Hanseatisches Oberlandesgericht Urteil, 02. Okt. 2014 - 3 U 17/13

bei uns veröffentlicht am02.10.2014

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 27, vom 29.11.2012 (327 O 459/12) wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin wegen irreführender Arzneimittelwerbung für das Präparat Filgrastim H. auf Unterlassung in Anspruch.

2

Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich des Vertriebs von Medikamenten. Die Antragstellerin vertreibt das Produkt N. mit dem Wirkstoff Filgrastim; hierbei handelt es sich um ein Medikament, welches gegen einen Mangel an weißen Blutkörperchen (Neutropenie) wirken soll. Eine Neutropenie tritt häufig als Nebenwirkung einer Chemotherapie auf (sog. Chemotherapie-induzierte Neutropenie).

3

Die Antragsgegnerin vertreibt das Produkt Filgrastim H., ein sog. Biosimilar des Referenzarzneimittels N.. Bei einem Biosimilar handelt es sich um ein Generikum eines nicht mehr patentgeschützten, nicht durch chemische Synthese, sondern biotechnologisch hergestellten rekombinanten Originalarzneimittels. Anders als im Falle chemisch produzierter Generika ist die Erstellung einer chemisch identischen Kopie eines rekombinanten Arzneimittels hier nicht möglich, weil es sich hierbei um hochkomplexe dreidimensionale Proteine handelt, die aus biologischem Material isoliert oder gentechnisch mit Hilfe von lebenden Zellen produziert werden.

4

In dem als Anlage Ast 8 eingereichten „Europäischen Öffentlichen Beurteilungsbericht (EPAR)“ der European Medicines Agency (EMA) heißt es, dass der Antragsgegnerin am 6.2.2009 eine Genehmigung für das Inverkehrbringen von Filgrastim H. in der Europäischen Union erteilt worden sei. In dem Bericht wird zu der Frage „Wie wurde Filgrastim H.“ untersucht?" ausgeführt:

5

„Die Studien mit Filgrastim H. dienten der Erbringung des Nachweises, dass es mit dem Referenzarzneimittel N. vergleichbar ist. In vier Studien wurden bei insgesamt 146 gesunden Freiwilligen, die Filgrastim H. oder N. erhielten, die Konzentrationen von Neutrophilen im Blut untersucht. Die Studien untersuchten die Wirkungen der einmaligen und wiederholten Verabreichung verschiedener Dosen der Arzneimittel, entweder unter die Haut injiziert oder als Infusion in eine Vene verabreicht. Der Hauptindikator war bei diesen Studien die Neutrophilenzahl im Verlauf der ersten zehn Tage der Behandlung.“

6

Weiter heißt es in dem Bericht zu der Frage: „Warum wurde Filgrastim H. zugelassen?“

7

„Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) gelangte zu dem Schluss, dass für Filgrastim H. gemäß den Anforderungen der Europäischen Union der Nachweis erbracht wurde, dass das Arzneimittel ein mit N. vergleichbares Qualitäts-, Sicherheits- und Wirksamkeitsprofil aufweist. Der CHMP war daher der Ansicht, dass wie bei N. die Vorteile gegenüber den festgestellten Risiken überwiegen und empfahl, die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Filgrastim H. zu erteilen.“

8

In der als Anlage AST 7 eingereichten Information der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft heißt es unter „Klinische Studien“ zu Filgrastim H. und Z., einem anderen Biosimilar:

9

„Eine klinische Wirksamkeitsstudie im Vergleich zu dem Referenzarzneimittel wurde im Zulassungsverfahren nicht gefordert. Es liegen klinisch-pharmakologische Studien an gesunden Probanden mit Beleg der pharmakokinetischen (Bio)äquivalenz (2 Studien) und weitere 2 Studien zum Beleg der pharmakodynamischen Äquivalenz vor. Filgrastim H. und Z. führten bei gesunden Probanden zu vergleichbaren Anstiegen der Neutrophilenzahl im Blut wie N.. Die Sicherheit der Anwendung bei Patienten wurde bei 170 Brustkrebspatientinnen, von denen 154 vier Chemotherapiezyklen erhielten, gezeigt.“

10

Die Antragsgegnerin warb für Filgrastim H. mit dem in Kopie als Anlage Ast 3 eingereichten Folder, in welchem es auf S. 2 u.a. heißt:

11

„Filgrastim H.®: vergleichbar in Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit mit dem Referenzprodukt“.

12

Hinter dem Wort „Referenzprodukt“ verweist die hochgestellte Zahl 4 auf eine auf der letzten Seite des Folders unter dem Punkt „Referenzen“ abgedruckten Fußnotenvermerk. Darin heißt es: „Gascon P et al Ann Oncal 2010 21 1419-1429“

13

Ferner schaltete die Beklagte in der Zeitschrift Onkologie die in der Anlage ASt 4 wiedergegebene Anzeige in der Zeitschrift „Onkologie“, in der es u.a. heißt:

14

„Wirksamkeit und Sicherheit vergleichbar mit Referenzprodukt“.

15

Hinter dem Wort „Referenzprodukt“ verweist die hochgestellte Zahl 2 auf einen unterhalb der fettgedruckten Werbeaussagen abgedruckten Fußnotenvermerk, in dem es heißt „Gascon P et al Ann Oncal 2010; 21 1419-1429“.

16

Nachfolgend beantragte die Antragstellerin, die verschiedene Angaben in der Anzeige und dem Folder für irreführend hielt, beim Landgericht Hamburg den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Nachdem die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 29.8.2012 ihre zu Ziffer I.4., 5., 6. und 7 gestellten Verfügungsanträge zurückgenommen hatte, verbot das Landgericht Hamburg, ZK 27, mit Beschluss vom 30.8.2012 (Bl. 24f.) der Antragsgegnerin,

17

das Arzneimittel Filgrastim H.® mit den folgenden Aussagen zu bewerben und/oder bewerben zu lassen:

18

1. „Schutz und Kontrolle

19

Von Anfang an zur Prophylaxe der Chemotherapie-induzierten Neutropenie“

20

und/oder

21

2. „Filgrastim H.® zur Vermeidung der Chemotherapie-induzierten Neutropenie“

22

und/oder

23

3. „Schutz und Kontrolle

24

Von Anfang an zur Prophylaxe der febrilen Neutropenie“

25

und/oder

26

4.-7. …

27

8. „3 Tage (72 Stunden) vs. keine (0 Stunden) einmalige Lagerung außerhalb des Kühlschranks möglich“

28

und/oder

29

9. „72 Stunden = 3 Tage einmalige Lagerung außerhalb des Kühlschranks möglich“

30

und/oder

31

10. „Wirksamkeit und Sicherheit vergleichbar mit Referenzprodukt“

32

und/oder

33

11. „Filgrastim H.®: Vergleichbar in Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit mit dem Referenzprodukt“

34

und zwar die Punkte 1, 2, 8, 9 und 11 wie im beigefügten Folder und die Punkte 3 und 10 wie in der beigefügten Anzeige geschehen.

35

Gegen diese einstweilige Verfügung wendete sich die Antragsgegnerin mit ihrem Widerspruch vom 8. Oktober 2012.

36

Zur Begründung hat die Antragsgegnerin (zu den im Berufungsverfahren allein noch streitgegenständlichen Verboten gemäß Ziff. 10 und 11 der Beschlussverfügung) vorgetragen:

37

Die Aussagen seien weder irreführend noch handele es sich um eine Selbstverständlichkeit.

38

Durch die gesetzliche Regelung in § 24 Abs. 5 AMG und die Vorgaben in der Guideline „Similar Biological Medicinal Products containing biotechnology-derived proteins as active substance:Non-clinical and clinical issues“ (Anlage AG 7) sei sichergestellt, dass ein von der EMA zugelassenes Biosimilar in Bezug auf Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit mit dem Referenzprodukt vergleichbar sei. Unabhängig von der Klarheit dieser Vorgaben herrsche jedoch gerade bei Ärzten noch große Unsicherheit. Diese begründe sich nicht zuletzt aus dem mangelnden Wissen zu Biosimilars. Eine erst 2010 durchgeführte Umfrage der Gesellschaft für Markt und Sozialforschung (GMS) habe ergeben, dass 2/3 der Gesundheitspolitiker, Kostenträger und Leistungserbringer im deutschen Gesundheitswesen wenig oder nichts über Biosimilars wisse. Zudem würden durch kritische Äußerungen der Originatorfirmen und ihrer Interessensverbände Unsicherheiten geschürt. Dabei würden Unterschiede zwischen Referenzprodukt und Biosimilar hervorgehoben und zum Teil sogar Falschinformationen gestreut. Verursacht durch derartige Maßnahmen stünden selbst einige Fachgesellschaften den Biosimilars kritisch gegenüber und rieten teilweise sogar von deren Gebrauch ab. Das fehlende Vertrauen in Biosimilars sei somit ein bekanntes und grundsätzliches Problem. Aus diesem Grund sei eine fortlaufende Aufklärung von Ärzten, Apothekern und Patienten von großer Bedeutung. Der Hinweis, dass die Wirksamkeit und Sicherheit vergleichbar sei, sei das probate Mittel, um die notwendige Aufklärungsarbeit zu leisten. Die Intention des Hinweises sei es daher nicht, einen (nicht existenten) Vorsprung vor der Konkurrenz zu suggerieren. Vielmehr diene die Aussage allein der erforderlichen sachgemäßen Aufklärung der Ärzteschaft vor dem Hintergrund, dass die zulassungstechnischen Einzelheiten den Fachkreisen nicht, jedenfalls aber nicht hinreichend bekannt seien und davon auszugehen sei, dass Unternehmen wie die Antragstellerin die Unkenntnis und Zweifel nicht beseitigen, sondern ausnutzen würden.

39

Die Antragsgegnerin hat beantragt:

40

die einstweilige Verfügung vom 30.08.2012 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag kostenpflichtig zurückzuweisen.

41

Die Antragstellerin hat beantragt,

42

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

43

Die Antragstellerin hat vorgetragen, die Aussagen zu Ziff. 10 und 11 seien zum Teil irreführend, zum Teil handele es sich um die Werbung mit einer Selbstverständlichkeit. Da die Vergleichbarkeit mit dem Referenzarzneimittel Zulassungsvoraussetzung sei, handele es sich um eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Soweit die in diesem Zusammenhang herausgestellte Wirksamkeit betroffen sei, sei die Aussage darüber hinaus irreführend, weil keinerlei Wirksamkeitsstudien im Vergleich zum Referenzarzneimittel durchgeführt worden seien. Der Aussagewert der durchgeführten klinisch-pharmakologische Studien an gesunden Probanden sei naturgemäß begrenzt.

