Oberlandesgericht Hamm Urteil, 21. Jan. 2016 - 18 U 35/13
Gericht
Tenor
Der Berufungsantrag zu 1. ist im Umfang von 3.463,80 € nebst anteiliger Zinsen durch den am 19.11.2015 festgestellten Teilvergleich erledigt.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin gegen das am 20.2.2013 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2A.
3Die Klägerin verfolgt gegen die Beklagte derzeit noch Ausgleichsansprüche aus § 89 b HGB bzw. in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift.
4Sie betrieb aufgrund des „C Tankstellen- und C Store-Konzeptvertrages“ (im Folgenden: Tankstellenvertrag) vom 4.6.2008 die Station der Beklagten an der T-Straße in T2. Dieser Vertrag lautet auszugsweise wie folgt:
5C Tankstellen- und C Store-Konzeptvertrag
6(Tankstellenvertrag)
7…
8III. C Store-Konzept
912. Grundlagen
1012.1 C hat unter der Bezeichnung „C Store“ bundesweit ein qualitativ hochwertiges … Sortiment in den verschiedenen Bereichen (Food und Nonfood) definiert, das in einem einheitlichen, typischen Gesamter- scheinungsbild angeboten wird. Dieses Sortiment ist die Grundlage für den Aufbau, die Struktur, die Qualität und den Erfolg des C Store- Konzeptes …
1112.2 Partner und C sind sich darüber einig, dass die einheitliche Anwen- dung des C Store-Konzeptes von entscheidender Bedeutung für den
12Erfolg des Konzeptes ist. … Die Vertragsparteien stimmen überein, dass dieses voraussetzt, dass auch der Partner die Grundsätze des C Store-Konzeptes beachtet. …
13…
1412.4 … Partner entscheidet aufgrund seiner Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse über das konkrete Angebot. Er wird dabei die Grundsätze des C Store-Konzeptes beachten. Partner legt die Endverkaufspreise selbstverantwortlich fest, mit Ausnahme für die Agentur- und Kommissionswaren.
1512.5 Partner betreibt das Einzelhandelsgeschäft im eigenen Namen und auf eigene Rechnung als „C Store“, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist. C wird dem Partner bestimmte Lieferanten empfehlen oder selbst als Anbieter auftreten. Partner ist jedoch in der Auswahl seiner Lieferanten frei.
1613. Petit Bistro
17…
1816. Kommissionsgeschäft
1916.1 Partner beteiligt sich an den von C angebotenen Aktionen mit ausgewählten Aktionswaren, die üblicherweise nicht zu dem empfohlenen Sortiment gehören. Die Aktionswaren werden im Namen des Partners aber für Rechnung des Kommittenten verkauft.
20…
2116.6 Partner erhält von C eine Provision vom Netto-Verkaufspreis der Aktionswaren zuzüglich Umsatzsteuer …
22…
23IV. Waschgeschäft
2417. C SuperWash
2517.1 C hat ein Systemwaschgeschäft unter der Bezeichnung „C SuperWash“ entwickelt. Es zeichnet sich insbesondere durch einheitliche technische und optische Ausstattung der … Anlagen aus. Das System beinhaltet weiterhin ein von C herausgegebenes und mit namhaften Herstellern entwickeltes Wasch- und Reinigungschemie-Programm. Die Vertragsparteien stimmen überein, dass zur Wahrung eines einheitlichen Außenauftritts auch die angebotenen Waschprogramme einheitlich sein sollten.
2617.2 C überlässt Partner eine Waschhalle einschließlich Autowaschanlage und Nebenaggregaten. Partner wird diese im eigenen Namen und auf eigene Rechnung unter der Bezeichnung „C SuperWash“ betreiben.
27…
2818. Grundlagen Waschgeschäft
2918.1 Partner trägt die wasserrechtliche Verantwortung für den ordnungsgemäßen Betrieb der Waschhalle/Portalwaschanlage … Zur Erzielung optimaler Waschergebnisse, zur Sicherung eines einwandfreien Betriebsablaufes und zur Erreichung größtmöglichen Gewässerschutzes wird Partner nur geeignete Wasch-, Konservierungs- und Reinigungsmittel verwenden, z.B. die C Waschchemie-Serien. C behält sich das Recht vor, zur Abwendung von Schäden die Nutzung von einzelnen Produkten und/oder Lieferanten auszuschließen.
