Oberlandesgericht Köln Urteil, 18. Juni 2014 - 13 U 27/06


Gericht
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 19. Januar 2006 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 15 O 393/05 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und unter Berücksichtigung des teilweise rechtskräftigen Senatsurteils vom 16.01.2008 wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte zu 1.) wird verurteilt, an die Klägerin über den durch Senatsurteil vom 16.01.2008 zuerkannten Betrag von 4.074,24 € nebst Zinsen hinaus weitere 34.611,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. 06. 2005 zu zahlen.
Die Beklagte zu 2.) wird verurteilt, an die Klägerin über den über den durch Senatsurteil vom 16.01.2008 zuerkannten Betrag von 4.074,24 € nebst Zinsen hinaus weitere 29.595,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. 06. 2005 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin zu 5 %, die Beklagte zu 1.) zu 50 % und die Beklagte zu 2.) zu 45 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1.) trägt diese selbst, die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2.) trägt diese zu 89 % und die Klägerin zu 11 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des von ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e:
2I.
3Die Klägerin begehrt aus eigenem und aus abgetretenem Recht ihrer Geschwister von den beklagten Banken die Zahlung weiterer Zinsbeträge aus ausgelaufenen Sparverträgen.
4Die Klägerin und ihre fünf Geschwister schlossen, vertreten durch ihre Eltern, zwischen dem 25. September 1986 und dem 30. März 1989 mit der Beklagten zu 1) insgesamt 24 Sparverträge mit einer Laufzeit von jeweils 15 Jahren ab, die neben laufender Verzinsung bei Beendigung zeitlich gestaffelte, auf 15 % der Sparsumme ansteigende Bonuszahlungen vorsahen. Die Sparguthaben wurden in einem Betrag jeweils zu Vertragsbeginn eingezahlt. Alle Verträge sahen eine Kündigungsfrist von 4 Jahren vor. Die Sparverträge von dreien der Geschwister übernahm später die Beklagte zu 2). In den "Bedingungen für Sparkonten" der Beklagten zu 1), die den Sparverträge zugrundelagen (im folgenden: AGB), wurde die Anpassung der laufenden Verzinsung wie folgt geregelt:
5"Die Bank vergütet dem Sparkontoinhaber im Rahmen der geltenden Bestimmungen die von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum der kontoführenden Stelle bekannt gegebenen Zinsen. Eine Änderung des Zinssatzes tritt auch für bestehende Sparguthaben ohne besondere Mitteilung mit dem Tage in Kraft, der durch Aushang im Kassenraum bekannt gegeben wird."
6Entsprechend dieser Regelung und auf Grundlage der von der Bundesbank veröffentlichten "Zeitreihe WZ9816" wurden von den Beklagten die Zinsen angepasst, den Sparverträgen, wie in den AGB weiter festgelegt war, jährlich Zinsbeträge gutgeschrieben und am Ende der regulären Vertragslaufzeit das sich daraus ergebende Guthaben zuzüglich des jeweiligen Bonus ausbezahlt.
7Die Klägerin hält die Zinsänderungsklausel für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge gewährte Verzinsung für zu niedrig.
8Die Klage, mit der die Klägerin von der Beklagten zu 1) Zahlung von 38.698,62 € und von der Beklagten zu 2) Zahlung von 37.812,57 € jeweils zuzüglich Zinsen begehrt, ist in 1. Instanz abgewiesen worden. Auf die Berufung der Klägerin sind die Beklagten mit Urteil des Senats vom 16. Januar 2008 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - zur Zahlung von jeweils 4074,24 € nebst Zinsen verurteilt worden.
9Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision hat die Klägerin ihre darüber hinaus gehenden Zahlungsanträge weiter verfolgt.
10Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Senats vom 16. Januar 2008 mit Urteil vom 21. Dezember 2010 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an den Senat zurückverwiesen. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt worden, dass die in den AGB der Beklagten zu 1) enthaltene Änderungsklausel unwirksam sei, da sie dem Sparer nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit gewährleiste. Der Senat sei jedoch zu Unrecht von einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht der beklagten Banken nach § 315 Abs. 1 BGB ausgegangen, denn aufgrund der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel sei auch das darin zugleich enthaltene einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Klauselverwenders ersatzlos entfallen. Im Rahmen der danach gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung entspreche ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Banken dem hypothetischen Vertragswillen typischer Parteien nicht. Vielmehr müssten Anpassungsmaßstab und -modus vom Gericht bestimmt werden, wobei in sachlicher und zeitlicher Hinsicht Parameter zu wählen seien, die dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit von Zinsänderungen genügten. Dabei habe sich der Referenzzins grundsätzlich an Zinsen für vergleichbar langfristige Spareinlagen zu orientieren. Diesen Anforderungen werde die vom Senat akzeptierte "Zeitreihe WZ 9816" sachlich und zeitlich ebenso wenig gerecht wie der von der Klägerin herangezogene Spareckzins. Insoweit ist die Sache zur weiteren Sachaufklärung an den Senat zurückverwiesen worden.
11Die Klägerin beantragt nunmehr, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 19.1.2006 - 15 O 393/05 -
121. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an sie über den bereits mit Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 16.1.2008 rechtskräftig zuerkannten Betrag hinaus weitere 34.624,38 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 23.6.2005 zu zahlen,
132. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an sie über den bereits mit Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 16. 1. 2008 rechtskräftig zuerkannten Betrag hinaus weitere 33.738,33 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 23.6.2005 zu zahlen.
14Die Beklagten beantragen,
15die Berufung zurückzuweisen.
16Sie verteidigen das angefochtene Urteil und treten den Angriffen der Berufung entgegen.
17Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 26.10.2011 (Bl. 571 ff. GA). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Norbert Hofmann vom 16.9.2013 (Bl. 634ff. GA), sein Ergänzungsgutachten vom 10.3.2014 (Bl. 719 ff. GA) sowie die Erläuterung der Gutachten in der mündlichen Verhandlung vom 9.4.2014 (Bl. 778 ff. GA) verwiesen; wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
18II.
19Die Berufung hat zu einem großen Teil Erfolg. Die Klägerin kann aus eigenem und abgetretenem Recht gem. §§ 700 Abs. 1, 488, 398 BGB über den bereits ausgeurteilten Betrag hinaus von der Beklagten zu 1) eine Zinszahlung in Höhe von weiteren 34.611,15 € und von der Beklagten zu 2) in Höhe von weiteren 29.595,11 € verlangen.
201. Die in den AGB der Beklagten zu 1) enthaltene Zinsänderungsklausel ist - wie der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 21.12.2012 entschieden und auch der Senat in seinem Urteil vom 16.1.2008 angenommen hat - nach § 10 Nr. 4 AGBG (soweit die Sparverträge vor dem 1. Januar 2003 ausgelaufen sind) bzw. nach § 308 Nr. 4, Art 229 § 5 Satz 2 EGBGB (für nach diesem Zeitpunkt endende Verträge) unwirksam, da die Befugnis eines Kreditinstituts, dem Sparer den jeweils durch Aushang bekannt gemachten Zinssatz zu zahlen, nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweist (vgl. BGH a.a.O.; Urt. v. 17.2.2004 - XI ZR 140/03; BGHZ 158, 149, 153ff.). Von dieser Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel wird die zugrunde liegende Vereinbarung eines variablen Zinssatzes allerdings nicht erfasst, da es sich dabei um eine eigenständige, ihrerseits nicht gegen ein Klauselverbot verstoßende, kontrollfreie Preisregelung handelt (vgl. BGH, Urt. v. 21.12.2012, Az. XI ZR 52/08; BGH, Urt. v. 10.6.2008, Az. XI ZR 211/07).
