Oberlandesgericht Köln Beschluss, 30. Sept. 2015 - 20 U 93/15
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
Die Berufung des Klägers gegen das am 11. Mai 2015 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 26 O 373/14 – wird das unzulässig verworfen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
1
Gründe
2I.
3Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung ist nach § 233 ZPO nicht zu gewähren, denn aus seinem Vortrag und den zur Glaubhaftmachung vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen seines Prozessbevollmächtigten und dessen Angestellter, Frau Q, ergibt sich nicht, dass der Kläger ohne Verschulden verhindert war, die Frist des § 520 Abs. 2 ZPO einzuhalten. Die aus der versehentlichen Versendung der Berufungsbegründungsschrift an das Landgericht resultierende Fristversäumnis hat der Kläger zu verantworten. Zwar muss er sich ein Verschulden des Büropersonals seines Anwalts nicht zurechnen lassen, aber ein nicht auszuschließendes Verschulden des Anwalts selbst steht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO eigenem Verschulden des Klägers gleich.
4Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers an der Fristversäumnis kann hier nicht ausgeschlossen werden. Zwar hat der Kläger vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherungen hinreichend glaubhaft gemacht, dass es sich bei Frau Q, der die Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift an das Oberlandesgericht Köln übertragen war, um eine erfahrene und zuverlässige Kraft handelt. Ebenso ist vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers die allgemeine Anweisung besteht, nach Absendung eines Telefaxes zu überprüfen, ob der Schriftsatz an das richtige Gericht gerichtet war und die Faxnummer des Gerichts korrekt ist. Es gibt nach dem glaubhaft gemachten Vortrag des Klägers in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten ein Arbeitshandbuch, in dem die allgemeinen Anweisungen insbesondere auch in Bezug auf den Postausgang und den Umgang mit dem Fristenkalender festgehalten sind und das für jeden Mitarbeiter zugänglich in der EDV abgespeichert ist und jedem Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz als Ausdruck zur Verfügung steht. Dem vorgelegten Ausdruck aus dem Arbeitshandbuch lassen sich im Falle einer Versendung vorab per Fax folgende abzuprüfende Arbeitsschritte entnehmen:
5a) Der Schriftsatz ist an das richtige Gericht gerichtet.
6b) Die Faxnummer des Gerichtes ist korrekt.
7c) Ausweislich des Sendeberichtes ist das Telefax ordnungsgemäß übermittelt worden.
8d) Die Seitenangabe des Sendeberichtes entspricht dem Seitenumfang des Schriftsatzes.
9e) Dieser Prüfungskatalog ist durch Anbringen des Namenskürzels auf dem Sendebericht zu bestätigen.
10Diese Anweisungen genügen nicht den Anforderungen, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an die Sorgfalt eines Rechtsanwalts bei der Versendung fristwahrender Schriftsätze per Fax zu stellen sind.
11Zwar steht es in Einklang mit dieser Rechtsprechung, der der Senat folgt, dass der Kläger vertritt, ein Rechtsanwalt dürfe sich bei der Übermittlung eines fristgebundenen Antrags per Fax hinsichtlich der Richtigkeit der Telefaxnummer des Gerichts auf sein zuverlässiges Personal verlassen (vgl. BGH NJW 1995, 2105). Allerdings entspricht es der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch, dass ein Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann genügt, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist, wobei sich die Kontrolle des Sendeberichts nicht darauf beschränken darf, die auf diesem ausgedruckte Faxnummer mit der zuvor aufgeschrieben, z.B. bereits in den Schriftsatz eingefügten Nummer zu vergleichen. Vielmehr muss der Abgleich anhand einer zuverlässigen Quelle, etwa anhand eines geeigneten Verzeichnisses vorgenommen werden, um Fehler bei der Ermittlung aufdecken zu können (BGH, Beschl. v. 24.10.2013 – V ZB 155/12, BeckRS 2013, 20510 mwN.).
12Dass in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers Vorkehrungen getroffen wären, um sicherzustellen, dass gerichtliche Faxnummern aus zuverlässigen Quellen ermittelt werden, lässt sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen und ergibt sich auch nicht aus den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen oder dem eingereichten Auszug aus dem Arbeitshandbuch. Das Fehlen einer solchen Vorkehrung lässt sich daher als Ursache für das geschehene Missgeschick nicht ausschließen.
