Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 22. Okt. 2013 - 9 U 235/12
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 06.11.2012 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 161.715,92 € festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Die Klägerin unterzog sich im Februar 1990 einem operativen Eingriff zur Entfernung eines superfiziell spreitenden malignen Melanoms im Bereich der Innenseite des linken Oberschenkels. Nach Exzision des vertikal 0,7 mm tief reichenden Tumors mit einer bis auf die Muskelfascie reichenden Gewebeentfernung im Umkreis von 3 bis 4 cm um den pfenniggroßen Tumorherd blieb eine 20,6 cm lange, teilweise bis zu einem Zentimeter breite Narbe zurück. Die Klägerin nahm in dem Verfahren 9 O 397/95 Landgericht Kiel die behandelnden Ärzte und das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch und begehrte Feststellung eines materiellen Vorbehalts mit der Behauptung eines Behandlungsfehlers und einer Aufklärungspflichtverletzung. Letztere stützte sie darauf, dass die behandelnden Ärzte sie unstreitig nicht auf die Möglichkeit einer Schmalexzision hingewiesen hätten, bei der das Gewebe bei einer vertikalen Tumorstärke unterhalb eines Millimeters nicht mit einem Sicherheitsabstand von 3 bis 4 cm, sondern mit einem solchen von einem Zentimeter um den Tumorherd bis auf die Muskelfascie entfernt wird, und die bereits Anfang 1990 eine aufklärungspflichtige Behandlungsalternative gewesen sei. Das Landgericht bestellte den Beklagten, der damals der ärztliche Direktor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie des Universitätsklinikums F war, zum Sachverständigen. Der Beklagte erstattete sein schriftliches Gutachten unter dem 31.10.1996 und ergänzte dieses schriftlich unter dem 17.04.1998 und 12.05.2003. Durch am 09.09.2005 verkündetes Urteil wies das Landgericht die Klage unter Hinweis auf die Ausführungen des Beklagten mit der Begründung ab, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liege weder ein Behandlungsfehler noch ein Aufklärungspflichtverstoß vor. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht – 4 U 196/05 – blieb ohne Erfolg. Die zum Bundesgerichtshof erhobene Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wies dieser durch Beschluss vom 04.03.2008 zurück – VI ZR 238/07 -.
4Vorliegend macht die Klägerin gegen den Beklagten nach § 839 a BGB Schadensersatzansprüche mit der Begründung geltend, das von dem Beklagten im Arzthaftungsprozess erstattete Gutachten sei hinsichtlich der Frage eines Aufklärungspflichtverstoßes grob fahrlässig unrichtig. Der Beklagte habe unter Missachtung und fehlerhafter Auswertung der ihm vorliegenden Literatur die Schmalexzision nicht als eine in Betracht kommende Behandlungsmethode angesehen.
5Die Klägerin hat beantragt,
6den Beklagten zu verurteilen,
71.
8an sie 139.189,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
92.
10an sie eine Schadensersatzrente in Höhe von 1.126,32 €, vierteljährlich im Voraus, erstmals am 01.01.2012, bei ihr spätestens am 3. Werktag des Monats der Fälligkeit eingehend, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank jeweils seit Fälligkeit, zu zahlen.
11Der Beklagte hat beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen gemäß § 540 Abs.1 ZPO Bezug genommen wird, soweit sich aus dem Nachfolgenden nichts anderes ergibt, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, es könne dahin gestellt bleiben, ob das von dem Beklagten erstattete Gutachten unrichtig gewesen sei. Selbst wenn dem so sei, so habe der Beklagte das Gutachten jedenfalls nicht grob fahrlässig oder gar vorsätzlich unrichtig erstattet.
14Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der diese ihre Schlussanträge erster Instanz weiter verfolgt.
15Sie meint, das Landgericht habe die Frage, ob der Beklagte ein objektiv unrichtiges Gutachten erstellt habe, nicht dahin gestellt bleiben lassen dürfen. Denn der für die Beurteilung des Verschuldens anzulegende Sorgfaltsmaßstab sei stets objektiv-fallbezogen zu bestimmen. Daher hätte das Landgericht zunächst der Frage nachgehen müssen, ob die Herangehensweise des Beklagten objektiv unrichtig war, und ob seine Art und Weise der von ihm vorgenommenen Umdeutungen zur Begründung seines Ergebnisses in besonders schwer wiegender Weise dem anzulegenden Sorgfaltsmaßstab zuwiderläuft.
16Die Frage, ob die Schmalexzision Anfang 1990 klinisch relevant war und ihr als Behandlungsalternative hätte vorgestellt werden müssen, habe der Beklagte unter Anlegung falscher Beurteilungsparameter, Unterschlagung vorhandener Literatur und Berücksichtigung der Tatsache, dass derselbe Autor zu entgegengesetzten Ergebnissen gelangte, unzutreffend verneint.
17Die Akten Landgericht Kiel 9 O 397/95 (4 U 196/05 Schleswig Holsteinisches Oberlandesgericht, Bundesgerichtshof VI ZR 238/07) lagen vor.
18Der Senat hat die Parteien durch Beschluss vom 12.08.2013 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung der Klägerin gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Klägerin hat hierzu mit Schriftsatz vom 25.09.2013 ergänzend Stellung genommen.
19II.
20Die Berufung der Klägerin ist nach einstimmiger Überzeugung des Senats unbegründet. Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich; die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 – 4 ZPO.
21Der Senat hat in seinem nach § 522 Abs. 2 ZPO ergangenen Hinweisbeschluss vom 12.08.2013 hierzu folgt ausgeführt:
22„Der Klägerin steht ein auf § 839 a BGB – der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage - gestützter Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten nicht zu.
23Die mit Wirkung zum 01.08.2002 eingefügte Vorschrift des § 839a BGB ist vorliegend anwendbar. Gemäß EG 229 § 8 Abs. 1 EGBGB ist die Vorschrift einschlägig, wenn das schädigende Ereignis nach dem 31.07.2002 eingetreten ist. Schädigendes Ereignis in diesem Sinne ist die Einreichung des schriftlichen bzw. die Erstattung des mündlichen gerichtlichen Gutachtens. Zwar hat der Beklagte sein erstes schriftliches Gutachten bereits unter dem 31.10.1996 erstellt und dieses unter dem 17.04.1998 schriftlich ergänzt. Der Beklagte hat aber nach dem Stichtag 31.07.2002 unter dem 12.05.2003 dem Landgericht ein weiteres schriftliches Ergänzungsgutachtens vorgelegt, dass sich eingehend mit der Problematik der Sicherheitsabstände nach Tumor-exzisionen und damit mit Blick auf die geltend gemachte Aufklärungspflichtverletzung mit der Frage des Vorliegens einer echten Behandlungsalternative neben der gewählten Operationsmethode befasst. Mit der Erstattung eines weiteren mündlichen Ergänzungsgutachten ist der Beklagte im Zuge des Berufungsverfahrens durch das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht beauftragt worden. Dieses Ergänzungsgutachten hat der Beklagte am 29.11.2008 erstattet.
24Gemäß § 839a Abs. 1 BGB ist ein gerichtlich bestellter Sachverständiger, der vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet, demjenigen Verfahrensbeteiligten zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der diesem durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht. Das von dem Sachverständigen erstellte Gutachten ist unrichtig, wenn es nicht der objektiven Sachlage entspricht. Das ist z.B. dann der Fall, wenn der Sachverständige unrichtige Tatsachenfeststellungen trifft oder fehlerhafte Schlussfolgerungen zieht oder eine Sicherheit vorspiegelt, obwohl nur ein Wahrscheinlichkeitsurteil möglich ist (vgl. Staudinger–Wöstmann, BGB, Stand 2012, § 839a, Rn. 9f; MünchKomm-Wagner, BGB, 5. Aufl. 2009, § 839a Rn. 17).
