Oberlandesgericht Köln Beschluss, 01. März 2016 - 9 U 154/15
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 26.08.2015 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 20 O 33/15 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Gegenstandswert für die Berufungsinstanz wird auf 16.778,61 € festgesetzt.
1
Gründe:
2Die zulässige Berufung hat aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden, keinen Erfolg. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Gründe des Senatsbeschlusses vom 07.01.2016 Bezug genommen. An der dort geäußerten Auffassung hält der Senat uneingeschränkt fest. Das ergänzende Vorbringen der Beklagten in dem Schriftsatz vom 15.02.2016, welches sich im Wesentlichen in der Wiederholung der eigenen bereits dargelegten Rechtsansicht erschöpft, rechtfertigt keine abweichende rechtliche Beurteilung.
3Ergänzend ist nur folgendes anzumerken:
4Die Rechtsauffassung der Beklagten, wonach bereits die fehlerhafte Widerrufsbelehrung zur Bestimmung des Rechtsschutzfalls heranzuziehen sei, widerspricht eindeutig der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. In der bereits mehrfach erörterten Entscheidung vom 24.04.2013, Az.: IV ZR 23/12, hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich und unmissverständlich zwischen der fehlerhaften Belehrung über das Widerrufsrecht und der nach seiner Ausübung erfolgten Weigerung des Vertragspartners, das Widerrufsrecht anzuerkennen, unterschieden. Allein letzterer Gesichtspunkt sei zur Bestimmung des Rechtsschutzfalles maßgeblich, wenn der Versicherungsnehmer, auf dessen Vortag allein abzustellen sei, die Rückabwicklung eines Darlehensvertrages ohne Erfolg verlange. Der Versicherungsnehmer verfolge letztlich einen Bereicherungsanspruch, der überhaupt erst mit der Ausübung des Widerrufsrechts entstanden sein könne.
5Stehen Ansprüche aufgrund eines ausgeübten Widerrufsrechts selbständig neben sonstigen Ansprüchen wegen der fehlerhaften Widerrufsbelehrung, kann auch ein „einheitlicher Gefahrverwirklichungsvorgang“ nicht angenommen werden. Dies liegt auch deswegen auf der Hand, weil zur Zeit der fehlerhaften Belehrung die tatsächliche Ausübung des Widerrufsrechts noch völlig ungewiss ist und erst in deutlichem Zeitabstand erfolgen kann. Die Klägerin verfolgt einen Bereicherungsanspruch, der erst mit Ausübung ihres – vermeintlichen – Widerrufsrechts entstanden sein kann
6Die Ausführungen der Beklagten zu dem prozentualen Anteil der fehlerhaften Widerrufsbelehrungen und dem Schreiben der H mbH, sind rechtlich irrelevant.
7Schließlich ist die von der Beklagten erwogene Möglichkeit einer Unwirksamkeit des Darlehensvertrages insgesamt unbeachtlich, weil weder die Klägerin noch die Darlehensgeberin sich auf eine solche Unwirksamkeit berufen. Entsprechende Erwägungen liegen jenseits des maßgeblichen Tatsachenvortrags.
8Nach alldem greift der Vorvertragseinwand der Beklagten nicht.
9Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und es einer Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht bedarf (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die von der Beklagten wiederholt aufgeworfene Rechtsfrage ist höchstrichterlich entschieden.
10Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.
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Tenor
Es wird festgestellt, dass die Beklagte durch den Widerruf der Klägerin und ihres Ehemannes der Vertragserklärungen für die Darlehensverträge bei der B- mit den Nummern ###02 mit einer Darlehenssumme von 69.000 € und ###01 mit einer Darlehensnettosumme von 225.000 € und die Zurückweisung des Widerrufes durch die B- mit Schreiben vom 22.10.2014 verpflichtet ist, aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrages mit der Versicherungsscheinnummer ##### Deckungsschutz für die außergerichtliche und gerichtliche Auseinandersetzung mit der B- Bauspar AG zu gewähren.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Klägerin macht Ansprüche aus einer bei der Beklagten abgeschlossenen Rechtsschutzversicherung geltend.
3Die Kläger und ihr Ehemann hatten mit der B- Bauspar AG im Jahr 2008 zwei Darlehensverträge geschlossen. Die Darlehensbeträge betrugen 69.000 € sowie 225.000 €. Die von ihnen zeitgleich unter dem 16.08.2008 unterzeichneten Widerrufsbelehrungen enthielten in Bezug auf die Widerrufsfrist die Formulierung:
4„Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Erklärung“.
5Die Parteien schlossen im Jahr 2009 eine Rechtsschutzversicherung; Versicherungsbeginn war am 01.11.2009. Dem Vertrag liegen die ARB – Stand 2008 (Bl. 31 ff. d.A.) zugrunde.
6Mit Schreiben vom 18.10.2014 und 15.11.2014 widerriefen die Klägerin und ihr Ehemann die beiden Darlehensverträge. Gleichzeitig forderten sie die Rückabwicklung der Darlehensverträge. Mit Schreiben vom 22.10.2014 wies die B- Bauspar AG den Widerruf zurück. Mit Schreiben vom 09.12.2014 schilderten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin der Beklagten diesen Sachverhalt und baten um Kostendeckungszusage. Die Beklagte wurde darüber informiert, dass mit den Darlehensbeträgen der Erwerb einer gebrauchten Immobilie, die für eigene Wohnzwecke genutzt wird, finanziert worden seien und dass keine genehmigungspflichtigen Änderungen vorgenommen worden seien. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 18.12.2014 mit, dass sie in dieser Angelegenheit keine Kosten übernehmen werde und begründete dies damit, dass der Versicherungsfall schon im Jahre 2008 eingetreten sei, somit vor Beginn der Rechtsschutzversicherung. Ferner berief sie sich auf § 3 Abs. 1 d) ARB 2000.
