur annähernd (mit)bestimmende Rolle der Angeklagte B. bei der Firma T. überhaupt eingenommen haben soll. Der Verteidigung ist gut in Erinnerung, wie der Zeuge B. angab, daß sich dieser Eindruck für ihn aus der `körperlichen Haltung´ des M. B. ergeben habe. Wie sich aus diesen Angaben auf eine (Mit)Verantwortlichkeit des Angeklagten B. für die Firma T. geschlossen werden kann, bleibt unerfindlich. Ebenso ist in den Ausführungen zu dem Zeugen S. jeder Hinweis darauf unterblieben, daß dieser Zeuge auf einer Aktionärsversammlung 2006 miterlebt hatte, daß dem Angeklagten B., welcher ebenfalls als Anlegervertreter erschienen war, trotz der Vorlage von N.-Aktien jedes Stimmrecht durch die N.-Geschäftsführung auf dem Podium verweigert worden sei. (…) Ungeachtet des (…) noch nicht ordnungsgemäß in der Hauptverhandlung als durchgeführt festgestellten Selbstleseverfahrens (…) hat die Beweisaufnahme durch Einvernahme der sonstigen Anleger bislang aber keinen Anhaltspunkt dafür erbracht, daß der Anklagevorwurf bei Herrn B. zutrifft, er habe mit dem betrügerischen Verkauf wertloser N.-Aktien tatsächlich etwas zu tun. Wesentlicher erscheint (…) jedoch der Umstand, wie seitens des Landgerichts das nunmehr ausgesetzte Verfahren geplant und angegangen worden ist. Selbst wenn seitens der 6. Strafkammer eine Hauptverhandlung von allenfalls 10-12 Monaten prognostiziert worden war - was (…) eigentlich nicht verständlich ist - hätte damals bereits die Anforderung von Ergänzungsrichtern und -schöffen mehr als nahegelegen. (…) In diesem Zusammenhang sind knappe Justizressourcen kein ernsthaftes Abwägungsmaterial (…) In einem auf viele Monate anzusetzenden Umfangsverfahren, an dem weibliche Richter im Spruchkörper beteilig sind, kann (…) auf Ergänzungsrichter nicht verzichtet werden. (…) Die Probleme, (…) setzt sich im Übrigen jetzt in der notwendigen Einarbeitung der (…) der 6. Strafkammer (…) zugewiesenen RiLG F. fort. Wenn diese neue Berichterstatterin seit dem 07.02.2014 dem Spruchkörper angehört, kann diese Richterin bis zur Bejahung des dringenden Tatverdachts durch die neubesetzte Kammer am 27.02.2014 (…) eigentlich nur 13 Arbeitstage damit zugebracht haben, sich einen so genauen Überblick über die Akten verschafft zu haben, daß sie an einer Haftfortdauerentscheidung auch inhaltlich mitzuwirken in der Lage war. Auch insoweit bleibt unklar, wie dies in der kurzen Zeit überhaupt möglich gewesen sein soll, (…). (…) Schließlich ist aber auch die nun vorgesehene Terminierung nicht geeignet, der verfassungsrechtlich gebotenen Terminierungsdichte in Haftsachen und damit dem Beschleunigungsgrundsatz zu genügen. (…)“
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Für den Angeklagten P. hat sich dessen Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. E., am 10. Februar 2014 schriftsätzlich wie folgt geäußert:
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„(…) Der Vorsitzende hat zwischenzeitlich (…) Termine ab dem 25.03.2014 bestimmt. (…) Dem Unterzeichner ist der Umfang der Akten bekannt. (…) Nach diesseitiger Ansicht ist es ausgeschlossen, dass sich ein neu einzuarbeitender Berichterstatter oder eine sich neu einzuarbeitende Berichterstatterin diesen Aktenumfang seriös bis zum 25.03.2014 durchsehen, erarbeiten und verarbeiten kann. (…) Für den Angeklagten P. ist es daher kaum nachvollziehbar, dass, sollte die Hauptverhandlung am 25.03.2014 beginnen, ein die Akten und Fakten kennendes Gericht die Verhandlung führt. (…) Die Vorbereitung eines derartigen Umfangsverfahrens (…) soll also in 4 Wochen und 2 Tagen nachvollziehbar durchgeführt werden. Einem vernünftigen Angeklagten ist diese Art und Weise der Vorbereitung jedenfalls nicht zu vermitteln. (…)“
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Am 11. Februar 2014 wurden diese Darlegungen folgendermaßen ergänzt:
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„(…) Geht man realistischerweise davon aus, dass ab dem Zeitpunkt der Benennung des Berichterstatters oder der Berichterstatterin zur ordnungsgemäßen Vorbereitung des Verfahrens dieser Richter einen Zeitraum von 8 Wochen benötigt, so kann das Verfahren frühestens Mitte April 2014 fortgesetzt werden. Dies wiederum bedeutet, dass (…) die Aussetzung des Verfahrens - völlig unabhängig von dem Umfang des Verfahrens und der Straferwartung - zu einer Aufhebung des Haftbefehls zwangsläufig führen muss. (…) Nimmt man einen dringenden Tatverdacht (…) an, so muss festgestellt werden, dass Herr P. sich dem Verfahren, das ihm seit 2007 bekannt ist, zu keinem Zeitpunkt durch Flucht entzogen hat und auch an seinem Arbeitsplatz festgenommen worden ist. Auch die abstrakte Strafandrohung an sich bringt keine Fluchtgefahr per se. (…) Es sei (…) betont, dass sich der Angeklagte P. (…) in einem desolaten gesundheitlichen Zustand befindet, (…)“
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Dem Schriftsatz beigefügt waren „4 Aktenkonvolute“ zu verschiedenen Fragenkomplexen - „wissenschaftlicher Hintergrund der rauchfreien Zigarette, Produktion (Vorbereitung und Durchführung), Vertrieb, Verwaltungsprotokoll (Verantwortlichkeit P.) -, die nach Ansicht der Verteidigung „beweisen, dass (…) dringender Tatverdacht nicht vorliegt“ und allenfalls „hinreichender Tatverdacht“ gegeben ist, der „(…) jedoch die Haft nicht rechtfertigt“.
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In einer weiteren Stellungnahme vom 07. März 2014 teilte Rechtsanwalt Dr. E. (u. a.) Folgendes mit:
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„(…) Was den dringenden Tatverdacht angeht (…) ist festzustellen, dass der Angeklagte P. nicht nur sein gesamtes Vermögen in die Entwicklung und den Vertrieb der rauchfreien Zigarette gesteckt hat. Vielmehr ist (…) entgegen der Behauptung der Anklagebehörde, die wissenschaftliche Grundlage für die rauchfreie Zigarette und die technische Entwicklung derselben von dem Angeklagten P. in die Wege geleitet und gefördert worden, durch einen Stab von Wissenschaftlern und Technikern, wobei dieses Engagement dazu führte, dass tatsächlich die rauchfreie Zigarette bereits in einem Probelauf produziert und dem Vertrieb zur Verfügung gestellt wurde. Dass diese Entwicklung von Staatsanwaltschaft und möglicherweise auch von der 6. Strafkammer (…) so nicht gesehen wurde und wird, ist alleine dem Umstand geschuldet, dass die Deutschen Ermittlungsbehörden ein völlig unzureichendes Gutachten der Schweizer Gutachterstelle ungeprüft übernommen hat, wobei dem Schweizer Gutachten ein geradezu klassischer Fehler unterlaufen ist. (…) Auch die Verantwortlichkeit für den Vertrieb (…) liegt nachweislich nicht bei dem Angeklagten P., sondern - wie sich in der Teilbeweisaufnahme eindeutig herausgestellt hat - bei dem Verwaltungsrat der N. AG. (…) Ergänzend sei auf folgendes hingewiesen: Der Vorsitzende beklagt die schmalen Ressourcen des Landgerichts Stuttgart, was die Personaldecke der Richterschaft angeht. Deswegen seien im `1. Anlauf´ kein Ergänzungsrichter und keine Ergänzungsschöffen beigezogen worden. Diese Personaldecke hat sich mit Sicherheit seit dem Beginn der Hauptverhandlung in keiner Weise verändert. Umso verwunderlicher ist die Tatsache zu konstatieren, dass nun, nachdem sozusagen das Kind in den Brunnen gefallen ist, diese knappen Personalressourcen keinerlei Rolle mehr spielen und ein Ergänzungsrichter und zwei Ergänzungsschöffen im 2. Anlauf das Richterkollegium ergänzen. Wie problematisch der durchaus als hektisch zu bezeichnende Neubeginn der Hauptverhandlung zu bewerten ist, zeigt auch die Tatsache, dass die neue Berichterstatterin, Frau Richterin F., (…) sich in die Akten, einschließlich der Nachlieferung von 97 Beweismittelordnern einzuarbeiten hat. Wie ihr das - bei allem Respekt - gelingen soll, ist nicht nachvollziehbar. (…) Zu bedenken ist dabei, dass Frau Richterin F. vor dem 07.02.2014 mit dem vorliegenden Verfahren nicht die geringste Berührung hatte, also sich völlig neu einlesen musste und auch nicht bekannt ist, ob sie jemals vorher einer Wirtschaftsstrafkammer als Spezialspruchkörper angehört hat oder angehört und demzufolge besondere Vorkenntnisse, die bei einem Mitglied einer Wirtschaftsstrafkammer Voraussetzung sind, aufweist. (…)“
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Schließlich wurde von Rechtsanwalt Dr. E. am 10. März 2014 folgende Stellungnahme abgegeben:
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„(…) Im Vorfeld des Beginns der Hauptverhandlung am 26.07.2013 haben auf Veranlassung der Wirtschaftsstrafkammer Vorgespräche (…) stattgefunden. Ergebnis dieser Besprechung war, dass beide Angeklagten dem Gericht, (…) deutlich gemacht haben, dass ein Geständnis überhaupt nicht in Frage kommt (…) Dies hatte zur Folge, dass die Kammer selbst schon vor Beginn der Hauptverhandlung darauf hinwies, dass (…) `vor 2015 ein Urteil nicht zu erwarten steht´. (…) Angesichts eines derartigen Umfanges der Beweisaufnahme hätte der Vorsitzende (…) schon `im ersten Anlauf´ (…) einen Ergänzungsrichter und einen Ergänzungsschöffen bestellen müssen. (…). Betont muss werden, dass die zeitliche Komponente des Ablaufes der Hauptverhandlung noch nicht einmal eingerechnet hatte, dass seitens der Verteidigung auch Beweisanträge in erheblichem Umfang gestellt werden müssen. (…) Entsprechende Beweisantritte sind im Übrigen auch schon vor Beginn der ersten Hauptverhandlung angekündigt worden.“
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5. Die Staatsanwaltschaft hat mit - am 10. Februar 2014 beim Oberlandesgericht eingegangenen - Schreiben und durch eine weitere Stellungnahme vom 03. März 2014 u. a. Folgendes ausgeführt:
26 
„(…) Die Berücksichtigung der Erkenntnisse, die sich (…) im Zuge der bisherigen Hauptverhandlung ergeben haben, vermögen (…) den dringenden Tatverdacht gegen die Angeklagten nicht zu entkräften. Die Einlassungen der Angeklagten, wonach der Anklagevorwurf im Wesentlichen falsch sei, stehen im Widerspruch zu dem in der Anklageschrift niedergelegten wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen und zum Inhalt der Akten. Insbesondere erschöpften sich die (teils widersprüchlichen) Einlassungen der Angeklagten zu einem großen Teil in dem Bestreiten einer bestimmenden Rolle im Rahmen des Tatgeschehens unter gleichzeitiger Zuweisung der Verantwortlichkeit an andere Beteiligte (…), dem Bestreiten des Wahrheitsgehalts belastender Zeugenaussagen, der Beanstandung des vermeintlich rechtswidrigen und einseitig zu ihren Lasten gehenden Vorgehens der schweizerischen und der deutschen Ermittlungsbehörden sowie einer eigenen (zu ihren Gunsten ausfallenden) Würdigung des Ermittlungsergebnisses und des Akteninhalts. (…) Die bislang durchgeführten Zeugeneinvernahmen haben (…) die in der Anklage festgehaltenen Vorwürfe bestätigt. (…) Insbesondere haben die vernommenen Geschädigten ihre bereits im Ermittlungsverfahren gemachten Angaben in den Fragebögen bzw. in den teils durchgeführten polizeilichen Vernehmungen bestätigt und weiter dargelegt. Demnach haben nahezu alle Anleger bestätigt, dass durch die Angaben der Vermittler ihnen gegenüber nicht nur die mit der Anlage verbundenen allgemeinen Risiken verharmlost wurden, sondern auch falsche Angaben z. B. zu dem Entwicklungsstand und der Markteinführung des Produkts gemacht worden sind. Wie die Kammer zutreffend weiter ausführt, sind die vereinzelten Angaben der Geschädigten, wonach ihnen das bestehende Risiko bewusst gewesen sei, ebenso wenig geeignet den dringenden Tatverdacht zu entkräften wie die regelmäßig in den Verträgen enthaltenen Risikohinweise. Zum einen liegt der (Haupt-) Vorwurf der Anklage nicht in der unterbliebenen Aufklärung der Anleger über die allgemeinen Risiken der Anlageform, sondern in den bewusst wahrheitswidrigen Angaben