Oberlandesgericht München Beschluss, 22. Sept. 2015 - 27 U 1523/15

bei uns veröffentlicht am22.09.2015

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Augsburg vom 01.04.2015, Az.: 102 O 1254/13, wird durch einstimmigen Beschluss des Senats gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern.

Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht geboten.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Dieser Beschluss sowie das unter Ziffer 1. genannte Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Senat bleibt bei seiner im Hinweis vom 04.08.2015 ausführlich dargelegten Rechtsauffassung, auf die gemäß § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO Bezug genommen wird.

Die Stellungnahme der Beklagten vom 11.09.2015 gibt noch Anlass zu folgenden Anmerkungen:

1. Der Senat bleibt bei seiner Rechtsauffassung, dass das Landgericht zu Recht eine Duldungspflicht der Klägerinnen nach § 12 NAV verneint hat. Gemäß § 12 NAV haben Anschlussnehmer, die Grundstückseigentümer sind, für Zwecke der örtlichen Versorgung das Anbringen und Verlegen von Leitungen zur Zu- und Fortleitung von Elektrizität über ihre im Gebiet des Elektrizitätsversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung liegende Grundstücke, ferner das Anbringen von Leitungsträgern und sonstigen Einrichtungen sowie erforderliche Schutzmaßnahmen unentgeltlich zuzulassen. Grund hierfür ist nach der Rechtsprechung des BGH, der auch der Senat folgt (vgl. BGH, Urteil vom 28.04.2010, VIII ZR 223/09 in NJW 2010, 2802), dass die von einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen versorgten Kunden und Anschlussnehmer innerhalb eines Versorgungsgebietes notwendigerweise aus technisch-wirtschaftlichen Gründen eine Solidargemeinschaft darstellen, die nur durch eine für alle Abnehmer bereitgehaltenes, die Benutzung fremder Grundstücke erforderndes Netz mit Strom versorgt werden kann.

Diese Voraussetzungen treffen auf die Klägerinnen unstreitig nicht zu. Die Versorgung der Klägerinnen mit dem notwendigen Strom erfolgt über ein völlig anderes separates Hauptstromkabel, gegen das sich die Klägerinnen auch nie gewendet haben. Damit fehlt es bereits an der Anschlussnehmereigenschaft.

Im übrigen weist das Landgericht zu Recht darauf hin, dass der öffentliche Verkehrsraum grundsätzlich von der unentgeltlichen Duldungspflicht freigestellt wird, weil der Verordnungsgeber entsprechend der bisherigen Praxis daran festhalten wollte, die Inanspruchnahme derartiger Flächen über den Abschluss von Gestattungsverträgen zu regeln (vgl. BGH a. a. O.).

Die Ausführungen der Berufung zu § 46 Abs. 1 EnWG sind somit bereits mangels Anschlusseigenschaft der Klägerinnen nicht einschlägig.

2. Dem Senat ist durchaus bewusst, dass das streitgegenständliche Kabel sowohl in dem Wegegrundstück Flur-Nr. …7/2 als auch in dem Grundstück Flur-Nr. …2/2 (G.weg) verlegt ist. Dies ist im Übrigen auch eindeutig sowohl dem Tenor als auch den Entscheidungsgründen des Landgerichts zu entnehmen. Das Landgericht hat hierbei auch zugrunde gelegt, dass das Kabel bei der Querung des „G.weges“ in etwa vier Meter Tiefe verlegt ist, während es auf dem Wegegrundstück …7/2 in einer Tiefe von lediglich 0,6 bis 0,7 Metern liegt, und ist dabei rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass den Klägerinnen als Trägerinnen der Straßenbaulast ein schutzwürdiges Interesse an der Entfernung des Kabels insgesamt zusteht.

3. Soweit die Beklagte desweiteren hilfsweise beantragt, eine Frist von 12 Monaten zur Entfernung des Kabels zu setzen, besteht hierfür keine Grundlage. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte bereits mit Schreiben des Klägervertreters vom 04.10.2012, also vor annähernd drei Jahren zur Entfernung des Kabels aufgefordert wurde und im Übrigen Art und Zeitpunkt der Entfernung des Kabels im Detail im Rahmen der Vollstreckung zu klären sind.

Nach alledem erweist sich das Ersturteil in vollem Umfang als zutreffend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung für die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 3 ZPO festgesetzt.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere steht die streitgegenständliche Entscheidung im Einklang mit der von der Berufung zitierten Rechtsprechung des BGH (BGH Urteil vom 28.04.2010, Az.: VIII ZR 223/09; BGH Urteil vom 16.05.2014, Az.: V ZR 181/13).

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

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Niederspannungsanschlussverordnung - NAV | § 12 Grundstücksbenutzung


(1) Anschlussnehmer, die Grundstückseigentümer sind, haben für Zwecke der örtlichen Versorgung (Niederspannungs- und Mittelspannungsnetz) das Anbringen und Verlegen von Leitungen zur Zu- und Fortleitung von Elektrizität über ihre im Gebiet des Elektr

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Landgericht Augsburg Endurteil, 01. Apr. 2015 - 102 O 1254/13

bei uns veröffentlicht am 01.04.2015

Tenor 1. Die Beklagte wird verurteilt, die unter dem Grundstück Flurnummer … sowie dem Grundstück Flurnummer … der Gemarkung … durch Hinzuvermerk im Grundbuch des Amtsgerichts … für … hinzugezogen zu

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Mai 2014 - V ZR 181/13

bei uns veröffentlicht am 16.05.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 181/13 Verkündet am: 16. Mai 2014 Lesniak Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

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Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, die unter dem Grundstück Flurnummer … sowie dem Grundstück Flurnummer … der Gemarkung … durch Hinzuvermerk im Grundbuch des Amtsgerichts … für … hinzugezogen zum Grundstück Flurnummer … der Gemarkung … eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts … für… verlegte Stromleitung für den Betrieb des auf dem Grundstück Flurnummer … der Gemarkung … eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts… für … errichteten BOS-Masten, zu entfernen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, unter dem Grundstück Flurnummer … sowie dem Grundstück Flurnummer … der Gemarkung … durch Hinzuvermerk im Grundbuch des Amtsgerichts … für … hinzugezogen zum Grundstück Flurnummer … der Gemarkung … eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts … für … ein 0,4-kV-Kabel sowie anderweitige Versorgungsleitungen für den Betrieb des auf dem Grundstück Flurnummer … der Gemarkung …, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts … für … errichteten BOS-Masten, hindurchzuführen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist für die Klägerinnen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerinnen verlangen gemäß § 1004 Abs. 1 BGB von der Beklagten die Entfernung eines 0,4 kV-Niederspannungskabels, das zumindest teilweise in Wegegrundstücken verlegt wurde, die im Miteigentum der Klägerinnen stehen.