212. Die infolge der Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel - bei gleichzeitiger Wirksamkeit der Vereinbarung über die Variabilität der Zinshöhe - entstandene Regelungslücke ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung auszufüllen, wobei weder für einseitige Leistungsbestimmungsrechte einer der beiden Vertragsparteien noch für ein geschäftspolitisches Ermessen der beklagten Banken Raum besteht. Vielmehr sind - entsprechend dem Urteil des Bundesgerichtshofs v. 21.12.2010, Az. XI ZR 52/08 - die Parameter einer Zinsanpassung festzustellen, die dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit von Zinsänderungen genügen und in sachlicher und zeitlicher Hinsicht dem mutmaßlichen Parteiwillen im Zeitpunkt der Vertragsschlüsse entsprechen. Maßgebend ist insoweit, welcher konkrete in der von der Deutschen Bundesbank für inländische Banken erhobenen Zinsstatistik veröffentlichte Zins die Zinsentwicklung des konkreten Vertrages möglichst weitgehend abbildet. Dies bedeutet, dass der Referenzzins, dessen Veränderung Anlass und Höhe einer Anpassung bestimmt, sich bei Spareinlagen, die - wie hier - wegen des damit verbundenen Verlustes der Abschlussprämie zeitlich sinnvoll nicht vorzeitig gekündigt werden, grundsätzlich an Zinsen für vergleichbare langfristige Spareinlagen zu orientieren hat (BGH a.a.O. Tz. 22).
223. Der Senat sieht - auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen Hofmann in dessen Gutachten vom 16.9.2013 und 10.3.2014 sowie der mündlichen Erläuterung im Termin vom 9.4.2014 - für den Zeitraum 1986 bis November 1996 die in der Deutsche Bundesbank-Zeitreihe BBK01.SU0028 (im Folgenden: 0028), für die Folgezeit bis zum Ablauf der einzelnen Sparverträge die in der Bundesbank-Zeitreihe BBK01.SU0530 (im Folgenden: 0530) abgebildeten Zinssätze als die maßgeblichen, eine Zinsanpassung auslösenden und bestimmenden Referenzzinsen an. Die Heranziehung dieser Zeitreihen als Parameter einer Zinsanpassung entspricht aus Sicht des Senats am ehesten dem, was die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn die Unwirksamkeit der vereinbarten Zinsanpassungsklausel von ihnen bedacht worden wäre:
23a. Zeitraum von 1986 bis November 1996)
24Der Sachverständige ist mit überzeugender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass entsprechend den Vertragsprämissen - insbesondere der jeweiligen Vertragsdauer von 15 Jahren, den vereinbarten Zinserträgen sowie der Bonuszahlung und der Kündigungsfrist von 48 Monaten - für den Zeitraum von 1986 bis November 1996 die Zeitreihe 0028 für Spareinlagen mit vereinbarter Kündigungsfrist von vier Jahren, die im Übrigen auch von den Beklagten als geeignet angesehen wird (GA 556), heranzuziehen ist.
25Der Sachverständige hat zwar im Rahmen seiner Anhörung ausgeführt (GA 778 R), dass die dieser Zeitreihe zugrundeliegenden Laufzeiten von nur wenig mehr als vier Jahren bis hin zu 10, 12 oder 15 Jahren reichten, wobei es ungekündigte Laufzeiten in dem Sinne in der Zeitreihe nicht gebe. Angesichts dessen stimmen die Laufzeiten dieser Zeitreihe - vor allem, wenn der (unbestimmte) Anteil der Laufzeiten von wenig mehr als vier Jahren mit in den Blick genommen wird - mit den im Streitfall vereinbarten Laufzeiten der Sparverträge nicht uneingeschränkt überein. Dennoch hat er die Eignung dieser Zeitreihe - als dem mutmaßlichen Parteiwillen entsprechender - Parameter der Zinsanpassung insofern nachvollziehbar und überzeugend begründet, als sich anderenfalls angesichts der klassischen Zinsstruktur, wonach längerfristige Laufzeiten zu einer höheren Verzinsung führen, ein zu hoher Zins zugunsten der Klägerin ergeben könnte. Im Hinblick darauf, dass in den hier in Rede stehenden Sparverträgen jeweils auch eine Kündigungsfrist von vier Jahren bestimmt war und eine Zeitreihe, die exakt und allein die hier vereinbarten Laufzeiten der Verträge erfasst, nach Kenntnis des Sachverständigen nicht existiert, wird die Heranziehung der Zeitreihe 0028 auch aus der Sicht des Senats dem hypothetischen Parteiwillen am besten gerecht. Die Parteien haben gegenüber den Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung auch keine anderen Zeitreihen oder Parameter aufgezeigt, die sich als Maßstab für eine Zinsanpassung besser eignen würden.