insbesondere zu dem jeweiligen Entwicklungsstand des Produkts, dem Zeitpunkt der Markteinführung, der Patentierung und der finanziellen Situation des Unternehmens etc. Zum anderen liegt (…) eine Falschberatung auch dann vor, wenn die zutreffenden schriftlichen Angaben im Zeichnungsschein oder dem Prospekt durch fehlerhafte mündliche Angaben des Vermittlers relativiert worden sind. Der Zeuge B. hat die zumindest mit beherrschende Rolle des Beschuldigten B. bei der T. F. S. GmbH und damit dessen Einbindung in die Vertriebsaktivitäten bestätigt. Der Geschädigte M. S. hat in seiner Vernehmung angegeben, dass er sich infolge eines Gesprächs mit dem Angeklagten P. zu dem Erwerb weiterer Aktien entschlossen und diesem daher 40.000 Euro in bar übergeben habe. Dabei sei ihm während des Gesprächs suggeriert worden, dass der Angeklagte P. der `Boss´ sei. Der Zeuge F. wiederum hat durch seine Angaben, wonach in erheblichem Umfang Batterien bestellt aber letztlich nicht abgenommen worden sind und dadurch der Firma V. ein Schaden von geschätzt mehreren hunderttausend Euro entstanden ist, den Vorwurf bestätigt, dass die Entwicklungstätigkeit nur zum Schein und nicht ansatzweise mit dem gebotenen Nachdruck betrieben wurde. Entlastende Umstände hat die bisherige Beweisaufnahme nicht zu Tage gefördert. Betreffend die nachgereichten 93 Stehordner wird auf die Ausführungen der Strafkammer Bezug genommen. Die von der Staatsanwaltschaft daraus zusammengestellten 18 Stehordner enthalten über die bereits in den Akten befindlichen Fragebögen hinaus ergänzendes und stützendes Material der Anleger, das diese bei Rücksendung der Fragebögen beigefügt haben. (…) Wie die von der Strafkammer erstellte bisherige Verfahrensübersicht belegt, wäre ein Abschluss des Verfahrens bis zum Eintritt des gesetzlichen Mutterschutzes der Berichterstatterin (…) angesichts des Umfangs des Verfahrensstoffs (…) nicht möglich gewesen. (…)“.
27 
6. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, „(…) für beide Angeklagten Haftfortdauer anzuordnen.“
III.
28 
Die vorzunehmende besondere Haftprüfung durch den Senat ergibt, dass die Fortdauer der vollzogenen Untersuchungshaft hinsichtlich beider Angeklagter anzuordnen ist; hierzu im Einzelnen:
29 
1. Die Angeklagten sind der ihnen in den bezeichneten Haftbefehlen jeweils zur Last gelegten Taten in der durch die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 05. April 2013 konkretisierten Form (weiter) dringend verdächtig.
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Maßgebend für die Beurteilung des entsprechenden Verdachtsgrades ist, nachdem in der ausgesetzten Hauptverhandlung weder ein Urteil ergangen noch die Beweisaufnahme abgeschlossen worden ist, das sich aus den Akten ergebende Ermittlungsergebnis nach Maßgabe bzw. unter Berücksichtigung der weiteren Erkenntnisse, die sich im Zuge der bisherigen Hauptverhandlung ergeben haben (können).
31 
Der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer hat in seinem Schreiben vom 27. Februar 2014 mitgeteilt, dass „(…) die Strafkammer in der Besetzung VRLG N., Ri'in LG F., RLG Dr. W. den dringenden Tatverdacht (…) für gegeben“ hält. Nach detailliert-ausführlicher Schilderung der bisherigen (Sach-) Einlassungen der Angeklagten wurde hierzu weiter Folgendes ausgeführt:
32 
„Die Einlassungen der Angeklagten vermögen den dringenden Tatverdacht nicht zu entkräften. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklage genannten belastenden Ausführungen, sowie den Ausführungen in dem Beschluss der Kammer vom 16.12.2013, in dem auf die weiterhin zutreffenden Ausführungen in den Beschlüssen des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 2.5.2013 (…) und 22.5.2013 (…) verwiesen wird, Bezug genommen. Die dortigen Bewertungen zur Frage des dringenden Tatverdachts gelten auch unter Berücksichtigung der Einlassungen beider Angeklagten in der Hauptverhandlung fort.“
33 
Im Anschluss an die Schilderung der „(…) im Zuge der bisherigen Hauptverhandlung vorgenommenen Beweiserhebungen (…)“ wird in dem bezeichneten Schreiben zur vorläufigen Bewertung der aktuellen Beweislage vom Vorsitzenden unter Bezugnahme auf die (Zeugen-) Vernehmungen von insgesamt 12 Anlegern wie folgt Stellung genommen:
34 
„Nach vorläufiger Würdigung der Angaben der Anleger haben diese ihre Angaben in ihren Fragebögen bestätigt und überwiegend angegeben, über wesentliche Umstände im Zusammenhang mit dem Aktienkauf getäuscht worden zu sein und dies geglaubt zu haben. Hierbei handelte es sich hauptsächlich um die (falschen) Angaben, es sei bereits ein Patent für den N. erteilt worden und die Markteinführung stehe unmittelbar bevor. Teilweise gaben die Zeugen sogar an, ihnen sei mitgeteilt worden, die Serienproduktion habe bereits begonnen. So gab beispielsweise der Zeuge B. an, ihm sei gesagt worden, es sei ein Patent erteilt worden und das Produkt sei endkundenbereit. Lediglich die Angaben des Zeugen L. waren bei vorläufiger Würdigung nicht geeignet, den Tatverdacht hinsichtlich dieses Falls zu erhärten, trugen aber auch nicht zu einer Entlastung bei, weil der Zeuge nach seinen Angaben seine Geldanlagen vollständig an seinen Vermögensverwalter H. delegiert hatte und daher zu den maßgeblichen Fragen keine sachdienlichen Angaben machen konnte. Zwar fanden sich in den von den Zeugen abgeschlossenen schriftlichen Verträgen Hinweise darauf, dass es sich bei N. um ein sogenanntes Start-up Unternehmen handelt sowie Ausführungen zu `inhärenten Risiken´, die Zeugen gaben jedoch teilweise an, mündlich sei entweder von einem nur geringen Risiko oder gar von völlig fehlendem Risiko gesprochen worden und Hinweise auf größere Verluste oder gar den Totalverlust hätten gefehlt. Zum Teil gaben die Zeugen an, von einem Start-up Unternehmen sei nicht die Rede gewesen. Die als Zeugen vernommenen Anleger erklärten überwiegend, es sei von großen Renditen die Rede gewesen und sie seien zum Kauf überredet worden. Die Kammer bewertet die Angaben der bisher vernommenen Zeugen bei vorläufiger Betrachtung als glaubhaft, nicht zuletzt deshalb, weil diese im Einklang mit dem Akteninhalt stehen und geht derzeit davon aus, dass der Inhalt der schriftlichen Verträge durch die mündlichen Angaben relativiert und überlagert wurden und daher eine Bewertung der Handlungen als Täuschungshandlung nicht hindern.“
35 
Hinsichtlich der darüber hinaus vernommenen Zeugen wird sodann Folgendes dargelegt:
36 
„Der Zeuge F. (Vertriebsleiter der Firma V.) schilderte die Bestellung einer Vielzahl von Akkumulatoren für den N., was zu einer Zahl von (zumindest zum Teil produzierten) 220.000 Stück geführt habe, welche aber überwiegend nicht abgenommen worden und letztlich große Außenstände verblieben seien. Dies stützt nach vorläufiger Würdigung den in der Anklage erhobenen Vorwurf, dass die Entwicklung bzw. Produktion nicht in der durch die Angeklagten behaupteten Ernsthaftigkeit betrieben wurde. Der Zeuge B. (Telefonverkäufer der Firma T. F. S. GmbH) gab eine (Mit-)Verantwortlichkeit des Angeklagten B. für die Firma T. F.l S. an und erklärte, bei der Anwerbung von Anlegern sei die Vorgabe für die Telefonverkäufer hinsichtlich von Nachfragen von Kunden zur Markt- bzw. Serienreife des Produktes gewesen, zu antworten: `Die Geschäftsleitung hat mir garantiert, in den nächsten 4 - 6 Wochen wird die Produktion anlaufen.´ Dies erhärtet nach vorläufiger Würdigung den Verdacht, dass die Anleger über den tatsächlichen Entwicklungsstand getäuscht wurden und stützt den in der Anklage erhobenen Vorwurf, dass dem Angeklagten B. eine Verantwortung für den Vertrieb der Firma T. F. S. GmbH und die dort begangenen Handlungen zu Lasten von Anlegern zuzuweisen ist.“
37 
Unter Bezugnahme auf eine im Dezember 2013 erfolgte Nachreichung von Akten stellt der Vorsitzende zunächst deren Umfang und Zusammensetzung dahingehend klar, dass die Staatsanwaltschaft aus ursprünglich 75, von der Polizei vorgelegten Stehordnern „(…) die Unterlagen, die sich auf Anleger in der Anklageschrift (…) bezogen entnommen und „(…) hierfür 18 neue Stehordner (…)“ angelegt hat. Sodann wird hierzu Folgendes bemerkt:
38 
„Von Relevanz für das Verfahren sind primär die durch die Staatsanwaltschaft angelegten 18 Stehordner, die Unterlagen über die angeklagten Einzelfälle enthalten. Dort befinden sich neben Kopien der den (deutschen) Anlegern übersandten Fragebögen (die bereits Aktenbestandteil waren) die durch die Anleger als Anlage zum Fragebogen übersandten Unterlagen (hauptsächlich Kopien von Verträgen, Prospekte, Internetausdrucke, Korrespondenz, Kontoauszüge). Die vorläufige Bewertung der Unterlagen ergab, dass diese die Angaben der jeweiligen Anleger in ihren Fragebögen weitgehend stützen, ergänzen und untermauern und daher den dringenden Tatverdacht erhärten. Zur Bewertung dieser schriftlichen Unterlagen wird auf die oben ausgeführte vorläufige Beweiswürdigung im Zusammenhang mit den bisher durchgeführten Zeugenvernehmungen verwiesen, die insoweit gleichermaßen gilt.“
39 
Im Hinblick auf die vom Verteidiger des Angeklagten P., Rechtsanwalt Dr. E., mit Schriftsatz vom 11. Februar 2014 „zur Information des Senats“ zugeleiteten „4 Aktenkonvolute“ hat sich der Vorsitzende im Schreiben vom 27. Februar 2014 wie folgt geäußert:
40 
„Die Bezeichnung der Ordner korrespondiert nicht mit der Bezeichnung (auf Seite 3) im Schriftsatz des Verteidigers. Der Inhalt der Ordner lässt sich auch nicht (jedenfalls nicht bei allen Ordnern) ohne weiteres den durch den Verteidiger genannten Fragenkomplexen zuordnen, was eine (vorläufige) Bewertung nur mit Einschränkungen ermöglicht. Die Ordner enthalten offenbar im Dezember 2013/Januar 2014 verfasste schriftliche Einlassungen des Angeklagten P. (welche bislang keinen Eingang in den Hauptverhandlung gefunden haben, jedoch seitens der Verteidigung angekündigt waren). Der Sache nach beinhalten sie - soweit dies aufgrund der fehlenden inhaltlichen Struktur beurteilt werden kann - weit überwiegend eine Beweiswürdigung durch den Angeklagten, die durch die Kammer derzeit nicht geteilt wird, weil es sich teilweise um unzutreffende, teilweise nicht zwingende und teilweise abwegige Schlussfolgerungen handelt. Die übrigen Schriftstücke in den Ordnern stellen nach vorläufiger Durchsicht ausschließlich Kopien aus den Ermittlungsakten dar, die dem Gericht vorliegen. Teilweise sind diese Kopien mit handschriftlichen Anmerkungen - vermutlich vom Angeklagten P.- versehen, welche - soweit dies angesichts der Lesbarkeit und der Verständlichkeit der Anmerkungen beurteilt werden kann - eine Beweiswürdigung dieser Urkunden vornehmen, die weder zwingend ist noch der vorläufigen Beweiswürdigung der Kammer entspricht. Soweit sich in den in den 4 Ordnern befindlichen Einlassungen des Angeklagten P. (in geringem Umfang) Äußerungen zum Sachverhalt befinden, ergab eine vorläufige Durchsicht, dass diese nicht neu sind, sondern bereits Inhalt der in der Hauptverhandlung abgegebenen Einlassung waren. Die vorläufige Bewertung dieses Aktenkonvolutes (unter den vorgenannten Umständen) lässt für die Kammer daher nicht erkennen, weshalb der dringende Tatverdacht dadurch beeinträchtigt werden sollte.“
41 
Bei Zugrundelegung dieser - mit der vorläufigen Bewertung der in der durchgeführten Hauptverhandlung erlangten Erkenntnisse durch die Staatsanwaltschaft übereinstimmenden - plausibel-nachvollziehbaren Einschätzungen der Kammer, kommt der Senat nach Vornahme der gebotenen Prüfung sämtlicher weiterer, nach Aktenlage relevanter Gesichtspunkte und in Anknüpfung an die in seinen Haftfortdauerentscheidungen 10. Januar 2013 und 02. Mai 2013 (betreffend den Angeklagten B.) bzw. 21. Februar 2013 und 22. Mai 2013 (betreffend den Angeklagten P.) zur Frage des dringenden Tatverdachts vorgenommenen Bewertungen - auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird - zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich beider Angeklagter weiterhin im bezeichneten Umfang Tatverdachtsmomente vorliegen, die als dringend im Sinne von § 112 Abs. 1 S. 1 StPO zu beurteilen sind.