25Die Klägerin hat bereits nicht schlüssig dargelegt, dass das von dem Beklagten erstattete Gutachten hinsichtlich der Frage, ob Tatsachen vorgelegen haben, die eine Aufklärungspflichtverletzung begründen konnten, unrichtig gewesen ist.
26Nach der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ist die Wahl der Behandlungsmethode primär Sache des Arztes. Gibt es indessen mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden, die wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen aufweisen, besteht mithin eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten, dann muss diesem nach entsprechend vollständiger ärztlicher Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welchem Wege die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will (vgl. BGH, Urteil vom 24.11.1987 – VI ZR 65/87 - , BGHZ 102, 17, 22 und Urteil vom 15.03.2005 – VI ZR 313/03 - , NJW 2005, 1718; OLG Naumburg, Urteil vom 15.03.2012 – 1 U 83/11 - , juris; ). Insoweit steht nicht die therapeutische Aufklärung des Patienten (Sicherungsaufklärung), sondern die dem Patienten als Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag geschuldete Selbstbestimmungsaufklärung (Risikoaufklärung) im Mittelpunkt.
27Hieran anknüpfend hätte es seitens der Klägerin der Darlegung bedurft, dass im Zeitpunkt der Operation Anfang Februar 1990 neben der von den Behandlern durchgeführten Exzision mit größerem Sicherheitsabstand mit der Schmalexzision eine ebenso medizinisch indizierte und übliche Behandlungsmethode zur Entfernung eines malignen Melanoms zur Verfügung stand, und dies von dem Beklagten in seinem Gutachten verkannt oder unzutreffend dargestellt worden ist. Nur in diesem Fall hätte die Klägerin von den Behandlern auf die Möglichkeit einer Schmalexzision und über die damit verbundenen Risiken aufgeklärt werden müssen. Dahingehende Tatsachen hat die Klägerin nicht vorgetragen.
28Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, bei der Auswertung der im Februar 1990 eine weite Exzision befürwortenden Publikationen objektive Fehler gemacht zu haben. Hierzu verweist sie zunächst auf die vom Beklagten herangezogenen Daten des Zentralregisters zur „Versorgung des primären malignen Melanoms der Haut im deutschen Sprachraum in den Jahren 1983 bis 1993“. Soweit der Beklagte unter Hinweis auf die Daten dieses Registers ausführe, in nur 5,4% der 6905 untersuchten Fälle sei eine Exzision mit einem Abstand < 1 cm erfolgt, während in 44,8% der Fälle Exzisionen mit einem Abstand von 3 bis 4 cm vorgenommen worden seien, habe der Beklagte nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Ergebnisse keine in Bezug auf die Klägerin zulässigen Rückschlüsse zulasse. Die Vergleichsgruppe habe auch Patienten mit einem fortgeschrittenen malignen Melanom mit einer Tiefenausbreitung > 1,5 mm erfasst, bei denen eine weite Exzision naturgemäß eher erfolge.
29Die Daten des Zentralregisters hat der Beklagte, was die Klägerin nicht bestreitet, zutreffend wiedergegeben. Sie entsprechen somit der objektiven Sachlage. Dazu, dass sich der Zentralkartei bei einer Auswertung der Daten nach Ausbreitung des Tumors in die Tiefe entnehmen lässt, dass und in welchem Umfang in diesen Fällen Schmalexzisionen durchgeführt worden sind, und dies Aufschluss darüber gibt, dass sich die Schmalexzision bei Tumortiefen unterhalb 0,75 mm bereits damals als echte Behandlungsalternative in der Praxis durchgesetzt hatte bzw. anerkannt war, hat die Klägerin nicht vorgetragen.
30Ein dahingehender Rückschluss ist auch nicht aufgrund der Publikation von Garbe „Lokalrezidive und Metastasierung bei dünnen malignen Melanomen (< 1mm),. Überlegungen zum Sicherheitsabstand bei primärer operativer Versorgung“, Hautarzt 1989, 40, 337ff, zulässig. Garbe schildert zusammenfassend, dass die von ihm erhobenen Befunde belegen, dass auch dünne maligne Melanome Lokalrezidive zeigen und durchaus metastasieren könnten, und deswegen die operative Entfernung mit weitem Sicherheitsabstand (> 3 cm) auch bei Melanomen dünner als 1 mm die sicherste Behandlungsmethode darstelle. Vor diesem Hintergrund betrachte er deswegen mit Besorgnis „die Entwicklung, dass bereits heute (1989) auch in dermatologischen Kliniken die operative Entfernung maligner Melanome mit nur kleinem Sicherheitsabstand erfolgt“. Damit bringt der Verfasser lediglich zum Ausdruck, dass schon 1989 auch an dermatologischen Kliniken die Exzision mit kleinem Sicherheitsabstand praktiziert worden ist, was der Beklagte nicht verkannt hat. Dass sich die Schmalexzision in der klinischen Praxis des Jahres 1990 als übliche Behandlungsmethode etabliert hatte, lässt sich den vorstehenden Ausführungen jedoch nicht entnehmen und wird auch von der Klägerin nicht anhand konkreter Tatsachen dargelegt. Dass demgegenüber vor dem Hintergrund des damaligen Erkenntnisstandes weiterhin Kritik angemeldet worden ist, zeigen die Äußerungen des Autors Garbe.
31Einen dahingehenden Schluss erlauben auch nicht die erstmals vereinzelt seit dem Jahre 1970 geäußerten Überlegungen zur Reduktion des Sicherheitsabstandes bei dünnen Melanomen. Der Beklagte hat in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Veröffentlichungen von Breslow (Thickness, sectional areas an depth of invasion in the prognosis of cutaneous melanoma, Ann. Surg 1070, 172, 902ff; derselbe: Optimal size of resection margin for thin cutaneous melanoma, Surg Gynecol. Obstet, 1977, 145, 691f; Day et al, Narrower margins for clinical stage I malignant melanoma, New English Journal Med. 1982, 306, 479 und Ackerman et al, Excision of melanoma in historical perspective: Triumph of Irrationality for nearly a century, Dermatophathology. Practical & Conceptual, 3, 238ff) hingewiesen. Zugleich hat der Beklagte betont, dass die Verschmälerung von Exisionsabständen in der klinischen Praxis nur zögerlich akzeptiert worden ist, zumal die Kritiker darauf verwiesen hätten, dass von den Befürwortern eine rationale Begründung für die weite Exzision nicht angeführt werden könne. Damit hat der Beklagte deutlich aufgezeigt, dass die wissenschaftliche Diskussion der Exzisionsabstände zwar seit geraumer Zeit im Fluss war, sich die Erkenntnis, bei Melanomen unterhalb 1 mm die schmale Exzision zu wählen, aber noch nicht als übliche Behandlungsmethode durchgesetzt hatte. Insbesondere mangelte es in der jahrelangen kontrovers geführten Diskussion an der geforderten prospektiv randomisierten Studie, die dann im Mai 1988 in Form der Veronesi - Studie vorgelegt worden ist (Veronesi et al, Thin stage I primary cutaneos malignant melanoma. Comparison of excision with margins of one or three centimeter, New Englich Journal Med. 1988, 318, 1159ff)
32Diese Studie hat in Verbindung mit der 1991 vorgelegten Nacherhebungsstudie und dem 1993 veröffentlichten Ergebnis der sogenannten Balch-Studie ergeben, dass ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen Exzisionsweite und Fünf-Jahres-Überlebensrate, sowie der Breite des Sicherheitsabstandes und der „local recurrence“ nicht festgestellt werden konnte. Ungeachtet dessen, dass nach Auffassung des Beklagten der der Veronesi - Studie 1988 zugrundeliegende Nacherhebungszeitraum mit 55 Monaten es noch nicht zuließ, belastbare Rückschlüsse auf einen fehlenden Zusammenhang zwischen der Exzisionsbreite und Lokakalrezidiven und Satellitenmetastasen zu ziehen, haben die wissenschaftlich gewonnenen Erkenntnisse nicht zeitgleich zu einem Umdenken in der klinischen Praxis mit der Folge geführt, dass die Schmalexzision zur medizinisch anerkannten und üblichen Behandlungsmethoden bei malignen Melanomen mit einer vertikalen Tiefe < 1 mm erhoben worden ist. Der Beklagte hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass diese Erkenntnis auch in den Jahren nach 1993 noch nicht unangefochtene Praxis geworden war. Dass und warum diese sachverständige Einschätzung des Beklagten objektiv unzutreffend gewesen ist, hat die Klägerin nicht dargelegt. Denn dazu reicht nicht der Sachvortrag, dass die 1988 vorgelegte Veronesi - Studie die bislang angeführte Begründung und Rechtfertigung für weite Exzisionen widerlegt habe, sondern es bedarf des Vortrags der Klägerin, dass sich die hieraus gewonnenen Erkenntnisse in der klinischen Praxis bereits so weit etabliert hatten, dass in den hierfür geeigneten Fällen die Schmalexzision als übliche Behandlungsmethode anerkannt war.
