Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 24. Mai 2004 - 1 Ws 258/03

bei uns veröffentlicht am24.05.2004

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - M. vom 04. August 2003 wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.

Gründe

 
I.
Der jetzt 50jährige N. wurde durch Urteil des Landgerichts M. vom 11.03.1985 wegen versuchten Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, weil er am 08.06.1984 gegen zwei Uhr morgens mit einer BAK von maximal 2,6 Promille seinem ihm bis dahin völlig unbekannten homosexuellen Sexualpartner L. ein an der Wand in seiner Wohnung hängendes Bajonett in die linke Brust gestoßen hatte, wodurch dieser erhebliche Verletzungen erlitt und nur aufgrund einer Notoperation hatte gerettet werden können. Nach dem von der Strafkammer eingeholten psychiatrischen Sachverständigengutachten von Prof. Dr. J. von der Universitätsklinik H. stammt der Angeklagte aus dissozialen Verhältnissen und verfügt über eine illusionistische-nihilistische Grundeinstellung. Eine Einschränkung seiner Schuldfähigkeit hat das Schwurgericht nicht angenommen. Der Gefangene befindet sich seit 08.06.1984 in Haft, welche er derzeit in der Justizvollzugsanstalt M. verbüßt.
Am 05.10.1998 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts M. ausgesprochen, dass die Schwere der Schuld keine über 15 Jahre hinausgehende Vollziehung der Freiheitsstrafe erfordere. Mit Beschluss vom 04.08.2003 hat diese unter Hinweis auf ein von ihr früher eingeholtes Sachverständigengutachten des Arztes für Psychiatrie Dr. S. vom 17.12.1999, einer schriftlichen Stellungnahme des Anstaltspsychologen F. vom 31.08.2001, welcher beim Gefangenen in Ergänzung zu den Vorbegutachtungen auch eine schizoide Persönlichkeitsstörung für vorliegend hält, sowie der Ablehnung der Durchführung einer Sozialtherapie im Justizvollzugskrankenhaus H. durch den Gefangenen die Aussetzung der Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt, da dem Gefangenen unter Berücksichtigung des Sicherheitsbedürfnisses der Allgemeinheit keine günstige Prognose gestellt werden könne.
Gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer wendet sich der Gefangene mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde, mit welcher er unter Hinweis auf seine annähernd 20 Jahre andauernde Inhaftierung und einer seither erfolgten günstigen Persönlichkeitsentwicklung seine vorzeitige Entlassung anstrebt.
Mit Beschluss vom 14.01.2004 hat der Senat die Einholung eines umfassenden kriminalprognostischen Gutachtens angeordnet und mit dessen Erstellung den Leitenden Medizinischen Direktor Dr. R.D. S. der Abteilung Forensische Psychiatrie und Psychotherapie vom Zentrum für Psychiatrie in W. beauftragt. Wegen den Einzelheiten dieser Expertise wird auf die ausführliche Begutachtung vom 30.03.2004 sowie auf die vom Senat hierzu noch eingeholte ergänzende Stellungnahme vom 30.04.2004 verwiesen.
Die Verteidigerin hat mit Schriftsatz vom 03.05.2004 auf die Durchführung einer (erneuten) mündlichen Anhörung des Gefangenen und des Sachverständigen verzichtet.
II. Das zulässige Rechtsmittel des Gefangenen bleibt aus den vom Senat im Ergebnis für zutreffend erachteten Gründen der angefochtenen Entscheidung ohne Erfolg.