42 
2. Es besteht bei beiden Angeklagten Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Insoweit wird auf die unverändert gültigen Gründe der angeführten Haftfortdauerbeschlüsse des Senats Bezug genommen. Ergänzend ist hierzu Folgendes zu bemerken:
43 
Die Angeklagten haben nach den Darlegungen im (Haftfortdauer-) Beschluss der Wirtschaftsstrafkammer vom 16. Dezember 2013 und der Stellungnahme des Vorsitzenden vom 05. Februar 2014 für den Fall ihrer Verurteilung mit einer Freiheitsstrafe zu rechnen, die „(…) unter Umständen hinsichtlich der Anzahl der Jahre im zweistelligen Bereich (…) liegt. Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer, dem Senat am 10. Februar 2014 zugeleiteten, Stellungnahme unter Hinweis auf den „für jede Tat“ gegebenen Strafrahmen („6 Monate bis zu 10 Jahren“) und die (einschlägigen) Vorstrafen der Angeklagten (ebenfalls) von „(…) der Verhängung einer erheblichen und zu vollziehenden Gesamtfreiheitsstrafe (…), insbesondere im Falle des Angeklagten P. mit hoher Wahrscheinlichkeit im zweistelligen Bereich“ aus.
44 
Der Senat schließt sich diesen Prognosen nach Vornahme der notwendigen Gesamtschau aller gegenwärtig relevanten Erkenntnisse und Berücksichtigung der im „Protokoll über die Besprechung nach § 202a StPO am 28.1.2014“ angeführten, strafmildernd in Betracht kommenden Erwägungen (z. B. „Alter“, „Gesundheitszustand“, „besondere Haftempfindlichkeit“, „lange zurückliegende Tatzeit“, „lange Verfahrensdauer“) mit der Maßgabe an, dass beide Angeklagte für den Fall ihrer - aus derzeitiger Sicht wahrscheinlichen - Verurteilung langjährige Freiheitsstrafen zu erwarten haben. Tragfähige Bindungen, die dem aus diesen beträchtlichen Straferwartungen resultierenden (sehr) hohen Fluchtanreiz ausreichend entgegenwirken könnten sind nicht ersichtlich bzw. gegeben. Im Hinblick auf die insoweit in den Blick genommenen persönlichen Verhältnisse der Angeklagten in familiär-sozialer bzw. beruflicher Hinsicht wird auf die zugehörigen Ausführungen in den Beschlüssen des Senats vom 10. Januar 2013 (betreffend den Angeklagten B.) bzw. 28. November 2012 (betreffend den Angeklagten P.) Bezug genommen.
45 
Allem nach ist es überwiegend wahrscheinlich, dass sich die Angeklagten, kämen sie auf freien Fuß, dem weiteren Verfahren und der Strafvollstreckung durch Flucht oder Untertauchen entziehen würden. Das im Zusammenhang mit Erwägungen zum Bestehen eines Haftgrunds hierzu in den bezeichneten Stellungnahmen der Verteidigung Vorgebrachte, ändert an dieser Einschätzung nichts. Dies gilt insbesondere auch für die thematisierte und vom Senat in seine Erwägungen einbezogene gesundheitliche Situation mit den gegebenen Erkrankungen beider Angeklagter (hierzu später mehr).
46 
Mildere Maßnahmen im Sinne von § 116 StPO als der Vollzug der Haftbefehle sind hiernach - auch bei Inblicknahme etwaiger Verschonungsanweisungen - nicht geeignet, den Zweck der Untersuchungshaft in gleicher Weise zu erfüllen.
47 
3. Ein wichtiger Grund im Sinne von § 121 Abs. 1 StPO hat das Urteil bisher nicht zugelassen und rechtfertigt die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft; ein zu beanstandender Verstoß gegen den Anspruch der Angeklagten auf beschleunigte Aburteilung ist nicht gegeben.
48 
a. Das Verfahren ist ganz besonders umfangreich. Es hat zwischenzeitlich einen Aktenumfang von insgesamt 420 Stehordnern nebst 4 Stehordnern Gerichtsakten. In der Anklageschrift werden als „Beweismittel“ u. a. 642 Zeugen, darunter eine Vielzahl von - im Ausland (S.) ansässigen - Anlegern sowie mehrere Sachverständige namhaft gemacht. Der gegen die Angeklagten erhobene Tatvorwurf erstreckt sich auf insgesamt 1.231 rechtlich selbständige Handlungen. Nach der Beurteilung des Strafkammervorsitzenden werden mindestens 100 Hauptverhandlungstermine erforderlich sein. Deshalb war es aufgrund des bezeichneten Umfangs des Verfahrens ausgeschlossen, dieses bis heute abzuschließen.
49 
Dass das Verfahren jetzt ausgesetzt wurde, ist ausschließlich durch die in Rede stehende Schwangerschaft der bisher in den erkennenden Spruchkörper als Berichterstatterin eingebunden gewesenen Richterin und mithin einen Umstand veranlasst, auf den die Strafverfolgungsbehörden und das mit der Sache befasste Gericht keinen Einfluss haben und dem durch geeignete Maßnahmen zumutbar nicht begegnet werden konnte.
50 
Der von der Verteidigung des Angeklagten B. vertretenen Ansicht, wonach die in Rede stehende gerichtliche Entscheidung zur „(…) Aussetzung des Verfahrens zum jetzigen Zeitpunkt rechtswidrig“ und die Berichterstatterin verpflichtet sei, „(…) die (disponiblen) Fristen des Beschäftigungsverbotes des Mutterschutzgesetzes vor der Niederkunft zu ignorieren (…)“, folgt der Senat nicht; sie ist abwegig.
51 
Der Senat verkennt nicht, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der fehlende Abschluss einer Strafsache binnen angemessener Frist wegen Kollisionen zwischen familiär bedingten personellen Veränderungen bzw. „Vakanz“ auf der Richterbank mit einer ordnungsgemäßen Bewältigung des Geschäftsanfalls in Haftsachen, nicht von der im betreffenden Verfahren inhaftierten Person zu vertreten ist, weil insoweit weder von einem unvorhersehbaren Zufall noch einem schicksalhaften Ereignis auszugehen ist (vgl. BVerfG NJW 2006, 668 ff., bei juris Rdnr. 36). Jedoch stellt das Bundesverfassungsgericht auch darauf ab, ob eine Verzögerung von den Strafverfolgungsbehörden zu verantworten ist (vgl. z. B. BVerfG StV 2013, 640 bei juris Rdnr. 41). Die Justiz kann nicht mehr tun, als in ihrer Macht steht (BVerfG NStZ 2005, 456, bei juris Rdnr. 26). Kommt es zu einer solchen nicht zu verantwortenden Verzögerung, muss die Justiz aber alles tun, um das Verfahren mit größtmöglicher Beschleunigung fortzusetzen. Deshalb kann eine entsprechende Gegebenheit als „anderer wichtiger Grund“ im Sinne von § 121 Abs. 1 StPO zu beurteilen sein, wenn damit ein absehbar längerfristiger Verfahrensstillstand ohne konkrete Aussicht auf eine Entscheidung über den Neubeginn der Hauptverhandlung und Terminierung in einem dem Freiheitsanspruch Inhaftierter Rechnung tragenden, absehbaren Zeitraum nicht einhergeht und die mit der Auswechslung eines / einer dem erkennenden Spruchkörper angehörenden Richters / Richterin verknüpfte Verfahrensverzögerung nicht vermeidbar war (vgl. BVerfG NStZ 1994, 93 f. bei juris Rdnr. 24; StraFo 2007, 18 f.).
52 
Dies ist vorliegend der Fall. Es ist - auch in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung - anerkannt, dass nicht alle zu Verfahrensverzögerungen führenden Umstände, die dem Einfluss Inhaftierter entzogen sind, der Anordnung einer Fortdauer der Untersuchungshaft über die in § 121 Abs. 1 StPO genannte Frist hinaus schon für sich genommen entgegenstehen (vgl. BVerfG NJW 1974, 307 ff. bei juris Rdnr. 24). So kann etwa die Verhinderung unentbehrlicher Verfahrensbeteiligter wie z. B. eines erkennenden Richters infolge Krankheit als wichtiger Grund im Sinne der genannten Vorschrift angesehen werden (BVerfG a. a. O., KG Berlin, Beschl. v. 24.02.2009 - Az. 1 Ws 25 - 27/09 u. a., zit. nach juris; LR-Hilger, StPO, 26. Aufl., § 121 Rdnrn. 28 u. 42; KK-Schultheis, StPO, 7. Aufl., § 121 Rdnr. 16; Graf/Krauß, StPO, § 121 Rdnr. 14; HK-Lemke, StPO, 4. Aufl., § 121 Rdnr. 21; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 121 Rdnr. 21). Dem ist nach Auffassung des Senats der Eintritt einer Schwangerschaft bei einer dem gerichtlichen Spruchkörper angehörenden Richterin gleichzusetzen (vgl. KK-Schultheis, a. a. O., Rdnr. 18). Hierbei handelt es sich um einen anderen, auf den Verfahrensgang ausstrahlenden Umstand außerhalb des Einwirkungsbereichs der Justiz. Die Schwangerschaft ist vielmehr dem verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich höchstpersönlicher Lebensgestaltung zugeordnet, welche die jeweilige Richterin als Privatperson betrifft. Die Annahme eines Organisationsverschuldens der Justiz dahingehend, dass eine im gebärfähigen Alter befindliche Richterin überhaupt in einen erkennenden Spruchkörper eingebunden wird, verbietet sich (vgl. Schmidt, NStZ 2006, 313 ff., 316).
53 
Die in Rede stehende Schwangerschaft und die dadurch bedingte Notwendigkeit einer Aussetzung der Hauptverhandlung waren bei Beginn der Hauptverhandlung nicht abzusehen; nach dem (späteren) Bekanntwerden der entsprechenden Gegebenheit sind keine vermeidbaren Verfahrensverzögerungen festzustellen: Die am 26. Juli 2013 begonnene Hauptverhandlung hatte bis zu ihrem Abbruch 27 Wochen angedauert. Ausweislich der Darlegungen im Vorlageschreiben des Vorsitzenden vom 05. Februar 2014 und darin enthaltener Bezugnahme auf das Protokoll über die - außerhalb der Hauptverhandlung erfolgte - „Besprechung nach § 202a StPO am 28.1.2014“ zwischen den Verfahrensbeteiligten ist von einem „Beginn des Mutterschutzes (…) Ende Mai 2014“ auszugehen. Der beschäftigungsrechtliche Schutz werdender Mütter gemäß § 3 Abs. 2 MuSchG beginnt sechs Wochen vor dem (errechneten) Entbindungszeitpunkt; dieser ist hier mithin auf etwa Anfang Juli 2014 zu datieren. Bei Zugrundelegung der Regelung in § 1600d Abs. 3 BGB ergibt sich somit, dass die (frühere) Berichterstatterin bei Beginn der Hauptverhandlung von ihrer Schwangerschaft nichts wissen konnte. Unter Berücksichtigung des vorliegend nach § 1600d Abs. 3 BGB gegebenen gesetzlichen Empfängniszeitraums steht weiter fest, dass der Richterin auch keine verspätete Anzeige der bestehenden Schwangerschaft anzulasten ist. Der Vorsitzende hat im Schreiben vom 27. Februar 2014 hierzu Folgendes mitgeteilt:
54 
„(…) Die Schwangerschaft sowie der voraussichtliche Beginn des gesetzlichen Mutterschutzes Ende Mai 2014 wurde mir am 07. Januar 2014 durch die Berichterstatterin kurz mitgeteilt. Die Berichterstatterin war in dieser Woche (2. Kalenderwoche 2014) krankgeschrieben und erschien am 13. Januar 2014 wieder zum Dienst. (…)“
55 
Dass die Wirtschaftsstrafkammer in der Folge von einer sofortigen Entscheidung über die Aussetzung der Hauptverhandlung abgesehen und stattdessen zunächst den Versuch unternommen hat, das Strafverfahren im Wege einer Verständigung gemäß § 257c StPO zu beenden, ist - auch im Hinblick auf Beschleunigungsgebot in Haftsachen - nicht zu beanstanden. Zu den einzelnen Abläufen und Erwägungen der Kammer in diesem Zusammenhang hat der Vorsitzende in der genannten Stellungnahme vom 27. Februar 2014 (u. a.) Folgendes ausgeführt:
56 
„(…) In der 3. Kalenderwoche 2014 hat die Kammer eruiert, inwieweit ein Verfahrensabschluss bis Ende Mai 2014 möglich wäre, kam jedoch aus den oben ausgeführten Gründen zur Einschätzung, dass dies allenfalls mit deutlicher Beschränkung des Verfahrensstoffes und im Wege einer Verständigung gem. § 257c StPO möglich erscheint. Durch Verfügung vorn 16. Januar 2014 (…) wurden daher alle geladenen Zeugen abgeladen sowie den Verfahrensbeteiligten die obengenannten Umstände am 21. Januar 2014 mitgeteilt und ein Gespräch über eine Verständigung angeboten (…). Aus den von den Verteidigern im Gespräch genannten Gründen (…) wurde dieses Gespräch nicht am nächsten, sondern am übernächsten Hauptverhandlungstag 28. Januar 2014 durchgeführt und der Hauptverhandlungstag 23. Januar 2014 aufgehoben. Am 28. Januar 2013 fand eine Besprechung gem. §§ 212, 202a StPO statt, in der die Verteidiger erklärten, am 04. Februar 2014 mitzuteilen, ob einer Verständigung zugestimmt werde. Hierauf wurde auch der Hauptverhandlungstag 30. Januar 2014 aufgehoben. Unmittelbar nach der Mitteilung der Verteidiger am 04. Februar 2014, dass die Angeklagten der vorgeschlagenen Verständigung nicht zustimmen würden, erging die Aussetzungsentscheidung der Kammer.“
