Oberlandesgericht Köln Beschluss, 28. Sept. 1999 - 2 Ws 502/99
Tenor
1
G r ü n d e :
2Der ehemalige Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Aachen vom 7. März 1997 zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. In dem in der Hauptverhandlung verkündeten Bewährungsbeschluss hat das Amtsgericht die Bewährungszeit auf 3 Jahre festgesetzt und dem Beschwerdeführer die Zahlung einer Geldbuße von 30.000,--DM auferlegt.
3Auf die Berufung des Angeklagten ist das Urteil am 24. Oktober 1997 durch die 1. kleine Strafkammer des Landgerichts Aachen unter Verwerfung des Rechtsmittels im übrigen im Schuldspruch abgeändert worden, wobei ein - erneuter - Bewährungsbeschluss nicht ergangen ist. Nach erfolgreich durchgeführter Revision des Angeklagten hat vor der 2. kleinen Strafkammer des Landgerichts Aachen eine weitere Hauptverhandlung stattgefunden. In Abänderung des erstinstanzlichen Rechtsfolgenausspruches ist der Angeklagte am 19. Januar 1999 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten verurteilt worden. Auch in dieser Hauptverhandlung ist ein Bewährungsbeschluss unterlassen worden.
4Nach Rechtskraft des Urteils hat der ehemalige Angeklagte durch seinen Verteidiger mit Schriftsatz vom 1. Juli 1999 den Erlass eines Bewährungsbeschlusses gem. § 268 a StPO beantragt mit der Bitte, von der Verhängung einer Geldauflage im Hinblick auf die zwischenzeitliche Verschlechterung seiner finanziellen Verhältnisse abzusehen. Die Strafkammer hat unter dem 2. August 1999 entschieden, dass es bei den Bewährungsauflagen und der Bewährungszeitfestsetzung gemäß dem amtsgerichtlichen Beschluss vom 7. März 1997 verbleibe. Dagegen richtet sich die Beschwerde des ehemaligen Angeklagten, mit der er die Aufrechterhaltung der Geldauflage rügt. Die Strafkammer hat nicht abgeholfen.
5II.
6Die Beschwerde ist gem. § 304 Abs. 1 Satz 1 StPO statthaft und auch im übrigen zulässig. In der Sache erweist sich das Rechtsmittel im Rahmen der eingeschränkten Überprüfbarkeit nach § 305 a Abs. 1 Satz 2 StPO auch als begründet.
7Die Aufrechterhaltung der im amtsgerichtlichen Beschluss vom 7. März 1997 dem Beschwerdeführer auferlegten Geldbuße stellt eine gesetzwidrige Anordnung dar.
8Es kann dahinstehen, ob die Strafkammer den gem. § 268 a StPO obligatorischen, offensichtlich aber versehentlich unterlassenen Beschluss in entsprechender Anwendung von § 453 StPO nachholen durfte (grundsätzlich befürwortend: OLG Koblenz MDR 1981, 423; OLG Düsseldorf MDR 1982, 1042; Kleinknecht/Meyer-Großner, StPO, 44. Aufl., § 268 a Rdnr. 8; KK-Fischer, StPO, 4. Aufl., § 453 Rdnr. 4; a.A. LG Freiburg StV 1994, 534; LG Kempten NJW 1978, 839; für eine eingeschränkte Nachholung: KMR-Paulus, StPO, § 453 Rdnr. 7).
9Es bedarf auch keiner Klärung der Frage, ob die als Berufungsgericht tätig gewordene Kammer nach Eintritt der Rechtskraft des von ihr verkündeten Urteils für die nachträglich getroffene Entscheidung - deren grundsätzliche Zulässigkeit unterstellt - zuständig gewesen ist oder ob über hierüber gemäß § 462 a Abs. 2 StPO das Amtsgericht zu befinden gehabt hätte (vgl. hierzu grundlegend: Senat in JR 1981, 473 ff.).
10Die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung, soweit diese beanstandet wird, folgt daraus, dass die Strafkammer - annähernd 7 Monate nach Beendigung der Hauptverhandlung - die zu Lasten des Beschwerdeführers auferlegte Geldbuße aufrechterhalten hat. Jedenfalls eine solche Entscheidung war ihr im nachhinein verwehrt.
