Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 30. Aug. 2007 - 3 W 107/07

bei uns veröffentlicht am30.08.2007

Tenor

Die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Landgerichts Rostock vom 06.06.2007 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Antrag des Betroffenen, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Betroffene erstrebt die Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Freiheitsentziehung.

2

Am 05.06.2007 um 19.45 Uhr wurde der Betroffene am Flughafen R.-L. in Gewahrsam genommen. Nach dem Aktenvermerk des Polizeibeamten V. über die Angaben der Tatbeobachterin I. C., 1. BPA D., BPZ 142 blockierte der Betroffene mit drei weiteren Personen die Zufahrt zum Kreisverkehr.

3

Bereits am 08.05.2007, beim Treffen der Arbeitsminister der Europäischen Union in D., hatte der Betroffene versucht, nachts die Absperrung des Hotels B. zu überwinden. Er wurde dort durch Kräfte der 1. BPA D., BPZ 142 gestellt. Gegen die damalige Festnahme hatte sich der Betroffene massiv zur Wehr gesetzt. Damals kündigte er weitere Straftaten an. So äußerte er: "In H. werdet ihr brennen!". Nach dem Kurzbericht der Polizei und dem Vorführbericht soll der Betroffene erklärt haben: "In R. werdet ihr brennen!".

4

Um 21.00 Uhr wurde der Betroffene zum Transport übergeben. Nach dem GESA-Ablaufplan traf er um 22.30 Uhr in der GESA ein; ab 22.56 Uhr wurden zunächst seine Daten aufgenommen. Anschließend wurde ihm um 23.20 Uhr eine Zelle und um 23.46 Uhr ein Sachbearbeiter zugewiesen. Zum Zeitpunkt 06.06.2007, 00.07 Uhr ist als sonstiges Ereignis unter Bemerkungen "richterliche Vorführung" eingetragen.

5

Nach dem Vermerk des Amtsrichters wurde der Betroffene um 00.20 Uhr vorgeführt. Sodann wurde ihm ein Rechtsanwaltsgespräch gestattet. Um 00.35 Uhr forderte der Richter den "Bericht V." an, der um 00.40 Uhr vorlag. Um 00.50 Uhr wurde dem Betroffenen ein weiteres Rechtsanwaltsgespräch gewährt. Im Protokoll des Amtsgerichts Rostock über die mündliche Anhörung des Betroffenen am 06.06.2007 ist als Beginn der Anhörung 01.04 Uhr, als ihr Ende 01.18 Uhr vermerkt.

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Vor dem Amtsgericht machte der Betroffene keine Angaben zur Sache. Sein Prozessbevollmächtigter beantragte die sofortige Freilassung, da ein wirksamer Haftantrag nicht vorliege. Es sei keine Haftzeit beantragt worden. Die Angaben der Polizeibeamten zum Ort der Festnahme seien widersprüchlich. Der Betroffene, habe nicht "blockiert", er sei am Straßenrand festgenommen worden. Widersprüchlich sei auch die Wiedergabe seiner angeblichen Äußerung: "In H. werdet ihr brennen! / In R. werdet ihr brennen!". In D. werde gegen ihn nur wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte ermittelt. Das deute darauf hin, dass die Äußerung nicht gefallen sei, da ansonsten auch wegen Bedrohung und Beleidigung ermittelt worden wäre. Mit Beschluss vom selben Tag ordnete das Amtsgericht Rostock die Fortdauer des polizeilichen Gewahrsams bis zum 08.06.2007, 22.00 Uhr, sowie die sofortige Wirksamkeit dieser Entscheidung an. Das Amtsgericht hielt die polizeiliche Ingewahrsamnahme für rechtmäßig, da der Betroffene bereits am 08.05.2007 in D. versucht habe, die dortige Absperrung des Tagungsortes der EU-Arbeitsminister zu überwinden. Er habe Widerstand gegen seine Festnahme geleistet und eine Körperverletzung zum Nachteil eines Polizeibeamten begangen. Insoweit werde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft D. geführt. Der Betroffene habe mit weiteren Personen eine Zufahrt blockiert. Eine Wiederholung des in D. gezeigten Verhaltens sei zu erwarten. Das rechtfertige auch die Fortdauer der Ingewahrsamnahme.

7

Nach der richterlichen Anhörung wurde der Betroffene in der GESA in die Zelle für "JVA B. Langzeitgewahrsam" verlegt und am Morgen des 06.06.2007 in die JVA B. verbracht; der letzte Eintrag des GESA-Ablaufplanes erfolgte um 07.16 Uhr.

8

Gegen den amtsrichterlichen Beschluss hatte der Betroffene sofort mündlich sofortige Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdeeinlegung wurde weder im amtsgerichtlichen Protokoll noch in einem gesonderten Vermerk festgestellt. Auf telefonische Nachfrage des Landgerichts vom 06.06.2007 bestätigte der Amtsrichter die Beschwerdeeinlegung. Die Kammervorsitzende ersuchte daraufhin um Vorführung des Betroffenen für 15.30 Uhr des selben Tages. Um 16.20 Uhr beantragte der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen dessen sofortige Freilassung. Die Polizei habe nur ein einziges Fahrzeug zur Vorführung eingesetzt. Er versichere anwaltlich, dass in der Nacht vom 05.06.2007 auf den 06.06.2007 in der GESA U.straße nur für die Betroffenen Richter und P. die polizeilichen Ingewahrsamnahmen richterlich bestätigt worden seien. Es habe keinen sachlichen Grund für die Verlegung des Betroffenen nach B. gegeben, außer dem Bestreben Vorführungen und damit Freiheitsentziehungen in die Länge zu ziehen.

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Das Landgericht Rostock hörte den Betroffenen noch am 06.06.2007 an; der genaue Zeitpunkt der Anhörung ist im Protokoll nicht vermerkt.

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Mit dem angefochtenen Beschluss vom 06.06.2007, der ausweislich des Zustellungsvermerks dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen noch am 06.06.2007 um 22.55 Uhr ausgehändigt wurde, wies das Landgericht die Beschwerde zurück. Die Kammer ist der Ansicht, die polizeiliche Ingewahrsamnahme des Betroffenen sei gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) u. lit. c) SOG M-V rechtmäßig gewesen. Zur Begründung führt sie aus, der Betroffene habe beim Treffen der Arbeitsminister der Europäischen Union nachts versucht die Absperrung des Hotels zu überwinden. Er sei dort durch Polizeikräfte gestellt worden. Gegen die Festnahme habe er sich massiv zur Wehr gesetzt. Er habe weitere Straftaten angekündigt und geäußert: "In H. werdet ihr brennen!" Dieser Sachverhalt stehe auf Grund der in Form eines Aktenvermerks vorliegenden Aussage der Tatbeobachterin C. fest. Der Betroffene habe sich zu diesem Sachverhalt nicht geäußert. Die Fortdauer der Ingewahrsamnahme sei unerlässlich. Nach dem persönlichen Eindruck des Betroffenen sei zu befürchten, dass er auch weiterhin beabsichtige, in gleicher Weise vorzugehen. Diese Annahme sei insbesondere gerechtfertigt, wenn die Begehung einer Tat angekündigt werde. Ferner bestehe eine Wiederholungsgefahr, da der Betroffene bereits aus einem vergleichbaren Anlass Straftaten, d. h. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, begangen habe. Mildere Mittel kämen nicht in Betracht. Dem Antrag auf sofortige Freilassung sei nicht zu entsprechen gewesen. Der Grund für die Freiheitsentziehung sei nicht weggefallen. Für die Verlegung des Betroffenen in die JVA B. sei ein sachlicher Grund gegeben. Der Langzeitgewahrsam habe lediglich in der JVA B. vollstreckt werden können. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der notwendigen richterlichen Anordnung der Freiheitsentziehung und deren Unmittelbarkeit erstrecke sich primär auf die erstinstanzliche gerichtliche Entscheidung.

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Mit der am 19.06.2007 beim Oberlandesgericht eingereichten sofortigen weiteren Beschwerde beantragt der Betroffene, unter Aufhebung der Beschlüsse des Amts- und Landgerichts festzustellen, dass die Ingewahrsamnahme des Betroffenen von Anfang an rechtswidrig war, hilfsweise das Verfahren zur erneuten Sachentscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Rostock zurückzuverweisen. Ferner beantragt er, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. zu bewilligen.

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Weiter beantragt der Betroffene mit Schreiben vom 05.07.2007 die Akten der Staatsanwaltschaft D. über die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen des Vorfalles vom 08.05.2007 in D. sowie die Akten der Bundespolizei über den Vollzug seiner Ingewahrsamnahme beizuziehen.

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Der Berichterstatter wies den Betroffenen am 10.07.2007 schriftlich darauf hin, dass nicht beabsichtigt sei, die Akten der Staatsanwaltschaft D. und der Bundespolizei beizuziehen. Zudem merkte er an, dass hinsichtlich des Prozesskostenhilfeantrages des Betroffenen noch die Unterlagen über dessen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse fehlten. Mit Schreiben vom 20.07.2007 bat der Betroffene um richterlichen Hinweis, ob die Rechtsauffassung des Berichterstatters auch die des gesamten erkennenden Senats sei. Eine weitere Begründung der sofortigen weiteren Beschwerde erfolgte ebenso wenig wie die Übersendung der PKH-Unterlagen des Betroffenen.

II.

14

Die sofortige weitere Beschwerde ist trotz der Freilassung des Betroffenen nach Ablauf des angeordneten Gewahrsams zulässig. Wird mit einer gerichtlichen Entscheidung tiefgreifend in ein Grundrecht eingegriffen, so gebietet der aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitete effektive Rechtsschutz auch nach Beendigung der freiheitsentziehenden Maßnahme vor Erschöpfung des Rechtsmittelweges, dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, den Grundrechtseingriff auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen (BVerfG NJW 2002, 206).

15

Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

16

1. Das Landgericht hat zu Recht die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen.

17

Zwar hat das Landgericht bei seiner Überprüfung nicht ausdrücklich auf den Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Entscheidung abgestellt. Es hat seiner Entscheidung jedoch den bei der Ingewahrsamnahme und amtsrichterlichen Anhörung festgestellten Sachverhalt zugrundegelegt.

18

Gegen die Begründung des Landgerichts, die die erstinstanzliche Entscheidung stützt, ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Die amtsrichterliche Entscheidung gemäß § 56 Abs. 5 SOG M-V erfasst zum einen die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des vorangegangenen polizeilichen Zugriffs (a.) und hat auch und insbesondere über die Erforderlichkeit der Fortdauer des Gewahrsams zu befinden. Dies erfordert die Prüfung, ob im Zeitpunkt seiner Entscheidung die Fortdauer der Freiheitsentziehung zur Abwehr der fortbestehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung geboten ist (b.).

19

a) Hierbei hat sich der Richter zunächst damit auseinanderzusetzen, ob die Polizeibeamten den Betroffenen zu Recht in Gewahrsam genommen haben. War die Ingewahrsamnahme bereits rechtswidrig, so lässt sich ihre Fortdauer allenfalls dann rechtfertigen, wenn neue Erkenntnisse hinzukommen.

20

Bei der Beurteilung der Rechtmäßig- oder Rechtswidrigkeit der polizeilichen Ingewahrsamnahme ist auf die Situation unmittelbar vor dem Zugriff abzustellen. Für die Annahme einer polizeilichen Gefahr genügt es, dass bei objektiver Sicht zur Zeit des polizeilichen Einschreitens die Tatsachen auf eine drohende Gefahr hindeuten, ohne dass sofort eindeutig Klarheit geschaffen werden kann (BGH, Beschl. vom 27.10.1988 - III ZR 256/87, BGHR Verwaltungsrecht, Allg. Grundsätze, Polizeirecht 1; OLG Hamm, Urt. v. 07.06.1978 - IV A 330/77, NJW 1980, 138). Spätere Erkenntnisse nach eingehender Beweisaufnahme sind nicht zu berücksichtigen, da diese den vollziehenden Polizeibeamten vor Ort nicht zur Verfügung standen.

21

Die auf eine polizeiliche Gefahr deutenden Tatsachen waren vorliegend gegeben. Die Ingewahrsamnahme des Betroffenen war unerlässlich, um die unmittelbar bevorstehende Begehung einer Straftat zu verhindern (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V). Es muss eine akute Bedrohung der öffentlichen Sicherheit vorliegen. Angesichts der Intensität des Eingriffs ist es erforderlich, dass im konkreten Fall nachvollziehbare Tatsachen vorliegen, die zu der Gewissheit führen, dass der Schaden sofort oder in allernächster Zeit eintritt. Der bloße "Eindruck" reicht nicht aus (Rachor in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F, Rn. 570; vgl. auch Marschner/Volckart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl., E, Rn. 50). Der Gefahrenmaßstab der Unmittelbarkeit des § 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V unterscheidet sich nicht von einer gegenwärtigen Gefahr (vgl. Heyen, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, in: Manssen, Staats- und Verwaltungsrecht für Mecklenburg-Vorpommern, S. 255). Die gegenwärtige Gefahr ist in § 3 Abs. 3 Nr. 3 SOG M-V als eine Sachlage, bei der das die öffentliche Sicherheit oder Ordnung schädigende Ereignis bereits eingetreten ist (Störung) oder unmittelbar oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht, legal definiert (vgl. auch BVerfGE 115, 320, 363 zu § 31 PolG NW 1990). Das bedeutet, dass ein Schaden für Rechtsgüter in unmittelbarer Zukunft, in allernächster Zeit zu erwarten ist, wenn nicht in die Entwicklung eingegriffen wird (LVerfG M-V, LKV 2000, 345, 349 "großer Lauschangriff").

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Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob der Betroffene - wie die Polizei und das Amtsgericht, nicht aber die Kammer festgestellt haben - an einer Sitzblockade der Zufahrt zum Kreisverkehr beteiligt gewesen war. Eine solche Aktion erfüllt nämlich nicht ohne weiteres den Straftatbestand einer Nötigung im Sinne von § 240 StGB (vgl. BVerfGE 73, 206; BVerfGE 92,1 aber auch BVerfGE 104, 92 mit abw. Meinung S. 124; Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., J, Rn. 117). Selbst wenn der Betroffene die Zufahrt blockiert haben sollte, ergäbe sich aus der bloßen Sitzblockade allein nicht die Rechtmäßigkeit seiner Ingewahrsamnahme. Denn auch wenn eine solche Blockade der Straße polizeirechtlich eine Störung der öffentlichen Sicherheit wäre, dürfte ein Platzverweis zur Verhinderung hinreichend, eine Ingewahrsamnahme deshalb nicht unerlässlich i.S. von § 55 Abs. 1 SOG M-V sein. Hierfür müssten vielmehr noch weitere Umstände hinzutreten.

23

Die Ingewahrsamnahme des Betroffenen ist jedoch - wie das Landgericht zutreffend ausführt - bereits aus § 55 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) und c) SOG M-V begründet.

24

Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler zunächst das Verhalten des Betroffenen am 08.05.2007 in D. für den Senat bindend festgestellt. Die Kammer hat sich dabei auf den Vermerk des Polizeibeamten V. über die Vernehmung der Tatbeobachterin, der Polizeibeamtin C., gestützt. Dass die Kammer der Einlassung des Betroffenen hierzu, die Äußerung sein nur "angeblich" erfolgt, keinen Glauben geschenkt hat, unterliegt keinen Rechtsfehlern sondern ist die Beweiswürdigung des Tatsachengerichts. Aufgrund des so festgestellten Sachverhalts durfte die Polizei zum Zeitpunkt ihrer Gefahrenabwehrmaßnahme den Betroffenen in Gewahrsam nehmen.

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Aufgrund des festgestellten, aggressiven und strafrechtlich relevanten Vorverhaltens des Betroffenen nur einen Monat vorher in D., bei dem er durch Polizeibeamte derselben D. Einheit gestellt worden war, die ihn auch am 05.06.2007 in Gewahrsam nahm, durften die Beamten ableiten, dass sich der Betroffene auch im Rahmen von Aktionen gegen den G 8-Gipfel nunmehr vor Ort im Großraum H.-R. entsprechend verhalten werde. Diese Gefahr eines strafrechtlichen Verhaltens stand auch unmittelbar bevor, da - wie offenkundig ist - in den Abendstunden des 05.06.2007 auf dem Flughafen R.-L. die Teilnehmer des G 8- Gipfels eintreffen sollten, also gerade solche internationalen Politiker, gegen die der Betroffene auch in D. vorgegangen war. Aufgrund der Intensität seiner damaligen Handlung, nämlich den Versuch die Absperrung zu überwinden, des heftigen Widerstandes bei seiner Festnahme, die als Vortat aus vergleichbarem Anlass das Beweiszeichen des § 55 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) SOG M-V erfüllt, und seiner Erklärung: "In H. werdet ihr brennen!", die eine Ankündigung im Sinne des Beweiszeichens des § 55 Abs. 1 Nr. 2 lit a) SOG M-V darstellt, durften die Polizeibeamten prognostizieren, dass der Betroffene mit allen Mitteln versuchen werde, sein Vorhaben, gegen die eintreffenden Politiker mit Gewalt vorzugehen, umzusetzen.

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Entgegen der Auffassung des Betroffenen ist die unterschiedliche Feststellung des Wortlautes seiner Erklärung in der Akte nicht widersprüchlich. Das Landgericht hat mit seiner Feststellung hierzu zunächst die Beweislage so gewürdigt, dass der Betroffene eine solche Erklärung überhaupt abgegeben hat und es sich nicht nur um eine "angebliche" handelt. Diese Würdigung durch die Kammer ist nicht widersprüchlich, vielmehr hat die Kammer rechtsfehlerfrei sich auf den unmittelbarsten Beweis, den Aktenvermerk des Polizeibeamten V. über die Zeugenvernehmung der tatbeobachtenden Polizeibeamtin, gestützt. Dass die weiter bearbeitenden Polizeibeamten in ihren Berichten diese Erklärung auf "R." bezogen haben, steht dieser Würdigung nicht entgegen. Zudem kommt es auf den genauen Wortlaut der Erklärung für deren Inhalt nicht an. Es ist eindeutig, dass die vom Betroffenen in D. bei seiner gegen die EU-Arbeitsminister gerichteten Tat erklärte Drohung sich gegen die Teilnehmer des G 8-Gipfel richtete, die in H. in der Nähe von R. tagen. Aus der so festgestellten Erklärung des Betroffenen kann nicht geschlossen werden, dass er nur beabsichtigte in H., nicht aber in R., insbesondere am Flughafen R.-L., Straftaten zu verüben. Eine solche Auslegung der auf H. bezogenen Erklärung wäre vor dem Hintergrund des G 8-Gipfels, von dem der Großraum K.-H.-R. insgesamt massiv betroffen war, lebensfremd.

27

Aus dem oben Ausgeführten folgt auch, dass die Ingewahrsamnahme zudem gem. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SOG M-V zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit rechtmäßig war, jedenfalls gem. § 56 Abs. 5 SOG M-V für drei Tage, mithin bis zum 08.06.2007, 19.45 Uhr.

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Aus Rechtsgründen ist auch nicht zu beanstanden, dass die Polizei zum Zeitpunkt der Vornahme der Ingewahrsamnahme aufgrund der oben beschriebenen Gefährlichkeit deren Unerlässlichkeit bejaht hat.