44

Mit Urteil vom 29.11.2012 hat das Landgericht die einstweilige Verfügung vom 30.8.2012 bestätigt und der Antragsgegnerin die weiteren Kosten des Verfahrens auferlegt. Auf das Urteil des Landgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

45

Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung wendet sich die Antragsgegnerin gegen die in Ziff. 10 und Ziff. 11 der einstweiligen Verfügung vom 30.08.2012 ausgesprochenen Verbote. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend macht sie geltend:

46

Sie bewerbe ihr Biosimilar so, wie es die regulatorischen Anforderungen gemäß § 24b AMG für die Erteilung der Zulassung erforderten, nämlich mit der Vergleichbarkeit mit dem Referenzprodukt. Die Zulassung als Biosimilar erfordere nicht, dass die Sicherheit und Wirksamkeit des Präparates durch Head-to-Head-Studien zur Nichtunterlegenheit bzw. zur Vergleichbarkeit belegt sei. Bereits aus dem Namens der streitgegenständlichen Arzneimittelgruppe ergebe sich die Vergleichbarkeit („similar“ = „ähnlich“). Auch im Deutschen bedeute „ähnlich“ nichts anderes als „vergleichbar“. Die Zulassungsbehörde EMA habe im Zulassungsverfahren ausdrücklich geprüft und festgestellt, dass Filgrastim H. mit dem Referenzprodukt vergleichbar sei.

47

Der informierte und aufmerksame Durchschnittsverbraucher verstehe die streitgegenständlichen Auslobungen zur Vergleichbarkeit in der Bedeutung, wie sie im Duden charakterisiert sei, nämlich mit der Bedeutung „ähnlich“. Ein vergleichbares Produkt sei gerade nicht gleich und daher letztlich beliebig austauschbar, sondern nur in bestimmten Merkmalen übereinstimmend.

48

Der vom Landgericht geforderte wissenschaftliche Beleg der Vergleichbarkeit in Form eines Nachweises anhand klinischer Studien stelle eine verfassungswidrige Auslegung der gesetzlichen Anforderungen dar. In der produktspezifischen EU-Guideline (Anlage AG 7) sei ausdrücklich festgehalten, dass für den Nachweis der Vergleichbarkeit keine Head-to-Head-Studie im Sinne einer vergleichenden Phase III bei Patienten notwendig sei, sondern dass beispielsweise eine pharmakodynamische Studie mit gesunden Probanden durchgeführt werden könne. Sie habe den Vergleichbarkeitsnachweis geführt, andernfalls hätte sie die Zulassung nicht erlangt. Dass das Landgericht in werberechtlicher Hinsicht strengere Anforderungen gestellt habe, als dies in regulatorischer Hinsicht erforderlich sei, führe zu einem Wertungswiderspruch.

49

Die Entscheidung des LG stelle schwerpunktmäßig einen Eingriff in die Verwendung eines von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Vermögensgutes dar, nämlich die Vermarktung des Arzneimittels unter Auslobung seiner gemäß Zulassungserteilung bestätigten Vergleichbarkeit zum Referenzprodukt. Gleichermaßen führe die vom Landgericht vorgenommene Auslegung zu einer durch nichts gedeckten Beschränkung ihrer Berufsausübung.

50

Die Antragstellerin beantragt,

51

die einstweilige Verfügung vom 30.08.2012 in Bezug auf Ziffer I Nr. 10 und Nr. 11 des Tenors aufzuheben, dementsprechend das Urteil v. 29.11.2012 abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung insoweit abzuweisen.

52

Die Antragstellerin beantragt,

53

die Berufung der Antragsgegnerin zurückzuweisen und die einstweilige Verfügung, soweit Berufung eingelegt wurde, zu bestätigen.

54

Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend macht sie geltend:

55

Das Urteil des Landgerichts sei zutreffend. Die Zulassung als Biosimilar verschaffe den beanstandeten Aussagen nicht die nach dem Strengeprinzip zu verlangende wissenschaftliche Grundlage. In der Werbung werde die Vergleichbarkeit in Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität herausgestellt. Die Fachkreise erwarteten, dass Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität anhand von wissenschaftlich validen Daten ermittelt worden seien. Eine Einschränkung darauf, dass die werbliche Aussage lediglich auf die Entscheidung im Zulassungsverfahren und die dort erfolgte Prüfung gestützt werde, erfolge nicht.

56

Nur weil ein Produkt als Biosimilar vermarktet werden dürfe, sei die klinische Vergleichbarkeit der Sicherheit und Wirksamkeit nicht erwiesen. Die Entscheidung der Zulassungsbehörden beziehe sich lediglich auf den normativen Zulassungstatbestand der „Ähnlichkeit“. Soweit man davon ausgehe, dass die Fachkreise die Werbeaussage lediglich auf die Erfüllung dieses normativen Tatbestandes bezögen, handele es sich um eine Werbung mit einer Selbstverständlichkeit. Es sei aber überwiegend wahrscheinlich, dass das Verkehrsverständnis der Fachkreise dahin gehe, dass Filgrastim H. nicht im rein normativen, sondern im klassischen - klinischen - Sinne vergleichbar sei. Schließlich verweise auch die Antragsgegnerin darauf, dass die Fachkreise nicht mit den zulassungsrechtlichen Einzelheiten von Biosimilars vertraut seien. Da Filgrastim H. aber lediglich an gesunden Probanden getestet worden sei, fehle es an der wissenschaftlichen Absicherung der werblichen Äußerungen. Referenzarzneimittel und Biosimilar seien auch nicht identisch, so dass hinsichtlich der Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität Abweichungen möglich seien.

57

Die Irreführung sei auch nicht aufgrund eines erhöhten Aufklärungsbedarfes „gerechtfertigt“, weil es sich bei der irreführenden Werbung nicht um das probate Mittel handele, wichtige Informationen zu vermitteln.

58

Auch das Argument der Antragsgegnerin, dass sie ihr Medikament so bewerbe, wie es die regulatorischen Anforderungen für die Zulassung erforderten, greife nicht durch. Es bestehe keine Pflicht, mit der Vergleichbarkeit zu werben. Auch werde durch die an den Aussagen angebrachten Fußnoten in Anspruch genommen, dass die Vergleichbarkeit in einer klinischen Studie festgestellt worden sei.

59

Ein Verstoß gegen Grundrechte liege nicht vor. Auch entfalte die Zulassungsentscheidung der EMA keine Bindungswirkung für die wettbewerbsrechtliche Entscheidung über die Zulässigkeit der werblichen Anpreisung.

60

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien und der von ihnen überreichten Anlagen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

II.

61

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist unbegründet. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 3 HWG zu.

62

1. Gegenstand der Berufung ist das vom Landgericht ausgesprochene Verbot,

63

- für das Medikament Filgrastim H. zu werben

- mit den Aussagen

„Wirksamkeit und Sicherheit vergleichbar mit Referenzprodukt

und/oder

„FilgrastimH.®: Vergleichbar in Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit mit dem Referenzprodukt“

- wie im beigefügten Folder (Punkt 11) bzw. in der beigefügten Anzeige (Punkt 10) geschehen.

64

Mithin geht es um auf die konkrete Verletzungsform bezogene Verbote.

65

2. Der Antrag ist zulässig, insbesondere besteht ein Verfügungsgrund. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG ist nicht widerlegt.

66

3. Die Antragstellerin hat gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 5, 8 UWG i.V.m. § 3 HWG Anspruch auf Unterlassung der angegriffenen Angaben im Kontext der konkreten Verletzungsform, weil die darin getroffene Aussage, dass Filgrastim H. hinsichtlich der Wirksamkeit mit dem Referenzarzneimittel N. vergleichbar sei, irreführend gemäß § 3 HWG ist.

67

a. Zur Verkehrsauffassung lässt sich dem erstinstanzlichen Vortrag der Antragstellerin die Behauptung entnehmen, die beanstandeten Aussagen würden von den angesprochenen Ärzten dahingehen verstanden, dass zur „Wirksamkeit“ des Produktes klinische Wirksamkeitsstudien im Vergleich zu dem Referenzarzneimittel durchgeführt worden seien, und nicht lediglich klinisch-pharmakologische Studien. Soweit die Antragstellerin mit der Berufungserwiderung ergänzend behauptet, dass die Fachkreise angesichts dieser Werbeaussagen auch erwarteten, dass „Sicherheit“ und „Qualität“ anhand von wissenschaftlich validen Daten ermittelt worden seien, erfolgt dies in dringlichkeitsschädlicher Weise. Auf die Werbeangaben zur „Sicherheit“ und „Qualität“ bezogene Fehlvorstellungen hat die Antragstellerin mit der Antragsschrift nicht vorgetragen.

68

b. Das von der Antragstellerin in erster Instanz vorgetragene Verkehrsverständnis trifft insoweit zu, als die angegriffenen Aussagen von den angesprochenen Ärzten jedenfalls aufgrund der Fußnotenvermerke so verstanden werden, dass eine mit N. vergleichbare Wirksamkeit von Filgrastim H. durch klinische Wirksamkeitsstudien nachgewiesen sei. Insoweit ist unschädlich, dass die Antragstellerin erst in der Berufungsinstanz geltend macht, dass die Antragstellerin im Zusammenhang mit den angegriffenen Aussagen die Arbeit von Gascon et al. zitiere. Da die Antragstellerin im Kontext der konkreten Verletzungsform geltend gemacht hat, die beanstandeten Aussagen würden von den angesprochenen Ärzten dahingehen verstanden, dass zur Wirksamkeit des Produktes klinische Wirksamkeitsstudien erstellt worden seien, waren die Fußnotenvermerke von Anfang an Gegenstand des Angriffs und sind daher bei der Prüfung, ob das von der Antragstellerin vorgetragene Verkehrsverständnis der beiden streitgegenständlichen Werbeaussagen zutrifft, zu berücksichtigen.

