Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 25. Jan. 2010 - 17 UF 15/10

bei uns veröffentlicht am25.01.2010

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Esslingen vom 4. Dezember 2009 (2 F 964/09) wird

z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner. Die Kosten des ersten Rechtszugs (betreffend das Verfahren der einstweiligen Anordnung) tragen beide Elternteile je zur Hälfte.

Gegenstandswert des ersten Rechtszug und Beschwerdewert: je 1.500 EUR

Gründe

 
I.
Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die elterliche Sorge für die Kinder A., B. und C. im Wege der einstweiligen Anordnung auf die Antragstellerin (Kindesmutter) übertragen. Der Antragsgegner wendet sich gegen diese Entscheidung mit der Beschwerde. Er trägt vor, es gehe der Antragstellerin nur um ihre Macht, die Erniedrigung des Antragsgegners und darum, diesem die Kinder zu entziehen, die sie zu diesem Zwecke instrumentalisiere. Der Antragsgegner nehme dagegen auch seine Vaterpflichten ernst, sorge für eine ordnungsgemäße Hausaufgabenerledigung und gesundheitliche Betreuung sowie für die kulturelle Entwicklung der Kinder. Seine Vorstellungen zum Umgang wären realisierbar gewesen und hätten keine umfangreiche Änderung des bisherigen Umgangsrechts erfordert.
II.
Die Beschwerde ist zulässig nach § 57 Satz 2 Nr. 1 FamFG und fristgerecht eingelegt, § 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Sie ist aber nicht begründet. Das Amtsgericht hat zu Recht die elterliche Sorge für die drei ehelichen Söhne A., B. und C. vorläufig auf die Mutter übertragen.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 49 FamFG erfordert ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden. Das ist dann gegeben, wenn ein Zuwarten bis zur Endentscheidung das Kindeswohl nachhaltig beeinträchtigen würde. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
1.
Ein gemeinsames Sorgerecht erfordert eine tragfähige soziale Beziehung und ein Mindestmaß an Übereinstimmung der Eltern (BVerfG, FamRZ 2004, 354). Das ist derzeit zwischen den Eltern nicht gegeben. Das zeigen schon die Vielzahl und die Vehemenz der gegenseitigen Vorwürfe der Eltern. Es scheint kein Thema zwischen den Eltern zu geben, über das sie nicht streiten oder jedenfalls den anderen als grenzüberschreitend oder unfähig darstellen - sei es die Zahnpflege, die Gitarrenstunden und deren Bezahlung, die Vereinbarung und Wahrnehmung von Arztterminen, die anschließende Information darüber, die Anzahl der angemessenen Telefonate zwischen Kindern und Vater in den Ferien, sogar die Bezahlung der Verköstigung während des Schulfests(!). Exemplarisch für den Zustand der Elternbeziehung ist auch der Umstand, dass die Antragstellerin sich veranlasst sieht, dem Antragsgegner mitzuteilen, dass der Aufenthalt der Kinder in den Ferien bei ihr keinen Besuch darstelle, weil jene nach der am 07.07.2009 geschlossenen Vereinbarung ihren Lebensmittelpunkt sowieso bei ihr haben. Die Meinungsverschiedenheiten betreffen auch grundlegende Fragen der schulischen Entwicklung der Kinder, insbesondere von B. hinsichtlich des Besuchs des Französischzweigs seiner Schule, und der medizinischen Versorgung, insbesondere von C..
2.
Die Meinungsverschiedenheiten sind so intensiv, dass das Kindeswohl dadurch gefährdet wird. Die Kinder erleben die Auseinandersetzungen, jedenfalls aber die Spannungen zwischen den Eltern zwangsläufig mit. Das kam in der richterlichen Anhörung der Kinder hinreichend zum Ausdruck. Dabei kann vorläufig dahingestellt bleiben, welcher Elternteil in welchem Streitpunkt Recht hat. Nicht ganz verständlich erscheint dem Senat allerdings der Versuch des Antragsgegners, den gerade mühsam erarbeiteten umfangreichen Umgang nach kurzer Zeit schon wieder abzuändern, unabhängig davon, ob dafür umfangreiche Änderungen notwendig gewesen wären.
3.
Mit dem Amtsgericht ist der Senat der Auffassung, dass deshalb vorläufig die Kindesmutter das Sorgerecht allein auszuüben hat. Die Kinder haben schon ihren Lebensmittelpunkt bei ihr. Es ist nicht bekannt, dass sie sich dort nicht wohl fühlen oder dass tatsächlich Defizite in der Betreuung und Versorgung bestehen. Es besteht kein Anlass, an dieser Situation jetzt etwas zu ändern, mag auch der Kindesvater ebenso zur Betreuung und Erziehung der Kinder geeignet sein, zumal diese Entscheidung nur vorläufig ergeht und das Amtsgericht eine endgültige Bewertung nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens wird vornehmen können.
III.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das Verfahren an einem Verfahrensmangel leidet. Das zunächst selbstständig geführte Verfahren wegen einstweiliger Anordnung (2 F 1109/09) wurde mit Beschluss vom 17.11.2009 zu dem Hauptsacheverfahren wegen Regelung der elterlichen Sorge (2 F 964/09) verbunden. Das war verfahrensrechtlich nicht zulässig. Einstweilige Anordnungen, die nach dem am 01.09.2009 in Kraft getretenen Verfahrensrecht (FamFG) behandelt werden müssen, sind als selbstständige Verfahren zu führen (§ 51 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Die in einem solchen Verfahren getroffene Entscheidung ist eine Endentscheidung. Das statthafte Rechtsmittel ist die Beschwerde nach § 57 FamFG, worauf in der Rechtsmittelbelehrung hinzuweisen wäre.
IV.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 81, 84 FamFG; §§ 41, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.

