Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 02. Dez. 2016 - 2 Rv 105/16

bei uns veröffentlicht am02.12.2016

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 16. August 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

– soweit der Angeklagte wegen Betruges in zwei Fällen und wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht verurteilt worden ist,

– im Gesamtstrafenausspruch.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht, Betruges in 2 Fällen, Diebstahls und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Halberstadt vom 8. Mai 2015 zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Verurteilung wegen Verstoßes gegen die Weisungen während der Führungsaufsicht kann keinen Bestand haben, da es insoweit an den erforderlichen Feststellungen fehlt. Die Strafkammer hat festgestellt:

3

„Der Angeklagte stand in dem Verfahren zum Aktenzeichen 8 Ls 915 Js 73172/06 nach seiner Haftentlassung am 17. Oktober 2013 und einer Entscheidung des Landgerichts Halle vom 4. November 2010 (7 StVK 511/10) bis zum 11. Juni 2015 unter Führungsaufsicht, was ihm bewusst war. In dem Wissen um die ihm erteilten Weisungen zu Ziffern 4 a), b), d) und e) verstieß er gegen diese beharrlich, indem er sich nicht unverzüglich bei der zuständigen Bewährungshilfe und Führungsaufsichtsstelle gemeldet hat, den Wechsel des Wohnorts der Führungsaufsichtsstelle und dem Bewährungshelfer nicht angezeigt, sich bei dem Bewährungshelfer nicht gemeldet und sich nicht mindestens einmal monatlich bei der Suchtberatungsstelle im Diakoniekrankenhaus E. vorgestellt hat. Die Führungsaufsichtsstelle hat Strafantrag gestellt.“

4

Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht nicht.

5

Der objektive Tatbestand des § 145a Satz 1 StGB setzt voraus, dass der Angeklagte während der Führungsaufsicht gegen eine bestimmte Weisung der in § 68b Abs. 1 StGB bezeichneten Art verstößt und dadurch den Zweck der Maßregel gefährdet. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal dieser Strafnorm ist, dass die Weisung rechtsfehlerfrei ist. Weisungen, die von vornherein unzulässig oder nicht hinreichend bestimmt sind oder an die Lebensführung des Verurteilten unzumutbare Anforderungen stellen (§ 68b Abs. 3 StGB), können die Strafbarkeit nach § 145a Satz 1 StGB hingegen nicht begründen. Um eine Überprüfung insoweit zu ermöglichen, muss der Beschluss über die Führungsaufsicht jedenfalls auszugsweise wiedergegeben werden (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2016, 2 StR 512/15, juris). Hieran fehlt es. Das angegriffene Urteil gibt die Weisungen im Einzelnen nicht wieder. Ausführungen zu Bestimmtheit, Zulässigkeit und Zumutbarkeit der Weisungen fehlen.

6

Weiterhin sind die Tathandlungen nicht hinreichend dargestellt, denn neben dem Weisungsverstoß ist Voraussetzung für die Strafbarkeit nach § 145a StGB, dass der Täter durch den Verstoß gegen die Weisung den Zweck der Maßregel gefährdet hat. Dabei handelt es sich um ein Tatbestandsmerkmal des § 145a StGB, worauf sich auch der Vorsatz beziehen muss.

7

So wird in den Feststellungen z.B. lediglich aufgeführt, dass sich der Angeklagte nicht „unverzüglich bei der zuständigen Bewährungshilfe und Führungsaufsichtsstelle gemeldet hat“. Nicht deutlich wird, ob sich der Angeklagte überhaupt bei den genannten Stellen gemeldet hat und ob eine Einwirkung auf den Angeklagten nicht möglich war. Ferner geht aus den Feststellung nicht hervor, wann und wohin der Angeklagte seinen Wohnort gewechselt hat und ob er sich überhaupt bei der Suchtberatungsstelle im Diakoniekrankenhaus E. vorgestellt hat.