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b) Erfolgte die Ingewahrsamnahme rechtmäßig, hat der Richter weiter festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V weiterhin gegeben sind, d. h. die Fortdauer der Ingewahrsamnahme zur Beseitigung der Störung bzw. Abwehr einer Straftat erforderlich ist. Denn die Rechtmäßigkeit der vorangegangenen Ingewahrsamnahme durch die Polizeibeamten allein indiziert nicht schon die Rechtmäßigkeit der richterlich angeordneten Fortdauer der Ingewahrsamnahme. Vielmehr hat das Amtsgericht zu prüfen, ob im Falle der Freilassung weiterhin die Gefahr besteht, dass der Betroffene seine Straftat fortsetzen bzw. eine weitere Straftat begehen wird. Feststellungen zum Fortbestehen der Störung oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zum Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung sind in dem nach den Umständen des Einzelfalles möglichen Umfang erforderlich. Der Senat verkennt nicht, dass in dem Anhörungstermin der Richter nicht aufwändig Beweis erheben kann. Insbesondere kann er nicht die Polizeibeamten vernehmen, die weiterhin auf der Straße benötigt werden; kann er jedoch auf deren schriftlich niedergelegten Zeugenangaben zurück greifen. Er ist im Weiteren vor allem auf den Akteninhalt und auf seine persönliche Überzeugung angewiesen. Es ist aber unerlässlich, dass der Richter zu der Überzeugung gelangt, dass von dem Betroffenen weiterhin eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Eine solche Prognose ist bei der richterlichen Entscheidungsfindung, namentlich bei freiheitsentziehenden Maßnahmen nicht ungewöhnlich. So hat der Richter bei Anordnung der Untersuchungshaft nach § 112 StPO auszuführen, aus welchen tatsächlichen Anhaltspunkten er Flucht- oder Verdunkelungsgefahr ableitet. Bei Anordnung der Abschiebehaft gem. § 62 AufenthG ist zu begründen, welche tatsächlichen Umstände die Gefahr begründen, dass der Betroffene sich der Abschiebung entziehen wird. Vielfach indizieren bestimmte Verhaltensweisen die die Freiheitsentziehung rechtfertigende Prognose.

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Bei der richterlichen Entscheidung gem. § 56 Abs. 5 SOG M-V über die Erforderlichkeit der Fortdauer des Gewahrsams reicht es grundsätzlich nicht aus, dass einer der Regelfälle des § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz lit. a) - c) SOG M-V erfüllt ist, da diese als Beweiszeichen sich auf die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Ingewahrsamnahme selbst beziehen, also dass der Betroffene eine solche zu verhindernde Straftat begehen wird. Daraus lässt sich nicht ohne weiteres ableiten, dass zu befürchten ist, der Betroffene werde im Falle seiner Freilassung die Straftat nunmehr begehen oder fortsetzen. Vielmehr kann auf diese Regelfälle nur insoweit zurückgegriffen werden, als der Richter im Rahmen seiner Entscheidung über die Erforderlichkeit der Fortdauer darin Anhaltspunkte für die Prognose finden kann. Diese Anhaltspunkte muss er aber mit den besonderen Umständen im konkreten Einzelfall verknüpfen und daraus eine Gefahrenschau entwickeln. Nur ausnahmsweise kann deshalb im Einzelfall schon das bloße Vorliegen des Regelfalls ausreichen, wenn sich bereits daraus die hinreichend sichere Gefahrenprognose ergibt.

31

Liegen die Voraussetzungen des Freiheitsentzugs anfänglich vor, so ist für die Bestimmung der Dauer des Einsperrens vor allem maßgeblich, ob die Tatbereitschaft fortbesteht (vgl. Rachor in: Lisken/Denninger: Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F, Rn. 631). Dies ist zuallererst ein Erkenntnisproblem. Pläne, Absichten, Geistes- oder Seelenzustände sind innere Tatsachen und der Beurteilung durch Dritte im Allgemeinen nur schwer zugänglich. Die Fortdauer ist deshalb nicht am Merkmal der Unerlässlichkeit zu prüfen, die bereits als Tatbestandsmerkmal zur Kennzeichnung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Ingewahrsamnahme vorliegen muss. Vielmehr ist eine Prognose anzustellen, ob zu befürchten ist, dass der Betroffene sich im Falle seiner Freilassung erneut so verhalten wird, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung droht. Auf das Merkmal der Gegenwärtigkeit kann es bei dieser Prognose schon deshalb nicht ankommen, weil die akute Situation, die zur Ingewahrsamnahme des Betroffenen führte, durch die Freiheitsentziehung beendet worden ist. Entscheidend ist, ob der Betroffene sich an entsprechenden zukünftigen - auch zur Zeit noch unbekannten Aktionen - beteiligen würde.

32

Der Amtsrichter hat zu Recht darauf abgestellt, dass der Betroffene bereits einschlägig, nur einen Monat vor der Tat in Erscheinung getreten war und deshalb eine Wiederholung des in Dresden gezeigten Verhaltens zu erwarten sei. Dieser Einschätzung des Erstrichters liegt zugrunde, dass bei dem Betroffenen für den Fall seiner Freilassung weiterhin eine Tatbereitschaft besteht. Sowohl die Art der Tatbegehung in Dresden als auch die Ankündigung und sein Erscheinen in R.-L. zeigen die Entschlossenheit des Betroffenen.

33

2. Zu Recht hat das Landgericht als Tatsacheninstanz festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung des Gewahrsams weiter vorlagen. Soweit die Kammer sich dabei auf den persönlichen Eindruck des Betroffenen in dessen Anhörung stützt und befürchtet, dass er auch weiterhin beabsichtigt in gleicher Weise vorzugehen, ist dagegen nichts einzuwenden. Die Kammer hält die weitere Fortdauer für erforderlich, weil der Betroffene eine Tat angekündigt habe und eine Wiederholungsgefahr bestehe und er bereits aus vergleichbarem Anlass eine Straftat begangen habe. Damit unterlegt sie - wie das Amtsgericht - die Tatbereitschaft des Betroffenen. Diesen persönlichen Eindruck der Kammer vom Betroffenen vermochte dieser in seiner Anhörung offensichtlich nicht auszuräumen.

34

3. Mit seinem Einwand, es liege ein Verstoß gegen das Unverzüglichkeitsgebot des Art. 104 Abs. 2 GG vor, dringt der Betroffene nicht durch. Gemäß § 56 Abs. 5 Satz 1 SOG M-V, der Art. 104 Abs. 2 GG einfachrechtlich umsetzt, ist bei einer polizeilichen Ingewahrsamnahme unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer des Gewahrsams herbeizuführen. Dies geschah im vorliegenden Fall.

35

Grundsätzlich sollte für das Einschalten des Richters tagsüber eine Zeit von 2 - 3 Stunden ausreichend sein (vgl. Jarass/Pieroth, GG a.a.O., Rn. 21; Marschner/Volckart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl. E, Rn. 56). Obwohl hier diese Zeitspanne erheblich überschritten wurde - zwischen der Ingewahrsamnahme um 19.45 Uhr und der (Anforderung zum Transport zur) richterlichen Vorführung um 00.07 Uhr verstrichen über 4 1/4 Stunden - entsprach die Sachbehandlung noch dem Gebot der unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung.

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"Unverzüglich" i. S. v. Art. 104 Abs. 2 S. 2 GG ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, herbeigeführt werden muss (BVerfG a. a. O.; BVerfGE 105, 239, 249). Die Verzögerung muss bei Anlegung eines objektiven Maßstabes sachlich zwingend geboten sein (vgl. Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., Art. 104, Rn. 21). Sachliche Gründe können insoweit etwa sein die Länge des Weges vom Ort der Ingewahrsamnahme bis zur Protokollierungsstelle, das Verhalten der Betroffenen selbst oder aber Verzögerungen, die sich infolge von Massenfestnahmen aus organisatorischen Gründen ergeben (so VG Gera, Beschluss vom 03.07.2004 - 1 K 1071/00).

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Derartige sachliche Gründe liegen vor.

38

Zunächst verzögerte sich der Transport des Betroffenen zur GESA. Dort traf er erst um 22.30 Uhr, also etwa 2 3/4 Stunden nach seiner Ingewahrsamnahme um 19.45 Uhr ein. Eine solche Verzögerung stellt unter alltäglichen Bedingungen ein Verstoß gegen das Unverzüglichkeitsgebot dar. Der Senat hat bereits in anderen anhängigen Beschwerdeverfahren (Senatsbeschlüsse vom 21.08.2007 - 3 W 102/07 - und vom 23.08.2007 - 3 W 109/07 -) festgestellt, dass am 06.06.2007, dem ersten Tag des dreitägigen G 8 Gipfels solche Maßstäbe jedoch ausnahmsweise nicht angelegt werden können und im letztgenannten Verfahren dazu Folgendes ausgeführt:

39

"Dem Senat ist aus anderen anhängigen weiteren Beschwerdeverfahren wegen Ingewahrsamnahmen im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen den G 8-Gipfel gerichtsbekannt (so aus den Verf. 3 W 83/07 u. 3 W 102/07), dass am 06.06.2007 G 8-Gegner eine Vielzahl von spontanen, unangemeldeten Demonstrationen durchgeführt haben, bei denen es u.a. zu Straßenblockaden kam, was die polizeilichen Transporte erschwerte. Letzteres ist auch offenkundig. Der G 8-Gipfel und die dagegen gerichteten Demonstrationen haben in diesem Zeitraum die allgemein zugänglichen Medien beherrscht. Täglich wurde mehrmals über die aktuelle Sachlage berichtet. Darüber hat sich auch der Senat informiert. Bestehen jedoch im Großraum R.-H.-K. Straßensperren und wird durch Demonstrationen und auch durch Straftaten die Befahrbarkeit der Straßen massenhaft eingeschränkt, so muss ein in Gewahrsam Genommener grundsätzlich gewisse Verzögerungen hinnehmen. Das gilt umso mehr, als die Polizei mit Rücksicht auf wichtige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Demonstranten und Polizeibeamten eine offiziell bekanntgegebene Deeskalationsstrategie bei den Demonstrationen verfolgte. Ihr kann deshalb grundsätzlich eine fehlende Unverzüglichkeit der richterlichen Vorführung eines Betroffenen wegen Transportverzögerungen nicht vorgeworfen werden, denn um eine solche zu vermeiden, hätte sie jeweils die sofortige Räumung von Straßensperren bewerkstelligen müssen."

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Für den Abend des Vortages, dem 05.06.2007, gilt nichts anderes. Zu diesem Zeitpunkt trafen die ersten Gipfelteilnehmer auf dem Flughafen R.-L. ein. Gegen diese Ankunft richteten sich viele angemeldete und unangemeldete Demonstrationen wie auch das Verhalten des Betroffenen. Auch das ist offenkundig und gerichtsbekannt. Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (Beschl. v. 04.06.2007 - 3 M 59/07 -) hatte bereits zuvor für den 05.06.2007 und 06.06.2007 angemeldete Demonstrationen am Flughafen R.-L. nur vereinzelt, eingeschränkt und mit Auflagen zugelassen. Das Bundesverfassungsgericht hat die dagegen im Eilverfahren eingelegten Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen (Beschl. v. 05.06.2007 - 1 BvR 1429/07).

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Die weitere Verzögerung von 1 1/2 Stunden während des Aufenthaltes des Betroffenen in der GESA bis zum Beginn des Transportes zur richterlichen Vorführung am 06.06.2007 um 00.07 Uhr ist als Zeit für die Sachbearbeitung durch die Polizei nicht zu beanstanden. Dem Senat ist bekannt, dass Polizei und Justiz im Vorfeld des G 8-Gipfels umfangreiche Vorbereitungen getroffen haben. So wurde bei der Polizeidirektion R., die K., als Sonderabteilung eingerichtet, Polizeikräfte aus anderen Bundesländern angefordert und mehrere Sammelstellen vorbereitet. Seitens der Justiz wurden alle Amtsrichter des Landgerichtsbezirks Rostock im Vorfeld des G 8-Gipfels für den Bereitschaftsdienst in dieser Zeit an das Amtsgericht Rostock abgeordnet und durch Abänderung der gerichtlichen Konzentrationsverordnung die alleinige Zuständigkeit dieses Amtsgericht für den Zeitraum 25.05. - 10.06.2007 im Bezirk des Landgerichts Rostock in erster Instanz für gerichtliche Entscheidungen nach § 55 Abs.1 Nr. 2 bis 5 SOG M-V begründet (Verordnung über die zeitweilige Zuständigkeit für bestimmte Entscheidungen in Straf- und Freiheitsentziehungssachen vom 08. Mai 2007; GVOBl. M-V 2007, 205). Polizeibeamte und Richter waren im Schichtdienst Tag und Nacht im Einsatz. Zusätzlich befanden sich weitere Richter aus anderen Landgerichtsbezirken in Bereitschaft. Wenn es trotz dieses erheblichen organisatorischen Aufwandes zu zeitlichen Verzögerungen kommt, sind solche dann hinzunehmen, wenn festgestellt werden kann, dass entweder mit einem solchen Ausmaß von gleichzeitigen Ingewahrsamnahmen nicht gerechnet werden konnte und brauchte oder bei einem zu erwartenden Ausmaß, die als hinreichend eingeplanten Kräfte tatsächlich dennoch nicht ausreichten, die Ingewahrsamnahmen bei der Polizei und dem Amtsgericht abzuarbeiten.

42

Dem Senat ist zwar nicht im Einzelnen bekannt, wieviele Polizeibeamte in dieser Nacht in der GESA zur Abarbeitung und zum Transport tatsächlich vor Ort waren (vgl. zum Umfang der Aufklärung des konkreten Sachverhalts BVerfG NVwZ 2006, 579, 581 "Castor-Transport"). Es kann jedoch vorliegend dahingestellt bleiben, ob sich die Polizei auf die Bewältigung dieser konkret zu erwartenden Situation personell hinreichend eingestellt hat, weil unter Berücksichtigung aller Umstände insbesondere der Masseningewahrsamnahmen an diesem Tag - die dem Senat aus anderen anhängigen Freiheitsentziehungsverfahren im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen den G 8-Gipfel (z. B. Verf. - 3 W 85/07 - und - 3 W 88/07 -) gerichtsbekannt sind - die Bearbeitungszeit in der GESA von 1 1/2 Stunden noch im verfassungsmäßigen Rahmen hält.

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Die Verzögerung nach dem Eintreffen des Betroffenen beim Richter um 00.20 Uhr bis zum tatsächlichen Beginn der richterlichen Anhörung um 01.04 Uhr ist als richterliche Vorbereitungszeit ebenfalls gerechtfertigt. In der Akte ist vermerkt, dass der Amtsrichter noch den Bericht "V." angefordert hatte, der um 00.40 Uhr eintraf. Zudem hatte der Betroffene Gelegenheit zu einem zweimaligen Gespräch mit seinem Rechtsanwalt.

44

Der Senat verkennt nicht, dass sich im Ergebnis die Verzögerungen aus Transport, polizeilicher Bearbeitung in der GESA und justizieller Tätigkeit beim Amtsgericht aufsummieren. Eine Gesamtbearbeitungszeit bis zum Beginn der richterlichen Anhörung von 3 1/2 Stunden (22.30 Uhr bis 01.04 Uhr) - ohne Transportzeit - ist in der Gesamtsicht auch nicht unverhältnismäßig.

45

Nach der ersten richterlichen Anordnung der Fortdauer der Gewahrsamnahme gilt dieses strikte Unverzüglichkeitsgebot nach Auffassung des Senats nicht für das weitere Verfahren fort (vgl. Senatsbeschl. vom 07.06.2007 - 3 W 83/07 -). Zwar sind Beschwerden gegen Freiheitsentziehungsmaßnahmen im Rahmen des gerichtlichen Geschäftsganges vorrangig und eilig zu behandeln. Dies bedeutet aber nicht, dass eine Entscheidung des Beschwerdegerichtes unverzüglich im Sinne von Art. 104 GG herbeizuführen ist. Vielmehr ist auch hierbei auf den Geschäftsgang des betreffenden Gerichts Rücksicht zu nehmen. Das Landgericht hat den Betroffenen noch am selben Tag angehört und seinem Verfahrensbevollmächtigten um 22.55 Uhr einen mit Gründen versehenden Beschluss ausgehändigt. Eine verzögerliche Behandlung des Verfahrens kann dem Landgericht deshalb nicht vorgeworfen werden.

III.

46

Die Zurückweisung des Antrages des Betroffenen auf sofortige Freilassung durch die Kammer ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Aus der Akte, insbesondere dem Protokoll des Landgerichts, lässt sich der Zeitpunkt der tatsächlichen Anhörung des Betroffenen durch die Kammer zwar nicht entnehmen, offensichtlich ist der Betroffene auch nicht zu dem Zeitpunkt der vom Landgericht angesetzten Anhörung um 15.30 Uhr durch die Polizei vorgeführt worden, wie sich bereits aus dem Antrag auf sofortige Freilassung des Betroffenen um 16.20 Uhr schlussfolgern lässt. In der Akte ist lediglich die Uhrzeit 22.55 Uhr als der Zeitpunkt ausgewiesen, zu dem der Betroffenen den mit Gründen versehenen Beschluss des Landgerichts ausgehändigt erhielt. Auch wenn der tatsächliche Zeitablauf der Vorführung und Anhörung somit im Einzelnen nicht feststeht, ist die Zurückweisung des Antrages nicht rechtsfehlerhaft.

47

Zunächst liegt, wie oben bereits ausgeführt, kein Verstoß gegen das Gebot der Unverzüglichkeit vor. Soweit die Kammer verpflichtet ist, die Sache vordringlich zu bearbeiten, ist dem Genüge getan worden. Das Landgericht hat noch am selben Tag entschieden. Auf eine schnellere Entscheidung hat der Betroffene keinen Anspruch. Es kann deshalb dahin stehen, ob die Polizei für den Transport zwischen R. und B. nur ein Fahrzeug eingesetzt hat, wie der Betroffene behauptet.

48

Weiterhin bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass die Polizei den Betroffenen in die JVA B. verlegt hat. Zwar liegt auf der Hand, dass sich schon auf Grund des Hin- und Rücktransportes die Vorführung vor das Landgericht verzögern würde. Darauf kommt es jedoch nicht an. Die Polizei durfte vielmehr den Betroffenen - nachdem die polizeiliche Ingewahrsamnahme erstinstanzlich richterlich bestätigt worden war - in den Langzeitvollzug verlegen. Für einen solchen Langzeitvollzug ist die GESA als vorläufige Sammelstelle weder geeignet noch bestimmt. Die Polizei ist deshalb schon aufgrund der Gewahrsamsbedingungen gehalten den Betroffenen zu verlegen. Hinzukommt, dass offensichtlich mit dem offiziellen Beginn des G 8-Gipfels am Folgetag, dem 06.06.2007, damit zu rechnen war, dass es erneut zu Masseningewahrsamnahmen kommen würde, für die in der GESA ausreichend Platz benötigt werden würde.

49

Eine solche Verlegung wäre möglicherweise nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Polizei Kenntnis davon gehabt hätte, dass der Betroffene bereits Beschwerde eingelegt hat, zu erwarten war, dass er demnächst beim Landgericht vorgeführt werden soll und weiter sein Aufenthalt in der GESA statt in der JVA auch unter Berücksichtigung dieser Umstände nicht unzumutbar lange andauern würde. Vorliegend hat der Betroffene zwar bereits mündlich im Anschluss an die Beschlussverkündung vor dem Amtsrichter Beschwerde eingelegt. Diese wurde jedoch versehentlich im amtsrichterlichen Protokoll trotz Anwesenheit des Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen nicht dokumentiert. Die Beschwerdeeinlegung ist somit erst am Folgetag aufgefallen, wie aus dem Vermerk über die Auskunft des Amtsrichters zu entnehmen ist. Zu diesem Zeitpunkt war der Betroffene bereits in die JVA B. verlegt worden, wie sich aus der letzten Eintragung im GESA-Ablaufplan (07.16 Uhr) erschließt. Dass die Polizei vor der Verlegung des Betroffenen Kenntnis von der Beschwerde hatte, hat der Betroffene vor dem Landgericht als Tatsacheninstanz nicht vorgetragen.