Die Klägerin zu 1) ist Eigentümerin des Grundstücks Flur-Nr. … der Gemarkung … eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts … für … die Klägerin zu 2) Eigentümerin der Grundstücke Flur-Nr. … und Flur-Nr. … der Gemarkung … beide eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts … für … (Anlage K 1 - RA …). Beide Klägerinnen sind damit Anlieger eines unbefestigten Weges im Gemeindegebiet … mit der Flurnummer … die Klägerin zu 2) darüber hinaus Anliegerin des ebenfalls unbefestigten Weges … der Gemarkung … Diese Wege werden grundbuchrechtlich nicht separat erfasst, sondern durch entsprechende Hinzuvermerke im Grundbuch den anliegenden Grundstücken hinzugezogen.

Aus dem Bestandsverzeichnis für öffentliche Feld- und Waldwege (Anlage K 3 - RA …) ergibt sich, dass der Weg auf dem Grundstück Flur-Nr. …dort unter der Bezeichnung „…“ und der Nr. 55, der Weg auf dem Grundstück Flur-Nr…unter Nr. 75 erfasst ist. Die Eigentümer der anliegenden Grundstücke haben die Baulast für diese öffentlichen Feld- und Waldwege zu tragen.

Auf dem Grundstück … der Gemarkung … wurde ein BOS - Funkmast errichtet, der sich derzeit auch in Betrieb befindet. Zwischen der Beklagten und dem Freistaat Bayern, vertreten durch das Staatliche Bauamt … wurde ein Netzanschlussvertrag zur Erschließung des Grundstücks … der Gemarkung … abgeschlossen; daraufhin wurde das streitgegenständliche Kabel von der Beklagten verlegt.

Die Klägerin zu 1) trägt vor, die Beklagte habe ohne ihre Zustimmung Leitungen für den Antennenanschluss eines BOS-Funkmastes in dem Grundstück … verlegt. Nach der Auffassung der Klägerin zu 1) besteht insoweit keine Duldungspflicht i.S.v. § 1004 Abs. 2 BGB i.V.m. § 12 Abs. 1 NAV, da das streitgegenständliche Kabel nicht der „örtlichen Versorgung“, sondern exklusiv dem Anschluss des BOS-Funkmastes diene. Zudem sei ein Ausschließungsinteresse i.S.v. § 905 Satz 2 BGB zu bejahen.

Mit Schreiben vom 04.10.2012 ließ sie die Beklagte deshalb durch ihren Prozessbevollmächtigten auffordern, die Leitungen zu entfernen (Anlage K 1 - RA …), was von Seiten der Beklagten mit Schreiben vom 16.11.2012 abgelehnt wurde. Mit Schriftsatz vom 26.03.2013 wurde dann Klage zum Landgericht Augsburg erhoben, die der Beklagten am 18.04.2013 zugstellt wurde. Das Verfahren führte das Aktenzeichen 033 O 1254/13.

Die Klägerin zu 2) trägt vor, weder sei sie über die Verlegung des Stromkabels in den beiden Feld- und Waldwegen informiert worden, noch seien die zivilrechtlichen Voraussetzungen für die Verlegung des Kabels, wie z.B. die Eintragung einer Grunddienstbarkeit, geschaffen worden. Die Klägerin zu 2) macht weiter geltend, als Trägerin der Baulast habe sie gemeinsam mit den weiteren Miteigentümern finanziell für etwaige Schäden im Zusammenhang mit der Kabelverlegung und etwaigen Reparaturarbeiten aufzukommen.

Die Klägerin zu 2) vertritt deshalb ebenfalls die Ansicht, ihr stehe gegen die Beklagte ein Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB sowie ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zu. Eine Duldungspflicht bestehe ihrerseits nicht, da das verlegte Kabel nicht der öffentlichen Grundversorgung mit Strom diene, sondern ausschließlich dem Anschluss des Funkmastes. Durch den Funkmast werde allenfalls eine geringfügige technische Verbesserung des bereits bestehenden und funktionierenden Funknetzes der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) erreicht; im Rahmen einer Interessenabwägung sei dem Eigentumsrecht der Klägerin daher der Vorrang einzuräumen. Auch aus der Sozialbindung des Eigentums könne keine Duldungspflicht hergeleitet werden, da es vorliegend gerade nicht um die Versorgung der Bevölkerung mit Energie gehe; diese sei über eine andere, bereits bestehende Hauptstromleitung gesichert, an die auch die Klägerin zu 2) angeschlossen sei und hierüber mitversorgt werde. Das streitgegenständliche Kabel werde von der Klägerin zu 2) ebenso wenig zur Einspeisung von Solarenergie in das öffentliche Stromnetz genutzt.

Mit Schriftsatz vom 30.07.2013 wurde durch die Klägerin zu 2) Klage zum Landgericht Augsburg erhoben, die zunächst unter dem Aktenzeichen 102 O 2999/13 geführt wurde.

Die Klägerin zu 1) beantragt,

  • 1.Die Beklagte wird verurteilt, die von ihr verlegten Leitungen für einen Antennenanschluss einer BOS-Anlage in der Flur-Nr. … der Gemarkung … eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts … für … zu entfernen.

  • 2.Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, Strom für einen BOS-Antennenanschluss unter dem Grundstück zur Flur-Nr. … der Gemarkung … eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts … für … durchzuführen.

Die Klägerin zu 2) beantragt,

  • 1.Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, unter dem Grundstück Flurnummer … sowie dem Grundstück Flurnummer … der Gemarkung … durch Hinzuvermerk im Grundbuch des Amtsgerichts … für … hinzugezogen zum Grundstück Flurnummer … der Gemarkung … eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts … für … ein 0,4-kV-Kabel sowie anderweitige Versorgungsleitungen für den Betrieb des auf dem Grundstück Flurnummer … der Gemarkung … eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts … für … errichteten BOS-Masten, hindurchzuführen.

  • 2.Die Beklagte wird verurteilt, die unter dem Grundstück Flurnummer … sowie dem Grundstück Flurnummer … der Gemarkung … durch Hinzuvermerk im Grundbuch des Amtsgerichts … für … hinzugezogen zum Grundstück Flurnummer … der Gemarkung … eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts … für … verlegte Stromleitung für den Betrieb des auf dem Grundstück Flurnummer … der Gemarkung … eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts … für … errichteten BOS-Masten, zu entfernen.

Die Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Die Beklagte rügt zunächst die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Augsburg.

Darüber hinaus macht sie geltend, dass die gestellten Klageanträge in beiden Fällen inhaltlich deckungsgleich seien mit der Folge, dass jeweils für einen der beiden Klageanträge das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Die Klageanträge seien zudem inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, da der Verlauf des streitgegenständlichen Niederspannungskabels nicht genau angegeben werde.