57 
Der für die Aussetzungsentscheidung gewählte Zeitpunkt ist vor diesem Hintergrund - auch unter Berücksichtigung des grundrechtlich verbürgten Anspruchs der Angeklagten auf den gesetzlichen Richter - nicht als verfahrensverzögernd zu bewerten.
58 
Die von der Wirtschaftsstrafkammer getroffene Entscheidung, die Hauptverhandlung auszusetzen, war bei den vorliegenden Gegebenheiten unumgänglich. Der Vorsitzende hat in seinem Schreiben vom 27. Februar 2014 nachvollziehbar und plausibel dargelegt, weshalb ein Abschluss des Verfahrens bis zum (voraussichtlichen) Eintritt des gesetzlichen Mutterschutzes auch im Wege eines überobligationsmäßigen Einsatzes der Richterbank durch zusätzliche Verhandlungstermine ausgeschlossen war. Wörtlich heißt es hierzu wie folgt:
59 
„(…) Nach dem bisherigen - vor Beginn der Hauptverhandlung in diesem Umfang nicht vorhersehbaren - (…) Verlauf der Hauptverhandlung wäre angesichts des Umfanges der notwendigen Beweiserhebungen und dem Prozessverhalten der Angeklagten und ihrer Verteidiger mit mindestens 100 weiteren Hauptverhandlungsterminen zu rechnen gewesen. Diese Prognose beruht auf den folgenden Grundlagen: Angesichts der mangelnden Gleichartigkeit beim Sachverhalt bei den einzelnen Anlegern (unterschiedliche Anwerbung; Beteiligung unterschiedlicher Firmen bei der Anwerbung; unterschiedliche Vertragsgestaltung; unterschiedlicher Zeitpunkt des Vertragsschlusses, was erhebliche Auswirkung auf die mögliche Tatbestandserfüllung hat) wäre es aus Sicht der Kammer erforderlich gewesen, zumindest etwa 50 weitere verschiedene Anleger als Zeugen zu vernehmen, um anhand eines repräsentativen Querschnittes der Anleger die insoweit notwendigen Feststellungen treffen zu können. Es war zudem zu berücksichtigen, dass eine Vielzahl von Anlegern im Ausland (überwiegend in der S.) wohnhaft ist, was erfahrungsgemäß dazu führt, dass nicht alle Zeugen erscheinen und Rechtshilfemaßnahmen nach sich ziehen würde, die innerhalb des zur Verfügung stehenden Zeitrahmens nicht durchführbar gewesen wären. Hinsichtlich der erforderlichen Feststellungen wäre auch die Vernehmung der 70 weiteren in der Anklageschrift genannten Zeugen sowie der 3 Sachverständigen notwendig gewesen. Ursprünglich waren pro Hauptverhandlungstag überwiegend 4 Zeugen vorgesehen. Angesichts der Anzahl und des Umfangs der durch die Angeklagten und ihre Verteidiger gestellten Fragen an die Zeugen sowie des Umfangs der regelmäßig nach den Vernehmungen abgegebenen Erklärungen gem. § 257 StPO wurde dies aus Zeitgründen auf 3 und zuletzt 2 Zeugen pro Hauptverhandlungstag reduziert. Schließlich hat der Angeklagte P. angekündigt, sich weiter einlassen zu wollen und etwa 1.000 Beweisanträge zu stellen. Berücksichtigt man die hauptverhandlungsfreien Wochen (12., 16. und 17. Kalenderwoche), wobei in der 16. und 17. Kalenderwoche aufgrund der Verhinderung der Verteidiger keine Hauptverhandlungstermine festgesetzt werden konnten, so hätten lediglich etwa 14 Kalenderwochen zur Verfügung gestanden. Zudem war zu berücksichtigen, dass die Verteidigung des Angeklagten P. mehrfach in der Hauptverhandlung vorgebracht hat, bei zwei Hauptverhandlungstagen pro Woche könne der Angeklagte P. aus gesundheitlichen Gründen nicht länger als bis 15.30/16.00 Uhr an der Hauptverhandlung teilnehmen, ansonsten sei seine Verhandlungsfähigkeit beeinträchtigt. Bislang wurde daher nur in Ausnahmefällen länger verhandelt. Auch aus diesem Grund wurde von einer größeren Verhandlungsdichte Abstand genommen. Schließlich wäre zu berücksichtigen gewesen, dass am 04. Februar 2014 die Hauptverhandlung in einer weiteren Haftsache begann, in der bis 04. April 2014 12 Hauptverhandlungstermine bestimmt sind. Diese Terminsverfügung erfolgte am 17. Dezember 2013. (…)“
60 
Einer Beurteilung der in Rede stehenden Schwangerschaft als wichtiger, die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigender Grund im Sinne von § 121 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, dass vor Beginn der ausgesetzten Hauptverhandlung von der Bestellung eines Ergänzungsrichters abgesehen worden ist. Nach § 192 Abs. 2 GVG entscheidet der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen über die Anzahl der erforderlichen Ergänzungsrichter; die hierzu notwendige prognostische Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Ergänzungsfalls kann sich sowohl an verfahrens- wie auch personenbedingten Umständen orientieren (vgl. KK-Diemer, StPO, 7. Aufl., § 192 Rdnr. 4a m. w. N.). Der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer hat hierzu in seiner Stellungnahme vom 27. Februar 2014 folgende Erklärung abgegeben:
61 
„Vor Beginn der Hauptverhandlung wurde die Hinzuziehung eines Ergänzungsrichters gem. § 192 Abs. 2 GVG erwogen. Zum damaligen Zeitpunkt war eine Hauptverhandlungsdauer von ca. 10- 12 Monaten zu prognostizieren und es waren keine besonderen (über den Durchschnitt hinausgehenden) Anhaltspunkte für den Eintritt des Ergänzungsfalls ersichtlich. Unter Abwägung dieser Umstände mit den (knappen) Personalressourcen des Landgerichts Stuttgart wurde hiervon letztlich abgesehen.“
62 
Diese Einschätzung ist vorliegend nicht zu beanstanden; die zugehörige Prognose, keinen Ergänzungsrichter zu benötigen, war zum damaligen (Entscheidungs-) Zeitpunkt jedenfalls vertretbar. Der Senat ist, wenn - wie hier - konkrete Anhaltspunkte für einen Ermessensfehlgebrauch fehlen, nicht dazu berufen, die Berechtigung der entsprechenden Erwartungshaltung des Vorsitzenden zu überprüfen (vgl. KG Berlin, Beschl. v. 24.02.2009 - Az.: 1 Ws 27/09 u. a. - bei juris Rdnr. 9).
63 
b. Bei der notwendigen Prüfung der Frage, ob ein Verstoß gegen das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen festzustellen ist, kommt es maßgeblich darauf an, ob die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen getroffen haben, um die Ermittlungen zügigst abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über den Anklagevorwurf mit der gebotenen Schnelligkeit herbeizuführen (vgl. BVerfG NStZ 1994, 93 f.; NJW 2006, 668 ff.; StraFo 2013, 160 ff.). Die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache und den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund steigen mit der Dauer des Untersuchungshaftvollzugs (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.10.2006 - 2 BvR 1742/06 -; Beschl. v. 23.01.2008 - 2 BvR 2652/07 -; Beschl. v. 16.03.2006 - 2 BvR 170/06 -; Beschl. v. 05.12.2005 - 2 BvR 1964/05 - jew. m. w. N., zit. nach juris). Auf das Gewicht der im Raum stehenden Straftat(en) kommt es insoweit nicht an, da die hierbei zu beachtenden Anforderungen nicht grundsätzlich dadurch geringer werden, dass die der Strafverfolgung unterliegende(n) Tat(en) besonders bedeutsam sind und eine hohe Straferwartung gegeben ist (vgl. BVerfG Beschl. v. 04.05.2011 - 2 BvR 2781/10 -, zit. nach juris).
64 
Gemessen an diesen Maßstäben ist festzustellen, dass dem besonderen Beschleunigungsgebot vorliegend bislang durchgängig entsprochen wurde. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die zugehörigen Ausführungen in seinen Haftfortdauerentscheidungen vom 02. / 22. Mai 2013 und stellt hinsichtlich der sich daran anschließenden Abläufe fest, dass das Verfahren auch in der Folge zügig und ohne relevante Verzögerung(en) (fort-) geführt worden ist; insoweit wird auf die unter I.3. beschriebenen Veranlassungen der Wirtschaftsstrafkammer verwiesen. Die ab dem 26. Juli 2013 bis zu der in Rede stehenden Aussetzungsentscheidung durchgeführte Hauptverhandlung hat den verfassungsgerichtlichen Vorgaben, wonach bei umfangreicheren Verfahren - wie hier - stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlung mit mehr als einem durchschnittlichen Hauptverhandlungstag pro Woche notwendig ist (vgl. BVerfG StraFo 2013, 160 ff.), ausreichend Rechnung getragen.
65 
Im Schreiben des Vorsitzenden vom 05. Februar 2014 wurde der Gang der bisherigen Hauptverhandlung unter Bezugnahme auf die hierzu in der (Haftfortdauer-) Entscheidung der Strafkammer vom 16. Dezember 2013 gemachten Ausführungen wie folgt geschildert:
66 
„(…) Die Hauptverhandlung (…) hat (…) an folgenden Tagen stattgefunden: 26.7. (…) 30.7., 16.8., 19.8., 10.9., 12.9., 1.10., 2.10., 9.10., 23.10., 29.10., 30.10., 5.11., 7.11., 12.1 1., 14.1 1., 21.11., 26.11., 28.11. (…), 3.12.2013. Nach Aussetzungs- und Unterbrechungsanträgen der Verteidigung (…) folgten am 3. Verhandlungstag (…) Aussetzungsanträge der Verteidigung (…) sowie Befangenheitsanträge (…). Am 4. Verhandlungstag (…) wurden erneut alle Berufsrichter sowie die beiden Schöffen (…) abgelehnt. Die Einlassung des Angeklagten B. (…) fand an den folgenden 7 Verhandlungstagen statt, am 12. Verhandlungstag (…) folgte die Sacheinlassung des Angeklagten P., die sich über 3 Verhandlungstage erstreckte. Ab dem 15. Verhandlungstag (…) wurden bis 28.11. überwiegend Anleger (…) vernommen. Ursprünglich waren (…) für jeden Sitzungstag, abgesehen von wenigen Ausnahmen, vier Zeugen (…) geladen. Aufgrund umfangreicher Fragen aller Verfahrensbeteiligten und Erklärungen nach § 257 StPO war die Durchführung des (…) vorgesehenen Beweisprogramms in zeitlicher Hinsicht wegen der gesundheitlichen Einschränkung des Angeklagten P. nicht möglich. In der Regel endete die Sitzung deshalb zwischen 16:00 und 16:30 Uhr (…). Am Verhandlungstag am 14.11.2013 erging eine Verfügung des Vorsitzenden, in der angeordnet wurde, 36 Urkunden im Wege des Selbstleseverfahrens (…) in die Hauptverhandlung einzuführen. Die auf den 3.12. geladenen 4 Anleger (…) wurden wegen Aussetzungsanträgen der Verteidigung (…) nicht vernommen. Die ursprünglich am 6.8., 8.8. und 14.8.2013 angesetzten Verhandlungstermine wurden aufgehoben und die Hauptverhandlung bis 16.8. unterbrochen. Grund hierfür war die (…) Unvollständigkeit der digitalisierten Akten, die lediglich 314 (von 327) Stehordner auf DVD/Akten-CD enthielten und somit an die Verteidiger nicht vollständig (…) ausgefolgt worden waren. (…) Vom 22.8 bis 6.9. und vom 16.9 bis 27.9.2013 fanden keine Verhandlungstermine statt, weil in dieser Zeit sich Kammermitglieder im bereits vor Eingang der Anklage geplanten Urlaub befanden. Vom 10.10. bis 22.10.2013 fanden keine Verhandlungstermine statt, weil beide Verteidiger des Angeklagten P. (…) verhindert waren. Zudem verhandelte die Kammer am 14.10. und 18.10.2013 eine weitere (…) Haftsache (…). Der ursprünglich festgelegte Hauptverhandlungstermin am 19.11.2013 konnte wegen (…) Erkrankung der Berichterstatterin nicht stattfinden. Die Hauptverhandlungstermine am 5.12., 10.12., 12.12. und 17.12.2013 wurden wegen Nachreichung weiterer 75 Stehordner (…) aufgehoben. Diese (…) waren bislang nicht Akten- oder Asservatenbestandteil. Sie wurden unmittelbar von der Kammer angefordert, nachdem ihr am 2.12.2013 die weiteren, für das Verfahren relevanten Unterlagen bekannt wurden. (…) Die Kammer hat (…) alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine gerichtliche Entscheidung über die vorgeworfenen Taten mit der gebotenen Schnelligkeit herbeizuführen. (…) Soweit an einigen (…) Sitzungstagen nicht ganztägig verhandelt wurde, war dies nicht vom Spruchkörper zu vertreten. (…)“
67 
Aus dem, diese Darstellung u. a. durch Vorlage einer detaillierten Übersicht zu den einzelnen Sitzungstagen und deren inhaltlicher Ausgestaltung, ergänzenden Schreiben des Vorsitzenden vom 27. Februar 2014 ergibt sich weiter, dass die Hauptverhandlung im Anschluss (an den 03. Dezember 2013) an insgesamt weiteren sechs Tagen (19.12.2013; 14.01., 16.01., 21.01., 28.01. und 04.02.2014) fortgeführt worden war. Nach seiner Beurteilung wird sich die Dauer des Verfahrens aus jetziger Sicht auf mindestens 100 Hauptverhandlungstermine erstrecken.