69

Maßgeblich ist das Verkehrsverständnis des situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten und vernünftigen Arztes, der die Werbung wahrnimmt. Das Verständnis dieses Verkehrskreises vermögen die Mitglieder des Senats selbst zu beurteilen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist die Beurteilung des Verkehrsverständnisses von Ärzten durch die Mitglieder des Gerichts jedenfalls dann möglich, wenn der Erkenntnisstand der Wissenschaft im Hinblick auf den maßgebenden Sachverhalt vorgetragen wurde und außerdem kein Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass ein Arzt die deutsche Sprache anders verstehen könnte als jemand, der ebenfalls ein wissenschaftliches Studium absolviert hat (Senat, Urteile v. 2.7.2009, 3 U 151/08, zit. n. juris und v. 21.12.2006, Az. 3 U 77/06, PharmaR 2007, 204).

70

Davon ausgehend ist der Senat der Überzeugung, dass die Angabe, Filgrastim H. sei hinsichtlich der Wirksamkeit vergleichbar mit dem Referenzprodukt, beim Fachverkehr zu der Vorstellung führt, dass klinische Studien durchgeführt worden seien, welche eine mit N. vergleichbare Wirksamkeit von Filgrastim H. ergeben hätten. Dies wird jedenfalls dadurch suggeriert, dass die beanstandeten Werbeaussagen jeweils auf Fußnoten verweisen und dass in den Fußnotenvermerken die Veröffentlichung der Studie „Gascon P et al.“ benannt wird.

71

Die Erwartungshaltung des Verkehrs geht hinsichtlich des Wirkungsbezugs einer Angabe in der Regel dahin, dass die Wirkungsangabe wissenschaftlich abgesichert sei (Senat, Urteil v. 4.7.2013, 3 U 161/11, MDR 2013, 1113; Riegger, Heilmittelwerberecht, Kap. 3 Rn. 25, 33). Nimmt die Werbung mit einer wirkungsbezogenen Angabe Bezug auf wissenschaftliche Studien, so geht der Arzt davon aus, dass es sich um lege artis durchgeführte klinische Studien handelt, die den werblich herausgestellten Aspekt bewiesen haben und dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechen (Senat, PharmR 2007, 290). Davon ausgehen erwartet der Fachverkehr jedenfalls dann, wenn - wie hier - im Zusammenhang mit der Aussage, dass das Arzneimittel eine vergleichbare Wirksamkeit habe wie das Referenzprodukt, zu dem vor seiner Zulassung klinische Wirksamkeitsstudien erstellt worden sind, in einem Fußnotenvermerk auf eine wissenschaftliche Studie Bezug genommen wird, dass es sich hierbei um eine klinische Wirksamkeitsstudie handelt.

72

Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass es sich bei dem Präparat um ein Biosimilar handelt. Der Fachverkehr rechnet auch bei einem Biosimilar angesichts einer derartigen Wirkungsaussage nicht damit, dass aufgrund des vereinfachten Zulassungsverfahrens keine klinischen Wirksamkeitsstudien durchgeführt worden sind. Die Antragsgegnerin selbst trägt vor, dass der Fachverkehr die Einzelheiten des Zulassungsverfahrens nicht - bzw. nicht genau - kenne. Bereits dies spricht gegen die Annahme, der Fachverkehr habe bei einem Biosimilar geringere Erwartungen bezüglich der einer Wirksamkeitsbehauptung zu Grunde liegenden wissenschaftlichen Nachweise. Selbst wenn aber dem Fachverkehr der regulatorische Rahmen bekannt wäre, würde er bei einem Biosimilar nicht davon ausgehen, dass im Rahmen des Zulassungsverfahrens keine klinischen Wirksamkeitsstudien durchgeführt worden sind. Zwar hat der europäische Normgeber die Zulassung von Biosimilars in der Weise privilegiert, dass der Antragsteller durch die Bezugnahme auf das Referenzarzneimittel vom Nachweis bestimmter, bei Zulassung eines Originalarzneimittels erforderlicher Daten entbunden werden kann. Nach § 24 b) Abs. 5 AMG sowie Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG sind für die Zulassung eines biologischen Arzneimittels, das einem biologischen Referenzarzneimittel ähnlich ist und für Generika geltenden Anforderungen nicht erfüllt, weil Unterschiede bezüglich der Ausgangsstoffe oder des Herstellungsprozesses bestehen, die Ergebnisse geeigneter vorklinischer oder klinischer Versuche hinsichtlich dieser Abweichungen vorzulegen. Hinsichtlich der Art und Anzahl der zusätzlich vorzulegenden Daten verweist Art. 10 Abs. 4 auf den durch die Richtlinie 2003/63/EG neu gefassten Anhang I der Richtlinie, in dessen Teil II unter Ziff. 4 geregelt ist, dass zusätzliche Daten hinsichtlich des toxikologischen und klinischen Profils vorzulegen sind, nicht aber das volle, in den Modulen 4 und 5 des Annexes I, Teil I der RL 2001/83 vorgesehene Programm an präklinischen und klinischen Studien. Die Einzelheiten regelt die als Anlage AG 7 eingereichte EMA-Guideline. Darin heißt es u.a.

73

“Comparable clinical efficacy and safety has to be demonstrated. The principles for this exercise are laid down in this guideline.”

74

„An appropriate comparability exercise will be required to demonstrate that the similar biological and reference medicinal products have similar profiles in terms of quality, safety and efficacy.”

75

“The clinical comparability exercise is a stepwise procedure that should begin with pharmacokinetic (PK) and pharmacodynamic (PD) studies followed by clinical efficacy and safety trial(s) or, in certain cases, pharmacokinetic/pharmacodynamic (PK / PD) studies for demonstrating clinical comparability.”

76

“Normally comparative clinical trials are required for the demonstration of clinical comparability. In certain cases, however comparative PK/PD studies between the similar biological medicinal product and the reference medicinal product may be sufficient to demonstrate clinical comparability, provided that all the following conditions are met (…)”

77

Danach aber sind Art und Anzahl der vom Antragsteller im Rahmen eines Biosimilar-Zulassungsverfahrens vorzulegenden wissenschaftlichen Nachweise je nach Präparat sehr unterschiedlich; auch klinische Studien können für eine Biosimilar-Zulassung erforderlich sein (Rehmann, AMG, 3. Auflage, § 24b Rn. 9). Angesichts dieses regulatorischen Rahmens verknüpft der Fachverkehr mit dem Begriff „Biosimilar“ nicht schon die Vorstellung, dass im Rahmen des Zulassungsverfahrens keine klinischen Wirksamkeitsstudien durchgeführt worden seien.

78

c. Bei Zugrundelegung des von der Antragstellerin zutreffend angenommenen Verkehrsverständnisses erweisen sich streitgegenständlichen Angaben der Antragsgegnerin zu der vergleichbaren Wirksamkeit als irreführend, weil der Feststellung zu der vergleichbaren Wirksamkeit durch die EMA unstreitig keine klinische Wirksamkeitsstudie zu Grunde lag. Vielmehr sind lediglich klinisch-pharmakologische Studien an gesunden Probanden durchgeführt worden.

79

Insoweit kann die Antragsgegnerin auch aus der von ihr zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes „Basisinsulin mit Gewichtsvorteil“ (Urteil v. 6.2.2013, I ZR 62/11, n. juris) nichts für sich herleiten. In dieser Entscheidung heißt es, dass im Hinblick auf Angaben, die der Zulassung des Arzneimittels wörtlich oder sinngemäß entsprechen, regelmäßig davon auszugehen sei, dass sie im Zeitpunkt der Zulassung dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprächen. Vorliegend geht es jedoch nicht um die Frage, ob die Wirkungsangabe dem Stand der Wissenschaft entspricht. Vielmehr ergibt sich die Irreführung daraus, dass der Fachverkehr die streitgegenständlichen Werbeaussagen dahingehend versteht, dass die Angabe bezüglich der vergleichbaren Wirksamkeit durch eine klinische Wirksamkeitsstudie belegt sei.

80

Der Feststellung, dass die Werbung irreführend ist, steht die Zulassungsentscheidung der EMA, in deren Rahmen diese zu dem Ergebnis kam, dass Filgrastim H. eine vergleichbare Wirksamkeit aufweise, nicht entgegen, da die Antragstellerin sich gegen die Art und Weise der Bewerbung richtet. Die Zulassung der EMA bezieht sich allein auf das Inverkehrbringen des Arzneimittels, trifft aber keine Aussage für die Bewerbung des zugelassenen Produkts (Senat, Urteil v. 2.7.2009, 3 U 151/08, n. juris). Dementsprechend stellt das Verbot, mit irreführenden Werbeaussagen für ein zugelassenes Arzneimittel zu werben, auch keine Verletzung der Eigentumsgarantie oder der Berufsfreiheit des Werbenden dar.

81

Die Berufung der Antragsgegnerin ist danach zurückzuweisen.

82

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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(1) Den nach § 22 Absatz 1 Nummer 15, Absatz 2 und 3 erforderlichen Unterlagen sind Gutachten von Sachverständigen beizufügen, in denen die Kontrollmethoden und die Prüfungsergebnisse zusammengefasst und bewertet werden. Im Einzelnen muss aus den Gut

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(1) Den nach § 22 Absatz 1 Nummer 15, Absatz 2 und 3 erforderlichen Unterlagen sind Gutachten von Sachverständigen beizufügen, in denen die Kontrollmethoden und die Prüfungsergebnisse zusammengefasst und bewertet werden. Im Einzelnen muss aus den Gutachten insbesondere hervorgehen:

1.
aus dem analytischen Gutachten, ob das Arzneimittel die nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln angemessene Qualität aufweist, ob die vorgeschlagenen Kontrollmethoden dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen und zur Beurteilung der Qualität geeignet sind,
2.
aus dem pharmakologisch-toxikologischen Gutachten, welche toxischen Wirkungen und welche pharmakologischen Eigenschaften das Arzneimittel hat,
3.
aus dem klinischen Gutachten, ob das Arzneimittel bei den angegebenen Anwendungsgebieten angemessen wirksam ist, ob es verträglich ist, ob die vorgesehene Dosierung zweckmäßig ist und welche Gegenanzeigen und Nebenwirkungen bestehen.

