Oberlandesgericht München Endurteil, 16. Nov. 2018 - 10 U 1563/18
Gericht
Tenor
1. Die Berufung des Klägers vom 03.05.2018 gegen das Endurteil des LG München II vom 05.04.2018 (Az. 10 O 4251/15) wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das vorgenannte Urteil des Landgerichts sowie dieses Urteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
A.
das Urteil des Landgerichts München II vom 05.04.2018 wird aufgehoben, soweit Nutzungsausfall und merkantile Wertminderung nicht zugesprochen wurden,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 60.209,38 € (Nutzungsausfallentschädigung i.H.v. 35.175,00 € und merkantile Wertminderung i.H.v. weiteren 25.034,38 €) zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszins seit 20.05.2014 zu bezahlen.
die Berufung zurückzuweisen.
Gründe
B.
I.
„Bei der Prüfung, ob nach der Verkehrsauffassung der vorübergehende Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Gegenstandes als wirtschaftlicher Schaden gewertet werden kann, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Das verlangt die in § 253 BGB getroffene gesetzgeberische Entscheidung, wonach immaterieller Schaden nur ausnahmsweise, nämlich in den gesetzlich geregelten Fällen, zu ersetzen ist (BGH, Urt. v. 10.6.2008 - VI ZR 248/07 Rz. 9, MDR 2008, 969 = NJW-RR 2008, 1198; BGH, Urt. v. 24.1.2013 - III ZR 98/12 Rz. 10, BGHZ 196, 101 = MDR 2013, 319). Dieser restriktive Maßstab hat dazu geführt, dass der BGH mehrfach für den Nutzungsausfall von Gegenständen eine Entschädigungspflicht verneint hat (vgl. BGH, Urt. v. 10.6.2008 - VI ZR 248/07 Rz. 10 ff. - Wohnmobil, MDR 2008, 969 = NJW-RR 2008, 1198; v. 15.11.1983 - VI ZR 269/81 - Motorsportboot, BGHZ 89, 60 = MDR 1984, 304; BGH, Urt. v. 15.12.1982 - VIII ZR 315/80 - Wohnwagen, MDR 1982, 487 = BGHZ 86, 128; v. 28.2.1980 - VII ZR 183/79 - privates Schwimmbad, BGHZ 76, 179; v. 12.2.1975 - VIII ZR 131/73 - Pelzmantel, BGHZ 63, 393 = MDR 1980, 571). … Demgegenüber hat der BGH in ständiger Rechtsprechung einen Anspruch auf Entschädigung für den Fortfall der Nutzungsmöglichkeit von Kraftfahrzeugen grundsätzlich bejaht (z.B. … BGH v. 23.11.2004 - VI ZR 357/03, BGHZ 161, 151, 154 = MDR 2005, 268; v. 10.6.2008 - VI ZR 248/07 Rz. 6, 8, MDR 2008, 969 = NJW-RR 2008, 1198; …). Nach der Verkehrsauffassung und allgemeiner Rechtsauffassung stellt die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich ein vermögenswertes Gut dar und ist als geldwerter Vorteil anzusehen, so dass sich bei vorübergehender Entziehung ein Vermögensschaden ergeben kann. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens geeignet ist, Zeit und Kraft zu sparen und damit - in Unabhängigkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln (BGH, Urt. v. 30.9.1963 - III ZR 137/62, BGHZ 40, 345, 349) - das Fortkommen im allgemeinsten Sinne zu fördern (BGH, Urt. v. 10.6.2008 - VI ZR 248/07 Rz. 6 m.w.N., MDR 2008, 969 = NJW-RR 2008, 1198; …). Dass der Gebrauch eines Kraftfahrzeugs für den Benutzer daneben einen Gewinn an Bequemlichkeit bedeuten kann, steht bei der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise nicht im Vordergrund, weil Anschaffung und Unterhaltung eines Kraftfahrzeugs in erster Linie um des wirtschaftlichen Vorteils willen erfolgen, der in der Zeitersparnis liegt (BGH, Urt. v. 10.6.2008 - VI ZR 248/07 Rz. 8 m.w.N., MDR 2008, 969 = NJW-RR 2008, 1198). Dient ein Kraftfahrzeug aber reinen Freizeitzwecken, so betrifft dieser Gesichtspunkt nicht die alltägliche Nutzbarkeit zur eigenwirtschaftlichen Lebensführung und entzieht sich deshalb einer vermögensrechtlichen Bewertung (BGH, Urt. v. 10.6.2008 - VI ZR 248/07 Rz. 10 - Wohnmobil, MDR 2008, 969 = NJW-RR 2008, 1198).
Um sicherzustellen, dass der Geldersatz für Verluste im eigenwirtschaftlichen Einsatz der Sache ungeachtet der notwendigen Typisierung und Pauschalierung einer konkreten, auf das jeweils betroffene Vermögen bezogenen Schadensbetrachtung verhaftet bleibt, und um dem schadensrechtlichen Grundsatz des Bereicherungsverbots gerecht zu werden, ist die Zuerkennung der Entschädigung weiter davon abhängig, dass der Eigentümer sein Fahrzeug in der fraglichen Zeit benutzen wollte und hierzu in der Lage war. Darüber hinaus muss die Entbehrung der Nutzung auch deshalb „fühlbar“ geworden sein, weil der Geschädigte das Fahrzeug mangels eines weiteren geeigneten Kraftfahrzeugs für seine alltägliche Lebensführung wirklich gebraucht hätte (BGH, Urt. v. 10.6.2008 - VI ZR 248/07 Rz. 7, MDR 2008, 969 = NJW-RR 2008, 1198; Beschl. d. Großen Senats für Zivilsachen v. 9.7.1986 - GSZ 1/86, BGHZ 98, 212, 220 = MDR 1987, 109; …).“
II.
III.
IV.
moreResultsText
Annotations
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, bedürfen keines Beweises.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.