26Die - vor Einholung des Sachverständigengutachtens - von der Klägerin erhobenen Bedenken gegen die Heranziehung der Zeitreihe 0028, der Zinssatz dieser Zeitreihe sei Ausdruck des Geschäftsverhaltens der Banken und Sparkassen und nicht von einer objektiven Zinsentwicklung geprägt (S. 4 des Schriftsatzes der Klägerin vom 12.08.2011 - GA 532), werden in der Stellungnahme zum Gutachten des Sachverständigen vom 16.09.2013 nicht aufrechterhalten; sie zieht lediglich die Eignung der vom Sachverständigen gewählten Folgezeitreihe 0530 in Zweifel (S. 3 des Schriftsatzes vom 12.12.2013 - GA 699 ff., 701). Die geäußerten Bedenken sind in dieser Pauschalität aus Sicht des Senats aber auch in der Sache nicht durchgreifend.
27b. Zeitraum ab November 1996
28Der Senat folgt dem Sachverständigen auch insoweit, als dieser in Anknüpfung an die nach November 1996 nicht mehr fortgeführte Zeitreihe 0028 die Zeitreihe 0530 - eine Reihe für Spareinlagen von 20.000 DM bis 50.000 DM bei vereinbarter Kündigungsfrist von drei Monaten und einer Vertragsdauer von über einem Jahr bis vier Jahren (Gutachten vom 16.09.2013, S. 9 ff. - GA 642 ff.) als maßgeblichen Referenzzins herangezogen hat.
29Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 21.12.2010 u.a. den Spareckzins wegen der diesem zugrundeliegenden Kündigungsfrist von nur drei Monaten als Referenzzins missbilligt und - bezogen auf die im Urteil des Senats vom 16.1.2008 akzeptierte Zeitreihe WZ9816 - Laufzeiten von fünf Jahren nicht als geeignet angesehen hat. Auf ausdrücklichen Vorhalt dieses Umstandes hat der Sachverständige indessen - was die bei der Zeitreihe 0530 gegenüber den hier betroffenen Sparverträgen deutlich kürzere Kündigungsfrist von drei Monaten angeht - gleichwohl die Vergleichbarkeit dieser Zeitreihe bejaht. Er hat dies nachvollziehbar und überzeugend damit begründet (GA 779), dass zwar die Kündigungsfrist der dort erfassten Spareinlagen kürzer sei und es dadurch zu einem Zinsminderungseffekt komme, auf der anderen Seite aber durch die Einbeziehung von Prämien bzw. Boni ein Zinserhöhungseffekt eintrete. Beide Effekte heben sich nach der fachkundigen, durch langjährige Erfahrung geprägten Überzeugung des Sachverständigen nahezu gegeneinander auf, während die alternativ vom Sachverständigen geprüften Zeitreihen BBK01.SU0533 ("Einlagen von über 4 Jahren mit 3-monatiger Kündigungsfrist nebst Bonieinbezug") und BBK01.SU0542 ("Einlagen von über 4 Jahren mit Kündigungsfrist von mehr als 3 Monaten") bei den Zinswerten massive Ausgangsdifferenzen aufweisen, deren mögliche Veränderungen im Zeitablauf zu unwägbaren Ergebnissen führen würden (S. 11 des Gutachtens vom 16.9.2013 - GA 644). Angesichts dieser, nach Einschätzung des Sachverständigen möglicherweise sogar zu einer negativen Verzinsung führenden Ausgangsdifferenzen und - wie der Sachverständige ebenfalls überzeugend ausgeführt hat - in Ermangelung einer Zeitreihe, die ähnlich wie die Reihe 0530 einen relativ geringfügigen Zinswertunterschied gegenüber dem letzten Zins (November 1996) der auslaufenden Zeitreihe 0028 aufweist, erscheint es im Hinblick auf den festzustellenden hypothetischen Parteiwillen folgerichtig und angemessen, eine Zeitreihe zu wählen, die dem Zinssatz der auslaufenden Zeitreihe am relativ nächsten kommt und - wie noch auszuführen sein wird - an die Höhe der Zinssätze der auslaufenden Zeitreihe 0028 angepasst wird. Diese Erwägung lässt aus Sicht des Senats auch die - deutlich hinter denjenigen der streitgegenständlichen Sparverträge zurückbleibenden - Laufzeiten der Zeitreihe 0530 als kein durchgreifendes Argument gegen die Heranziehung dieser Zeitreihe erscheinen, zumal die den erfassten Laufzeiten von bis zu vier Jahren entsprechende Kündigungsoption der Klägerin und der Zedenten erst nach 48 Monaten - wie der Sachverständige im Gutachten vom 16.9.2013 (GA 643) dargelegt hat - eine gewisse Zinssicherheit der Beklagten darstellt.