(2) Soweit wissenschaftliches Erkenntnismaterial nach § 22 Absatz 3 vorgelegt wird, muss aus den Gutachten hervorgehen, dass das wissenschaftliche Erkenntnismaterial in sinngemäßer Anwendung der Arzneimittelprüfrichtlinien erarbeitet wurde.

(3) Den Gutachten müssen Angaben über den Namen, die Ausbildung und die Berufstätigkeit der Sachverständigen sowie seine berufliche Beziehung zum Antragsteller beigefügt werden. Die Sachverständigen haben mit Unterschrift unter Angabe des Datums zu bestätigen, dass das Gutachten von ihnen erstellt worden ist.

(1) Bei einem Generikum im Sinne des Absatzes 2 kann ohne Zustimmung des Vorantragstellers auf die Unterlagen nach § 22 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 einschließlich der Sachverständigengutachten nach § 24 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 und 3 des Arzneimittels des Vorantragstellers (Referenzarzneimittel) Bezug genommen werden, sofern das Referenzarzneimittel seit mindestens acht Jahren zugelassen ist oder vor mindestens acht Jahren zugelassen wurde; dies gilt auch für eine Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Ein Generikum, das gemäß dieser Bestimmung zugelassen wurde, darf frühestens nach Ablauf von zehn Jahren nach Erteilung der ersten Genehmigung für das Referenzarzneimittel in den Verkehr gebracht werden. Der in Satz 2 genannte Zeitraum wird auf höchstens elf Jahre verlängert, wenn der Inhaber der Zulassung innerhalb von acht Jahren seit der Zulassung die Erweiterung der Zulassung um eines oder mehrere neue Anwendungsgebiete erwirkt, die bei der wissenschaftlichen Bewertung vor ihrer Zulassung durch die zuständige Bundesoberbehörde als von bedeutendem klinischem Nutzen im Vergleich zu bestehenden Therapien beurteilt werden.

(2) Die Zulassung als Generikum nach Absatz 1 erfordert, dass das betreffende Arzneimittel die gleiche Zusammensetzung der Wirkstoffe nach Art und Menge und die gleiche Darreichungsform wie das Referenzarzneimittel aufweist und die Bioäquivalenz durch Bioverfügbarkeitsstudien nachgewiesen wurde. Die verschiedenen Salze, Ester, Ether, Isomere, Mischungen von Isomeren, Komplexe oder Derivate eines Wirkstoffes gelten als ein und derselbe Wirkstoff, es sei denn, ihre Eigenschaften unterscheiden sich erheblich hinsichtlich der Unbedenklichkeit oder der Wirksamkeit. In diesem Fall müssen vom Antragsteller ergänzende Unterlagen vorgelegt werden, die die Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit der verschiedenen Salze, Ester, Ether, Isomere, Mischungen von Isomeren, Komplexe oder Derivate des Wirkstoffes belegen. Die verschiedenen oralen Darreichungsformen mit sofortiger Wirkstofffreigabe gelten als ein und dieselbe Darreichungsform. Der Antragsteller ist nicht verpflichtet, Bioverfügbarkeitsstudien vorzulegen, wenn er auf sonstige Weise nachweist, dass das Generikum die nach dem Stand der Wissenschaft für die Bioäquivalenz relevanten Kriterien erfüllt. In den Fällen, in denen das Arzneimittel nicht die Anforderungen eines Generikums erfüllt oder in denen die Bioäquivalenz nicht durch Bioäquivalenzstudien nachgewiesen werden kann oder bei einer Änderung des Wirkstoffes, des Anwendungsgebietes, der Stärke, der Darreichungsform oder des Verabreichungsweges gegenüber dem Referenzarzneimittel sind die Ergebnisse der geeigneten vorklinischen oder klinischen Versuche vorzulegen.

(3) Sofern das Referenzarzneimittel nicht von der zuständigen Bundesoberbehörde, sondern der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaates zugelassen wurde, hat der Antragsteller im Antragsformular den Mitgliedstaat anzugeben, in dem das Referenzarzneimittel genehmigt wurde oder ist. Die zuständige Bundesoberbehörde ersucht in diesem Fall die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaates, binnen eines Monats eine Bestätigung darüber zu übermitteln, dass das Referenzarzneimittel genehmigt ist oder wurde, sowie die vollständige Zusammensetzung des Referenzarzneimittels und andere Unterlagen, sofern diese für die Zulassung des Generikums erforderlich sind. Im Falle der Genehmigung des Referenzarzneimittels durch die Europäische Arzneimittel-Agentur ersucht die zuständige Bundesoberbehörde diese um die in Satz 2 genannten Angaben und Unterlagen.

(4) Sofern die zuständige Behörde eines anderen Mitgliedstaates, in dem ein Antrag eingereicht wird, die zuständige Bundesoberbehörde um Übermittlung der in Absatz 3 Satz 2 genannten Angaben oder Unterlagen ersucht, hat die zuständige Bundesoberbehörde diesem Ersuchen binnen eines Monats zu entsprechen, sofern mindestens acht Jahre nach Erteilung der ersten Genehmigung für das Referenzarzneimittel vergangen sind.

(5) Erfüllt ein biologisches Arzneimittel, das einem biologischen Referenzarzneimittel ähnlich ist, die für Generika geltenden Anforderungen nach Absatz 2 nicht, weil insbesondere die Ausgangsstoffe oder der Herstellungsprozess des biologischen Arzneimittels sich von dem des biologischen Referenzarzneimittels unterscheiden, so sind die Ergebnisse geeigneter vorklinischer oder klinischer Versuche hinsichtlich dieser Abweichungen vorzulegen. Die Art und Anzahl der vorzulegenden zusätzlichen Unterlagen müssen den nach dem Stand der Wissenschaft relevanten Kriterien entsprechen. Die Ergebnisse anderer Versuche aus den Zulassungsunterlagen des Referenzarzneimittels sind nicht vorzulegen.

(6) Zusätzlich zu den Bestimmungen des Absatzes 1 wird, wenn es sich um einen Antrag für ein neues Anwendungsgebiet eines bekannten Wirkstoffes handelt, der seit mindestens zehn Jahren in der Europäischen Union allgemein medizinisch verwendet wird, eine nicht kumulierbare Ausschließlichkeitsfrist von einem Jahr für die Daten gewährt, die auf Grund bedeutender vorklinischer oder klinischer Studien im Zusammenhang mit dem neuen Anwendungsgebiet gewonnen wurden.

(7) (weggefallen)

(8) (weggefallen)

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

Unzulässig ist eine irreführende Werbung. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor,

1.
wenn Arzneimitteln, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben,
2.
wenn fälschlich der Eindruck erweckt wird, daß
a)
ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann,
b)
bei bestimmungsgemäßem oder längerem Gebrauch keine schädlichen Wirkungen eintreten,
c)
die Werbung nicht zu Zwecken des Wettbewerbs veranstaltet wird,
3.
wenn unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben
a)
über die Zusammensetzung oder Beschaffenheit von Arzneimitteln, Gegenständen oder anderen Mitteln oder über die Art und Weise der Verfahren oder Behandlungen oder
b)
über die Person, Vorbildung, Befähigung oder Erfolge des Herstellers, Erfinders oder der für sie tätigen oder tätig gewesenen Personen
gemacht werden.

(1) Zur Sicherung der in diesem Gesetz bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung können einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 der Zivilprozessordnung bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden.

(2) Ist auf Grund dieses Gesetzes Klage auf Unterlassung erhoben worden, so kann das Gericht der obsiegenden Partei die Befugnis zusprechen, das Urteil auf Kosten der unterliegenden Partei öffentlich bekannt zu machen, wenn sie ein berechtigtes Interesse dartut. Art und Umfang der Bekanntmachung werden im Urteil bestimmt. Die Befugnis erlischt, wenn von ihr nicht innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft Gebrauch gemacht worden ist. Der Ausspruch nach Satz 1 ist nicht vorläufig vollstreckbar.

(3) Macht eine Partei in Rechtsstreitigkeiten, in denen durch Klage ein Anspruch aus einem der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird, glaubhaft, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, so kann das Gericht auf ihren Antrag anordnen, dass die Verpflichtung dieser Partei zur Zahlung von Gerichtskosten sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepassten Teil des Streitwerts bemisst. Die Anordnung hat zur Folge, dass

1.
die begünstigte Partei die Gebühren ihres Rechtsanwalts ebenfalls nur nach diesem Teil des Streitwerts zu entrichten hat,
2.
die begünstigte Partei, soweit ihr Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden oder soweit sie diese übernimmt, die von dem Gegner entrichteten Gerichtsgebühren und die Gebühren seines Rechtsanwalts nur nach dem Teil des Streitwerts zu erstatten hat und
3.
der Rechtsanwalt der begünstigten Partei, soweit die außergerichtlichen Kosten dem Gegner auferlegt oder von ihm übernommen werden, seine Gebühren von dem Gegner nach dem für diesen geltenden Streitwert beitreiben kann.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 kann vor der Geschäftsstelle des Gerichts zur Niederschrift erklärt werden. Er ist vor der Verhandlung zur Hauptsache anzubringen. Danach ist er nur zulässig, wenn der angenommene oder festgesetzte Streitwert später durch das Gericht heraufgesetzt wird. Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Gegner zu hören.

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.

(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.

(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

Unzulässig ist eine irreführende Werbung. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor,

1.
wenn Arzneimitteln, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben,
2.
wenn fälschlich der Eindruck erweckt wird, daß
a)
ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann,
b)
bei bestimmungsgemäßem oder längerem Gebrauch keine schädlichen Wirkungen eintreten,
c)
die Werbung nicht zu Zwecken des Wettbewerbs veranstaltet wird,
3.
wenn unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben
a)
über die Zusammensetzung oder Beschaffenheit von Arzneimitteln, Gegenständen oder anderen Mitteln oder über die Art und Weise der Verfahren oder Behandlungen oder
b)
über die Person, Vorbildung, Befähigung oder Erfolge des Herstellers, Erfinders oder der für sie tätigen oder tätig gewesenen Personen
gemacht werden.

