|
|
| Dem Beschuldigten wurde mit Strafanzeige des Antragstellers vom 27.03.2015 folgendes Verhalten zur Last gelegt: |
|
| Er habe als unmittelbarer Dienstvorgesetzter des Antragstellers - beide Personen waren damals beim Polizeipräsidium Z - Referat XX - als Polizeibeamte tätig - mit diesem am 28.10.2014 ein dienstliches Gespräch geführt, das vom Antragsteller zuvor erbeten worden sei. Hintergrund sei die E-Mail eines weiteren Kollegen gewesen, der gesundheitliche Probleme gehabt habe, da der Beschuldigte gegen ihn - sowie zwei weitere Kollegen - die Einleitung eines Disziplinarverfahrens wegen des Verdachts des „Arbeitszeitbetruges“ veranlasst gehabt habe. In dem Gespräch habe der Beschuldigte mitgeteilt, dass er gedenke, „gegen ihn - den Antragsteller - ein Disziplinarverfahren einzuleiten“, wobei er diesbezüglich mangelnde Unterstützung und Illoyalität angedeutet habe. Ferner habe er mitgeteilt, dass der Antragsteller am 03.11.2014 zu einer anderen Dienststelle „versetzt“ werde. Schließlich habe er des Weiteren eröffnet, dass der Antragsteller den angekündigten Maßnahmen zur Gesichtswahrung nur dann zuvorkommen könne, wenn er die (bereits bewilligte) Verlängerung der Dienstzeit - es war ihm ein Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand bis Ende 2015 gewährt worden - zurückziehe; ansonsten werde es für ihn übel werden. Dies sei im Übrigen nicht seine alleinige Entscheidung, sondern alles „mit P“ (gemeint war ersichtlich der Polizeipräsident) abgesprochen. Sodann seien ihm drei Tage Bedenkzeit eingeräumt worden; danach habe er seinen Entschluss mitteilen sollen. Schließlich sei er noch im Hinblick auf das Disziplinarverfahren belehrt worden. In der Folge habe er gleichwohl die Verlängerung der Dienstzeit aufrecht erhalten. |
|
| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schriftsatzes verwiesen. |
|
| Mit Verfügung des Präsidenten des Polizeipräsidiums Z vom 17.11.2014 wurde der Antragsteller vom Referat XX zum Polizeirevier Z umgesetzt und dem dortigen Bezirksdienst als Sachbearbeiter zugewiesen. Durch weitere Entscheidung des Präsidenten vom 28.11.2014 wurde gegen den Antragsteller von Amts wegen ein Disziplinarverfahren eingeleitet (§ 8 Abs. 1 LDG). Hintergrund hierfür war ein Antrag des Beschuldigten vom 03.11.2014 auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens und sofortige Umsetzung, in dem er dem Antragsteller „offenes Agieren gegen die Anordnung des Referatsleiters, Verweigerung der Zusammenarbeit mit dem Kernreferat, Illoyalität gegenüber Vorgesetzten, Hinterfragen von Entscheidungen und Fehlverhalten nach der Krankmeldung eines Kollegen“ zur Last legte. Ob das Disziplinarverfahren bereits abgeschlossen ist und welchen Ausgang es gegebenenfalls genommen hat, ist dem Senat nicht bekannt und bedarf auch keiner Abklärung. |
|
| Die Staatsanwaltschaft Z veranlasste in der Folge keine Ermittlungen und sah mit Verfügung vom 30.04.2015 von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Vorwurfs der versuchten Nötigung nach § 152 Abs. 2 StPO ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Äußerung des Beschuldigten bezüglich der Dienstzeitverlängerung nur auf die „Versetzung“ (beamtenrechtlich handelt es sich nicht um eine Versetzung, sondern eine Umsetzung [vgl. Kuhla/Hüttenbrink, Verwaltungsprozess, 3. Aufl., Rn. 247]) und nicht die Einleitung eines Disziplinarverfahrens bezogen und somit keine verwerfliche Zweck-Mittel-Relation im Sinne von § 240 Abs. 2 StGB vorgelegen habe. Die gegen die Entscheidung fristgerecht eingelegte Beschwerde wurde durch Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 21.09.2015 unter Hinweis auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Verfügung als unbegründet zurückgewiesen. |