8

Den Urteilsfeststellungen ist darüber hinaus nicht zu entnehmen, dass durch den Weisungsverstoß der Zweck der Maßregel, nämlich die Verhinderung weiterer Straftaten, konkret gefährdet wurde. Eine Gefährdung des Maßregelzwecks liegt vor, wenn die Gefahr weiterer Straftaten durch den Weisungsverstoß vergrößert wird bzw. der Verstoß die Wahrscheinlichkeit straffreien Verhaltens verringert. Ausreichend kann sein, dass eine Überwachung oder Einwirkung aufgrund des unbekannten Aufenthalts des Angeklagten durch staatliche Stellen nicht mehr gegeben war (vgl. Fischer, StGB, § 145a Rn. 8). In dieser Hinsicht wurde jedoch nichts festgestellt.

9

2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen vollendeten Betruges in zwei Fällen kann ebenfalls nicht bestehen bleiben.

10

Die Strafkammer hat dazu festgestellt:

11

„Der Angeklagte tankte am 2. August 2014 um ca. 01.20 Uhr wie ein zahlungswilliger und –fähiger Kunde bei der Total-Station I., A. Weg 2, Benzin Super zum Preis von 59,39 €, obwohl er aufgrund seiner Einkommens- und Vermögenslage von vornherein wusste oder mindestens billigend in Kauf nahm, dass er den fälligen Kaufpreis vereinbarungsgemäß nicht zahlen kann, was er zum Schaden des Verkäufers tatsächlich auch nicht tat.

12

Der Angeklagte tankte am 21. November 2014 gegen 05:40 Uhr wie ein zahlungswilliger und -fähiger Kunde bei der Total-Station I., A. Weg 2 sein Fahrzeug mit Benzin Super zum Preis von 62,64 €, obwohl er aufgrund seiner Einkommens- und Vermögenslage von vornherein wusste oder zumindest billigend in Kauf nahm, den fälligen Kaufpreis nicht vereinbarungsgemäß zahlen zu können, was er zum Schaden des Verkäufers tatsächlich auch nicht tat.“

13

Die Feststellungen tragen die Verurteilung wegen vollendeten Betruges nicht. Der Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB verlangt, dass der Täter durch (zumindest konkludentes) Vortäuschen seiner Zahlungsbereitschaft bei dem Kassenpersonal einen Irrtum hervorruft, der anschließend zu der schädigenden Vermögensverfügung (Einverständnis mit dem Tankvorgang) führt. Mangels Irrtumserregung liegt jedoch kein vollendeter Betrug vor, wenn das Betanken des Fahrzeugs vom Kassenpersonal überhaupt nicht bemerkt wird. In einem solchen Fall ist vielmehr regelmäßig von versuchtem Betrug auszugehen, wenn das Bestreben des Täters von Anfang an darauf gerichtet war, das Benzin unter Vortäuschung einer nicht vorhandenen Zahlungsbereitschaft an sich zu bringen, ohne den Kaufpreis zu entrichten (BGH, Urteil vom 5. Mai 1983 – 4 StR 121/83, NJW 1983, 2827; Beschluss vom 19. Dezember 2012, 4 StR 497/12, StV 2013, 511 m.w.N.).

14

Die Kammer hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Tankvorgang von Angestellten der Tankstelle bemerkt wurde. Da solche Feststellungen in einer neuen Hauptverhandlung in Betracht kommen, konnte der Senat den Schuldspruch nicht selbst auf versuchten Betrug in zwei Fällen abändern.

15

gez. Henss

gez. Becker

gez. Wiederhold

Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht

Richter
      am Oberlandesgericht      

Richterin
am Amtsgericht


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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 263 Betrug


(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

Strafgesetzbuch - StGB | § 68b Weisungen


(1) Das Gericht kann die verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anweisen, 1. den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen,2. sich nicht an

Strafgesetzbuch - StGB | § 145a Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht


Wer während der Führungsaufsicht gegen eine bestimmte Weisung der in § 68b Abs. 1 bezeichneten Art verstößt und dadurch den Zweck der Maßregel gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Tat wird nur auf A

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Wer während der Führungsaufsicht gegen eine bestimmte Weisung der in § 68b Abs. 1 bezeichneten Art verstößt und dadurch den Zweck der Maßregel gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Tat wird nur auf Antrag der Aufsichtsstelle (§ 68a) verfolgt.