13II.
14Demnach ist die Berufung des Klägers unzulässig. Die Frist zur Begründung der Berufung, die gemäß § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO zwei Monate beträgt und mit Zustellung des landgerichtlichen Urteils an den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 15. Mai 2015 zu laufen begann, ist nicht gewahrt. Denn die Berufungsbegründungsschrift vom 13. Juli 2015 ging erst am Donnerstag, den 16. Juli 2015, beim zuständigen Oberlandesgericht Köln ein. Da § 520 Abs. 3 ZPO die Einreichung der Berufungsbegründung in einem Schriftsatzbeim Berufungsgericht vorschreibt, konnte die Frist durch Eingang des Schriftsatzes beim Landgericht am 15. Juli 2015 nicht gewahrt werden.
15Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
16Streitwert des Berufungsverfahrens: 37.974,85 €
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Beschluss, 30. Sept. 2015 - 20 U 93/15
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Köln Beschluss, 30. Sept. 2015 - 20 U 93/15
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenOberlandesgericht Köln Beschluss, 30. Sept. 2015 - 20 U 93/15 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Der Kläger, damals Leiter einer Außenstelle der Beklagten, begehrt von der Beklagten die Rückabwicklung einer Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.
3Nach Antrag vom 15.11.1992, Bl. 48 ff. GA, erhielt der Kläger den Versicherungsschein zur Nr. 20-048423-06, Bl. 11 ff. GA nebst Versicherungsbedingungen.
4Der Antrag enthält unter Ziffer 2 der Schlusserklärung, Bl. 50 GA, folgende Belehrung:
5Ich kann meinen Antrag innerhalb von 10 Tagen nach seiner Unterzeichnung widerrufen, und zwar auch dann, wenn die Gothaer ihn bereits angenommen hat. Mein Widerruf wird nur wirksam, wenn er in schriftlicher Form innerhalb der genannten Frist bei der Gothaer eingegangen ist.
6Mit Schreiben vom 04.02.2012, Bl. 47 GA, kündigte der Kläger den Versicherungsvertrag und erhielt nach Abrechnung der Beklagten, Bl. 14 ff. GA, einen Rückkaufswert in Höhe von 12.802,26 Euro ausbezahlt.
7Mit anwaltlichem Schreiben vom 09.05.2014, Bl. 24 ff. GA, erklärte der Kläger den Widerspruch.
8Der Kläger behauptet, insgesamt 22.203,72 Euro an Prämien gezahlt zu haben. Die Belehrung sei nicht ausreichend, da sie nicht drucktechnisch hervorgehoben sei. Der Zusatz zur Antragsbindungsfrist sei verwirrend, der Fristbeginn sei fehlerhaft bezeichnet und suggeriere, dass der Tag des Antrags mitgezählt werde. Es fehle ein Hinweis, dass der Widerruf ohne Angaben von Gründen möglich sei und wer der Adressat sei. Die Beklagte habe Nutzungen in Höhe von 28.573,39 Euro gezogen.
9Er beantragt daher,
10die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 37.974,85 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie
11die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.229,27 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie
12die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.446,56 Euro freizustellen, die die Rechtsanwaltskanzlei F gegenüber dem Kläger hat, die aufgrund der außergerichtlichen Rechtsanwaltstätigkeit in Bezug auf die streitgegenständlichen Forderungen entstanden sind.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Belehrung im Antrag sei ausreichend, Ansprüche zudem verjährt und verwirkt. Insgesamt habe der Kläger auch nur Prämien in Höhe von 20.956,39 Euro gezahlt. Im Hinblick auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten fehle die Aktivlegitimation.
16Für den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Die Klage ist unbegründet, dem Kläger stehen Ansprüche nach § 812 BGB gegen die Beklagte nicht zu.
19Der Lebensversicherungsvertrag ist mit Versicherungsbeginn zum 01.01.1993 wirksam zustande gekommen; dem Kläger steht der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf verzinsliche Rückerstattung der von ihm geleisteten Prämien und Zahlung von Nutzungen abzüglich des Rückkaufswertes nicht zu.