50

Im Übrigen hätte der Betroffene, selbst bei einer verspäteten und rechtswidrigen Vorführung seine sofortige Freilassung nicht erreichen können, weil die Gründe für die Fortdauer der Gewahrsamnahme auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts noch vorlagen. Der Senat hat zwar Zweifel geäußert, ob eine verspätete Vorführung vor dem Amtsgericht als Verstoß gegen das Unverzüglichkeitsgebot heilbar ist (vgl. Senatsbeschl. vom 21.08.2007 - 3 W 102/07 -). Hinsichtlich der Vorführung vor die Kammer kommt eine solche Wirkung nach der Bestätigung der Ingewahrsamnahme durch den amtsrichterlichen erstinstanzlichen Beschluss schon wegen der fehlenden Geltung des Unverzüglichkeitsgebots in zweiter Instanz nicht in Betracht. In einem solchen Fall stünde dem Betroffenen allenfalls ein Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch zu.

IV.

51

Ebenfalls waren die Anträge des Betroffenen auf Aktenbeiziehung zurückzuweisen. Für die Beiziehung der Akten der Staatsanwaltschaft D. bestand schon deshalb kein Anlass, weil - worauf der Berichterstatter mit Schreiben vom 10.07.2007 bereits hingewiesen hatte - die angegriffene Entscheidung nur auf eine Rechtsverletzung zu überprüfen ist.

52

Auch die Beziehung der Akten der Bundespolizei über den Vollzug der Ingewahrsamnahme war nicht erforderlich. Dem Betroffenen kann zwar zugestanden werden, dass es hinsichtlich der Behandlung im Gewahrsam selbstverständlich nicht auf den Zeitpunkt der polizeilichen Ingewahrsamnahme (vor Beginn des Gewahrsams) ankommen kann sondern auf den der amtsgerichtlichen bzw. landgerichtlichen Entscheidung. Der Senat prüft jedoch auch insoweit nur den Sachverhalt, wie er zum Zeitpunkt dieser Entscheidungen bestanden hat. Hinsichtlich der Behandlung im Gewahrsam hat der Betroffene mit seinem Antrag auf sofortige Freilassung jedoch nur den Transport des Betroffenen in die JVA B. gerügt. In der Tatsacheninstanz vor dem Landgericht hat der Betroffene die Beiziehung dieser Akte nicht beantragt. Insofern steht das Aktenmaterial auch für die rechtliche Überprüfung der Entscheidung des Landgerichts nicht zur Verfügung.

53

Im Übrigen kommt es weder für die Entscheidung über die Fortdauer der Ingewahrsamnahme noch für den Antrag auf sofortige Freilassung auf den Inhalt der beigezogenen Akten an, da die Beschwerde gegen diese Anträge bereits aus den oben ausgeführten Gründen zurückzuweisen war.

V.

54

Der Prozesskostenhilfeantrag des Betroffenen war schon wegen fehlender Aussicht auf Erfolg, wie sich aus den oben ausgeführten Gründen ergibt, zurückzuweisen. Zudem hat der Betroffene trotz des Hinweises des Berichterstatters seine Unterlagen über seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht abgereicht.

VI.

55

Die Kostenentscheidung beruht auf § 14 FEVG.

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(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Betroffene erstrebt die Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Freiheitsentziehung. Am 06.06.2007 gegen 16.02 Uhr befand sich der Betroffene in einer Personengruppe von ca. 50 - 60 Personen auf der Straße "Z. K." im Bereich des Eingangs zum Golfplatz W., der zwischen K. und H. liegt. Die Personen dieser Gruppe waren überwiegend dunkel gekleidet und hatten teilweise Sturmhauben aufgesetzt bzw. trugen dunkle Sonnenbrillen i.V.m. dunklen Tüchern über Mund oder Nase. Als die Gruppe die Polizeibeamten entdeckten, begannen etwa 40 - 50 Personen von ihnen am Straßenrand aufgestapelte Holzpaletten und Steine zu zerschlagen und zu zerbrechen. Teilweise wurden die zerbrochenen Teile aufgenommen und mitgeführt sowie größere Steine als Hindernis auf der Fahrbahn liegengelassen. Beim Eintreffen der Polizei zersplitterte sich die Gruppe in Kleingruppen, die von der Polizei bis zu einem kleinen Hügel verfolgt wurden. Nach Umstellung des Hügels wurden die Personen in Gewahrsam genommen. Zu diesen gehörte auch der Betroffene, der um 16.15 Uhr festgenommen wurde. Auf dem Hügel wurden diverse Vermummungsgegenstände gefunden.

2

Die Übergabe des Betroffenen zum Transport erfolgte nach dem Polizeibericht um 18.10 Uhr ). Um 20.10 Uhr wurde der Betroffene in der polizeilichen Gefangenensammelstelle (GESA) aufgenommen und zwischenzeitlich einem Arzt vorgestellt. Insgesamt wurden bei diesem Ereignis 39 Personen in die GESA aufgenommen. Um 22.55 Uhr wurde der Betroffene dann dem Amtsgericht vorgeführt. Die Anhörung konnte sodann erst um 23.14 Uhr beginnen, da die Dolmetscherin noch an einer anderen Anhörung teilnahm. Der Betroffene machte zur Sache vor dem Amtsrichter keine Angaben. Mit Beschluss vom 06.06.2007 ordnete das Amtsgericht die Fortdauer des amtlichen Gewahrsams längstens bis zum 09.06.2007, 12.00 Uhr, und die sofortige Wirksamkeit dieser Entscheidung an.

3

Das Amtsgericht hielt die polizeiliche Ingewahrsamnahme des Betroffenen gestützt auf § 55 Abs. 1 Nr. 2 b SOG M-V für rechtmäßig. Es war davon überzeugt, dass der Betroffene Mitglied der genannten Gruppe gewesen sei. Er habe sich verdächtig gemacht, Teilnehmer einer Sachbeschädigung, eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und gegebenenfalls eines Landfriedensbruchs gemäß § 125 StGB zu sein. Die Fortdauer der Ingewahrsamnahme sei unerlässlich. Nach dem im Zuge der Anhörung gewonnenen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen sei zu befürchten, dass er weiterhin beabsichtigt, Straftaten zu begehen. Er sei Teil einer Gruppe, die in besonders schwerwiegender Weise in Erscheinung getreten ist.

4

Gegen diesen Beschluss legte der Betroffene sofortige Beschwerde ein. In der Beschwerdebegründung trägt er vor, die Polizei habe keine unverzügliche richterliche Entscheidung im Sinne des Art. 104 GG veranlasst.

5

Das Landgericht Rostock wies die Beschwerde mit dem angefochtenen Beschluss nach Anhörung des Betroffenen zurück. Auch vor dem Landgericht machte der Betroffene keine Angaben zur Sache. Zur Begründung führt die Kammer aus, der Betroffene sei Teilnehmer einer Gruppe gewesen, aus der heraus Sachbeschädigungen vorgenommen worden seien. Es seien Paletten beschädigt worden. Es habe die Gefahr bestanden, dass aus der Personengruppe heraus weitere Straftaten begangen werden. Die Mitnahme von Steinen lasse darauf schließen, dass diese als Wurfgeschosse eingesetzt werden sollten. Das Hinterlassen von größeren Steinen auf der Fahrbahn führe zu einer Gefährdung der Straßenverkehrsteilnehmer. Das Verhalten der Teilnehmer der Gruppe erfülle den Tatbestand des Landfriedensbruchs. Auch wenn bei dem Betroffenen keine Vermummungsgegenstände oder Steine gefunden worden seien, sei die Kammer davon überzeugt, dass der Betroffene Teilnehmer dieser Personengruppe gewesen sei.

6

Mit dem Einwand des Verstoßes gegen das Unverzüglichkeitsgebot dringe der Betroffene nicht durch. Ob Verzögerungen aus sachlichen Gründen vorgelegen haben, könne letztlich dahinstehen. Auch wenn die Herbeiführung der richterlichen Entscheidung nicht unverzüglich erfolgt sein sollte, folge daraus noch nicht, dass die Gewahrsamnahme rechtswidrig gewesen sei. Die Verletzungen der formellen Voraussetzungen des Art. 104 GG führten nicht ohne Weiteres zu einer Rechtswidrigkeit der gesamten freiheitsentziehenden Maßnahme. So könne die Anordnung einer Ingewahrsamnahme durchaus rechtmäßig sein, wenn etwa eine einzelne Maßnahme während des Vollzugs sich als rechtswidrig erweisen könne, ohne dass von einem Durchschlagen dieses Mangels auf die Freiheitsentziehung als solche ausgegangen werden müsse. Die Abwägung zwischen dem aus den Grundrechten erwachsenen Freiheitsanspruch und dem Schutzbedürfnis der Allgemeinheit ergebe, dass die weitere Freiheitsentziehung verhältnismäßig sei. Die Fortdauer der Ingewahrsamnahme sei unerlässlich. Ein milderes Mittel zur Gefahrenabwehr käme nicht in Betracht.

7

Die am 18.06.2007 beim Oberlandesgericht eingegangene sofortige weitere Beschwerde hat der Betroffene nicht begründet, sondern eine weitere Begründung einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten. Ein solcher liegt dem Senat nicht vor.

8

Die weitere Beteiligte hat nicht zur Sache Stellung genommen.

II.

9

Die sofortige weitere Beschwerde ist trotz der Freilassung des Betroffenen nach Ablauf des angeordneten Gewahrsams zulässig. Wird mit einer gerichtlichen Entscheidung tiefgreifend in ein Grundrecht eingegriffen, so gebietet der aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitete effektive Rechtsschutz auch nach Beendigung der freiheitsentziehenden Maßnahme vor Erschöpfung des Rechtsmittelweges, dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, den Grundrechtseingriff auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen (BVerfG NJW 2002, 206).

III.

10

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

11

Gegenstand des Rechtsmittels des Betroffenen ist zunächst die landgerichtliche Entscheidung. Diese überprüft zum Einen materiellrechtlich die amtsrichterliche Anordnung der Fortdauer der Ingewahrsamnahme zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung. Weiterhin hat das Landgericht als eigene Tatsacheninstanz festzustellen, dass die Voraussetzungen einer Fortsetzung des Gewahrsams auch weiterhin vorliegen. Letztlich hat das Landgericht zudem Feststellungen über die Einhaltung von Verfahrensgrundrechten, hier insbesondere von Art. 104 Abs. 2 GG zu treffen. Gemäß §§ 3 Satz 2 FEVG, 27 FGG ist der Senat darauf beschränkt, die angegriffene Entscheidung daraufhin zu überprüfen, ob sie auf einer Rechtsverletzung beruht. Dies ist nicht der Fall.

12

1. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen.

13

Zwar hat es bei seiner Überprüfung nicht ausdrücklich auf den Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Entscheidung abgestellt. Es hat seiner Entscheidung jedoch den bei der Durchsuchung und amtsrichterlichen Anhörung festgestellten Sachverhalt zugrundegelegt. Andere nachträgliche tatsächliche Feststellungen, die nach Auffassung des Senats weder die Rechtswidrigkeit der richterlichen Anordnung der Fortdauer der Ingewahrsamnahme rückwirkend beseitigen noch feststellen können, tragen die Entscheidung hierzu nicht.

14

Gegen die Begründung des Landgerichts, die die erstinstanzliche Entscheidung stützt, ist aus Rechtsgründen im Ergebnis nichts zu erinnern. Die amtsrichterliche Entscheidung gemäß § 56 Abs. 5 SOG M-V erfasst zum einen die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des vorangegangenen polizeilichen Zugriffs (a.) und hat auch und insbesondere über die Erforderlichkeit der Fortdauer des Gewahrsams zu befinden. Dies erfordert die Prüfung, ob im Zeitpunkt seiner Entscheidung die Fortdauer der Freiheitsentziehung zur Abwehr der fortbestehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung geboten ist (b.).

15

a) Hierbei hat sich der Richter zunächst damit auseinanderzusetzen, ob die Polizeibeamten den Betroffenen zu Recht in Gewahrsam genommen haben. War die Ingewahrsamnahme bereits rechtswidrig, so lässt sich ihre Fortdauer allenfalls dann rechtfertigen, wenn neue Erkenntnisse hinzukommen.

16

Bei der Beurteilung der Rechtmäßig- oder Rechtswidrigkeit der polizeilichen Ingewahrsamnahme ist auf die Situation unmittelbar vor dem Zugriff abzustellen. Für die Annahme einer polizeilichen Gefahr genügt es, dass bei objektiver Sicht zur Zeit des polizeilichen Einschreitens die Tatsachen auf eine drohende Gefahr hindeuten, ohne dass sofort eindeutig Klarheit geschaffen werden kann (BGH, Beschl. vom 27.10.1988 - III ZR 256/87, BGHR Verwaltungsrecht, Allg. Grundsätze, Polizeirecht 1; OLG Hamm, Urt. v. 07.06.1978 - IV A 330/77, NJW 1980, 138). Spätere Erkenntnisse nach eingehender Beweisaufnahme sind nicht zu berücksichtigen, da diese den vollziehenden Polizeibeamten vor Ort nicht zur Verfügung standen.

17

Die auf eine polizeiliche Gefahr deutenden Tatsachen waren vorliegend gegeben. Die Ingewahrsamnahme des Betroffenen war unerlässlich, um die unmittelbar bevorstehende Begehung einer Straftat zu verhindern (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V). Es muss eine akute Bedrohung der öffentlichen Sicherheit vorliegen. Angesichts der Intensität des Eingriffs ist es erforderlich, dass im konkreten Fall nachvollziehbare Tatsachen vorliegen, die zu der Gewissheit führen, dass der Schaden sofort oder in allernächster Zeit eintritt. Der bloße "Eindruck" reicht nicht aus (Rachor in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F, Rn. 570; vgl. auch Marschner/Volckart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl., E, Rn. 50). Der Gefahrenmaßstab der Unmittelbarkeit des § 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V unterscheidet sich nicht von einer gegenwärtigen Gefahr (vgl. Heyen, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, in: Manssen, Staats- und Verwaltungsrecht für Mecklenburg-Vorpommern, S. 255). Die gegenwärtige Gefahr ist in § 3 Abs. 3 Nr. 3 SOG M-V als eine Sachlage, bei der das die öffentliche Sicherheit oder Ordnung schädigende Ereignis bereits eingetreten ist (Störung) oder unmittelbar oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht, legal definiert (vgl. auch BVerfGE 115, 320, 363 zu § 31 PolG NW 1990). Das bedeutet, dass ein Schaden für Rechtsgüter in unmittelbarer Zukunft, in allernächster Zeit zu erwarten ist, wenn nicht in die Entwicklung eingegriffen wird (LVerfG M-V, LKV 2000, 345, 349 "großer Lauschangriff").

18

Vorliegend durfte die Polizei schon gemäß § 55 Abs.1 Nr. 3 SOG M-V zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eingreifen und den Betroffenen in Gewahrsam nehmen. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei Sachbeschädigungen an den Paletten festgestellt und angenommen, es bestünde die Gefahr, dass aus der Personengruppe heraus weitere Straftaten begangen werden. Die Mitnahme der Steine lasse darauf schließen, dass diese als Wurfgeschosse eingesetzt werden sollten. Das Hinterlassen größerer Steine auf der Fahrbahn führe zu einer Gefährdung der Straßenverkehrsteilnehmer. Daran ist der Senat gebunden. Auch gegen die tatsächliche Feststellung der Kammer, der Betroffene sei Teilnehmer der Personengruppe, ergeben sich aus Rechtsgründen keine Bedenken

19

Ausgehend von diesem festgestellten Sachverhalt, durfte die Polizei in der Gefahrengesamtschau schließen, dass weitere Rechtsgutverletzungen durch die Gruppe gegenwärtig drohten. Zum Schutz dieser Rechtsgüter, die zur öffentlichen Sicherheit i.S. von § 55 Abs.1 Nr. 3 SOG M-V zählen, durfte die Polizei durch die Ingewahrsamnahme der verfolgten und gestellten Personen dieser Gruppe entgegenwirken. Dabei reicht es aus, dass der Betroffene Teilnehmer der homogenen, gewalttätigen Gruppe gewesen ist. Ein eigener Tatbeitrag brauchte dem Betroffenen nicht nachgewiesen werden. Schon aus dem Gesamtbild der Gruppe ergibt sich, dass auch von dem Betroffenen eine gegenwärtige Gefahr bereits durch seine Teilnahme an der Gruppe ausging. Denn die Gruppe war nicht nur, wie die Kammer festgestellt hat, homogen überwiegend dunkel gekleidet, sondern Personen aus dieser Gruppe hatten sich bereits mit Sturmhauben, dunklen Sonnenbrillen oder Tüchern über Mund und Nase vermummt. Zudem begannen die meisten dieser 50-60köpfigen Gruppe, nämlich 40-50 Personen die Paletten zu zerschlagen. Es haben deshalb nicht nur Einzeltäter aus einer Gruppe heraus gehandelt, sondern die Gruppe selbst. Wer sich in einer solchen Situation nicht von der Gruppe entfernt, um deutlich zu machen, dass er mit deren Handlungen nichts zu tun haben will, setzt zumindest eine Anscheinsgefahr für eine polizeiliche Maßnahme.

20

Die Ingewahrsamnahme des Betroffenen war zudem aufgrund von § 55 Abs.1 Nr. 2 SOG M-V zur Verhinderung einer unmittelbar bevorstehenden Straftat rechtmäßig. Allerdings bestehen rechtliche Zweifel an der Auffassung des Landgerichts, das Verhalten der Teilnehmer der Gruppe erfülle den Tatbestand des Landfriedensbruchs. Strafrechtlich reicht nämlich die bloße Zugehörigkeit zu einer unfriedlichen Menge, ein inaktives Dabeisein oder ein bloßes Mitmarschieren nicht zur Erfüllung des Tatbestandes eines Landfriedensbruchs aus (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., § 125 Rn. 13). Ein darüberhinaus gehender Tatbeitrag ist hinsichtlich des Betroffenen aber nicht festgestellt worden. Auf den für eine strafrechtliche Verurteilung erforderlichen Maßstab kommt es jedoch für die polizeirechtliche Gefahrenprognose nicht an, sondern allein darauf, ob aufgrund des Geschehens die Gefahr der Begehung einer solchen Straftat durch den Betroffenen selbst unmittelbar drohte. Vorliegend durfte die Polizei daraus, dass sich schon eine Vielzahl der Personen an den Sachbeschädigungen beteiligten, schließen, dass sich auch der Betroffene unmittelbar beteiligen werde. An dieser Einschätzung durfte sie auch festhalten, obwohl bei dem Betroffenen keine Vermummungsgegenstände oder Steine gefunden wurden. Denn die Vermummung ist keine Voraussetzung für die Beteiligung an einer Straftat.