(1) Das Gericht kann die verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anweisen,

1.
den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen,
2.
sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können,
3.
zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen,
4.
bestimmte Tätigkeiten nicht auszuüben, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
5.
bestimmte Gegenstände, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen,
6.
Kraftfahrzeuge oder bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen oder von anderen Fahrzeugen nicht zu halten oder zu führen, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
7.
sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle, einer bestimmten Dienststelle oder der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer zu melden,
8.
jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes unverzüglich der Aufsichtsstelle zu melden,
9.
sich im Fall der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden,
10.
keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird, und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind,
11.
sich zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Abständen bei einer Ärztin oder einem Arzt, einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen oder
12.
die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.
Das Gericht hat in seiner Weisung das verbotene oder verlangte Verhalten genau zu bestimmen. Eine Weisung nach Satz 1 Nummer 12 ist, unbeschadet des Satzes 5, nur zulässig, wenn
1.
die Führungsaufsicht auf Grund der vollständigen Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren oder auf Grund einer erledigten Maßregel eingetreten ist,
2.
die Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe oder die Unterbringung wegen einer oder mehrerer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art verhängt oder angeordnet wurde,
3.
die Gefahr besteht, dass die verurteilte Person weitere Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art begehen wird, und
4.
die Weisung erforderlich erscheint, um die verurteilte Person durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach § 463a Absatz 4 Satz 2 der Strafprozessordnung, insbesondere durch die Überwachung der Erfüllung einer nach Satz 1 Nummer 1 oder 2 auferlegten Weisung, von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art abzuhalten.
Die Voraussetzungen von Satz 3 Nummer 1 in Verbindung mit Nummer 2 liegen unabhängig davon vor, ob die dort genannte Führungsaufsicht nach § 68e Absatz 1 Satz 1 beendet ist. Abweichend von Satz 3 Nummer 1 genügt eine Freiheits- oder Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, wenn diese wegen einer oder mehrerer Straftaten verhängt worden ist, die unter den Ersten oder Siebenten Abschnitt des Besonderen Teils fallen; zu den in Satz 3 Nummer 2 bis 4 genannten Straftaten gehört auch eine Straftat nach § 129a Absatz 5 Satz 2, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1.

(2) Das Gericht kann der verurteilten Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit weitere Weisungen erteilen, insbesondere solche, die sich auf Ausbildung, Arbeit, Freizeit, die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Erfüllung von Unterhaltspflichten beziehen. Das Gericht kann die verurteilte Person insbesondere anweisen, sich psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen (Therapieweisung). Die Betreuung und Behandlung kann durch eine forensische Ambulanz erfolgen. § 56c Abs. 3 gilt entsprechend, auch für die Weisung, sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die mit körperlichen Eingriffen verbunden sind.

(3) Bei den Weisungen dürfen an die Lebensführung der verurteilten Person keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(4) Wenn mit Eintritt der Führungsaufsicht eine bereits bestehende Führungsaufsicht nach § 68e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 endet, muss das Gericht auch die Weisungen in seine Entscheidung einbeziehen, die im Rahmen der früheren Führungsaufsicht erteilt worden sind.

(5) Soweit die Betreuung der verurteilten Person in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 11 oder ihre Behandlung in den Fällen des Absatzes 2 nicht durch eine forensische Ambulanz erfolgt, gilt § 68a Abs. 8 entsprechend.

