Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss, 10. Dez. 2013 - 15 WF 401/13

ECLI:ECLI:DE:OLGSH:2013:1210.15WF401.13.0A
bei uns veröffentlicht am10.12.2013

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 20. November 2013 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - E. vom 04. November 2013 - 8 F 302/13 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Amtsgericht - Familiengericht - E. zurückverwiesen.

Gründe

1

Die nach § 87 Abs. 4 FamFG in Verbindung mit §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung.

1.

2

Der angefochtene Beschluss kann keinen Bestand haben, denn er verletzt den Antragsgegner in seinem grundrechtlich verbrieften Anspruch auf rechtliches Gehör.

3

Artikel 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfG, FamRZ 1992, 782). Dieses grundrechtsgleiche Recht ist verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht zur Kenntnisnahme und Erwägung von Beteiligtenvorbringen nicht nachgekommen ist (vgl. OLG Saarbrücken, FamFR 2011, 471 Tz. 3). Diese Grundsätze gelten auch im Abhilfeverfahren (§ 572 ZPO), in dem das Gericht darüber zu entscheiden hat, ob es die Beschwerde für begründet hält und ihr abhilft oder sie dem Beschwerdegericht vorlegt; denn es besteht die Amtspflicht, den Inhalt der Beschwerdeschrift daraufhin zu überprüfen, ob die angefochtene Entscheidung ohne Vorlage an das Beschwerdegericht zu ändern ist (vgl. OLG Schleswig, FamRZ 2011, 1971 Tz. 31; OLG Saarbrücken, a.a.O.). Hilft das erstinstanzliche Gericht der Beschwerde nicht ab, so ist diese Entscheidung grundsätzlich zu begründen. Das Gericht hat die Beschwerdebegründung im Einzelnen zu prüfen und darzulegen, dass und aus welchen Gründen das Beschwerdevorbringen eine Abänderung der angegriffenen Entscheidung nicht rechtfertigt (vgl. OLG Schleswig, a.a.O.). Zweck des Abhilfeverfahrens ist es, Beschwerden auf einem möglichst einfachen Weg zu erledigen (vgl. OLG Jena, FamRZ 2010, 1692 f.). Diesem Zweck wird nicht genügt, wenn ohne oder nur mit formelhafter Begründung ein Beschwerdevorbringen unberücksichtigt bleibt; erst Recht wenn - wie vorliegend - eine Entscheidung über die Nichtabhilfe gänzlich unterbleibt. Dies stellt einen erheblichen Verfahrensmangel dar, der die Aufhebung durch das Beschwerdegericht und die Zurückverweisung an das Gericht des ersten Rechtszugs gebietet (vgl. OLG Schleswig, a.a.O. Tz. 34).

2.

4

Auch in der Sache kann der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben.

5

a.)

Die Antragstellerin hat den vollen Beweis für die behaupteten Verstöße des Antragsgegners gegen die mit Beschluss des Familiengerichts vom 11. Juni 2013 ausgesprochenen Gewaltschutzanordnungen zu führen. Nach ganz herrschender Ansicht, die der Senat teilt, genügen im Vollstreckungsverfahren, das sich vorliegend nach § 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG in Verbindung mit §§ 890 f. ZPO richtet, eine Glaubhaftmachung der Zuwiderhandlung gegen eine Unterlassungsverpflichtung auch dann nicht, wenn das Erkenntnisverfahren als einstweiliger Rechtsschutz durchgeführt worden ist (vgl. OLG Hamm FPR 2011, 232; OLG Bremen, FamRZ 2007, 1033; Hammer in: Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl., § 95 FamFG Rn. 15 b; Stöber in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. § 890 ZPO Rn. 13; Breidenstein in: jurisPK-BGB, 6. Aufl. § 1 GewSchG Rn. 63).