20Zum Widerspruch nach § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. war der Kläger nicht berechtigt. § 5 a VVG a.F. gilt nicht für Verträge, die bis zum 31. Dezember 1994 zu von der Aufsichtsbehörde genehmigten Versicherungsbedingungen geschlossen worden sind (Art. 16 § 11 des Dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom 21. Juli 1994, BGBl. I 1994, 1630). Um einen solchen Vertrag handelt es sich vorliegend, denn er wurde noch vor dem Inkrafttreten des vorgenannten Gesetzes am 29. Juli 1994 abgeschlossen.
21Dem Kläger stand demgemäß nur ein Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. zu, der in der damaligen Fassung lautete:
22Wird ein Versicherungsvertrag mit einer längeren Laufzeit als ein Jahr abgeschlossen, so kann der Versicherungsnehmer innerhalb einer Frist von zehn Tagen ab Unterzeichnung des Versicherungsantrages seine auf den Vertragsabschluss gerichtete Willenserklärung schriftlich widerrufen. Maßgeblich für die Wahrung der Frist ist der Eingang der schriftlichen Widerrufserklärung bei dem Versicherer. Das Widerrufsrecht besteht nicht, wenn der Versicherungsnehmer Vollkaufmann ist oder wenn der Versicherer auf Wunsch des Versicherungsnehmers sofortigen Versicherungsschutz gewährt. Der Versicherungsnehmer ist über das Widerrufsrecht schriftlich zu belehren.
23Fristgerecht hat der Kläger den Widerruf nicht erklärt; ein Widerruf ist erstmals mit Anwaltsschreiben von 09.05.2014 erfolgt. Die Kündigung vom 04.02.2012 kann bereits aufgrund ihres eindeutigen Wortlautes und der Erklärung des Klägers, er habe damals eine Kündigung und keinen Widerruf erklären wollen, nicht als Widerruf ausgelegt werden. Ohnehin käme dem keine andere Bewertung des Falles zu.
24Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger zum Widerruf nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. nicht mehr berechtigt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger über sein Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß nach § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a.F. belehrt worden sein dürfte. Anders als in § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 HWiG und § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG, die eine drucktechnisch deutlich gestaltete und vom Kunden zu unterzeichnende Belehrung verlangen, war für die Belehrung nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. keine besondere Form vorgeschrieben. Eine gesetzlich angeordnete Belehrung muss jedoch, damit sie ihren Zweck erreichen kann, inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus der Sicht der Verbraucher eindeutig sein (BGH, VersR 1996, 313; vgl. - zu § 7 VerbrKrG - auch BGHZ 121, 52, 55). Weiterhin erfordert der Zweck einer solchen Vorschrift, dem auch der Sinngehalt des Wortes „Belehrung“ entspricht, eine Form der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trägt. Deshalb kann nur eine Erklärung, die darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das Wissen, um das es geht, zu vermitteln, als Belehrung angesehen werden (BGH, aaO).
25Vor diesem Hintergrund ist zumindest zu fordern, dass die Belehrung nicht in dem sonstigen Klauselwerk untergeht; es muss gewährleistet sein, dass die Belehrung vom Durchschnittskunden auch tatsächlich zur Kenntnis genommen wird (OLG Stuttgart, VersR 1995, 202). Sie darf nicht in den sonstigen Erklärungen „versteckt“ werden (BGH, VersR 1996, 221).
26Gemessen hieran dürfte die Widerrufsbelehrung unzureichend sein. Sie findet sich im Antragsformular innerhalb des eine halbe Seite umfassenden Absatzes mit der Überschrift „Wichtig für den Antragsteller und die zu versichernde Person“, der sich nach der Unterschriftsleistung auf der Folgeseite befindet und der insgesamt 9 Ziffern enthält, ohne besondere Hervorhebung als 2. Ziffer.
27Der Absatz enthält darüber hinaus zahlreiche weitere Erklärungen, Ermächtigungen, Einwilligungen und Belehrungen, was zur Folge hat, dass die Widerrufsbelehrung in dem Gesamttext praktisch untergeht; es ist bei dieser Vorgehensweise nicht sichergestellt, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer die Belehrung zur Kenntnis nimmt.
