Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 27. Apr. 2017 - 4 UF 19/17

ECLI: ECLI:DE:OLGNAUM:2017:0427.4UF19.17.00
published on 27/04/2017 00:00
Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 27. Apr. 2017 - 4 UF 19/17
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Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Quedlinburg vom 26. Januar 2017 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben.

Der Wert der Beschwerde wird auf 852,00 EUR festgesetzt.

II. Der Antrag des Beschwerdeführers, ihm für das Rechtsmittel Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Gründe

1

[A]

2

Mit Antragsschrift vom 9. November 2016 hat der Antragsteller unter Hinweis auf die Erwerbsobliegenheit der Antragsgegnerin und seine reduzierte Leistungsfähigkeit die Abänderung einer den Trennungsunterhalt der Beteiligten regelnden einstweiligen Anordnung des Amtsgerichts Quedlinburg vom 17. Dezember 2015 beantragt. Nach mündlicher Verhandlung hat das Amtsgericht mit einem am 26. Januar 2017 verkündeten Beschluss seine Entscheidung vom 17. Dezember 2015 teilweise aufgehoben, soweit der Antragsteller danach ab Dezember 2016 mehr als 142,00 EUR Trennungsunterhalt zu zahlen hatte.

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Gegen diese, seiner Verfahrensbevollmächtigten am 1. Februar 2017 zugestellte Entscheidung hat der Antragsteller mit einem am 20. Februar 2017 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und Verfahrenskostenhilfe für das sogleich begründete Rechtsmittel beantragt.

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Mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 8. März 2017 wurde der Antragsteller auf die Unzulässigkeit der Beschwerde im Verfahren der einsteiligen Anordnung hingewiesen. Hieraufhin hat der Beschwerdeführer behauptet, mit seinem Antrag beim Amtsgericht das Hauptsacheverfahren betrieben zu haben. Augenscheinlich habe die Eingangsinstanz dies ebenso gesehen. Hierfür spräche nicht zuletzt die Rechtsmittelbelehrung des Amtsgerichts. Hilfsweise beantragt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den Stand vor der versäumten Beschwerdefrist.

5

[B]

6

I. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb nach § 68 II 2 FamFG zu verwerfen.

7

1. Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts erging im Verfahren der einstweiligen Anordnung und ist deshalb nicht anfechtbar (§§ 113 I; 57 1 FamFG). Entgegen seiner Darstellung hat der Antragsteller kein Hauptsacheverfahren betrieben, sondern einen Antrag im Verfahren der einstweiligen Anordnung gestellt, den das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss beschied.

8

Prozesshandlungen, wozu auch der erstinstanzliche Antrag des Antragstellers zählt, sind einer Auslegung zugänglich. Es gelten die Auslegungsgrundsätze der §§ 133; 157 BGB. Maßgeblich ist der für den objektiven Empfänger erkennbare Sinn. Im Zweifel wird das angestrebt, was nach den Maßstäben des Rechts vernünftig und dem recht verstandenen Interesse des Handelnden entspricht. Es ist hingegen nicht möglich, einer eindeutigen Erklärung nachträglich den Sinn zu geben, der dem (Rechtsmittel-) Interesse des Antragstellers am besten entspricht (Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., vor § 128 Rdn. 25 m.w.N.).

9

Der Antragsteller war auf Grund einer einstweiligen Anordnung des Amtsgerichts, die auf § 246 FamFG fußte, zu Trennungsunterhaltszahlungen verpflichtet. Er stellte einen „Antrag auf Abänderung“, der auf Aufhebung der Unterhaltsverpflichtung gerichtet war. Dieser Wortlaut entspricht § 54 I 1, III 1 FamFG. Durch einen solchen Antrag kann insbesondere die Herabsetzung oder Aufhebung der Unterhaltspflicht betrieben werden (Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 11. Aufl., § 246 Rdn. 11). Dies ist ein einfacher und kostengünstiger Weg, der aus Sicht des Antragstellers zweckmäßig und vernünftig war. Die grundsätzliche Trennungsunterhaltsverpflichtung für die Vergangenheit wurde nicht in Zweifel gezogen und deshalb kein die Hauptsache kennzeichnender Antrag auf negative Feststellung (vgl. Bumiller/Harders/Schwamb, § 246 Rdn. 10; Musielak/Borth/Grandel, FamFG, 5. Aufl., § 54 Rdn. 15) gestellt. Dies lässt aus objektiver Empfängersicht des Amtsgerichts und der Antragsgegnerin eindeutig auf einen Antrag nach § 54 FamFG schließen.