33Daran, dass die Erkenntnisse der Veronesi - Studie rückblickend betrachtet wegweisend waren, hat der Beklagte in seinem Gutachten keinen Zweifel gelassen. Er hat in seinem Ergänzungsgutachten 12.05.2003, Bl. 718 BA, außer Frage gestellt, dass auf der Grundlage des Kenntnisstandes im Jahre 2003 das 0,7 mm dicke Melanom der Klägerin mit einem schmalen Abstand zu exzisieren gewesen wäre. Im Zeitpunkt der Operation sei der onkologische Diskurs zum Thema des Sicherheitsabstandes aber weit kontroverser gewesen. Die Klägerin – die nicht in Abrede stellt, dass im Jahr 1990 die Schmalexzision bei dünnen Melanomen noch kein Standard gewesen ist - hat nicht dargelegt, dass die Schmalexzision eine übliche Behandlungsmethode gewesen ist. Dagegen spricht, dass es im Operationszeitpunkt weder Empfehlungen noch Richtlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft oder anderer namhafter Institute zur Bestimmung des Exzisionsabstandes mit Blick auf die Vermeidung der Bildung von Lokalrezidiven und Satellitenmetastasen gegeben hat. Der Beklagte hat im Rahmen der Erstattung seines mündlichen Gutachtens vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht am 29.11.2006, Bl. 950f BA, ausgeführt, dass selbst nach den Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft mit Stand April 2006, eine Präzisierung des Sicherheitsabstandes fehlt. Insoweit beschränken sich die Hinweise darauf, dass bei dünnen Melanomen ausgedehnte Eingriffe nicht notwendig seien. Auch die AWMF-Leitlinien gäben keine verbindlichen Hinweise, sondern beschränkten sich auf den Hinweis, das sich der Sicherheitsabstand nach dem Metastasierungsrisiko richte.
34Soweit die Klägerin unter Verweis auf die Fundstelle bei Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 10. Aufl. Rn. 380 die Ansicht vertritt, der Beklagte hätte als gerichtlicher Sachverständiger sehen und darstellen müssen, dass es Pflicht des Behandlers sei, bei echten Behandlungsalternativen auch über solche Alternativen aufzuklären, die sich noch in der wissenschaftlichen Diskussion befänden, vermag dies nicht eine der Klägerin günstigere Entscheidung herbeizuführen. Zunächst einmal ist vorstehend begründet worden, warum nicht festgestellt werden kann, dass es sich bei der Schmalexzision um eine 1990 übliche Behandlungsmethode zur Entfernung eines malignen Melanoms < 1 mm gehandelt hat. Zum anderen heißt es in der angeführten Zitatstelle, dass der Behandler bei einer echten Behandlungsalternative auch über solche Risiken aufzuklären hat, die sich noch in der wissenschaftlichen Diskussion befänden.
35Ein Anspruch der Klägerin scheitert auch deshalb, weil die Klägerin nicht substantiiert dargelegt hat, aus welchen Gründen das – einmal unterstellt – falsche Gutachten zumindest grob fahrlässig erstattet worden ist. Die Klägerin hat nicht dargelegt, warum der Beklagte bei der Erstellung seines Gutachtens die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und dasjenige nicht beachtet hat, was im vorliegenden Fall jedem einleuchten musste. In subjektiver Hinsicht muss den Beklagten ein schweres Verschulden treffen. In Erfüllung der ihr obliegenden Darlegungslast muss die Klägerin nicht diese rechtliche Wertung, sondern die sie ausfüllenden Tatsachen für die Schlüssigkeit der erhobenen Klage vortragen (vgl. Senat, Urteil vom 16.06.2009, - 9 U 239/08 - , VersR 2010, 222). Dabei kommt es, wie bereits oben ausgeführt, nicht darauf an, ob der Beklagte, wie ihm von der Klägerin vorgeworfen wird, hinsichtlich der Auswertung der vorliegenden Veröffentlichungen falsche Beurteilungsparameter angelegt, maßgebliche Literatur unberücksichtigt gelassen und angeblich divergierende Aussagen in unterschiedlichen Veröffentlichungen desselben Autors übergangen hat. Auch insoweit kommt es allein entscheidend darauf an, ob und warum die Kernaussage des Beklagten im Arzthaftungsprozess der Klägerin, die Schmalexzision sei im Jahre 1990 bei der Entfernung dünner maligner Melanome < 1 mm keine übliche Behandlungsmethode gewesen, aus zumindest grob fahrlässigen Gründen unzutreffend ist. Entsprechende, dem Beweis zugängliche Tatsachen, die auf das Maß des Verschuldens des Beklagten abzielen, hat die Klägerin nicht vorgetragen.
36Der Klägerin stünde der geltend gemachte Anspruch aber auch dann nicht zu, wenn – zu ihren Gunsten einmal unterstellt – das im Arzthaftungsprozess von dem Beklagten erstattete Gutachten grob fahrlässig unrichtig gewesen wäre. Ansprüche der Klägerin wären in diesem Fall wegen eines ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden überragenden Mitverschuldens ihrer damaligen Prozessbevollmächtigten gemäß § 254 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.
37Bereits das Landgericht Kiel hatte einen Aufklärungspflichtverstoß der Behandler wegen eines unterbliebenen Hinweises auf die Schmalexzision mit der Begründung verneint, diese Behandlungsmethode sei 1990 noch nicht als echte Behandlungsalternative in Betracht gekommen, Bl. 11 UA. Auch das Berufungsgericht hat einen Aufklärungspflichtverstoß mit näherer Begründung verneint, es könne keine Rede davon sein, dass die Schmalexzision 1990 eine echte Behandlungsalternative gewesen sei, Bl. 9 UA. Der Bundesgerichtshof hat die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin u.a. damit begründet, die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Aufklärungspflicht bei mehreren „üblichen“ Behandlungsalternativen stünden in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats. Vortrag seitens der Klägerin dazu, dass die Schmalexzision im Zeitpunkt des Eingriffs „üblich“ war, habe die Nichtzulassungsbeschwerde nicht aufgezeigt.
38Die wiedergegebenen Ausführungen belegen, dass die Klägerin bereits im Arzthaftungsprozess, ebenso wie im vorliegenden Verfahren, den Anfang 1990 dokumentierten wissenschaftlichen Forschungsstand in unzulässiger Weise der Üblichkeit einer Behandlungsmethode in der klinischen Praxis an einer Universitätsklinik gleich setzt.
