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| Der Kläger begehrt Invaliditätsentschädigung aus seiner privaten Unfallversicherung. |
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| Am 01.12.1996 schloss der Kläger mit der Beklagten unter Einbeziehung der Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingung (AUB 95) sowie Besonderen Bedingungen und Zusatzbedingungen zur Unfallversicherung für den Rahmenvertrag mit dem Bund der Versicherten e. V. einen Unfallversicherungsvertrag ab. |
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| Am 23.07.1999 suchte der Kläger auf Verweisung seines Hausarztes den Facharzt für Neurologie- und Psychiatrie/Psychotherapie Sch. auf, der einen subligamentären BSV L5/S1 diagnostizierte. Mit Unfallschadensanzeige vom 30.07.1999 meldete der Kläger der Beklagten einen Unfall vom 18.07.1999. Mit Schreiben vom 08.12.1999 lehnte die Beklagte ihre Eintrittspflicht endgültig ab. |
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| Mit Urteil vom 30.07.2004, auf das wegen der weiteren Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, Schädigungen der Bandscheibe wie die vom Kläger erlittene seien nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten vom Versicherungsschutz ausgeschlossen (§ 2 III. (2) 1 AUB 95). Versicherungsschutz bestehe hierfür nur, wenn ein versichertes Unfallereignis überwiegende Ursache für die Bandscheibenschädigung gewesen sei. Für die Voraussetzung des Wiedereinschlusses, dass heißt die überwiegende Ursache der Bandscheibenschädigung durch das versicherte Unfallereignis, sei der Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Der Risikoaus- und Wiedereinschluss sei auch nicht zu beanstanden und benachteilige den Kläger entgegen dem Gebot von Treu und Glauben nicht unangemessen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen habe beim Kläger bereits ein längerfristiger Schaden im Bereich der Bandscheibe vorgelegen. Das Auffangen des Rasenmähers als Unfallereignis sei nicht die überwiegende Ursache für den Bandscheibenvorfall gewesen. |
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| Hiergegen richtet sich die zulässige Berufung des Klägers. Dieser führt aus, § 2 AUB 95 sei mindestens hinsichtlich der Beweislastverteilung unklar gefasst. Der Versicherungsnehmer gehe im Zuge der Lektüre des § 2 AUB davon aus, er sei versichert, wenn er unfallbedingt einen Bandscheibenvorfall erleide. Im Übrigen sei der Beweis einer überwiegenden Verursachung des Bandscheibenvorfalls durch das Unfallereignis geführt. Im vorliegenden Falle habe der Unfall den letzten Anstoß zum Durchdringen des Bandscheibengewebes des Kerns durch die Hülle gegeben, also des Auftretens des Bandscheibenvorfalls. |
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| das Urteil des Landgerichts Karlsruhe abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 62.633,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 08.12.1999 zu zahlen. |
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| die Berufung zurückzuweisen. |
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| Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. |
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| Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache hat sie keinen Erfolg. Der Klage ist der Erfolg zu versagen, weil die Beklagte für das Unfallereignis vom 18.07.1999 nicht einstandspflichtig ist. |
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| Der Senat geht in Übereinstimmung mit dem Landgericht davon aus, dass der Kläger aktivlegitimiert ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen des Landgerichts verwiesen. Ebenso ist im vorliegenden Falle nach dem - bestrittenen - Klagvorbringen (Nachfassen eines wegrutschenden Rasenmähers)von einem Unfall im Sinne des § 1 III. AUB 95 auszugehen. Bei einem Unfall handelt es sich bedingungsgemäß um ein äußeres Ereignis, das - nicht willensgesteuert - auch im Ablauf einer willentlich in Gang gesetzten Eigenbewegung des Versicherten auftreten kann und dann zumindest mitursächlich für die Gesundheitsbeschädigung wird (BGH VersR 1998, 73). Die vom Kläger im Rahmen seiner Vernehmung als Partei gegebene Schilderung des Unfallherganges am 18.07.1999 erfüllt diese Voraussetzungen. Ob hinsichtlich der Feststellungen des Landgerichts insoweit die nicht unbeachtlichen Gegenrügen der Beklagten durchdringen, kann offen bleiben, denn der Klage ist schon aus den weiteren Gründen der angefochtenen Entscheidung der Erfolg zu versagen. |