Berichtigt durch Beschluss
vom 18. Juli 2013
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 62/11 Verkündet am:
6. Februar 2013
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Basisinsulin mit Gewichtsvorteil

a) Eine Werbung für ein Arzneimittel kann irreführend sein, wenn sie auf Studien
gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen. Ein solcher Verstoß gegen
den Grundsatz der Zitatwahrheit kommt zum einen in Betracht, wenn die
als Beleg angeführte Studie den Anforderungen an einen hinreichenden wissenschaftlichen
Beleg nicht entspricht. Eine Irreführung liegt zum anderen
regelmäßig dann vor, wenn die Studie selbst abweichende Studienergebnisse
nennt, die in der Werbung behaupteten Ergebnisse nicht für bewiesen hält
oder lediglich eine vorsichtige Bewertung der Ergebnisse vornimmt und die
Werbung diese Einschränkungen der Studienaussage nicht mitteilt.

b) Studienergebnisse entsprechen grundsätzlich nur dann den Anforderungen
an einen hinreichenden wissenschaftlichen Beleg, wenn sie nach den anerkannten
Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt
und ausgewertet wurden. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte
, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen
Auswertung vorliegt, die durch die Veröffentlichung in den Diskussionsprozess
der Fachwelt einbezogen worden ist.

c) Ob auch nicht prospektive, sondern nachträglich anhand vorliegender Studiendaten
im Rahmen einer sogenannten Subgruppenanalyse oder im Wege
der Zusammenfassung mehrerer wissenschaftlicher Studien (Metaanalyse)
erstellte Studien eine Werbeaussage tragen können, hängt von den Umständen
des Einzelfalls ab. Voraussetzung hierfür ist in jedem Fall die Einhaltung
der für diese Studien geltenden wissenschaftlichen Regeln. Für die Frage der
Irreführung kommt es ferner darauf an, ob der Verkehr in der Werbung hinreichend
deutlich auf die Besonderheiten der Art, Durchführung oder Auswertung
dieser Studie und gegebenenfalls auf die in der Studie selbst gemachten
Einschränkungen im Hinblick auf die Validität und Bedeutung der gefundenen
Ergebnisse hingewiesen und ihm damit die nur eingeschränkte wissenschaftliche
Aussagekraft der Studie vor Augen geführt wird.

d) Es ist davon auszugehen, dass Angaben, die der Zulassung des Arzneimittels
wörtlich oder sinngemäß entsprechen, regelmäßig dem zum Zeitpunkt
der Zulassung geltenden gesicherten Stand der Wissenschaft entsprechen.
Hinsichtlich solcher Angaben kommt eine Irreführung aber dann in Betracht,
wenn der Kläger darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass neuere, erst
nach dem Zulassungszeitpunkt bekanntgewordene oder der Zulassungsbehörde
bei der Zulassungsentscheidung sonst nicht zugängliche wissenschaftliche
Erkenntnisse vorliegen, die gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit
der durch die Zulassung belegten Aussagen sprechen.
BGH, Urteil vom 6. Februar 2013 - I ZR 62/11 - KG Berlin
LG Berlin
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Dr. Kirchhoff, Dr. Koch und Dr. Löffler

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 22. Februar 2011 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als das Berufungsgericht die Klage mit den Klageanträgen zu 1 a, 1 c, 2 und 3 abgewiesen hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien sind Pharmaunternehmen und vertreiben jeweils Injektionslösungen , die zur Anwendung als Basalinsulin in Kombination mit oralen Antidiabetika als Arzneimittel zur Behandlung von Diabetes mellitus zugelassen sind.
2
Die Klägerin vertreibt seit 2000 das Präparat Lantus®, das den Wirkstoff Insulinglargin enthält. Die Beklagte vertreibt seit 2004 das Arzneimittel Levemir® mit dem Wirkstoff Insulindetemir.
3
Die Klägerin beanstandet mehrere Angaben, in denen die Beklagte in dem nachfolgend wiedergegebenen Werbefaltblatt „Levemir® Gute Einstellung - besseres Profil“, das an Ärzte verteilt wurde, einen Gewichtsvorteil von Levemir ® behauptet hat.
4
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Behauptungen eines Gewichtsvorteils bei der Gabe von Levemir® im Vergleich zur Verabreichung von Insulinglargin seien irreführend. Ein angeblicher Gewichtsvorteil und dessen klinische Relevanz seien nicht hinreichend wissenschaftlich nachgewiesen. Ferner seien die zum Beleg der Behauptung durch Fußnoten in Bezug genommenen Quellen nicht geeignet, die jeweiligen Werbeangaben als wissenschaftlich hinreichend gesicherte Erkenntnis zu stützen. Die Beklagte nehme zudem durch die Behauptung „Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil“ eine tatsächlich nicht gegebene Alleinstellung gegenüber allen anderen Wettbewerbern in Anspruch. Die Graphik „Levemir® im Vergleich zu Insulinglargin“ sei ebenfalls irreführend und außerdem unter dem Gesichtspunkt des unzulässigen herabsetzenden Vergleichs wettbewerbswidrig.
5
Die Klägerin hat beantragt, es der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr die Fertigarzneimittel Levemir ® 100 E/ml Injektionslösung in einer Patrone und/oder Levemir® 100 E/ml Injektionslösung in einem Injektor, vorgefüllt (Wirkstoff jeweils: Insulindetemir) ® 1. mit einem „Gewichtsvorteil“ für Levemir in den Angaben a) … ® 2. Fachinformation Levemir , Februar 2007. 3. Philis-Tsimikas A et al., Clinical Therapeutics 2006; 28: 1569-1581; 20-wöchige multizentrische, offene, randomisierte Studie mit 504 insulinnaiven Patienten mit Typ 2 Diabetes, Insulindetemir vs. NPH-Insulin jeweils in Kombination mit OAD 4. Rosenstock J et al.; Diabetes 2006: 55 (Suppl1): A132; 52-wöchige, internationale, offene randomisierte Studie mit 582 insulinnaiven, OADbehandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, dargestellt sind die Ergebnis- ® se der Patienten, die Levemir 1-mal täglich (104 Patienten) erhalten ha- ben, vs. Insulinglargin 1-mal täglich (252 Patienten) jeweils in Kombination mit OAD, *Data on file bezüglich p-Wert, Patientenzahlen und HbA

1c

® für Levemir (1-mal täglich). 5. Hermansen K et al., Diabetes Care 2006; 29: 1269-1274; 26-wöchige, offene, randomisierte Studie mit 476 insulinnaiven , OAD-behandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, Insulindetemir vs. NPH-Insulin jeweils in Kombination mit OAD; online appendix at http://care.deabetesjournals.org. und/oder ® ®
b) „Levemir Flex-Pen (Insulindetemir)

1

Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil “ … 1. Plank J et al., Diabetes Care 2005; 28: 1107-1112: Zeit-Wirkprofil im Vergleich zu NPH-Insulin. und/oder ® 2-5
c) „Levemir . Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil. “ … ® 2. Fachinformation Levemir , Februar 2007. 3. Philis-Tsimikas A et al., Clinical Therapeutics 2006; 28: 1569-1581; 20-wöchige multizentrische, offene, randomisierte Studie mit 504 insulinnaiven Patienten mit Typ 2 Diabetes, Insulindetemir vs. NPH-Insulin jeweils in Kombination mit OAD. 4. Rosenstock J et al.; Diabetes 2006: 55 (Suppl1): A132; 52-wöchige, internationale, offene, randomisierte Studie mit 582 insulinnaiven, OADbehandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, dargestellt sind die Ergebnis- ® se der Patienten, die Levemir 1-mal täglich (104 Patienten) erhalten haben , vs. Insulinglargin 1-mal täglich (252 Patienten) jeweils in Kombination mit OAD, *Data on file bezüglich p-Wert, Patientenzahlen und HbA

1c

® für Levemir (1-mal täglich). 5. Hermansen K et al., Diabetes Care 2006; 29: 1269-1274; 26-wöchige, offene, randomisierte Studie mit 476 insulinnaiven , OAD-behandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, Insulindetemir vs. NPH-Insulin jeweils in Kombination mit OAD; online appendix at http://care.deabetesjournals.org. und/oder
d) „Gewichtsvorteil?! Das ist prima!“ und/oder 2. mit der nachstehend abgebildeten Grafik ® 4 „Levemir im Vergleich zu Insulinlargin “
… 4. Rosenstock J et al.; Diabetes 2006: 55 (Suppl1): A132; 52-wöchige, internationale , offene, randomisierte Studie mit 582 insulinnaiven, OAD-behandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, dargestellt sind die Ergebnisse der ® Patienten, die Levemir 1-mal täglich (104 Patienten) erhalten haben, vs. Insulinglargin 1-mal täglich (252 Patienten) jeweils in Kombination mit OAD, ® *Data on file bezüglich p-Wert, Patientenzahlen und HbA für Levemir

1c

(1-mal täglich). und/oder ® 3. mit der Angabe „Gewichtsvorteil unter Levemir im Vergleich zu Insulinglar-

4

gin bei vergleichbarer HbA -Senkung “

1c

… 4. Rosenstock J et al.; Diabetes 2006: 55 (Suppl1): A132; 52-wöchige, internationale , offene, randomisierte Studie mit 582 insulinnaiven, OAD-behandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, dargestellt sind die Ergebnisse der ® Patienten, die Levemir 1-mal täglich (104 Patienten) erhalten haben, vs. Insulinglargin 1-mal täglich (252 Patienten) jeweils in Kombination mit OAD, ® *Data on file bezüglich p-Wert, Patientenzahlen und HbA für Levemir

1c

(1-mal täglich) zu bewerben, wenn dies wie in dem als Anlage K 1 vorgelegten vierseitigen ® 1-2 Folder „Levemir . Gute Einstellung - besseres Profil. “ geschieht.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