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Die Bezeichnung des Beschwerdeführers als „Antragsteller“ im Rahmen des zunächst von der Antragsgegnerin eingeleiteten Anordnungsverfahrens lässt keine andere Deutung zu. Die Aufhebung und Änderung der einstweiligen Anordnung setzt einen Antrag voraus (§ 54 I 2 FamFG).

11

Entgegen der Beschwerde hat das Amtsgericht dies nicht anders gesehen. Es wurde im Verfahren der einstweiligen Anordnung entschieden. Das Amtsgericht änderte seinen Beschluss vom 17. Dezember 2015 ab und hob die einstweilige Anordnung teilweise auf. Die getroffene Kostenentscheidung wurde mit § 51 FamFG begründet und der Verfahrenswert nach § 41 FamGKG festgesetzt. In den Gründen heißt es zum Wohnvorteil, diese Frage sei im Hauptsacheverfahren zu klären. Zugegebenermaßen ist die Rechtsmittelbelehrung falsch. Ein solcher Fehler verhilft dem daraufhin eingelegten Rechtsmittel allerdings nicht zur Zulässigkeit (BGH MDR 2010, 1145).

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Für das Abänderungsverfahren gelten die gleichen Bestimmungen, wie beim erstmaligen Erlass der einstweiligen Anordnung (Musielak/Borth/Grandel, § 54 Rdn. 2). Es bleibt bei der Unanfechtbarkeit von einstweiligen Anordnungen, die die Zahlung von Unterhalt regeln (§ 57 1 FamFG). Ein Fall des § 57 2 FamFG liegt nicht vor.

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2. Auf den hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrag kommt es nicht an. Die Verwerfung der Beschwerde beruht auf keiner versäumten Rechtsmittelfrist.

14

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 1, 2 Nr. 1 FamFG. Die unrichtige Rechtsmittelbelehrung des Amtsgerichts veranlasst den Senat allerdings zur Niederschlagung der Gerichtskosten zweiter Instanz (§ 20 I 1; II 1 FamFG).

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4. Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss ist nicht zulässig (§ 70 IV FamFG). Soweit zur Entscheidung steht, ob ein Verfahren der einstweiligen Anordnung vorliegt, ist ebenso wenig eine Zulassung der Rechtsbeschwerde geboten (§ 70 II 1 FamFG). Die Sache wirft in dieser Beziehung keine über den Einzelfall hinausgehenden Fragen grundsätzlicher Bedeutung auf. Darüber hinaus erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

16

5. Der Verfahrenswert ist nach §§ 40 I 1, II 1; 41; 51 I 1 FamGKG festgesetzt.

17

II. Für eine nicht statthafte Beschwerde kann dem Antragsteller keine Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden (§ 113 I FamFG; § 114 I 1 ZPO).

18

gez. Krause               gez. Sauer               gez. Grimm


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Annotations

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung abweichend von § 49 auf Antrag die Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt oder zur Zahlung eines Kostenvorschusses für ein gerichtliches Verfahren regeln.

(2) Die Entscheidung ergeht auf Grund mündlicher Verhandlung, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts oder für eine gütliche Beilegung des Verfahrens geboten erscheint.

(1) Das Gericht kann die Entscheidung in der einstweiligen Anordnungssache aufheben oder ändern. Die Aufhebung oder Änderung erfolgt nur auf Antrag, wenn ein entsprechendes Hauptsacheverfahren nur auf Antrag eingeleitet werden kann. Dies gilt nicht, wenn die Entscheidung ohne vorherige Durchführung einer nach dem Gesetz notwendigen Anhörung erlassen wurde.

(2) Ist die Entscheidung in einer Familiensache ohne mündliche Verhandlung ergangen, ist auf Antrag auf Grund mündlicher Verhandlung erneut zu entscheiden.

(3) Zuständig ist das Gericht, das die einstweilige Anordnung erlassen hat. Hat es die Sache an ein anderes Gericht abgegeben oder verwiesen, ist dieses zuständig.