21

b) Erfolgte die Ingewahrsamnahme rechtmäßig, hat der Richter weiter festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 3 bzw. 2 SOG M-V weiterhin gegeben sind, d. h. die Fortdauer der Ingewahrsamnahme zur Beseitigung der Störung bzw. Abwehr einer Straftat unerlässlich ist. Denn die Rechtmäßigkeit der vorangegangenen Ingewahrsamnahme durch die Polizeibeamten allein indiziert nicht schon die Rechtmäßigkeit der richterlich angeordneten Fortdauer der Ingewahrsamnahme. Vielmehr hat das Amtsgericht zu prüfen, ob im Falle der Freilassung weiterhin die Gefahr besteht, dass der Betroffene seine Straftat fortsetzen bzw. eine weitere Straftat begehen wird oder die öffentliche Sicherheit gefährdet. Feststellungen zum Fortbestehen der Störung oder Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zum Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung sind in dem nach den Umständen des Einzelfalles möglichen Umfang erforderlich. Der Senat verkennt nicht, dass in dem Anhörungstermin der Richter nicht aufwändig Beweis erheben kann. Insbesondere kann er nicht die Polizeibeamten vernehmen, die weiterhin auf der Straße benötigt werden; er kann jedoch auf deren schriftlich niedergelegten Zeugenangaben zurück greifen. Er ist im Weiteren vor allem auf den Akteninhalt und auf seine persönliche Überzeugung angewiesen. Es ist aber unerlässlich, dass der Richter zu der Überzeugung gelangt, dass von dem Betroffenen weiterhin eine solche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Eine solche Prognose ist bei der richterlichen Entscheidungsfindung, namentlich bei freiheitsentziehenden Maßnahmen nicht ungewöhnlich. So hat der Richter bei Anordnung der Untersuchungshaft nach § 112 StPO auszuführen, aus welchen tatsächlichen Anhaltspunkten er Flucht- oder Verdunkelungsgefahr ableitet. Bei Anordnung der Abschiebehaft gem. § 62 AufenthG ist zu begründen, welche tatsächlichen Umstände die Gefahr begründen, dass der Betroffene sich der Abschiebung entziehen wird. Vielfach indizieren bestimmte Verhaltensweisen die die Freiheitsentziehung rechtfertigende Prognose.

22

Bei der richterlichen Entscheidung gem. § 56 Abs. 5 SOG M-V über die Erforderlichkeit der Fortdauer des Gewahrsams reicht es grundsätzlich nicht aus, dass einer der Regelfälle des § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz lit. a.) -c.) SOG M-V erfüllt ist, da diese als Beweisanzeichen sich auf die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Ingewahrsamnahme selbst beziehen, also dass der Betroffene eine solche zu verhindernde Straftat begehen wird. Daraus lässt sich nicht ohne weiteres ableiten, dass zu befürchten ist, der Betroffene werde im Falle seiner Freilassung die Straftat nunmehr begehen oder fortsetzen. Vielmehr kann auf diese Regelfälle nur insoweit zurückgegriffen werden, als der Richter im Rahmen seiner Entscheidung über die Erforderlichkeit der Fortdauer darin Anhaltspunkte für die Prognose finden kann. Diese Anhaltspunkte muss er aber mit den besonderen Umständen im konkreten Einzelfall verknüpfen und daraus eine Gefahrenschau entwickeln. Nur ausnahmsweise kann deshalb im Einzelfall schon das bloße Vorliegen des Regelfalls ausreichen, wenn sich bereits daraus die hinreichend sichere Gefahrenprognose ergibt.

23

Liegen die Voraussetzungen des Freiheitsentzugs anfänglich vor, so ist für die Bestimmung der Dauer des Einsperrens vor allem maßgeblich, ob die Tatbereitschaft fortbesteht (vgl. Rachor in: Lisken/Denninger: Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F Rn. 631). Dies ist zuallererst ein Erkenntnisproblem. Pläne, Absichten, Geistes- oder Seelenzustände sind innere Tatsachen und der Beurteilung durch Dritte im Allgemeinen nur schwer zugänglich. Die Fortdauer ist deshalb nicht am Merkmal der Unerlässlichkeit zu prüfen, die bereits als Tatbestandsmerkmal zur Kennzeichnung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Ingewahrsamnahme vorliegen muss. Vielmehr ist eine Prognose anzustellen, ob zu befürchten ist, dass der Betroffene sich im Falle seiner Freilassung erneut so verhalten wird, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung droht. Auf das Merkmal der Gegenwärtigkeit kann es bei dieser Prognose schon deshalb nicht ankommen, weil die akute Situation, die zur Ingewahrsamnahme des Betroffenen führte, durch die Freiheitsentziehung beendet worden ist. Entscheidend ist, ob der Betroffene sich an entsprechenden zukünftigen - auch zur Zeit noch unbekannten Aktionen - beteiligen würde.

24

Die Vorinstanzen haben zutreffend zum Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgeführt, insoweit wird auf die Gründe der Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts Bezug genommen.

25

2. Mit seinem Einwand, es liege ein Verstoß gegen das Unverzüglichkeitsgebot des Art. 104 Abs. 2 GG vor, dringt der Betroffene nicht durch. Gemäß § 56 Abs. 5 Satz 1 SOG M-V, der Art. 104 Abs. 2 GG einfachrechtlich umsetzt, ist bei einer polizeilichen Ingewahrsamnahme unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer des Gewahrsams herbeizuführen. Dies geschah im vorliegenden Fall.

26

a) Das Landgericht hat es dahinstehen lassen, ob die Herbeiführung der richterlichen Entscheidung unverzüglich erfolgte, weil es die Anordnung der Fortdauer einer freiheitsentziehenden Maßnahme auch dann für möglich hält, wenn die Maßnahme bis dahin ganz oder teilweise rechtswidrig war. Die zur Begründung herangezogene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. vom 13.12.2005, Az.: 2 BVR 447/05, NVwZ 2006, 579f) trägt allerdings diese von der Kammer vertretene Ansicht nicht. Soweit sie ausführt, dass eine einzelne Maßnahme während des Vollzugs zum Zeitpunkt der Ingewahrsamnahme nicht notwendigerweise vorhersehbar sich als rechtswidrig erweisen könne, ohne dass von einem Durchschlagen dieses Mangels auf die Freiheitsentziehung als solche ausgegangen werden müsse, bezieht sich dies auf die Art und Weise des Vollzugs. Die Frage der Anordnung der Ingewahrsamnahme und deren Vollzug sind indes grundsätzlich voneinander zu unterscheiden (BVerfG a. a. O.).

27

Art. 104 Abs. 2 S. 2 GG gebietet es, eine in Ausnahmefällen zulässige nachträgliche richterliche Entscheidung über eine Freiheitsentziehung unverzüglich nachzuholen. Da der Richtervorbehalt als Sicherung gegen unberechtigte Freiheitsentziehungen eine hohe Bedeutung hat, ist zweifelhaft, ob ein Verstoß gegen das Unverzüglichkeitsgebot durch eine zu späte richterliche Entscheidung geheilt werden kann oder ob der Betroffene - wie bei einem Verstoß gegen die Höchstfrist der polizeilichen Gewahrsamsfrist aus § 55 Abs. 5 Satz 2 SOG M-V - ohne weiteres sofort freizulassen wäre (vgl. Jarass/Pieroth, GG, Art. 104 Rn. 24, 19, 15; Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F Rn. 596). Diese Frage bedarf vorliegend jedoch keiner Entscheidung, denn ein Verstoß gegen das Unverzüglichkeitsgebot des Art. 104 Abs. 2 GG liegt nicht vor.

28

b) Grundsätzlich sollte für das Einschalten des Richters tagsüber eine Zeit von 2 - 3 Stunden ausreichend sein (vgl. Jarass/Pieroth, GG a.a.O., Rn. 21; Marschner/Volckart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl. E, Rn. 56). Obwohl hier diese Zeitspanne erheblich überschritten wurde - zwischen der Ingewahrsamnahme um 16.15 Uhr und der richterlichen Vorführung um 22.55 Uhr verstrichen über 6 1/2 Stunden - entsprach die Sachbehandlung dem Gebot der unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung.

29

"Unverzüglich" i. S. v. Art. 104 Abs. 2 S. 2 GG ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung - wovon das Landgericht zutreffend ausgeht - ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, herbeigeführt werden muss (BVerfG a. a. O.; BVerfGE 105, 239, 249). Die Verzögerung muss bei Anlegung eines objektiven Maßstabes sachlich zwingend geboten sein (vgl. Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., Art. 104, Rn. 21). Sachliche Gründe können insoweit etwa sein die Länge des Weges vom Ort der Ingewahrsamnahme bis zur Protokollierungsstelle, das Verhalten der Betroffenen selbst oder aber Verzögerungen, die sich infolge von Massenfestnahmen aus organisatorischen Gründen ergeben (so VG Gera, Beschluss vom 03.07.2004 - 1 K 1071/00).

30

Derartige sachliche Gründe liegen vor.

31

Die zeitlichen Verzögerungen zwischen der Festnahme des Betroffenen um 16.15 Uhr bis zur Übergabe zum Transport um 18.10 Uhr und dann bis zum Eintreffen in der GESA um 20.10 Uhr ergaben sich aus der konkreten Zuführungssituation. Es wurden insgesamt 39 Personen der Gruppe festgenommen. Jeden einzelnen von ihnen mit einem Polizei-PKW zur GESA nach R. zu transportieren, wäre nicht zweckmäßig gewesen. Der gemeinsame Abtransport aller Betroffenen bedurfte der Organisation. Darauf konnte sich die Polizei im konkreten Fall nicht vorbereiten, da es sich bei dem der Ingewahrsamnahme zugrunde liegenden Geschehen nicht um eine angemeldete Demonstration handelte, sondern um eine Zusammenrottung, gegen die die Polizei aufgrund einer Meldung mit nach und nach eintreffenden Kräften spontan vorgehen musste. Trotz hoher Polizeipräsenz vor und während des G 8-Gipfels konnten die Sicherheitskräfte im Großraum R.-H.-K. nicht eine solche Vielzahl von Transportfahrzeugen vorsorglich vorhalten, dass für jeden etwaig erforderlichen Transport von Personen sofort und in örtlicher Nähe ein entsprechendes Fahrzeug zur Verfügung stand. Hinzu kommt, was dem Senat aus anderen anhängigen weiteren Beschwerdeverfahren wegen Ingewahrsamnahmen im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen den G 8-Gipfel gerichtsbekannt (so aus dem Verf. 3 W 83/07) ist, dass am 06.06.2007 - dem ersten Tag des Gipfels - G 8-Gegner eine Vielzahl von spontanen, unangemeldeten Demonstrationen durchgeführt haben, bei denen es u.a. zu Straßenblockaden kam, was die polizeilichen Transporte erschwerte. Letzteres ist auch offenkundig. Der G 8-Gipfel und die dagegen gerichteten Demonstrationen haben in diesem Zeitraum die allgemein zugänglichen Medien beherrscht. Täglich wurde mehrmals über die aktuelle Sachlage berichtet. Darüber hat sich auch der Senat informiert. Bestehen jedoch im Großraum R.-H.-K. Straßensperren und wird durch Demonstrationen und auch - wie hier - durch Straftaten die Befahrbarkeit der Straßen massenhaft eingeschränkt, so muss ein Ingewahrsamgenommener grundsätzlich gewisse Verzögerungen hinnehmen. Das gilt umso mehr, als die Polizei mit Rücksicht auf wichtige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Demonstranten und Polizeibeamten eine offiziell bekanntgegebene Deeskalationsstrategie bei den Demonstrationen verfolgte. Der Polizei kann deshalb grundsätzlich eine fehlende Unverzüglichkeit der richterlichen Vorführung eines Betroffenen wegen Transportverzögerungen nicht vorgeworfen werden. Um eine solche zu vermeiden, hätte sie nämlich jeweils die sofortige Räumung von Straßensperren bewerkstelligen müssen.

32

Die weitere Zeit nach dem Eintreffen des Betroffenen in der GESA in R. bis zur richterlichen Vorführung um 22.55 Uhr von knapp drei Stunden ist unter Berücksichtigung der Vielzahl der in Gewahrsam genommenen Personen, die alle in der GESA zunächst erfasst werden mussten, noch unverzüglich. Im Fall des Betroffenen beruhte die Verzögerung zudem darauf, dass um 21.21 Uhr die Erforderlichkeit einer ärztlichen Behandlung festgestellt wurde, er sodann um 21.56 Uhr zum Arzt verbracht wurde und von dort um 22.21 Uhr zurückkehrte.

IV.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf § 14 FEVG

Tenor

Die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Landgerichts Rostock vom 04.06.2007 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gegenstandswert der Beschwerde: bis 1.000,00 €

Gründe

I.

1

Die Personalien des Betroffenen sollten am 03.06.2007 gegen 22.17 Uhr in W. bei R. nahe der JVA polizeilich überprüft werden. Er hielt sich dort gemeinsam mit acht weiteren Personen, unter anderem dem S. S. neben einem Pkw auf, in dem Transparente mit den Aufschriften "Free all now" und "Freedom for prisoners" vorgefunden wurden. Der Betroffene widersetzte sich den Anordnungen der Polizeibeamten zur Feststellung seiner Identität und griff einen von ihnen körperlich an. Daraufhin nahm ihn die Polizei in Gewahrsam und verbrachte ihn in die Gefangenensammelstelle. Sie stellte fest, dass der Betroffene bereits im Jahre 2002 wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr auffällig geworden war. Nach richterlicher Vernehmung ordnete das Amtsgericht Rostock durch Beschluss vom 04.06.2007 mit sofortiger Wirksamkeit die Fortdauer des polizeilichen Gewahrsams bis zum 09.06.2007, 12.00 Uhr an.

2

Gegen diesen Beschluss legte der Betroffene Beschwerde ein, die das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss nach Anhörung des Betroffenen zurückwies.

3

Der Betroffene hat sich in den Anhörungen vor dem Amts- und dem Landgericht nicht zur Sache eingelassen.

4

Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt der Betroffene vor, die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V lägen nicht vor, da die Begehung einer Straftat weder begonnen noch eine solche unmittelbar bevorgestanden habe. Eine Widerstandshandlung gegen Polizeibeamte reiche für eine solche Gefahrenprognose nicht aus. Die Tatsache, dass in dem Fahrzeug, neben dem der Betroffene sich aufgehalten habe, Transparente aufgefunden worden seien, auf denen Schriftzüge wie "Free all now" und "Freedom for prisoners" aufgebracht waren, rechtfertige nicht die Annahme, er werde demnächst eine Straftat begehen. Das englische Verb "free" heiße übersetzt in erster Linie "freilassen". Die Auslegung der Polizei, es handele sich um eine Aufforderung an einen unbestimmten Personenkreis, die Gefängnisse zu stürmen und dort Gefangene zu befreien, sei lebensfremd. Der Personenkreis, an den sich die Transparente richteten, sei sehr gering gewesen. Die Transparente hätten sich ihrem Inhalt nach an die Polizeiführung K. gerichtet. Der Beschwerdeführer sei nicht vorbestraft. Ein Verfahren gegen ihn wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr im Jahr 2002 sei eingestellt worden.

5

Außerdem sei das Unverzüglichkeitsgebot des Art. 104 Abs. 2 GG verletzt. Die richterliche Entscheidung des Landgerichts sei nicht unverzüglich herbeigeführt worden, da die Anhörung von der Kammer erst am 04.06.2007 um 20.45 Uhr erfolgt sei. Der Verstoß gegen das Unverzüglichkeitsgebot mache die Freiheitsentziehung rechtswidrig.

6

Der Antragsteller hat im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht zur Sache Stellung genommen.

II.

7

Die weitere Beschwerde des Betroffenen ist zulässig, jedoch unbegründet. Gem. §§ 3 S. 2 FEVG, 27 FGG ist der Senat darauf beschränkt, die angegriffene Entscheidung daraufhin zu überprüfen, ob sie auf einer Rechtsverletzung beruht. Dies ist nicht der Fall.

8

Bei der Entscheidung über die Fortdauer der Ingewahrsamnahme haben die Vorinstanzen richtig festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 2 a SOG M-V zum Zeitpunkt ihrer Entscheidungen weiterhin gegeben waren. Außerdem lagen die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 2c SOG-MV vor, denn der Betroffene war bereits aus vergleichbarem Anlass 2002 als Störer angetroffen worden. Die Fortdauer der Ingewahrsamnahme war zur Abwendung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung unerlässlich.

9

Die richterliche Entscheidung gemäß § 56 Abs. 5 SOG M-V erfasst zum einen eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des vorangegangenen polizeilichen Zugriffs und hat zum anderen über die Erforderlichkeit der Fortdauer des Gewahrsams zu befinden. Dies erfordert die Prüfung, ob im Zeitpunkt seiner Entscheidung die Fortdauer der Freiheitsentziehung zur Abwehr der fortbestehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung geboten ist.

10

a) Hierbei hat sich der Richter zunächst damit auseinanderzusetzen, ob die Polizeibeamten den Betroffenen zu Recht in Gewahrsam genommen haben. War die Ingewahrsamnahme bereits rechtswidrig, so lässt sich ihre Fortdauer allenfalls dann rechtfertigen, wenn neue Erkenntnisse hinzukommen. Bei der Beurteilung der Rechtmäßig- oder Rechtswidrigkeit der polizeilichen Ingewahrsamnahme ist auf die Situation unmittelbar vor dem Zugriff abzustellen. Für die Annahme einer polizeilichen Gefahr genügt es, dass bei objektiver Sicht zur Zeit des polizeilichen Einschreitens die Tatsachen auf eine drohende Gefahr hindeuten, ohne dass sofort eindeutig Klarheit geschaffen werden kann (BGH, Beschl. vom 27.10.1988 - III ZR 256/87, BGHR Verwaltungsrecht, Allg. Grundsätze, Polizeirecht 1; OLG Hamm, Urt. v. 07.06.1978 - IV A 330/77, NJW 1980, 138). Spätere Erkenntnisse nach eingehender Beweisaufnahme sind nicht zu berücksichtigen, da diese den vollziehenden Polizeibeamten vor Ort nicht zur Verfügung standen.

11

Die auf eine polizeiliche Gefahr deutenden Tatsachen waren vorliegend gegeben, denn der Betroffene gehörte augenscheinlich zu einer Gruppe von neun Personen, die mit einem Pkw aus B. in Richtung R. angereist war, um dort mit Transparenten an einer Demonstration teilzunehmen. Diese Transparente konnten ihrem Inhalt nach dazu auffordern bzw. dazu anstiften, eine Gefangenenbefreiung im Sinne von § 120 StGB zu begehen. Insbesondere das Transparent mit der Aufschrift "Free all now" kann so gedeutet werden, dass dazu aufgerufen wird, alle Gefangenen zu befreien, wenn die Gruppe zugleich das Transparent mit der Aufschrift "Freedom for prisoners" bei sich führt. Für die Polizeibeamten bestand der begründete Verdacht der Gefahr einer unmittelbar bevorstehenden Begehung einer Straftat (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 a SOG M-V). Dabei musste nicht angenommen werden, dass die Transparente an Ort und Stelle - etwa vor der JVA W. - ausgerollt und gezeigt werden. Vielmehr konnte vermutet werden, dass sich der Betroffene und seine Begleiter in das Stadtgebiet von R. zu den dort stattfindenden, teilweise gewalttätigen Demonstrationen begaben und sie dort zeigten. Damit konnte eine gewaltbereite Menge durchaus dazu bewogen werden, Gefangene, die in Polizeigewahrsam genommen worden waren und in eine Sammelstelle oder in die JVA verbracht werden sollten, zu befreien. Zur Abwendung dieser Gefahr war die Ingewahrsamnahme des Betroffenen unerlässlich. Dabei mussten die Polizeibeamten besonders die am 02. und 03.06.2007 in R. bestehende allgemeine Gefahrenlage berücksichtigen. An diesen Tagen war es in R. in der Innenstadt zu äußerst gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen. Wenn sich der Betroffene in einer solchen Situation mit Transparenten in den R. Raum begab, deren Aufschriften als Aufforderung zu strafbaren Handlungen verstanden werden konnten, so musste er mit polizeilichen Maßnahmen rechnen. Hier kommt hinzu, dass er sich selbst gewaltbereit zeigte, indem er einen Polizeibeamten angriff und bei der Feststellung seiner Personalien Widerstand leistete. Außerdem war er bereits 2002 wegen eines Eingriffs in den Bahnverkehr im Zusammenhang mit den Castor-Transporten auffällig geworden, so dass der Tatbestand des § 55 Abs. 1 Nr. 2c des SOG M-V vorlag. Auf eine Bestrafung des Betroffenen kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, da es bei der Gefahrenabwehr nur um die Störereigenschaft geht.