30…
31V. Entgelte
3220. Provision
33…
3421. Pachten
3521.1 Für die Überlassung des Geschäftsbetriebs zahlt Partner eine Pacht gemäß den nachfolgenden Grundsätzen
36…
37f) … In den Sternegruppen 2 bis 7 Sterne beträgt die Umsatzpacht auf
38Nettoumsätze mit
39- Tabakerzeugnissen …
40- allen anderen Waren aus dem Shopsortiment …
41- Autowaschanlage:
42sofern die Autowaschanlage von C gestellt wird 45,0 %, …
43…
44Die Klägerin hatte diese Station zuvor bereits von Anfang 2004 bis zum 1.6.2007 geführt; vom Herbst 2004 bis Anfang Juli 2008 führte sie (teilweise) parallel eine weitere Station der Beklagten in D, auf die sich der Tankstellenvertrag vom 17.9.2004 bezog. Ebenfalls unter dem 4.6.2008 (K30) schlossen die Parteien eine „Vereinbarung (Vertragsbeendigung im gegenseitigen Einvernehmen, Übernahme einer neuen Tankstelle)“, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Schließlich kam es unter dem 4.6.2008 noch zur beiderseitigen Unterzeichnung einer „Vereinbarung E-Loading über den Verkauf von elektronischen Prepaid-Mobilfunkguthaben und Prepaid-Services” (im Folgenden: “Vereinbarung E-Loading”), der zufolge die Klägerin von C eine umsatzabhängige Vermittlungsprovision für die Vermittlung der elektronischen Prepaid-Produkte erhält.
45Mit Schreiben vom 8.2.2010 kündigte die Beklagte den Vertrag mit Wirkung zum 31.8.2010. Sie zahlte an die Klägerin auf den Handelsvertreterausgleich 53.350,00 € (brutto).
46Die Klägerin hat im Laufe des Rechtsstreits Ausgleichsansprüche gem. § 89 b HGB in Höhe von 396.485,00 € geltend gemacht. Davon entfielen unter Berücksichtigung eines Stammkundenumsatzanteils von 73,60 % auf das eigentliche Agenturgeschäft zuletzt noch 105.674,00 € (brutto), auf das sogenannte Waschgeschäft 73.586,00 € (brutto) und auf das sog. Shopgeschäft 270.775,00 € (brutto). Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ausgleichspflichtig seien auch die Einnahmen aus dem Waschgeschäft, bei dem es sich wegen der Bindung an die Lieferanten der Waschchemie und der übrigen Vorgaben der Beklagten betreffend das Marketing ebenfalls um ein Agenturgeschäft handele. Ausweislich der „G-Analyse“ liege der Stammkundenumsatzanteil bei 77,93 %; unter Berücksichtigung des § 89 b Abs. 2 HGB ergebe sich insoweit eine Forderung von 73.586,00 € (brutto). Die Kappungsgrenze errechne sich dabei unter Berücksichtigung der Umsätze, die sie in beiden Tankstellen (T2 und D) erzielt habe.
47Die Klägerin hat ferner gemeint, ihr stehe bezüglich des sog. Shopgeschäfts ein Ausgleichsanspruch gem. § 89 b Abs. 1 HGB (an.) zu, weil sie auch insoweit einem Handelsvertreter gleichgestanden habe. Eine Freiheit in Bezug auf die Wahl der Lieferanten habe es nicht gegeben. Dieser Anspruch betrage 270.775,00 €. Dazu hat sie behauptet, der Stammkundenanteil belaufe sich auf 68,52 %. Es errechne sich ein Ausgleichsbetrag von 330.754,00 € (brutto), der jedoch oberhalb der – nach den durchschnittlichen Shop-Umsätzen aus beiden Tankstellen zu ermittelnden - Kappungsgrenze (270.775,00 €) liege. Die Klägerin hat ihren Zahlungsantrag hilfsweise auf einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 166.097,30 € gestützt, weil die Beklagte die üblicherweise gewährten Skonti (3 %) und Boni (5 % bzw. 3 % auf Tabakwaren) der Lieferanten selbst abgeschöpft habe. Bezogen auf den Netto-Einkaufswert von 2.507.754,62 € ergäben sich daraus Vermögensnachteile in Höhe von 75.232,62 € und weiteren 90.864,68 € (zusammen 166.097,30 €).