39Der Klägerin stünde ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten auch dann nicht zu, wenn das Gutachten des Beklagten – zugunsten der Klägerin einmal unterstellt - aufgrund zumindest grober Fahrlässigkeit unrichtig gewesen wäre. Denn die Klägerin hat für einen solchen hypothetischen Kausalverlauf nicht substantiiert dargelegt, dass sie den dann bestehenden Entscheidungskonflikt für sich dahin aufgelöst hätte, dass sie sich für eine Schmalexzision entschieden hätte. Zwar trifft die Darlegungs- und Behauptungslast dafür, dass sich der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu der tatsächlich durchgeführten Behandlung entschlossen hätte, den behandelnden Arzt. Dieser ist jedoch erst dann beweisbelastet, wenn der Patient zur Überzeugung des Tatrichters plausibel macht, dass er – wären ihm die Risiken der Behandlung rechtzeitig verdeutlicht worden – vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte (vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2005, - VI ZR 313/03 – NJW 2005, 1718). Der Vortrag in der Klageschrift, bei Aufklärung über die Schmalexzision als Behandlungsalternative, wäre kein Zweifel daran möglich gewesen, dass die Klägerin sich dafür entschieden hätte, zumal sie nach den gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht von einer weiten Exzision hätte profitieren können, vermag den erforderlichen substantiierten Vortrag nicht zu ersetzen. Entgegen der Darstellung der Klägerin war es auch nicht so, dass die Erkenntnisse aus der Veronesi – Studie Anfang Februar 1990 den gesicherten wissenschaftlichen Stand wiedergaben. Der Beklagte hat in dem Arzthaftungsprozess überzeugend aus Sachverständigensicht ausgeführt, dass die Ergebnisse der Studie insbesondere unter Hinweis auf die nur 55 Monate währende Nachbeobachtungszeit von der Wissenschaft und der Praxis mit Blick auf Lokalrezidive und auftretende Fernmetastasen durchaus mit Zurückhaltung und unter Kritik zur Kenntnis genommen worden sind. Dabei hat der Beklagte offen gelegt, dass gleichwohl teilweise an einigen Universitätskliniken die Erkenntnisse zeitnah umgesetzt worden sind.“
40Daran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Stellungnahme der Klägerin in deren Schriftsatz vom 25.09.2013 fest. Die ergänzende Stellungnahme der Klägerin gibt lediglich Anlass zu den nachstehenden Ausführungen.
41Die Entscheidung der Frage, ob eine Behandlungsmethode als eine übliche anzusehen ist und daher hierüber von dem behandelnden Arzt aufzuklären ist, obliegt nicht dem medizinischen Sachverständigen, sondern dem erkennenden Gericht, das diese Frage auf der Grundlage der von dem medizinischen Sachverständigen vermittelten Tatsachen zu entscheiden hat. Auch mit ihrer ergänzenden Stellungnahme zeigt die Klägerin nicht auf, welche von dem Beklagten in seiner Eigenschaft als gerichtlicher Gutachter dem damaligen Prozessgericht unterbreiteten Tatsachen und Feststellungen unzutreffend gewesen sind, bzw. welche Tatsachen der Beklagte unberücksichtigt gelassen hat, die zu einer der Klägerin günstigeren Betrachtung geführt hätten. Beweiserleichterungen kommen der Klägerin vorliegend nicht zu Gute. Bei der Inanspruchnahme eines gerichtlichen Sachverständigen, der im vorausgegangenen Arzthaftungsprozess des Klägers gegen den behandelnden Arzt als Gutachter tätig gewesen war, ist die Substantiierungslast des Klägers im Schadensersatzprozess aus § 839a BGB anders als im Arzthaftungsprozess nicht herabgesetzt. Die Klägerin muss also die Umstände, die die Unrichtigkeit des gerichtlichen Gutachtens und die grobe Fahrlässigkeit des Gutachters begründen sollen, darlegen und unter Beweis stellen (vgl. Senat, U.v. 16.06.2009 – 9 U239/08 -, OLGR Hamm 2009, 827).
42Den Vortrag der Klägerin in deren Schriftsatz vom 25.09.2013 zugrunde gelegt, sind die seitens der Klägerin gegenüber dem Beklagten erhobenen Vorwürfe offensichtlich unbegründet. Mehrfach betont die Klägerin, der Beklagte habe in seinen Gutachten ausgeführt, dass im Operationszeitpunkt Anfang 1990 keine belastbaren Erkenntnisse dafür existierten, dass die weite Exzision das Risiko von Rezidiven oder Satellitenmetastasen gegenüber der Schmalexzision minderte. Wenn der Beklagte vor diesem Hintergrund erläutert, die Entscheidung für den bisherigen Standard der großen Exzision in weiten Teilen der klinischen Praxis sei neben der gleichzeitig in diversen Universitätskliniken praktizierten Schmalexzision eine Glaubenssache gewesen, hat der Beklagte dem erkennenden Gericht einen zutreffenden Überblick über die klinische Praxis vermittelt. Es oblag auf dieser Grundlage dem erkennenden Gericht im Patientenprozess darüber zu entscheiden, ob über die Schmalexzision als eine übliche Behandlungsmethode seitens des behandelnden Arztes aufzuklären war.
43Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, der Bundesgerichtshof habe ihre Nichtzulassungsbeschwerde zu Unrecht zurückgewiesen. Die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde beruht darauf, dass die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin keine Tatsachen aufzeigt, wonach die Schmalexzision im Zeitpunkt des Eingriffs bereits üblich war. Zu einem solchen ergänzenden Vortrag war die Klägerin auch im Arzthaftungsprozess angehalten, nachdem die Feststellungen des Sachverständigen zur Überzeugung der Tatsachengerichte ergeben hatten, dass die Schmalexzision Anfang 1990 keine übliche Behandlungsmethode gewesen ist.
44Angesichts dessen besteht kein Bedürfnis zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
45Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 Satz 2, 711 ZPO.
46ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 22. Okt. 2013 - 9 U 235/12
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(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Erstattet ein vom Gericht ernannter Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten, so ist er zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht.
(2) § 839 Abs. 3 ist entsprechend anzuwenden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin war vom 16. Dezember 1996 bis 18. Februar 1997 nach einem im Krankenhaus konservativ versorgten Bruch in der Nähe des rechten Handgelenks in ärztlicher Betreuung des Beklagten. Der Bruch ist in Fehlstellung verheilt. Die Klägerin beanstandet, der Beklagte habe ein fortschreitendes Abkippen des Bruchs bemerkt, aber sie trotz der Gefahr einer bleibenden Funktionsbeeinträchtigung des Handgelenks nicht auf die weiteren Behandlungsmöglichkeiten einer (unblutigen) erneuten Reposition oder einer Operation des Bruchs hingewiesen. Sie begehrt ein Schmerzensgeld, das sie in Höhe von 40.000 DM für angemessen hält, Ersatz materiellen Schadens in Höhe von 34.081,97 € sowie die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz zukünftigen materiellen und immateriellen Schadens. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht führt zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus, der Beklagte habe die Klägerin spätestens am 23. Dezember 1996 darauf hinweisen müssen, daß statt der weiteren konservativen Behandlung auch eine erneute Reposition oder eine Operation des Bruchs in Erwägung zu ziehen sei. Der Beklagte habe zwar von einer Erörterung dieser Möglichkeiten mit der Klägerin abgesehen. Das führe aber nicht zu seiner Haftung. Die unterlassene Erörterung der anderweitigen Therapiemöglichkeiten habe nur dann haftungsrechtliche Folgen für den Beklagten, wenn die Klägerin nachweise , daß sie sich für einen Eingriff entschieden hätte und daß auf diesem Wege die beklagten Folgen auch vermieden worden wären. Diesen Nachweis habe sie nicht geführt. Zum einen sei die Fortsetzung der konservativen Behandlung nicht fehlerhaft gewesen. So habe nicht die konkrete Erwartung bestanden, daß bei Fortsetzung der konservativen Behandlung das rechte Handgelenk optisch und wahrscheinlich auch funktionell nicht habe wiederhergestellt werden können. Zum anderen sei völlig offen, für welche Behandlungsmethode sich die Klägerin nach ordnungsgemäßer Aufklärung entschieden haben würde. Selbst wenn davon auszugehen sei, daß sie den operativen Eingriff gewählt hätte, sei jedenfalls nicht bewiesen, daß dieser zu einem besseren Ergebnis geführt hätte. Er sei nicht nur mit einem statistischen Risiko der Wundheilungsstörung behaftet gewesen. Durch eine Operation habe zwar eine anatomisch einwandfreie Gelenkstellung erreicht werden können, doch sei dieses Ergebnis nicht sichergewesen, weil es auch zu einem Morbus Sudeck habe kommen können. Der Sachverständige habe zudem die Gefahr einer bleibenden Funktionsbeeinträchtigung des Gelenks auch für den Fall einer Operation nicht ausschließen können.
