Oberlandesgericht Köln Beschluss, 27. Nov. 2013 - 2 Ws 656/13
Gericht
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.
1
Gründe:
2I.
3Die Generalstaatsanwaltschaft hat unter dem 25.11.2013 zur Darstellung des Verfahrensstandes Folgendes ausgeführt:
4„Die Staatsanwaltschaft A. hat den Beschwerdeführer unter dem 09.10.2013 angeklagt, gemeinschaftlich mit dem Mitangeklagten K. mit Gewalt gegen eine Person und unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht weggenommen zu haben, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wobei die Täter bei der Tat eine Waffe verwendeten.
5Mit Beschluss vom 31.10.2013 hat das Landgericht die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet.
6Mit weiterem Beschluss vom 06.11.2013 hat das Landgericht die körperliche Untersuchung der Angeklagten zur Entnahme einer Blutprobe oder zur Durchführung eines anderen körperlichen Eingriffs zur Gewinnung von Körperzellen sowie die vergleichende molekulargenetische Untersuchung des von den Angeklagten gewonnenen Vergleichsmaterials mit dem verfahrensgegenständlichen Spurenmaterial angeordnet.
7Hiergegen hat der Angeklagte Beschwerde eingelegt und diese mit anwaltlichem Schriftsatz vom selben Tage im Wesentlichen damit begründet, dass das verfahrensgegenständliche Spurenmaterial in dem angefochtenen Beschluss nicht individualisiert und konkretisiert worden sei.
8Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 08.11.2013 nicht abgeholfen.“
9Hierauf nimmt der Senat Bezug.
10II.
11Die gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthafte, hinsichtlich ihrer Zulässigkeit auch ansonsten keinen Bedenken unterliegende Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts bleibt in der Sache selbst ohne Erfolg.
12Der Senat vermag dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, die Beschwerde bereits als unzulässig zu verwerfen, nicht zu entsprechen. Zwar stellt der angefochtene Beschluss eine Entscheidung des erkennenden Gerichts dar, welche der Urteilsfällung vorangeht, so dass diese nach § 305 S. 1 StPO grundsätzlich nicht mit der Beschwerde anfechtbar ist. Ausnahmsweise ist die Anfechtung aber gleichwohl zulässig, wenn der Inhalt der Anordnung einer der in § 305 S. 2 StPO nicht abschließend aufgezählten Zwangseingriffe gleichkommt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflage, § 305 Rn. 6 und 7). Dazu gehört nach Auffassung des Senats auch die mit Freiheitsbeschränkungen verbundene zwangsweise Vorführung eines Beschuldigten bei einem Sachverständigen, um ihn dort körperlich untersuchen zu lassen. Auf die Intensität des Eingriffs kommt es entgegen einer in der Rechtsprechung vereinzelnd vertretenen Ansicht (OLG Koblenz, Beschluss vom 26.11.1993 – 1 Ws 672/93; OLG Hamm in MDR 1975, 1040) nicht an. Aus den verschiedenen in § 305 S. 2 StPO genannten Anordnungen, die bereits im Verhältnis zueinander eine unterschiedliche Zwangsintensität aufweisen, lässt sich ein einheitlicher Maßstab für die Eingriffsintensität nicht entnehmen. Zudem kann sich eine bei generalisierender Betrachtungsweise weniger belastende Anordnung aufgrund konkreter Umstände im Einzelfall schwerwiegender auswirken als eine bei abstrakter Betrachtungsweise mehr belastende. Aus § 305 S. 2 StPO lässt sich daher auch kein Argument herleiten, die Statthaftigkeit der Beschwerde an die Erheblichkeit des angeordneten körperlichen Eingriffs zu knüpfen (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 12.08.1998 – 1 Ws 157/98 – in NStZ-RR 1998, 337; Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen, Beschluss vom 28.09.2009 – 2 Ws 123/09 – in StV 2010, 122; Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 30.08.2011 – III-4 Ws 488/11 – in StraFo 2011, 505; SenE vom 09.03.2004 – 2 Ws 32/04 -; Meyer-Goßner, a.a.O., § 81a Rn. 30).
13Die demnach zulässige Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
14Die von der Strafkammer angeordnete Körperzellenentnahme entspricht entgegen der Ansicht des Angeklagten den Anforderungen des § 81a StPO. In der angefochtenen Entscheidung wird die Art der körperlichen Eingriffe genau bezeichnet, so dass die einzelnen Untersuchungsmethoden nicht dem im Beschluss benannten Sachverständigen überlassen bleiben. Die getroffene Anordnung entspricht auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Blutprobenentnahme, die nur dann vorgenommen werden wird, falls der Angeklagte sich weigert, einen Mundhöhlenabstrich vornehmen zu lassen, stellt einen absolut ungefährlichen körperlichen Eingriff dar, den der Angeklagte, gegen den Anklage wegen eines schweren Raubes gemäß §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. StGB (Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren) erhoben worden ist, zu dulden hat.