30Dass die Höhe der Zinssätze in der Zeitreihen 0028 und 0530 im "Überschneidungsmonat" November 1996 nach den Feststellungen des Sachverständigen um 0,14 Prozentpunkte divergiert (3,66% für 0028 gegenüber 3,80% für 0530), steht der Heranziehung der Folgezeitreihe nicht entgegen, weil die Zinsanpassung an der Änderung des Referenzzinses und nicht an seinem absoluten Wert auszurichten ist (BGH a.a.O. Tz. 26).
31Soweit der Sachverständige in seinen Berechnungen wegen der vorgenannten Abweichung in der Zinssatzhöhe eine fortlaufende Korrektur der Folgezeitreihe 0530 von 0,14 Prozentpunkten vorgenommen, d.h. die Zinssätze dieser Zeitreihe durchgängig um 0,14 Prozentpunkte reduziert hat (S. 10 des Gutachtens vom 16.09.2013 - GA 643), ist das aus Sicht des Senats plausibel und nicht zu beanstanden. Nach der Erläuterung des Sachverständigen (S. 4 der Sitzungsniederschrift vom 09.04.2014 - GA 779 R) ist diese Korrektur der möglichst weitgehenden Kontinuität der Ausgangszeitreihe 0028 geschuldet. Die Klägerin hat insoweit zwar eingewandt, dass diese Argumentation für die Anpassung der Folgezeitreihe nicht schlüssig sei, wenn simuliert werde, dass alle vier Jahre eine Wiederanlage nach dem dann gültigen Zinssatz erfolge. Dann wäre aus ihrer Sicht eine Wiederanlage ohne Anpassung konsequent. Jedenfalls aber sei die relative Veränderung zu errechnen und fortzuschreiben und nicht der absolute Abstand. Dieser Einwand greift aber aus Sicht des Senats nicht durch. Die Korrektur der Folgezeitreihe 0530 zwecks Anpassung an die Ausgangszeitreihe ist zwar absolut erfolgt. Diese Korrektur widerspricht aber den Vorgaben des Bundesgerichtshofs nicht, da der Bundesgerichtshof den relativen Abstand nur für das Verhältnis vom Vertrags- zum Marktzins (Referenzzins) fordert. Hier geht es aber um die Fortschreibung des maßgeblichen Referenzzinses. Der Sachverständige hat in diesem Zusammenhang nachvollziehbar ausgeführt, der Verzicht auf eine Korrektur der Folgezeitreihe - das "Stehenlassen" des Zinssatzes von 3,80% im November 1996 - hätte aus seiner Sicht bedeutet, der Zinsberechnung einen Vertrag mit einer nur dreimonatigen Kündigungsfrist zugrundezulegen, was nicht den höchstrichterlichen Vorgaben entspräche. Damit erweist sich die Korrektur der Zinssätze um 0,14 Prozentpunkte im Ergebnis als eine Annäherung der der Zeitreihe 0530 zugrundeliegenden Kündigungsfrist von drei Monaten an die der Zeitreihe 0028 zugrundeliegende Kündigungsfrist von 4 Jahren, für die eine entsprechende Zeitreihe nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht existiert.