7Die Klägerin ist der Auffassung, dass es für den Rechtsschutzfall allein darauf ankomme, zu welchem Zeitpunkt die B- Bauspar AG den Widerruf zurückgewiesen hatte. Die Darlehensgelder seien von der Klägerin und ihr Ehemann für den Erwerb einer gebrauchten Immobilie zu einem Kaufpreis von 289.000 € zzgl. 10.000 € für die vorhandene Küche verwandt worden. Die Einliegerwohnung sei von Anfang an als Kinderspielzimmer genutzt worden. Es seien auch keine genehmigungspflichtigen Änderungen vorgenommen worden.
8Die Klägerin beantragt,
9festzustellen, dass durch ihren Widerruf und durch den Widerruf ihres Ehemannes der Vertragserklärungen für die Darlehensverträge bei der B- mit den Nummern ###02 mit einer Darlehenssumme von 69.000 € und ###01 mit einer Darlehensnettosumme von 225.000 € und die Zurückweisung des Widerrufes durch die B- mit Schreiben vom 22.10.2014 die Beklagte verpflichtet ist, aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrages mit der Versicherungsscheinnummer ##### Deckungsschutz für die außergerichtliche und gerichtliche Auseinandersetzung mit der B- Bauspar AG zu gewähren.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte beruft sich auf Vorvertraglichkeit. Sie ist der Auffassung, dass der Rechtsschutzfall auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu datieren sei. Ergänzend beruft die Beklagte sich auf den Baurisikoausschluss gemäß § 3 Abs. 1 d) ARB.
13Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze mit allen Anlagen Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe
15Die zulässige Feststellungsklage ist begründet.
16Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Deckungsschutz aus § 1 VVG i.V.m. §§ 1, 2 d), 4 (1c) ARB.
17Nach § 4 Abs. 1 c) ARB 2000 besteht Anspruch auf Rechtsschutz nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles von dem Zeitpunkt an, zu dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll. Dabei führt nach der Rechtsprechung des BGH (zuletzt im Urteil vom 24.04.2013, Az.: IV ZR 23/12) bereits die Behauptung eines Rechts- oder Pflichtverstoßes, welchen der Versicherungsnehmer vorträgt, zur Entstehung des Rechtsschutzfalles. Mit der Regelung des § 4 Abs. 1 c ARB soll Zweckabschlüssen vorgebeugt werden. Als frühestmöglicher Zeitpunkt kommt dabei das dem Anspruchsgegner vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten in Betracht, aus dem der Versicherungsnehmer seinen Anspruch herleitet. Vorliegend kommt es auf die Weigerung der Versicherung, das Widerrufsrecht der Klägerpartei anzuerkennen, an. Macht der Versicherungsnehmer geltend, dass er mangels wirksamer Widerrufsbelehrung noch zur Ausübung des Widerrufsrechts berechtigt ist, so stellt nicht die (angebliche) fehlerhafte Widerrufsbelehrung durch den Gegner den Verstoß dar, sondern dessen spätere Leugnung der Widerrufsberechtigung, vgl. BGH, a.a.O.; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 29. Auflage, § 4 ARB 2000, Rn. 114. Der B- Bauspar AG wird nicht vorgeworfen, dass sie eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung verwandt habe, sondern dass sie den aufgrund der fehlerhaften Belehrung erklärten Widerruf nicht akzeptiert. Die fehlerhafte Belehrung stellt lediglich eine Tatbestandsvoraussetzung dafür dar, dass der Versicherungsnehmer zu dem Zeitpunkt, zu dem er das Widerrufsrecht ausübt, hierzu noch berechtigt ist, was der Gegner ihm streitig macht, vgl. Armbrüster, a.a.O.. Hinzu kommt, dass die unwirksame Widerrufsbelehrung nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages führt, sondern hieraus ein unbefristetes Widerrufsrecht resultiert. Dieses Widerrufsrecht hat die B- Bauspar AG zurückgewiesen. Dieser der B- Bauspar AG angelastete Verstoß liegt damit in versicherter Zeit; der Rechtskonflikt war bei Abschluss der Darlehensverträge noch nicht vorprogrammiert.
18Des Weiteren handelt es sich um mehrere Verstöße, so dass zugunsten der Klägerin § 4 (2) S. 2 ARB eingreift, wonach, wenn mehrere Rechtsschutzfälle für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen ursächlich sind, die länger als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetretenen Rechtsschutzfälle außer Betracht bleiben. Die Unterzeichnung der Widerrufsbelehrung durch die Klägerin und ihrem Ehemann erfolgte am 16.08.2008 und damit länger als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsschutzes am 01.11.2009. Es handelt sich bei der fehlerhaften Widerrufsbelehrung und der Zurückweisung des Widerrufs um mehrere rechtlich selbständige Verstöße. Die Nichtanerkennung des Widerrufsrechts durch den Vertragspartner stellt eine eigenständige Pflichtverletzung dar. Allein die fehlerhafte Widerrufsbelehrung hat noch nicht die rechtliche Auseinandersetzung adäquat verursacht, sondern erst die Zurückweisung des unbefristeten Widerrufs.
19Die Beklagte kann sich auch nicht auf den Baurisikoausschluss (§ 3 Abs. 1 d ARB) berufen. Die Klägerin hat substantiiert dargelegt, dass die Darlehensbeträge für den Erwerb einer gebrauchten Immobilie verwendet worden seien, an der keine genehmigungspflichtigen Änderungen vorgenommen worden seien ist. Ferner werde die Immobilie für private Wohnzwecke genutzt. Das lediglich pauschale Bestreiten der Beklagten ist insoweit unerheblich.
20Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.