12

Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gem. Art. 5 GG steht dem nicht entgegen. Dem Betroffenen ist zuzugeben, dass die Aufschriften auf den Transparenten mehrdeutig sind. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 - ausgesprochen, dass ein Strafgericht bei mehrdeutigen Äußerungen, die zur Verurteilung führende Bedeutung nicht zugrundelegen darf, ohne vorher die anderen möglichen Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen zu haben. Vorliegend geht es indes nicht um eine strafgerichtliche Verurteilung, sondern um eine situationsbedingte, kurzfristig durchzuführende Maßnahme zur Gefahrenabwehr und einer damit verbundenen Beurteilung einer konkreten Gefahrenlage. In der in und um R. bestehenden angespannten Situation musste es der Polizei erlaubt sein, auch missverständliche Meinungskundgebungen zu unterbinden, die möglicherweise zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen konnten.

13

b) Der Richter hat außerdem festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 2, 3 SOG M-V weiterhin gegeben sind, d. h. die Fortdauer der Ingewahrsamnahme zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung unerlässlich ist. Der Richter muss über die Fortdauer des Gewahrsams anhand einer Prognose entscheiden (§ 56 Abs. 5 Satz 1 SOG M-V). Die Rechtmäßigkeit der vorangegangenen Ingewahrsamnahme durch die Polizeibeamten allein indiziert nicht die Rechtmäßigkeit der richterlich angeordneten Fortdauer der Ingewahrsamnahme. Vielmehr hat das Amtsgericht zu prüfen, ob im Fall der Freilassung weiterhin die Gefahr besteht, dass der Betroffene nach Freilassung seine Straftat fortsetzen oder eine weitere Straftat begehen bzw. weiterhin die öffentliche Sicherheit und Ordnung stören wird (Senatsbeschl. v. 16.04.2007 - 3 W 119/06). Das Landgericht hat in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt, auf welche tatsächlichen Anhaltspunkte sich diese Überzeugung stützt. Dem tritt der Senat bei. Aus dem Mitführen der Transparente, der einschlägigen Vorbelastung und der Gewaltbereitschaft des Betroffenen folgt die Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Wenn er aus B. nach R. anreisend solche Transparente mit sich führt, kann vermutet werden, dass er sie dort und in der Umgebung des Tagungsortes des G 8-Gipfels zu Demonstrationszwecken benutzen wird. Dass daraus eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entsteht, folgt aus den vorstehenden Ausführungen des Senats. Der Betroffene ist dem nicht entgegengetreten und hat sich nicht zur Sache eingelassen.

14

Die Dauer der angeordneten Freiheitsentziehung ist verhältnismäßig und nicht zu beanstanden. Die Gefahrenlage im Großraum R., insbesondere in H. besteht fort. Aus dem Bericht der Polizeidirektion R. vom 06.06.2007 und Medienberichten geht hervor, dass Globalisierungsgegner in hoher Zahl (6000 bis 10000 Personen) mit zum Teil hoher Gewaltbereitschaft sich in Richtung H. bewegen und zur Stürmung des Dammes aufrufen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Betroffene mit den Transparenten hieran beteiligt und damit andere Teilnehmer zur Gefangenenbefreiung aufstachelt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Gefahrenlage noch bis zum Ende der angeordneten Freiheitsentziehung am 09.06.2007 12.00 h andauert. Dass sich die Massendemonstrationen schon vor der Beendigung des G8-Gipfeltreffens vollständig auflösen und die Teilnehmer abreisen, kann nicht angenommen werden.

15

c) Mit seinem Einwand, es liege ein Verstoß gegen das Unverzüglichkeitsgebot des Art. 104 Abs. 2 GG vor, dringt der Betroffene nicht durch. Gem. Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG ist bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Dies geschah im vorliegenden Falle, da der Betroffene ohne schuldhafte Verzögerung der Polizei, nämlich am 04.06.2007 um 03.40 h dem Richter am Amtsgericht vorgeführt wurde. Für das weitere Verfahren gilt dieses strikte Unverzüglichkeitsgebot nicht. Zwar sind Beschwerden gegen Freiheitsentziehungsmaßnahmen im Rahmen des gerichtlichen Geschäftsganges vorrangig und eilig zu behandeln. Dies bedeutet nicht, dass eine Entscheidung des Beschwerdegerichtes unverzüglich i. S. v. Art. 104 GG herbeizuführen ist. Vielmehr ist auch hierbei auf den Geschäftsgang des betreffenden Gerichts Rücksicht zu nehmen. Vorliegend wurde der Betroffene noch am Tage der Anhörung vor dem Amtsgericht dem Landgericht vorgeführt und dort nochmals angehört. Eine verzögerliche Behandlung des Verfahrens kann den Vorinstanzen nicht vorgeworfen werden.

III.

16

Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe musste abgewiesen werden, da die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht (§§ 14 FGG, 114 S. 1 ZPO). Im übrigen hat der Betroffene seine Bedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht, da er keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt hat.

IV.

17

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 14 FreihEntzG.

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Betroffene erstrebt die Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Freiheitsentziehung. Am 06.06.2007 gegen 16.02 Uhr befand sich der Betroffene in einer Personengruppe von ca. 50 - 60 Personen auf der Straße "Z. K." im Bereich des Eingangs zum Golfplatz W., der zwischen K. und H. liegt. Die Personen dieser Gruppe waren überwiegend dunkel gekleidet und hatten teilweise Sturmhauben aufgesetzt bzw. trugen dunkle Sonnenbrillen i.V.m. dunklen Tüchern über Mund oder Nase. Als die Gruppe die Polizeibeamten entdeckten, begannen etwa 40 - 50 Personen von ihnen am Straßenrand aufgestapelte Holzpaletten und Steine zu zerschlagen und zu zerbrechen. Teilweise wurden die zerbrochenen Teile aufgenommen und mitgeführt sowie größere Steine als Hindernis auf der Fahrbahn liegengelassen. Beim Eintreffen der Polizei zersplitterte sich die Gruppe in Kleingruppen, die von der Polizei bis zu einem kleinen Hügel verfolgt wurden. Nach Umstellung des Hügels wurden die Personen in Gewahrsam genommen. Zu diesen gehörte auch der Betroffene, der um 16.15 Uhr festgenommen wurde. Auf dem Hügel wurden diverse Vermummungsgegenstände gefunden.

2

Die Übergabe des Betroffenen zum Transport erfolgte nach dem Polizeibericht um 18.10 Uhr ). Um 20.10 Uhr wurde der Betroffene in der polizeilichen Gefangenensammelstelle (GESA) aufgenommen und zwischenzeitlich einem Arzt vorgestellt. Insgesamt wurden bei diesem Ereignis 39 Personen in die GESA aufgenommen. Um 22.55 Uhr wurde der Betroffene dann dem Amtsgericht vorgeführt. Die Anhörung konnte sodann erst um 23.14 Uhr beginnen, da die Dolmetscherin noch an einer anderen Anhörung teilnahm. Der Betroffene machte zur Sache vor dem Amtsrichter keine Angaben. Mit Beschluss vom 06.06.2007 ordnete das Amtsgericht die Fortdauer des amtlichen Gewahrsams längstens bis zum 09.06.2007, 12.00 Uhr, und die sofortige Wirksamkeit dieser Entscheidung an.

3

Das Amtsgericht hielt die polizeiliche Ingewahrsamnahme des Betroffenen gestützt auf § 55 Abs. 1 Nr. 2 b SOG M-V für rechtmäßig. Es war davon überzeugt, dass der Betroffene Mitglied der genannten Gruppe gewesen sei. Er habe sich verdächtig gemacht, Teilnehmer einer Sachbeschädigung, eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und gegebenenfalls eines Landfriedensbruchs gemäß § 125 StGB zu sein. Die Fortdauer der Ingewahrsamnahme sei unerlässlich. Nach dem im Zuge der Anhörung gewonnenen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen sei zu befürchten, dass er weiterhin beabsichtigt, Straftaten zu begehen. Er sei Teil einer Gruppe, die in besonders schwerwiegender Weise in Erscheinung getreten ist.

4

Gegen diesen Beschluss legte der Betroffene sofortige Beschwerde ein. In der Beschwerdebegründung trägt er vor, die Polizei habe keine unverzügliche richterliche Entscheidung im Sinne des Art. 104 GG veranlasst.

5

Das Landgericht Rostock wies die Beschwerde mit dem angefochtenen Beschluss nach Anhörung des Betroffenen zurück. Auch vor dem Landgericht machte der Betroffene keine Angaben zur Sache. Zur Begründung führt die Kammer aus, der Betroffene sei Teilnehmer einer Gruppe gewesen, aus der heraus Sachbeschädigungen vorgenommen worden seien. Es seien Paletten beschädigt worden. Es habe die Gefahr bestanden, dass aus der Personengruppe heraus weitere Straftaten begangen werden. Die Mitnahme von Steinen lasse darauf schließen, dass diese als Wurfgeschosse eingesetzt werden sollten. Das Hinterlassen von größeren Steinen auf der Fahrbahn führe zu einer Gefährdung der Straßenverkehrsteilnehmer. Das Verhalten der Teilnehmer der Gruppe erfülle den Tatbestand des Landfriedensbruchs. Auch wenn bei dem Betroffenen keine Vermummungsgegenstände oder Steine gefunden worden seien, sei die Kammer davon überzeugt, dass der Betroffene Teilnehmer dieser Personengruppe gewesen sei.

6

Mit dem Einwand des Verstoßes gegen das Unverzüglichkeitsgebot dringe der Betroffene nicht durch. Ob Verzögerungen aus sachlichen Gründen vorgelegen haben, könne letztlich dahinstehen. Auch wenn die Herbeiführung der richterlichen Entscheidung nicht unverzüglich erfolgt sein sollte, folge daraus noch nicht, dass die Gewahrsamnahme rechtswidrig gewesen sei. Die Verletzungen der formellen Voraussetzungen des Art. 104 GG führten nicht ohne Weiteres zu einer Rechtswidrigkeit der gesamten freiheitsentziehenden Maßnahme. So könne die Anordnung einer Ingewahrsamnahme durchaus rechtmäßig sein, wenn etwa eine einzelne Maßnahme während des Vollzugs sich als rechtswidrig erweisen könne, ohne dass von einem Durchschlagen dieses Mangels auf die Freiheitsentziehung als solche ausgegangen werden müsse. Die Abwägung zwischen dem aus den Grundrechten erwachsenen Freiheitsanspruch und dem Schutzbedürfnis der Allgemeinheit ergebe, dass die weitere Freiheitsentziehung verhältnismäßig sei. Die Fortdauer der Ingewahrsamnahme sei unerlässlich. Ein milderes Mittel zur Gefahrenabwehr käme nicht in Betracht.

7

Die am 18.06.2007 beim Oberlandesgericht eingegangene sofortige weitere Beschwerde hat der Betroffene nicht begründet, sondern eine weitere Begründung einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten. Ein solcher liegt dem Senat nicht vor.

8

Die weitere Beteiligte hat nicht zur Sache Stellung genommen.

II.

9

Die sofortige weitere Beschwerde ist trotz der Freilassung des Betroffenen nach Ablauf des angeordneten Gewahrsams zulässig. Wird mit einer gerichtlichen Entscheidung tiefgreifend in ein Grundrecht eingegriffen, so gebietet der aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitete effektive Rechtsschutz auch nach Beendigung der freiheitsentziehenden Maßnahme vor Erschöpfung des Rechtsmittelweges, dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, den Grundrechtseingriff auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen (BVerfG NJW 2002, 206).

III.

10

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

11

Gegenstand des Rechtsmittels des Betroffenen ist zunächst die landgerichtliche Entscheidung. Diese überprüft zum Einen materiellrechtlich die amtsrichterliche Anordnung der Fortdauer der Ingewahrsamnahme zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung. Weiterhin hat das Landgericht als eigene Tatsacheninstanz festzustellen, dass die Voraussetzungen einer Fortsetzung des Gewahrsams auch weiterhin vorliegen. Letztlich hat das Landgericht zudem Feststellungen über die Einhaltung von Verfahrensgrundrechten, hier insbesondere von Art. 104 Abs. 2 GG zu treffen. Gemäß §§ 3 Satz 2 FEVG, 27 FGG ist der Senat darauf beschränkt, die angegriffene Entscheidung daraufhin zu überprüfen, ob sie auf einer Rechtsverletzung beruht. Dies ist nicht der Fall.

12

1. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen.

13

Zwar hat es bei seiner Überprüfung nicht ausdrücklich auf den Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Entscheidung abgestellt. Es hat seiner Entscheidung jedoch den bei der Durchsuchung und amtsrichterlichen Anhörung festgestellten Sachverhalt zugrundegelegt. Andere nachträgliche tatsächliche Feststellungen, die nach Auffassung des Senats weder die Rechtswidrigkeit der richterlichen Anordnung der Fortdauer der Ingewahrsamnahme rückwirkend beseitigen noch feststellen können, tragen die Entscheidung hierzu nicht.

14

Gegen die Begründung des Landgerichts, die die erstinstanzliche Entscheidung stützt, ist aus Rechtsgründen im Ergebnis nichts zu erinnern. Die amtsrichterliche Entscheidung gemäß § 56 Abs. 5 SOG M-V erfasst zum einen die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des vorangegangenen polizeilichen Zugriffs (a.) und hat auch und insbesondere über die Erforderlichkeit der Fortdauer des Gewahrsams zu befinden. Dies erfordert die Prüfung, ob im Zeitpunkt seiner Entscheidung die Fortdauer der Freiheitsentziehung zur Abwehr der fortbestehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung geboten ist (b.).

15

a) Hierbei hat sich der Richter zunächst damit auseinanderzusetzen, ob die Polizeibeamten den Betroffenen zu Recht in Gewahrsam genommen haben. War die Ingewahrsamnahme bereits rechtswidrig, so lässt sich ihre Fortdauer allenfalls dann rechtfertigen, wenn neue Erkenntnisse hinzukommen.

16

Bei der Beurteilung der Rechtmäßig- oder Rechtswidrigkeit der polizeilichen Ingewahrsamnahme ist auf die Situation unmittelbar vor dem Zugriff abzustellen. Für die Annahme einer polizeilichen Gefahr genügt es, dass bei objektiver Sicht zur Zeit des polizeilichen Einschreitens die Tatsachen auf eine drohende Gefahr hindeuten, ohne dass sofort eindeutig Klarheit geschaffen werden kann (BGH, Beschl. vom 27.10.1988 - III ZR 256/87, BGHR Verwaltungsrecht, Allg. Grundsätze, Polizeirecht 1; OLG Hamm, Urt. v. 07.06.1978 - IV A 330/77, NJW 1980, 138). Spätere Erkenntnisse nach eingehender Beweisaufnahme sind nicht zu berücksichtigen, da diese den vollziehenden Polizeibeamten vor Ort nicht zur Verfügung standen.

17

Die auf eine polizeiliche Gefahr deutenden Tatsachen waren vorliegend gegeben. Die Ingewahrsamnahme des Betroffenen war unerlässlich, um die unmittelbar bevorstehende Begehung einer Straftat zu verhindern (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V). Es muss eine akute Bedrohung der öffentlichen Sicherheit vorliegen. Angesichts der Intensität des Eingriffs ist es erforderlich, dass im konkreten Fall nachvollziehbare Tatsachen vorliegen, die zu der Gewissheit führen, dass der Schaden sofort oder in allernächster Zeit eintritt. Der bloße "Eindruck" reicht nicht aus (Rachor in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F, Rn. 570; vgl. auch Marschner/Volckart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl., E, Rn. 50). Der Gefahrenmaßstab der Unmittelbarkeit des § 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V unterscheidet sich nicht von einer gegenwärtigen Gefahr (vgl. Heyen, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, in: Manssen, Staats- und Verwaltungsrecht für Mecklenburg-Vorpommern, S. 255). Die gegenwärtige Gefahr ist in § 3 Abs. 3 Nr. 3 SOG M-V als eine Sachlage, bei der das die öffentliche Sicherheit oder Ordnung schädigende Ereignis bereits eingetreten ist (Störung) oder unmittelbar oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht, legal definiert (vgl. auch BVerfGE 115, 320, 363 zu § 31 PolG NW 1990). Das bedeutet, dass ein Schaden für Rechtsgüter in unmittelbarer Zukunft, in allernächster Zeit zu erwarten ist, wenn nicht in die Entwicklung eingegriffen wird (LVerfG M-V, LKV 2000, 345, 349 "großer Lauschangriff").

18

Vorliegend durfte die Polizei schon gemäß § 55 Abs.1 Nr. 3 SOG M-V zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eingreifen und den Betroffenen in Gewahrsam nehmen. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei Sachbeschädigungen an den Paletten festgestellt und angenommen, es bestünde die Gefahr, dass aus der Personengruppe heraus weitere Straftaten begangen werden. Die Mitnahme der Steine lasse darauf schließen, dass diese als Wurfgeschosse eingesetzt werden sollten. Das Hinterlassen größerer Steine auf der Fahrbahn führe zu einer Gefährdung der Straßenverkehrsteilnehmer. Daran ist der Senat gebunden. Auch gegen die tatsächliche Feststellung der Kammer, der Betroffene sei Teilnehmer der Personengruppe, ergeben sich aus Rechtsgründen keine Bedenken

19

Ausgehend von diesem festgestellten Sachverhalt, durfte die Polizei in der Gefahrengesamtschau schließen, dass weitere Rechtsgutverletzungen durch die Gruppe gegenwärtig drohten. Zum Schutz dieser Rechtsgüter, die zur öffentlichen Sicherheit i.S. von § 55 Abs.1 Nr. 3 SOG M-V zählen, durfte die Polizei durch die Ingewahrsamnahme der verfolgten und gestellten Personen dieser Gruppe entgegenwirken. Dabei reicht es aus, dass der Betroffene Teilnehmer der homogenen, gewalttätigen Gruppe gewesen ist. Ein eigener Tatbeitrag brauchte dem Betroffenen nicht nachgewiesen werden. Schon aus dem Gesamtbild der Gruppe ergibt sich, dass auch von dem Betroffenen eine gegenwärtige Gefahr bereits durch seine Teilnahme an der Gruppe ausging. Denn die Gruppe war nicht nur, wie die Kammer festgestellt hat, homogen überwiegend dunkel gekleidet, sondern Personen aus dieser Gruppe hatten sich bereits mit Sturmhauben, dunklen Sonnenbrillen oder Tüchern über Mund und Nase vermummt. Zudem begannen die meisten dieser 50-60köpfigen Gruppe, nämlich 40-50 Personen die Paletten zu zerschlagen. Es haben deshalb nicht nur Einzeltäter aus einer Gruppe heraus gehandelt, sondern die Gruppe selbst. Wer sich in einer solchen Situation nicht von der Gruppe entfernt, um deutlich zu machen, dass er mit deren Handlungen nichts zu tun haben will, setzt zumindest eine Anscheinsgefahr für eine polizeiliche Maßnahme.