32Der Sachverständige hat der Fortschreibung seiner Berechnung auf der Grundlage der Folgezeitreihe auch - entsprechend den Vorgaben des Bundesgerichtshofs - den relativen Abstand zum Vertragszins zu Grunde gelegt und eine - zusätzliche - "Umrechnung" der Zinssatzdifferenz von 0,14 Prozentpunkten in einen relativen Abstand als nicht geeignete und nach der Rechtsprechung auch nicht gebotene, "doppelt relative" Berechnung bezeichnet. Diese Einschätzung wird vom Senat geteilt; die Parteien haben ihr auch nicht widersprochen. Im Ergebnis hat der Sachverständige damit die vom Bundesgerichtshof geforderte Beibehaltung des anfänglichen relativen Abstandes des Vertragszinses zum Referenzzins über die gesamte Vertragslaufzeit - im Rahmen einer nachvollziehbaren Zinsrechnung - beachtet.
33Dass der Sachverständige die von den Beklagten im Schriftsatz vom 30.08.2011 vorgeschlagene Zeitreihe SUD106 (Spareinlagen mit vereinbarter Kündigungsfrist von über 3 Monaten) nicht ab Juli 2003 im Anschluss an die Zeitreihe 0530 herangezogen hat, weil dies zu problematischen, in ihren Auswirkungen aber geringen Anpassungen führen würde (GA 646), wird von den Beklagten nicht beanstandet. Sie haben sich vielmehr mit den vom Gutachter herangezogenen Referenzzinssätzen im Ausgangspunkt einverstanden erklärt (Schriftsatz vom 20.12.2013 - GA 711).
344. Hinsichtlich der Zinserträge im Einzelnen ergeben sich nach den Berechnungen des Sachverständigen, der den Einwand der Klägerin (S. 2 des Schriftsatzes vom 12.12.2013 - GA 700) gegen eine unterlassene Verzinsung wieder angelegter Zinsen in seinem Ergänzungsgutachten vom 10.03.2014 (GA 719 ff.) ebenso berücksichtigt wie einen von beiden Parteien gerügten Berechnungsfehler im August 2000 korrigiert hat, folgende Zinsdifferenzen unter Zugrundelegung des relativen Abstandes von Vertrags- und Referenzzins:
35(1.) für die 6 Verträge mit Vertragsbeginn 25.9.1986 je 20.895,14 €
36(2.) für die 6 Verträge mit Vertragsbeginn 2.4.1987 je 20.252,62 €
37(3.) für die 6 Verträge mit Vertragsbeginn 3.7.1987 je 15.066,79 €
38(4.) für die 6 Verträge mit Vertragsbeginn 30. 3. 1989 je 21.792,28 €
39Hinzu kommen die vereinbarten Bonuszahlungen in Höhe von 34.512,30 €. Die Klägerin und die fünf Zedenten hätten danach jeweils Zinsen i.H.v. 78.006,83 € und darüber hinaus einen Bonus i.H.v. 5752,05 € erhalten müssen.
40Unter Berücksichtigung der bereits von den Beklagten erbrachten Zahlungen sind mithin noch die nachfolgenden Beträge offen:
41(1.) Bei der Beklagten zu 1)
42M. T.
43hat erhalten 72.542,18 €; d.h. zu dem vom Sachverständigen ermittelten Betrag von 78.006,83 € und dem auf ihn entfallenden Bonus von 5.752,05 € verbleibt eine Differenz von 11.216,70 €.
44P. T.
45hat erhalten 68.200,85; d. h. es verbleibt eine Differenz von 15.558,03 €.
46G. T.
47hat erhalten 71.848,22; d. h. es verbleibt eine Differenz von 11.910,66 €.
48Die Beklagte zu 1. hatte insgesamt mithin 38.685,39 € zu zahlen, unter Abzug des bereits ausgeurteilten Betrages von 4.074,24 € waren der Klägerin also noch weitere 34.611,15 € zuzusprechen.
49(2.) Bei der Beklagten zu 2)
50B. T.
51hat erhalten 74.947,54; d .h. es verbleibt eine Differenz von 8.811,34 €.
52H. T.
53hat erhalten 68.074,43; d. h. es verbleibt eine Differenz von 15.684,45 €.
54G. T.
55hat erhalten 74.585,32 €, d. h. es verbleibt eine Differenz von 9173,56 €.
56Die Beklagte zu 2) hatte mithin insgesamt 33.669,35 € zu zahlen, unter Abzug des bereits ausgeurteilten Betrages von 4.074,24 € war sie daher zur Zahlung weiterer 29.595.11 € zu verurteilen.