Nach der Rechtsansicht der Beklagten bestehen keine Ansprüche aus § 1004 BGB, da die Beeinträchtigung nicht rechtswidrig sei; eine Duldungspflicht ergebe sich sowohl aus der Sozialbindung des Eigentums als auch aus § 905 BGB und § 12 NAV.

Ein Ausschließungsinteresse nach § 905 Satz 2 BGB bestehe nicht, da das Niederspannungskabel in einer solchen Tiefe verlegt sei, dass durchfahrender Verkehr, auch mit schweren Transportern, keinesfalls gestört werden könne. Dass es sich um Bauerwartungsland oder sogar Bauland handele und Tiefbaumaßnahmen konkret zu erwarten seien, sei von den Klägerinnen bislang nicht einmal vorgetragen worden. Ein berechtigtes Interesse an der Verhinderung des Niederspannungskabels bestehe nicht, da in im Bereich des Grundstücks Flur-Nr. … bereits ein Mittelspannungskabel der Beklagten zur überörtlichen Versorgung und ein Telekomkabel verlegt seien; zusätzlich sei auf dem Wegegrundstück noch die Verlegung eines Kanals zum Anschluss des Ortsteils … an das örtliche Kanalnetz geplant.

Weiter trägt die Beklagte vor, das streitgegenständliche Kabel diene der örtlichen Versorgung; mit der Stromversorgung der Antenne werde eine flächendeckende Erreichbarkeit von Einsatz- und Rettungskräften gewährleistet, also Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrgenommen. Die Duldungspflicht folge damit schon aus der Sozialbindung des Eigentums.

Schließlich folge auch aus § 12 Abs. 1 NAV eine Duldungspflicht der Klägerinnen, da das streitgegenständliche Kabel rein der örtlichen Versorgung von Haushalten mit Strom diene. Das im streitgegenständlichen Bereich bislang einzig vorhandene Mittelspannungskabel sei für den Anschluss von Haushalten ungeeignet. Der Eintragung einer Grunddienstbarkeit habe es deshalb nicht bedurft.

Die Beklagte trägt ergänzend vor, die Anlieger seien über die geplante Verlegung informiert worden; die Verlegung sei sogar auf der Homepage der Gemeinde bekannt gemacht worden. Die Unterhaltung und Instandhaltung des Weges werde von der Gemeinde … wahrgenommen.

Mit Beschluss des Landgerichts Augsburg vom 20.12.2013 wurden die Verfahren 033 O 1254/13 und 102 O 2999/13 gemäß § 147 ZPO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Das Gericht hat die Parteien informatorisch zur Sache angehört und Beweis erhoben durch Einholung eines vermessungstechnischen Sachverständigengutachtens der Vermessungs- und Ingenieurbüro … GmbH vom 24.11.2014 (Bl. 139-146 d.A.) sowie die uneidliche Einvernahme des Zeugen … Am 25.07.2014 wurde eine Ortsbegehung durchgeführt.

Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschriften vom 30.05.2014 und 25.07.2014 verwiesen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle vom 30.05.2014 und 25.07.2014 Bezug genommen.

Gründe

Die Klagen erweisen sich als zulässig und begründet.

I.

Zulässigkeit

Die Klagen sind zulässig. Sie wurden ordnungsgemäß i.S.v. § 253 Abs. 2 ZPO erhoben. Die Zuständigkeit des Landgerichts Augsburg ergibt sich aus §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG (sachlich) bzw. § 24 ZPO (örtlich).

Klageantrag Ziffer 2 der Klägerin zu 1) ist bei verständiger Würdigung und interessengerechter Auslegung des Klagebegehrens dahin auszulegen, dass für die Zukunft die Verpflichtung der Beklagten begehrt wird, die Neuverlegung eines Niederspannungskabels im Miteigentum der Klägerin zu unterlassen.

II.

Begründetheit

Die Klagen erweisen sich als begründet, da den Klägerinnen ein Anspruch gegen die Beklagte auf Entfernung des streitgegenständlichen Kabels nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB zusteht und sie einen Anspruch auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen haben, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB.

1. Sachverhalt

Nach Überzeugung des Gerichts handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Kabel um ein Niederspannungskabel, ohne dass es der vom Vertreter der Klägerin zu 1) beantragten Einholung eines Gutachtens zur Art des verlegten Kabels noch bedurft hätte. Der für die Netzplanung zuständige Zeuge … hat dem Gericht bestätigt, dass es sich um ein Niederspannungskabel handelt. Hiervon geht offensichtlich auch die Klägerin zu 2) aus, da sie beantragt, die Beklagte zur Entfernung eines „0,4 kV-Kabels“ zu verurteilen.

Nach den Angaben des Zeugen … an deren fachlicher Richtigkeit das Gericht keinen Zweifel hat, wurde der Antennenmast über den Kabelverteilerschrank Nr. 38527 an das Niederspannungsnetz angebunden; der genannte Kabelverteilerschrank seinerseits ist über das streitgegenständliche Niederspannungskabel mit der Trafo-Station im Ortsteil … auf Flur-Nr. … der Gemarkung … verbunden. Im Übrigen konnte sich das Gericht beim Ortstermin selbst davon überzeugen, dass der BOS-Mast nur über den Kabelverteilerschrank ohne Zwischenschaltung eines Transformators an das streitgegenständliche Kabel angeschlossen ist. Der direkte Anschluss der Antenne an ein Hochspannungskabel wäre technisch nicht möglich.

Die Vermessung des Leitungsverlaufs durch die Vermessungs- und Ingenieurbüro … GmbH, stichprobenartig überprüft durch zwei Suchschachtungen, hat folgenden Verlauf des streitgegenständlichen Niederspannungskabels ergeben: Ausgehend von der Trafo-Station auf Grundstück Flur-Nr. … wurde das Kabel durch die Beklagte auf einer Tiefe von 0,65 m bis 0,7 m über die Grundstücke Flur-Nr. … (Weg Nr. 75), Flur-Nr. … (Solarfeld …), Flur-Nr. …(„…“ Nr. 55) bis zum Funkmasten auf Grundstück Flur-Nr. … verlegt.

Weiter steht nach Durchführung der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass zunächst nur der BOS - Funkmast an das streitgegenständliche Kabel angeschlossen war.

Am 16.06.2014 ging eine weitere Anmeldung zum Netzanschluss für Grundstück Flur-Nr. … der Gemarkung … eingereicht von … bei der Beklagten ein.

Nach den glaubhaften und fachlich fundierten Ausführungen des Zeugen … ist das neu verlegte Niederspannungskabel grundsätzlich nicht für die Versorgung des südlichen Ortsteils … bestimmt und geeignet; eine Ausnahme stellt das Grundstück Hausnummer 9 dar, das derzeit über die Trafo-Station mit Strom versorgt wird und bei baulichen Veränderungen oder einer Erweiterung des Bestandgebäudes an das streitgegenständliche Kabel angeschlossen würde.