Wer während der Führungsaufsicht gegen eine bestimmte Weisung der in § 68b Abs. 1 bezeichneten Art verstößt und dadurch den Zweck der Maßregel gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Tat wird nur auf Antrag der Aufsichtsstelle (§ 68a) verfolgt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 512/15
vom
11. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:110216B2STR512.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 11. Februar 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 18. Juni 2015, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in 91 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
1. Der Schuldspruch wegen schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung – Fall 1 der Urteilsgründe – hat keinen Bestand. Das Landgericht hat seine Überzeugung, dass der Angeklagte zur Tatzeit voll schuldfähig gewesen ist, nicht tragfähig begründet.
3
a) Nach den Feststellungen begab sich der zur Tatzeit 26 Jahre alte, unter Führungsaufsicht und unter Betreuung stehende Angeklagte am Abend des 11. November 2014 zu seiner Nachbarin, der 67 Jahre alten Nebenklägerin A. . Er hatte spontan den Entschluss gefasst, sie auszurauben, weil er wusste, dass die Nebenklägerin, mit der er eine kurze intime Beziehung geführt hatte, stets erhebliche Bargeldbeträge in ihrer Wohnung aufbewahrte. Er führte eine Plastiktüte mit sich, um sie der Nebenklägerin über den Kopf zu stülpen, damit sie ihn nicht als Täter identifiziere; außerdem hatte er Schnürsenkel als Fesselwerkzeug bei sich. In Ausführung seines Tatentschlusses klingelte er an der Tür seiner Nachbarin, stülpte der ihm die Haustüre öffnenden und ihn erkennenden Nebenklägerin die Plastiktüte über den Kopf und brachte sie zu Boden. Er würgte die sich wehrende Nebenklägerin mehrfach fast bis zum Eintritt der Bewusstlosigkeit und nahm dabei eine mögliche Verletzung des Tatopfers billigend in Kauf. Er fesselte sie mit Hilfe der Schnürsenkel, trug sie in das Schlafzimmer und legte sie auf das Bett. Anschließend nahm er aus ihrer Brieftasche einen Bargeldbetrag in Höhe von 1.200 € an sich und verließ die Wohnung unter Mitnahme weiterer Wertgegenstände. Die Nebenklägerin erlitt mehrere Prellungen. Der Angeklagte begab sich zu Bekannten, mit denen er zuvor den Abend verbracht hatte und denen er die Tat gestand. Nachdem diese ihn deshalb der Wohnung verwiesen hatten, begab er sich zu einem Freund, besuchte mit diesem eine Spielothek und schließlich ein Bordell. Am Folgetag wurde der Angeklagte festgenommen, als er seiner täglichen Meldepflicht auf einem Polizeirevier nachkam.
4
b) Die Ausführungen, mit denen das sachverständig beratene Landgericht die Annahme voller Schuldfähigkeit begründet hat, halten revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.
5
aa) Die Frage, ob die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Tatbegehung aufgrund einer festgestellten Störung im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert oder im Sinne des § 20 StGB aufgehoben war, ist eine Rechtsfrage, die der Tatrichter unter Darlegung der fachwissenschaftlichen Beurteilung durch den Sachverständigen, letztlich aber ohne Bindung an dessen Ausführungen, in eigener Verantwortung zu entscheiden hat (BGH, Beschluss vom 19. November 2014 – 4 StR 497/14). Schließt er sich dabei der Beurteilung des Sachverständigen an, muss er dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen in den Urteilsgründen so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 19. November 2014 – 4 StR 497/14; Beschluss vom 2. Oktober 2007 – 3 StR 412/07, NStZ-RR 2008, 39).
6
bb) Hieran fehlt es. Die Urteilsausführungen sind auf die Mitteilung beschränkt , dass der Sachverständige bei dem zur Tatzeit 26 Jahre alten Angeklagten eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional-instabilen und dissozialen Persönlichkeitsmerkmalen sowie – bei einem Intelligenzquotienten von 59 – eine leichte Intelligenzminderung ohne Verhaltensstörung diagnostiziert und ausgeführt hat, dass sich hieraus keine „Aufhebung bzw. erhebliche Einschränkung seiner Schuldfähigkeit“ ergebe. Nähere Ausführungen des Sachverständigen zu Art und Ausmaß des beim Angeklagten vorliegenden Störungsbilds sowie zu seinem Einfluss auf die