7
A. Das Berufungsgericht hat eine Irreführung durch die beanstandete Werbung mit einem Gewichtsvorteil verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt :
8
Die Werbung sei nicht deswegen irreführend, weil sie in Fußnoten mit Studien belegt werde, die den beworbenen Umstand des Gewichtsvorteils nicht trügen. Es könne auch nicht angenommen werden, dass die beworbene Angabe nicht durch gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse belegt sei. Die Werbung könne sich vielmehr auf die Inhalte der Arzneimittelzulassung und der Fachinformation stützen. Dies begründe eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der gesicherte Stand der Wissenschaft wiedergegeben sei. Die Klägerin habe diese Vermutung nicht widerlegt.
9
Eine Irreführung ergebe sich auch nicht aus dem Fehlen einer klinischen Relevanz des beworbenen Gewichtsvorteils. Die Behauptung einer solchen Relevanz des Gewichtsvorteils sei der Werbung aus der Sicht der angesprochenen Ärzte nicht zu entnehmen.
10
Die Aussage „Levemir®. Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil“ sei ferner nicht irreführend unter dem Gesichtspunkt einer Alleinstellungsbehauptung. Es fehle an besonderen Umständen, unter denen die Verwendung eines bestimmten Artikels eine Alleinstellung des beworbenen Produkts zum Ausdruck bringe.
11
Der Klägerin stehe auch hinsichtlich der vergleichenden Grafik kein Unterlassungsanspruch zu. Der Umstand, dass die dort dargestellte Gewichtszunahme von 2,25 kg nur bei der Untergruppe von Testpatienten erreicht worden sei, die nur einmal täglich Levemir® erhalten hätten, während bei der zweimal täglich mit Insulindetemir behandelten Gruppe von 55% der Testpersonen eine Gewichtszunahme von 3,7 kg festgestellt worden sei, führe nicht zu einer Irreführung. Der angesprochene Arzt könne der Werbung hinreichend deutlich entnehmen , dass nur die Ergebnisse im Hinblick auf die einmal täglich behandelte Untergruppe dargestellt seien.
12
Die Angabe „Gewichtsvorteil unter Levemir® im Vergleich zu Insulinglargin bei vergleichbarer HbA1c - Senkung“ sei ebenfalls weder irreführend noch unter dem Gesichtspunkt der herabsetzenden vergleichenden Werbung zu beanstanden.
13
B. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben teilweise Erfolg. Die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht die Berufung gegen die Klageabweisung im Hinblick auf die Anträge zu 1 a und c sowie die Anträge zu 2 und 3 für unbegründet erachtet hat, halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand (dazu unter I). Dagegen bleibt die Revision erfolglos, soweit sie sich gegen die Abweisung der Anträge zu 1 b und d richtet (dazu unter II).
14
I. Im Hinblick auf die mit den Anträgen zu 1 a und c sowie mit den Anträgen zu 2 und 3 angegriffene Werbung mit einem Gewichtsvorteil ergibt sich eine Irreführung aus dem Umstand, dass die Beklagte sich insoweit zum Beleg ihrer Behauptung in der Fußnote 4 auf die Veröffentlichung von Rosenstock und anderen gestützt hat, obwohl diese Studie einen Gewichtsvorteil bei der Anwendung von Levemir® im Vergleich zu Insulinglargin nicht hinreichend wissenschaftlich belegt.
15
1. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend , wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware wie etwa Vorteile enthält. Gemäß § 3 HWG liegt eine unzulässige irreführende Werbung insbesondere dann vor, wenn Arzneimitteln Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben. Insoweit sind - wie allgemein bei gesundheitsbezogener Werbung - besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (BGH, Urteil vom 3. Mai 2001 - I ZR 318/90, GRUR 2002, 182, 185 = WRP 2002, 74 - Das Beste jeden Morgen, mwN; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 4 Rn. 1/137; Köhler in Köhler/ Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 4 Rn. 1.243, Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 4.181).
16
Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung generell, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (BGH, Urteil vom 23. Oktober 1970 - I ZR 86/69, GRUR 1971, 153, 155 = NJW 1971, 323 - Tampax; Urteil vom 7. März1991 - I ZR 127/89, GRUR 1991, 848, 849 = NJW-RR 1991, 848 - Rheumalind II; Urteil vom 7. Dezember 2000 - I ZR 260/98, GRUR 2002, 273, 274 = WRP 2001, 1171 - Eusovit; Urteil vom 4. September 2003 - I ZR 32/01, GRUR 2004, 72; OLG Hamburg, PharmaR 2007, 204, 206; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 4.183; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza aaO § 4 Rn. 1/140). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn dem Werbenden jegliche wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse fehlen, die die werbliche Behauptung stützen können (OLG Düsseldorf, MD 2008, 49, 52 f.). Unzulässig ist es außerdem, wenn mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben wird, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen (BGH, GRUR 1991, 848, 849 - Rheumalind II; GRUR 2002, 273, 274 - Eusovit; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 4.183; Fezer/Reinhart, UWG, 2. Aufl., § 4-S 4 Rn. 452).
17
Darüber hinaus kann es irreführend sein, wenn eine Werbeaussage auf Studien gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen (OLG Hamburg, PharmR 2007, 204, 206 mwN; Weidert in Harte/Henning, UWG, 2. Aufl., § 5 Rn. C-172; Fezer/Reinhart aaO § 4-S 4 Rn. 454; vgl. auch Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 4.183). Ein solcher Verstoß gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit kommt zum einen in Betracht, wenn die als Beleg angeführte Studie den vom Verkehr nach den Umständen des Einzelfalls zugrundegelegten Anforderungen an einen hinreichenden wissenschaftlichen Beleg nicht entspricht. Eine Irreführung liegt zum anderen regelmäßig dann vor, wenn die in Bezug genommene Studie selbst Zweifel erkennen lässt, die Werbung indessen diese Einschränkungen nicht wiedergibt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Studie selbst, nicht aber die auf diese Studie bezogene Werbung abweichende Studienergebnisse nennt, wenn die Studie die in der Werbung behaupteten Ergebnisse nicht für bewiesen hält oder wenn sie lediglich eine vorsichtige Bewertung der Ergebnisse vornimmt, die Werbung dieses Ergebnis aber als gesichert darstellt. In diesen Fällen geht es nicht darum, ob die Werbeaussage für sich genommen inhaltlich richtig ist, weil sie gegebenenfalls auf andere Studien gestützt werden könnte. Die Irreführung ergibt sich vielmehr bereits daraus, dass die durch die uneingeschränkt aufgestellte werbliche Behauptung in Bezug genommene Studie selbst die Aussage nicht oder nicht uneingeschränkt trägt und der Arzt in seinem Vertrauen enttäuscht wird, die durch eine Studie angeblich wissenschaftlich belegte Aussage unmittelbar durch diese Studie überprüfen zu können, ohne gewärtigen zu müssen, dass die als Beleg aufgeführte Studie nur teilweise, mittelbar oder nur im Zusammenhang mit anderen, nicht genannten Studien (möglicherweise) valide ist und die Werbebehauptung stützen kann. Dies beeinträchtigt die Sicherheit ärztlicher Therapieentscheidungen auf der Grundlage mit wissenschaftlichen Studien belegter Werbeaussagen und stellt deshalb wegen der besonderen Bedeutung des Schutzgutes der Gesundheit des Einzelnen sowie der Bevölkerung grundsätzlich eine relevante Irreführung dar (vgl. OLG Hamburg, PharmR 2007, 204, 206 mwN; Weidert in Harte/ Henning aaO § 5 Rn. C-172; Fezer/Reinhart aaO § 4-S 4 Rn. 454; vgl. auch EuGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - C-249/09, Rn. 50 - juris).
18
2. Die Revision rügt mit Erfolg, dass der Beleg für den behaupteten Gewichtsvorteil durch die Gabe von Levemir® mit der in Fußnote 4 in Bezug ge- nommene angegebene Rosenstock-Studie den an die Zitatwahrheit zu stellenden Anforderungen nicht genügt.
19
a) Welche Anforderungen an den Nachweis einer gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis zu stellen sind, hängt von den im Wesentlichen tatrichterlich zu würdigenden Umständen des Einzelfalls ab. Dabei sind Studienergebnisse , die in der Werbung oder im Prozess als Beleg einer gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, grundsätzlich nur dann hinreichend aussagekräftig , wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2008 - I ZR 51/06, GRUR 2009, 75 Rn. 26 = WRP 2009, 51 - Priorin, zu Art. 3 der Richtlinie 1999/21/EG über diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke; Beschluss vom 1. Juni 2011 - I ZR 199/09, MD 2011, 583 f.; Urteil vom 15. März 2012 - I ZR 44/11, GRUR 2012, 1164 Rn. 20 = WRP 2012, 1386 - ARTROSTAR, zu § 14b Abs. 1 Satz 2 DiätV; vgl. im Einzelnen auch Riegger, Heilmittelwerberecht, Kap. 3 Rn. 33 ff.).
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Ob auch nicht prospektive, sondern nachträglich anhand vorliegender Studiendaten im Rahmen einer sogenannten Subgruppenanalyse oder im Wege der Zusammenfassung mehrerer wissenschaftlicher Studien (Metaanalyse) erstellte Studien eine Werbeaussage tragen können, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei wird es für die Frage der Irreführung neben der Einhaltung der für diese Studien geltenden wissenschaftlichen Regeln vor allem darauf ankommen, ob der Verkehr in der Werbung hinreichend deutlich auf die Besonderheiten der Art, Durchführung oder Auswertung dieser Studie und gegebenenfalls die in der Studie selbst gemachten Einschränkungen im Hinblick auf die Validität und Bedeutung der gefundenen Ergebnisse hingewiesen und ihm damit die nur eingeschränkte wissenschaftliche Aussagekraft der Studie vor Augen geführt wird (vgl. OLG Hamburg, MD 2007, 1189, 1195; MD 2008, 55, 61; Riegger aaO Kap. 3 Rn. 40 f.). Diesen Anforderungen genügt die durch einen Fußnotenverweis mit der Rosenstock-Studie belegte Werbung der Beklagten nicht.
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b) Mit Erfolg macht die Revision insoweit geltend, die in dieser Studie im Vergleich zu einer einmaligen Gabe von Insulinglargin festgestellte geringere Gewichtszunahme sei nicht wissenschaftlich gesichert, weil dieses Ergebnis nach dem Vortrag der Klägerin nur ein Nebenprodukt der Studie sei. Die Patienten , die nur einmal täglich das Arzneimittel der Beklagten genommen hätten (45%), seien nachträglich zu einer sogenannten Subgruppe zusammengefasst worden, ohne dass für diese nachträglich gebildete Gruppe die allgemein geltenden Bedingungen für eine klinische Studie wie etwa eine Randomisierung eingehalten worden seien. Ferner hat die Klägerin geltend gemacht, die Verfasser der Studie hätten selbst erkannt und auch festgehalten, dass die Studie insoweit keine definitiven Rückschlüsse zulasse. Das Berufungsgericht hat keine abweichenden Feststellungen getroffen, so dass insoweit revisionsrechtlich von der Richtigkeit des Klagevortrags auszugehen ist.
22
c) In der mit den Anträgen zu 1 a und c sowie mit den Anträgen zu 2 und 3 beanstandeten Werbung werden dem Verkehr diese gegen die Aussagekraft der jeweils in der Fußnote 4 in Bezug genommenen Rosenstock-Studie nicht mitgeteilt. Das Berufungsgericht hat auch sonst keine besonderen Umstände festgestellt, die im Streitfall dafür sprechen könnten, dass die von der angegriffenen Werbung angesprochenen Ärzte der als Fußnotenbeleg angegebenen Studie einen lediglich eingeschränkten Aussagegehalt in Bezug auf die statistische Signifikanz oder den von den Studienverfassern selbst ihrer Studie beigemessenen Beweiswert entnehmen.