|
| Der gegen diesen Bescheid beim Oberlandesgericht Karlsruhe am 06.10.2015 fristwahrend eingegangene und formgerecht von einem Rechtsanwalt unterzeichnete Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig; er wird insbesondere den inhaltlichen Darlegungsanforderungen gerecht (§ 173 Abs. 3 Satz 1 StPO). Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat unter dem 23.10.2015 auf Verwerfung des Antrages als unbegründet angetragen. |
|
| Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg, da die Staatsanwaltschaft Z - im Ergebnis - zutreffend von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen hat. Er war mithin als unbegründet zu verwerfen (§ 174 Abs. 1 StPO). |
|
| 1. Der Senat hält es zunächst für bedenklich, dass es die Staatsanwaltschaft Z angesichts der von ihr herangezogenen Begründung in Ansehen der Aufklärungspflicht unterlassen hat, überhaupt Ermittlungen durchzuführen. Nach dem Inhalt der Anzeige erschließt sich bei vorläufiger Bewertung nämlich keineswegs zwangsläufig, dass sich die Äußerung zur Dienstzeitverlängerung lediglich auf die Frage der „Versetzung“ bezogen hatte. Ein Bezug sowohl zur erwogenen „Versetzung“ als auch zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens lag demgegenüber jedenfalls im Sinne eines bestehenden Anfangsverdachts näher. Die Staatsanwaltschaft hatte aus eigener Interpretation - und nicht etwa aufgrund einer Einlassung des Beschuldigten - eine Auslegung der Äußerung vorgenommen, ohne dass hierfür ausreichend konkrete Tatsachen vorhanden waren. Die Argumentation, ein Disziplinarverfahren bleibe geheim, erscheint eher einem rechtstheoretischem Ansatz als der Realität zu folgen, was sich an dem Wissen der Beteiligten um die weiteren Disziplinarverfahren gegen Kollegen anschaulich zeigt. Vor diesem Hintergrund hätte nahe gelegen, den Anzeigeerstatter, dessen Ehefrau (erste anschließende Mitteilungsempfängerin) und den Polizeipräidenten A (mögliche vorherige Absprache mit dem Beschuldigten und nachfolgendes Gespräch mit der Ehefrau des Antragstellers) als Zeugen zu hören und anschließend den Beschuldigten zu vernehmen. Erst danach hätte sich der Gesprächsinhalt auf einer zuverlässigen Grundlage bewerten lassen. |
|
| Ungeachtet dieser Sach- und Rechtslage konnte der Senat letztlich gleichwohl davon absehen, die Staatsanwaltschaft zur Durchführung der erforderlichen Ermittlungen anzuweisen (vgl. zu dieser Möglichkeit KG Berlin NStZ-RR 2014, 14; OLG München NStZ-RR 2008, 403; OLG Brandenburg VRS 114, 373; LR-Graalmann-Scheerer, StPO, 26. Aufl., § 175 Rn. 17 ff.). Aufgrund dessen hat der Senat es unterlassen, dem Beschuldigten rechtliches Gehör zu gewähren (vgl. § 173 Abs. 2 StPO). |
|
| 2. Geht man von der Annahme der Strafanzeige und den nachfolgenden Ausführungen des Antragstellers aus, wonach sich die Äußerung zur Dienstzeitverlängerung - jedenfalls auch - auf die Einleitung eines Disziplinarverfahrens bezogen habe, fehlte es gleichwohl an einem Anfangsverdacht bzw. jedenfalls hinreichenden Tatverdacht für die Begehung einer versuchten Nötigung im besonders schweren Fall (§§ 240 Abs. 1 bis 3, Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, 22, 23 StGB). Aufgrund der disziplinarrechtlichen Normen läge eine Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB nicht vor. |