2. Eigentumsbeeinträchtigung

Das im Miteigentum beider Klägerinnen stehende Wegegrundstücke Flur-Nr. … sowie das im Miteigentum der Klägerin zu 2) stehende Wegegrundstück Flur-Nr. … sind damit von dem Kabelverlauf betroffen.

3. Keine Duldungspflichten

Für Versorgungsunternehmen besteht kein gesetzliches Recht, fremde Grundstücke für ihre Anlagen unentgeltlich zu benutzen (BGH, NJW 1976, 416). Die Inanspruchnahme privater Grundstücke kann daher grundsätzlich nur auf schuldrechtlich vereinbarten Nutzungsrechten beruhen; allerdings sehen die allgemeinen Versorgungsbedingungen (§ 8 AVBFernwärmeV, § 8 AVBWasserV) bzw. die Netzanschlussverordnungen (§ 12 NAV, § 12 NDAV) als Bestandteil des mit dem Grundstückseigentümer bestehenden Anschlussnutzungsverhältnisses ein unentgeltliches Nutzungsrecht zum Zwecke der Leitungsverlegung vor (vgl. MüKo, 6. Auflage 2013, § 905 Rn. 4).

Die Benutzung des öffentlichen Feld- und Waldweges für Zwecke der öffentlichen Versorgung, die über den Gemeingebrauch hinausgeht, richtet sich gemäß Art. 56 Abs. 1 BayStrWG ausschließlich nach bürgerlichem Recht.

Den Klägerinnen steht gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Beseitigungsanspruch hinsichtlich des streitgegenständlichen Kabels zu, da weder eine Duldungspflicht nach § 1004 Abs. 2 BGB i.V.m. § 12 Abs. 1 NAV besteht noch ein gesetzlicher Ausschluss des Verbietungsrechts nach § 905 BGB vorliegt.

a. § 12 Abs. 1 NAV

Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 NAV haben Kunden von Energieversorgungsunternehmen das Anbringen und Verlegen von Leitungen für Zwecke der örtlichen Versorgung (Niederspannungs- und Mittelspannungsnetz) in den durch § 12 Abs. 1 Sätze 2 und 3 NAV gesetzten Grenzen unentgeltlich zuzulassen. Allerdings findet § 12 Abs. 1 NAV gemäß § 12 Abs. 5 NAV auf öffentliche Verkehrswege und Verkehrsflächen keine Anwendung. Der öffentliche Verkehrsraum wird grundsätzlich von der unentgeltlichen Duldungspflicht freigestellt, weil der Verordnungsgeber entsprechend der bisherigen Praxis (dazu BVerwGE 29, 248 ff.; BGHZ 138, 266 ff.) daran festhalten wollte, die Inanspruchnahme derartiger Flächen nicht über Duldungspflichten, sondern über den Abschluss von Gestattungsverträgen mit Konzessionsabgaben und Folgekostenvereinbarungen zu regeln (BGH, NJW 2010, 2802 ff.).

Bei den betroffenen Wegegrundstücken handelt es sich ausweislich der vorgelegten Bestandsverzeichnisse (Anlage K 3 - RA …) um öffentliche Feld- und Waldwege und damit um sonstige öffentliche Straßen i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 4, Art. 53 Nr. 1 BayStrWG. Beide Wege sind nicht ausgebaut; für den Weg Nr. 75 ist dies explizit im Bestandsverzeichnis festgehalten, bezüglich Weg Nr. 55 wurde die entsprechende Feststellung im Ortstermin durch Augenschein getroffen.

§ 12 Abs. 1 NAV ist damit im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

b. § 905 BGB

Gemäß § 905 Satz 1 BGB erstreckt sich das Recht des Eigentümers eines Grundstücks auch auf den Erdkörper unter der Oberfläche. Allerdings können solche Einwirkungen nicht untersagt werden, die in solcher Tiefe vorgenommen werden, dass der Eigentümer an der Ausschließung kein schutzwürdiges Interesse haben kann, § 905 Satz 2 BGB. Bei der Frage, ob der Eigentümer eine Einwirkung auf sein Grundstück verbieten kann, ist jedoch nicht nur die gegenwärtige Nutzung maßgebend; zu berücksichtigen sind vielmehr auch solche Umstände, die erst in der Zukunft eine Behinderung besorgen lassen (BGH, NJW 1994, 999). Den Störer trifft dabei die Darlegungs- und Beweislast, dass der betroffene Eigentümer an der Ausschließung von Einwirkungen kein schutzwürdiges Interesse hat (BGH, NJW 1981, 573; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1991, 403).

Neben der Verlegungstiefe sind die Lage der betroffenen Grundstücke sowie die derzeitige und künftig mögliche Nutzung von Bedeutung.

Die Verlegungstiefe unter dem „…weg“, die vom Sachverständigen nicht gesondert überprüft wurde, beträgt nach dem Vortrag der Beklagten, bestätigt durch den Zeugen … 4 m. Hierbei seien Vorgaben des Auftraggebers, des staatlichen Bauamtes … umgesetzt worden.

Bei der Querung des „…weges“ in etwa 4 m Tiefe mag einiges dafür sprechen, ein berechtigtes Interesse an der Ausschließung nicht zu bejahen, da Baumaßnahmen an dem unbefestigten und nur mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen befahrbaren Feld- und Wald Weg im Außenbereich auf absehbare Zeit nicht zu erwarten sind.

Etwas anderes gilt für das Wegegrundstück Flur-Nr. … Dieser Weg ist nicht ausreichend befestigt, insbesondere nicht geteert; gleichwohl wird er als Ortsverbindungs Straße zwischen …und … vom Straßenverkehr (z.B. auch Schulbus) genutzt, so dass immer wieder mit Erhaltungsarbeiten zu rechnen ist, die durch die in lediglich 0,6 bis 0,7 Meter Tiefe erfolgte Verlegung behindert und erschwert werden können. Da die Klägerinnen - gemeinsam mit den anderen Miteigentümern - Trägerinnen der Straßenbaulast i.S.v. Art. 9, Art. 54 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG sind, ist ihnen ein schutzwürdiges Interesse nicht abzusprechen. Jedenfalls ist das Gegenteil von der Beklagten nicht nachgewiesen.

Das streitgegenständliche Kabel ist damit insgesamt zu entfernen.

c. Ein schuldrechtlich vereinbartes Nutzungsrecht liegt nicht vor, das streitgegenständliche Niederspannungskabel wurde von der Beklagten ohne die nach § 745 Abs. 3 BGB erforderliche Zustimmung von allen betroffenen Gemeinschaftsteilhabern verlegt. Eine Grunddienstbarkeit (Leitungsrecht) für die B. AG ist im Grundbuch nicht eingetragen.

