Oberlandesgericht Köln Beschluss, 30. Jan. 2015 - 5 U 104/14
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 21.05.2014 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 25 O 51/13 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der am 04.08.1940 geborene Kläger befand sich wegen eines diabetischen Fußsyndroms mit Nekrosen der 1. bis 4. Zehe rechts und der Großzehe links in der Zeit vom 24.03.2010 bis zum 06.04.2010 in stationärer Behandlung im N-Krankenhaus in C. Er wurde zur Weiterbehandlung in das Krankenhaus I, deren Trägerin die Beklagte ist, überwiesen. Der Kläger befand sich in der Zeit vom 06.04.2010 bis zum 15.04.2010 in der chirurgischen Klinik des Krankenhauses zur stationären Behandlung. Laut Entlassungsbericht des Krankenhauses litt der Kläger unter einer Vielzahl von Vorerkrankungen, u.a. unter Diabetes mellitus Typ 2, diabetischer Polyneuropathie, glomerulären Krankheiten, koronare Herzkrankheit und arterieller Hypertonie. Er wog bei Aufnahme im Krankenhaus I bei einer Körpergröße von 162 cm ca. 60 kg. Am 15.04.2010 wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen. Einen Tag später wurde er durch seinen Hausarzt mit der Diagnose „dekompensierte Niereninsuffizienz, dekompensierte Herzinsuffizienz“ in das Krankenhaus St. I2 in C eingewiesen. Im Aufnahmebogen des Krankenhauses in C wurde ein Gewicht von ca. 60 kg notiert. Dem endgültigen Entlassungsbrief des Krankenhauses in C vom 03.02.2011 lässt sich entnehmen, dass „bei klinisch führender Anasarka mit Betonung der Unterschenkel und Füße, sowie zunehmender Dyspnoe“ eine grenzwertige Herzvergrößerung mit deutlichen Stauungseichen sowie Pleuraergüssen festgestellt worden war, wobei sich Dyspnoe, Ödeme und Pleuraergüsse nach Gewichtsreduktion von 16,5 kg während des Krankenhausaufenthaltes nach und nach komplett zurückbildeten. In der Behandlungsdokumentation des Krankenhauses finden sich neben dem am Aufnahmetag des 16.04.2010 notierten Körpergewicht von ca. 60 kg weitere Gewichtsangaben von 75,1 kg am 17.04.2010 bis hin zu 61,1 kg am 29.04.2010.
4Der Kläger hat behauptet, er sei im Hause der Beklagten fehlerhaft behandelt worden. Infolge einer unkontrollierten Gabe eines Kontrastmittels habe er eine Nierenschädigung erlitten. Während des stationären Aufenthaltes im Krankenhaus I habe er zunehmend Wasser eingelagert. Sein Gesicht sei kürbisartig angeschwollen gewesen. Obwohl die Wassereinlagerungen immer schlimmer geworden seien, habe das Ärzte- und Pflegepersonal nicht reagiert. Die behandelnden Ärzte hätten die Augen vor der massiven Gewichtszunahme verschlossen und fahrlässig den nephrologischen Hintergrund des Phänomens übergangen.
5Der Kläger hat beantragt,
61. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 6.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.04.2010;
72. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.412,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen;
83. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 01.03.2013 eine drei Monate im Voraus fällige Rente von 565,77 € je Kalendervierteljahr zu zahlen;
94. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weiteren zukünftigen materiellen und im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, welche diesem aus der fehlerhaften und/oder rechtswidrigen Behandlung in der Zeit vom 06.04.2010 bis zum 15.04.2010 im Krankenhaus I entstanden sind oder noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden;
105. die Beklagte zu verurteilen, ihm außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.278,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
11Die Beklagte hat beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie hat bestritten, dass der Kläger während der Dauer der Behandlung in erheblichem Ausmaß Wasser eingelagert habe. Am Tag der Aufnahme im Krankenhaus in C habe der Kläger nach der dortigen Dokumentation 60 kg gewogen. Dies spreche eindeutig gegen eine von ihm behauptete, dramatische Gewichtszunahme. Die Beklagte hat ferner die Kausalität etwaiger Behandlungsfehler für die vom Kläger behaupteten Beeinträchtigungen bestritten.
14Wegen der Einzelheiten des streitigen Vorbringens der Parteien und der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 166 ff d.A.) Bezug genommen.
15Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. Q vom 16.09.2013 (Bl. 71 ff. d.A.). Mit Schriftsatz vom 12.11.2013 (Bl. 115 d.A.) hat der Kläger beantragt, den Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens mündlich anzuhören. Daraufhin hat das Landgericht eine ergänzende schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen eingeholt (Gutachtenergänzung vom 30.01.2014, Bl. 122 ff d.A.). Gegen das Ergänzungsgutachten hat der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 17.03.2014 weitere Einwände erhoben. Mit seiner Ladungsverfügung hat die Kammer den Kläger darauf hingewiesen, dass sie keinen Anlass sehe, den Sachverständigen zum Termin zu laden, zumal kein entsprechender Antrag gestellt worden sei. Nach mündlicher Verhandlung hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach dem Ergebnis des Gutachtens von Prof. Dr. Q seien im Hause der Beklagten begangene Behandlungsfehler nicht gegeben. Es habe keine Veranlassung bestanden, den Sachverständigen mündlich anzuhören, nachdem der Kläger im Anschluss an die Gutachtenergänzung keine relevanten Fragen mehr gestellt habe.
16Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
17Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Klageanträge weiter. Er ist der Auffassung, das Landgericht habe den Sachverständigen auf seinen Antrag vom 12.11.2013 mündlich anhören müssen. Im Rahmen einer mündlichen Anhörung des Sachverständigen habe der Widerspruch zwischen der vom Sachverständigen kritiklos hingenommenen Gewichtseintragung des Krankenhauses I am Entlassungstag des 15.04.2010 von 60 kg und dem nur zwei Tage später im Krankenhaus in C festgestellten Körpergewicht von 75 kg aufgearbeitet werden können. Aufgrund der offensichtlichen Unzulänglichkeiten des fachchirurgischen Gutachtens hätte das Landgericht ein nephrologisches Gutachten einholen müssen. Dieses Gutachten hätte ergeben, dass der Kläger wegen einer seitens der Beklagten behandlungsfehlerhaft unentdeckt gebliebenen nephrologischen Erkrankung während seines Aufenthaltes im Krankenhaus I nicht entwässerte und infolge der zugleich unverminderten Zufuhr von Flüssigkeiten massive Ödeme mit der Folge einer Herzerkrankung ausgebildet habe.
18Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und tritt dem Berufungsvorbringen im Einzelnen entgegen. Die Einwendungen des Klägers gegen das Gutachten von Prof. Dr. Q seien sehr pauschal und daher nicht geeignet, die überzeugenden und nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen in Abrede zu stellen. Der Kläger sei mit seinen Einwendungen im Übrigen präkludiert. Die Beklagte bestreitet weiterhin eine Gewichtszunahme des Klägers während des stationären Aufenthaltes im Krankenhaus I. Eine routinemäßige Mitbehandlung durch einen Nephrologen sei nicht veranlasst gewesen.
19Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
20II.
21Die Berufung war gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, denn sie hat nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist.
22Zur Begründung wird auf den Beschluss des Senats vom 17.12.2014 (Bl. 207 ff. d.A.) Bezug genommen, § 522 Abs. 2 S. 3 ZPO. Die Einwände des Klägers in seiner Stellungnahme vom 12.01.2015 zu den Hinweisen des Senats führen auch nach nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage nicht zu einer anderen Beurteilung. Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, es habe ein nephrologisches Gutachten eingeholt werden müssen, übersieht er, dass es im vorliegenden Rechtsstreit nicht um die Frage des Grundes der Gewichtszunahme geht. Es geht vielmehr um die Frage, ob den im Hause der Beklagten tätigen Ärzten ein Behandlungsfehler vorzuwerfen ist, weil der Kläger während des stationären Aufenthaltes erheblich an Gewicht zugenommen hatte und dies den Ärzten hätten auffallen müssen. Diese Frage war nach dem Grundsatz fachgleicher Begutachtung durch einen Facharzt der Chirurgie zu beantworten, weil sich der Kläger in der chirurgischen Klinik der Beklagten befunden hatte. Der Sachverständige Prof. Dr. Q, Facharzt für Allgemein-, Viszeral- und Unfallchirurgie, hat die Frage nach einem Behandlungsfehler mit überzeugender Begründung verneint. Er hat entgegen den Ausführungen des Klägers in seiner Stellungnahme vom 12.01.2015 auch keine Begutachtung durch einen Nephrologen angeregt, sondern lediglich ausgeführt, er gehe im Zusammenhang mit den im St. I2 beschriebenen Anasarka und dem Pleuarerguß von einer kardialen Dekompensation aus. Falls in diesem Zusammenhang weitere fachgutachterliche Fragen zu klären seien, müsse dies, so der Sachverständige, durch ein Zusatzgutachten erfolgen, wobei aus seiner Sicht die Fragestellung erschöpfend beantwortet sei. Die Frage, ob eine dekompensierte Niereninsuffizienz oder eine dekompensierte Herzinsuffizienz vorgelegen hat, die vorliegend zu einer Gewichtszunahme geführt haben könnte, ist in diesem Rechtsstreit, wie bereits ausgeführt, nicht zu klären. Einer Einholung eines nephrologischen Zusatzgutachtens bedurfte es daher nicht. Ohne Erfolg bleibt schließlich der Einwand des Klägers, die behandelnden Ärzte hätten auf den Hinweis des Sohnes auf ein aufgedunsenes Gesicht und Beine des Klägers, sein Gewicht überprüfen müssen. Zu einer solchen Überprüfung hatten die Ärzte keinen Anlass, nachdem sie eine klinische Untersuchung vorgenommen hatten, diese aber keine Auffälligkeiten ergab.
23Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
24Streitwert: 25.832,81 EUR
25Antrag zu 1): 6.500,- EUR
26Antrag zu 2): 6.412,03 EUR
27Antrag zu 3): 7.920,78 EUR (§ 9 ZPO)
28Antrag zu 4): 5.000,- EUR
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Beschluss, 30. Jan. 2015 - 5 U 104/14
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Köln Beschluss, 30. Jan. 2015 - 5 U 104/14
Referenzen - Gesetze
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.