II.
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision gegen die Verneinung einer Haftung wegen Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht nicht stand. 1. Allerdings geht das Berufungsgericht im Ansatzpunkt ohne Rechtsfehler davon aus, daß es Pflicht des behandelnden Arztes ist, den Patienten über die in seinem Fall bestehenden Behandlungsmöglichkeiten mit wesentlich unterschiedlichen Risiken oder wesentlich unterschiedlichen Erfolgsaussichten in Kenntnis zu setzen und ihm als Subjekt der Behandlung die Wahl zwischen den gleichermaßen medizinisch indizierten Behandlungsmethoden zu überlassen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist die Wahl der Behandlungsmethode zwar primär Sache des Arztes. Gibt es indessen mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden, die wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen aufweisen, besteht mithin eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten, dann muß diesem nach entsprechend vollständiger ärztlicher Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welchem Wege die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will (vgl. Senatsurteile BGHZ 102, 17, 22; vom 24. November 1987 - VI ZR 65/87 - VersR 1988, 190, 191 - je m.w.N.). Es geht dabei um die dem Patienten geschuldete Selbstbestimmungsaufklärung oderRisikoaufklärung (vgl. BGHZ aaO; Laufs in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl., § 63 Rdn. 21 ff.) und nicht um therapeutische Aufklärung (Sicherungsaufklärung). Die Pflicht zur Selbstbestimmungsaufklärung ist in gleicher Weise Nebenpflicht des Behandlungsvertrags wie Ausfluß der Garantenstellung des Arztes (vgl. Senatsurteile vom 22. April 1980 - VI ZR 37/79 - VersR 1981, 456, 457; vom 8. Mai 1990 - VI ZR 227/89 - VersR 1990, 1010, 1011).
a) Die Voraussetzungen für eine Beteiligung der Klägerin an der Therapiewahl lagen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vor. Wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang ausführt, war die Fortsetzung der konservativen Behandlung nach dem 23. Dezember 1996 zwar nicht fehlerhaft, sondern eine von mehreren Möglichkeiten zur Behandlung des Bruchs. Dem angefochtenen Urteil ist auch zu entnehmen, daß das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen K. der Behandlung mittels (unblutiger) Reposition oder operativer Neueinrichtung des Bruchs wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgsaussichten beimißt, die der Klägerin eine echte Wahlmöglichkeit eröffneten und daher ihre Beteiligung an der Therapiewahl erforderten. Das Berufungsgericht geht deshalb mit dem Sachverständigen K. davon aus, der Beklagte habe spätestens am 23. Dezember 1996 die Klägerin darauf hinweisen müssen, daß statt einer Fortsetzung der konservativen Behandlung auch eine erneute Reposition oder eine Operation des Bruchs in Erwägung zu ziehen gewesen wäre, weil einerseits infolge des "abgekippten" Bruchs und eines gelenknahen Knochenbruchstücks die Gefahr einer bleibenden Funktionsbeeinträchtigung des rechten Handgelenks, andererseits aber bei erneuter (unblutiger) Reposition oder Operation die Gefahr eines Morbus Sudeck bestand. Das Berufungsgericht hat dies ersichtlich als unterschiedliche Risiken und unterschiedliche Erfolgschancen
gewertet. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen.
b) Unter diesen vom Berufungsgericht festgestellten Umständen war der Beklagte spätestens am 23. Dezember 1996 verpflichtet, die Klägerin nicht nur davon in Kenntnis zu setzen, daß der Bruch in Fehlstellung zu verheilen drohte (sog. Diagnoseaufklärung, vgl. zuletzt BVerfG, Beschluß der 2. Kammer des 1. Senats vom 18. November 2004 - 1 BvR 2315/04 - EuGRZ 2004, 805, 806), sondern auch davon, daß eine bei Fortsetzung der konservativen Behandlung drohende Funktionseinschränkung des Handgelenks möglicherweise durch eine erneute (unblutige) Reposition oder durch eine primäre operative Neueinrichtung des Bruchs vermieden werden könne, ihr die Chancen und Risiken dieser möglichen unterschiedlichen Behandlungsmethoden zu erläutern und sodann zusammen mit ihr die Wahl der Therapie zu treffen. Der Beklagte hat jedoch die der Klägerin eröffnete Wahl ohne ordnungsgemäße Beteiligung der Patientin allein getroffen und die konservative Behandlung fortgesetzt. Die Behandlung der Klägerin erfolgte hiernach ohne ihre wirksame Einwilligung, war rechtswidrig und vom Beklagten zu vertreten (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.). Der Beklagte haftet daher für die aus dieser rechtswidrigen Behandlung entstandenen und entstehenden Folgen. 2. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, das Unterlassen der Aufklärung über die Behandlungsalternativen habe nur dann haftungsrechtliche Folgen für den Beklagten, wenn die Klägerin den Nachweis führen könne, daß sie sich für eine (unblutige) Reposition oder einen operativen Eingriff entschieden und die gewählte Behandlung die beklagten Folgen vermieden hätte.
a) Das läßt den Umstand außer Acht, daß die Klägerin in die Behandlung ohne vollständige Aufklärung über die verschiedenen Behandlungsmöglichkei-
ten und deren Erfolgsaussichten und Gefahren nicht wirksam eingewilligt hat. Erst eine nach vollständiger und gewissenhafter Aufklärung des Patienten wirksame Einwilligung ("informed consent") macht den Eingriff in seine körperliche Integrität rechtmäßig (vgl. Senatsurteil vom 28. Februar 1984 - VI ZR 70/82 - VersR 1984, 538, 539). Das gilt auch dann, wenn die Behandlung - wie hier - in der eigenverantwortlichen Fortsetzung einer von anderer Seite begonnenen Therapie besteht.