6

Soweit das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung trifft, kann Gegenstand der Entscheidung lediglich der Akteninhalt sein. Eines Beweises bedürfen dann offenkundige oder unstreitige Tatsachen nicht. Aus dem angefochtenen Beschluss - auf den Bezug genommen wird - ergibt sich für den Senat nicht mit hinreichender Deutlichkeit, auf welche offenkundigen oder unstreitigen Tatsachen das Familiengericht seine Überzeugung vom Vorliegen der Verstöße gegen die Gewaltschutzanordnung vom 11. Juni 2013 stützt. Eine konkrete Feststellung war auch nicht entbehrlich. Der Antragsgegner hat ein Zusammentreffen mit der Antragstellerin zum Teil bestritten und sich teilweise dahin erklärt, er habe die Anwesenheit der Antragstellerin nicht wahrgenommen. Voraussetzung für die Verhängung eines Ordnungsgeldes im Sinne von § 890 ZPO ist wegen des repressiven Charakters jedoch der Vollbeweis eines schuldhaften Verstoßes gegen die Schutzanordnung (vgl. Breidenstein in: jurisPK-BGB, 6. Aufl. § 1 GewSchG Rn. 63).

7

b.) Ebenso ist für den Senat nicht sicher feststellbar, welche Anzahl von Verstößen durch den Antragsgegner gegen die Gewaltschutzanordnung das Familiengericht überhaupt seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Diese Feststellung ist notwendig zu treffen. Gemäß § 890 Abs. 1 ZPO ist gegen den Schuldner einer Unterlassungsverpflichtung wegen einer jeden Zuwiderhandlung Ordnungsgeld oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festzusetzen. Bei mehreren selbständigen Verstößen kann das Ordnungsgeld mehrfach bis je zum Höchstbetrag von 250.000,00 Euro, die Haft mehrfach in der Dauer von 6 Monaten, allerdings mit einer Höchstdauer von 2 Jahren festgesetzt werden. Zu einer rechtlichen Einheit (einer einheitlichen Tat) können Einzelverstöße als fortgesetzte Handlung nicht deshalb zusammengefasst werden, weil der Schuldner von vornherein mehrfache Verstöße gegen die Unterlassungsverpflichtung beabsichtigt hat (vgl. BGH, NJW 2009, 921, 922; Stöber, a.a.O. Rn. 20). Allerdings können mehrere - auch fahrlässige - Verhaltensweisen zu einer natürlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden, die aufgrund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise als einheitliches zusammengehörendes Tun erscheinen (vgl. BGH, a.a.O.). Dafür ist dann nur eine Sanktion zu verhängen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28. Februar 2013 - 1 WF 47/13, zitiert nach BeckRS 2013, 06006). Soweit das Familiengericht mit seiner Feststellung eines „mehrfachen“ Verstoßes des Antragsgegners gegen den Beschluss vom 11. Juni 2013 sämtliche von der Antragstellerin behaupteten Vorfälle im Zeitraum vom 26. Juni 2013 bis zum 15. August 2013 umfassen wollte, scheidet eine natürliche Handlungseinheit aus. In diesem Fall ist nicht nur eine einheitliche Sanktion zu verhängen.

8

c.) Die Höhe des Ordnungsgeldes hängt von der Schwere der Tat und ihrem Unwertgehalt, dem Grad des Verschuldens beim Täter und seinen wirtschaftlichen Verhältnissen sowie den Folgen für die zu schützende Person ab (vgl. Breidenstein in: jurisPK-BGB, 6. Aufl. § 1 GewSchG Rn. 66). Konkrete Feststellungen insbesondere zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragsgegners und den Folgen der behaupteten Verstöße für die Antragstellerin hat das Familiengericht nicht festgestellt. Auch aus der Verfahrensakte sind dem Senat keine anderweitigen Erkenntnisse zugänglich.

9

Nach alledem ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Familiengericht zurückzuverweisen (§ 572 Abs. 3 ZPO). Eine Sachentscheidung des Senats ist bei den gegebenen Umständen nicht sachdienlich, weil die Sache weiterer Aufklärung und Beweisaufnahme bedarf.