Eine Verpflichtung der Klägerinnen sowie der weiteren betroffenen Miteigentümer, einen entsprechenden Wegenutzungsvertrag mit der Beklagten abzuschließen, besteht nicht, da § 46 EnWG eine entsprechende Verpflichtung lediglich für die Gemeinden konstituiert.

Das Beseitigungsverlangen der Klägerinnen ist damit auch nicht rechtsmissbräuchlich.

4. Anspruch auf Unterlassung

Hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs ist die erforderliche Wiederholungsgefahr bei verständiger Würdigung zu bejahen, in jedem Fall durch die Beklagte als Störerin nicht hinreichend widerlegt. In der Regel begründet die vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr (BGH, NJW 2012, 3781; Palandt, BGB, 74. Auflage 2015, § 1004 Rn. 32), an deren Widerlegung durch den Störer hohe Anforderungen zu stellen sind (BGH, NJW 1999, 356). Die Beklagte ist nach wie vor der Auffassung, die Verlegung des Kabels sei rechtmäßig gewesen, sie sei sogar auf Grund des Netzanschlussvertrages mit dem Freistaat Bayern vom 12.06.2012 sowie der Anmeldung zum Netzanschluss vom 16.06.2014, eingereicht von … zur Verlegung des Kabels verpflichtet gewesen.

III.

Kosten

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

IV.

Vorläufige Vollstreckbarkeit

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.

V.

Streitwert

Bei bloßer Besitzstörung bestimmt sich der Streitwert nach § 3 ZPO, konkret am Interesse an der Abwehr der Störung (BGH, NJW 1998, 2368). Dieses Interesse bewertet das Gericht wie die Klägerin zu 2) mit 10.000,- €.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Anschlussnehmer, die Grundstückseigentümer sind, haben für Zwecke der örtlichen Versorgung (Niederspannungs- und Mittelspannungsnetz) das Anbringen und Verlegen von Leitungen zur Zu- und Fortleitung von Elektrizität über ihre im Gebiet des Elektrizitätsversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung liegenden Grundstücke, ferner das Anbringen von Leitungsträgern und sonstigen Einrichtungen sowie erforderliche Schutzmaßnahmen unentgeltlich zuzulassen. Diese Pflicht betrifft nur Grundstücke,

1.
die an das Elektrizitätsversorgungsnetz angeschlossen sind,
2.
die vom Eigentümer in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einem an das Netz angeschlossenen Grundstück genutzt werden oder
3.
für die die Möglichkeit des Netzanschlusses sonst wirtschaftlich vorteilhaft ist.
Sie besteht nicht, wenn die Inanspruchnahme der Grundstücke den Eigentümer mehr als notwendig oder in unzumutbarer Weise belasten würde; insbesondere ist die Inanspruchnahme des Grundstücks zwecks Anschlusses eines anderen Grundstücks an das Elektrizitätsversorgungsnetz grundsätzlich verwehrt, wenn der Anschluss über das eigene Grundstück des anderen Anschlussnehmers möglich und dem Netzbetreiber zumutbar ist.

(2) Der Anschlussnehmer ist rechtzeitig über Art und Umfang der beabsichtigten Inanspruchnahme des Grundstücks zu benachrichtigen.

(3) Der Grundstückseigentümer kann die Verlegung der Einrichtungen verlangen, wenn sie an der bisherigen Stelle für ihn nicht mehr zumutbar sind. Die Kosten der Verlegung hat der Netzbetreiber zu tragen; dies gilt nicht, soweit die Einrichtungen ausschließlich dem Anschluss des Grundstücks dienen.

(4) Wird die Anschlussnutzung eingestellt, so hat der Eigentümer die auf seinen Grundstücken befindlichen Einrichtungen noch drei Jahre unentgeltlich zu dulden, es sei denn, dass ihm dies nicht zugemutet werden kann.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht für öffentliche Verkehrswege und Verkehrsflächen sowie für Grundstücke, die durch Planfeststellung für den Bau von öffentlichen Verkehrswegen und Verkehrsflächen bestimmt sind.

(1) Gemeinden haben ihre öffentlichen Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, einschließlich Fernwirkleitungen zur Netzsteuerung und Zubehör, zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet diskriminierungsfrei durch Vertrag zur Verfügung zu stellen. Unbeschadet ihrer Verpflichtungen nach Satz 1 können die Gemeinden den Abschluss von Verträgen ablehnen, solange das Energieversorgungsunternehmen die Zahlung von Konzessionsabgaben in Höhe der Höchstsätze nach § 48 Absatz 2 verweigert und eine Einigung über die Höhe der Konzessionsabgaben noch nicht erzielt ist.

(2) Verträge von Energieversorgungsunternehmen mit Gemeinden über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet gehören, dürfen höchstens für eine Laufzeit von 20 Jahren abgeschlossen werden. Werden solche Verträge nach ihrem Ablauf nicht verlängert, so ist der bisher Nutzungsberechtigte verpflichtet, seine für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen dem neuen Energieversorgungsunternehmen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu übereignen. Das neue Energieversorgungsunternehmen kann statt der Übereignung verlangen, dass ihm der Besitz hieran eingeräumt wird. Für die wirtschaftlich angemessene Vergütung ist der sich nach den zu erzielenden Erlösen bemessende objektivierte Ertragswert des Energieversorgungsnetzes maßgeblich. Die Möglichkeit zur Einigung auf eine anderweitig basierte Vergütung bleibt unberührt.

(3) Die Gemeinden machen spätestens zwei Jahre vor Ablauf von Verträgen nach Absatz 2 das Vertragsende und einen ausdrücklichen Hinweis auf die nach § 46a von der Gemeinde in geeigneter Form zu veröffentlichenden Daten sowie den Ort der Veröffentlichung durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger bekannt. Wenn im Gemeindegebiet mehr als 100 000 Kunden unmittelbar oder mittelbar an das Versorgungsnetz angeschlossen sind, hat die Bekanntmachung zusätzlich im Amtsblatt der Europäischen Union zu erfolgen. Beabsichtigen Gemeinden eine Verlängerung von Verträgen nach Absatz 2 vor Ablauf der Vertragslaufzeit, so sind die bestehenden Verträge zu beenden und die vorzeitige Beendigung sowie das Vertragsende nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 öffentlich bekannt zu geben.

(4) Die Gemeinde ist bei der Auswahl des Unternehmens den Zielen des § 1 Absatz 1 verpflichtet. Unter Wahrung netzwirtschaftlicher Anforderungen, insbesondere der Versorgungssicherheit und der Kosteneffizienz, können auch Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft berücksichtigt werden. Bei der Gewichtung der einzelnen Auswahlkriterien ist die Gemeinde berechtigt, den Anforderungen des jeweiligen Netzgebietes Rechnung zu tragen. Die Gemeinde hat jedem Unternehmen, das innerhalb einer von der Gemeinde in der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 oder 3 gesetzten Frist von mindestens drei Kalendermonaten ein Interesse an der Nutzung der öffentlichen Verkehrswege bekundet, die Auswahlkriterien und deren Gewichtung in Textform mitzuteilen.