Die Verantwortungsklausel des §§ 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 57 a Abs.1 Nr. 3 StGB fordert als Voraussetzung für eine vorzeitige bedingte Entlassung die Wahrscheinlichkeit des Erfolges der Aussetzung der Vollstreckung, wobei insbesondere die Kriterien des „Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit“ und des „Gewichts des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes“ dem Wahrscheinlichkeitsurteil Grenzen setzen. In diesem Rahmen setzt das mit der Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung verbundene „Erprobungswagnis“ zwar keine Gewissheit künftiger Straffreiheit voraus; es genügt deshalb, wenn - eindeutig festzustellende - positive Umstände die Erwartung i.S. e. wirklichen Chance rechtfertigen, dass der Verurteilte im Falle seiner Freilassung nicht mehr straffällig, sondern die Bewährungszeit durchstehen werde. Dies entspricht ebenso der ständigen Rechtsprechung des Senats, wie die Einschränkung, dass nicht aufklärbare Unsicherheiten und Zweifel, ob solche Umstände in zureichendem Maße vorliegen, zu Lasten des Verurteilten gehen. Bezüglich möglicher künftiger Straftaten ist zwar ein Restrisiko einzugehen; ob dieses vertretbar ist, ist durch eine Gesamtabwägung aller entscheidungserheblicher Umstände zu ermitteln. Dabei kommt dem Sicherheitsanliegen der Allgemeinheit aber besonderes Gewicht zu (BVerfG NJW 1998, 2202 ff.). Je höherwertigere Rechtsgüter in Gefahr kommen können, umso geringer muss das Risiko eines Rückfalls sein. Auch insoweit gehen verbleibende Zweifel an einer hinreichend günstigen Prognose zu Lasten des Verurteilten (BVerfG a.a.O.). Bei einem zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe Verurteilten kommt hinzu, dass dessen Freiheitsanspruch gegenüber den Sicherheitsbelangen der Allgemeinheit mit der Dauer seiner Inhaftierung an Gewicht gewinnt (BVerfG NJW 1998, 1133 ff; NJW 1992, 2344 ff.; OLG Karlsruhe StV 2002, 322 f.). Auch ist bei der Prüfung der Entlassvoraussetzungen in einem solchen Fall in besonderer Weise zu beachten, dass die lebenslange Freiheitsstrafe nur dann als verfassungsrechtlich unbedenklich anzusehen ist, wenn mit ihr ein sinnvoller Behandlungsvollzug einhergeht, weshalb die frühestmögliche Durchführung medizinisch oder psychotherapeutisch indizierter Behandlungen im Strafvollzug auch deshalb geboten ist, um dem Verurteilten eine konkrete und grundsätzlich auch realisierbare Chance zu eröffnen, zu einem späteren Zeitpunkt die Freiheit wieder erlangen zu können (BVerfGE 45, 187 ff.; 245; eingehend hierzu: BVerfG NStZ 1996, 614; OLG Karlsruhe NJW 2001, 3422 ff.; zur Behandlung im Strafvollzug allgemein: Senat zuletzt in ZfStrVo 2004, 118 f.; NStZ 1998, 633 und Beschluss vom 13.02.2004, 1 Ws 165/03: Vollzugsplan; OLG Karlsruhe StV 2002, 34 f.).
III. Bei Anlegung dieses Maßstabes kann es derzeit nicht verantwortet werden, den Gefangenen vorzeitig aus der Strafhaft zu entlassen, es sind jedoch zeitnah Maßnahmen zur Behandlung der beim Verurteilten vorliegenden Störung veranlasst.
