Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 29. März 2016 - 20 RR 20/16

bei uns veröffentlicht am29.03.2016

Tenor

I. Die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Rostock vom 16.09.2015 - 28 Ds 253/15 - wird als unbegründet verworfen.

II. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht Rostock hat den Angeklagten mit Urteil vom 16.09.2015 wegen schweren Landfriedensbruchs in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen § 27 Abs. 2 Nr. 2 VersG (“Vermummungsverbot“) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt.

2

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte (Sprung-)Revision eingelegt, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

3

Die Generalstaatsanwaltschaft Rostock hat mit Stellungnahme vom 01.03.2016 beantragt, den Schuldspruch insoweit aufzuheben, als das Amtsgericht den Angeklagten wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz schuldig gesprochen hat und die Revision im Übrigen zu verwerfen.

II.

4

Die gemäß § 333 StPO statthafte Revision ist auch im Übrigen zulässig, erweist sich jedoch als in vollem Umfang unbegründet. Hinsichtlich der von der Verteidigung ausgeführten Verfahrensrügen verweist der Senat insoweit auf die zutreffenden und nicht ergänzungsbedürftigen Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer o.g. Zuschrift.

5

Auch die Sachrüge greift insgesamt nicht durch. Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft begegnet das angefochtene Urteil auch insoweit keinen revisionsrechtlichen Bedenken, als das Tatgericht den Angeklagten tateinheitlich zum schweren Landfriedensbruch wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz schuldig gesprochen hat.

6

Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes neben einem Vergehen nach den §§ 125, 125a StGB der ebenfalls erfüllte Straftatbestand des § 27 VersG a.F. zurücktritt, da dessen Unrechtsgehalt - das Mitführen von Waffen u.ä. - von der Verurteilung wegen Landfriedensbruchs in einem besonders schweren Fall mit erfasst ist (vgl. Beschlüsse vom 21.09.1984, 3 StR 395/84, NJW 1985, 50108.08.1984, 3 StR 302/84; 12.06.1984, 3 StR 228/84; 04.05.1984, 3 StR 126/84, StV 1984, 330; ohne differenzierende Überlegungen zum neuen VersG insoweit auch Fischer, StGB, 63. Aufl. § 125a Rdn. 11 und S/S-Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl. § 125a Rdn. 32), kann dies für einen Verstoß gegen § 27 Abs. 2 Nr. 2 VersG n.F. keine Geltung beanspruchen, da der Schutzzweck letztgenannter Norm auf die Sicherung der Effizienz behördlicher Ermittlungs- und Vollstreckungsmaßnahmen (vgl. Lk/v. Bubnoff, StGB, 11. Aufl. § 125 Rdn. 24), jedoch gerade nicht auf die potentielle Gefährlichkeit des Mitsichführens von Waffen (vgl. § 27 Abs. 2 Nr. 3 VersG) als eines mit § 125a Satz 2 StGB identischen Schutzzwecks gerichtet ist.

7

Soweit in der Literatur zum Grundtatbestand des § 125 StGB die Auffassung vertreten wird (Fischer, a.a.O. § 125 Rdn. 22; S/S-Sternberg-Lieben, a.a.O. § 125 Rdn. 31f.; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl. § 125 Rdn. 109 unter Verweis auf LK/v. Bubnoff, 11. Aufl., § 125 Rdn. 24, 27), § 27 Abs. 2 VersG trete als „Vorfelddelikt“ gegenüber dem Grundtatbestand des § 125 StGB insgesamt zurück, vermag der Senat dem jedenfalls für die Verwirklichung von § 27 Abs. 2 Nr. 2 VersG (“Vermummungsverbot“) nicht zu folgen. Die Vorverlagerung des Schutzzwecks des § 125 StGB in das Versammlungsgesetz mit der Folge der Konsumtion des Letzteren betrifft allein den Teil der von § 27 Abs. 1 und 2 VersG erfassten Tatbestandsalternativen, die der Abwehr der Gefahr des Tragens von Waffen oder sonstiger gefährlicher Gegenstände dienen (Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 lit.a.), jedoch gerade nicht das „Vermummungsverbot“ (so tendenziell auch LK/v. Bubnoff a.a.O. Rdn. 27: „diese Tatbestandsalternative steht in engem Zusammenhang mit dem Landfriedensbruch“; vgl. insoweit auch BT-DrS 11/2834, S. 12 re.Sp. “oder eine Aufmachung tragen, die geeignet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern“). Vielmehr verbietet der im Vergleich zu § 125 StGB divergierende Schutzzweck des § 27 Abs. 2 Nr. 2 VersG die Annahme der Subsidiarität auch hinsichtlich des Grundtatbestands des Landfriedensbruchs.

III.

8

Die Revision des Angeklagten war daher insgesamt als unbegründet zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO), was ungeachtet der von der Generalstaatsanwaltschaft beantragten Teilaufhebung, die in der Sache jedoch auf eine reine Schuldspruchberichtigung hinausgelaufen wäre, möglich ist (Meyer-Goßner, StPO, 58. Aufl, § 349 Rdz. 22; § 354 Rdz. 12ff., 20).

9

Einer Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof bedurfte es nicht, weil dessen entgegenstehende Rechtsprechung sich auf die frühere Fassung von § 27 VersG bezieht.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafgesetzbuch - StGB | § 125 Landfriedensbruch


(1) Wer sich an 1. Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder2. Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit,die aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften begangen werden, als Tä

Strafprozeßordnung - StPO | § 333 Zulässigkeit


Gegen die Urteile der Strafkammern und der Schwurgerichte sowie gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Urteile der Oberlandesgerichte ist Revision zulässig.

Strafgesetzbuch - StGB | § 125a Besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs


In besonders schweren Fällen des § 125 Abs. 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. eine Schußwaffe bei sich führt,2. eine andere Waffe oder ein ande

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Gegen die Urteile der Strafkammern und der Schwurgerichte sowie gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Urteile der Oberlandesgerichte ist Revision zulässig.

(1) Wer sich an

1.
Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder
2.
Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit,
die aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften begangen werden, als Täter oder Teilnehmer beteiligt oder wer auf die Menschenmenge einwirkt, um ihre Bereitschaft zu solchen Handlungen zu fördern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Soweit die in Absatz 1 Nr. 1, 2 bezeichneten Handlungen in § 113 mit Strafe bedroht sind, gilt § 113 Abs. 3, 4 sinngemäß. Dies gilt auch in Fällen des § 114, wenn die Diensthandlung eine Vollstreckungshandlung im Sinne des § 113 Absatz 1 ist.

In besonders schweren Fällen des § 125 Abs. 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schußwaffe bei sich führt,
2.
eine andere Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
3.
durch eine Gewalttätigkeit einen anderen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
4.
plündert oder bedeutenden Schaden an fremden Sachen anrichtet.

(1) Wer sich an

1.
Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder
2.
Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit,
die aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften begangen werden, als Täter oder Teilnehmer beteiligt oder wer auf die Menschenmenge einwirkt, um ihre Bereitschaft zu solchen Handlungen zu fördern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Soweit die in Absatz 1 Nr. 1, 2 bezeichneten Handlungen in § 113 mit Strafe bedroht sind, gilt § 113 Abs. 3, 4 sinngemäß. Dies gilt auch in Fällen des § 114, wenn die Diensthandlung eine Vollstreckungshandlung im Sinne des § 113 Absatz 1 ist.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.