(5) Die Gemeinde hat die Unternehmen, deren Angebote nicht angenommen werden sollen, über die Gründe der vorgesehenen Ablehnung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des beabsichtigten Vertragsschlusses in Textform zu informieren. Die Gemeinde macht bei Neuabschluss oder Verlängerung von Verträgen nach Absatz 2 ihre Entscheidung unter Angabe der maßgeblichen Gründe öffentlich bekannt.

(6) Die Absätze 2 bis 5 finden für Eigenbetriebe der Gemeinden entsprechende Anwendung.

(7) Die Aufgaben und Zuständigkeiten der Kartellbehörden nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen bleiben unberührt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 181/13 Verkündet am:
16. Mai 2014
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Eigentümer, der die Inanspruchnahme seines Grundstücks durch einen Nachbarn
(hier: durch unterirdisch verlegte Leitungen) jahrzehntelang gestattet hat, verliert
hierdurch nicht das Recht, die Gestattung zu widerrufen und anschließend seine Ansprüche
aus § 1004 BGB geltend zu machen.
BGH, Urteil vom 16. Mai 2014 - V ZR 181/13 - LG Frankenthal
AG Bad Dürkheim
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Mai 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richter
Dr. Czub und Dr. Roth, die Richterin Dr. Brückner und den Richter Dr. Kazele

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 29. Mai 2013 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Die Grundstücke der Beklagten sind mit Wochenendhäusern bebaut; das Grundstück der Klägerin ist noch unbebaut.
2
Alle Grundstücke liegen an einem Wirtschaftsweg, in dem das Stromkabel des Elektrizitätsunternehmens verlegt worden ist. Die von einem Zählerkasten auf dem Wege verlegten Anschlussleitungen zu den Grundstücken der Beklagten durchqueren unterirdisch das Grundstück der Klägerin. Die Anschlussleitungen wurden im Jahre 1979 von den damaligen Eigentümern der bebauten Grundstücke, dem Beklagten zu 1 und den Eheleute E. und Er. G. , in Eigenregie hergestellt und mit Zustimmung von Er. G. , dem damaligen Eigentümer des unbebauten Grundstücks, so verlegt. Eine dingliche Absicherung der Inanspruchnahme dieses Grundstücks durch die Leitungen erfolgte nicht.
3
Ende 2010 kaufte die Beklagte zu 2 das bebaute Grundstück der Eheleute G. . Diese gaben in dem Kaufvertrag an, dass das Wochenendhaus über Anschlüsse für Strom und Telefon verfüge. Die Klägerin kaufte mit notariellem Vertrag vom 31. Mai 2011 von Er. G. das unbebaute Grundstück. In der Bestimmung zur Gewährleistung (§ 4 des notariellen Vertrags) wurde die Haftung des Verkäufers für Sachmängel ausgeschlossen. § 4 Abs. 9 enthält folgende Erklärung des Verkäufers: „Nach Angaben des Verkäufers befinden sich im an den Vertrags- gegenstand angrenzenden Weg Strom- und Telefonkabel. Im Vertragsgegenstand ist derzeit lediglich ein Leerrohr-Anschluss für Strom vorhanden.“
4
Die Klägerin, die auf dem erworbenen Grundstück ein Wochenendhaus errichten möchte, hat von den Beklagten verlangt, die Stromleitungen von ihrem Grundstück zu entfernen. Das Amtsgericht hat die Klage mit den Anträgen, die Beklagten zur Entfernung der Stromleitungen zu verurteilen (Hauptantrag), festzustellen , dass die Klägerin berechtigt ist, dass Erdkabel zu kappen und selbst zu beseitigen (Hilfsantrag) sowie außergerichtliche Anwaltskosten von 899,40 € zzgl. Zinsen zu zahlen, insgesamt abgewiesen. Das Landgericht hat unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung dem Hilfsantrag stattgegeben. Mit der von dem Landgericht im Umfang des zuerkannten Feststellungsantrags zugelassenen Revision wollen die Beklagten die Abweisung auch dieses Antrags erreichen.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht meint, die Klägerin könne zwar den Beseitigungsanspruch des Eigentümers gegen den Störer (§ 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB) wegen des Eintritts der Verjährung nicht mehr durchsetzen; sie sei aber weiterhin berechtigt, die Störung ihres Eigentums durch die Stromleitungen auf eigene Kosten zu beseitigen, weil sie zu deren Duldung nicht verpflichtet sei. An die schuldrechtlichen Verpflichtungen des Voreigentümers Er. G. sei die Klägerin nicht gebunden. Sie habe im Kaufvertrag auch keine entsprechenden Verpflichtungen gegenüber den Beklagten übernommen. Gesetzliche Duldungspflichten aus dem Anschlussrecht der Elektrizitätsunternehmen oder aus dem Notleitungsrecht des Nachbarn bestünden ebenfalls nicht, da es sich bei den Stromleitungen nicht um Leitungen des Energieversorgers handele und die Grundstücke der Beklagten ohne die Inanspruchnahme fremder Grundstücke an das Stromnetz angeschlossen werden könnten, ohne dass dies mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden wäre. Das Recht der Klägerin, die Störung selbst zu beseitigen, sei auch nicht verwirkt. Selbst wenn der Beseitigungsanspruch von Er. G. wegen der sehr lange Zeit hingenommenen Beeinträchtigung dem Einwand der Verwirkung ausgesetzt gewesen sein sollte, wirkte dies nicht zu Lasten der Klägerin. Andernfalls entstünde eine aus dem Grundbuch nicht ersichtliche, dauernde quasi dingliche Belastung, die dem Bürgerlichen Gesetzbuch fremd sei.

II.