a. Auch die neue Begutachtung des Gefangenen hat ergeben, dass im Falle einer endgültigen Haftentlassung ohne eine erfolgreiche Aufarbeitung der Tathintergründe die Gefahr von weiteren Straftaten gerade unter Alkoholeinfluss im homosexuellen Milieu bestehe; allerdings habe sich das bei ihm beschriebene menschenverachtende nihilistische Persönlichkeitsgefüge im Laufe der beinahe 20jährigen Inhaftierung nunmehr verändert, der Gefangene sei deutlich gereifter und stabiler geworden, stehe heute auch anderen Gefangenen hilfreich zur Seite und habe sogar einem Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt M. bei einem Stromunfall das Leben gerettet (Gutachten Seite 39). Trotz dieser Hinweise auf eine „neue“ Persönlichkeitsausrichtung sei wegen den (sexuellen) tatmotivationalen Hintergründen und den eher negativen kriminalprognostischen Faktoren eine psychotherapeutische Tataufarbeitung notwendig.
10 
b. Der Expertise, welcher sich der Senat nach eigener Überprüfung anschließt, ist jedoch auch zu entnehmen, dass die beim Gefangenen vorhandene Störung grundsätzlich behandelbar ist, wobei auch eine externe ambulante Psychotherapie erfolgsversprechend sein könnte, wenn sich der Gefangene zu einer Mitarbeit bereit erklärt und seine frühere Verweigerungshaltung, wie etwa gegenüber dem anstaltspsychologischen Dienst aufgibt (Gutachten Seite 405). Eine nach Ansicht des Senates nunmehr ernsthafte Bereitschaft hat der Gefangene in seinem Schreiben vom 16.05.2004 und in der Stellungnahme seiner Verteidigerin vom 21.05.2004 erklärt.
11 
Eine solche Behandlung könnte - wie sich aus der vom Senat eingeholten Stellungnahme des Sachverständigen vom 30.04.2004 ergibt, etwa durch den Psychotherapeuten Wo. aus M. erfolgen, wobei diese zunächst - bei Bereitschaft des Behandlers - zeitweise in der Anstalt und danach durch regelmäßige Ausführungen gewährleistet werden könnte.
12 
c. Diesem - auch verfassungsrechtlich verbürgten - Anspruch des Gefangenen auf Durchführung einer Behandlung steht nicht entgegen, dass er mit Schreiben vom 08.12.2003 die Durchführung einer Sozialtherapie - welcher auch nach Auffassung des Senats die erfolgsversprechendere Behandlungsalternative gewesen wäre (vgl. hierzu Gutachten Seite 41) abgelehnt hat. Diese - möglicherweise auch „krankheitsbedingt“ erfolgte - Weigerung darf nämlich nicht dazu führen, dass jede weitere Form der Therapie, mag sie auch langwieriger und weitaus weniger erfolgsversprechend sein, ausscheidet und der Gefangene bei fortdauernder Gefährlichkeit ohne sachgerechte Behandlung im Strafvollzug verbleibt. Auch Kostenfragen dürfen insoweit keine Rolle spielen (Senat ZfStrVo 2004, 118 f.; OLG Karlsruhe NJW 2001, 3422 ff.). Findet sich kein freier Träger zur Kostenübernahme und kann der Gefangene für diese auch nicht aus seinen Einkünften aufkommen, so fallen diese der Staatskasse zur Last. Im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen in seiner Stellungnahme vom 30.04.2004 hält der Senat auch weitere vorbereitende Gespräche durch den anstaltspsychologischen Dienst der Justizvollzugsanstalt M. nicht für veranlasst, vielmehr ist zeitnah mit der dringend notwendigen Behandlung des Gefangenen zu beginnen.
13 
IV. Auch wenn die Vollzugsbehörde an im Verfahren nach §§ 57, 57a StGB ausgesprochene gerichtliche Hinweise über die Durchführung von Behandlungs- und Lockerungsmaßnahmen nicht unmittelbar gebunden ist, geht der Senat davon aus, dass diese das ihr Mögliche zur Gewährung einer solchen Therapie unternimmt.
14 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