b) Die Revision beanstandet mit Erfolg, daß das Berufungsgericht ohne persönliche Anhörung der Klägerin Vermutungen darüber angestellt hat, wie diese sich entschieden hätte. Selbst wenn der Beklagte sich - was dem angefochtenen Urteil allerdings nicht zu entnehmen ist - auf den Einwand einer hypothetischen Einwilligung berufen und vorgetragen haben sollte, daß die Klägerin auch nach ordnungsgemäßer Aufklärung in die Fortsetzung der konservativen Behandlung eingewilligt hätte, hätte das Berufungsgericht zwar diesen Einwand des Arztes beachten , aber auch die Beweislastverteilung berücksichtigen müssen (vgl. Senatsurteil vom 9. November 1993 - VI ZR 248/92 - VersR 1994, 682, 684). Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ist in den Fällen, in denen der Patient aus einem Aufklärungsversäumnis des Arztes Ersatzansprüche ableitet , die Behauptungs- und Beweislast auf beide Prozeßparteien verteilt. Die Behauptungs- und Beweislast dafür, daß sich der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu der tatsächlich durchgeführten Behandlung entschlossen hätte, trifft nicht den Patienten, sondern den Arzt. Der Arzt ist jedoch erst dann beweisbelastet, wenn der Patient zur Überzeugung des Tatrichters plausibel macht, daß er - wären ihm rechtzeitig die Risiken der Behandlung verdeutlicht worden - vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte (vgl. Senatsurteil vom 14. Juni 1994 - VI ZR 260/93 - VersR 1994, 1302). Das
gilt in gleicher Weise, wenn der Arzt den Patienten über mehrere, aus medizinischer Sicht indizierte Behandlungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Erfolgsaussichten und Risiken aufzuklären hat. Auch diese Aufklärung über die bestehenden unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten dient - wie erwähnt - dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten und ist daher Voraussetzung einer rechtmäßigen Behandlung. Im Rahmen der dem Tatrichter obliegenden Prüfung der Plausibilität eines Entscheidungskonflikts kommt es allein auf die persönliche Entscheidungssituation des konkreten Patienten aus damaliger Sicht an, nicht dagegen darauf , ob ein "vernünftiger" Patient dem entsprechenden ärztlichen Rat gefolgt wäre (vgl. Senatsurteile vom 9. November 1993 - VI ZR 248/92 - aaO; vom 2. März 1993 - VI ZR 104/92 - VersR 1993, 749, 750). Feststellungen hierzu darf das Berufungsgericht grundsätzlich nicht ohne persönliche Anhörung des Patienten treffen (vgl. Senatsurteile vom 17. März 1998 - VI ZR 74/97 - VersR 1998, 766, 767; vom 4. April 1995 - VI ZR 95/94 - VersR 1995, 1055, 1057; vom 14. Juni 1994 - VI ZR 260/93 - aaO; vom 14. Juni 1994 - VI ZR 178/93 - VersR 1994, 1235, 1237). Maßgebend ist insoweit nicht, wie sich der Patient entschieden hätte. Ausreichend ist, daß er durch die Aufklärung in einen echten Entscheidungskonflikt geraten wäre. Das wird das Berufungsgericht bei entsprechendem Vortrag der Parteien zu beachten haben. 3. Soweit dem Berufungsurteil die Auffassung zugrundeliegt, die Klägerin müsse beweisen, daß eine (unblutige) Reposition oder eine Operation den eingetretenen Schaden verhindert hätte, beruht es auf einer Verkennung der Beweislast.
a) Die Revision beanstandet zwar ohne Erfolg, daß das Berufungsgericht den Nachweis der Kausalität dem Beweismaß des § 286 Abs. 1 ZPO, nicht dem
des § 287 Abs. 1 ZPO unterstellt hat. Es geht im zu entscheidenden Fall um die haftungsbegründende, nicht um die haftungsausfüllende Kausalität. Anders als in dem der Entscheidung des erkennenden Senats vom 13. Januar 1987 (- VI ZR 82/86 - VersR 1987, 667) zugrundeliegenden Sachverhalt sind hier nicht vermehrte Schmerzen der Klägerin als Sekundärschäden im Streit. Die Fortsetzung der konservativen Behandlung war nicht der "erste Verletzungserfolg" (Primärschaden), der es gestatten würde, die Funktionsbeeinträchtigungen des Handgelenks als bloße Folgeschäden anzusehen. Die Beeinträchtigungen des Handgelenks sind vielmehr der Schaden in seiner konkreten Ausprägung und damit der Primärschaden (vgl. Senatsurteil vom 21. Juli 1998 - VI ZR 15/98 - VersR 1998, 1153, 1154), für den der Ursachenzusammenhang mit dem Aufklärungsfehler nach § 286 Abs. 1 ZPO nachzuweisen ist.
b) Das Berufungsgericht verkennt aber, daß die Frage, ob eine Reposition oder eine Operation zu einem besseren Ergebnis geführt hätte, nicht die Kausalität der tatsächlich durchgeführten konservativen Behandlung für den eingetretenen Schaden, sondern einen hypothetischen Kausalverlauf im Falle des rechtmäßigen Alternativverhaltens betrifft, für den der Beklagte beweispflichtig ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 106, 153, 156; vom 10. Juli 1959 - VI ZR 87/58 - VersR 1959, 811, 812; vom 14. April 1981 - VI ZR 39/80 - VersR 1981, 677, 678; vom 13. Januar 1987 - VI ZR 82/86 - VersR 1987, 667, 668; vom 13. Dezember 1988 - VI ZR 22/88 - VersR 1989, 289, 290). aa) Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, daß die geklagten Beschwerden (entsprechend dem tatsächlichen Verlauf der Behandlung) zumindest mit auf der Fortsetzung der konservativen Behandlung beruhen. Diese Behandlung sollte u.a. dazu dienen, eine Fehlstellung des Bruchs und eine Funktionsbeeinträchtigung des Handgelenks möglichst zu vermeiden. Dazu war sie nach fortgeschrittenem Abkippen des Bruchs und der fehlenden Rückverla-
gerung des abgesprengten Knochenstücks ab dem 23. Dezember 1996 jedoch nicht mehr geeignet. Dementsprechend hat die Fehlstellung in der Folge noch zugenommen und das Knochenstück ist nicht "zurückgerutscht". bb) Der Ansicht des Berufungsgerichts, das sei deswegen unbeachtlich, weil das Ergebnis auch nach einer operativen Behandlung möglicherweise nicht anders gewesen wäre, liegt ersichtlich die Annahme eines hypothetischen Kausalverlaufs im Falle des rechtmäßigen Alternativverhaltens zugrunde, für den die Behandlungsseite beweispflichtig ist. Diese kann zwar geltend machen, der gleiche Gesundheitsschaden wäre auch nach einer Reposition oder einer primären Operation entstanden, wenn eine dieser Behandlungsmethoden gewählt worden wäre. Nur dann aber, wenn dieser Verlauf feststünde, könnte die Haftung des Beklagten für die Folgen seiner rechtswidrigen Vorgehensweise verneint werden. Dieses Beweisrisiko geht nämlich zu Lasten des Beklagten, der dementsprechend nicht nur die Möglichkeit eines solchen Verlaufs, sondern beweisen müßte, daß derselbe Mißerfolg auch nach Wahl einer solchen anderen Behandlungsmethode eingetreten wäre (vgl. Senatsurteile BGHZ 106, 153, 156; vom 14. April 1981 - VI ZR 39/80 - aaO; vom 13. Dezember 1988 - VI ZR 22/88 - aaO; BGH, BGHZ 63, 319, 325; 120, 281, 287).
III.