48Die Beklagte hat die Höhe der von der Klägerin im Rahmen des § 89 b Abs. 2 HGB (sog. Kappungsgrenze) angesetzten Kraftstoffprovisionen bestritten und ferner die Auffassung vertreten, die Dienstleistungsvergütung in Höhe von 18.000,00 € jährlich (Ziff. 24 des Tankstellenvertrages) stelle keine Provision dar. Das Waschgeschäft sei nicht ausgleichspflichtig, die insoweit von der Klägerin angesetzten 91.128,00 € seien nicht nachvollziehbar. Unzutreffend seien die behaupteten Stammkundenumsatzanteile, die Klägerin stelle überdies unzulässigerweise ihre Margen etwaigen Provisionen gleich. Es sei außerdem zu berücksichtigen, dass der Tankstellenvertrag nur über einen Zeitraum von 27 Monaten gelaufen sei, so dass die Klägerin einen Abzug für übernommene Stammkunden akzeptieren müsse. Auch die unter den Parteien getroffenen Überleitungsvereinbarungen seien zu berücksichtigen.
49Aus dem Shop-Geschäft stünden der Klägerin keine Schadensersatzansprüche zu, denn sie sei nicht „in die Absatzorganisation der Beklagten einbezogen“ worden, sondern in der Wahl ihrer Lieferanten frei gewesen. Etwaige Nachteile könnten überdies nur im Rahmen eines Gesamtvergleichs schlüssig dargestellt werden, der auf die von der Klägerin am Markt konkret erzielbaren Konditionen abstellen müsse.
50Das Shop-Geschäft sei auch nicht ausgleichspflichtig, weil die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 89 b HGB nicht vorlägen. Überdies werde auch insoweit der behauptete Stammkundenumsatzanteil bestritten. Die Klägerin könne wiederum nicht ihre Marge als Händlerin kurzerhand als ausgleichspflichtige Provision ansehen.
51Die Parteien haben im Termin vor der Kammer am 9.1.2013 im Wege eines Teilvergleichs (Zahlung weiterer 21.500,00 € an die Klägerin) den Ausgleichsanspruch aus dem „Kraft- und Schmierstoffgeschäft“ sowie Ansprüche aus einem zwischenzeitlich ebenfalls geltend gemachten Stufenantrag auf Vornahme von (Neu‑)Abrechnungen betreffend Geschäfte aus dem „Agenturbestand“ der Stationen in D und T2 erledigt.
52Die Klägerin hat sodann sinngemäß noch beantragt,
53die Beklagte zu verurteilen, an sie
54I. 344.361,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 314.942,05 € seit dem 9.8.2010 sowie aus weiteren 29.418,95 € seit Rechtshängigkeit,
55II. außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.497,20 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit
56zu zahlen.
57Die Beklagte hat beantragt,
58die Klage abzuweisen.
59Mit Urteil vom 20.2.2013 hat das Landgericht die Klage bis auf einen geringen Betrag der verlangten außergerichtlichen Anwaltskosten abgewiesen. Es führt aus, weder das Wasch- noch das Shop-Geschäft seien gem. § 89 b HGB (an.) ausgleichspflichtig.
60Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche, soweit sie nicht Gegenstand des Teilvergleichs geworden sind, weiter.
61Sie bekräftigt ihre Auffassung, wonach das Waschgeschäft ausgleichspflichtig sei. Das Landgericht habe verkannt, dass die Beklagte Preisvorgaben direkter und indirekter Art vornehme. So stehe dem Pächter insbesondere auch nicht die Teilnahme an Sonderaktionen frei. Ein technisches Erfordernis zur Vorgabe der einzusetzenden Wasch- und Pflegesubstanzen bestimmter Hersteller gebe es nicht. Unabhängig von der Frage bindender Preisvorgaben führe bereits eine Gesamtwürdigung der übrigen Umstände dazu, das Wasch-Geschäft als Agentur-Geschäft zu qualifizieren. Im Übrigen sei die Annahme des Landgerichts, die Klägerin habe zur Vorgabe der Waschpreise nicht substantiiert vorgetragen, unzutreffend und offenbare einen Verstoß gegen § 139 ZPO.