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Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafgesetzbuch - StGB | § 57 Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe


(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn 1. zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,2. dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der

Strafgesetzbuch - StGB | § 57a Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe


(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn 1. fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,2. nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und3

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bei uns veröffentlicht am 13.02.2004

Tenor 1. Auf die Rechtsbeschwerde des Gefangenen werden der Beschluss des Landgerichts K. - Strafvollstreckungskammer - vom 22. April 2003 und die bezüglich des Gefangenen seitens der Justizvollzugsanstalt B. erstellte Fortschreibung des Vollzugspla

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Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Gefangenen werden der Beschluss des Landgerichts K. - Strafvollstreckungskammer - vom 22. April 2003 und die bezüglich des Gefangenen seitens der Justizvollzugsanstalt B. erstellte Fortschreibung des Vollzugsplanes vom 07. Juni 2002 aufgehoben.

2. Die Vollzugsanstalt wird verpflichtet, bezüglich des Gefangenen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats eine neue Fortschreibung des Vollzugsplanes zu erstellen.

3. Die Kosten des Verfahrens und die dem Gefangenen entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

4. Der Gegenstandswert wird auf 600,00 Euro festgesetzt.

Gründe

 
I. Der Gefangene S. verbüßt in der Justizvollzugsanstalt B. seit 1987 mehrere langjährige Freiheitsstrafen von acht, zehn und 15 Jahren u.a. wegen Raubes, räuberischer Erpressung und Körperverletzung. Der gemeinsame Zweidritteltermin der Strafen ist für den 09.09.2005 notiert, das Strafende auf den 11.09.2016. Danach ist Sicherungsverwahrung angeordnet.
Am 06.06.2002 fand in der Anstalt eine Wiederbesprechung des Vollzugsplanes statt, dessen Ergebnis dem Gefangenen im Anschluss an die Konferenz mündlich und am 17.06.2002 durch Übergabe eines als „Fortschreibung - Mehrfertigung für den Gefangenen“ bezeichneten Schriftstückes eröffnet wurde.
Mit am 28.08.2002 bei der Strafvollstreckungskammer eingegangenem Antrag beantragte der Gefangene, die erfolgte Fortschreibung des Vollzugsplanes insgesamt und hilfsweise insoweit aufzuheben, als ihm hierin Ausführungen zu seiner Mutter, die Unterbringung im offenen Vollzug und ein Termin zur erneuten Fortschreibung des Vollzugsplanes binnen sechs Monaten verweigert worden sei.
Mit Beschluss vom 22.04.2003 hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag, soweit dort die Aufhebung des Vollzugsplanes begehrt worden war, als unzulässig und im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Gefangene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit welcher er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet.
II. Die form- und fristgerecht erhobene Rechtsbeschwerde ist zulässig, da es geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 116 Abs. 1 StVollzG). Sie hat mit der erhobenen Sachrüge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Die Strafvollstreckungskammer hat den Antrag zu Unrecht teilweise als unzulässig angesehen. Zwar teilt der Senat die Ansicht der Strafvollstreckungskammer, dass ein Vollzugsplan als Orientierungsrahmen für die künftige Vollzugsgestaltung grundsätzlich nur insoweit der Anfechtung unterliegt, als dieser belastende Einzelfallregelungen - wie hier etwa die Versagung von Lockerungen - enthält (OLG Koblenz ZfStrVo 1990, 373; OLG Frankfurt NStE Nr. 7 zu § 11 StVollzG; Callies/Müller-Dietz, Strafvollzugsgesetz, 9. Auflage 2002, § 7 Rn. 2). Etwas anderes gilt aber dann, wenn ein solcher Plan den Mindestanforderungen einer Planerstellung, etwa wegen Rechtsfehler im Aufstellungsverfahren, nicht genügt (BVerfG NStZ 1993, 301; OLG Celle NStZ 1999, 444; Callies/Müller-Dietz, a.a.O., § 7 Rn. 2; AK-StVollzG/Förster, 4. Aufl. 2000, § 7 Rn. 33).