28Es muss jedoch nicht abschließend entschieden werden, ob die Belehrung gleichwohl noch den gesetzlichen Anforderungen genügt. Auch wenn man dies verneint, wäre der Kläger gehindert gewesen, noch im Mai 2014 - und damit mehr als 21 Jahre nach der Antragstellung - den Vertragsantrag gemäß § 8 Abs. 4 VVG a.F. zu widerrufen. In Rechtsprechung und Literatur ist allerdings umstritten, welche Folgen eine fehlende oder eine unzureichende Belehrung durch den Versicherer hat. In der Rechtsprechung wurde überwiegend die Ansicht vertreten, eine fehlende Belehrung sei folgenlos, weil die Folgen ihres Fehlens - anders als in vergleichbaren gesetzlichen Bestimmungen wie etwa § 7 Abs. 2 VerbrKrG - gesetzlich nicht geregelt seien (so etwa AG Heidenheim, VersR 1992, 558; AG Köln, VersR 2000, 41; vgl. auch OLG München, VersR 1995, 1037). In der Literatur wird demgegenüber eine entsprechende Anwendung von § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG aF., wonach das Widerrufsrecht spätestens ein Jahr nach Abgabe der Vertragsabschlusserklärung erlischt, diskutiert (so etwa Koch, VersR 1991, 729). Dann wäre der Widerruf vorliegend verspätet. Weiter wird in der Literatur bei unterlassener Belehrung ein Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer aus Verschulden bei Vertragsschluss erwogen mit der Folge, dass der Versicherungsnehmer so zu stellen sei, wie er bei ordnungsgemäßer Belehrung gestanden hätte, d.h. ihm steht das Widerrufsrecht weiterhin zu, und zwar bis zum Ablauf der Verjährungsfrist (so vor allem Teske, NJW 1991, 2793, 2799). Dem ist entgegengehalten worden, die Belehrung sei keine echte Rechtspflicht, sondern nur eine Obliegenheit des Versicherers (Sieg, VersR 1992, 1, Fn. 1; auch nach Sieg soll allerdings die Frist bei fehlender Belehrung nicht zu laufen beginnen). Andere Stimmen in der Literatur haben eine Lösung nach § 242 BGB vorgeschlagen, bei der es auf die Umstände des Einzelfalles ankomme (so Claussen, JR 1991, 360, 363). Ein weiterer Vorschlag lautet, dass ein Widerruf dann nicht mehr ausgeübt werden könne, wenn der Versicherungsnehmer seinen Bindungswillen zum Ausdruck gebracht habe, indem er etwa Versicherungsleistungen in Anspruch genommen habe (so der 2. Ansatz von Koch, aaO). Der Auffassung, dass jedenfalls die Frist nicht zu laufen beginnt, haben sich auch die damals führenden Kommentatoren zum VVG angeschlossen (so etwa Bruck/Möller/Johannsen/Johannsen, VVG, 8. Aufl., (2002), Band III, Anm. E 7 und Prölss in: Prölss/Martin, VVG, 25. Aufl. 1992, § 8 Anm. 10, der eine zeitliche Einschränkung unter dem Aspekt der Verwirkung gelten lassen will).
29Nach Ansicht der Kammer ist ein etwa zugunsten des Klägers mangels zureichender Belehrung fortbestehendes Widerrufsrecht oder ein dem Kläger insoweit zuzugestehender Schadensersatzanspruch unter den konkreten Umständen des Falles verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es über einen längeren Zeitraum hindurch nicht geltend gemacht hat, der Verpflichtete sich hierauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, weil er nach dem Verhalten des Berechtigten annehmen konnte, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen werde (vgl. etwa BGHZ 84, 280, 281; BGH, NJW 2008, 2254; Palandt-Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 242, Rn. 87). Sinn und Zweck des zeitlich befristeten Widerrufsrechts nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. war es, dem Versicherungsnehmer eine Überlegungsfrist einzuräumen und es ihm zu ermöglichen, sich von einem ggf. übereilt getroffenen Entschluss, sich vertraglich gegenüber einem Versicherer zu binden, ohne Angabe von Gründen wieder lösen zu können. Indem der Kläger nach Vertragsbeginn über viele Jahre hinweg die vereinbarten Prämien gezahlt hat, hat er der Beklagten klar zu erkennen gegeben, dass er am Vertrag festhalten will; hierauf konnte und durfte die Beklagte sich einrichten. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Kläger selbst bei der Beklagten in Führungsposition als Leiter der Außenstelle beschäftigt war. Auch wenn er nicht primär mit der Vermittlung der Versicherungen betraut war sondern mit der Führung der Vermittler, so hat er dennoch teilweise an Schulungen über neue Produkte teilgenommen und somit jedenfalls mehr Kenntnisse über die Produkte und deren Vertrieb erhalten, als dies ein normaler Versicherungsnehmer hat. Unter diesen Umständen hat der Kläger sein erst nach Vertragsbeendigung ausgeübtes Widerrufsrecht sowie etwaige aus einer fehlerhaften Belehrung über dieses Recht folgende Schadensersatzansprüche verwirkt (vgl. zu allem Vorstehenden OLG Köln, Urt. v. 03.02.2012, Az. 20 U 140/11, abrufbar bei juris, bestätigt durch Urteil des Senates vom 19.09.2014, Az. 20 U 69/14).