Nach alldem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der erkennende Senat ist an einer eigenen Entscheidung gehindert , weil es nach den vorstehenden Ausführungen weiterer Feststellungen desBerufungsgerichts bedarf. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Müller Greiner Wellner
Pauge Stöhr
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin war vom 16. Dezember 1996 bis 18. Februar 1997 nach einem im Krankenhaus konservativ versorgten Bruch in der Nähe des rechten Handgelenks in ärztlicher Betreuung des Beklagten. Der Bruch ist in Fehlstellung verheilt. Die Klägerin beanstandet, der Beklagte habe ein fortschreitendes Abkippen des Bruchs bemerkt, aber sie trotz der Gefahr einer bleibenden Funktionsbeeinträchtigung des Handgelenks nicht auf die weiteren Behandlungsmöglichkeiten einer (unblutigen) erneuten Reposition oder einer Operation des Bruchs hingewiesen. Sie begehrt ein Schmerzensgeld, das sie in Höhe von 40.000 DM für angemessen hält, Ersatz materiellen Schadens in Höhe von 34.081,97 € sowie die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz zukünftigen materiellen und immateriellen Schadens. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht führt zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus, der Beklagte habe die Klägerin spätestens am 23. Dezember 1996 darauf hinweisen müssen, daß statt der weiteren konservativen Behandlung auch eine erneute Reposition oder eine Operation des Bruchs in Erwägung zu ziehen sei. Der Beklagte habe zwar von einer Erörterung dieser Möglichkeiten mit der Klägerin abgesehen. Das führe aber nicht zu seiner Haftung. Die unterlassene Erörterung der anderweitigen Therapiemöglichkeiten habe nur dann haftungsrechtliche Folgen für den Beklagten, wenn die Klägerin nachweise , daß sie sich für einen Eingriff entschieden hätte und daß auf diesem Wege die beklagten Folgen auch vermieden worden wären. Diesen Nachweis habe sie nicht geführt. Zum einen sei die Fortsetzung der konservativen Behandlung nicht fehlerhaft gewesen. So habe nicht die konkrete Erwartung bestanden, daß bei Fortsetzung der konservativen Behandlung das rechte Handgelenk optisch und wahrscheinlich auch funktionell nicht habe wiederhergestellt werden können. Zum anderen sei völlig offen, für welche Behandlungsmethode sich die Klägerin nach ordnungsgemäßer Aufklärung entschieden haben würde. Selbst wenn davon auszugehen sei, daß sie den operativen Eingriff gewählt hätte, sei jedenfalls nicht bewiesen, daß dieser zu einem besseren Ergebnis geführt hätte. Er sei nicht nur mit einem statistischen Risiko der Wundheilungsstörung behaftet gewesen. Durch eine Operation habe zwar eine anatomisch einwandfreie Gelenkstellung erreicht werden können, doch sei dieses Ergebnis nicht sichergewesen, weil es auch zu einem Morbus Sudeck habe kommen können. Der Sachverständige habe zudem die Gefahr einer bleibenden Funktionsbeeinträchtigung des Gelenks auch für den Fall einer Operation nicht ausschließen können.
II.
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision gegen die Verneinung einer Haftung wegen Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht nicht stand. 1. Allerdings geht das Berufungsgericht im Ansatzpunkt ohne Rechtsfehler davon aus, daß es Pflicht des behandelnden Arztes ist, den Patienten über die in seinem Fall bestehenden Behandlungsmöglichkeiten mit wesentlich unterschiedlichen Risiken oder wesentlich unterschiedlichen Erfolgsaussichten in Kenntnis zu setzen und ihm als Subjekt der Behandlung die Wahl zwischen den gleichermaßen medizinisch indizierten Behandlungsmethoden zu überlassen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist die Wahl der Behandlungsmethode zwar primär Sache des Arztes. Gibt es indessen mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden, die wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen aufweisen, besteht mithin eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten, dann muß diesem nach entsprechend vollständiger ärztlicher Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welchem Wege die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will (vgl. Senatsurteile BGHZ 102, 17, 22; vom 24. November 1987 - VI ZR 65/87 - VersR 1988, 190, 191 - je m.w.N.). Es geht dabei um die dem Patienten geschuldete Selbstbestimmungsaufklärung oderRisikoaufklärung (vgl. BGHZ aaO; Laufs in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl., § 63 Rdn. 21 ff.) und nicht um therapeutische Aufklärung (Sicherungsaufklärung). Die Pflicht zur Selbstbestimmungsaufklärung ist in gleicher Weise Nebenpflicht des Behandlungsvertrags wie Ausfluß der Garantenstellung des Arztes (vgl. Senatsurteile vom 22. April 1980 - VI ZR 37/79 - VersR 1981, 456, 457; vom 8. Mai 1990 - VI ZR 227/89 - VersR 1990, 1010, 1011).
a) Die Voraussetzungen für eine Beteiligung der Klägerin an der Therapiewahl lagen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vor. Wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang ausführt, war die Fortsetzung der konservativen Behandlung nach dem 23. Dezember 1996 zwar nicht fehlerhaft, sondern eine von mehreren Möglichkeiten zur Behandlung des Bruchs. Dem angefochtenen Urteil ist auch zu entnehmen, daß das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen K. der Behandlung mittels (unblutiger) Reposition oder operativer Neueinrichtung des Bruchs wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgsaussichten beimißt, die der Klägerin eine echte Wahlmöglichkeit eröffneten und daher ihre Beteiligung an der Therapiewahl erforderten. Das Berufungsgericht geht deshalb mit dem Sachverständigen K. davon aus, der Beklagte habe spätestens am 23. Dezember 1996 die Klägerin darauf hinweisen müssen, daß statt einer Fortsetzung der konservativen Behandlung auch eine erneute Reposition oder eine Operation des Bruchs in Erwägung zu ziehen gewesen wäre, weil einerseits infolge des "abgekippten" Bruchs und eines gelenknahen Knochenbruchstücks die Gefahr einer bleibenden Funktionsbeeinträchtigung des rechten Handgelenks, andererseits aber bei erneuter (unblutiger) Reposition oder Operation die Gefahr eines Morbus Sudeck bestand. Das Berufungsgericht hat dies ersichtlich als unterschiedliche Risiken und unterschiedliche Erfolgschancen
gewertet. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen.
b) Unter diesen vom Berufungsgericht festgestellten Umständen war der Beklagte spätestens am 23. Dezember 1996 verpflichtet, die Klägerin nicht nur davon in Kenntnis zu setzen, daß der Bruch in Fehlstellung zu verheilen drohte (sog. Diagnoseaufklärung, vgl. zuletzt BVerfG, Beschluß der 2. Kammer des 1. Senats vom 18. November 2004 - 1 BvR 2315/04 - EuGRZ 2004, 805, 806), sondern auch davon, daß eine bei Fortsetzung der konservativen Behandlung drohende Funktionseinschränkung des Handgelenks möglicherweise durch eine erneute (unblutige) Reposition oder durch eine primäre operative Neueinrichtung des Bruchs vermieden werden könne, ihr die Chancen und Risiken dieser möglichen unterschiedlichen Behandlungsmethoden zu erläutern und sodann zusammen mit ihr die Wahl der Therapie zu treffen. Der Beklagte hat jedoch die der Klägerin eröffnete Wahl ohne ordnungsgemäße Beteiligung der Patientin allein getroffen und die konservative Behandlung fortgesetzt. Die Behandlung der Klägerin erfolgte hiernach ohne ihre wirksame Einwilligung, war rechtswidrig und vom Beklagten zu vertreten (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.). Der Beklagte haftet daher für die aus dieser rechtswidrigen Behandlung entstandenen und entstehenden Folgen. 2. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, das Unterlassen der Aufklärung über die Behandlungsalternativen habe nur dann haftungsrechtliche Folgen für den Beklagten, wenn die Klägerin den Nachweis führen könne, daß sie sich für eine (unblutige) Reposition oder einen operativen Eingriff entschieden und die gewählte Behandlung die beklagten Folgen vermieden hätte.
a) Das läßt den Umstand außer Acht, daß die Klägerin in die Behandlung ohne vollständige Aufklärung über die verschiedenen Behandlungsmöglichkei-
ten und deren Erfolgsaussichten und Gefahren nicht wirksam eingewilligt hat. Erst eine nach vollständiger und gewissenhafter Aufklärung des Patienten wirksame Einwilligung ("informed consent") macht den Eingriff in seine körperliche Integrität rechtmäßig (vgl. Senatsurteil vom 28. Februar 1984 - VI ZR 70/82 - VersR 1984, 538, 539). Das gilt auch dann, wenn die Behandlung - wie hier - in der eigenverantwortlichen Fortsetzung einer von anderer Seite begonnenen Therapie besteht.