68 
Vor dem Hintergrund dieser Abläufe und unter Berücksichtigung der beschriebenen Komplexität bzw. Schwierigkeit der Sache bleibt hiernach festzustellen, dass ein Abschluss des Strafverfahrens bis zum bezeichneten Beginn des Mutterschutzes auch bei überobligationsmäßigen Veranlassungen des Gerichts - z. B. in Form einer (zeitlichen) Ausdehnung der Hauptverhandlung an bereits fixierten Terminen oder Festlegung zusätzlicher Sitzungstage - ausgeschlossen war. Dies gilt auch dann, wenn die Wirtschaftsstrafkammer ausschließlich mit dem vorliegenden Strafverfahren befasst gewesen und vom Beginn der - in der Stellungnahme des Vorsitzenden vom 27. Februar 2014 thematisierten - Hauptverhandlung in einer weiteren, bis 04. April 2014 terminierten, Haftsache am 04. Februar 2014 Abstand genommen worden wäre. Insofern erweist sich auch der Umstand, dass die hinsichtlich dieser weiteren Hauptverhandlung erfolgte Terminsverfügung vom 17. Dezember 2013 nicht aufgehoben wurde, nicht als fehlerhaft.
69 
Bevorstehende, bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt absehbare weitere Verfahrensverzögerungen - die nicht anders zu behandeln wären als bereits eingetretene (vgl. BVerfG NJW 2006, 668 ff. m. w. N.) - sind nicht ersichtlich. Ausweislich der Darlegungen des Vorsitzenden im Schreiben vom 27. Februar 2014 ergibt sich hierzu Folgendes:
70 
„Durch Beschluss des Präsidiums des Landgerichts vom 05. Februar 2014 wurde Richterin am Landgericht F. mit sofortiger Wirkung der 6. (und 56.) Strafkammer (und die bisherige Berichterstatterin in diesem Verfahren der 10. und 60. Strafkammer) zugewiesen und in der 6. Strafkammer zur stellvertretenden Vorsitzenden ernannt. Sie wurde am 07. Februar 2014 zur Berichterstatterin bestimmt und arbeitet sich seitdem in das vorliegende Verfahren ein. Durch Verfügung vom 12. Februar 2014 wurde die (erneute) Hauptverhandlung auf 25. März 2014 sowie (zunächst) 63 Folgetermine terminiert und darauf hingewiesen, dass die weiteren Hauptverhandlungstermine jeweils dienstags und donnerstags stattfinden, (…). Angesichts der nunmehr absehbaren Verhandlungsdauer, der zwischenzeitlichen Dauer der Untersuchungshaft und der durch die Aussetzung notwendigen Wiederholung von Teilen der Hauptverhandlung wurde die Hinzuziehung eines Ergänzungsrichters und eines Ergänzungsschöffen verfügt. Bei der Terminierung wurde berücksichtigt, dass die Verteidiger mitgeteilt haben, dass sie an den bisher bis Ende Juni 2014 freigelassenen Kalenderwochen verhindert seien (…) weshalb insoweit von einer Terminierung Abstand genommen wurde. Im weiteren Verlauf wurde lediglich eine zweiwöchige Urlaubspause im September 2014 und wegen (zweitägiger) urlaubsbedingter Abwesenheit eines Kammermitgliedes im Oktober 2014 ein möglicher Hauptverhandlungstag ausgenommen, im übrigen wurden an jedem möglichen Dienstag und Donnerstag im Jahr 2014 Hauptverhandlungstermine festgesetzt. Nach Abschluss der o. a. anderen Haftsache (welche nach jetzigem Sachstand für Anfang/Mitte März 2014 zu erwarten ist) ist derzeit nicht die Terminierung anderer Verfahren geplant, weshalb sich die Kammer in vollem Umfang dem vorliegenden Verfahren widmen und ggf. - sofern der Gesundheitszustand des Angeklagten P. dies erlaubt - die Festsetzung weiterer Hauptverhandlungstermine geprüft werden könnte. Die Terminierung weiterer Verfahren (allenfalls Verfahren mit wenigen zu erwartenden Hauptverhandlungstagen) wird erst dann geprüft werden, wenn das vorliegende Verfahren dies zulässt.“
71 
Vor diesem - den Verfahrensfortgang ausreichend prognostizierenden - Hintergrund ist mit einem zeitnahen Neubeginn der Hauptverhandlung zu rechnen und von einer straffen, den verfassungsgerichtlichen Vorgaben zur notwendigen Verhandlungsdichte in Haftsachen genügenden Terminierung auszugehen. Das Landgericht hat dem besonderen Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen durch die unverzüglich erfolgte Zuweisung der bezeichneten Richterin, die kammerintern frühzeitig danach zur Berichterstatterin bestimmt worden ist, ausreichend Rechnung getragen. Die Genannte ist - senatsbekannt - seit September 2003 durchgängig und mithin langjährig beim Landgericht Stuttgart in verschiedenen Strafkammern mit der Bearbeitung von Wirtschaftstrafsachen befasst (gewesen) und infolgedessen mit einschlägigen Fragestellungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vertraut; sie verfügt insoweit über besonderes, spezifisches Erfahrungswissen. Entgegen der von der Verteidigung vertretenen Ansicht, hat der Senat daher keine Zweifel, dass auch der nunmehr in der Wirtschaftsstrafkammer mit der Berichterstattung befassten Richterin die notwendige Erfassung des Verfahrensstoffes - auch kurzfristig - möglich ist und die für das vorliegende Strafverfahren wesentlichen Fragestellungen bis zu der anstehenden Hauptverhandlung im gebotenen Umfang und in erforderlicher Tiefe erschlossen bzw. durchdrungen werden.
72 
Diese bezeichnete Vorgehensweise wird den besonders strengen Anforderungen an den Beschleunigungsgrundsatz, die hier aufgrund der langen Dauer bereits vollzogener Untersuchungshaft und dem gegebenen Verfahrensstand zu beachten sind, ausreichend gerecht.
73 
4. Die Anordnung der Fortdauer der (Untersuchungs-) Haft ist schließlich auch nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt. Der Senat hat hierbei insbesondere die gegenläufigen Interessen des Staates bzw. der Allgemeinheit an wirksamer Strafverfolgung und den mit fortschreitender Dauer vollzogener Untersuchungshaft zunehmend an Bedeutung bzw. Gewicht gewinnenden Freiheitsanspruch der Angeklagten in den Blick genommen. Hierbei wurde bedacht, dass der verfassungsrechtlich garantierte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur für die Anordnung, sondern auch für die Dauer der Untersuchungshaft maßgebende Bedeutung besitzt und die vorzunehmende Abwägung in erster Linie an die durch objektive Kriterien bestimmte Angemessenheit der Verfahrensdauer und deren Verhältnis zur voraussichtlichen Gesamtdauer des Strafverfahrens sowie die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung bzw. das hypothetische Ende einer zu verhängenden Freiheitsstrafe anzuknüpfen hat (vgl. BVerfG StraFo 2013, 160 ff.). Berücksichtigung fand weiter, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Haftdauer unabhängig von der zu erwartenden Strafe Grenzen setzt (vgl. BVerfG NStZ 1994, 93 f.; NJW 2006, 668 ff. jeweils m. w. N.)
74 
Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist vorliegend die Haftfortdauer zum gegenwärtigen Zeitpunkt bei beiden Angeklagten vor dem Hintergrund der beschriebenen Gegebenheiten und des bisherigen Verfahrensgangs - auch wenn der Vollzug der Untersuchungshaft zwischenzeitlich bereits ein Jahr und neun Monate (beim Angeklagten B.) bzw. ein Jahr und sieben Monate (beim Angeklagten P.) andauert - noch nicht als unverhältnismäßig zu beurteilen.
75 
Der Senat hat bei der in diesem Zusammenhang vorgenommenen Abwägung unter anderem die - bei beiden Angeklagten - gegebene, sehr hohe Straferwartung sowie die in den Blick zu nehmende voraussichtliche Gesamtdauer des Strafverfahrens - insoweit ist nach den realistischen Darlegungen des Vorsitzenden der Wirtschaftsstrafkammer aus gegenwärtiger Sicht von (mindestens) einem Jahr auszugehen - berücksichtigt und hierbei gesehen, dass die Untersuchungshaft bei den Angeklagten dann bereits über jeweils sehr lange Zeiträume, über 2 ½ Jahre, angedauert haben wird. Darüber hinaus wurden bei der notwendigen Bewertung auch die gegebenen krankheitsbedingten Einschränkungen der Angeklagten und die damit jeweils einhergehende besondere Belastungssituation gewichtet. Insofern wird Bezug genommen auf die hierzu getroffenen Bewertungen in den Haftfortdauerentscheidungen des Senats vom 02. Mai 2013 (betreffend den Angeklagten B.) bzw. 22. Mai 2013 (betreffend den Angeklagten P.). Ergänzend hierzu war Folgendes festzustellen:
76 
Hinsichtlich des Angeklagten B. ergibt sich ausweislich der vom Senat angeforderten ärztlichen Stellungnahme vom 19. Februar 2014 aktuell folgendes Krankheitsbild:
77 
„(…) am 29. Januar 2014 bei der Nachsorgeuntersuchung und diagnostischer Zystoskopie wurde bei Herrn B. im Bereich der alten Narben ein Verdacht auf ein Rezidiv eines Blasenkarzinoms diagnostiziert. Ein operativer Eingriff wurde in der 09. Kalenderwoche geplant. Wenn der postoperative Verlauf komplikationslos verläuft, wird der Patient in ca. 3 - 4 Wochen verhandlungsfähig sein.“
78 
Auf Nachfrage wurde diese Stellungnahme seitens der verantwortlichen Anstaltsärztin am 21. Februar 2014 dahingehend ergänzt, dass der thematisierte „operative Eingriff“ in einem Klinikum außerhalb des Justizvollzugs geplant sei. Die gegenwärtig uneingeschränkt gegebene Haftfähigkeit des Angeklagten B. werde durch die anstehende ärztliche Maßnahme nicht tangiert. Eine weitere, am 07. März 2014 über den Leiter der Krankenabteilung der JVA Stuttgart erfolgte Klarstellung hat ergeben, dass der in Rede stehende „Eingriff“ zwischenzeitlich vorgenommen wurde und komplikationslos verlaufen ist. Weiter ist hiernach davon auszugehen, dass sich hinsichtlich der gesundheitlichen Einschränkungen des Angeklagten B. gegenüber dem bisherigen (Zu-) Stand keine negativen Veränderungen ergeben haben und weiter uneingeschränkt Haftfähigkeit vorliegt.
79 
Mit der Gesundheitsbeeinträchtigung des Angeklagten P. und der damit verknüpften Frage, ob die gegebene Erkrankung dem Vollzug der Untersuchungshaft entgegensteht, hat sich bereits das Landgericht - 11. Große Wirtschaftsstrafkammer - Stuttgart ausführlich befasst und in dem (Haftbeschwerde-) Beschluss vom 08. November 2012 hierzu Folgendes festgestellt:
80 
„Die Gesundheitsbeeinträchtigung des Beschuldigten steht dem weiteren Vollzug der Untersuchungshaft derzeit nicht entgegen. Gemäß der ärztlichen Stellungnahme des JVKH Hohenasperg vom 06,11.2012 können die von der Verteidigung angeführten Krankheiten derzeit unter Hinzuziehung von externen Fachärzten im JVKH Hohenasperg adäquat behandelt werden. Es liegt somit jedenfalls gegenwärtig - auch unter Berücksichtigung des latenten Risikos eines erneuten Apoplexes mit u.U. tödlichem Ausgang - kein Gesundheitszustand vor, der ernsthaft befürchten ließe, dass der Beschuldigte bei Durchführung der Strafvollstreckung sein Leben einbüßen (…) oder schwerwiegenden Schaden an seiner Gesundheit nehmen könnte (…). Dem Risiko wird durch eine fortlaufende Anpassung der Medikamentengabe und durch Gewichtsreduktion entgegengesteuert. Der Beschuldigte ist nach der ärztlichen Stellungnahme auch nicht todkrank und es bestehen jedenfalls derzeit keine Anhaltspunkte, dass seine Krankheit langfristig erfolgreich nur außerhalb des Strafvollzugs behandelt werden kann. (…)“
81 
Hieran hat sich nichts Wesentliches geändert. Ausweislich der vom Senat angeforderten ärztlichen Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt - Krankenabteilung - Karlsruhe vom 18. Februar 2014 ist der Angeklagte P. „zur Zeit haftfähig und verhandlungsfähig“; weiter wird in dem genannten Schreiben von der verantwortlichen Anstaltsärztin Folgendes ausgeführt:
82 
„(…) Sein Gesundheitszustand hat sich aktuell nicht verschlechtert und sein Blutdruck war in letzter Zeit medikamentös gut eingestellt. Aufgrund seiner Vorgeschichte mit Blutdruckkrisen, Arteriosklerose und zerebralen Durchblutungsstörungen kann sich sein Zustand auch wieder verschlechtern. In Hinsicht auf Transport und Verhandlungsdauer sollte deshalb seine reduzierte gesundheitliche Belastbarkeit berücksichtigt werden.“
83 
Allem nach ist daher die Fortdauer der Untersuchungshaft hinsichtlich beider Angeklagter anzuordnen.