30Dieser Wertung steht auch die Richtlinie 90/619/EWG nicht entgegen. Wenn diese Richtlinie erst ab dem 20.09.1993 angewendet werden musste, der Antrag hier jedoch vom 15.11.1992 stammt, kann diese Richtlinie auf den vorliegenden Vertrag keinen Einfluss haben. Die Richtlinie selbst hat ihren Geltungszeitpunkt bestimmt. Ein etwaiges Loyalitätsgebot mag zwischen den Mitgliedstaaten bestehen, dies trifft jedoch nicht die Beklagte. Insoweit greift der Verweis auf die Entscheidung des BGH vom 07.05.2014 auch nicht, da hier nicht über § 8 VVG a.F. sondern über § 5a VVG a.F. entschieden worden ist, der im Geltungszeitraum der Richtlinie Anwendung fand.
31Da der Hauptanspruch nicht gegeben ist, besteht auch kein Anspruch auf die als Nebenforderung geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
32Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
33Streitwert: 22.203,72 Euro
34Der erhaltene Rückkaufswert ist zunächst auf die Nutzungen (Zinsen) und hiernach auf die Prämien zu verrechnen, verbleibende Nutzungen sind nicht streitwerterhöhend.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 22.718,15 €.
Gründe:
I.
- 1
- Mit den Klägern am 1. März 2011 zugestelltem Urteil hat das Amtsgericht die in einer Wohnungseigentumssache erhobene Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger in deren Namen am 1. April 2011 Berufung eingelegt. Mit Faxschreiben vom 2. Mai 2011 (Montag) hat er beantragt, die Berufungsbegründungsfrist zu verlängern; infolge der Verwendung einer falschen Faxnummer ist der Antrag jedoch an dasAmtsgericht versandt worden und erst am 3. Mai 2011 - verbunden mit einem Wiedereinsetzungsgesuch - bei dem Landgericht eingegangen. Begründet worden ist die Berufung am 1. Juni 2011.
- 2
- Das Wiedereinsetzungsgesuch haben die Kläger unter Berücksichtigung eines weiteren - am 31. Mai 2011 eingegangenen - Schriftsatzes zunächst wie folgt begründet: Ein ihnen zurechenbares Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist sei nicht gegeben. Entgegen einer allgemeinen organisatorischen Anweisung habe die sonst zuverlässige Kanzleimitarbeiterin die Telefaxnummer versehentlich nicht dem letzten zeitnahen Schriftstück des Landgerichts entnommen, sondern einem unmittelbar dahinter gehefteten Schreiben des Amtsgerichts. Es sei organisatorisch festgelegt, dass Telefaxsendungen anhand des Sendeberichts überprüft und Fristen erst nach Prüfung der ordnungsmäßigen Absendung gelöscht würden. Soweit die Beklagten meinten, es hätte darüber hinaus nochmals anhand des Sendeberichts und der Akte geprüft werden müssen, ob die verwendete Faxnummer stimme, würden die Anforderungen an die Organisation einer Rechtsanwaltskanzlei überspannt. Durch Eintragung des richtigen Empfängergerichts auf dem fristwahrenden Schriftstück und die Ermittlung/Eintragung der Telefaxnummer sei organisatorisch hinreichend sichergestellt, dass fristwahrende Schriftstücke an den richtigen Adressaten gelangten.