6
Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat dem Hilfsantrag im Ergebnis zu Recht stattgegeben.
7
Gegenstand der revisionsrechtlichen Prüfung ist, da die Revision nur in Bezug auf diesen Teil der Entscheidung zugelassen und eine Anschlussrevision nicht erhoben worden ist, allein die Entscheidung über den hilfsweise geltend gemachten Antrag auf Feststellung des Rechts der Klägerin, die in ihrem Grundstück befindlichen, der Stromversorgung der Grundstücke der Beklagten dienenden Kabel selbst zu beseitigen. Dazu ist die Klägerin berechtigt.
8
1. Das Berufungsgericht geht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 28. Januar 2011 - V ZR 141/10, NJW 2011, 1068 Rn. 9 und V ZR 147/10, NJW 2011, 1069 Rn. 16, 18) davon aus, dass der Eigentümer nicht deshalb, weil er seinen Anspruch auf Beseitigung einer Beeinträchtigung nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB gegenüber dem Störer wegen des Eintritts der Verjährung nicht mehr durchzusetzen vermag, die Störung auch in Zukunft hinnehmen muss. Die Verjährung des Beseitigungsanspruchs begründet kein Recht des Störers auf Duldung nach § 1004 Abs. 2 BGB. Der Eigentümer ist vielmehr auf Grund seiner Befugnisse aus § 903 Satz 1 BGB berechtigt, die Beeinträchtigung seines Eigentums durch Entfernung des störenden Gegenstands von seinem Grundstück selbst zu beseitigen (Senat, Urteile vom 28. Januar 2011 - V ZR 141/10 und V ZR 147/10, aaO).
9
2. Anders ist es allerdings, wenn der Eigentümer nach § 1004 Abs. 2 BGB verpflichtet ist, die Beeinträchtigung zu dulden. Die Störung stellt sich dann nicht als eine Verletzung der Eigentümerrechte dar. Eine Duldungspflicht im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB schließt daher nicht nur den Abwehranspruch gegen den Störer, sondern auch das Recht des Eigentümers aus, die Störung selbst auf eigene Kosten zu beseitigen. Die Klägerin ist jedoch nicht zur Duldung der in ihrem Grundstück befindlichen Hausanschlussleitungen der Beklagten verpflichtet.
10
a) Das Bestehen gesetzlicher Duldungspflichten (nach § 8 AVBEltV bzw. § 12 Abs. 1 NAV oder aus § 26 Abs. 1 LNRG-RP) verneint das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler und von der Revision unbeanstandet. Mangels Bestellung einer Leitungsdienstbarkeit nach § 1018 oder § 1090 BGB ist die Klägerin auch nicht aus einem dinglichen Recht zur Duldung der Leitungen der Beklagten verpflichtet.
11
b) Eine schuldrechtliche Verpflichtung der Klägerin gegenüber den Beklagten , deren Leitungen in ihrem Grundstück zu dulden, besteht ebenfalls nicht.
12
aa) Dass Er. G. die Verlegung der Leitungen gestattet hat, begründet keine Duldungspflicht der Klägerin, da Gestattungen des Voreigentümers den Einzelrechtsnachfolger grundsätzlich nicht binden (Senat, Urteil vom 29. Februar 2008 - V ZR 31/07, NJW-RR 2008, 827 Rn. 7 mwN).
13
bb) Einen vertraglichen Duldungsanspruch gegen den Er. G. könnten die Beklagten - da die Voraussetzungen der Vorschriften über den gesetzlichen Eintritt des Erwerbers in Miet- oder Pachtverträge (§ 566 Abs. 1, § 578 Abs. 1, § 581 Abs. 2, § 593b BGB) hier ersichtlich nicht vorliegen - der Klägerin gegenüber nur dann geltend machen, wenn diese Duldungspflichten des Veräußerers Er. G. (nach § 415 BGB oder § 328 BGB) übernommen hätte (vgl. Staudinger/Gursky, BGB [2013], § 1004 Rn. 198). Daran fehlt es. In dem zwischen der Klägerin und Er. G. geschlossenen Kaufvertrag ist eine Übernahme von Duldungspflichten in Bezug auf die Leitungen nicht vereinbart worden. Ein dahin gehender Übernahmewille des Erwerbers kann nicht unterstellt werden, sondern muss in den Vereinbarungen der Kaufvertragsparteien deutlich zum Ausdruck gekommen sein (Senat, Urteil vom 29. Februar 2008 - V ZR 31/07, NJW-RR 2008, 827; Staudinger/Gursky, BGB [2013], § 1004 Rn. 198). Das ist nicht der Fall.
14
(1) Entgegen der Ansicht der Revision ist es unerheblich, was unter dem in § 4 Abs. 9 des Kaufvertrags bezeichneten „Leerrohr-Anschluss“ zu verstehen ist. Diese vertragliche Vereinbarung betrifft das Rechtsverhältnis zwischen den Kaufvertragsparteien in Bezug auf die Ansprüche des Käufers bei Sachmängeln des Grundstücks. Wäre die Erklärung in § 4 Abs. 9 des Kaufvertrags - wie von der Revision geltend gemacht - von den Parteien übereinstimmend so verstanden worden, dass sich in dem Leerrohr auch die Stromleitungen für den Anschluss der Grundstücke der Beklagten befinden, könnte die Klägerin allerdings Er. G. nicht wegen eines (von ihm arglistig verschwiegenen) Sachmangels in Anspruch nehmen. Eine Regelung in Bezug auf Rechte Dritter ist den vertraglichen Bestimmungen in dem Paragraphen zur „Gewährleistung“ dagegen auch unter Zugrundelegung der von der Revision vorgebrachten Erklärungsbedeutung nicht zu entnehmen.
15
(2) Auch die Behauptung, der Lebensgefährte der Klägerin sei vor dem Vertragsschluss von Er. G. auf die Stromleitung hingewiesen worden, ist für diesen Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn der Klägerin die Kenntnisse ihres Lebensgefährten zuzurechnen sein sollten (zu den Voraussetzungen dafür: vgl. Senat, Urteil vom 14. Mai 2004 - V ZR 120/03, NJW-RR 2004, 1196, 1197), hätte das nur im Verhältnis der Klägerin zum Verkäufer Er. G. Bedeutung, da dann dessen Inanspruchnahme auf Grund der Kenntnis der Klägerin von dem Sachmangel ausgeschlossen wäre (§ 442 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dagegen begründet die Kenntnis des Käufers von einer Beeinträchtigung der Sache durch einen Dritten keine Verpflichtung, die Stö- rung nach dem Erwerb des Eigentums zu dulden (vgl. Senat, Urteil vom 19. Dezember 1975 - V ZR 38/74, NJW 1976, 416 unter 3 - insoweit nicht in BGHZ 66, 37 abgedruckt; OLG Köln, NJW-RR 1991, 99, 101). Allein aus der Tatsache, dass der Käufer die Leitung bei Kaufvertragsschluss kennt, lässt sich insbesondere nicht auf eine konkludente Schuldübernahme- oder Schuldbeitrittsvereinbarung mit dem Verkäufer schließen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1973 - III ZR 61/70, BGHZ 60, 119, 122; Staudinger/Gursky, BGB [2013] § 1004 Rn. 198).
16
3. Das Recht der Klägerin, die Störung ihres Eigentums durch die Leitungen selbst zu beseitigen, ist nicht verwirkt.