|
| a) Das Landesdisziplinarrecht Baden-Württemberg sieht die Einleitung eines Disziplinarverfahrens sowohl gegen Beamte als auch gegen Ruhestandsbeamte vor (§ 1 Abs. 1 Satz 1 LDG). Während bei Beamten auf Lebenszeit (im aktiven Dienst) alle Arten von Disziplinarmaßnahmen in Betracht kommen (§ 25 Abs. 1 Satz 1 LDG), können gegen Ruhestandsbeamte lediglich Kürzung und Aberkennung des Ruhegehalts verhängt werden (§ 25 Abs. 2 LDG). Dies hat zur Folge, dass die Einleitung eines Disziplinarverfahrens beim Ruhestandsbeamten nur unter engeren Voraussetzungen möglich ist. Hierbei bestimmt sich die Zulässigkeit einer Disziplinarmaßnahme nach der Rechtsstellung, die der Beamte im Zeitpunkt des Ausspruchs der Disziplinarmaßnahme innehat und damit zum Zeitpunkt des Erlasses der Disziplinarverfügung (§ 38 LDG). War der Beamte bei Einleitung des Disziplinarverfahrens (§ 8 LDG) noch im aktiven Dienst, tritt er jedoch vor Abschluss des Verfahrens in den Ruhestand, können durch die Disziplinarverfügung nur noch Maßnahmen nach § 25 Abs. 2 LDG verhängt werden (von Alberti/Burr/Düsselberg/Eckstein/Nonnenmacher/Wahlen, Landesdisziplinarrecht Baden-Württemberg, 2. Aufl., § 25 Rn. 6). Dies hat zur Folge, dass beim Vorliegen (lediglich) der Voraussetzungen eines Verweises (§ 27 LDG) oder einer Geldbuße (§ 28 LDG) bei einem aktiven Beamten das Verfahren gegen den Ruhestandsbeamten nach § 37 Abs. 1 Nr. 4 LDG einzustellen ist (von Alberti et al., aaO, § 32 Rn. 1; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 20.01.2009 - 2 B 4/08 -, juris [Rn. 16f], zum Bundesrecht). Dasselbe gälte entsprechend beim Fehlen der Voraussetzungen einer Zurückstufung bei einem aktiven Beamten (§ 30 LDG), die zur Kürzung des Ruhegehalts führen kann (§ 32 Satz 2 LDG; von Alberti et al., aaO, § 32 Rn. 1). |
|
| b) Aufgrund dieser unterschiedlichen Rechtslage bei aktiven Beamten und bei Ruhestandsbeamten war ein vom Beschuldigten in Aussicht gestellter Zusammenhang zwischen „Einleiten“ eines Disziplinarverfahrens (vgl. demgegenüber zur Zuständigkeit: §§ 4 Satz 1 Nr. 3 LDG, 3 Abs. 3 Satz 1 BeamtZuVO [hier der Polizeipräsident]) und einem möglichen Ruhestand nicht verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StPO. Hierbei ist entscheidend, dass die dem Antragsteller vom Beschuldigten vorgeworfenen Disziplinarverstöße - solche hypothetisch unterstellt - ersichtlich lediglich von solchem Gewicht gewesen wären, dass nach dessen Eintritt in den Ruhestand die allein in Betracht kommenden Disziplinarmaßnahmen nach §§ 25 Abs. 2, 32 Satz 2 LDG ausschieden, da sie die Schwere der Voraussetzungen der §§ 32 und 33 LDG nicht erreicht hätten. Sämtliche rechtlich verbleibenden Arten an möglichen Disziplinarmaßnahmen setzten nicht nur zumindest ein „mittelschweres“ Dienstvergehen voraus (§§ 30, 31, 32 LDG), sondern müssten darüber hinaus das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung nachhaltig erschüttern (§ 30 Abs. 1 Satz 1 LDG) bzw. geeignet sein, das Ansehen des öffentlichen Dienstes oder des Berufsbeamtentums erheblich zu beeinträchtigen (§ 32 Satz 1 LDG). Das dem Antragsteller vorgeworfene beamtenrechtliche Fehlverhalten betraf demgegenüber eine ausschließlich interne Arbeitsausführung. |
|