62Auch aus dem Shopgeschäft stehe ihr ein Ausgleichsanspruch zu. Die Pächter seien dergestalt in das Vertriebssystem der Beklagten eingebunden, wie dies für Handelsvertreter typisch sei. Es existierten Preisvorgaben, doch genügten bereits die übrigen Umstände, um das Shopgeschäft einem Agentur-Geschäft gleichzustellen, z.B. die Vorgaben zur Warenpräsentation und deren regelmäßige Kontrollen sowie das sog. Labour Modell, mit dem in die „Personalhoheit“ der Pächter eingegriffen werde. Die Beklagte fungiere selbst als Lieferant und bediene sich dabei der Fa. F lediglich als „Logistikdienstleisters“. Die im Tankstellenvertrag erwähnte Freiheit des Pächters bezüglich der Auswahl seiner Lieferanten sei eine Farce. Was die Telefonkarten angehe, so sei ein anderweitiger Bezug schon deshalb nicht möglich, weil das Terminal von F zur Verfügung gestellt werde. Die Beklagte selbst sehe in der Vereinbarung „E-Loading“ für den Verkauf von „elektronischen Prepaid-Produkten“ eine „umsatzabhängige Vermittlungsprovision“ vor. Durch die von der Beklagten für die Pächter vorgenommene Geschäftsplanung über das interne „Tool Performance Monitoring“ stehe nunmehr fest, dass nicht nur die Einkaufs-, sondern auch die Verkaufspreise der Shopwaren vorgegeben würden.
63Die Klägerin beantragt,
64die Beklagte unter Abänderung des am 20.2.2013 verkündeten Urteils des Landgerichts Bochum (Az. I-13 O 32/11) zu verurteilen,
651. an sie 344.361,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 314.942,05 € seit dem 9.8.2010 sowie aus weiteren 29.418,95 € seit Rechtshängigkeit sowie
662. an sie weitere Anwaltskosten in Höhe von 1.422,34 € nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit
67zu zahlen.
68Die Beklagte beantragt,
69die Berufung zurückzuweisen.
70Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näheren Ausführungen. Sie verweist auf die Ausführungen des Senats zur Frage der Ausgleichspflichtigkeit des Wasch- und Shopgeschäfts in dem Verfahren 18 U 169/12.
71Auf einen Hinweis des Senats vom 23.9.2013, wonach Ausgleichsansprüche aus dem „Tankstellenvertrag T2“ grundsätzlich einen anderen Streitgegenstand darstellten als Ausgleichsansprüche aus dem „Tankstellenvertrag D“, und wonach die Darlegung eines einheitlichen Ausgleichsanspruchs unter teilweisem Rückgriff auch auf den „Tankstellenvertrag D“ unschlüssig sein könnte, hat die Klägerin darauf verwiesen, es ergebe sich aus Ziff. 5 der Vereinbarung vom 4.6.2008, dass im Rahmen der Ausgleichsberechnung „auch die Umsätze und Provisionen beider Tankstellen“ zu berücksichtigen seien. „Hilfsweise“ begehre sie die Ansprüche „unter Zugrundelegung der Zahlen der neuen Tankstelle“.
72Nachdem die Parteien das Verfahren im Hinblick auf eine zu diesem Zeitpunkt noch ausstehende Entscheidung des Bundesgerichtshofs in einer Parallelsache ruhend gestellt haben, ist der Klägerin Gelegenheit gegeben worden, einen etwaigen Ausgleichsanspruchs bezüglich der „Vereinbarung E-Loading“ zu beziffern. Die Klägerin hat ihren Anspruch insoweit mit 3.463,80 € berechnet. Der Senat hat sodann mit Beschluss vom 19.11.2015 das Zustandekommen eines Vergleichs über den Ausgleichsanspruch betreffend die „Vereinbarung E-Loading“ festgestellt.
73Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen.
74B.
75Die zulässige Berufung der Klägerin hat, soweit es nicht um den per Teilvergleich erledigten Ausgleichsanspruch aus der „Vereinbarung E-Loading“ geht, keinen Erfolg.
76I.
77Die Klage ist zulässig. Es liegt, auch soweit die Klägerin Ausgleichsansprüche in direkter oder entsprechender Anwendung des § 89 b HGB verfolgt, keine unzulässige Alternativklage vor. Die Klägerin hat mit ihrem Schriftsatz vom 30.10.2013 klargestellt, dass sie lediglich den Ausgleich aus dem „Tankstellenvertrag T2“ begehrt. Soweit sie bei dessen Darlegung - nämlich bezüglich der „Kappungsgrenze“ - auf die im Rahmen des „Tankstellenvertrags D“ erwirtschafteten Umsätze bzw. Provisionen zurückgegriffen hat, stellt dies nur einen Berechnungsschritt dar, mit dem der Streitgegenstand nicht ausgeweitet wird.
78II.
79Der Klägerin steht jedoch weder aus dem Wasch- noch aus dem Shopgeschäft ein Ausgleichsanspruch in (entsprechender) Anwendung des § 89 b Abs. 1 HGB zu.
801.
81Bezüglich des Waschgeschäfts gilt:
82a)
83Die Klägerin hat die Waschanlage gem. Ziff. 17.2 des Tankstellenvertrags im eigenen Namen und auf eigene Rechnung betrieben. Sie war insoweit nicht Handelsvertreterin der Beklagten, mag diese ihr auch die Waschanlage gestellt haben, so dass sich die Klägerin nicht auf die Regelung des § 89 b HGB in direkter Anwendung berufen kann.
84Anders läge es nur dann, wenn das sog. Waschgeschäft eine im Hinblick auf das eigentliche Tankstellengeschäft, also den Verkauf von Kraft- und Schmierstoffen („Agenturwaren“), solchermaßen unselbstständige Betätigung darstellte, dass trotz der vom Agenturgeschäft gesonderten rechtlichen Ausgestaltung als „Eigengeschäft“ eine Differenzierung im Hinblick auf einen Ausgleichsanspruch nicht hinnehmbar oder gar als unzulässiger Ausschluss eines Ausgleichsanspruchs gem. § 89 b Abs. 4 S. 1 HGB aufzufassen wäre.
85Für eine solche Betrachtungsweise fehlt es jedoch an tragfähigen Anhaltspunkten. Der Betrieb der Waschanlage mag in das Marketingkonzept der Beklagten gehören, doch ändert dies nichts daran, dass der eigentliche Tankstellenbetrieb davon rechtlich und tatsächlich unabhängig ist. Die Vorhaltung der Waschanlage stellte auch im Rahmen des Tankstellenvertrags mit der Klägerin ein zusätzliches Serviceangebot an Autofahrer dar, das für den Pächter mit spezifischen Chancen und Risiken verbunden ist, die beim eigentlichen „Tankgeschäft“ nicht auftreten. Entscheiden sich die Vertragspartner bei dieser Sachlage dazu, dass der Pächter das Waschgeschäft im eigenen Namen und auf eigene Rechnung betreibt, schließt es diese Regelung aus, den Pächter gleichwohl auch insoweit als Handelsvertreter anzusehen.
86b)
87Indes kann nach herrschender Auffassung auch die Absatztätigkeit eines Vertrags- oder Eigenhändlers zu Ausgleichsansprüchen in entsprechender Anwendung des § 89 b Abs. 1 HGB führen (z.B. BGH, Urt. vom 5.2.2015, Az. VII ZR 315/13, NJW 2015, S. 1300, Rn. 11; Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 84 HGB Rn. 11ff.; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Löwisch, HGB, 3. Aufl., § 89 b, Rn. 213).