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Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 17. März 2014 - 2 HEs 145/12 + 17/13; 2 HEs 17/13 zitiert 14 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 112 Voraussetzungen der Untersuchungshaft; Haftgründe


(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßr

Strafprozeßordnung - StPO | § 121 Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate


(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden

Strafprozeßordnung - StPO | § 257c Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten


(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä

Strafprozeßordnung - StPO | § 116 Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls


(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werd

Strafprozeßordnung - StPO | § 122 Besondere Haftprüfung durch das Oberlandesgericht


(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es be

Mutterschutzgesetz - MuSchG 2018 | § 3 Schutzfristen vor und nach der Entbindung


(1) Der Arbeitgeber darf eine schwangere Frau in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung nicht beschäftigen (Schutzfrist vor der Entbindung), soweit sie sich nicht zur Arbeitsleistung ausdrücklich bereit erklärt. Sie kann die Erklärung nach Satz

Strafprozeßordnung - StPO | § 229 Höchstdauer einer Unterbrechung


(1) Eine Hauptverhandlung darf bis zu drei Wochen unterbrochen werden. (2) Eine Hauptverhandlung darf auch bis zu einem Monat unterbrochen werden, wenn sie davor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat. (3) Hat eine Hauptverhandlun

Strafprozeßordnung - StPO | § 202a Erörterung des Verfahrensstands mit den Verfahrensbeteiligten


Erwägt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, kann es den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu mache

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1600d Gerichtliche Feststellung der Vaterschaft


(1) Besteht keine Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593, so ist die Vaterschaft gerichtlich festzustellen. (2) Im Verfahren auf gerichtliche Feststellung der Vaterschaft wird als Vater vermutet, wer der Mutter während der Empfängniszeit bei

Strafprozeßordnung - StPO | § 257 Befragung des Angeklagten und Erklärungsrechte nach einer Beweiserhebung


(1) Nach der Vernehmung eines jeden Mitangeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung soll der Angeklagte befragt werden, ob er dazu etwas zu erklären habe. (2) Auf Verlangen ist auch dem Staatsanwalt und dem Verteidiger nach der Vernehmung

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 192


(1) Bei Entscheidungen dürfen Richter nur in der gesetzlich bestimmten Anzahl mitwirken. (2) Bei Verhandlungen von längerer Dauer kann der Vorsitzende die Zuziehung von Ergänzungsrichtern anordnen, die der Verhandlung beizuwohnen und im Falle der

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Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 17. März 2014 - 2 HEs 145/12 + 17/13; 2 HEs 17/13 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

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Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 04. Mai 2011 - 2 BvR 2781/10

bei uns veröffentlicht am 04.05.2011

Tenor Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 16. November 2010 - 3 Ws 884/10 H - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes.

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(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) Eine Hauptverhandlung darf bis zu drei Wochen unterbrochen werden.

(2) Eine Hauptverhandlung darf auch bis zu einem Monat unterbrochen werden, wenn sie davor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat.

(3) Hat eine Hauptverhandlung bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden, so ist der Lauf der in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen gehemmt, solange

1.
ein Angeklagter oder eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen Krankheit oder
2.
eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen gesetzlichen Mutterschutzes oder der Inanspruchnahme von Elternzeit
nicht zu der Hauptverhandlung erscheinen kann, längstens jedoch für zwei Monate. Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen enden frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung. Beginn und Ende der Hemmung stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluß fest.

(4) Wird die Hauptverhandlung nicht spätestens am Tage nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist fortgesetzt, so ist mit ihr von neuem zu beginnen. Ist der Tag nach Ablauf der Frist ein Sonntag, ein allgemeiner Feiertag oder ein Sonnabend, so kann die Hauptverhandlung am nächsten Werktag fortgesetzt werden.

(5) Ist dem Gericht wegen einer vorübergehenden technischen Störung die Fortsetzung der Hauptverhandlung am Tag nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist oder im Fall des Absatzes 4 Satz 2 am nächsten Werktag unmöglich, ist es abweichend von Absatz 4 Satz 1 zulässig, die Hauptverhandlung unverzüglich nach der Beseitigung der technischen Störung, spätestens aber innerhalb von zehn Tagen nach Fristablauf fortzusetzen. Das Vorliegen einer technischen Störung im Sinne des Satzes 1 stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluss fest.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

Erwägt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, kann es den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu machen.

(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich

1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.

(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.

(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.

(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn

1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder
3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

Erwägt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, kann es den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu machen.

(1) Der Arbeitgeber darf eine schwangere Frau in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung nicht beschäftigen (Schutzfrist vor der Entbindung), soweit sie sich nicht zur Arbeitsleistung ausdrücklich bereit erklärt. Sie kann die Erklärung nach Satz 1 jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Für die Berechnung der Schutzfrist vor der Entbindung ist der voraussichtliche Tag der Entbindung maßgeblich, wie er sich aus dem ärztlichen Zeugnis oder dem Zeugnis einer Hebamme oder eines Entbindungspflegers ergibt. Entbindet eine Frau nicht am voraussichtlichen Tag, verkürzt oder verlängert sich die Schutzfrist vor der Entbindung entsprechend.

(2) Der Arbeitgeber darf eine Frau bis zum Ablauf von acht Wochen nach der Entbindung nicht beschäftigen (Schutzfrist nach der Entbindung). Die Schutzfrist nach der Entbindung verlängert sich auf zwölf Wochen

1.
bei Frühgeburten,
2.
bei Mehrlingsgeburten und,
3.
wenn vor Ablauf von acht Wochen nach der Entbindung bei dem Kind eine Behinderung im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ärztlich festgestellt wird.
Bei vorzeitiger Entbindung verlängert sich die Schutzfrist nach der Entbindung nach Satz 1 oder nach Satz 2 um den Zeitraum der Verkürzung der Schutzfrist vor der Entbindung nach Absatz 1 Satz 4. Nach Satz 2 Nummer 3 verlängert sich die Schutzfrist nach der Entbindung nur, wenn die Frau dies beantragt.

(3) Die Ausbildungsstelle darf eine Frau im Sinne von § 1 Absatz 2 Satz 2 Nummer 8 bereits in der Schutzfrist nach der Entbindung im Rahmen der schulischen oder hochschulischen Ausbildung tätig werden lassen, wenn die Frau dies ausdrücklich gegenüber ihrer Ausbildungsstelle verlangt. Die Frau kann ihre Erklärung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen.

(4) Der Arbeitgeber darf eine Frau nach dem Tod ihres Kindes bereits nach Ablauf der ersten zwei Wochen nach der Entbindung beschäftigen, wenn

1.
die Frau dies ausdrücklich verlangt und
2.
nach ärztlichem Zeugnis nichts dagegen spricht.
Sie kann ihre Erklärung nach Satz 1 Nummer 1 jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen.

(1) Besteht keine Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593, so ist die Vaterschaft gerichtlich festzustellen.

(2) Im Verfahren auf gerichtliche Feststellung der Vaterschaft wird als Vater vermutet, wer der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat. Die Vermutung gilt nicht, wenn schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft bestehen.

(3) Als Empfängniszeit gilt die Zeit von dem 300. bis zu dem 181. Tage vor der Geburt des Kindes, mit Einschluss sowohl des 300. als auch des 181. Tages. Steht fest, dass das Kind außerhalb des Zeitraums des Satzes 1 empfangen worden ist, so gilt dieser abweichende Zeitraum als Empfängniszeit.

(4) Ist das Kind durch eine ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung in einer Einrichtung der medizinischen Versorgung im Sinne von § 1a Nummer 9 des Transplantationsgesetzes unter heterologer Verwendung von Samen gezeugt worden, der vom Spender einer Entnahmeeinrichtung im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 des Samenspenderregistergesetzes zur Verfügung gestellt wurde, so kann der Samenspender nicht als Vater dieses Kindes festgestellt werden.

(5) Die Rechtswirkungen der Vaterschaft können, soweit sich nicht aus dem Gesetz anderes ergibt, erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

Erwägt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, kann es den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu machen.

(1) Nach der Vernehmung eines jeden Mitangeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung soll der Angeklagte befragt werden, ob er dazu etwas zu erklären habe.

(2) Auf Verlangen ist auch dem Staatsanwalt und dem Verteidiger nach der Vernehmung des Angeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.

(3) Die Erklärungen dürfen den Schlußvortrag nicht vorwegnehmen.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) Bei Entscheidungen dürfen Richter nur in der gesetzlich bestimmten Anzahl mitwirken.

(2) Bei Verhandlungen von längerer Dauer kann der Vorsitzende die Zuziehung von Ergänzungsrichtern anordnen, die der Verhandlung beizuwohnen und im Falle der Verhinderung eines Richters für ihn einzutreten haben.

(3) Diese Vorschriften sind auch auf Schöffen anzuwenden.

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 16. November 2010 - 3 Ws 884/10 H - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde verworfen.

...