| c) Nach Rechtsprechung und Literatur kommt es für die Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB auf die Konnexität zwischen Zwang und erzwungenem Verhalten an. So entfällt die Rechtswidrigkeit, wenn der Täter mit einer der Sachlage entsprechenden Strafanzeige droht (BGHSt 5, 254; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 240 Rn. 50). Maßgeblich ist, ob eine unzulässige Verquickung von Mittel und Zweck erfolgt (OLG Karlsruhe NStZ-RR 1996, 296). Steht die „Drohung“ (beispielsweise mit Strafanzeige oder Kündigung) in innerer Beziehung zu dem Lebenssachverhalt, aus dem sich ein Recht ableitet, fehlt es an der Rechtswidrigkeit (Müller-Gugenberger/Trück, Wirtschaftsrecht, 6. Aufl., § 63 Rn. 24). |
|
| Der Beschuldigte durfte vorliegend das Veranlassen der Prüfung, ob ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird, vom Verbleib des Antragstellers im aktiven Dienst abhängig machen, da dies der disziplinarrechtlichen Rechtslage entsprochen hat. Insbesondere konnte er von weiteren Veranlassungen absehen, wenn ein gegebenenfalls eingeleitetes Disziplinarverfahren im Anschluss an den Eintritt des Antragstellers in den Ruhestand aus Rechtsgründen sogleich nach § 37 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 LDG einzustellen gewesen wäre. Angesichts dessen war ihm beamtenrechtlich die Möglichkeit eröffnet, dem Antragsteller die im Raum stehenden Alternativen zu eröffnen. In subjektiver Hinsicht ist auch davon auszugehen, dass der Beschuldigte die Rechtslage - als Beamter im gehobenen Dienst - zumindest in einer „juristischen Laiensphäre“ entsprechend bewertet hat. |
|
| d) Der mögliche Zusammenhang der Äußerung mit einer Umsetzung des Antragstellers erfüllte, was die Staatsanwaltschaft Z zutreffend bewertet hat und auch vom Antragsteller nicht in Zweifel gezogen wird, kein mögliches strafbares Verhalten. Diese ausschließlich beamtenrechtliche Maßnahme durfte aus funktionalen dienstlichen Interessen der Verwaltungsorganisation als personalpolitisches Mittel erfolgen (von Alberti et al., aaO, § 25 Rn. 2; vgl. auch VGH Baden-Württemberg DÖD 2012, 167, juris Rn. 22), zumal eine vertrauensvolle weitere Zusammenarbeit ersichtlich ausgeschlossen war. |
|
| 3. Soweit sich der Antrag darüber hinaus zu dem Vorwurf der falschen Verdächtigung (§ 164 Abs. 1 StGB) verhält, ist er unzulässig, da diesem Verhalten eine andere Tat im prozessualen Sinne (§ 264 StPO) zugrunde läge, die nicht Gegenstand des vorliegenden Ermittlungsverfahrens gewesen war. Hierauf hatte der Antragsteller in der Strafanzeige vom 27.03.2015 inzidenter sogar ausdrücklich hingewiesen, als er ausführte, dass solche Vorwürfe dem Gang des Disziplinarverfahrens vorbehalten blieben, und gegebenenfalls eine weitere Strafanzeige in Aussicht stellte. |
|
| Im Übrigen entspräche der Antrag diesbezüglich auch nicht den inhaltlichen Anforderungen des § 173 Abs. 3 Satz 1 StPO. Dem Senat wäre eine Beurteilung, ob überhaupt und in welchem Umfang die Vorwürfe zutreffend sind, anhand des Vorbringens - und im Übrigen noch nicht einmal unter (nicht zulässiger) Berücksichtigung des Inhalts der Ermittlungsakten - nicht möglich. |
|
| Die Kostenentscheidung beruht auf § 177 iVm § 174 Abs. 1 StPO. Eines ausdrücklichen Ausspruchs über die notwendigen Auslagen des Beschuldigten bedarf es nicht, da diese von der getroffenen Kostenentscheidung mitumfasst werden (OLG Koblenz NStZ 1990, 48; KK-Moldenhauer, StPO, 7. Aufl., § 177 Rn. 3). |
|