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Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass - wie noch dargelegt werden wird (dazu unten Rn. 33 ff.) - sowohl in der Zulassung für Levemir® als auch in der entsprechenden Fachinformation die bei der Verabreichung von Levemir® im Vergleich zu Insulinglargin geringere Gewichtszunahme angeführt ist und daher grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass dieser Umstand als hinreichend wissenschaftlich gesichert gelten kann, sofern die Klägerin keine Umstände darlegt und gegebenenfalls beweist, die gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung belegten Aussagen sprechen. Wie ausgeführt, geht es bei der Irreführung unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit allein um die Frage, ob die durch die uneingeschränkt aufgestellte werbliche Behauptung in Bezug genommene Studie selbst die Aussage uneingeschränkt trägt.
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3. Das Berufungsurteil, dass sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend erweist (§ 561 ZPO), kann danach im Hinblick auf die Abweisung der Anträge zu 1 a und c sowie 2 und 3 keinen Bestand haben.
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II. Die Revision bleibt dagegen erfolglos, soweit sie sich gegen die Abweisung der Anträge zu 1 b und d richtet.
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1. Eine Irreführung unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit kommt insoweit nicht in Betracht. Die mit den Anträgen zu 1 b und d angegriffenen werblichen Aussagen nehmen nicht auf die problematische Fußnote 4 (Studie von Rosenstock und anderen) Bezug. Die Revision hat zudem nicht dargelegt, dass die mit dem Antrag zu 1 b beanstandete Werbung deswegen irreführend ist, weil auf der Grundlage der Feststel- lungen des Berufungsgerichts oder eines verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigten Vorbringens der Klägerin die dort mit der Fußnote 1 in Bezug genommene Studie („Plank J et al.“) die Werbebehauptung „Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil1“ nicht hinreichend belegen kann. Die mit dem Antrag zu 1 d angegriffene Werbung „Gewichtsvorteil?! Das ist prima!“ ist durch keinerlei Fußnoten belegt. Entgegen der Auffassung der Revision ist dieser Umstand auch nicht deswegen unerheblich, weil diese Angabe im Zusammenhang mit den übrigen Werbeaussagen steht und den dort verwendeten und mit Fußnoten belegten Begriff „Gewichtsvorteil“ übernimmt. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt , dass der angesprochene Verkehr die Rosenstock-Studie auch als Beleg der mit dem Antrag zu 1 d angegriffenen Aussage in Verbindung bringt, obwohl die Werbung insoweit gerade keinen Fußnotenbezug herstellt. Die Revision rügt auch nicht, dass das Berufungsgericht einen in diese Richtung gehenden Klagevortrag rechtsfehlerhaft übergangen habe.
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2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision ferner gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Behauptung „Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil“ sei nicht als irreführende Alleinstellungsbehauptung unzulässig.
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Zwar kann auch die Verwendung des bestimmten Artikels vom Verkehr als Hinweis auf eine Spitzenstellung verstanden werden. Für eine solche Annahme bedarf es indessen besonderer Umstände, die vor allem in der Verbindung mit einem Eigenschaftswort von empfehlender Bedeutung liegen können oder sonst erkennen lassen, dass der Akzent der werblichen Aussage auf dem Artikel liegt (BGH, Urteil vom 12. Februar 1998 - I ZR 110/96, GRUR 1998, 951, 953 = WRP 1998, 861 - Die große deutsche Tages- und Wirtschaftszeitung; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 2.146 f.).
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Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass es im Streitfall an besonderen Umständen fehlt, unter denen die Verwendung eines bestimmten Artikels eine Alleinstellung des beworbenen Produkts zum Ausdruck bringt. Diese im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegenden Feststellungen des Berufungsgerichts zur Verkehrsauffassung sind nur darauf vom Revisionsgericht zu überprüfen, ob das Berufungsgericht bei seiner Würdigung gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat. Solche Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.
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3. Vergeblich rügt die Revision schließlich, dass mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung im Streitfall nicht davon ausgegangen werden könne, dass die beanstandeten Behauptungen eines Gewichtsvorteils hinreichend wissenschaftlich gesichert seien.
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a) Das vom Berufungsgericht in seiner Urteilsbegründung in Bezug genommene landgerichtliche Urteil ist davon ausgegangen, dass der Umstand eines Gewichtsvorteils von Levemir® gegenüber Insulinglargin durch die Inhalte der Arzneimittelzulassung und der Fachinformation hinreichend belegt werde. Es sei deshalb Sache der Klägerin, darzulegen und zu beweisen, dass der beworbene Gewichtsvorteil nicht dem wissenschaftlichen Standard entspreche. Dies sei ihr nicht gelungen. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.
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b) Der Nachweis, dass eine gesundheitsbezogene Angabe nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, obliegt grundsätzlich dem Kläger als Unterlassungsgläubiger. Eine Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast kommt allerdings dann in Betracht, wenn der Beklagte mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben hat, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen. Der Werbende übernimmt in einem derartigen Fall dadurch, dass er eine be- stimmte Aussage trifft, die Verantwortung für die Richtigkeit, die er im Streitfall auch beweisen muss (BGH, GRUR 1991, 848, 849 - Rheumalind II). Ob die beanstandete Aussage wissenschaftlich umstritten ist, muss wiederum vom Kläger dargelegt und bewiesen werden (OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 88, 89; Fezer/Reinhart aaO § 4-S 4 Rn. 450; Riegger aaO 3. Kap. Rn. 45 mwN). Eine entsprechende Umkehr der Darlegungs- und Beweislast gilt, wenn der Kläger darlegt und nachweist, dass nach der wissenschaftlichen Diskussion die Grundlagen , auf die der Werbende sich stützt, seine Aussage nicht rechtfertigen (OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 88, 89) oder sogar jegliche tragfähige wissenschaftliche Grundlage für die Behauptung fehlt (OLG Düsseldorf, MD 2008, 49, 52 f.; OLG Hamburg, PharmR 2011, 99, 102; Weidert in Harte/Henning aaO § 5 Rn. C-175; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza aaO § 4 Rn. 1/140; Zimmermann, HWG, § 3 Rn. 5).
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c) Welche Anforderungen dabei an das Merkmal der gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis zu stellen sind, hängt von den im wesentlichen tatrichterlich zu würdigenden Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2011 - I ZR 199/09, MD 2011, 583 f.) und ist wiederum vom Revisionsgericht nur daraufhin zu überprüfen, ob das Berufungsgericht bei seiner Würdigung gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat.
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d) Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze hinreichend beachtet. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich ein Werbender zum wissenschaftlichen Nachweis der Richtigkeit seiner werblichen Behauptung in Bezug auf Eigenschaften eines Arzneimittels grundsätzlich auf den Inhalt der Zulassung und der Fachinformation berufen kann.
35
aa) Im Hinblick auf Angaben, die der Zulassung des Arzneimittels wörtlich oder sinngemäß entsprechen, kann regelmäßig davon ausgegangen werden , dass sie im Zeitpunkt der Zulassung dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprechen (vgl. Doepner, HWG, 2. Aufl., § 3 Rn. 72; Riegger aaO 3. Kap. Rn. 27; Gröning, Heilmittelwerberecht, Stand: August 1998, § 3 Rn. 15; Zimmermann aaO § 3 Rn. 4; Fezer/Reinhart aaO § 4-S 4 Rn. 455). Dies gilt zunächst für Angaben, die sich auf die therapeutische Wirksamkeit beziehen. Denn gemäß § 25 Abs. 2 Satz 3 AMG fehlt die für eine Zulassung notwendige therapeutische Wirksamkeit, wenn der Antragsteller nicht entsprechend dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Ergebnisse nachweist, dass sich mit dem Arzneimittel therapeutische Ergebnisse erzielen lassen. Hat ein Präparat die Hürde der Zulassung genommen, kann also grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Wirkungsangaben dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprechen. Weitergehend wird der Inhalt der Zulassung im Regelfall aber auch als hinreichender Beleg für Werbebehauptungen gelten können , die - wie im Streitfall - nicht die zum Anwendungsgebiet gehörenden, sondern darüber hinausgehende Wirkungen und pharmakologischeEigenschaften beschreiben. Aus § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AMG, wonach die Zulassungsbehörde die Zulassung versagen darf, wenn das Arzneimittel nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden ist, ergibt sich, dass auch diese nicht unmittelbar das Anwendungsgebiet betreffenden Eigenschaften Gegenstand der behördlichen Prüfung sind. Grundlage der Zulassungsentscheidung sind alle vom Antragsteller in Übereinstimmung mit den §§ 22, 23 und 24 AMG eingereichten Unterlagen, die von der Zulassungsbehörde dahingehend zu prüfen sind, ob sie die beantragte Zulassung rechtfertigen (Rehmann, AMG, 3. Aufl., § 25 Rn. 16; Kügel, AMG, § 25 Rn. 117 f.).
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bb) Für Aussagen, die den Angaben in der Fachinformation gemäß § 11a HWG entsprechen, gilt regelmäßig nichts anderes (Riegger aaO Kap. 3 Rn. 29). Diese Angaben sind nach § 22 Abs. 7 Satz 1, § 25 Abs. 5 Satz 1 AMG im Zulassungsverfahren ebenfalls Gegenstand der behördlichen Prüfung. Diese Grundsätze gelten zudem, wenn das Arzneimittel - wie im Streitfall - im Wege des zentralen Zulassungsverfahrens von der Europäischen Kommission zugelassen ist (vgl. § 37 Abs. 1 AMG in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004/EG vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur).
37
e) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts entspricht die im Streitfall von der Klägerin angegriffene Behauptung eines Gewichtsvorteils inhaltlich dem Wortsinn der in der Zulassung und der Fachinformation des Arzneimittels Levemir® festgehaltenen Angaben.
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aa) Das vom Berufungsgericht in Bezug genommene landgerichtliche Urteil hat sich zutreffend auf den Inhalt der Zulassung und der Fachinformation gestützt. Dort ist ausgeführt, dass Studien bei Patienten mit Typ 2 Diabetes, die mit Basalinsulin in Kombination mit oralen Antidiabetika behandelt wurden, gezeigt haben, dass die Blutzuckereinstellung (HbA1c) mit Levemir® mit der unter NPH-Insulin und Insulinglargin vergleichbar, dabei aber mit weniger Gewichtszunahme verbunden ist. So heißt es in der Zulassung sowie der Fachinformation (Stand: Dezember 2009) für Levemir® unter der Überschrift „Pharmakodynamische Eigenschaften“ gleichlautend unter anderem: Studien bei Patienten mit Typ 2 Diabetes, die mit Basalinsulin in Kombination mit oralen Antidiabetika behandelt wurden, zeigten, dass die Blutzuckerein- ® stellung (HbA ) mit Levemir mit der unter NPH-Insulin und Insulinglargin ver-