57Soweit die Beklagten es mit Schriftsatz vom 14.05.2014 für nicht nachvollziehbar halten, dass der Sachverständige bei sämtlichen Sparverträgen, die zu einem bestimmten Vertragsbeginn abgeschlossen worden seien, zu identischen Nachverzinsungsbeträgen gelangt sei, vielmehr sei von Abweichungen im fünfstelligen Bereich auszugehen, greift dieser Einwand nicht durch. Der Sachverständige hat zutreffend darauf verwiesen, dass seinen Berechnungen keine spezielle Formel, sondern nur die allgemeine Zinsrechnung zugrundeliegt. Die entsprechenden Tabellen hat er vorgelegt. Sie sind weder von der Klägerin noch von den Beklagten konkret beanstandet worden. Angesichts der im Einzelnen nachzuvollziehenden Berechnung wären die Beklagten jedoch gehalten gewesen, entsprechend konkret anzugeben, welcher Fehler der Zinsrechnung zu Grunde liegen sollte. Der lediglich pauschal gehaltene Einwand bietet jedenfalls keinen Anlass, erneut in die Beweisaufnahme einzutreten und den Sachverständigen ergänzend zu hören.
585. Die Zinsansprüche der Klägerin und der Zedenten sind auch nicht um eine - fiktive - Kapitalertragssteuer zu kürzen. Dabei ist es unerheblich, ob die Klägerin und ihre Geschwister Freistellungsaufträge in entsprechender Höhe erteilt haben, da bisher jedenfalls in Höhe der streitgegenständlichen Zinsnachzahlungen kein steuerbares Einkommen zugeflossen ist. Fiktive Steuern, die bei Zahlung höherer Zinsen in zurückliegenden Jahren aufgrund eines anderen Anpassungsverfahrens möglicherweise angefallen wären, sind bisher weder entstanden noch von den Beklagten aus den Sparguthaben tatsächlich an die Finanzbehörden abgeführt worden, konnten mithin während der nachfolgenden Zinsperioden das zu verzinsende Kapital nicht mindern und beeinflussen damit das bei Beendigung der Sparverträge bestehende Guthaben nicht (vgl. BGH a.a.O. Tz. 18, 19).
596. Der Ausspruch hinsichtlich der Verzugszinsen ist gemäß den §§ 288 Abs. 1, 286 BGB gerechtfertigt. Nach § 286 Abs. 2 BGB bedurfte es keiner Mahnung, da die Beklagten unter anderem mit Schreiben vom 22.4.2005 weitergehende Zahlungen ernsthaft und endgültig abgelehnt haben.
60Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
61Die vorstehende Würdigung des Streitstoffes bietet keinen Grund zu einer Revisionszulassung gemäß § 543 Abs. 2 ZPO.
62Streitwert der Berufung: 76.511,19 €
63(hinsichtlich der Beklagten zu 1): 38.698,62 €)
64(hinsichtlich der Beklagten zu 2): 37.812,57 €).

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(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
(1) Werden vertretbare Sachen in der Art hinterlegt, dass das Eigentum auf den Verwahrer übergehen und dieser verpflichtet sein soll, Sachen von gleicher Art, Güte und Menge zurückzugewähren, so finden bei Geld die Vorschriften über den Darlehensvertrag, bei anderen Sachen die Vorschriften über den Sachdarlehensvertrag Anwendung. Gestattet der Hinterleger dem Verwahrer, hinterlegte vertretbare Sachen zu verbrauchen, so finden bei Geld die Vorschriften über den Darlehensvertrag, bei anderen Sachen die Vorschriften über den Sachdarlehensvertrag von dem Zeitpunkt an Anwendung, in welchem der Verwahrer sich die Sachen aneignet. In beiden Fällen bestimmen sich jedoch Zeit und Ort der Rückgabe im Zweifel nach den Vorschriften über den Verwahrungsvertrag.
(2) Bei der Hinterlegung von Wertpapieren ist eine Vereinbarung der im Absatz 1 bezeichneten Art nur gültig, wenn sie ausdrücklich getroffen wird.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.