20

Die Ingewahrsamnahme des Betroffenen war zudem aufgrund von § 55 Abs.1 Nr. 2 SOG M-V zur Verhinderung einer unmittelbar bevorstehenden Straftat rechtmäßig. Allerdings bestehen rechtliche Zweifel an der Auffassung des Landgerichts, das Verhalten der Teilnehmer der Gruppe erfülle den Tatbestand des Landfriedensbruchs. Strafrechtlich reicht nämlich die bloße Zugehörigkeit zu einer unfriedlichen Menge, ein inaktives Dabeisein oder ein bloßes Mitmarschieren nicht zur Erfüllung des Tatbestandes eines Landfriedensbruchs aus (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., § 125 Rn. 13). Ein darüberhinaus gehender Tatbeitrag ist hinsichtlich des Betroffenen aber nicht festgestellt worden. Auf den für eine strafrechtliche Verurteilung erforderlichen Maßstab kommt es jedoch für die polizeirechtliche Gefahrenprognose nicht an, sondern allein darauf, ob aufgrund des Geschehens die Gefahr der Begehung einer solchen Straftat durch den Betroffenen selbst unmittelbar drohte. Vorliegend durfte die Polizei daraus, dass sich schon eine Vielzahl der Personen an den Sachbeschädigungen beteiligten, schließen, dass sich auch der Betroffene unmittelbar beteiligen werde. An dieser Einschätzung durfte sie auch festhalten, obwohl bei dem Betroffenen keine Vermummungsgegenstände oder Steine gefunden wurden. Denn die Vermummung ist keine Voraussetzung für die Beteiligung an einer Straftat.

21

b) Erfolgte die Ingewahrsamnahme rechtmäßig, hat der Richter weiter festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 3 bzw. 2 SOG M-V weiterhin gegeben sind, d. h. die Fortdauer der Ingewahrsamnahme zur Beseitigung der Störung bzw. Abwehr einer Straftat unerlässlich ist. Denn die Rechtmäßigkeit der vorangegangenen Ingewahrsamnahme durch die Polizeibeamten allein indiziert nicht schon die Rechtmäßigkeit der richterlich angeordneten Fortdauer der Ingewahrsamnahme. Vielmehr hat das Amtsgericht zu prüfen, ob im Falle der Freilassung weiterhin die Gefahr besteht, dass der Betroffene seine Straftat fortsetzen bzw. eine weitere Straftat begehen wird oder die öffentliche Sicherheit gefährdet. Feststellungen zum Fortbestehen der Störung oder Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zum Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung sind in dem nach den Umständen des Einzelfalles möglichen Umfang erforderlich. Der Senat verkennt nicht, dass in dem Anhörungstermin der Richter nicht aufwändig Beweis erheben kann. Insbesondere kann er nicht die Polizeibeamten vernehmen, die weiterhin auf der Straße benötigt werden; er kann jedoch auf deren schriftlich niedergelegten Zeugenangaben zurück greifen. Er ist im Weiteren vor allem auf den Akteninhalt und auf seine persönliche Überzeugung angewiesen. Es ist aber unerlässlich, dass der Richter zu der Überzeugung gelangt, dass von dem Betroffenen weiterhin eine solche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Eine solche Prognose ist bei der richterlichen Entscheidungsfindung, namentlich bei freiheitsentziehenden Maßnahmen nicht ungewöhnlich. So hat der Richter bei Anordnung der Untersuchungshaft nach § 112 StPO auszuführen, aus welchen tatsächlichen Anhaltspunkten er Flucht- oder Verdunkelungsgefahr ableitet. Bei Anordnung der Abschiebehaft gem. § 62 AufenthG ist zu begründen, welche tatsächlichen Umstände die Gefahr begründen, dass der Betroffene sich der Abschiebung entziehen wird. Vielfach indizieren bestimmte Verhaltensweisen die die Freiheitsentziehung rechtfertigende Prognose.

22

Bei der richterlichen Entscheidung gem. § 56 Abs. 5 SOG M-V über die Erforderlichkeit der Fortdauer des Gewahrsams reicht es grundsätzlich nicht aus, dass einer der Regelfälle des § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz lit. a.) -c.) SOG M-V erfüllt ist, da diese als Beweisanzeichen sich auf die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Ingewahrsamnahme selbst beziehen, also dass der Betroffene eine solche zu verhindernde Straftat begehen wird. Daraus lässt sich nicht ohne weiteres ableiten, dass zu befürchten ist, der Betroffene werde im Falle seiner Freilassung die Straftat nunmehr begehen oder fortsetzen. Vielmehr kann auf diese Regelfälle nur insoweit zurückgegriffen werden, als der Richter im Rahmen seiner Entscheidung über die Erforderlichkeit der Fortdauer darin Anhaltspunkte für die Prognose finden kann. Diese Anhaltspunkte muss er aber mit den besonderen Umständen im konkreten Einzelfall verknüpfen und daraus eine Gefahrenschau entwickeln. Nur ausnahmsweise kann deshalb im Einzelfall schon das bloße Vorliegen des Regelfalls ausreichen, wenn sich bereits daraus die hinreichend sichere Gefahrenprognose ergibt.

23

Liegen die Voraussetzungen des Freiheitsentzugs anfänglich vor, so ist für die Bestimmung der Dauer des Einsperrens vor allem maßgeblich, ob die Tatbereitschaft fortbesteht (vgl. Rachor in: Lisken/Denninger: Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F Rn. 631). Dies ist zuallererst ein Erkenntnisproblem. Pläne, Absichten, Geistes- oder Seelenzustände sind innere Tatsachen und der Beurteilung durch Dritte im Allgemeinen nur schwer zugänglich. Die Fortdauer ist deshalb nicht am Merkmal der Unerlässlichkeit zu prüfen, die bereits als Tatbestandsmerkmal zur Kennzeichnung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Ingewahrsamnahme vorliegen muss. Vielmehr ist eine Prognose anzustellen, ob zu befürchten ist, dass der Betroffene sich im Falle seiner Freilassung erneut so verhalten wird, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung droht. Auf das Merkmal der Gegenwärtigkeit kann es bei dieser Prognose schon deshalb nicht ankommen, weil die akute Situation, die zur Ingewahrsamnahme des Betroffenen führte, durch die Freiheitsentziehung beendet worden ist. Entscheidend ist, ob der Betroffene sich an entsprechenden zukünftigen - auch zur Zeit noch unbekannten Aktionen - beteiligen würde.

24

Die Vorinstanzen haben zutreffend zum Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgeführt, insoweit wird auf die Gründe der Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts Bezug genommen.

25

2. Mit seinem Einwand, es liege ein Verstoß gegen das Unverzüglichkeitsgebot des Art. 104 Abs. 2 GG vor, dringt der Betroffene nicht durch. Gemäß § 56 Abs. 5 Satz 1 SOG M-V, der Art. 104 Abs. 2 GG einfachrechtlich umsetzt, ist bei einer polizeilichen Ingewahrsamnahme unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer des Gewahrsams herbeizuführen. Dies geschah im vorliegenden Fall.

26

a) Das Landgericht hat es dahinstehen lassen, ob die Herbeiführung der richterlichen Entscheidung unverzüglich erfolgte, weil es die Anordnung der Fortdauer einer freiheitsentziehenden Maßnahme auch dann für möglich hält, wenn die Maßnahme bis dahin ganz oder teilweise rechtswidrig war. Die zur Begründung herangezogene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. vom 13.12.2005, Az.: 2 BVR 447/05, NVwZ 2006, 579f) trägt allerdings diese von der Kammer vertretene Ansicht nicht. Soweit sie ausführt, dass eine einzelne Maßnahme während des Vollzugs zum Zeitpunkt der Ingewahrsamnahme nicht notwendigerweise vorhersehbar sich als rechtswidrig erweisen könne, ohne dass von einem Durchschlagen dieses Mangels auf die Freiheitsentziehung als solche ausgegangen werden müsse, bezieht sich dies auf die Art und Weise des Vollzugs. Die Frage der Anordnung der Ingewahrsamnahme und deren Vollzug sind indes grundsätzlich voneinander zu unterscheiden (BVerfG a. a. O.).

27

Art. 104 Abs. 2 S. 2 GG gebietet es, eine in Ausnahmefällen zulässige nachträgliche richterliche Entscheidung über eine Freiheitsentziehung unverzüglich nachzuholen. Da der Richtervorbehalt als Sicherung gegen unberechtigte Freiheitsentziehungen eine hohe Bedeutung hat, ist zweifelhaft, ob ein Verstoß gegen das Unverzüglichkeitsgebot durch eine zu späte richterliche Entscheidung geheilt werden kann oder ob der Betroffene - wie bei einem Verstoß gegen die Höchstfrist der polizeilichen Gewahrsamsfrist aus § 55 Abs. 5 Satz 2 SOG M-V - ohne weiteres sofort freizulassen wäre (vgl. Jarass/Pieroth, GG, Art. 104 Rn. 24, 19, 15; Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F Rn. 596). Diese Frage bedarf vorliegend jedoch keiner Entscheidung, denn ein Verstoß gegen das Unverzüglichkeitsgebot des Art. 104 Abs. 2 GG liegt nicht vor.

28

b) Grundsätzlich sollte für das Einschalten des Richters tagsüber eine Zeit von 2 - 3 Stunden ausreichend sein (vgl. Jarass/Pieroth, GG a.a.O., Rn. 21; Marschner/Volckart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl. E, Rn. 56). Obwohl hier diese Zeitspanne erheblich überschritten wurde - zwischen der Ingewahrsamnahme um 16.15 Uhr und der richterlichen Vorführung um 22.55 Uhr verstrichen über 6 1/2 Stunden - entsprach die Sachbehandlung dem Gebot der unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung.

29

"Unverzüglich" i. S. v. Art. 104 Abs. 2 S. 2 GG ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung - wovon das Landgericht zutreffend ausgeht - ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, herbeigeführt werden muss (BVerfG a. a. O.; BVerfGE 105, 239, 249). Die Verzögerung muss bei Anlegung eines objektiven Maßstabes sachlich zwingend geboten sein (vgl. Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., Art. 104, Rn. 21). Sachliche Gründe können insoweit etwa sein die Länge des Weges vom Ort der Ingewahrsamnahme bis zur Protokollierungsstelle, das Verhalten der Betroffenen selbst oder aber Verzögerungen, die sich infolge von Massenfestnahmen aus organisatorischen Gründen ergeben (so VG Gera, Beschluss vom 03.07.2004 - 1 K 1071/00).

30

Derartige sachliche Gründe liegen vor.

31

Die zeitlichen Verzögerungen zwischen der Festnahme des Betroffenen um 16.15 Uhr bis zur Übergabe zum Transport um 18.10 Uhr und dann bis zum Eintreffen in der GESA um 20.10 Uhr ergaben sich aus der konkreten Zuführungssituation. Es wurden insgesamt 39 Personen der Gruppe festgenommen. Jeden einzelnen von ihnen mit einem Polizei-PKW zur GESA nach R. zu transportieren, wäre nicht zweckmäßig gewesen. Der gemeinsame Abtransport aller Betroffenen bedurfte der Organisation. Darauf konnte sich die Polizei im konkreten Fall nicht vorbereiten, da es sich bei dem der Ingewahrsamnahme zugrunde liegenden Geschehen nicht um eine angemeldete Demonstration handelte, sondern um eine Zusammenrottung, gegen die die Polizei aufgrund einer Meldung mit nach und nach eintreffenden Kräften spontan vorgehen musste. Trotz hoher Polizeipräsenz vor und während des G 8-Gipfels konnten die Sicherheitskräfte im Großraum R.-H.-K. nicht eine solche Vielzahl von Transportfahrzeugen vorsorglich vorhalten, dass für jeden etwaig erforderlichen Transport von Personen sofort und in örtlicher Nähe ein entsprechendes Fahrzeug zur Verfügung stand. Hinzu kommt, was dem Senat aus anderen anhängigen weiteren Beschwerdeverfahren wegen Ingewahrsamnahmen im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen den G 8-Gipfel gerichtsbekannt (so aus dem Verf. 3 W 83/07) ist, dass am 06.06.2007 - dem ersten Tag des Gipfels - G 8-Gegner eine Vielzahl von spontanen, unangemeldeten Demonstrationen durchgeführt haben, bei denen es u.a. zu Straßenblockaden kam, was die polizeilichen Transporte erschwerte. Letzteres ist auch offenkundig. Der G 8-Gipfel und die dagegen gerichteten Demonstrationen haben in diesem Zeitraum die allgemein zugänglichen Medien beherrscht. Täglich wurde mehrmals über die aktuelle Sachlage berichtet. Darüber hat sich auch der Senat informiert. Bestehen jedoch im Großraum R.-H.-K. Straßensperren und wird durch Demonstrationen und auch - wie hier - durch Straftaten die Befahrbarkeit der Straßen massenhaft eingeschränkt, so muss ein Ingewahrsamgenommener grundsätzlich gewisse Verzögerungen hinnehmen. Das gilt umso mehr, als die Polizei mit Rücksicht auf wichtige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Demonstranten und Polizeibeamten eine offiziell bekanntgegebene Deeskalationsstrategie bei den Demonstrationen verfolgte. Der Polizei kann deshalb grundsätzlich eine fehlende Unverzüglichkeit der richterlichen Vorführung eines Betroffenen wegen Transportverzögerungen nicht vorgeworfen werden. Um eine solche zu vermeiden, hätte sie nämlich jeweils die sofortige Räumung von Straßensperren bewerkstelligen müssen.

32

Die weitere Zeit nach dem Eintreffen des Betroffenen in der GESA in R. bis zur richterlichen Vorführung um 22.55 Uhr von knapp drei Stunden ist unter Berücksichtigung der Vielzahl der in Gewahrsam genommenen Personen, die alle in der GESA zunächst erfasst werden mussten, noch unverzüglich. Im Fall des Betroffenen beruhte die Verzögerung zudem darauf, dass um 21.21 Uhr die Erforderlichkeit einer ärztlichen Behandlung festgestellt wurde, er sodann um 21.56 Uhr zum Arzt verbracht wurde und von dort um 22.21 Uhr zurückkehrte.

IV.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf § 14 FEVG

Tenor

1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit es die angemeldete Kundgebung in Striesdorf, Kreuzung Birkenweg/Schlossstraße/An der Börning betrifft.

Insoweit wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin für unwirksam erklärt.

2. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts geändert:

Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die am 17. Mai 2007 bekanntgegebene Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin, soweit durch diese die von ihm für den 05. und 06. Juni 2007 angemeldete Kundgebung in Laage-Kronskamp an der Hauptwache des Fliegerhorstes Laage untersagt wird, wird mit der Maßgabe abgelehnt, dass der Antragsteller eine Kundgebung in Laage-Kronskamp beschränkt auf den jenseits der B 103 gelegenen Platz rund um die Buswendeschleife einschließlich der Buswendeschleife durchführen darf. Darüberhinaus darf der Antragsteller eine Kundgebung mit maximal 50 Teilnehmern auf der Straßenböschung angrenzend an die Fahrspur der Daimler-Benz-Allee Richtung Striesdorf gegenüber der Einfahrt zur Hauptwache des Fliegerhorstes Laage im angemeldeten Zeitraum durchführen.

Die Antragsgegnerin ist berechtigt, zusätzliche Auflagen unter strenger Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit anzuordnen.

Die Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

3. Der Antragsteller trägt 2/3 und die Antragsgegnerin 1/3 der Kosten des Verfahrens.

4. Der Streitwert wird für die Zeit vor der Abtrennung auf 10.000 Euro und für die Zeit nach der Abtrennung auf 10.000 Euro festgesetzt; insoweit wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts geändert.

Gründe

1

Der Antragsteller meldete mit Schreiben vom 27.03.2007 zwei Kundgebungen für den 05.06.2007 im Bereich des Flughafens Rostock-Laage an. Die eine Kundgebung sollte in Striesdorf Ortsmitte, Kreuzung Birkenweg/Schlossallee/An der Börning stattfinden, die andere in Laage-Kronskamp an der militärischen Haupteinfahrt (Hauptwache) zum Fliegerhorst Laage. Später wurden die Kundgebungen auf den 06.06.2007 verlängert.

2

Durch am 17.05.2007 bekanntgegebene für sofort vollziehbar erklärte Allgemeinverfügung untersagte die Antragsgegnerin unter anderem für einen zeichnerisch dargestellten Bereich rund um den Flughafen Rostock-Laage alle öffentlichen Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel für den Zeitraum vom 02.06.2007 0.00 Uhr bis 08.06.2007 24.00 Uhr. Die vom Antragsteller angemeldeten Kundgebungen unterliegen dieser Untersagung durch Allgemeinverfügung.

3

Der Antragsteller legte am 21.05.2007 gegen die Allgemeinverfügung Widerspruch ein. Zugleich beantragte er beim Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs.

4

Das Verwaltungsgericht stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs unter bestimmten Maßgaben wieder her. Die Kundgebung in Laage-Kronskamp darf danach in der Daimler-Benz-Allee zwischen der Kreuzung zur B 103 und der Abzweigung Heinrich-Lanz-Straße stattfinden. Die Kreuzung zur B 103 ist nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts von stationären Einrichtungen wie Bühnen, Lautsprecherwagen und ähnlichem freizuhalten.

5

Dagegen legten der Antragsteller und die Antragsgegnerin jeweils Beschwerde ein, die sie unter Vertiefung des bisherigen Vortrages begründeten.

6

Der Senat hat am 02.06.2007 in Laage einen Erörterungstermin unter Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten, insbesondere der angemeldeten Kundgebungsplätze und eventueller Alternativstandorte durchgeführt. Dabei haben sich die Beteiligten hinsichtlich der Kundgebung in Striesdorf auf einen Kundgebungsort, der in der Nähe der als ursprünglicher Kundgebungsort vorgesehenen Kreuzung liegt, geeinigt. Die Beteiligten haben insoweit übereinstimmend die Erledigung der Hauptsache erklärt.

7

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

8

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 29.05.2007 zu ändern und die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die am 17.05.2007 bekanntgegebene Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin insoweit wiederherzustellen, als durch sie die Durchführung der von ihm angemeldeten Kundgebung für den Bereich unmittelbar vor der Hauptwache des Fliegerhorstes Laage untersagt wird.

9

Die Antragsgegnerin beantragt,

10

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 29.05.2007 zu ändern und den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches gegen die am 17.05.2007 bekanntgegebene Allgemeinverfügung abzulehnen.

11

Für die weiteren Einzelheiten, insbesondere die Ergebnisse der Inaugenscheinnahme, wird auf das Protokoll des Erörterungstermins, die vorgelegten Verwaltungsvorgänge und die Gerichtsakte verwiesen.

II.

12

Soweit das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, ist es einzustellen und der Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 29.05.2007 insoweit deklaratorisch für unwirksam zu erklären.

13

Die Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg; auf die Beschwerde der Antragsgegnerin ist der Beschluss der Verwaltungsgerichts Schwerin zu ändern und der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs unter der sich aus dem Tenor ergebenden Maßgabe abzulehnen.

14

Die Beschwerden sind jeweils nach Maßgabe des Vorbringens in den Beschwerdeschriften gemäß § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO zu beurteilen (vgl. BVerfG, B. v. 27.1.2006 - 1 BvQ 4/06).

15

1. Bei Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass oder einen bestimmten Zeitpunkt oder Zeitraum bezogen sind, haben die Verwaltungsgerichte im Interesse des effektiven Schutzes der Versammlungsfreiheit schon im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO durch eine im Rahmen des Möglichen hinreichend intensive Prüfung der Rechtmäßigkeit der im Streit befindlichen behördlichen Maßnahme sowie des Sofortvollzugs dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Letzterer in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Weise führt (BVerfG, U. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03).

16

Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die Allgemeinverfügung, soweit sie die von dem Antragsteller angemeldete Versammlung in Laage-Kronskamp betrifft, als rechtmäßig.

17

2. Der Antragsteller ist zu Unrecht der Auffassung, dass die Antragsgegnerin für den Erlass der angefochtenen Verfügungen nicht zuständig ist. Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin ergibt sich aus § 2 a der Landesverordnung über die zuständigen Behörden nach dem Versammlungsgesetz (VersG-ZustVO) vom 21.07.1994 - GVOBl. M-V 1994, S. 804 i.d.F. der Verordnung vom 19.1.2007 - GVOBl. M-V 2007, S. 30. Diese Vorschrift ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Dies ergibt sich aus der Chronologie der Zuständigkeitsregelungen für das Versammlungsgesetz.