1c

gleichbar und mit weniger Gewichtszunahme verbunden ist (siehe Tabelle 2). …
Studiendauer Insulindetemir Insulindetemir NPH-Insulin Insulinglargin einmal täglich zweimal täglich 20 Wochen + 0,7 kg + 1,6 kg 26 Wochen + 1,2 kg + 2,8 kg 52 Wochen + 2,3 kg + 3,7 kg + 4,0 kg
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bb) Vergeblich wendet sich die Revision ferner gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der angesprochene Fachkreis verstehe die angegriffenen Behauptungen eines Gewichtsvorteils im Sinne einer geringeren Gewichtszunahme , wie sie in der Zulassung und der Fachinformation für Levemir® beschrieben sei.
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Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Klägerin außer Acht gelassen, wonach die geringere Gewichtszunahme (von 1,6 kg) nur für eine Untergruppe von Patienten festgestellt worden sei, die nur einmal täglich Insulindetemir erhalten hätten. Die Mehrzahl der Patienten habe jedoch eine zweimalige Gabe erhalten, was zu einer geringeren Gewichtszunahme (von nur 0,3 kg) geführt habe. Ein derart geringer Wert habe keine klinische Relevanz und stelle deshalb auch keinen „Vorteil“ im Sinne der Werbung der Beklagten dar. Damit hat die Revision keinen Erfolg.
41
Das Berufungsgericht hat sich mit dem Vorbringen der Klägerin auseinandergesetzt. Es hat insoweit angenommen, der durch das Werbefaltblatt angesprochene Verkehr werde der Werbung ausschließlich einen Bezug auf eine täglich einmalige Gabe beimessen. Zudem werde nach der Verkehrsauffassung kein klinisch relevanter Gewichtsvorteil behauptet, sondern ein solcher, der für den Patienten von psychologischer Bedeutung sein könne, weil jedes vermiedene Gramm Gewichtszunahme den in der Überschrift des Faltblattes hervorgehobenen „Einstieg in die Insulintherapie“ erleichtern könne. Damit fehle es sowohl an einer Irreführung als auch an den Voraussetzungen einer unzulässi- gen vergleichenden Werbung. Diese tatrichterlichen Feststellungen zur Verkehrsauffassung lassen keine Rechtsfehler erkennen.
42
f) Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe keine Umstände dargelegt, die die indizielle Bedeutung der Zulassung und der Fachinformation für den Nachweis einer hinreichenden wissenschaftlichen Sicherung der aufgestellten Behauptung eines Gewichtsvorteils erschüttern.
43
aa) Allerdings gilt der Grundsatz der Maßgeblichkeit der Zulassung des Arzneimittels nicht uneingeschränkt, sondern findet seine Grenze in seiner Eigenschaft als Regelung der Darlegungs- und Beweislast. Daraus ergibt sich, dass eine Irreführung dann in Betracht kommt, wenn der Kläger darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass neuere, erst nach dem Zulassungszeitpunkt bekanntgewordene oder der Zulassungsbehörde bei der Zulassungsentscheidung sonst nicht zugängliche wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung belegten Aussagen sprechen (vgl. Doepner aaO § 3 Rn. 72; Riegger aaO 3. Kap. Rn. 28; Gröning aaO § 3 Rn. 15).
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bb) Daran fehlt es im Streitfall. Die Revision macht vergeblich geltend, das Berufungsgericht habe sich nicht hinreichend mit dem von der Klägerin gehaltenen Vortrag auseinandergesetzt, wonach wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die gegen eine von der Zulassungsbehörde angenommene geringere Gewichtszunahme sprechen.
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(1) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung und die Fachinformation belegten Aussagen mit dem Vorbringen, die der Zulassung zugrundeliegende Rosenstock- Studie entspreche nicht den fachlich anerkannten wissenschaftlichen Standards und enthalte zudem einschränkende Interpretationen der Studienverfasser im Hinblick auf das Ergebnis einer geringeren Gewichtszunahme, so dass ihre Ergebnisse medizinstatistisch nicht signifikant seien. Zwar entspricht - wie dargelegt - das Design der Studie nicht dem medizinstatistischen „Goldstandard“ im Sinne einer randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist. Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen und von der Revision nicht beanstandeten Feststellungen des Landgerichts waren jedoch die Studie, ihre wissenschaftliche Methodik und die von den Verfassern gemachten Einschränkungen den Fachbehörden im Zulassungsverfahren bekannt. Die Revision wendet sich auch nicht gegen die weitere Feststellung des Landgerichts, die Klägerin habe keine neuen Umstände dargetan, die zu einer Revidierung der Bewertung der Zulassungsbehörde führen könnten. Unter diesen Umständen ist die Annahme des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, die Klägerin habe die tatsächliche Vermutung nicht erschüttern können, die aufgrund der erfolgten Zulassung und der dort in Bezug genommenen Rosenstock-Studie für eine hinreichende wissenschaftliche Absicherung der werblichen Behauptung eines Gewichtsvorteils streite.
46
(2) Nicht durchgreifend ist auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe sich nicht hinreichend mit dem von der Klägerin vorgelegten Abschlussbericht „Langwirksame Insulinanaloga zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2“ des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) vom 26. Februar 2009 und dem dazu gehaltenen Vortrag auseinandergesetzt. Die Revision verweist insofern auf den Vortrag der Klägerin, wonach in diesem Bericht festgestellt worden sei, dass sowohl die klinische Relevanz der bei der Gabe von Insulindetemir beobachteten geringeren Gewichts- zunahme als auch die Nachhaltigkeit dieser Wirkung zweifelhaft seien, da nur Studien mit einer Laufzeit von zwölf Monaten vorlägen. Es sei dort auch ausdrücklich festgehalten worden, dass die geringere Gewichtszunahme auch unerwünscht sein könne.
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Das vom Berufungsgericht insoweit in Bezug genommene landgerichtliche Urteil ist davon ausgegangen, dass der Abschlussbericht des IQWIG vom 26. Februar 2009 auf einer Auswertung fremder Studien und einer Anhörung, nicht aber auf einer neuen eigenen Studie beruhe. Die Feststellung, dass die klinische Relevanz der geringeren Gewichtszunahme unklar sei, sei eine Schlussfolgerung aus Bekanntem, die zur Rosenstock-Studie nicht im Widerspruch stehe. Es komme nicht auf die klinische Relevanz des Gewichtsvorteils an, weil eine solche in der angegriffenen Werbung nicht behauptet werde. Der im Abschlussbericht ausgedrückte Zweifel, ob der Gewichtseffekt nachhaltig sei, sei nicht dazu geeignet, die durch die Angabe in der Zulassung und der Fachinformation begründete Vermutung zu widerlegen. Die Dauer der Rosenstock -Studie sei der Zulassungsbehörde bekannt gewesen. Konkrete Anhaltspunkte für neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die eine mangelnde Nachhaltigkeit belegten, gebe es nicht. Die Klägerin habe nur dargetan, dass die Frage der Nachhaltigkeit aus der Sicht des Abschlussberichts unklar sei. Eine solche Unsicherheit sei nicht geeignet, einen nachhaltigen Gewichtsvorteil zu widerlegen.
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Diese im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet liegenden Ausführungen lassen keine Rechtsfehler erkennen.
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C. Die Sache ist im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuweisen. Denn der Senat kann die Sache auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen.
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Das Berufungsgericht hat bislang keine Feststellungen zu Design und wissenschaftlicher Validität der in der Fußnote 4 in Bezug genommenen Rosenstock -Studie getroffen. Ferner hat das Berufungsgericht sich bislang nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob und inwieweit die Verfasser der Studie selbst erkannt und auch zum Ausdruck gebracht haben, dass die Studie keine definitiven Rückschlüsse auf den Gesichtspunkt der geringeren Gewichtszunahme zulasse. Es fehlen bislang auch Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, wie der angesprochene Fachkreis die beanstandete Werbung mit dem Gewichtsvorteil mit Bezug auf die Fußnote 4 versteht. Insoweit wird das Berufungsgericht zu beachten haben, dass hier das Verständnis der mit dem Werbefolder angesprochenen Ärzte, mithin eines Fachkreises, zu dem die Mitglieder des Berufungsgerichts nicht gehören, maßgebend ist. Eine verfahrensfehlerfreie Feststellung der Verkehrsauffassung setzt deshalb die Darlegung voraus, dass die Mitglieder des Berufungsgerichts über ein zur Feststellung der hier maßgebenden Verkehrsauffassung hinreichendes Erfahrungswissen verfügen (BGH, Urteil vom 2. Oktober 2003 - I ZR 150/01, BGHZ 156, 250, 254 - Marktführerschaft ; BGH, Urteil vom 15. April 2010 - I ZR 145/08, GRUR 2010, 1125 Rn. 50 = WRP 2010, 1465 - Femur-Teil, mwN).
Bornkamm Pokrant Kirchhoff
Koch Löffler
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 09.06.2009 - 15 O 704/07 -
KG Berlin, Entscheidung vom 22.02.2011 - 5 U 87/09 -

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)