- 3
- Von dem Landgericht darauf hingewiesen, dass zudem organisatorische Vorkehrungen dahin hätten getroffen werden müssen, dass auch die Richtigkeit der Faxnummer anhand des Sendeberichts und der Akte hätte überprüft werden müssen, haben die Kläger mit Schriftsatz vom 1. August 2011 vorgetragen, eine Besprechung mit der zuständigen Kanzleimitarbeiterin habe ergeben, dass es in der Kanzlei „tatsächlich und grundsätzlich“ ständige Handhabung sei, in der Akte die Übereinstimmung des Sendeprotokolls mit der im Schriftstück des Empfangsgerichts angegebenen Faxnummer zu kontrollieren. Soweit von den Klägern mit Schriftsatz vom 31. Mai 2011 die Auffassung der Beklagten zur Erforderlichkeit einer nochmaligen Überprüfung anhand des Sendeberichts und der Akte zurückgewiesen worden sei, habe es sich lediglich um eine Rechtsauffassung gehandelt.
- 4
- Das Landgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen und den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen. Dagegen wenden sich die Kläger mit der Rechtsbeschwerde. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
- 5
- Das Landgericht steht auf dem Standpunkt, dass auf der Grundlage des von den Klägern innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO vorgetragenen Sachverhalts ein den Klägern nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zu bejahen sei. Entnehme die Kanzleimitarbeiterin die Faxnummer einem gerichtlichen Schreiben, müsse durch organisatorische Anweisungen sichergestellt werden, dass nach der Versendung überprüft werde, ob die gewählte Nummer mit der in dem Schreiben enthaltenen übereinstimme und ob es sich bei dem Schreiben tatsächlich um ein solches des Empfängers handle. Auf den nach Verstreichen der Wiedereinsetzungsfrist eingegangenen Schriftsatz vom 1. August 2011 könne das Wiedereinsetzungsgesuch schon deshalb nicht gestützt werden, weil nach Fristablauf nur noch erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Tatsachen erläutert oder vervollständigt werden dürften. So liege es hier jedoch nicht, weil dem fristgemäßen Vorbringen der Kläger zu entnehmen sei, dass eine Weisung, den Sendebericht zur Kontrolle nochmals mit einer zuverlässigen Quelle abzugleichen, nicht existiert habe.
III.
- 6
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die besondere Zulässigkeitsvoraussetzung des § 574 Abs. 2 ZPO ist gegeben, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
- 7
- a) Welche organisatorischen Vorkehrungen ein Anwalt bei der Versendung fristwahrender Schriftsätze per Fax treffen muss, wird in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht einheitlich beurteilt.
- 8
- aa) Im Grundsatz besteht Einigkeit darüber, dass ein Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann genügt, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist. Dabei darf sich die Kontrolle des Sendeberichts nicht darauf beschränken, die auf diesem ausgedruckte Faxnummer mit der zuvor aufgeschriebenen, z.B. bereits in den Schriftsatz eingefügten Nummer zu vergleichen. Vielmehr muss der Abgleich anhand einer zuverlässigen Quelle, etwa anhand eines geeigneten Verzeichnisses vorgenommen werden, um auch Fehler bei der Ermittlung aufdecken zu können (vgl. nur BGH, Beschluss vom 7. November 2012 - IV ZB 20/12, NJW-RR 2013, 305, 306 Rn. 9; Beschluss vom 27. März 2012 - VI ZB 49/11, NJW-RR 2012, 744, 745 Rn. 7; Beschluss vom 12. Mai 2010 - IV ZB 18/08, NJW 2010, 2811, 2812 Rn. 11; Beschluss vom 4. Februar 2010 - I ZB 3/09, VersR 2011, 1543, 1544 Rn. 14). Dem Erfordernis, durch organisatorische Anweisungen nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch bei der Ermittlung der Faxnummer zu erfassen, kann allerdings auch dann genügt werden, wenn die Anweisung besteht, die im Sendebericht ausgedruckte Faxnummer mit der schriftlich niedergelegten zu vergleichen, die ihrerseits zuvor aus einer zuverlässigen Quelle ermittelt worden ist. Dies setzt jedoch voraus, dass darüber hinaus die generelle Anordnung besteht , die ermittelte Nummer vor der Versendung zu überprüfen. Der Sendebericht muss dann nicht mehr zusätzlich mit der zuverlässigen Ausgangsquelle verglichen werden (BGH, Beschluss vom 12. Mai 2010 - IV ZB 18/08, aaO, Rn. 14; Beschluss vom 4. Februar 2010 - I ZB 3/09, aaO, Rn. 18; wohl auch Beschluss vom 27. März 2012 - VI ZB 49/11, aaO). Infolge des vorangegangenen Abgleichs der auf den Schriftsatz übertragenen Faxnummer mit der zuverlässigen Ausgangsquelle ist die Nummer auf dem Schriftsatz nach diesem Abgleich bei wertender Betrachtung selbst als ausreichend zuverlässige Quelle anzusehen. Auch auf diese Weise ist sichergestellt, dass von den angeordneten Kontrollmaßnahmen sowohl Ermittlungs- als auch Eingabefehler rechtzeitig aufgedeckt werden können.