88Die Entstehung eines solchen Ausgleichsanspruchs erfordert jedoch zum einen die Eingliederung in die Absatzorganisation des Herstellers/Lieferanten dergestalt, dass der Partner bzw. Vertragshändler/Franchisenehmer „wirtschaftlich in erheblichem Umfang einem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hat“, und setzt zum anderen die Verpflichtung voraus, dem Unternehmer spätestens bei Vertragsende den Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser die „Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann“ (BGH, Urt. vom 22.10.2003, Az. VIII ZR 6/03, NJW-RR 2004, S. 898; Urt. vom 5.2.2015, Az. VII ZR 315/13, a.a.O.). Diese Voraussetzungen gelten auch im Verhältnis zwischen Franchisenehmer und –geber (BGH, Urt. vom 5.2.2015, Az. VII ZR 109/13), wobei der Bundesgerichtshof die Frage einer analogen Anwendbarkeit des § 89 b HGB auf Vertragshändler- oder Franchiseverhältnisse in dieser Entscheidung sogar als bislang nicht entschieden ansieht.
89Ferner hat der Bundesgerichtshof, der zunächst offengelassen hatte, ob beim Franchising anstelle der rechtlichen Verpflichtung das tatsächliche Verbleiben des Kundenstammes beim Franchisenehmer ausreicht (NJW 1997, 3304 - „Benetton“), im soeben genannten Urteil vom 5.2.2015 (Az. VII ZR 109/13) festgestellt, dass bei Franchiseverträgen, die ein im Wesentlichen anonymes Massengeschäft betreffen, eine bloß faktische Kontinuität des Kundenstammes nach Vertragsbeendigung die entsprechende Anwendung der auf Handelsvertreter zugeschnittenen Bestimmung des § 89 b HGB nicht rechtfertigt. Diese Entscheidung betraf Ausgleichsansprüche aus dem Betrieb zweier Backshops im Rahmen eines Franchisesystems. Sie ist jedoch auch auf den vorliegenden Fall anwendbar:
90Auch bei dem Betrieb der Autowaschanlage auf der Station T-Straße in T2 handelte es sich um ein anonymes Massengeschäft im Sinne des Bundesgerichtshofs. Da die Klägerin zu einer „Übertragung des Kundenstamms“ der Waschanlage nicht verpflichtet war, eine solche nicht vornehmen konnte und auch nicht vorgenommen hat, scheitern Ausgleichsansprüche für das Waschgeschäft bereits aus diesem Grund.
91Soweit die Klägerin im Rahmen des Betriebs der Waschanlage „Waschkarten“ (mit dem Versprechen einer Gratiswäsche nach einer bestimmten Anzahl von Wäschen) ausgegeben sowie (Wasch-)Umsätze auch mit sog. Stationskreditkunden erzielt hat, ergibt sich daraus auch nicht teilweise eine andere rechtliche Bewertung: Denn die Ausgabe von Waschkarten selbst führt nur zu einer faktischen Bindung der betreffenden Kunden; diese selbst bleiben anonym. Aus solchen „Kundenbindungsmechanismen“ folgt jedenfalls keine Verpflichtung des Pächters, den Kundenstamm zu übertragen, die für die Existenz eines Ausgleichsanspruchs entscheidend ist (BGH, a.a.O., Az. VII ZR 109/13 Rn. 14). An dieser Verpflichtung fehlt es auch bezüglich der Stationskreditkunden. Die Beziehung zu ihnen wird und darf der Pächter mit Aufgabe der Station beenden. Eine Verpflichtung, diese Geschäftsverbindungen „weiterzugeben“, ist im Tankstellenvertrag nicht enthalten. Im Übrigen scheitert eine entsprechende Anwendung des § 89 b HGB auf den Franchisenehmer bereits dann, wenn der von ihm geworbene Kundenstammim Wesentlichen anonym und als solcher nicht ohne weiteres für den Franchisegeber nutzbar ist (BGH, a.a.O, Rn. 18). Da die Umsätze der Klägerin mit Stationskreditkunden deutlich unter 2 % der Gesamtumsätze (sowohl im Wasch- als auch im Shopgeschäft) lagen, handelte es sich bei der gebotenen Gesamtbetrachtung um einen im wesentlichen anonymen Kundenstamm.
