Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 23. Dez. 2011 - 1 W 61/11

bei uns veröffentlicht am23.12.2011

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird die Kostenentscheidung des Anerkenntnisurteils des Landgerichts Karlsruhe vom 03.11.2011 - 3 O 312/11 - geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

 
I.
Wegen eines am 20. Juli 2011 bei einem Verkehrsunfall an ihrem Fahrzeug, einem Pkw Marke Mercedes Benz, erlittenen Schadens nahm die Klägerin den gegnerischen Haftpflichtversicherer in Anspruch und erhob am 14. September 2011 Klage vor dem Landgericht Karlsruhe auf Zahlung restlichen Schadensersatzes i. H. v. Euro 5.785,97 nebst Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach war von Anfang an unstreitig. Die Beklagte hatte vorgerichtlich jedoch nur einen Teil des geltend gemachten Reparaturkostenaufwandes beglichen und darauf hingewiesen, dass die als pdf-Datei übersandten Fotos aus einem privat eingeholten Schadensgutachten nur eine geringe Bildauflösung aufwiesen, die eine Überprüfung und Zuordnung zu den geltend gemachten Schäden nicht zuließen. Nach der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erhielt der Beklagtenvertreter von dem von der Klägerin beauftragten Sachverständigen 12 Lichtbilder des beschädigten Fahrzeugs der Klägerin im jpg-Format mit geringerer Kompression und deutlicherer Auflösung. Unmittelbar darauf erkannte die Beklagte die Klagforderung unter Verwahrung gegen die Kostenlast an. Mit Anerkenntnisurteil vom 3. November 2011 verurteilte das Landgericht die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung und erlegte der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auf. Zur Begründung wird ausgeführt, die Kostenentscheidung beruhe auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Voraussetzungen für die Anwendung von § 93 ZPO würden nicht vorliegen.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der sofortigen Beschwerde, der die Klägerin entgegen tritt und der das Landgericht mit Beschluss vom 23.11.2011 nicht abgeholfen hat.
Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
1. Die form- und fristgerecht eingelegte, nach § 99 Abs. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde der Beklagten ist begründet.
Die Voraussetzungen des § 93 ZPO sind erfüllt. Nach dieser Bestimmung fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt und nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat. Auch wenn § 93 ZPO als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist, so dient sie doch dazu, vorschnelle Klagen und unnötige Prozesse zu vermeiden und zu sanktionieren (vgl. zum Regelungszweck auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Auflage, § 93 Rn 2 ff, 4; ebenso Senat, B. v. 11.08.2009 - 1 W 39/09 -; zur Einräumung einer angemessenen Prüfungsfrist für einen gegnerischen Haftpflichtversicherer siehe auch Deichfuß, MDR 2004, 190 ff m.w.N.).
a) Die Beklagte hat durch ihr vorgerichtliches Verhalten keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben.
Veranlassung zur Erhebung einer Klage hat ein Beklagter gegeben, wenn sein Verhalten vor Prozessbeginn gegenüber dem Kläger so war, dass dieser annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 93 Rn. 3 mwN.). Auf einen Schuldnerverzug kommt es nicht an. Der nicht leistende Schuldner gibt deshalb in der Regel schon dann Anlass zur Klage, wenn der Anspruch fällig ist und er zur Leistung aufgefordert worden ist. Kann der Geschädigte wegen Beschädigung einer Sache Wiederherstellung (§ 249 Abs. 1 BGB) oder den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB) verlangen, so tritt die Fälligkeit in der Regel sofort im Zeitpunkt der Rechtsgutsverletzung ein (vgl. BGHZ 178, 338 ff).
Hält ein in Anspruch genommener Geschädigter oder Haftpflichtversicherer vorprozessual die gegnerische Forderung für teilweise oder insgesamt nicht nachvollziehbar, so hat er mitzuteilen, welche Angaben oder Unterlagen er benötigt; wenn sie ihm vorenthalten werden, fehlt es an einem Klageanlass i. S. d. § 93 ZPO (vgl. MünchKomm-ZPO/Giebel, 3. Aufl., § 93 Rn. 6). Dies entspricht auch dem Rechtsgedanken des § 119 Abs. 3 VVG. Danach kann der Versicherer von dem Dritten zur Feststellung des Schadensereignisses und der Höhe des Schadens Auskünfte verlangen und die Vorlage von Belegen fordern, soweit dies dem Dritten billigerweise zugemutet werden kann. Ein Anlass zur Klage besteht somit regelmäßig dann nicht, wenn der bei einem Kfz-Unfall Geschädigte es entgegen § 119 Abs. 3 VVG unterlässt, berechtigt angeforderte Auskünfte zu erteilen und Belege zur Verfügung zu stellen (vgl. dazu bereits OLG Karlsruhe VersR 1965, 722; OLG Köln VersR 1974, 268; Prölss/Martin/Knappmann, VVG, 28. Aufl., § 119 Rn. 12 m.w.N.). Dies gilt entsprechen für Fotos eines Schadensgutachtens. Freilich darf auf diesem Wege nicht ein dilatorisches Verhalten eines Haftpflichtversicherers honoriert werden, das auf eine sachlich nicht gerechtfertigte oder gar schikanöse Regulierungsverzögerung angelegt ist.
Gemessen an diesen Grundsätzen hatte vorliegend der beklagte Haftpflichtversicherer legitimerweise die Vorlage von den Fotos - zumindest als hinreichend auflösende Datei - gefordert, die Bestandteil des von der - anwaltschaftlich beratenen - Klägerin in Auftrag gegebenen Privatgutachtens waren (dessen Kosten im Übrigen ebenfalls von der Beklagten erstattet verlangt wurden). Obwohl es ihr ohne Weiteres möglich gewesen wäre, ist die Klägerin bzw. ihr Rechtsanwalt bis zur Klageerhebung diesem berechtigten Ansinnen der Beklagten nicht nachgekommen. Vielmehr stellte sich im Verlauf des Rechtstreits sogar heraus, dass die schlecht erkennbaren Fotodateien in geringer Auflösung, die der Beklagten zunächst zur Verfügung gestellt worden waren, tatsächlich gar nicht das Fahrzeug der Klägerin (einen PKW Marke Mercedes-Benz) zeigten, sondern ein völlig anderes Fahrzeug (einen PKW Marke BMW). Mit diesen Fotos war der Beklagten die berechtigte Zuordnung und Überprüfung der geltend gemachten Fahrzeugschäden - und etwaiger Vorschäden - nicht möglich gewesen.
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b) Die Beklagte hat den Anspruch auch sofort im Sinne des § 93 ZPO anerkannt.
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Unabhängig von der Verfahrenswahl (schriftliches Vorverfahren oder früher erster Termin) müssen zunächst einmal erst alle Gründe entfallen sein, die es einem Beklagten vorprozessual erlaubten, die Erfüllung zu verweigern; solange sie fortbestehen, bleibt ein sofortiges Anerkenntnis, wenn diese Gründe dann entfallen, immer noch möglich (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., § 93 ZPO Rn. 4 m.w.N.; BGH NJW-RR 2005, 1005). Unmittelbar nachdem der Beklagten die vom Privatgutachter der Klägerin erstellten Fotos zu dem beschädigten Fahrzeug in angemessener Auflösung zur Verfügung gestellt wurden, erkannte die Beklagte nach Überprüfung den mit der Klage geltend gemachten restlichen Schadensersatzanspruch an.
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Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes


(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. (2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadenser

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 93 Kosten bei sofortigem Anerkenntnis


Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 99 Anfechtung von Kostenentscheidungen


(1) Die Anfechtung der Kostenentscheidung ist unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. (2) Ist die Hauptsache durch eine auf Grund eines Anerkenntnisses ausgesprochene Verurteilung erledigt,

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 119 Obliegenheiten des Dritten


(1) Der Dritte hat ein Schadensereignis, aus dem er einen Anspruch gegen den Versicherungsnehmer oder nach § 115 Abs. 1 gegen den Versicherer herleiten will, dem Versicherer innerhalb von zwei Wochen, nachdem er von dem Schadensereignis Kenntnis erla

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.

(1) Die Anfechtung der Kostenentscheidung ist unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird.

(2) Ist die Hauptsache durch eine auf Grund eines Anerkenntnisses ausgesprochene Verurteilung erledigt, so findet gegen die Kostenentscheidung die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.

(1) Der Dritte hat ein Schadensereignis, aus dem er einen Anspruch gegen den Versicherungsnehmer oder nach § 115 Abs. 1 gegen den Versicherer herleiten will, dem Versicherer innerhalb von zwei Wochen, nachdem er von dem Schadensereignis Kenntnis erlangt hat, in Textform anzuzeigen; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung.

(2) Macht der Dritte den Anspruch gegen den Versicherungsnehmer gerichtlich geltend, hat er dies dem Versicherer unverzüglich in Textform anzuzeigen.

(3) Der Versicherer kann von dem Dritten Auskunft verlangen, soweit sie zur Feststellung des Schadensereignisses und der Höhe des Schadens erforderlich ist. Belege kann der Versicherer insoweit verlangen, als deren Beschaffung dem Dritten billigerweise zugemutet werden kann.

Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)