Tatbegehung enthält das Urteil nicht. Zwar ist im Rahmen der Prüfung des Hangs im Sinne des § 66 StGB ausgeführt, dass der Angeklagte sämtliche Kriterien einer dissozialen Persönlichkeitsstörung erfülle; darüber hinaus findet sich im Rahmen der Gefährlich- keitsprognose der Hinweis des Sachverständigen, dass die beim Angeklagten bestehende „erheblich beeinträchtigte Einsichtsfähigkeit“ als ein erheblicher Risikofaktor für künftige Delinquenz anzusehen sei. Dies und der Hinweis auf „ausgeprägte[n] Sozialisationsdefizite“ sowie die ebenfalls sachverständig beschriebenen deutlichen „Einschränkungen in der Persönlichkeitsentwicklung“ des Angeklagten wecken Zweifel an der Einschätzung der Sachverständigen, der Angeklagte habe zum Tatzeitpunkt nicht nur das Unrecht seines Tuns in vollem Umfang einsehen, sondern auch nach dieser Einsicht handeln können. Angesichts der Auffälligkeiten in der Persönlichkeit des Angeklagten, der sich bereits als Jugendlicher und zuletzt im Frühsommer 2014 in psychiatrischer Behandlung befunden hat, kann der Schuldspruch wegen Raubes keinen Bestand haben. Die Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten bedarf neuer Verhandlung und Entscheidung.
7
2. Auch die Verurteilung wegen Weisungsverstoßes in der Führungsaufsicht in 91 Fällen kann keinen Bestand haben. Insoweit fehlt es bereits an den erforderlichen Feststellungen.
8
a) § 145a StGB gleicht einer Blankettvorschrift, deren Tatbestand erst durch genaue Bestimmung der Führungsaufsichtsweisung ausgefüllt wird; erst hierdurch wird die Vereinbarkeit der Norm mit Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet. Voraussetzung für eine Bestrafung nach § 145a StGB ist deshalb, dass die Weisung rechtsfehlerfrei ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2013 – 3 StR 486/12, BGHSt 58, 136, 138; Beschluss vom 19. August 2015 – 5 StR 275/15, StraFo 2015, 471, 472). Verstöße gegen unbestimmte, unzulässige oder unzumutbare Weisungen können die Strafbarkeit nach § 145a StGB nicht begründen. Dabei handelt es sich um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, dessen Vorliegen der Tatrichter in den Urteilsgründen darzutun hat (BGH, aaO).
9
In Anbetracht des Bestimmtheitsgebots des Art. 103 Abs. 2 GG und der Tatsache, dass § 68b Abs. 2 StGB auch nicht strafbewehrte Weisungen ermöglicht , muss auch der Beschluss über die Führungsaufsicht jedenfalls auszugsweise wiedergegeben werden, damit geprüft werden kann, ob im Führungsaufsichtsbeschluss unmissverständlich klargestellt ist, dass es sich bei den in Rede stehenden Weisungen um gemäß § 68b Abs. 1 StGB strafbewehrte Weisungen handelt (BGH, Beschluss vom 19. August 2015 - 5 StR 275/15, StraFo 2015, 471, 472; vgl. OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2011, 30).
10
b) Hieran fehlt es. Das angegriffene Urteil gibt weder die Führungsaufsichtsbeschlüsse noch die darin enthaltenen Weisungen im Einzelnen wieder. Ausführungen zu Bestimmtheit, Zulässigkeit und Zumutbarkeit der Weisungen enthält das angegriffene Urteil nicht. Bei dieser Sachlage können die Schuldsprüche keinen Bestand haben. Die Sache bedarf daher auch insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
11
Für das neue Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass das vom Angeklagten pauschal abgelegte Geständnis, er habe regelmäßig Cannabis konsumiert, einer sorgfältigen Glaubhaftigkeitsprüfung zu unterziehen sein wird. Hierbei wird insbesondere zu würdigen sein, dass der den Angeklagten im Rahmen des Programms zur Betreuung besonders rückfallgefährdeter Sexualstraftäter betreuende Polizeibeamte H. bekundet hat, dass die wöchentlich oder zweiwöchentlich durchgeführten Urinkontrollen sämtlich unauffällig waren und er den Angeklagten nie unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln stehend angetroffen hat. Dies und der Umstand, dass der an einer Intelligenzminderung leidende Angeklagte sich – soweit ersichtlich grundlos – selbst als „großen Drogenhändler“ bezeichnete, erfordert es, sein Geständnis in die- sem und in allen anderen Fällen einer besonders sorgfältigen und kritischen Prüfung zu unterziehen.
12
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des Maßregelausspruchs nach sich. Fischer Appl Ott Zeng Bartel