11Auflagen gemäß § 56 b Abs. 2 StGB - insbesondere solche nach Nr. 4 der Vorschrift - dienen der Genugtuung für das in der Tatbegehung zu Tage getretene Unrecht; im Gegensatz zu Weisungen gem. § 56 c StGB haben sie einen repressiven, sanktionsähnlichen Charakter. Die Entscheidung darüber, ob eine Auflage als solche zu erteilen und in welcher Art sie auszugestalten ist, steht in engem Zusammenhang mit der verurteilenden Erkenntnis selbst und bildet mit dieser eine Regelungseinheit. So ist gewährleistet, dass die Rechtsfolgen der Tat insgesamt aufeinander abgestimmt sind. Die Entscheidung gemäß § 268 a StPO ist daher von den bei der Urteilsfindung beteiligten Personen, d.h. unter Mitwirkung der Schöffen, in der Hauptverhandlung zu treffen.
12Da aus den genannten Gründen für die Verhängung von Auflagen die Sicht der Hauptverhandlung maßgeblich ist, wird im Schrifttum die - unter den Voraussetzungen der §§ 56 e, 56 b StGB vom Gesetzgeber grundsätzlich für statthaft erachtete - nachträgliche Abänderung von Auflagen, unter rechtsstaatlichen und kriminalpolitischen Gründen als unzulässig angesehen, soweit diese nicht die Schadenswiedergutmachung zum Inhalt haben. Denn es erscheint nicht legitim, dem Gericht die Befugnis zuzuerkennen, das Genugtuungsbedürfnis während der Bewährungszeit anders zu beurteilen, als dies bei Erlass des Urteils geschehen ist (vgl. Schönke/Schröder-Stree, StGB, 25. Aufl., § 56 e Rdnr. 3 m.w.N.). Der Senat hält diese Bedenken jedenfalls dann für durchgreifend, wenn es von vorneherein an einem Bewährungsbeschluss gefehlt hat und eine Geldauflage in einem erheblichen zeitlichen Abstand von der Hauptverhandlung und ohne erkennbaren Bezug zu deren Inhalt verhängt worden ist (so im Ergebnis auch LG Osnabrück, NStZ 1985, 378 f.). Dies gilt zumal deshalb, weil die Formulierung in der angefochtenen Entscheidung, es solle bei den Auflagen aus dem amtsgerichtlichen Beschluss vom 7. März 1997 verbleiben, besorgen lässt, dass die Strafkammer in diesem Zusammenhang unzutreffenderweise davon ausgegangen ist, es komme auf den Zeitpunkt ihrer eigenen (Berufungs-)Entscheidung nicht an.
13Hinzu kommt, dass die Feststellungen des Berufungsurteils im Hinlick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten auch keine tragfähige Grundlage für eine nachträgliche Entscheidung bilden, bei der die Strafkammer die in der Beschwerde im einzelnen vorgetragene und teils durch Urkunden belegte zwischenzeitliche Verschlechterung der Situation bei Beachtung des Rechtsgedankens des § 56 e StGB im übrigen nicht außer Acht lassen durfte (vgl. OLG Frankfurt, aaO., S. 24).
14Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Beschluss, 28. Sept. 1999 - 2 Ws 502/99
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Köln Beschluss, 28. Sept. 1999 - 2 Ws 502/99
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenOberlandesgericht Köln Beschluss, 28. Sept. 1999 - 2 Ws 502/99 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.
(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.
(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.
(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche
- 1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen, - 2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen, - 3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen, - 4.
die Akteneinsicht betreffen oder - 5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.
(1) Die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen (§§ 56a bis 56g, 58, 59a, 59b des Strafgesetzbuches), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte sind zu hören. § 246a Absatz 2 und § 454 Absatz 2 Satz 4 gelten entsprechend. Hat das Gericht über einen Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen zu entscheiden, so soll es dem Verurteilten Gelegenheit zur mündlichen Anhörung geben. Ist ein Bewährungshelfer bestellt, so unterrichtet ihn das Gericht, wenn eine Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung oder den Straferlaß in Betracht kommt; über Erkenntnisse, die dem Gericht aus anderen Strafverfahren bekannt geworden sind, soll es ihn unterrichten, wenn der Zweck der Bewährungsaufsicht dies angezeigt erscheinen läßt.
(2) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist Beschwerde zulässig. Sie kann nur darauf gestützt werden, daß eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist oder daß die Bewährungszeit nachträglich verlängert worden ist. Der Widerruf der Aussetzung, der Erlaß der Strafe, der Widerruf des Erlasses, die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe und die Feststellung, daß es bei der Verwarnung sein Bewenden hat (§§ 56f, 56g, 59b des Strafgesetzbuches), können mit sofortiger Beschwerde angefochten werden.
(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.
(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.
(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er
- 1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder - 2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.
(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.
(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.