92c)
93Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch die Voraussetzungen für eine handelsvertreterähnliche Eingliederung in die Absatzorganisation der Beklagten, was den Betrieb der Waschanlage betrifft, nicht vorlagen. Die Klägerin behauptet zwar, keine Möglichkeit gehabt zu haben, „Art oder Umfang oder Preis und sonstige wesentliche Merkmale der Leistungserbringung“ selbst zu bestimmen. Dem Senat ist hingegen aus anderen Verfahren bekannt, dass die Beklagte keine verbindlichen direkten Preisvorgaben gemacht hat; dass es im Fall der Klägerin anders lag, hat sie nicht konkret behauptet. Zwar mag es über die Akzeptanz von „Waschpässen“ und sogenannter Payback-Wäschen (zum ermäßigten Preis von nur 3,00 €) sowie durch die möglicherweise der Klägerin aufgedrängte Teilnahme an „Waschaktionen“ zu indirekten Preisvorgaben der Beklagten gekommen sein, denen sich die Klägerin letztlich auch faktisch gebeugt hat. Doch ändert dies nichts daran, dass sie rechtlich und tatsächlich in der Lage war, die Preise für die angebotenen Waschprogramme selbst festzulegen. Entsprechendes galt für die Auswahl der sog. Waschchemie. Auch insoweit bestand keine Verpflichtung, die Produkte von Empfehlungslieferanten einzusetzen. Dass sich die Klägerin gleichwohl dazu entschloss, „der Einfachheit halber“ sowie zur Vermeidung etwaiger technischer Probleme darauf zurückzugreifen, bewirkt allenfalls eine faktische, aber keine rechtliche Einordnung in die „Absatzorganisation“ der Beklagten betreffend die Waschchemie.
942.
95Für das Shopgeschäft gelten die vorgenannten Erwägungen unter lit. a) und b) entsprechend.
96a)
97Auch hier scheitert ein Ausgleichsanspruch in direkter Anwendung des § 89 b HGB, weil die Klägerin die Shopwaren im eigenen Namen verkauft hat.
98b)
99Sie kann sich indes auch nicht auf eine entsprechende Anwendung des § 89 b HGB berufen. Das Shopgeschäft stellte, wie die Klägerin selbst ausführt, ein sog. Systemgeschäft dar, so dass sie insoweit durchaus als Franchisenehmerin anzusehen ist. Als solche kann sie nur zu einem Ausgleichsanspruch gelangen, wenn eine Übertragung des Kundenstammes auf die Beklagte sichergestellt war. Auch hier ergab sich allenfalls eine faktische Kontinuität des Kundenstammes, die bei einem anonymen Massengeschäft, wie es der Umsatz im Shopsortiment darstellt, nicht ausreicht (BGH, Urt. vom 5.2.2015, Az. VII ZR 109/13). Die Existenz von Stationskreditkunden führt, wie dargelegt, nicht zu einer anderen Bewertung. Die Gründe, aus denen ein Ausgleich zu versagen ist, gelten auch insoweit, als die Klägerin für die Beklagte gelegentlich Kommissionsware (genannt sind insoweit Sonnenbrillen) verkaufte.
100c)
101Über die Tätigkeit im Rahmen der „Vereinbarung E-Loading“ – als rechtlich gesondert geregelten Teilbereich des Shopgeschäfts – haben die Parteien eine vergleichsweise Regelung getroffen.
102III.
103Der in erster Instanz noch hilfsweise geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens.
104IV.
105Der Klägerin stehen auch keine weitergehenden Ansprüche auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten zu.
106Diese Kosten können nicht als Verzugsschaden (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB) geltend gemacht werden. Dazu hätte sich die Beklagte zum Zeitpunkt der Einschaltung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit der Zahlung von – berechtigten - Ausgleichsansprüchen bereits in Verzug befinden müssen, was nicht ersichtlich ist.
107Vorgerichtliche Anwaltskosten sind auch nicht unter dem Aspekt der Verfolgung der erstinstanzlich zuletzt noch hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzansprüche zuzusprechen. Solche Schadensersatzansprüche der Klägerin sind weder dem Grunde noch der Höhe nach schlüssig vorgetragen worden.
108V.
109Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
110Veranlassung zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; auch die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts verlangen nicht eine Befassung des Bundesgerichtshofs.
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Annotations
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.