Wer während der Führungsaufsicht gegen eine bestimmte Weisung der in § 68b Abs. 1 bezeichneten Art verstößt und dadurch den Zweck der Maßregel gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Tat wird nur auf Antrag der Aufsichtsstelle (§ 68a) verfolgt.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 497/12
vom
19. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Dezember 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 22. August 2012 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Urkundenfälschung in zehn Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, vorsätzlichem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz und versuchtem Betrug, der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch sowie des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlichem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz , vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässiger Körperverletzung schuldig ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen (§§ 74, 109 Abs. 2 JGG).

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in zehn Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, vorsätzlichem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz und Betrug, wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlichem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz, vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung , Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und fahrlässiger Körperverletzung unter Einbeziehung zweier Urteile des Amtsgerichts Halle und eines Urteils des Landgerichts Halle zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren verurteilt und eine Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen vollendeten Betrugs kann nicht bestehen bleiben.
3
a) Nach den von der Strafkammer insofern getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte in den Fällen II. 1 – II. 10 der Urteilsgründe die von ihm benutzten Personenkraftwagen jeweils mit amtlichen Kennzeichen versehen, die aus Diebstählen stammten. Entsprechend seiner vorgefassten Absicht fuhr er in zehn Fällen jeweils zu Selbstbedienungstankstellen, betankte das von ihm geführte Fahrzeug und setzte anschließend die Fahrt fluchtartig ohne Bezahlung der eingefüllten Treibstoffmenge fort. Das Landgericht hat nicht festgestellt , ob die Tankvorgänge von den Betreibern der Tankstellen oder deren Mitarbeitern bemerkt wurden.
4
b) Diese Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen vollendeten Betruges.
5
In den Fällen des Selbstbedienungstankens setzt die Annahme eines vollendeten Betruges voraus, dass der Täter durch (konkludentes) Vortäuschen von Zahlungsbereitschaft bei dem Kassenpersonal einen entsprechenden Irrtum hervorruft, der anschließend zu der schädigenden Vermögensverfügung (Einverständnis mit dem Tankvorgang) führt. Mangels Irrtumserregung liegt jedoch kein vollendeter Betrug vor, wenn das Betanken des Fahrzeugs vom Kassenpersonal überhaupt nicht bemerkt wird. In einem solchen Fall ist aber regelmäßig vom Tatbestand des versuchten Betruges auszugehen, wenn das Bestreben des Täters – wie im vorliegenden Fall – von Anfang an darauf gerichtet war, das Benzin unter Vortäuschung einer nicht vorhandenen Zahlungsbereitschaft an sich zu bringen, ohne den Kaufpreis zu entrichten (BGH, Urteil vom 5. Mai 1983 – 4 StR 121/83, NJW 1983, 2827; Beschluss vom 28. Juli 2009 – 4 StR 254/09, NStZ 2009, 694; Beschluss vom 10. Januar 2012 – 4 StR 632/11, NStZ 2012, 324). Da das Landgericht trotz umfassenden Geständnisses des Angeklagten, Heranziehung der Lichtbilder der Überwachungskameras und Vernehmung des alle Ermittlungen führenden Polizeibeamten keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die einzelnen Tankvorgänge vom Kassenpersonal bemerkt wurden, geht der Senat zu Gunsten des Angeklagten davon aus, dass dies nicht der Fall war, und ändert den Schuldspruch jeweils in versuchten Betrug ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
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2. Durchgreifenden Bedenken begegnet auch die Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.