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Fortdauer von Untersuchungshaft.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer befand sich vom 14. Januar 2010 bis 7. Februar 2011 in Untersuchungshaft. Ihm wird zur Last gelegt, gemeinschaftlich handelnd Umsatzsteuer in Höhe von gut einer Million Euro hinterzogen zu haben. Am 28. Juni 2010 erhob die Staatsanwaltschaft deshalb Anklage vor dem Landgericht Augsburg. Die Vorsitzende der zuständigen 10. Strafkammer verfügte am darauffolgenden Tag die Zustellung der Anklageschrift verbunden mit der Aufforderung zur Stellungnahme binnen vier Wochen. Innerhalb dieser Frist wurden weder Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens erhoben noch Beweisanträge gestellt. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ die Kammer am 5. Juli 2010 außerdem einen neuen, an die Anklage angepassten Haftbefehl. Im Rahmen der ersten Haftprüfung nach den §§ 121, 122 StPO ordnete das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 30. Juli 2010 die Fortdauer der Untersuchungshaft an. Dem in Haftsachen zu beachtenden Beschleunigungsgebot sei bislang entsprochen worden. Da die Strafkammer am 5. Juli 2010 einen neuen Haftbefehl erlassen und damit das Bestehen eines dringenden Tatverdachts geprüft habe, sei mit einem weiterhin zügigen Fortgang des Verfahrens und seinem Abschluss innerhalb angemessener Frist zu rechnen.

3

2. Mit Beschluss vom 6. Oktober 2010 legte die Kammer die Akten dem Oberlandesgericht zur zweiten besonderen Haftprüfung erneut vor. Über die Eröffnung des Hauptverfahrens sei noch nicht entschieden, ein Termin zur Hauptverhandlung habe noch nicht bestimmt werden können. Mit Schreiben vom gleichen Tag zeigte die Vorsitzende dem Präsidium des Landgerichts eine Überlastung der Kammer an. Diese sei nur noch mit ihr und einer Beisitzerin besetzt, nachdem die andere Beisitzerin Mitte September 2010 in Mutterschutz gegangen sei. Derzeit würden mehrmals wöchentlich zwei Strafverfahren verhandelt. In einem dieser Verfahren seien bislang 57 Zeugen vernommen worden. Mindestens die gleiche Anzahl sei noch geladen. Diese Verfahren seien derzeit bis zum 26. November 2010 beziehungsweise bis einschließlich 13. Dezember 2010 terminiert. Es sei davon auszugehen, dass weitere Verhandlungstage erforderlich würden. Ab dem 10. November 2010 verhandele die Kammer außerdem ein drittes Verfahren. Da die Verteidiger in allen Verfahren zahlreiche Beweisanträge angekündigt hätten, würden diese mindestens noch bis Ende des Jahres 2010, voraussichtlich bis Anfang des Jahres 2011 andauern. Soweit der Kammer ab dem 1. November 2010 eine weitere Richterin mit der Hälfte ihrer Arbeitskraft zugewiesen sei, sei davon auszugehen, dass diese im Jahr 2010 allenfalls die anhängigen Berufungen verhandeln könne, und dass möglicherweise noch Urteile nach Absprachen gefällt werden könnten. Die Kammer sei nicht in der Lage, vier weitere Strafverfahren, zu denen auch das des Beschwerdeführers zähle, noch im Jahr 2010 oder zu Beginn des Jahres 2011 vorzubereiten, zu terminieren und zu verhandeln. Sie, die Vorsitzende, gehe davon aus, dass Verständnis dafür bestehe, dass die Kapazität mehr als ausgeschöpft sei, wenn drei Wirtschaftsstrafsachen an drei verschiedenen Tagen pro Woche über Monate hinweg verhandelt würden. Im Übrigen seien noch weitere Haftsachen sowie zahlreiche andere Verfahren anhängig, die auch deshalb in der Vergangenheit nicht hätten verhandelt werden können, weil der Kammer ab dem Geschäftsjahr 2009 zusätzlich Verfahren der 8. und der 9. Strafkammer übertragen worden seien. Die außergewöhnliche Belastung in den Jahren 2009 und 2010 und die zahlreichen, zum Teil sehr schwierigen Verfahren hätten dazu geführt, dass sowohl die Beisitzerin als auch sie, die Vorsitzende, noch sehr viele Tage Resturlaub hätten, die nicht hätten eingebracht werden können.

4

Mit Beschluss vom 16. November 2010 ordnete das Oberlandesgericht die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft an. Gegen das Beschleunigungsgebot werde auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weiterhin "nicht so erheblich verstoßen", dass der Haftbefehl aufgehoben werden müsse. Allerdings habe der Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers, der sich seit rund zehn Monaten in Untersuchungshaft befinde, gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung an Gewicht gewonnen. Zwar sei das Verfahren nach Zustellung der Anklageschrift und Ablauf der vierwöchigen Stellungnahmefrist ins Stocken geraten. Insbesondere habe die Strafkammer noch nicht über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden. Trotz der dadurch bedingten Verzögerung sei die Fortdauer der Untersuchungshaft aber noch zu rechtfertigen. Die Vorsitzende habe die hierfür ursächliche Überlastung am 6. Oktober 2010 dem Präsidium angezeigt. Dieses habe mittlerweile Abhilfe durch Bildung einer weiteren Wirtschaftsstrafkammer mit zusätzlichen Kräften in Aussicht gestellt, so dass erwartet werden könne, dass das Verfahren noch innerhalb angemessener Frist erledigt werden könne. Der Senat rechne damit, dass nunmehr alsbald über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden werde, zumal sich die Kammer bereits vor Erlass des an die Anklageschrift angepassten Haftbefehls vom 5. Juli 2010 mit dem äußerst umfangreichen Verfahrensstoff befasst haben müsse. Auch wenn sie aufgrund der derzeitigen Belastungssituation nicht in der Lage sei, das komplexe Verfahren, das sich gegen vier Personen richte, noch im Jahr 2010 oder zu Beginn des Jahres 2011 zu verhandeln, sei jedenfalls davon auszugehen, dass sie sich noch im Jahr 2010 um eine Abstimmung von Hauptverhandlungsterminen mit den Verfahrensbeteiligten bemühen werde. Um den Fortgang des Verfahrens besser überwachen zu können, werde die weitere Haftprüfung dem Landgericht nicht für drei, sondern nur für die Dauer von zwei Monaten übertragen.

II.

5

1. Nach Ergehen der zweiten Haftfortdauerentscheidung des Oberlandesgerichts hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt eine Verletzung des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG folgenden Beschleunigungsgrundsatzes. Die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens sei in sachlich nicht gerechtfertigter Weise verzögert worden. Für die Zeitspanne zwischen Eröffnungsbeschluss und Beginn der Hauptverhandlung sei anerkannt, dass diese grundsätzlich nicht länger als drei Monate betragen dürfe. Dieser Zeitraum sei auch zu beachten, wenn zwar der Eröffnungsbeschluss noch nicht gefasst worden, das Verfahren aber eröffnungsreif sei, denn mit dem Beschleunigungsgebot sei es nicht vereinbar, wenn ein Gericht trotz bestehender Eröffnungsreife den Eröffnungsbeschluss aufschiebe, um einen größeren zeitlichen Spielraum für die nachfolgende Terminierung zu erlangen. Im vorliegenden Fall sei das Verfahren spätestens mit Ablauf der vierwöchigen Stellungnahmefrist am 4. August 2010 eröffnungsreif gewesen, weil Einwendungen nicht erhoben und die Erhebung von Beweisen weder beantragt noch von der Kammer selbst für erforderlich erachtet worden seien. Hinzu komme, dass das Bestehen eines dringenden Tatverdachts im Rahmen des Erlasses des Haftbefehls am 5. Juli 2010 auf der Grundlage der Anklage bereits bejaht worden sei, was die Feststellung einschließe, dass auch ein hinreichender, die Eröffnung rechtfertigender Tatverdacht im Sinne des § 203 StPO vorliege. Dennoch habe die Kammer - auch über vier Monate nach Eintritt der Entscheidungsreife - keinen Eröffnungsbeschluss gefasst. Ihre Überlastung rechtfertige dies nicht. Ebenso wenig könne der darin liegende Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot durch die in Aussicht gestellte Bildung einer neuen Strafkammer geheilt werden.

6

2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Die für die Verzögerung des Verfahrens ursächliche Überlastung sei kurzfristig eingetreten und nicht vermeidbar gewesen. In den letzten Jahren habe es beim Landgericht Augsburg insgesamt zwei Strafkammern gegeben, die insbesondere für sämtliche Wirtschaftsstrafsachen sowie wirtschaftsnahe Strafsachen zuständig gewesen seien, wobei jeweils ein Beisitzer zusätzlich mit einem Arbeitskraftanteil von einem Zehntel Mitglied der Strafvollstreckungskammer gewesen sei. Zu Überlastungsanzeigen sei es dabei nicht gekommen. Wegen eines außerordentlich umfangreichen anderen Verfahrens hätten beide Wirtschaftsstrafkammern im Geschäftsjahr 2009 zusätzliche Zuständigkeiten aus dem Bereich der allgemeinen Strafsachen übernommen. In Bezug auf die Wirtschaftsstrafsachen sei die 10. Strafkammer außerdem gegenüber der 9. Strafkammer mit einem leichten Übergewicht belastet worden, weil diese durch ein anderes Verfahren außerordentlich beansprucht gewesen sei. Zugleich sei aber die mit Strafvollstreckungskammeraufgaben belastete Beisitzerin von diesen entlastet worden. Nach den Erfahrungen der Vorjahre sei davon auszugehen gewesen, dass unter diesen Rahmenbedingungen dem Beschleunigungsgrundsatz habe entsprochen werden können, zumal die 10. Strafkammer nach Beendigung der anderen Verfahren im Laufe des Jahres 2010 von den zusätzlichen Zuständigkeiten wie von Anfang an geplant wieder entlastet worden sei. Ab dem 1. Juni 2010 sei diese damit - wie im Jahr 2008 - für etwa die Hälfte der Wirtschaftsstrafsachen zuständig gewesen, allerdings ohne die ursprüngliche Zuständigkeit für wirtschaftsnahe Strafsachen und ohne die Zusatzbelastung des Einsatzes einer Beisitzerin in der Strafvollstreckungskammer. Die in der Überlastungsanzeige dargelegten Begleitumstände seien daher nicht vorhersehbar gewesen. Ursächlich sei vor allem ein drastisch und unerwartet gestiegener Eingang an Wirtschaftsstrafsachen im Jahr 2010 gewesen. Dieser habe nach dem ersten Halbjahr bei 26 und nach den ersten drei Quartalen bei 49 gelegen, während in den Jahren 2008 und 2009 jeweils nur insgesamt 43 beziehungsweise 40 Wirtschaftsstrafsachen eingegangen seien. Hinzugekommen sei der Ausfall einer der Beisitzerinnen, die der Kammer mit der Hälfte ihrer Arbeitskraft zugewiesen gewesen sei. Diese habe ihre Schwangerschaft am 13. Juli 2010 angezeigt und sei zum 18. September 2010 in Mutterschutz mit anschließender Elternzeit gegangen. Dieser Ausfall habe erst zum 1. November 2010 durch die Rückkehr einer anderen, in Wirtschaftsstrafsachen erfahrenen Richterin aus der Elternzeit kompensiert werden können. Auf die Überlastungsanzeige vom 6. Oktober 2010 habe das Präsidium des Landgerichts umgehend reagiert und zunächst die Übertragung des Verfahrens auf die 9. Strafkammer erwogen, was wegen deren eigener Belastung aber nicht möglich gewesen sei. Am 15. Oktober 2010 sei daraufhin die Bildung einer weiteren Strafkammer zum Jahreswechsel beschlossen worden, nachdem ab diesem Zeitpunkt ein in Wirtschaftsstrafsachen besonders erfahrener Vorsitzender wieder zur Verfügung gestanden habe.

7

3. Ausweislich einer vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegten Stellungnahme des Präsidenten des Landgerichts Augsburg hat die neu eingerichtete Kammer einen Teil des Bestandes der 10. Strafkammer übernommen. Am 21. Dezember 2010 hat diese den Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens gefasst und am 11. Januar 2011 - nach vorheriger Abstimmung mit den Verteidigern - Hauptverhandlungstermine einmal wöchentlich ab dem 2. März 2011 festgesetzt.

8

4. Nach Zustellung der Verfassungsbeschwerde hat das Oberlandesgericht im Rahmen der dritten besonderen Haftprüfung den Haftbefehl des Landgerichts mit Beschluss vom 7. Februar 2011 aufgehoben. Schon die späte Fassung des Eröffnungsbeschlusses am 21. Dezember 2010 erscheine im Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt fast ein Jahr andauernde Untersuchungshaft bedenklich. Zumindest aber sei die nunmehr feststehende Hauptverhandlungsplanung mit dem Beschleunigungsgebot nicht zu vereinbaren. Obwohl die Untersuchungshaft bei Beginn der Hauptverhandlung am 2. März 2011 bereits 14 Monate andauern würde, seien bis Ende April 2011 lediglich sieben Sitzungstage vorgesehen. Mit einem Abschluss des Verfahrens innerhalb angemessener Frist könne daher nicht mehr gerechnet werden.