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| Nach § 2 III. (2) AUB 95 sind Schädigungen an Bandscheiben grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgenommen. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn ein unter den Vertrag fallendes Unfallereignis im Sinne vom § 1 III AUB 95 die überwiegende Ursache für den Bandscheibenschaden ist. |
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| Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH sind AVB so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (BGHZ 123, 83). Der verständige Versicherungsnehmer wird dem Wortlaut der AUB 95 entnehmen, dass die Versicherungsbedingungen zunächst Leistungen für Unfallfolgen infolge erhöhter Kraftanstrengung an der Wirbelsäule vorsehen, wenn hierdurch ein Gelenk verrenkt wird oder Muskeln, Sehnen, Bänder und Kapseln zersprengt oder zerrissen werden (§ 1 IV (1) und (2) AUB). Beides ist im Falle der Zerreißung der Bandscheibe (prolaps) nicht der Fall. Bei der Bandscheibe handelt es sich nicht um ein dort genanntes Gewebe; ebenso handelt es sich bei der Bandscheibe nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, der für das Verständnis der Versicherungsbedingungen maßgeblich ist, nicht um eine Kapsel (Senat, RuS 1995, 159; Knappmann, NVersZ 2002, 1 ff.). |
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| Bei der Durchsicht der in § 2 AUB 95 enthaltenen „Ausschlüsse“ wird der verständige Versicherungsnehmer erkennen, dass der Versicherungsschutz bei einer genau umschriebenen Art von Unfällen und Gesundheitsschädigungen (§ 2 I., II. AUB) sowie bei speziellen Verletzungsfolgen (§ 2 III. AUB) - hier der Schädigung der Bandscheiben - nicht gelten soll. Nach § 2 III. (2) AUB will der Versicherer den Versicherungsschutz für Schädigungen an Bandscheiben generell vom Versicherungsschutz ausnehmen. Nur ausnahmsweise soll nur unter den dort genannten Voraussetzungen (wiederum) Versicherungsschutz bestehen. Für den verständigen Versicherungsnehmer ist aus dem Wortlaut der Bedingung in § 2 III. (2) AUB ohne weiteres ersichtlich, dass bei Schädigungen an der Bandscheibe grundsätzlich kein Versicherungsschutz besteht, Versicherungsschutz vielmehr nur ausnahmsweise gewährt werden soll, nämlich dann, wenn ein Unfall im Sinne von § 1 III. AUB überwiegend den Schadenseintritt hervorgerufen hat. Für den Versicherungsnehmer erschließt sich hieraus, dass bei einer erheblichen vorgeschädigten Bandscheibe eine bloße „Gelegenheitsursache“ nicht überwiegende Ursache sein kann, auch dann nicht, wenn der konkret eingetretene Schaden allein auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. |
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| Diese Auslegung des § 2 III. (2) AUB 95 verstößt entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht gegen § 9 AGBGB (§ 307 BGB n. F.). Sie ist weder unklar gefasst noch wird das Gebot von Treu und Glauben missachtet. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben scheidet aus, weil - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - der Versicherungsnehmer ein berechtigtes Interesse daran hat, Gesundheitsschädigungen, die ihre Ursache in aller Regel im Krankheitsbereich haben, vom Versicherungsschutz auszuschließen. Zwar sind zur Auslegung von Versicherungsbedingungen Zweck- und Zielvorstellungen der Versicherung nur dann und nur insoweit für die Auslegung eines Klauselwerkes von Bedeutung, wenn und wie sie in ihm einen für die angesprochenen Versicherungsnehmer erkennbaren Ausdruck gefunden haben (BGH VersR 1995, 1433). Dem verständigen Versicherungsnehmer erschließt sich aber beim Wortlaut von § 2 III. (2) AUB und bei dem Aufbau des Klauselwerkes, das die Aufschlüsse in § 2 AUB gesondert und ausdrücklich regelt, ohne weiteres, dass bei Bandscheibenschädigungen generell kein Versicherungsschutz besteht. |