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a) Nach den Feststellungen (Fall II. 12 der Urteilsgründe) befuhr der erheblich alkoholisierte, absolut fahruntüchtige Angeklagte, der nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war, am 29. Dezember 2011 gegen 06.10 Uhr mit einem Pkw, für den kein Haftpflichtversicherungsschutz bestand, öffentliche Straßen in Eisleben. Einer polizeilichen Verkehrskontrolle versuchte er sich dadurch zu entziehen, dass er wendete und mit hoher Geschwindigkeit (bis zu 180 km/h) flüchtete. Dabei beging er zahlreiche Vorfahrtverletzungen, missachtete das Rotlicht an Kreuzungen und überholte trotz Gegenverkehrs. Andere Verkehrsteilnehmer konnten nur durch eine umsichtige und reaktionsschnelle Fahrweise einer drohenden Kollision entgehen. Um der Flucht des Angeklagten ein Ende zu bereiten, stellte ein Polizeibeamter vor dem Ortseingang Heiligenthal seinen Streifenwagen quer zur Fahrbahn. Der Angeklagte versuchte nun, das Polizeifahrzeug mit hoher Geschwindigkeit rechts zu umfahren. Dies misslang jedoch, da sich in diesem Bereich neben der Straße eine kleine Baumgruppe befand. Der Angeklagte steuerte sein Fahrzeug deshalb wieder nach links und kollidierte in voller Fahrt mit dem Streifenwagen. Dabei erlitt einer der beiden in dem Fahrzeug befindlichen Polizeibeamten eine Knieprellung, Hautabschürfungen im Stirnbereich sowie ein Schädel-Hirntrauma ersten Grades. Das Landgericht hat das Tatgeschehen u.a. als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs. 1 StGB gewertet, da die waghalsige Fahrt dazu gedient habe, „sich der Polizeikontrolle zu entziehen“ (UA S. 22).
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b) Diese Feststellungen rechtfertigen keine Verurteilung aus § 113 Abs. 1 StGB. Unter Widerstand ist eine aktive Tätigkeit gegenüber dem Vollstreckungsbeamten zu verstehen, mit der die Durchführung einer Vollstreckungsmaßnahme verhindert oder erschwert werden soll. Die Tat muss demgemäß Nötigungscharakter haben. Allerdings wird ein effektiver Nötigungser- folg nicht vorausgesetzt („unechtes Unternehmensdelikt“, vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 113 Rn. 22; S/S-Eser, StGB, 28. Aufl., § 113 Rn. 40). „Mit Gewalt“ wird Widerstand geleistet, wenn unter Einsatz materieller Zwangsmittel, vor allem körperlicher Kraft, ein tätiges Handeln gegen die Person des Vollstrecken- den erfolgt, das geeignet ist, die Vollendung der Diensthandlung zumindest zu erschweren (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 1962 – 4 StR 337/62, BGHSt 18, 133, 134; Fischer aaO § 113 Rn. 23). Die bloße Flucht vor der Polizei erfüllt diese Voraussetzungen nicht, auch wenn dabei andere Verkehrsteilnehmer behindert oder gefährdet werden. Da der Angeklagte die ihn verfolgenden Polizeibeamten mit seinem Kraftfahrzeug weder abgedrängt noch am Überholen gehindert hat und auch nicht auf die Polizeibeamten zugefahren ist, um diese zum Wegfahren und damit zur Freigabe der Fahrbahn zu nötigen, fehlt bereits die für den äußeren Tatbestand erforderliche gewaltsame, gegen die Person des Vollstreckenden gerichtete Handlung (vgl. Senatsbeschluss vom 4. März 1997 – 4 StR 48/97, NStZ-RR 1997, 261, 262). Ebenso wenig wird der für die Verwirklichung des § 113 Abs. 1 StGB erforderliche Vorsatz deutlich, zumal das Landgericht das Unfallgeschehen, das zur Verletzung eines Polizeibeamten geführt hat, lediglich als fahrlässige Körperverletzung gewertet hat. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. Es ist auszuschließen, dass in neuer Verhandlung weitere Feststellungen getroffen werden können, die die Annahme des Tatbestandes des § 113 Abs. 1 StGB tragen.
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3. Die gegen den Angeklagten verhängte Einheitsjugendstrafe wird durch die Schuldspruchänderung nicht in Frage gestellt. Durch die Einordnung der Tankvorgänge als versuchter Betrug und durch den Wegfall der Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte hat sich der Unrechtsgehalt der Taten nicht wesentlich verändert. Der Erziehungsbedarf des Angeklagten besteht unverändert fort.
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Quentin Reiter