15Auch die von der Strafkammer getroffenen weitere Anordnung gemäß §§ 81e, 81f StPO ist zu Recht ergangen. Das Landgericht hat ausgeführt, dass die molekulargenetische Untersuchung der entnommenen Körperzellen zum Abgleich mit tatrelevanten Gegenständen für die Feststellung oder den Ausschluss der Täterschaft des Angeklagten von Bedeutung ist. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Soweit der Angeklagte einwendet, dass es an einer Individualisierung und Konkretisierung des Vergleichsmaterials fehle, kann dem nicht gefolgt werden. Die Strafkammer hat die einzelnen Vergleichsgegenstände aufgezählt und unter Hinweis auf die Sicherstellung des Materials im hiesigen Verfahren in dem angefochtenen Beschluss ausreichend konkret bezeichnet.
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(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.
(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.
(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.
(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche
- 1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen, - 2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen, - 3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen, - 4.
die Akteneinsicht betreffen oder - 5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.
Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen, unterliegen nicht der Beschwerde. Ausgenommen sind Entscheidungen über Verhaftungen, die einstweilige Unterbringung, Beschlagnahmen, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, das vorläufige Berufsverbot oder die Festsetzung von Ordnungs- oder Zwangsmitteln sowie alle Entscheidungen, durch die dritte Personen betroffen werden.
(1) Eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten darf zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Zu diesem Zweck sind Entnahmen von Blutproben und andere körperliche Eingriffe, die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenommen werden, ohne Einwilligung des Beschuldigten zulässig, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist.
(2) Die Anordnung steht dem Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) zu. Die Entnahme einer Blutprobe bedarf abweichend von Satz 1 keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Straftat nach § 315a Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 und 3, § 315c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a, Absatz 2 und 3 oder § 316 des Strafgesetzbuchs begangen worden ist.
(3) Dem Beschuldigten entnommene Blutproben oder sonstige Körperzellen dürfen nur für Zwecke des der Entnahme zugrundeliegenden oder eines anderen anhängigen Strafverfahrens verwendet werden; sie sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie hierfür nicht mehr erforderlich sind.
(1) An dem durch Maßnahmen nach § 81a Absatz 1 oder § 81c erlangten Material dürfen mittels molekulargenetischer Untersuchung das DNA-Identifizierungsmuster, die Abstammung und das Geschlecht der Person festgestellt und diese Feststellungen mit Vergleichsmaterial abgeglichen werden, soweit dies zur Erforschung des Sachverhalts erforderlich ist. Andere Feststellungen dürfen nicht erfolgen; hierauf gerichtete Untersuchungen sind unzulässig.
(2) Nach Absatz 1 zulässige Untersuchungen dürfen auch an aufgefundenem, sichergestelltem oder beschlagnahmtem Material durchgeführt werden. Ist unbekannt, von welcher Person das Spurenmaterial stammt, dürfen zusätzlich Feststellungen über die Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie das Alter der Person getroffen werden. Absatz 1 Satz 2 und § 81a Abs. 3 erster Halbsatz gelten entsprechend. Ist bekannt, von welcher Person das Material stammt, gilt § 81f Absatz 1 entsprechend.
(1) Untersuchungen nach § 81e Abs. 1 dürfen ohne schriftliche Einwilligung der betroffenen Person nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die einwilligende Person ist darüber zu belehren, für welchen Zweck die zu erhebenden Daten verwendet werden.
(2) Mit der Untersuchung nach § 81e sind in der schriftlichen Anordnung Sachverständige zu beauftragen, die öffentlich bestellt oder nach dem Verpflichtungsgesetz verpflichtet oder Amtsträger sind, die der ermittlungsführenden Behörde nicht angehören oder einer Organisationseinheit dieser Behörde angehören, die von der ermittlungsführenden Dienststelle organisatorisch und sachlich getrennt ist. Diese haben durch technische und organisatorische Maßnahmen zu gewährleisten, daß unzulässige molekulargenetische Untersuchungen und unbefugte Kenntnisnahme Dritter ausgeschlossen sind. Dem Sachverständigen ist das Untersuchungsmaterial ohne Mitteilung des Namens, der Anschrift und des Geburtstages und -monats der betroffenen Person zu übergeben. Ist der Sachverständige eine nichtöffentliche Stelle, finden die Vorschriften der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) und des Bundesdatenschutzgesetzes auch dann Anwendung, wenn die personenbezogenen Daten nicht automatisiert verarbeitet und die Daten nicht in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.