18

Mit Wirkung vom 21.06.1994 bestimmte Artikel 7 des Gesetzes über die Funktionalreform vom 05.05.1994 - GVOBl. M-V 1994, S. 566, dass die Aufgaben nach dem Versammlungsgesetz auf die Landkreise und die kreisfreien Städte übertragen werden, soweit nicht durch das Versammlungsgesetz oder durch Rechtsverordnung bestimmte Aufgaben staatlichen Behörden vorbehalten werden. Diese Aufgabendelegation erfolgte in den übertragenen Wirkungskreis der kommunalen Körperschaften. Von deren Inanspruchnahme im eigenen Wirkungskreis (pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben) oder in Form der Organleihe, wonach die Landräte bzw. die Oberbürgermeister (Bürgermeister) der kreisfreien Städte als untere staatliche Behörden bestimmt werden, wurde abgesehen (LT-Drs. 1/3835 S. 2). Damit stellt § 2 der Landesverordnung über die zuständigen Behörden nach dem Versammlungsgesetz (VersG-ZustVO) vom 21.07.1994 - GVOBl. M-V 1994, S. 804, der, gestützt auf § 1 Abs. 1 des Zuständigkeitsneuregelungsgesetzes vom 20.12.1990 - GVOBl. M-V S. 2, bestimmt, dass die Landräte und die Oberbürgermeister der kreisfreien Städte als Kreisordnungsbehörden die nach dem Versammlungsgesetz sachlich zuständigen Behörden sind, lediglich eine Wiederholung des Grundsatzes von Artikel 7 des Gesetzes über die Funktionalreform dar.

19

Artikel 7 des Gesetzes über die Funktionalreform enthält keine eigenständige Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung. Er bestimmt vielmehr, dass die Übertragung auf die Selbstverwaltungskörperschaften unter dem Vorbehalt steht, dass nicht bestimmte Aufgaben auf staatliche Behörde durch das Versammlungsgesetz oder Rechtsverordnung übertragen werden. Dies ist durch § 2a VersG-ZustVO geschehen. Ermächtigungsgrundlage dieser Regelung ist § 14 Abs. 1 S. 1 des Organisationsgesetzes für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Landesorganisationsgesetz - LOG M-V) vom 14.03.2005 - GVOBl. M-V 2005, S. 98. Danach kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung die zuständige Behörde bestimmen, wenn zur Ausführung von Bundesrecht eine Behörde nicht bestimmt ist. Eine solche Bestimmung trifft Artikel 7 des Gesetzes über die Funktionalreform indes nicht, da er auf eine anderweitige Regelung durch Rechtsverordnung verweist. Nach Abs. 2 sind bei der Zuständigkeitszuweisung die Maßgaben des § 3 zu beachten; mit der Zuständigkeitszuweisung wird zugleich die Aufgabe übertragen. § 14 Abs. 1 LOG M-V genügt den Anforderungen nach Art. 57 Abs. 1 Satz 2 Landesverfassung M-V (LV). Danach müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen im Gesetz bestimmt werden. Das Parlament soll sich seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft nicht dadurch entäußern können, dass es einen Teil der Gesetzgebungsmacht der Exekutive überträgt, ohne die Grenzen dieser Kompetenzen bedacht und diese nach Tendenz und Programm so genau umrissen zu haben, dass schon aus der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll. Die Ermächtigung muss in ihrem Wortlaut nicht so genau wie irgend möglich gefasst sein; sie hat nur hinreichend bestimmt zu sein. Dazu genügt es, wenn sich die dort geforderte Bestimmtheit durch Auslegung nach den allgemein gültigen Auslegungsmethoden ermitteln lässt. Auch die Entstehungsgeschichte der Norm kann herangezogen werden. Welche Bestimmtheitsanforderungen im Einzelnen erfüllt sein müssen, ist von den Besonderheiten des jeweiligen Regelungsgegenstandes sowie der Intensität der Maßnahme abhängig. Die Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm muss vor allem der Grundrechtsrelevanz der Regelung entsprechen, zu der ermächtigt wird. Greift die Regelung erheblich in die Rechtsstellung des Betroffenen ein, so müssen höhere Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigung gestellt werden, als wenn es sich um einen Regelungsbereich handelt, der die Grundrechtsausübung weniger tangiert (vgl. BVerfG, B. v. 18.07.2005 - 2 BvF 2/01 - BVerfGE 113, 167 = NVwZ 2006, 559).

20

Danach ist § 14 Abs. 1 LOG M-V wegen des Umstandes, dass er lediglich zu Regelungen der Zuständigkeit ermächtigt, hinreichend bestimmt, da nur eine eng begrenzte Ermächtigung ausgesprochen wird, die für sich genommen nicht geeignet ist, eine Verordnung mit Ermächtigung zu Maßnahmen zu erlassen. Dies gilt auch für § 14 Abs. 2 S. 2 LOG M-V, wonach mit der Zuständigkeitszuweisung auch die Aufgabe übertragen wird. Bei beiden Normen ist auch zu beachten, dass sich der Umfang der Zuständigkeit und der übertragenen Aufgabe durch das jeweilige Bundesgesetz ergibt.

21

§ 2a VersG-ZustVO ist auch mit dem gesetzlichen Vorbehalt des Artikel 7 des Gesetzes über die Funktionalreform vereinbar, weil er "bestimmte Aufgaben" nach dem Versammlungsgesetz betrifft. Die Regelung soll eine generelle Verlagerung der Zuständigkeit durch Rechtsverordnung ausschließen. Als bestimmte Aufgabe kann aber auch die Regelung der Zuständigkeit im Zusammenhang mit einem Großereignis wie im vorliegenden Fall angesehen werden. Der Aspekt der Bündelungsfunktion als Regelungsinhalt des Artikels 7 des Gesetzes über die Funktionalreform wird nicht zuletzt aus der Begründung des Gesetzentwurfes, LT-Drs. 1/3835 S. 26, deutlich. Es erscheint ausgeschlossen anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine Regelung hat treffen wollen, nach der eine solche Bündelung auch bei einem möglicherweise sehr viel kurzfristiger angesetzten Großereignis durch Änderung der Zuständigkeiten nur durch Gesetz möglich sein sollte.

22

Das Zitiergebot nach Art. 57 Abs. 1 S. 3 LV ist beachtet. Der Einleitungssatz der "Erste(n) Landesverordnung zur Änderung der Landesverordnung über die zuständigen Behörden nach dem Versammlungsgesetz" vom 19.01.2007 enthält den Hinweis auf § 14 Abs. 1 S. 1 LOG M-V. Nicht erforderlich ist, dass Artikel 1 dieser Verordnung, der die Änderungsbefehle für die VersG-ZustVO enthält, seinerseits - nochmals - § 14 Abs. 1 S. 1 LOG M-V zitiert. Die Pflicht zur Bezeichnung der Rechtsgrundlage bezieht sich gemäß Art. 57 Abs. 1 S. 1 LV auf alle Normen, die - nicht sachwidrig - jeweils zu einer Rechtsverordnung als rechtstechnische Einheit zusammengefasst werden. Dies entspricht der Staatspraxis (Nierhaus in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 80 Abs. 1 Rn. 323). Demgemäß entspricht es auch der Staatspraxis, dass bei dem Erlass oder der Änderung mehrerer Rechtsverordnungen in der Präambel der Mantelverordnung die jeweiligen Ermächtigungsgrundlagen für die nachfolgenden, jeweils einen einzelnen Artikel zugewiesenen Rechtsverordnungen genannt werden (Schneider: Gesetzgebung, 3. Auflage 2002, Rn. 241 Fußnote 21). Dass im vorliegenden Fall ein Hinweis auf Artikel 1 in der Präambel nicht enthalten ist, erklärt sich daraus, dass Artikel 2 lediglich die Inkrafttretens-Regelung der Änderungsverordnung enthält und somit keine dem Zitiergebot unterliegende eigenständige Regelung beinhaltet.

23

3. Die Beschränkung der Versammlungsfreiheit durch die Allgemeinverfügung, soweit sie die Kundgebung des Antragstellers vor der Hauptwache des Fliegerhorstes Laage betrifft, ist rechtmäßig.

24

a. Rechtsgrundlage der Allgemeinverfügung ist § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz. Danach kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei der Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist. Es kann dahinstehen, ob diese Vorschrift ein sogenanntes "Flächenverbot" rechtfertigt (ablehnend Dietel/Gintzel/Kniesel: Demonstrations- und Versammlungsfreiheit, 14. Aufl. § 15 Rn. 16; Köhler/Dürig-Friedl: Demonstrations- und Versammlungsrecht 4. Aufl. § 15 Rn. 6). Ein solches Flächenverbot steht hier nicht in Rede. Es liegt nur dann vor, wenn jedwede Versammlung unabhängig von Anlass und Zeitpunkt an einem bestimmten Ort untersagt wird (Kniesel/Poscher in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, Rn. J 364). Hier beinhaltet die Allgemeinverfügung kein generelles Verbot zur Abhaltung von Versammlungen, sondern nur ein zeitlich beschränktes und auf einen bestimmten Anlass bezogenes generelles Verbot. Die Allgemeinverfügung verbietet nicht die Durchführung von Versammlungen zu den von den Antragstellern verfolgten Zwecken, beschränkt aber für einen bestimmten Zeitraum die Modalitäten der Durchführung solcher Versammlungen in örtlicher Hinsicht. Auf diese Weise wird das Recht zur Bestimmung des Orts einer Versammlung beschränkt.

25

Der Allgemeinverfügung steht nicht entgegen, dass es sich nicht um eine Verfügung im Sinne von § 35 S. 2 zweite oder dritte Alternative VwVfG M-V handelt. Nach der hier allein in Betracht kommenden ersten Alternative dieser Vorschrift ist eine Allgemeinverfügung ein Verwaltungsakt auch dann, wenn er sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet. Es ist anerkannt, dass eine solche Allgemeinverfügung, die sich an eine Vielzahl von Veranstaltern richtet, im Sinne von § 35 Satz 2 Alt. 1 VwVfG M-V als Verbot an alle, die es angeht, auf § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz gestützt werden kann. Voraussetzung hierfür ist ein nach objektiven Merkmalen bestimmbares Gesamtgeschehen (Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 15 Rn. 17; Hättrich: Versammlungsrecht in der kommunalen Praxis Rn. 208). Im vorliegenden Fall wird durch die Allgemeinverfügung - lediglich - das Selbstbestimmungsrecht der Veranstalter auf die Bestimmung des Orts der Versammlung tangiert, soweit es um Versammlungen im konkreten Zusammenhang mit dem so genannten G 8 -Gipfel geht.

26

b. Das durch die Antragsgegnerin verhängte Versammlungsverbot könnte sich für die von dem Antragsteller angemeldete Versammlung als ein Totalverbot darstellen. Auch als solches begegnet es keinen rechtlichen Bedenken.

27

Die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit hat zum einen nur dann zurückzutreten, wenn eine Güterabwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Freiheitsrechts ergibt, dass dies zum Schutz anderer gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist. Die behördliche Eingriffsbefugnis wird zum anderen dadurch begrenzt, dass Verbote und Auflösungen nur bei einer "unmittelbaren Gefährdung" der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung statthaft sind. Durch das Erfordernis der Unmittelbarkeit werden die Eingriffsvoraussetzungen stärker als im allgemeinen Polizeirecht eingeengt. Erforderlich ist im konkreten Fall jeweils eine Gefahrenprognose. Diese enthält zwar stets ein Wahrscheinlichkeitsurteil; dessen Grundlagen können und müssen aber ausgewiesen werden. Demgemäß bestimmt das Gesetz, dass es auf "erkennbaren Umständen" beruhen muss, also auf Tatsachen, Sachverhalten und sonstigen Einzelheiten; bloßer Verdacht oder Vermutungen können nicht ausreichen. Unter Berücksichtigung der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde insbesondere bei Erlass eines vorbeugenden Verbotes keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen, zumal ihr bei irriger Einschätzung noch die Möglichkeit einer späteren Auflösung verbleibt. Insgesamt ist § 15 VersG jedenfalls dann mit Art 8 GG vereinbar, wenn bei seiner Auslegung und Anwendung sichergestellt bleibt, dass Verbote und Auflösungen nur zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und nur bei einer unmittelbaren, aus erkennbaren Umständen herleitbaren Gefährdung dieser Rechtsgüter erfolgen (BVerfG, B. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315 <352>).

28

aa. In einem ersten Schritt sind die Rechtsgüter und deren Gewicht zu ermitteln, die mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit kollidieren.

29

Eines dieser Rechtsgüter sind die Beziehungen des Bundes zu auswärtigen Staaten. Deren Pflege ist gem. Art. 32 Abs. 1 GG Sache des Bundes. Wenn - wie hier - der Besuch ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungschefs in der Bundesrepublik Deutschland nach der gerichtlich nicht zu überprüfenden Einschätzung der zuständigen Organe des Bundes der Wahrung der guten Beziehungen zu ausländischen Staaten dient, ist dieser gemäß Art. 32 GG verfassungsrechtlich geschützte Belang Teil der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (vgl. BVerfG 1. Senat 2. Kammer, B. v. 10.09.1987 - 1 BvR 1112/87 - NJW 1987, 3245; Rojahn in: von Münch/Kunig: Grundgesetzkommentar, 5. Aufl. Bd. II Art. 32 Rn. 28). Das Gewicht dieses Belanges kann nicht dadurch infrage gestellt oder gemindert werden, dass die Veranstalter der Versammlungen die Legitimität der Konferenz und deren Anliegen bezweifeln. Dies würde auf eine unzulässige politische Bewertung durch das Gericht hinauslaufen. Eine etwaige politische Einschätzung der Veranstalter können sie vielmehr im Rahmen der nach Art. 8 Abs. 1 GG garantierten Versammlungsfreiheit nach Maßgabe der oben dargelegten Abwägungsgrundsätze mit Wirkung für die Öffentlichkeit äußern. Soweit auswärtige Beziehungen durch Demonstrationen und Kundgebungen gegenüber fremden Staaten, die eine Duldung derartiger Vorgänge als unfreundlichen Akt empfinden, belastet werden, können daher die zuständigen Behörden - unter Beachtung von Art. 8 GG - eingreifen (Rojahn a.a.O.). Zu den relevanten außenpolitischen Gesichtspunkten zählt nach Auffassung des Senats auch die Frage der persönlichen Sicherheit der Staatsgäste und die von nennenswerten Störungen des Ablaufs freie Durchführung des Staatsbesuches. Eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit im Hinblick auf den Ort einer Veranstaltung ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht erst dann gerechtfertigt, wenn die konkrete Gefahr für Leib oder Leben eines der Staatsgäste oder der Delegationen dargelegt ist. Vielmehr darf die Antragsgegnerin grundsätzlich davon ausgehen, dass es im außenpolitischen Interesse liegt, wenn Gefahren bereits im Vorfeld einer konkreten Gefährdung nach Möglichkeit abgewendet werden. Insoweit verweist die Allgemeinverfügung in ihrer Begründung S. 13 unter III. rechtlich unangreifbar auch auf das Ansehen der Bundesrepublik, die als Gastgeberstaat für den Schutz der Staatsgäste und den reibungslosen Verlauf des Staatsbesuches verantwortlich ist.

30

Als weiteres Rechtsgut ist das in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verankerte Recht auf körperliche Unversehrtheit zu berücksichtigen. Unmittelbar verfassungsgeboten ist danach auch die Gefahrenvorsorge durch Rechtsetzung und weitere Maßnahmen staatlicher Steuerung (vgl. Kunig in Münch/Kunig, a.a.O., Bd. I Art. 2 Rn. 68). Diese lässt vorliegend für die im Flughafenbereich anwesenden Personen (neben den Staatsgästen vor allem die Bundeswehrangehörigen und das Sicherheits- und Servicepersonal) eine ausreichende Vorsorge gegenüber gewalttätigen Übergriffen wie auch das Vorhalten ausreichender Rettungs- und medizinischen Versorgungsmöglichkeiten, wie sie dem im Erörterungstermin näher dargelegten Sicherheitskonzept der Antragsgegnerin zugrunde liegen, für erforderlich erscheinen.

31

Auf der anderen Seite ist das Gewicht des Grundrechtes aus Art. 8 Abs. 1 GG einzustellen. Art. 8 GG schützt allerdings ein Selbstbestimmungsrecht über die Art der kommunikativen Äußerung nicht, soweit durch sie Rechtsgüter anderer beeinträchtigt werden. Diese Beschränkung betrifft auch die Verwirklichung des von Art. 5 und 8 GG grundsätzlich miterfassten Anliegens, mit der Äußerung Aufmerksamkeit bei Anwesenden (und in den Medien) zu erzielen (vgl. BVerfG, 1. Senat 1. Kammer, B. v. 26.03.2001, a.a.O.). Die Versammlungsfreiheit ist als wesentliches Element der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung geschützt (vgl. BVerfG, B. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315) und kann grundsätzlich nicht für die Durchsetzung einer unmittelbaren persönlichen Meinungsäußerung gegenüber dem politischen Gegner herangezogen werden.

32

bb. Zwischen den Belangen, das heißt den so umschriebenen außenpolitischen Interessen, dem Recht auf körperliche Unversehrtheit und dem ebenfalls fundamentalen Grundrecht der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG ist auch im konkreten Fall eine praktische Konkordanz herzustellen. Daraus ergibt sich, dass die Berufung auf Art. 8 Abs. 1 GG nur solange zulässig ist, als die Staatsveranstaltung in ihrer Durchführung nicht wesentlich beeinträchtigt wird (Kniesel in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts 3. Aufl. Kap. H Rn. 18). Dies wiederum setzt eine Prognose voraus, ob bestimmte Ereignisse eintreten können und diese geeignet sind, die Durchführung der Staatsveranstaltung wesentlich zu beeinträchtigen. Damit ist zugleich gesagt, dass ein gänzliches Zurücktreten der Demonstrationsfreiheit verfassungsrechtlich unzulässig ist.

33

cc. Die von der Antragsgegnerin in der Begründung der Allgemeinverfügung dargelegten ab-strakten Gefahren für die Staatsgäste sowie den Flughafenbetrieb sind unter Berücksichtigung der Erläuterungen im Erörterungstermin und den Ergebnissen der Augenscheineinnahme nachvollziehbar. Bei dem oben angeführten allgemeinen Interesse der Bundesrepublik Deutschland kommt es hierbei nicht darauf an, ob insoweit konkrete Gefahren nachweisbar sind.

34

Das Flughafengelände ist - auch im Bereich der Hauptwache - nur von einem einfachen Maschendrahtzaun umgeben, dessen Überwindung keine größeren (technischen) Schwierigkeiten macht. Besondere technische Sicherungen des Flughafengeländes aufgrund seiner Nutzung für den Staatsbesuch in Heiligendamm sind nicht erfolgt. Würde eine Versammlung mit ca 1.500 Teilnehmern in unmittelbarer Nähe des Maschendrahtzaunes durchgeführt, ist es keinesfalls ausgeschlossen, dass Versuche unternommen werden, den Zaun zu überwinden und durch Aktionen gleich welcher Art auf dem Gelände des Flughafens den Ablauf des Staatsbesuches zu behindern und zu stören. Die Antragsgegnerin hat im Erörterungstermin für den Senat nachvollziehbar erläutert, dass es ihr angesichts der Größe des Flughafens und der begrenzten Anzahl von zur Verfügung stehenden Polizeibeamten nicht möglich ist, sowohl den Flughafen in seiner gesamten Ausdehnung in der erforderlichen Intensität zu schützen sowie zeitgleich die von dem Antragsteller angemeldete Kundgebung so polizeilich zu begleiten, dass ausgeschlossen werden kann, dass aus der Kundgebung heraus - von dem Anmelder unbeabsichtigt - Störungen des Flughafenbetriebes erfolgen können. Die Antragsgegnerin hat für den Senat weiter nachvollziehbar dargestellt, dass der Flughafen Rostock-Laage während der gesamten Dauer des Staatsbesuches für dessen reibungslose Durchführung erforderlich ist. Störungen des Betriebes des Flughafens können sich auch dann negativ auf den Ablauf des Staatsbesuches auswirken, wenn sie nicht direkt die Ankunft oder den Abflug der Staatsgäste und ihrer Delegationen betreffen. Unter diesen Umständen muss das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zurücktreten.

