Oberlandesgericht Köln Beschluss, 20. Okt. 2014 - III-1 RVs 247/17
Gericht
Tenor
Unter Verwerfung des weitergehenden Rechtsmittels wird das angefochtene Urteil im Ausspruch über die Tagessatzhöhe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Köln zurückverwiesen.
1
Gründe
2I.
3Mit Urteil vom 5. September 2016 hat das Amtsgericht L. den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu der Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 50 € verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung schuldig ist.
4Die Revision des Angeklagten (allgemein) die Verletzung materiellen Rechts.
5II.
6Das Zulässigkeitsbedenken nicht unterliegende Rechtsmittel erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Es führt gemäß §§ 353, 354 Abs. 2 StPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Ausspruch über die Tagessatzhöhe und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz insoweit.
71.
8Hinsichtlich des Schuldspruchs und der erkannten Tagessatzzahl hat freilich die Überprüfung des angefochtenen Urteils anhand der Revisionsrechtfertigung keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler aufgedeckt. In Übereinstimmung mit dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft war daher das hierauf bezogene Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen, § 349 Abs. 2 StPO.
92.
10Hingegen begegnen die tatrichterlichen Ausführungen zur Festsetzung der Tagessatzhöhe durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11a)
12Diese lauten:
13„Der Angeklagte erhält etwa 1.000,00 Euro monatlich von der Arbeitsagentur und hat sonst keine eigenen Einnahmen. Er war Eigentümer oder Miteigentümer eines ehemals selbst genutzten Hauses. Das Haus ist verkauft worden. Der Angeklagte hat daraus etwa 10.000,00 Euro erlöst, der Rest – so der Angeklagte – ist an die Bank gegangen. Der Angeklagte hat keine Kinder, (…).“
14Und an späterer Stelle:
15„Bei der Bemessung der Tagessatzhöhe hat die Kammer berücksichtigt, dass der Angeklagte neben seinen laufenden Einkünften auch noch – wenn auch kein großes – Vermögen hat.“
16b)
17Gemäß § 40 Abs. 2 S. 2 StGB geht das Gericht bei der Bestimmung der Höhe eines Tagessatzes in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, dass der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Aus der Regelung des § 40 Abs. 3 StGB wird freilich geschlossen, dass das Vermögen (genauer: der Vermögensstamm) bei der Bemessung der Tagessatzhöhe nicht gänzlich außer Betracht bleibt (Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 40 Rz. 12; NK-StGB-Albrecht, 4. Auflage 2016, § 40 Rz. 27). Einigkeit besteht jedoch darüber, dass bei der Heranziehung des Vermögens zur Bemessung der Tagessatzhöhe Zurückhaltung zu üben ist und dass kleinere und mittlere Vermögen grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben haben. Das gilt beispielsweise für Eigenheime, Familienschmuck, private Sammlungen sowie Betriebsvermögen. Aber auch kleine andere Kapitalansammlungen, namentlich kleine Sparrücklagen, haben außer Betracht zu bleiben (Senat StV 2001, 347; BayObLG NJW 1987, 2029; BayObLG bei Rüth DAR 1978, 201 [207]; Fischer a.a.O.; Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, StGB, 29. Auflage 2014, § 40 Rz. 13; LK-StGB-Häger, 12. Auflage 2006, § 40 Rz. 61).
18Davon ausgehend kommt die hier vorgenommene Berücksichtigung des Vermögensstamms neben sonstigen Einkünften (anders ggf., wenn der Täter den Vermögensstamm ohnehin angreift, vgl. BayOblG NJW 1987, 2029) bei der Bemessung der Tagessatzhöhe wegen einer ansonsten gegebenen unangemessenen Bevorzugung praktisch in zwei Sachgestaltungen in Betracht: Zum einen dann, wenn sich der Lebenszuschnitt wegen des Vorhandenseins von (großem) Vermögen nicht zum (geringen) Nettoeinkommen fügt (Lackner/Kühl, StGB, 28. Auflage 2014, § 40 Rz. 12; LK-StGB-Häger a.a.O. Rz. 63; SK-StGB-Wolters, 9. Auflage 2016, § 40 Rz. 13; SSW-StGB-Mosbacher § 40 Rz. 15), zum anderen dann, wenn mit Rücksicht auf vorhandenes Vermögen Umstände kompensiert werden können, die ansonsten zu einer Verringerung der Tagessatzhöhe führen würden (BayObLGSt 1975, 73 [75]; Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, a.a.O.; LK-StGB-Häger a.a.O. Rz. 62).