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Referenzen - Gesetze

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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 81 Grundsatz der Kostenpflicht


(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 84 Rechtsmittelkosten


Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 63 Beschwerdefrist


(1) Die Beschwerde ist, soweit gesetzlich keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Frist von einem Monat einzulegen. (2) Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen, wenn sie sich gegen folgende Entscheidungen richtet: 1

Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen - FamGKG | § 45 Bestimmte Kindschaftssachen


(1) In einer Kindschaftssache, die 1. die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge,2. das Umgangsrecht einschließlich der Umgangspflegschaft,3. das Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 57 Rechtsmittel


Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen sind nicht anfechtbar. Dies gilt nicht in Verfahren nach § 151 Nummer 6 und 7 und auch nicht, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs auf Grund mündlicher Erörterung 1. über die

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 51 Verfahren


(1) Die einstweilige Anordnung wird nur auf Antrag erlassen, wenn ein entsprechendes Hauptsacheverfahren nur auf Antrag eingeleitet werden kann. Der Antragsteller hat den Antrag zu begründen und die Voraussetzungen für die Anordnung glaubhaft zu mach

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 49 Einstweilige Anordnung


(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Maßnahme treffen, soweit dies nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. (2)

Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen - FamGKG | § 41 Einstweilige Anordnung


Im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist der Wert in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen. Dabei ist von der Hälfte des für die Hauptsache bestimmten Werts auszugehen.

Referenzen

Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen sind nicht anfechtbar. Dies gilt nicht in Verfahren nach § 151 Nummer 6 und 7 und auch nicht, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs auf Grund mündlicher Erörterung

1.
über die elterliche Sorge für ein Kind,
2.
über die Herausgabe des Kindes an den anderen Elternteil,
3.
über einen Antrag auf Verbleiben eines Kindes bei einer Pflege- oder Bezugsperson,
4.
über einen Antrag nach den §§ 1 und 2 des Gewaltschutzgesetzes oder
5.
in einer Ehewohnungssache über einen Antrag auf Zuweisung der Wohnung
entschieden hat.

(1) Die Beschwerde ist, soweit gesetzlich keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Frist von einem Monat einzulegen.

(2) Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen, wenn sie sich gegen folgende Entscheidungen richtet:

1.
Endentscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung oder
2.
Entscheidungen über Anträge auf Genehmigung eines Rechtsgeschäfts.

(3) Die Frist beginnt jeweils mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten. Kann die schriftliche Bekanntgabe an einen Beteiligten nicht bewirkt werden, beginnt die Frist spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Maßnahme treffen, soweit dies nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht.

(2) Die Maßnahme kann einen bestehenden Zustand sichern oder vorläufig regeln. Einem Beteiligten kann eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Verfügung über einen Gegenstand untersagt werden. Das Gericht kann mit der einstweiligen Anordnung auch die zu ihrer Durchführung erforderlichen Anordnungen treffen.

(1) Die einstweilige Anordnung wird nur auf Antrag erlassen, wenn ein entsprechendes Hauptsacheverfahren nur auf Antrag eingeleitet werden kann. Der Antragsteller hat den Antrag zu begründen und die Voraussetzungen für die Anordnung glaubhaft zu machen.

(2) Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften, die für eine entsprechende Hauptsache gelten, soweit sich nicht aus den Besonderheiten des einstweiligen Rechtsschutzes etwas anderes ergibt. Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Eine Versäumnisentscheidung ist ausgeschlossen.

(3) Das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist ein selbständiges Verfahren, auch wenn eine Hauptsache anhängig ist. Das Gericht kann von einzelnen Verfahrenshandlungen im Hauptsacheverfahren absehen, wenn diese bereits im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Für die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung gelten die allgemeinen Vorschriften.

Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen sind nicht anfechtbar. Dies gilt nicht in Verfahren nach § 151 Nummer 6 und 7 und auch nicht, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs auf Grund mündlicher Erörterung

1.
über die elterliche Sorge für ein Kind,
2.
über die Herausgabe des Kindes an den anderen Elternteil,
3.
über einen Antrag auf Verbleiben eines Kindes bei einer Pflege- oder Bezugsperson,
4.
über einen Antrag nach den §§ 1 und 2 des Gewaltschutzgesetzes oder
5.
in einer Ehewohnungssache über einen Antrag auf Zuweisung der Wohnung
entschieden hat.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

Im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist der Wert in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen. Dabei ist von der Hälfte des für die Hauptsache bestimmten Werts auszugehen.

(1) In einer Kindschaftssache, die

1.
die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge,
2.
das Umgangsrecht einschließlich der Umgangspflegschaft,
3.
das Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes,
4.
die Kindesherausgabe oder
5.
die Genehmigung einer Einwilligung in einen operativen Eingriff bei einem Kind mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung (§ 1631e Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
betrifft, beträgt der Verfahrenswert 4 000 Euro.

(2) Eine Kindschaftssache nach Absatz 1 ist auch dann als ein Gegenstand zu bewerten, wenn sie mehrere Kinder betrifft.

(3) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.