17
a) Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass auch diese Befugnis des Eigentümers verwirkt sein kann. Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung, die im gesamten Privatrecht eingewendet werden kann (Senat, Urteil vom 30. April 1993 - V ZR 234/91, BGHZ 122, 308, 314; Urteil vom 21. Oktober 2005 - V ZR 169/04, NJW-RR 2006, 235, 236). Ihr unterliegen sämtliche subjektiven Rechte. Sie führt zwar nicht zum Verlust des Eigentums, wohl aber der aus ihm folgenden Ansprüche auf Störungsbeseitigung nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB (Senat, Urteil vom 16. März 1979 - V ZR 38/75, WM 1979, 644, 647; Urteil vom 21. Oktober 2005 - V ZR 169/04, NJW-RR 2006, 235 Rn. 10; Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 130/09, NJWRR 2010, 807 Rn. 17; Urteil vom 22. Oktober 2010 - V ZR 43/10, BGHZ 187, 185 Rn. 24) und - in eng begrenzten Ausnahmefällen - auf Herausgabe nach § 985 BGB (Senat, Urteil vom 16. März 2007 - V ZR 190/06, NJW 2007, 2183) sowie auf Grundbuchberichtigung nach § 894 BGB (Senat, Urteil vom 30. April 1993 - V ZR 234/91, BGHZ 122, 308, 314).
18
b) Das Berufungsgericht lässt dahinstehen, ob die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der Verwirkung bereits erfüllt waren, als das Grundstück noch Er. G. gehörte. Daran fehlt es indessen. Dass Er. G. gegen die von ihm gestattete Nutzung seines Grundstücks nichts unternahm , führte nicht zu einer Verwirkung seiner Rechte aus dem Eigentum.
19
aa) Die Verwirkung schließt die illoyal verspätete Geltendmachung eines Rechts aus (Senat, Urteil vom 16. März 2007 - V ZR 190/06, NJW 2007, 2183 Rn. 8). Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (Senat, Urteil vom 30. April 1993 - V ZR 234/91, BGHZ 122, 308, 315; Urteil vom 21. Oktober 2005 - V ZR 169/04, NJW-RR 2006, 235 Rn. 10 jeweils mwN).
20
bb) Der Eigentümer verwirkt seine Ansprüche aus dem Eigentum nicht, wenn er Störungen gegenüber so lange untätig bleibt, wie sie sich ihm gegenüber als rechtmäßig darstellen. So verhält es sich hier, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Stromleitungen zum Anschluss der Grundstücke der Nachbarn mit Zustimmung des Veräußerers Er. G. durch das Grundstück der Klägerin verlegt wurden. Ob die Zustimmung vonEr. G. auf einer aus Gefälligkeit erteilten, jederzeit widerruflichen Gestattung (zu dieser : OLG Brandenburg, Urteil vom 9. Februar 2012 - 5 U 29/11, juris Rn. 32) oder auf einem zwischen ihm und seinen Nachbarn abgeschlossenen Vertrag (Leihvertrag: BGH, Urteil vom 4. Oktober 1979 - III ZR 28/78, WM 1980, 118, 119; Urteil vom 17. März 1994 - III ZR 10/93, BGHZ 125, 293, 298; OLG Köln, OLGR 2003, 41, 44 oder Duldungsvereinbarung: Senat, Urteil vom 14. Juli 1997 - V ZR 405/96, NJW 1997, 3022, 3023; Urteil vom 24. Januar 2003 - V ZR 175/02, NJW-RR 2003, 953, 954) beruhte, kann dahinstehen.
21
(1) Für den hier interessierenden Aspekt der Verwirkung der Rechte aus dem Eigentum ist entscheidend, dass die jahrzehntelange Nutzung des Grundstücks durch die Beklagten mit Erlaubnis des Eigentümers erfolgte. Hierdurch verlor dieser nicht das Recht, die Gestattung zu widerrufen und anschließend seine Ansprüche aus § 1004 BGB geltend zu machen. Andernfalls müsste ein Grundstückseigentümer, schon um einen Rechtsverlust durch Verwirkung zu vermeiden, nach einer gewissen Zeitspanne gegen den Nachbarn vorgehen, auch wenn im Übrigen kein Anlass zum Widerruf der Gestattung oder zur Kündigung eines Leih- oder Duldungsvertrages besteht. Zugleich darf sich derjenige , der ein Nachbargrundstück nutzt, nicht darauf einrichten, dass der Eigentümer , der diese Nutzung über einen langen Zeitraum gestattet hat, auch künftig auf die Geltendmachung seiner Eigentumsrechte verzichtet. Vielmehr muss er damit rechnen, dass seine (bloß schuldrechtliche) Nutzungsbefugnis enden kann und der Eigentümer dann die Unterlassung bzw. Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen wird.
22
(2) Die Rechtslage stellt sich nicht anders dar, wenn der Eigentümer der Verlegung von Leitungen zugestimmt hat, die ihrer Natur nach darauf angelegt sind, nicht vor dem Wegfall ihres Zwecks (hier den Anschluss eines Hauses an das öffentliche Netz herzustellen) entfernt zu werden. Der von der Revision in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Gesichtspunkt mag zwar dazu führen , dass Verträge über die Verlegung solcher Leitungen - sofern nicht etwas anderes vereinbart wird - nicht frei widerruflich sind, sondern von dem Eigentümer nur nach § 605 Nr. 1 BGB wegen eines nicht vorhergesehenen Eigenbedarfs oder nach der allgemeinen Kündigungsvorschrift für Dauerschuldverhältnisse in § 314 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1994 - III ZR 10/93, BGHZ 125, 293, 300; Schapp, NJW 1976, 1092, 1093; Staudinger/Gursky, BGB [2005], § 1004 Rn. 194). Das ändert aber nichts daran, dass auch bei diesen Leitungen die Befugnis zur Nut- zung des Grundstücks auf einem Vertrag mit dem Eigentümer beruht und mit dem Ende des Vertragsverhältnisses erlischt und dem Eigentümer danach die Ansprüche aus § 1004 BGB zustehen.
23
cc) Offen bleiben kann, ob die Entfernung für den Nachbarn wichtiger Hausanschlussleitungen durch den (schuldrechtlich nicht mehr zur Duldung verpflichteten ) Eigentümer sich unter besonderen Umständen als eine mit Treu und Glauben (§ 242) unvereinbare unzulässige Rechtsausübung darstellen kann (vgl. Senat, Urteil vom 8. Februar 2013 - V ZR 56/12, NJW-RR 2013, 650). Denn solche Umstände sind hier nicht ersichtlich.
24
c) Eine Verwirkung der Eigentümerrechte während der Besitzzeit der Klägerin, die alsbald nach dem Erwerb von den Beklagten die Beseitigung der Leitungen verlangt hat, schließt das Berufungsgericht zu Recht aus. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwendungen.

III.

25
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Stresemann Czub RiBGH Dr. Roth ist infolge Krankheit an der Unterschrift gehindert. Karlsruhe, den 4. Juni 2014 Die Vorsitzende Stresemann Brückner Kazele

Vorinstanzen:
AG Bad Dürkheim, Entscheidung vom 27.03.2012 - 1 C 604/11 -
LG Frankenthal, Entscheidung vom 29.05.2013 - 2 S 161/12 -