(4) Während eine einstweilige Anordnungssache beim Beschwerdegericht anhängig ist, ist die Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Entscheidung durch das erstinstanzliche Gericht unzulässig.

(1) Die einstweilige Anordnung wird nur auf Antrag erlassen, wenn ein entsprechendes Hauptsacheverfahren nur auf Antrag eingeleitet werden kann. Der Antragsteller hat den Antrag zu begründen und die Voraussetzungen für die Anordnung glaubhaft zu machen.

(2) Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften, die für eine entsprechende Hauptsache gelten, soweit sich nicht aus den Besonderheiten des einstweiligen Rechtsschutzes etwas anderes ergibt. Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Eine Versäumnisentscheidung ist ausgeschlossen.

(3) Das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist ein selbständiges Verfahren, auch wenn eine Hauptsache anhängig ist. Das Gericht kann von einzelnen Verfahrenshandlungen im Hauptsacheverfahren absehen, wenn diese bereits im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Für die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung gelten die allgemeinen Vorschriften.

Im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist der Wert in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen. Dabei ist von der Hälfte des für die Hauptsache bestimmten Werts auszugehen.

Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen sind nicht anfechtbar. Dies gilt nicht in Verfahren nach § 151 Nummer 6 und 7 und auch nicht, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs auf Grund mündlicher Erörterung

1.
über die elterliche Sorge für ein Kind,
2.
über die Herausgabe des Kindes an den anderen Elternteil,
3.
über einen Antrag auf Verbleiben eines Kindes bei einer Pflege- oder Bezugsperson,
4.
über einen Antrag nach den §§ 1 und 2 des Gewaltschutzgesetzes oder
5.
in einer Ehewohnungssache über einen Antrag auf Zuweisung der Wohnung
entschieden hat.

Dieses Gesetz gilt für das Verfahren in Familiensachen sowie in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit sie durch Bundesgesetz den Gerichten zugewiesen sind.

Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen sind nicht anfechtbar. Dies gilt nicht in Verfahren nach § 151 Nummer 6 und 7 und auch nicht, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs auf Grund mündlicher Erörterung

1.
über die elterliche Sorge für ein Kind,
2.
über die Herausgabe des Kindes an den anderen Elternteil,
3.
über einen Antrag auf Verbleiben eines Kindes bei einer Pflege- oder Bezugsperson,
4.
über einen Antrag nach den §§ 1 und 2 des Gewaltschutzgesetzes oder
5.
in einer Ehewohnungssache über einen Antrag auf Zuweisung der Wohnung
entschieden hat.

(1) Unter mehreren örtlich zuständigen Gerichten ist das Gericht zuständig, das zuerst mit der Angelegenheit befasst ist.

(2) Die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts bleibt bei Veränderung der sie begründenden Umstände erhalten.

(3) Gerichtliche Handlungen sind nicht deswegen unwirksam, weil sie von einem örtlich unzuständigen Gericht vorgenommen worden sind.

Abweichend von den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kostenverteilung entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Es hat hierbei insbesondere zu berücksichtigen:

1.
das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten, einschließlich der Dauer der Unterhaltsverpflichtung,
2.
den Umstand, dass ein Beteiligter vor Beginn des Verfahrens einer Aufforderung des Gegners zur Erteilung der Auskunft und Vorlage von Belegen über das Einkommen nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, es sei denn, dass eine Verpflichtung hierzu nicht bestand,
3.
den Umstand, dass ein Beteiligter einer Aufforderung des Gerichts nach § 235 Abs. 1 innerhalb der gesetzten Frist nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, sowie
4.
ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 der Zivilprozessordnung.

Dieses Gesetz gilt für das Verfahren in Familiensachen sowie in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit sie durch Bundesgesetz den Gerichten zugewiesen sind.

(1) Unter mehreren örtlich zuständigen Gerichten ist das Gericht zuständig, das zuerst mit der Angelegenheit befasst ist.

(2) Die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts bleibt bei Veränderung der sie begründenden Umstände erhalten.

(3) Gerichtliche Handlungen sind nicht deswegen unwirksam, weil sie von einem örtlich unzuständigen Gericht vorgenommen worden sind.