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 890 Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen


(1) Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem

Zivilprozessordnung - ZPO | § 572 Gang des Beschwerdeverfahrens


(1) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. § 318 bleibt unberührt.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 87 Verfahren; Beschwerde


(1) Das Gericht wird in Verfahren, die von Amts wegen eingeleitet werden können, von Amts wegen tätig und bestimmt die im Fall der Zuwiderhandlung vorzunehmenden Vollstreckungsmaßnahmen. Der Berechtigte kann die Vornahme von Vollstreckungshandlungen

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 95 Anwendung der Zivilprozessordnung


(1) Soweit in den vorstehenden Unterabschnitten nichts Abweichendes bestimmt ist, sind auf die Vollstreckung 1. wegen einer Geldforderung,2. zur Herausgabe einer beweglichen oder unbeweglichen Sache,3. zur Vornahme einer vertretbaren oder nicht vertr

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Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 04. Juli 2014 - I-20 W 31/14

bei uns veröffentlicht am 04.07.2014

Tenor Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 23.12.2013 gegen den Beschluss der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 09.12.2013 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Schuldnerin zu tragen. 1Gr

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(1) Das Gericht wird in Verfahren, die von Amts wegen eingeleitet werden können, von Amts wegen tätig und bestimmt die im Fall der Zuwiderhandlung vorzunehmenden Vollstreckungsmaßnahmen. Der Berechtigte kann die Vornahme von Vollstreckungshandlungen beantragen; entspricht das Gericht dem Antrag nicht, entscheidet es durch Beschluss.

(2) Die Vollstreckung darf nur beginnen, wenn der Beschluss bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird.

(3) Der Gerichtsvollzieher ist befugt, ein Auskunfts- und Unterstützungsersuchen nach § 757a der Zivilprozessordnung zu stellen. § 758 Abs. 1 und 2 sowie die §§ 759 bis 763 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Ein Beschluss, der im Vollstreckungsverfahren ergeht, ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 der Zivilprozessordnung anfechtbar.

(5) Für die Kostenentscheidung gelten die §§ 80 bis 82 und 84 entsprechend.

(1) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. § 318 bleibt unberührt.

(2) Das Beschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Erachtet das Beschwerdegericht die Beschwerde für begründet, so kann es dem Gericht oder Vorsitzenden, von dem die beschwerende Entscheidung erlassen war, die erforderliche Anordnung übertragen.

(4) Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht durch Beschluss.

(1) Soweit in den vorstehenden Unterabschnitten nichts Abweichendes bestimmt ist, sind auf die Vollstreckung

1.
wegen einer Geldforderung,
2.
zur Herausgabe einer beweglichen oder unbeweglichen Sache,
3.
zur Vornahme einer vertretbaren oder nicht vertretbaren Handlung,
4.
zur Erzwingung von Duldungen und Unterlassungen oder
5.
zur Abgabe einer Willenserklärung
die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Zwangsvollstreckung entsprechend anzuwenden.

(2) An die Stelle des Urteils tritt der Beschluss nach den Vorschriften dieses Gesetzes.

(3) Macht der aus einem Titel wegen einer Geldforderung Verpflichtete glaubhaft, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, hat das Gericht auf seinen Antrag die Vollstreckung vor Eintritt der Rechtskraft in der Entscheidung auszuschließen. In den Fällen des § 707 Abs. 1 und des § 719 Abs. 1 der Zivilprozessordnung kann die Vollstreckung nur unter derselben Voraussetzung eingestellt werden.

(4) Ist die Verpflichtung zur Herausgabe oder Vorlage einer Sache oder zur Vornahme einer vertretbaren Handlung zu vollstrecken, so kann das Gericht durch Beschluss neben oder anstelle einer Maßnahme nach den §§ 883, 885 bis 887 der Zivilprozessordnung die in § 888 der Zivilprozessordnung vorgesehenen Maßnahmen anordnen, soweit ein Gesetz nicht etwas anderes bestimmt.

(1) Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 250.000 Euro, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen.

(2) Der Verurteilung muss eine entsprechende Androhung vorausgehen, die, wenn sie in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil nicht enthalten ist, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges erlassen wird.

(3) Auch kann der Schuldner auf Antrag des Gläubigers zur Bestellung einer Sicherheit für den durch fernere Zuwiderhandlungen entstehenden Schaden auf bestimmte Zeit verurteilt werden.

(1) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. § 318 bleibt unberührt.

(2) Das Beschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Erachtet das Beschwerdegericht die Beschwerde für begründet, so kann es dem Gericht oder Vorsitzenden, von dem die beschwerende Entscheidung erlassen war, die erforderliche Anordnung übertragen.

(4) Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht durch Beschluss.