Landgericht Köln Urteil, 26. Aug. 2015 - 20 O 33/15


Gericht
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Beklagte durch den Widerruf der Klägerin und ihres Ehemannes der Vertragserklärungen für die Darlehensverträge bei der B- mit den Nummern ###02 mit einer Darlehenssumme von 69.000 € und ###01 mit einer Darlehensnettosumme von 225.000 € und die Zurückweisung des Widerrufes durch die B- mit Schreiben vom 22.10.2014 verpflichtet ist, aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrages mit der Versicherungsscheinnummer ##### Deckungsschutz für die außergerichtliche und gerichtliche Auseinandersetzung mit der B- Bauspar AG zu gewähren.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Klägerin macht Ansprüche aus einer bei der Beklagten abgeschlossenen Rechtsschutzversicherung geltend.
3Die Kläger und ihr Ehemann hatten mit der B- Bauspar AG im Jahr 2008 zwei Darlehensverträge geschlossen. Die Darlehensbeträge betrugen 69.000 € sowie 225.000 €. Die von ihnen zeitgleich unter dem 16.08.2008 unterzeichneten Widerrufsbelehrungen enthielten in Bezug auf die Widerrufsfrist die Formulierung:
4„Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Erklärung“.
5Die Parteien schlossen im Jahr 2009 eine Rechtsschutzversicherung; Versicherungsbeginn war am 01.11.2009. Dem Vertrag liegen die ARB – Stand 2008 (Bl. 31 ff. d.A.) zugrunde.
6Mit Schreiben vom 18.10.2014 und 15.11.2014 widerriefen die Klägerin und ihr Ehemann die beiden Darlehensverträge. Gleichzeitig forderten sie die Rückabwicklung der Darlehensverträge. Mit Schreiben vom 22.10.2014 wies die B- Bauspar AG den Widerruf zurück. Mit Schreiben vom 09.12.2014 schilderten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin der Beklagten diesen Sachverhalt und baten um Kostendeckungszusage. Die Beklagte wurde darüber informiert, dass mit den Darlehensbeträgen der Erwerb einer gebrauchten Immobilie, die für eigene Wohnzwecke genutzt wird, finanziert worden seien und dass keine genehmigungspflichtigen Änderungen vorgenommen worden seien. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 18.12.2014 mit, dass sie in dieser Angelegenheit keine Kosten übernehmen werde und begründete dies damit, dass der Versicherungsfall schon im Jahre 2008 eingetreten sei, somit vor Beginn der Rechtsschutzversicherung. Ferner berief sie sich auf § 3 Abs. 1 d) ARB 2000.
7Die Klägerin ist der Auffassung, dass es für den Rechtsschutzfall allein darauf ankomme, zu welchem Zeitpunkt die B- Bauspar AG den Widerruf zurückgewiesen hatte. Die Darlehensgelder seien von der Klägerin und ihr Ehemann für den Erwerb einer gebrauchten Immobilie zu einem Kaufpreis von 289.000 € zzgl. 10.000 € für die vorhandene Küche verwandt worden. Die Einliegerwohnung sei von Anfang an als Kinderspielzimmer genutzt worden. Es seien auch keine genehmigungspflichtigen Änderungen vorgenommen worden.
8Die Klägerin beantragt,
9festzustellen, dass durch ihren Widerruf und durch den Widerruf ihres Ehemannes der Vertragserklärungen für die Darlehensverträge bei der B- mit den Nummern ###02 mit einer Darlehenssumme von 69.000 € und ###01 mit einer Darlehensnettosumme von 225.000 € und die Zurückweisung des Widerrufes durch die B- mit Schreiben vom 22.10.2014 die Beklagte verpflichtet ist, aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrages mit der Versicherungsscheinnummer ##### Deckungsschutz für die außergerichtliche und gerichtliche Auseinandersetzung mit der B- Bauspar AG zu gewähren.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte beruft sich auf Vorvertraglichkeit. Sie ist der Auffassung, dass der Rechtsschutzfall auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu datieren sei. Ergänzend beruft die Beklagte sich auf den Baurisikoausschluss gemäß § 3 Abs. 1 d) ARB.
13Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze mit allen Anlagen Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe
15Die zulässige Feststellungsklage ist begründet.
16Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Deckungsschutz aus § 1 VVG i.V.m. §§ 1, 2 d), 4 (1c) ARB.
17Nach § 4 Abs. 1 c) ARB 2000 besteht Anspruch auf Rechtsschutz nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles von dem Zeitpunkt an, zu dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll. Dabei führt nach der Rechtsprechung des BGH (zuletzt im Urteil vom 24.04.2013, Az.: IV ZR 23/12) bereits die Behauptung eines Rechts- oder Pflichtverstoßes, welchen der Versicherungsnehmer vorträgt, zur Entstehung des Rechtsschutzfalles. Mit der Regelung des § 4 Abs. 1 c ARB soll Zweckabschlüssen vorgebeugt werden. Als frühestmöglicher Zeitpunkt kommt dabei das dem Anspruchsgegner vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten in Betracht, aus dem der Versicherungsnehmer seinen Anspruch herleitet. Vorliegend kommt es auf die Weigerung der Versicherung, das Widerrufsrecht der Klägerpartei anzuerkennen, an. Macht der Versicherungsnehmer geltend, dass er mangels wirksamer Widerrufsbelehrung noch zur Ausübung des Widerrufsrechts berechtigt ist, so stellt nicht die (angebliche) fehlerhafte Widerrufsbelehrung durch den Gegner den Verstoß dar, sondern dessen spätere Leugnung der Widerrufsberechtigung, vgl. BGH, a.a.O.; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 29. Auflage, § 4 ARB 2000, Rn. 114. Der B- Bauspar AG wird nicht vorgeworfen, dass sie eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung verwandt habe, sondern dass sie den aufgrund der fehlerhaften Belehrung erklärten Widerruf nicht akzeptiert. Die fehlerhafte Belehrung stellt lediglich eine Tatbestandsvoraussetzung dafür dar, dass der Versicherungsnehmer zu dem Zeitpunkt, zu dem er das Widerrufsrecht ausübt, hierzu noch berechtigt ist, was der Gegner ihm streitig macht, vgl. Armbrüster, a.a.O.. Hinzu kommt, dass die unwirksame Widerrufsbelehrung nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages führt, sondern hieraus ein unbefristetes Widerrufsrecht resultiert. Dieses Widerrufsrecht hat die B- Bauspar AG zurückgewiesen. Dieser der B- Bauspar AG angelastete Verstoß liegt damit in versicherter Zeit; der Rechtskonflikt war bei Abschluss der Darlehensverträge noch nicht vorprogrammiert.
18Des Weiteren handelt es sich um mehrere Verstöße, so dass zugunsten der Klägerin § 4 (2) S. 2 ARB eingreift, wonach, wenn mehrere Rechtsschutzfälle für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen ursächlich sind, die länger als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetretenen Rechtsschutzfälle außer Betracht bleiben. Die Unterzeichnung der Widerrufsbelehrung durch die Klägerin und ihrem Ehemann erfolgte am 16.08.2008 und damit länger als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsschutzes am 01.11.2009. Es handelt sich bei der fehlerhaften Widerrufsbelehrung und der Zurückweisung des Widerrufs um mehrere rechtlich selbständige Verstöße. Die Nichtanerkennung des Widerrufsrechts durch den Vertragspartner stellt eine eigenständige Pflichtverletzung dar. Allein die fehlerhafte Widerrufsbelehrung hat noch nicht die rechtliche Auseinandersetzung adäquat verursacht, sondern erst die Zurückweisung des unbefristeten Widerrufs.
19Die Beklagte kann sich auch nicht auf den Baurisikoausschluss (§ 3 Abs. 1 d ARB) berufen. Die Klägerin hat substantiiert dargelegt, dass die Darlehensbeträge für den Erwerb einer gebrauchten Immobilie verwendet worden seien, an der keine genehmigungspflichtigen Änderungen vorgenommen worden seien ist. Ferner werde die Immobilie für private Wohnzwecke genutzt. Das lediglich pauschale Bestreiten der Beklagten ist insoweit unerheblich.
20Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.


Annotations
Der Versicherer verpflichtet sich mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, an den Versicherer die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.