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| Der Kläger hat nicht nachzuweisen vermocht, dass das Unfallereignis den Bandscheibenvorfall überwiegend verursacht hat. Insoweit trägt er jedoch die Beweislast. Bei § 2 III. (2) AUB handelt es sich - wie oben ausgeführt - um einen „Ausschluss mit Wiedereinschluss“, so dass der Versicherer, der für Einschränkungen bzw. Ausschlüsse des zunächst gegebenen Leistungsversprechen beweispflichtig ist (BGH VersR 1995, 1433 zu § 10 (5) AUB 61 und BHG VersR 1999, 1244 zu § 3 III BBUZ), die Beweislast dafür trägt, dass der vom Versicherten erlittene Gesundheitsschaden in einer Schädigung an der Bandscheibe besteht. Der Versicherungsnehmer muss, wenn dem Versicherer wie hier dieser Nachweis gelingt, beweisen, dass das Unfallereignis die überwiegende Ursache für den Bandscheibenschaden gesetzt hat (OLG Hamm RuS 2001, 439 u. RuS 2003, 255; OLG Nürnberg NVersZ 2000, 570; OLG Oldenburg RuS 1997, 41; Grimm, Unfallversicherung, 3. Auflage, § 2 Rn 101; Prölss/Martin, 27. Auflage, § 2 AUB 94, Rn 40). Soweit der Kläger beanstandet, § 2 III. (2) AUB sei hinsichtlich der Beweislast unklar und deshalb unwirksam, muss darauf hingewiesen werden, dass die Klausel, wie materielle Bestimmungen zumeist, sich zur Beweislast gar nicht verhält. Die Beweislast folgt der - hier klaren - sachlichen Regelung. |
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| Zudem steht im vorliegenden Fall nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sogar fest, dass überwiegende Ursache für den Bandscheibenvorfall beim Kläger eine Vorschädigung der Bandscheibe war. Eine überwiegende Verursachung ist - wie das Landgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat - dann gegeben, wenn der Verursachungsanteil über 50 % liegt (Grimm a.a.O., Rn 100). Ein solcher Anteil kommt dem behaupteten Unfallereignis vom 18.07.1999 nicht zu. |
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| Der Sachverständige Dr. med. M hat überzeugend ausgeführt, dass beim Kläger ein längerfristiger Schaden im Bereich der Bandscheibe vorgelegen hat. Auf der CT-Aufnahme nach dem Unfall von den drei unteren Bandscheiben des Klägers sei zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Bandscheibenvorfalls am oberen hinteren Rand der Deckplatte des Kreuzbeines eine höckerige, knöcherne Vorwölbung genau im Bereich der geschädigten Bandscheibe vorhanden gewesen. Solche Aufbauten bilden sich den Ausführungen des Sachverständigen zufolge immer nur im Rahmen eines längerfristigen degenerativen Schädigungsprozesses. Zwar war der Kläger vor dem Unfallgeschehen seinen glaubhaften Angaben zufolge, die auch der Sachverständige teilt, beschwerdefrei und ist im vorliegenden Fall der Unfall auch der letzte Anstoß zum Durchtrennen des Bandscheibengewebes des Kerns durch die Hülle gewesen, also des Auftretens des Bandscheibenvorfalls. Der Sachverständige hat aber weiter plausibel ausgeführt, dass das Auftreten des Bandscheibenvorfalls bei einer gesunden, nicht vorgeschädigten Bandscheibe als direkte Unfallfolge nur im Rahmen einer besonders schweren Traumatisierung (z. B. schwerer Autounfall oder Sturz aus großer Höhe) zu erwarten ist. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätte das Unfallereignis bei einer nicht vorgeschädigten Bandscheibe deshalb nicht zu dem Bandscheibenvorfall mit seinen Folgen geführt. Der Unfall ist nur sogenannte „Gelegenheitsursache“ gewesen. Hiergegen erinnert der Kläger, dass ausweislich des Sachverständigengutachtens der Unfall den letzten Anstoß zum Durchdringen des Bandscheibengewebes gegeben habe. Diese Feststellung steht im Einklang mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. M, besagt aber gerade nicht, dass überwiegende Ursache für die Bandscheibenschädigung das Nachfassen eines wegrutschenden Rasenmähers gewesen ist. Das Unfallereignis war nur als letzter Anstoß mitursächlich für das Entstehen des Bandscheibenvorfalles, wobei nach den Feststellungen des Sachverständigen der nicht unfallbedingte Anteil und damit die Vorschädigung deutlich denjenigen des Unfallereignisses vom 18.07.1999 überwiegt. |
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| Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen überwiegt danach im vorliegenden Fall der Verursachungsanteil der Vorschädigung deutlich (Anteil von 2/3 zu 1/3 des Unfallgeschehens). Es steht somit auch zur Überzeugung des Senats fest, dass die Vorschädigung die überwiegende Ursache für die Bandscheibenschädigung war. |
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