- 9
- bb) Ob die Anforderungen, die an die Kanzleiorganisation zur Aufdeckung von Ermittlungsfehlern zu stellen sind, eine Abmilderung erfahren, wenn die auf den Schriftsatz übertragene Faxnummer - wie hier - entsprechend der organisatorischen Anweisung unmittelbar einem in der Akte befindlichen Schreiben des Berufungsgerichts entnommen wird, ist streitig. Nach der bisherigen Auffassung des VI. Zivilsenats soll in solchen Fällen ein Abgleich mit der zuverlässigen Ausgangsquelle entbehrlich sein, weil bei einer Entnahme der Faxnummer aus einem Schreiben des Berufungsgerichts das besonders hohe Verwechslungsrisiko, das bei der Auswahl aus elektronischen oder buchmäßig erfassten Dateien bestehe, erheblich verringert sei (Beschlüsse vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06, NJW 2007, 1690, 1691 Rn. 11 und vom 22. Juni 2004 - VI ZB 14/04, NJW 2004, 3491). Demgegenüber halten jedenfalls der erkennende und der IX. Zivilsenat auch in solchen Konstellationen an den allgemeinen Grundsätzen fest (Senat, Beschluss vom 30. September 2010 - V ZB 173/10, juris Rn. 9 und 12 - insoweit in MDR 2010, 1483 nicht abgedruckt ; BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - IX ZB 34/10, NJW 2011, 312, 313 Rn. 8 ff.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04, NJW 2006, 2412, 2413; ohne Stellungnahme zu der Kontroverse BGH, Beschluss vom 23. Mai 2012 - VII ZB 58/10, juris Rn. 9 ff.).
- 10
- b) Dass der VI. Zivilsenat zwischenzeitlich von seiner Rechtsauffassung abgerückt ist (s. unten 2. a) und damit die bis dahin entscheidungserhebliche Divergenz nach Einlegung der Rechtsbeschwerde entfallen ist, steht der Statthaftigkeit des Rechtsmittels nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 2006 - IX ZB 124/05, NJW-RR 2007, 400 Rn. 4).
- 11
- 2. In der Sache bleibt dem Rechtsmittel jedoch der Erfolg versagt. Das Berufungsgericht hat die Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zu Recht versagt. Die Kläger haben ein ihnen nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten nicht ausgeräumt.