19Die Gründe des angefochtenen Urteils weisen nicht aus, dass hier die Voraussetzungen der Berücksichtigung des Vermögens bei der Bemessung der Tagessatzhöhe gegeben sind. Das Tatgericht geht selbst davon aus, dass dieses nicht „groß“ sei. Hinzu kommt, dass sich ein Teilbetrag als Schonvermögen im Sinne von § 90 Abs. 2 Ziff. 9 SGB XII („kleinerer Barbetrag“ – gem. § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in der seit 1. April 2017 geltenden Fassung [BGBl. I S. 519] nunmehr jedenfalls 5.000,-- €) darstellt, der zur Bemessung keinesfalls herangezogen werden sollte (MüKo-StGB-Radtke, 3. Auflage 2016, § 40 Rz. 113). Ein zum geringen Nettoeinkommen nicht passender Lebensstil des Angeklagten ist ebenso wenig festgestellt wie die Kompensation mindernder Faktoren durch dessen Vorhandensein.
20Im Übrigen spricht hier viel dafür, dass das Hausgrundstück aus laufendem Einkommen erworben worden ist. Mit der Berücksichtigung des hieraus erzielten Erlöses würde der Sparsame ggf. schlechter behandelt als derjenige, der kein Vermögen akkumuliert hat (vgl. Senat a.a.O., BayObLG NJW 1987, 2029; SK-StGB-Wolters a.a.O.)
21c)
22Vor diesem Hintergrund bedarf die Bemessung der Tagessatzhöhe neuer tatrichterlicher Entscheidung.
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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt. Sie beträgt mindestens fünf und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens dreihundertsechzig volle Tagessätze.
(2) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Dabei geht es in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Ein Tagessatz wird auf mindestens einen und höchstens dreißigtausend Euro festgesetzt.
(3) Die Einkünfte des Täters, sein Vermögen und andere Grundlagen für die Bemessung eines Tagessatzes können geschätzt werden.
(4) In der Entscheidung werden Zahl und Höhe der Tagessätze angegeben.
Kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte im Sinne des § 90 Absatz 2 Nummer 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sind:
- 1.
für jede in § 19 Absatz 3, § 27 Absatz 1 und 2, § 41 und § 43 Absatz 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannte volljährige Person sowie für jede alleinstehende minderjährige Person, 10 000 Euro, - 2.
für jede Person, die von einer Person nach Nummer 1 überwiegend unterhalten wird, 500 Euro.
(1) Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen.
(2) Die Sozialhilfe darf nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung
- 1.
eines Vermögens, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht wird, - 2.
eines nach § 10a oder Abschnitt XI des Einkommensteuergesetzes geförderten Altersvorsorgevermögens im Sinne des § 92 des Einkommensteuergesetzes; dies gilt auch für das in der Auszahlungsphase insgesamt zur Verfügung stehende Kapital, soweit die Auszahlung als monatliche oder als sonstige regelmäßige Leistung im Sinne von § 82 Absatz 5 Satz 3 erfolgt; für diese Auszahlungen ist § 82 Absatz 4 und 5 anzuwenden, - 3.
eines sonstigen Vermögens, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne der Nummer 8 bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken von Menschen mit einer wesentlichen Behinderung oder einer drohenden wesentlichen Behinderung (§ 99 Absatz 1 und 2 des Neunten Buches) oder von blinden Menschen (§ 72) oder pflegebedürftigen Menschen (§ 61) dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde, - 4.
eines angemessenen Hausrats; dabei sind die bisherigen Lebensverhältnisse der nachfragenden Person zu berücksichtigen, - 5.
von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind, - 6.
von Familien- und Erbstücken, deren Veräußerung für die nachfragende Person oder ihre Familie eine besondere Härte bedeuten würde, - 7.
von Gegenständen, die zur Befriedigung geistiger, insbesondere wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen und deren Besitz nicht Luxus ist, - 8.
eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (zum Beispiel behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes, - 9.
kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen, - 10.
eines angemessenen Kraftfahrzeuges.
(3) Die Sozialhilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.