35

Zu berücksichtigen ist auch die - wenn auch nach den Angaben des Antragstellers nicht beabsichtigte - rein faktische Blockadewirkung einer über zwei Tage sich erstreckenden Kundgebung von ca 1.500 Personen direkt im Bereich der Einfahrt zur Hauptwache des Fliegerhorstes. Auf diese Weise würde ein im Sicherheitskonzept der Antragsgegnerin nachvollziehbar für erforderlich gehaltener Rettungsweg für die Zeitdauer der Kundgebung faktisch versperrt. Die Daimler-Benz-Allee, auf die die Einfahrt der Hauptwache einmündet, ist Teil der Verbindungsstraße zwischen der B 103 und Striesdorf. Durch diese Verbindungsstraße werden aus dem Flughafengelände nach Norden führende Rettungswege an das öffentliche Straßennetz angebunden. Die Antragsgegnerin hat für den Senat nachvollziehbar ausgeführt, dass dieser Rettungsweg im Notfall von großer Bedeutung ist, weil dies für die nördlichen Ausgänge (Crash-Tore) der kürzeste Weg zur B 103 ist und daher freigehalten werden muss. Durch die angemeldete Kundgebung wird auch die Mobilität der Sicherheitskräfte eingeschränkt, die darauf verwiesen werden, ausschließlich so genannte Crash-Tore zu benutzen. Mit Blick auf die besondere Situation des Staatsbesuches, der zu einer ungewöhnlich hohen Zahl von Protestveranstaltungen geführt hat und auch eine große Zahl gewalttätiger Störer anzieht, deren Verhalten nicht vom Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit gedeckt wird, ist es aus Sicht des Senats nicht unverhältnismäßig, wenn unter Hintanstellung der Versammlungsfreiheit die Rettungs- und Sicherheitskräfte die Möglichkeit haben, die Ausfahrt der Hauptwache des Fliegerhorstes Laage ohne jegliche Behinderung zu Zwecken der Gefahrenabwehr zu nutzen.

36

Dies ist im vorliegend Fall unter Berücksichtigung der Maßgaben dieses Beschlusses nicht unverhältnismäßig, weil der kommunikative Zweck der Versammlung, der sich an die Öffentlichkeit richtet, nicht verfehlt oder auch nur erheblich beeinträchtigt wird. Die Kundgebung kann an einem Ort stattfinden, an dem die zur Hauptwache des Fliegerhorstes führende Straße, die Daimler-Benz-Allee, in die B 103 einmündet. Wer zum Fliegerhorst gelangen will, wird der Kundgebung gewahr. Die Kundgebung kann auf diese Weise zum einen auf die Personen einwirken, die beruflich mit dem Fliegerhorst zu tun haben und zum anderen findet sie noch in einer räumlichen Nähe zum Fliegerhorst statt, so dass der vom Anmelder gesehene Bezug der Kundgebung zur Örtlichkeit des Fliegerhorstes nicht in unverhältnismäßiger Weise gelöst worden ist. Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit lässt der Senat zudem eine - kleine - Kundgebung in unmittelbarer Nähe zur Hauptwache des Fliegerhorstes Laage zu. Diese Kundgebung steht in einem inneren Zusammenhang mit der Kundgebung auf dem Platz der Buswendeschleife. Dieser Zusammenhang kann auf Transparenten und Plakaten deutlich gemacht werden. Schließlich ist in Absprache mit der Polizei vor Ort ein Austausch der Kundgebungsteilnehmer möglich, damit die Teilnehmer der Kundgebung vor der Hauptwache nicht während zweier Tage dort ausharren müssen.

37

Die vom Senat ausgesprochene Maßgabe beruht auf folgenden Überlegungen: Der Senat hat in seiner Entscheidung zur Mahnwache anlässlich des 40. Jahrestages des Beginns des so genannten Sechs-Tage-Krieges (B. v. 01.06.2007 - 3 M 58/07) näher erläutert, dass die Allgemeinverfügung im Lichte des Grundrechts des Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszulegen ist. Im Sinne einer ermächtigungskonformen Auslegung ist die Allgemeinverfügung nur eingeschränkt anzuwenden, wenn es um eine Versammlung geht, die nach Art und Umfang eine von der der Allgemeinverfügung zu Grunde liegenden Rechtsgüterabwägung abweichende Beurteilung erfordert. Bei diesem Verständnis der Allgemeinverfügung ist eine Kundgebung an dem im Tenor beschriebenen Ort in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zulässig. Die Antragsgegnerin hat im Erörterungstermin klargestellt, dass eine solche Kundgebung an diesem Ort keine Gefahr für den Flughafenbetrieb und die Rettungswege darstellt.

38

Die Antragsgegnerin als zuständige Ordnungsbehörde ist berechtigt, im konkreten Einzelfall auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz weitere Auflagen auszusprechen. Diese können insbesondere bei der Kundgebung vor der Hauptwache mitgeführte Gegenstände, zum Beispiel Transparente und Plakate betreffen (OVG Hamburg, B. v. 26.05.2007 - 4 Bs 130/07 -; BVerfG 1. Kammer des 1. Senats, B. v. 27.05.2007, 1 BvQ 16/07).

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Der Antragsteller obsiegt nur in einem geringen, kostenmäßig aber bezifferbaren Umfang, weil er in Striesdorf eine Kundgebung innerhalb des Geltungsbereiches der Allgemeinverfügung durchführen kann. Im Übrigen hat er als Unterlegener die Kosten des Verfahrens zu tragen.

40

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 63 Abs. 3 Satz 3, 47, 53 Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG. Es handelt sich um zwei Kundgebungen, so dass eine entsprechende Verdoppelung des Streitwertes aus § 52 Abs. 2 VwGO, der wegen der Vorwegnahme der Hauptsache nicht verringert wird, angemessen ist.

41

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 S.5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Tenor

Die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Landgerichts Rostock vom 04.06.2007 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gegenstandswert der Beschwerde: bis 1.000,00 €

Gründe

I.

1

Die Personalien des Betroffenen sollten am 03.06.2007 gegen 22.17 Uhr in W. bei R. nahe der JVA polizeilich überprüft werden. Er hielt sich dort gemeinsam mit acht weiteren Personen, unter anderem dem S. S. neben einem Pkw auf, in dem Transparente mit den Aufschriften "Free all now" und "Freedom for prisoners" vorgefunden wurden. Der Betroffene widersetzte sich den Anordnungen der Polizeibeamten zur Feststellung seiner Identität und griff einen von ihnen körperlich an. Daraufhin nahm ihn die Polizei in Gewahrsam und verbrachte ihn in die Gefangenensammelstelle. Sie stellte fest, dass der Betroffene bereits im Jahre 2002 wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr auffällig geworden war. Nach richterlicher Vernehmung ordnete das Amtsgericht Rostock durch Beschluss vom 04.06.2007 mit sofortiger Wirksamkeit die Fortdauer des polizeilichen Gewahrsams bis zum 09.06.2007, 12.00 Uhr an.

2

Gegen diesen Beschluss legte der Betroffene Beschwerde ein, die das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss nach Anhörung des Betroffenen zurückwies.

3

Der Betroffene hat sich in den Anhörungen vor dem Amts- und dem Landgericht nicht zur Sache eingelassen.

4

Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt der Betroffene vor, die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V lägen nicht vor, da die Begehung einer Straftat weder begonnen noch eine solche unmittelbar bevorgestanden habe. Eine Widerstandshandlung gegen Polizeibeamte reiche für eine solche Gefahrenprognose nicht aus. Die Tatsache, dass in dem Fahrzeug, neben dem der Betroffene sich aufgehalten habe, Transparente aufgefunden worden seien, auf denen Schriftzüge wie "Free all now" und "Freedom for prisoners" aufgebracht waren, rechtfertige nicht die Annahme, er werde demnächst eine Straftat begehen. Das englische Verb "free" heiße übersetzt in erster Linie "freilassen". Die Auslegung der Polizei, es handele sich um eine Aufforderung an einen unbestimmten Personenkreis, die Gefängnisse zu stürmen und dort Gefangene zu befreien, sei lebensfremd. Der Personenkreis, an den sich die Transparente richteten, sei sehr gering gewesen. Die Transparente hätten sich ihrem Inhalt nach an die Polizeiführung K. gerichtet. Der Beschwerdeführer sei nicht vorbestraft. Ein Verfahren gegen ihn wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr im Jahr 2002 sei eingestellt worden.

5

Außerdem sei das Unverzüglichkeitsgebot des Art. 104 Abs. 2 GG verletzt. Die richterliche Entscheidung des Landgerichts sei nicht unverzüglich herbeigeführt worden, da die Anhörung von der Kammer erst am 04.06.2007 um 20.45 Uhr erfolgt sei. Der Verstoß gegen das Unverzüglichkeitsgebot mache die Freiheitsentziehung rechtswidrig.

6

Der Antragsteller hat im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht zur Sache Stellung genommen.

II.

7

Die weitere Beschwerde des Betroffenen ist zulässig, jedoch unbegründet. Gem. §§ 3 S. 2 FEVG, 27 FGG ist der Senat darauf beschränkt, die angegriffene Entscheidung daraufhin zu überprüfen, ob sie auf einer Rechtsverletzung beruht. Dies ist nicht der Fall.

8

Bei der Entscheidung über die Fortdauer der Ingewahrsamnahme haben die Vorinstanzen richtig festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 2 a SOG M-V zum Zeitpunkt ihrer Entscheidungen weiterhin gegeben waren. Außerdem lagen die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 2c SOG-MV vor, denn der Betroffene war bereits aus vergleichbarem Anlass 2002 als Störer angetroffen worden. Die Fortdauer der Ingewahrsamnahme war zur Abwendung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung unerlässlich.

9

Die richterliche Entscheidung gemäß § 56 Abs. 5 SOG M-V erfasst zum einen eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des vorangegangenen polizeilichen Zugriffs und hat zum anderen über die Erforderlichkeit der Fortdauer des Gewahrsams zu befinden. Dies erfordert die Prüfung, ob im Zeitpunkt seiner Entscheidung die Fortdauer der Freiheitsentziehung zur Abwehr der fortbestehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung geboten ist.

10

a) Hierbei hat sich der Richter zunächst damit auseinanderzusetzen, ob die Polizeibeamten den Betroffenen zu Recht in Gewahrsam genommen haben. War die Ingewahrsamnahme bereits rechtswidrig, so lässt sich ihre Fortdauer allenfalls dann rechtfertigen, wenn neue Erkenntnisse hinzukommen. Bei der Beurteilung der Rechtmäßig- oder Rechtswidrigkeit der polizeilichen Ingewahrsamnahme ist auf die Situation unmittelbar vor dem Zugriff abzustellen. Für die Annahme einer polizeilichen Gefahr genügt es, dass bei objektiver Sicht zur Zeit des polizeilichen Einschreitens die Tatsachen auf eine drohende Gefahr hindeuten, ohne dass sofort eindeutig Klarheit geschaffen werden kann (BGH, Beschl. vom 27.10.1988 - III ZR 256/87, BGHR Verwaltungsrecht, Allg. Grundsätze, Polizeirecht 1; OLG Hamm, Urt. v. 07.06.1978 - IV A 330/77, NJW 1980, 138). Spätere Erkenntnisse nach eingehender Beweisaufnahme sind nicht zu berücksichtigen, da diese den vollziehenden Polizeibeamten vor Ort nicht zur Verfügung standen.

11

Die auf eine polizeiliche Gefahr deutenden Tatsachen waren vorliegend gegeben, denn der Betroffene gehörte augenscheinlich zu einer Gruppe von neun Personen, die mit einem Pkw aus B. in Richtung R. angereist war, um dort mit Transparenten an einer Demonstration teilzunehmen. Diese Transparente konnten ihrem Inhalt nach dazu auffordern bzw. dazu anstiften, eine Gefangenenbefreiung im Sinne von § 120 StGB zu begehen. Insbesondere das Transparent mit der Aufschrift "Free all now" kann so gedeutet werden, dass dazu aufgerufen wird, alle Gefangenen zu befreien, wenn die Gruppe zugleich das Transparent mit der Aufschrift "Freedom for prisoners" bei sich führt. Für die Polizeibeamten bestand der begründete Verdacht der Gefahr einer unmittelbar bevorstehenden Begehung einer Straftat (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 a SOG M-V). Dabei musste nicht angenommen werden, dass die Transparente an Ort und Stelle - etwa vor der JVA W. - ausgerollt und gezeigt werden. Vielmehr konnte vermutet werden, dass sich der Betroffene und seine Begleiter in das Stadtgebiet von R. zu den dort stattfindenden, teilweise gewalttätigen Demonstrationen begaben und sie dort zeigten. Damit konnte eine gewaltbereite Menge durchaus dazu bewogen werden, Gefangene, die in Polizeigewahrsam genommen worden waren und in eine Sammelstelle oder in die JVA verbracht werden sollten, zu befreien. Zur Abwendung dieser Gefahr war die Ingewahrsamnahme des Betroffenen unerlässlich. Dabei mussten die Polizeibeamten besonders die am 02. und 03.06.2007 in R. bestehende allgemeine Gefahrenlage berücksichtigen. An diesen Tagen war es in R. in der Innenstadt zu äußerst gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen. Wenn sich der Betroffene in einer solchen Situation mit Transparenten in den R. Raum begab, deren Aufschriften als Aufforderung zu strafbaren Handlungen verstanden werden konnten, so musste er mit polizeilichen Maßnahmen rechnen. Hier kommt hinzu, dass er sich selbst gewaltbereit zeigte, indem er einen Polizeibeamten angriff und bei der Feststellung seiner Personalien Widerstand leistete. Außerdem war er bereits 2002 wegen eines Eingriffs in den Bahnverkehr im Zusammenhang mit den Castor-Transporten auffällig geworden, so dass der Tatbestand des § 55 Abs. 1 Nr. 2c des SOG M-V vorlag. Auf eine Bestrafung des Betroffenen kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, da es bei der Gefahrenabwehr nur um die Störereigenschaft geht.

12

Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gem. Art. 5 GG steht dem nicht entgegen. Dem Betroffenen ist zuzugeben, dass die Aufschriften auf den Transparenten mehrdeutig sind. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 - ausgesprochen, dass ein Strafgericht bei mehrdeutigen Äußerungen, die zur Verurteilung führende Bedeutung nicht zugrundelegen darf, ohne vorher die anderen möglichen Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen zu haben. Vorliegend geht es indes nicht um eine strafgerichtliche Verurteilung, sondern um eine situationsbedingte, kurzfristig durchzuführende Maßnahme zur Gefahrenabwehr und einer damit verbundenen Beurteilung einer konkreten Gefahrenlage. In der in und um R. bestehenden angespannten Situation musste es der Polizei erlaubt sein, auch missverständliche Meinungskundgebungen zu unterbinden, die möglicherweise zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen konnten.

13

b) Der Richter hat außerdem festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 2, 3 SOG M-V weiterhin gegeben sind, d. h. die Fortdauer der Ingewahrsamnahme zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung unerlässlich ist. Der Richter muss über die Fortdauer des Gewahrsams anhand einer Prognose entscheiden (§ 56 Abs. 5 Satz 1 SOG M-V). Die Rechtmäßigkeit der vorangegangenen Ingewahrsamnahme durch die Polizeibeamten allein indiziert nicht die Rechtmäßigkeit der richterlich angeordneten Fortdauer der Ingewahrsamnahme. Vielmehr hat das Amtsgericht zu prüfen, ob im Fall der Freilassung weiterhin die Gefahr besteht, dass der Betroffene nach Freilassung seine Straftat fortsetzen oder eine weitere Straftat begehen bzw. weiterhin die öffentliche Sicherheit und Ordnung stören wird (Senatsbeschl. v. 16.04.2007 - 3 W 119/06). Das Landgericht hat in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt, auf welche tatsächlichen Anhaltspunkte sich diese Überzeugung stützt. Dem tritt der Senat bei. Aus dem Mitführen der Transparente, der einschlägigen Vorbelastung und der Gewaltbereitschaft des Betroffenen folgt die Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Wenn er aus B. nach R. anreisend solche Transparente mit sich führt, kann vermutet werden, dass er sie dort und in der Umgebung des Tagungsortes des G 8-Gipfels zu Demonstrationszwecken benutzen wird. Dass daraus eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entsteht, folgt aus den vorstehenden Ausführungen des Senats. Der Betroffene ist dem nicht entgegengetreten und hat sich nicht zur Sache eingelassen.

14

Die Dauer der angeordneten Freiheitsentziehung ist verhältnismäßig und nicht zu beanstanden. Die Gefahrenlage im Großraum R., insbesondere in H. besteht fort. Aus dem Bericht der Polizeidirektion R. vom 06.06.2007 und Medienberichten geht hervor, dass Globalisierungsgegner in hoher Zahl (6000 bis 10000 Personen) mit zum Teil hoher Gewaltbereitschaft sich in Richtung H. bewegen und zur Stürmung des Dammes aufrufen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Betroffene mit den Transparenten hieran beteiligt und damit andere Teilnehmer zur Gefangenenbefreiung aufstachelt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Gefahrenlage noch bis zum Ende der angeordneten Freiheitsentziehung am 09.06.2007 12.00 h andauert. Dass sich die Massendemonstrationen schon vor der Beendigung des G8-Gipfeltreffens vollständig auflösen und die Teilnehmer abreisen, kann nicht angenommen werden.

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c) Mit seinem Einwand, es liege ein Verstoß gegen das Unverzüglichkeitsgebot des Art. 104 Abs. 2 GG vor, dringt der Betroffene nicht durch. Gem. Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG ist bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Dies geschah im vorliegenden Falle, da der Betroffene ohne schuldhafte Verzögerung der Polizei, nämlich am 04.06.2007 um 03.40 h dem Richter am Amtsgericht vorgeführt wurde. Für das weitere Verfahren gilt dieses strikte Unverzüglichkeitsgebot nicht. Zwar sind Beschwerden gegen Freiheitsentziehungsmaßnahmen im Rahmen des gerichtlichen Geschäftsganges vorrangig und eilig zu behandeln. Dies bedeutet nicht, dass eine Entscheidung des Beschwerdegerichtes unverzüglich i. S. v. Art. 104 GG herbeizuführen ist. Vielmehr ist auch hierbei auf den Geschäftsgang des betreffenden Gerichts Rücksicht zu nehmen. Vorliegend wurde der Betroffene noch am Tage der Anhörung vor dem Amtsgericht dem Landgericht vorgeführt und dort nochmals angehört. Eine verzögerliche Behandlung des Verfahrens kann den Vorinstanzen nicht vorgeworfen werden.

III.

16

Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe musste abgewiesen werden, da die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht (§§ 14 FGG, 114 S. 1 ZPO). Im übrigen hat der Betroffene seine Bedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht, da er keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt hat.

IV.

17

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 14 FreihEntzG.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.