- 12
- a) Die von dem Berufungsgericht zugrunde gelegte Rechtsauffassung entspricht der des Senats, an der auch nach erneuter Überprüfung festgehalten wird. Ein Rechtsanwalt muss eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig an den richtigen Adressaten herausgehen. Das setzt in allen Fällen den Abgleich mit einer zuverlässigen Quelle voraus, weil nur so Ermittlungs- und Eingabefehlern wirksam begegnet werden kann. Den danach gebotenen Organisationsanforderungen genügt ein Abgleich des Sendeberichts nur mit der Faxnummer, die ein Kanzleimitarbeiter aus der Akte auf den zu versendenden Schriftsatz über- tragen hat, nicht. Denn eine solche Handhabung führt in nicht akzeptabler Weise dazu, dass - durch nur geringfügigen Mehraufwand vermeidbare - Übertragungsfehler unentdeckt bleiben (Senat, Beschluss vom 30. September 2010 - V ZB 173/10, juris Rn. 12) und damit die Gefahr entsteht, dass - wie schon die wiederholte Beschäftigung des Bundesgerichtshofs mit dieser Frage (s. oben III.1. a) bb) belegt - eine in der Praxis relativ häufig auftretende Fehlerquelle nicht beherrscht wird. Gemessen an der Bedeutung fristgemäßer Verfahrensabläufe und dem geringen Mehraufwand des Abgleichs, der bei der Ermittlung der Faxnummer aus anderen Quellen ohnehin besteht, kann auch von einer Überspannung der Anforderungen, die an die Kanzleiorganisation eines Rechtsanwalts zu stellen sind, keine Rede sein. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Anfrage mitgeteilt, dass an der milderen Auffassung nicht weiter festgehalten wird (vgl. nunmehr auch BGH, Beschluss vom 10. September 2013 - VI ZB 61/12, juris).
- 13
- b) Dass vorliegend die Mitarbeiter der Kanzlei zu der erforderlichen Nachkontrolle angewiesen worden sind, haben die Kläger innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.
- 14
- c) Allerdings können erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben auch noch nach Ablauf der genannten Frist erläutert oder vervollständigt werden (Senat, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 369 mwN; Beschluss vom 30. September 2010 - V ZB 173/10, juris Rn. 7). Gibt es dagegen keinen Hinweis auf Unklarheiten oder Lücken im Vortrag, ist davon auszugehen, dass erforderliche organisatorische Maßnahmen nicht getroffen worden sind (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - II ZB 3/11, NJW-RR 2012, 747, 748).
- 15
- So verhält es sich hier, wenn man mit dem Berufungsgericht naheliegend davon ausgeht, dass das innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist gehaltene Vorbringen bei verständiger Gesamtwürdigung so zu verstehen ist, dass lediglich Vorkehrungen getroffen worden sind, die einen Abgleich des Sendeberichts mit der auf den zu versendenden Schriftsatz übertragenen Faxnummer verlangen. Aber selbst wenn man den Schriftsatz vom 1. August 2011 als berücksichtigungsfähige Ergänzung oder Vervollständigung ansehen wollte, ergäbe sich kein anderes Bild. Denn es liegt auf der Hand, dass die nach Fristablauf vorgetragene nur „tatsächlich und grundsätzlich“ bestehende Handhabung einer Nachkontrolle hinter den Anforderungen zurück bleibt, die an eine ordnungsgemäße Kanzleiorganisation zu stellen sind. Geboten sind klare organisatorische Anweisungen des Rechtsanwalts, deren Verbindlichkeit für die Kanzleimitarbeiter außer Frage steht, weil nur so die Wichtigkeit der einzuhaltenden Schritte in der gebotenen Deutlichkeit hervorgehoben wird. Vor diesem Hintergrund kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass das Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten der Kläger zumindest mitursächlich für den Fehler der Kanzleikraft geworden ist (vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. Januar 2011 - III ZB 55/10, NJW 2011, 859, 860 Rn. 15; BFH, Beschluss vom 13. September 2012 - XI R 13/12, juris Rn. 17 mwN).
- 16
- d) Ein Organisationsverschulden lässt sich nicht mit Blick auf die bislang uneinheitliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verneinen. Bereits mit Beschluss vom 14. Oktober 2010 (IX ZB 34/10, NJW 2011, 312, 314 Rn. 12 [veröffentlicht Ende Januar 2011]) hat jedenfalls der IX. Zivilsenat mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass ein Prozessbevollmächtigter künftig nur dann dem Gebot des sichersten Weges genügt, wenn er sich zumindest bis zu einer höchstrichterlichen Klärung an der strengeren Auffassung ausrichtet. Daran fehlt es hier.
- 17
- 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Roth Brückner
Vorinstanzen:
AG Frankenthal (Pfalz), Entscheidung vom 21.02.2011 - 3b C 492/10 -
LG Landau, Entscheidung vom 06.07.2012 - 3 S 32/12 -
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)