b) Die Revision beanstandet mit Erfolg, daß das Berufungsgericht ohne persönliche Anhörung der Klägerin Vermutungen darüber angestellt hat, wie diese sich entschieden hätte. Selbst wenn der Beklagte sich - was dem angefochtenen Urteil allerdings nicht zu entnehmen ist - auf den Einwand einer hypothetischen Einwilligung berufen und vorgetragen haben sollte, daß die Klägerin auch nach ordnungsgemäßer Aufklärung in die Fortsetzung der konservativen Behandlung eingewilligt hätte, hätte das Berufungsgericht zwar diesen Einwand des Arztes beachten , aber auch die Beweislastverteilung berücksichtigen müssen (vgl. Senatsurteil vom 9. November 1993 - VI ZR 248/92 - VersR 1994, 682, 684). Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ist in den Fällen, in denen der Patient aus einem Aufklärungsversäumnis des Arztes Ersatzansprüche ableitet , die Behauptungs- und Beweislast auf beide Prozeßparteien verteilt. Die Behauptungs- und Beweislast dafür, daß sich der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu der tatsächlich durchgeführten Behandlung entschlossen hätte, trifft nicht den Patienten, sondern den Arzt. Der Arzt ist jedoch erst dann beweisbelastet, wenn der Patient zur Überzeugung des Tatrichters plausibel macht, daß er - wären ihm rechtzeitig die Risiken der Behandlung verdeutlicht worden - vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte (vgl. Senatsurteil vom 14. Juni 1994 - VI ZR 260/93 - VersR 1994, 1302). Das
gilt in gleicher Weise, wenn der Arzt den Patienten über mehrere, aus medizinischer Sicht indizierte Behandlungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Erfolgsaussichten und Risiken aufzuklären hat. Auch diese Aufklärung über die bestehenden unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten dient - wie erwähnt - dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten und ist daher Voraussetzung einer rechtmäßigen Behandlung. Im Rahmen der dem Tatrichter obliegenden Prüfung der Plausibilität eines Entscheidungskonflikts kommt es allein auf die persönliche Entscheidungssituation des konkreten Patienten aus damaliger Sicht an, nicht dagegen darauf , ob ein "vernünftiger" Patient dem entsprechenden ärztlichen Rat gefolgt wäre (vgl. Senatsurteile vom 9. November 1993 - VI ZR 248/92 - aaO; vom 2. März 1993 - VI ZR 104/92 - VersR 1993, 749, 750). Feststellungen hierzu darf das Berufungsgericht grundsätzlich nicht ohne persönliche Anhörung des Patienten treffen (vgl. Senatsurteile vom 17. März 1998 - VI ZR 74/97 - VersR 1998, 766, 767; vom 4. April 1995 - VI ZR 95/94 - VersR 1995, 1055, 1057; vom 14. Juni 1994 - VI ZR 260/93 - aaO; vom 14. Juni 1994 - VI ZR 178/93 - VersR 1994, 1235, 1237). Maßgebend ist insoweit nicht, wie sich der Patient entschieden hätte. Ausreichend ist, daß er durch die Aufklärung in einen echten Entscheidungskonflikt geraten wäre. Das wird das Berufungsgericht bei entsprechendem Vortrag der Parteien zu beachten haben. 3. Soweit dem Berufungsurteil die Auffassung zugrundeliegt, die Klägerin müsse beweisen, daß eine (unblutige) Reposition oder eine Operation den eingetretenen Schaden verhindert hätte, beruht es auf einer Verkennung der Beweislast.
a) Die Revision beanstandet zwar ohne Erfolg, daß das Berufungsgericht den Nachweis der Kausalität dem Beweismaß des § 286 Abs. 1 ZPO, nicht dem
des § 287 Abs. 1 ZPO unterstellt hat. Es geht im zu entscheidenden Fall um die haftungsbegründende, nicht um die haftungsausfüllende Kausalität. Anders als in dem der Entscheidung des erkennenden Senats vom 13. Januar 1987 (- VI ZR 82/86 - VersR 1987, 667) zugrundeliegenden Sachverhalt sind hier nicht vermehrte Schmerzen der Klägerin als Sekundärschäden im Streit. Die Fortsetzung der konservativen Behandlung war nicht der "erste Verletzungserfolg" (Primärschaden), der es gestatten würde, die Funktionsbeeinträchtigungen des Handgelenks als bloße Folgeschäden anzusehen. Die Beeinträchtigungen des Handgelenks sind vielmehr der Schaden in seiner konkreten Ausprägung und damit der Primärschaden (vgl. Senatsurteil vom 21. Juli 1998 - VI ZR 15/98 - VersR 1998, 1153, 1154), für den der Ursachenzusammenhang mit dem Aufklärungsfehler nach § 286 Abs. 1 ZPO nachzuweisen ist.
b) Das Berufungsgericht verkennt aber, daß die Frage, ob eine Reposition oder eine Operation zu einem besseren Ergebnis geführt hätte, nicht die Kausalität der tatsächlich durchgeführten konservativen Behandlung für den eingetretenen Schaden, sondern einen hypothetischen Kausalverlauf im Falle des rechtmäßigen Alternativverhaltens betrifft, für den der Beklagte beweispflichtig ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 106, 153, 156; vom 10. Juli 1959 - VI ZR 87/58 - VersR 1959, 811, 812; vom 14. April 1981 - VI ZR 39/80 - VersR 1981, 677, 678; vom 13. Januar 1987 - VI ZR 82/86 - VersR 1987, 667, 668; vom 13. Dezember 1988 - VI ZR 22/88 - VersR 1989, 289, 290). aa) Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, daß die geklagten Beschwerden (entsprechend dem tatsächlichen Verlauf der Behandlung) zumindest mit auf der Fortsetzung der konservativen Behandlung beruhen. Diese Behandlung sollte u.a. dazu dienen, eine Fehlstellung des Bruchs und eine Funktionsbeeinträchtigung des Handgelenks möglichst zu vermeiden. Dazu war sie nach fortgeschrittenem Abkippen des Bruchs und der fehlenden Rückverla-
gerung des abgesprengten Knochenstücks ab dem 23. Dezember 1996 jedoch nicht mehr geeignet. Dementsprechend hat die Fehlstellung in der Folge noch zugenommen und das Knochenstück ist nicht "zurückgerutscht". bb) Der Ansicht des Berufungsgerichts, das sei deswegen unbeachtlich, weil das Ergebnis auch nach einer operativen Behandlung möglicherweise nicht anders gewesen wäre, liegt ersichtlich die Annahme eines hypothetischen Kausalverlaufs im Falle des rechtmäßigen Alternativverhaltens zugrunde, für den die Behandlungsseite beweispflichtig ist. Diese kann zwar geltend machen, der gleiche Gesundheitsschaden wäre auch nach einer Reposition oder einer primären Operation entstanden, wenn eine dieser Behandlungsmethoden gewählt worden wäre. Nur dann aber, wenn dieser Verlauf feststünde, könnte die Haftung des Beklagten für die Folgen seiner rechtswidrigen Vorgehensweise verneint werden. Dieses Beweisrisiko geht nämlich zu Lasten des Beklagten, der dementsprechend nicht nur die Möglichkeit eines solchen Verlaufs, sondern beweisen müßte, daß derselbe Mißerfolg auch nach Wahl einer solchen anderen Behandlungsmethode eingetreten wäre (vgl. Senatsurteile BGHZ 106, 153, 156; vom 14. April 1981 - VI ZR 39/80 - aaO; vom 13. Dezember 1988 - VI ZR 22/88 - aaO; BGH, BGHZ 63, 319, 325; 120, 281, 287).
III.
Nach alldem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der erkennende Senat ist an einer eigenen Entscheidung gehindert , weil es nach den vorstehenden Ausführungen weiterer Feststellungen desBerufungsgerichts bedarf. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Müller Greiner Wellner
Pauge Stöhr
(1) Erstattet ein vom Gericht ernannter Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten, so ist er zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht.
(2) § 839 Abs. 3 ist entsprechend anzuwenden.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)