Ein solcher Fehler liegt hier aber vor, denn es existieren zwei zeitgleich erstellte „Fortschreibungen“ des Vollzugsplanes, ohne dass deutlich zu erkennen wäre, welche von beiden nunmehr Rechtswirkungen erzeugen soll. So hat die Anstalt im Gerichtsverfahren neben der dem Gefangenen ausgehändigten Fassung ein drei Seiten umfassendes und ausdrücklich als „Fortschreibung“ - und nicht nur als bloßes Sitzungsprotokoll - bezeichnetes Schriftstück vorgelegt, in welchem die Beurteilung der Konferenzteilnehmer (§ 159 StVollzG) über die Arbeitsleistungen des Gefangenen, die Entwicklung seiner Persönlichkeit im Wohn- und Arbeitsbereich, eine Einschätzung der Vollzugsbehörde über den voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt, in Betracht kommende therapeutische Maßnahmen, die Gewährung von Lockerungen und die weitere Vollzugsgestaltung auch unter jeweiliger Darlegung von Abwägungsgesichtspunkten niedergelegt ist. Außerdem enthält diese dem Gefangenen indes nicht mitgeteilte „Fortschreibung“ - wenn auch in Form einer internen Verfügung - die in § 7 Abs. 3 Satz 2 StVollzG als Bestandteil eines Vollzugsplanes ausdrücklich („im Vollzugsplan“) vorgesehene Frist zu dessen weiterer Fortschreibung.
Daneben existiert ein zwölf Zeilen umfassendes und als „Fortschreibung - Mehrfertigung für den Gefangenen“ bezeichnetes Dokument, aus welchem sich - ohne nähere Vertiefung - die weitere Vollzugsplanung bezüglich der Gewährung von Lockerungen, der Notwendigkeit der Durchführung einer Sozialtherapie und der Fortdauer der Unterbringung im geschlossenen Vollzug ergibt. Eine Frist zur weiteren Fortschreibung des Vollzugsplanes enthält dieses Schriftstück entgegen § 7 Abs. 3 Satz 2 StVollzG nicht. Bereits diese Widersprüchlichkeit im Vorhandensein zweier Vollzugspläne führt vorliegend zur Annahme eines Fehlers im Aufstellungsverfahren und damit insgesamt zur Aufhebung der ergangenen Planung.
10 
Im Übrigen würde die dem Gefangenen ausgehändigte „Fortschreibung - Mehrfertigung für den Gefangenen“ auch nicht den Mindestanforderungen genügen, die an die Erstellung eines ordnungsgemäßen Vollzugsplanes bzw. an dessen Fortschreibung zu stellen sind. Dieser beschränkt sich nämlich auf eine Wiederholung der in § 7 Abs. 2 StVollzG aufgeführten Minimal-voraussetzungen, ohne dass dieser in zureichender Weise auf die Entwicklung des Gefangenen und die in Betracht kommenden Behandlungsansätze eingeht (vgl. Callies/Müller-Dietz, a.a.O., § 7 Rn. 3). Auch hat ein solcher Plan wenigstens in groben Zügen - eine Ergänzung im Detail hält der Senat für zulässig - die tragenden Gründe darzustellen (AK-StVollzG/Förster, a.a.O., § 7 Rn. 8; die Entscheidungen OLG Hamm ZfStrVo 1977, 63 und OLG Nürnberg ZfStrVo 1982, 308 stehen nicht entgegen), welche die Anstalt zu ihren Entscheidung(en) bewogen haben, denn nur durch eine solche Kenntnis wird die Planung für den Gefangenen nachvollziehbar und verständlich, so dass er sein zukünftiges Verhalten darauf einstellen und eigene Fehler korrigieren kann. Auch ist nur bei Einblick in die Gründe für den Gefangenen eine Überprüfung möglich, ob die Anstalt von dem ihr zustehenden Ermessen in rechtsfehlerfreier Weise Gebrauch gemacht hat (BVerfG NStZ 1983, 301 f). Eine solche Beurteilung hält der Senat auch deshalb für geboten, weil es sich bei dem Vollzugsplan nicht um bloße unverbindliche Absichtserklärung der Vollzugsbehörde handelt, sondern dieser für den Gefangenen die richtungweisenden Grundentscheidungen bezüglich seines individuellen Vollzugskonzeptes darstellt (vgl. OLG Hamm ZfStrVo 1979, 63) und einem Vollzugsplan daher erhebliche Bedeutung für einen Gefangenen zukommt. Aus diesem Grund hat auch die in § 7 Abs. 3 Satz 2 StVollzG zur Aufnahme in den Vollzugsplan vorgesehene Fristbestimmung zur weiteren Planfortschreibung besonderes Gewicht, weshalb deren Fehlen einen erheblichen Mangel darstellt (OLG Celle ZfStrVo 1985, 244). Auch eine Ergänzung der dem Gefangenen ausgehändigten „Fortschreibung - Mehrfertigung für den Gefangenen“ durch die seitens der Anstalt erstellte weitere „Fortschreibung“ ist - jedenfalls - vorliegend nicht möglich, weil diese detailliertere Planung dem Gefangenen nicht mitgeteilt wurde und seitens der Anstalt (zunächst) auch keine Rechtswirkungen nach außen erzeugen sollte.
11 
Die angefochtene Vollzugsplan war daher insgesamt aufzuheben und die Neubescheidung des Gefangenen anzuordnen (§ 115 Abs. 4 Satz 2 StVollzG).
12 
Insoweit weist der Senat auf folgendes hin:
13 
a. Bei der Prüfung, ob dem Gefangenen zukünftig wieder Ausführungen (§ 7 Abs. 2 Nr. 7 StVollzG) zu seiner Mutter gewährt werden können, wird die Anstalt zu berücksichtigen haben, welche Bedeutung solche Zusammenführungen für die Resozialisierung des Gefangenen und den Erhalt seiner familiären Bindungen haben, dass solche Lockerungen von 1994 bis 2000 beanstandungsfrei durchgeführt werden konnten, es sich bei dem Versuch des Einschmuggelns von Geld am 26.07.2000 um einen einzelnen - wenn auch sehr gewichtigen - Verstoß handelte, dieser nunmehr aber mehr als drei Jahre zurückliegt, einer etwaigen Missbrauchsgefahr durch bessere Kontrollmaßnahmen Rechnung getragen werden könnte und bezüglich der bislang noch fehlenden Unrechtseinsicht zwischenzeitlich Veränderungen eingetreten sein könnten.
14 
b. Soweit sich aus dem Vollzugsplan die Notwendigkeit der Durchführung einer Sozialtherapie (§ 7 Abs. 2 und 5 StVollzG) ergibt, wird die Vollzugsanstalt bei der erneut vorzunehmenden Abwägung der in Betracht kommenden Behandlungsmaßnahmen zu prüfen haben, ob auch andere therapeutische Ansätze in Betracht kommen. Der Gefangene hat zwar im Rahmen des Vollzugsplanes keinen Anspruch auf Aufnahme einer bestimmten Behandlungsmaßnahme in die Planung, er hat jedoch ein Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch (OLG Frankfurt NStZ 1983, 381; KG ZfStrVo 1984, 370 ff.; OLG Nürnberg ZfStrVo 1982, 308 ff.; Callies/Müller-Dietz, a.a.O., § 7 Rn. 1,3). Das Vollzugsziel und der teils auch verfassungsrechtlich verbürgte Anspruch des Gefangenen auf Durchführung einer Behandlung (Senat NStZ 1998, 638; OLG Karlsruhe StV 2002, 34 f.; NJW 2001, 3422) verpflichtet die Anstalt daher, sich mit diesen Fragen auseinander zu setzen und das Ergebnis ihrer Abwägungen (und in groben Zügen auch die Gründe) in den Vollzugsplan aufzunehmen. Der Senat hat bereits wiederholt ausgesprochen (zuletzt in ZfStrVo 2004, 118 f. = StraFo 2004, 70 f. = NStZ-RR 2004, 61 f.) , dass das gerade bei einem gefährlichen Gewalttäter auch für die Anstalt Geltung beanspruchende Gebot der bestmöglichen Sachaufklärung eine nähere Prüfung der in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten jedenfalls dann gebietet, wenn abzusehen ist, dass sich der ursprüngliche seitens der Anstalt ins Auge gefasste Behandlungsansatz aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht verwirklichen lassen wird. Nachdem der Gefangene die Durchführung einer Sozialtherapie aber ernsthaft ablehnt, zu einer ambulanten Behandlung aber bereit ist, wäre daher im Rahmen der weiteren Vollzugsplanung zu erwägen, ob eine solche bei diesem medizinisch indiziert und anstaltsintern, ggf. auch -extern durchgeführt werden könnte bzw. welche Gründe einer solchen Behandlungsmaßnahme entgegenstehen.
15 
c. Hinsichtlich der in der Vollzugsplanfortschreibung neu festzusetzenden Überprüfungsfrist sieht § 7 Abs. 3 StVollzG anders als § 7 Abs. 4 StVollzG keine festen Termine vor, vielmehr sind die Fristen individuell zu bestimmen. Dabei sind in diese Erwägung neben der noch anstehenden Haftdauer maßgeblich die Vollzugsplanung und die insoweit anstehenden Veränderungen in den beabsichtigten Behandlungskonzepten einzustellen (Callies/Müller-Dietz, a.a.O. § 7 Rn. 8). In Anbetracht der Dauer des noch anstehenden Strafvollzuges wäre - bei derzeitiger Sachlage - auch die Festsetzung einer länger als sechs Monate andauernden Frist nicht zu beanstanden.
16 
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 121 Abs. 4 StVollzG i.V.m. der entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf §§ 48 a, 134 GKG.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,
2.
nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und
3.
die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.
§ 57 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 6 gilt entsprechend.

(2) Als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gilt jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlaß der Tat erlitten hat.

(3) Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. § 56a Abs. 2 Satz 1 und die §§ 56b bis 56g, 57 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 gelten entsprechend.

(4) Das Gericht kann Fristen von höchstens zwei Jahren festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.