9

5. Der Beschwerdeführer hält trotz der Aufhebung des Haftbefehls an seiner gegen die zweite Haftfortdauerentscheidung des Oberlandesgerichts und den Haftbefehl des Landgerichts gerichteten Verfassungsbeschwerde fest. Er verweist auf die besondere Bedeutung, insbesondere die Dauer der Freiheitsentziehung und das damit verbundene Gewicht des Grundrechtseingriffs.

B.

10

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des Rechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG) und auch die weiteren Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG vorliegen.

I.

11

Die Verfassungsbeschwerde ist trotz der zwischenzeitlichen Aufhebung des Haftbefehls weiter zulässig, soweit sie sich gegen die zweite Haftfortdauerentscheidung des Oberlandesgerichts richtet. Der Beschwerdeführer ist durch diese Entscheidung zwar nicht mehr gegenwärtig beschwert. Im Hinblick auf das mit einer Freiheitsentziehung verbundene Rehabilitierungsinteresse besteht aber zumindest unter den hier gegebenen Umständen ein Rechtsschutzbedürfnis für die - auch nachträgliche - Feststellung der Verfassungswidrigkeit fort (vgl. für die verfassungsrechtliche Gebotenheit eines nachträglichen fachgerichtlichen Rechtsschutzes BVerfGE 104, 220 <234 ff.>; BVerfGK 6, 303 <309>; für das verfassungsgerichtliche Verfahren BVerfGE 10, 302 <308>; 32, 87 <92>; 53, 152 <157 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Februar 2000 - 2 BvR 453/99 -, NJW 2000, S. 1401 <1401>). Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Haftbefehl des Landgerichts richtet, ist sie dagegen nach dessen Aufhebung durch das Oberlandesgericht mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

II.

12

Die zweite Haftfortdauerentscheidung des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.

13

1. Der im Recht auf Freiheit der Person verankerte Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen, denn zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und Sicherstellung der Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft dann nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare Verzögerungen verursacht ist. Von dem Beschuldigten nicht zu vertretende, sachlich nicht gerechtfertigte und vermeidbare Verfahrensverzögerungen stehen daher regelmäßig einer weiteren Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entgegen. Im Rahmen der Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Betroffenen und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit kommt es in erster Linie auf die durch objektive Kriterien bestimmte Angemessenheit der Verfahrensdauer an, die etwa von der Komplexität der Rechtssache, der Vielzahl der beteiligten Personen oder dem Verhalten der Verteidigung abhängig sein kann. Dies macht eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs erforderlich. An dessen zügigen Fortgang sind dabei umso strengere Anforderungen zu stellen, je länger die Untersuchungshaft schon andauert. Dieser Gedanke liegt auch der Regelung des § 121 StPO zugrunde, der bestimmt, dass der Vollzug der Untersuchungshaft vor Ergehen eines Urteils wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden darf, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zugelassen haben und die Fortdauer der Haft rechtfertigen. Wie sich aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte ergibt, handelt es sich dabei um eng begrenzte Ausnahmetatbestände (vgl. BVerfGE 20, 45 <49 f.>; 20, 144 <148 f.>; 36, 264 <270 ff.>; 53, 152 <158 ff.>; BVerfGK 7, 421 <427 f.>; 9, 339 <347 f.>; 10, 294 <301 ff.>; zuletzt BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 24. August 2010 - 2 BvR 1113/10 -, EuGRZ 2010, S. 674 <676>).

14

2. Damit steht die zweite Haftfortdauerentscheidung des Oberlandesgerichts nicht in Einklang, denn obwohl die Sache bereits seit geraumer Zeit entscheidungsreif war, hat die Strafkammer die Eröffnung des Hauptverfahrens erst am 20. Dezember 2010 beschlossen und Termin zur Hauptverhandlung nicht vor dem 2. März 2011 anberaumt. Darin liegt eine vom Beschwerdeführer nicht zu vertretende Verfahrensverzögerung, die der Fortdauer der Untersuchungshaft unter Berücksichtigung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG schon zum Zeitpunkt der zweiten Haftfortdauerentscheidung entgegenstand.

15

a) Der Beschleunigungsgrundsatz beansprucht auch für das Zwischenverfahren nach den §§ 199 ff. StPO Geltung. Auch in diesem Stadium muss das Verfahren mit der gebotenen Zügigkeit gefördert werden, um eine Entscheidung über die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung herbeizuführen. Dass das Verfahren im vorliegenden Fall in Anbetracht der Komplexität der im Raum stehenden wirtschaftlichen Vorgänge eine erhebliche Schwierigkeit aufweist, rechtfertigte das Zuwarten nicht. Die Kammer hat sich hierauf in ihren Vorlagebeschlüssen an das Oberlandesgericht im Rahmen der Haftprüfung auch nicht berufen. Nachdem innerhalb der Stellungnahmefrist Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens nicht erhoben und die Erhebung von Beweisen weder beantragt noch von der Strafkammer für erforderlich erachtet worden waren, stellte sich die Prozesslage gegenüber dem Zeitpunkt der Anklageerhebung am 28. Juni 2010 unverändert dar. Auf dieser Grundlage hatte sie bereits mehrfach, zunächst bei Erlass des Haftbefehls am 5. Juli 2010, zuletzt gelegentlich der Fassung des zweiten Vorlagebeschlusses am 6. Oktober 2010, das Bestehen eines dringenden Tatverdachts bejaht. Es ist kein tragfähiger Grund dafür erkennbar, warum sie gleichwohl von einer Eröffnung des Hauptverfahrens abgesehen hat. Die Feststellung eines dringenden Tatverdachts schließt bei dieser Verfahrenslage nach der gebotenen objektivierten Betrachtung notwendig das Bestehen des für die Eröffnung nach § 203 StPO vorausgesetzten hinreichenden Tatverdachts ein, weil diese Begriffe hinsichtlich des Verdachtsgrades in einem Stufenverhältnis stehen. Ein Unterschied besteht nur insofern, als die Feststellung eines dringenden Tatverdachts auf den gegenwärtigen Stand der Ermittlungen bezogen ist, der sich ändern kann, während die Prüfung des hinreichenden Tatverdachts auf der Grundlage des Ergebnisses abgeschlossener Ermittlungen erfolgt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. 2010, § 112 Rn. 6). Dieser Unterschied wirkt sich jedoch nicht aus, wenn - wie im vorliegenden Fall - nicht ersichtlich ist, dass noch weitere Ermittlungen, insbesondere die Erhebung weiterer Beweise nach § 202 StPO, erforderlich waren. Mit der Bejahung des dringenden Tatverdachts war daher hier zugleich Entscheidungsreife hinsichtlich der Eröffnung des Hauptverfahrens eingetreten. Dann gebietet der Beschleunigungsgrundsatz im Regelfall auch die Fassung des Eröffnungsbeschlusses (vgl. auch OLG Nürnberg, Beschluss vom 11. Februar 2009 - 1 Ws 28/09 H u.a. -, StV 2009, S. 367 f.; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 30. November 2001 - 1 HPL 77/01 -, StV 2002, S. 152). Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erhebung der Anklage schon fast ein halbes Jahr in Untersuchungshaft war, so dass an den zügigen Fortgang des Verfahrens erhöhte Anforderungen zu stellen waren.

16

b) Die (zwischenzeitliche) Überlastung der Kammer war kein zureichender Grund für die Fortdauer der Untersuchungshaft.

17

aa) Grundsätzlich ist durch geeignete Maßnahmen der Gerichtsorganisation Sorge dafür zu tragen, dass den Erfordernissen des Beschleunigungsgebots entsprochen werden kann. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ist daher verletzt, wenn sich das Verfahren infolge vermeidbarer gerichtsorganisatorischer Fehler oder Versäumnisse erheblich verzögert (vgl. BVerfGE 36, 264 <273>; BVerfGK 9, 306 <311 f.>). Eine nicht nur kurzfristige Überlastung rechtfertigt die Fortdauer von Untersuchungshaft aber selbst dann nicht, wenn sie auf einem Geschäftsanfall beruht, der sich trotz Ausschöpfung aller gerichtsorganisatorischen Mittel und Möglichkeiten nicht mehr innerhalb angemessener Fristen bewältigen lässt. Der Beschuldigte hat es nicht zu vertreten, wenn seine Haftsache nicht binnen angemessener Zeit zur Verhandlung gelangt, weil dem Gericht die personellen oder sächlichen Mittel fehlen, die zur ordnungsgemäßen Bewältigung des Geschäftsanfalls erforderlich wären (vgl. BVerfGE 36, 264 <273 ff.>; BVerfGK 6, 384 <392>).

18

bb) Davon ausgehend kann dahinstehen, ob die gerichtsorganisatorischen Möglichkeiten - wie der Präsident des Landgerichts im Einzelnen darlegt - im Hinblick auf die Erfordernisse des Beschleunigungsgrundsatzes optimal ausgeschöpft wurden. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob und wieweit kurzfristige Engpässe eine Haftfortdauer rechtfertigen können, wenn sie nicht oder kaum vorhersehbar und vermeidbar waren (dafür Hilger, in: Löwe/Rosenberg, StPO, Bd. 4, 26. Aufl. 2007, § 121 Rn. 42). Ausweislich der Überlastungsanzeige war die 10. Strafkammer insbesondere aufgrund der zwischenzeitlichen Übernahme zusätzlicher Zuständigkeiten ab dem Geschäftsjahr 2009 bereits seit längerem außergewöhnlich belastet und ihre Kapazität "mehr als ausgeschöpft", was Ausdruck auch darin gefunden hat, dass sowohl die Vorsitzende als auch die Beisitzerin "sehr viele Tage Resturlaub" nicht haben einbringen können. Die Überlastungssituation bestand daher offenbar schon länger, auch wenn sie sich erst aufgrund eines deutlich erhöhten Eingangs an Wirtschaftsstrafsachen im Jahr 2010 so zugespitzt haben mag, dass eine verzögerte Behandlung endgültig unvermeidlich wurde. Jedenfalls auf dieser Grundlage ist unter Berücksichtigung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts auf Freiheit der Person für die Annahme eines kurzfristigen, weder vorhersehbaren noch vermeidbaren Engpasses, dessen Folgen der Beschwerdeführer hätte hinnehmen müssen, kein Raum.

19

c) Die zum Zeitpunkt der zweiten Haftfortdauerentscheidung bereits eingetretene Verzögerung hat ihr Gewicht auch nicht nachträglich dadurch verloren, dass zum 1. Januar 2011 eine weitere Strafkammer gebildet wurde, die die 10. Strafkammer durch die Übernahme von Altverfahren entlastet hat, so dass zwischenzeitlich über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden und Hauptverhandlungstermine festgesetzt werden konnten. Da eine besonders intensive Form der Bearbeitung in jeder Lage des Verfahrens geboten ist, ist schon grundsätzlich zweifelhaft, ob die zeitweilige Verzögerung eines Verfahrens dadurch ausgeglichen werden kann (vgl. BVerfGK 7, 21 <41>). Jedenfalls durch die bisherige Hauptverhandlungsplanung mit nur einem Termin pro Woche ab dem 2. März 2011 konnten die bereits eingetretenen Verzögerungen nicht kompensiert werden.

20

d) Auf das Gewicht der im Raum stehenden Straftaten - Hinterziehung von Umsatzsteuer in Höhe von gut einer Million Euro - kam es nicht an, denn die Anforderungen des Beschleunigungsgebots werden nicht grundsätzlich dadurch geringer, dass die der Strafverfolgung unterliegenden Taten von hohem Gewicht sind und eine hohe Gesamtstrafenerwartung im Raum steht. Allein die Schwere der Tat und die sich daraus ergebende Straferwartung können daher jedenfalls bei erheblichen vermeidbaren und dem Staat zuzurechnenden Verfahrensverzögerungen nicht zur weiteren Rechtfertigung einer ohnehin schon lang andauernden Untersuchungshaft herangezogen werden (vgl. BVerfGK 7, 421 <428>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 24. August 2010 - 2 BvR 1113/10 -, EuGRZ 2010, S. 674 <677>).

III.

21

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und Abs. 3 BVerfGG.

(1) Nach der Vernehmung eines jeden Mitangeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung soll der Angeklagte befragt werden, ob er dazu etwas zu erklären habe.

(2) Auf Verlangen ist auch dem Staatsanwalt und dem Verteidiger nach der Vernehmung des Angeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.

(3) Die Erklärungen dürfen den Schlußvortrag nicht vorwegnehmen.