Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 08. Aug. 2014 - 15 VA 8/14
Gericht
Tenor
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der Beteiligte zu 2) nimmt die Beteiligte zu 1) in einem Zivilprozess (115 O xxx/13 LG Münster) auf Versicherungsleistungen aus einem Leitungswasserschaden in Anspruch. Zeitlich vorausgehend hatte die Beteiligte zu 1) den Beteiligten zu 2) mit Schreiben vom 28.03.2012 unter Hinweis auf seine Aufklärungsobliegenheiten aufgefordert, Auskünfte u.a. zu seinen Vermögensverhältnissen zu erteilen, darunter dazu, ob er in den letzten 24 Monaten zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufgefordert worden sei. Der Beteiligte zu 2) hat diese Fragen schriftlich beantwortet, darunter die letztgenannte mit „Nein“.
4Zur Überprüfung des Wahrheitsgehalts der Angaben des Beteiligten zu 2) hat die Beteiligte zu 1) bei dem Beteiligten zu 3) die Bewilligung der Gewährung von Einsicht in die Akten des Zwangsvollstreckungsverfahrens 8 M xxx/12 AG Ahlen beantragt. Der Beteiligte zu 3) hat die Parteien dieses Zwangsvollstreckungsverfahrens zu dem Antrag angehört. Die Gläubigerin dieses Verfahrens hat erklärt, dass sie einer Akteneinsicht nicht widersprechen wolle. Mit Bescheid vom 26.05.2014 hat der Beteiligte zu 3) angeordnet, dass der Beteiligten zu 1) die nachgesuchte Akteneinsicht in die vorgenannte Akte des Zwangsvollstreckungsverfahrens zu gewähren ist.
5Gegen diesen Bescheid richtet sich der Antrag des Beteiligten zu 2) auf gerichtliche Entscheidung, den er mit Schriftsatz vom 12.06.2014 bei dem Oberlandesgericht gestellt hat.
6II.
7Der Antrag des Beteiligten zu 2) auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig. Erteilt der Vorstand des Gerichts einem Dritten die Gewährung von Einsicht in die Akten eines Verfahrens nach der ZPO (hier ein Verfahren des Vollstreckungsgerichts), so trifft er als Justizbehörde eine Maßnahme zur Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiet des Zivilprozesses, gegen die der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 EGGVG statthaft ist. Die Monatsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG ist gewahrt. Der Antrag ist nicht von der vorherigen Durchführung eines Beschwerdeverfahrens nach § 24 Abs. 2 EGGVG abhängig. Da der Beteiligte zu 2) geltend macht, durch die Erteilung der Akteneinsicht in seinen Rechten verletzt zu sein, ist der Antrag auch sonst zulässig (§ 24 Abs. 1 EGGVG).
8In der Sache hat der Antrag keinen Erfolg. Denn die Beteiligte zu 1) hat ein rechtliches Interesse (§ 299 Abs. 2 ZPO) an der Akteneinsicht glaubhaft gemacht und ein berechtigtes Interesse des Beteiligten zu 2) an der Geheimhaltung von aus der Akte ersichtlichen Daten ist nicht erkennbar.
9Über das Begehren eines Dritten, der - wie hier die Beteiligte zu 13) - nicht Verfahrensbeteiligter ist, auf Gewährung von Einsicht in Akten eines zivilprozessualen Verfahrens ist gemäß § 299 Abs. 2 ZPO zu entscheiden. Danach darf die Akteneinsicht, wenn eine der Parteien nicht zustimmt, nur gewährt werden, wenn der Dritte ein rechtliches Interesse glaubhaft macht. Darunter ist ein Interesse zu verstehen, das sich unmittelbar aus der Rechtsordnung selbst ergibt und ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch solche geregeltes, gegenwärtig bestehendes Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache voraussetzt (vgl. BGHZ, 4, 323, 325; Senat NJW-RR 1997, 1489; OLG München ARB 2011, 79; KG OLGZ 1988, 190 = NJW 1988, 1738; OLG Hamburg NJW-RR 2002, 408; OLG Brandenburg NJW-RR 2001, 1419; OLG Köln NZG 1998, 156). Diese Rechtsbeziehung muss entweder den Gegenstand des Verfahrens bilden, in dessen Akte die Einsicht begehrt wird, oder es muss jedenfalls feststehen, dass der Streitstoff dieses Verfahrens die Individualrechte des Antragstellers berührt (OLG Frankfurt vom 01.02.2007 -20 VA 13-14/06 –juris-).
10Nach diesen Maßstäben ist im vorliegenden Fall ein rechtliches Interesse der Beteiligten zu 1) an der Einsicht in die Akte des Zwangsvollstreckungsverfahrens zu bejahen. Die rechtliche Beziehung der Beteiligten zu 1) zu den verfahrensrechtlichen Vorgängen des Zwangsvollstreckungsverfahrens ergibt sich hier aus dem zwischen ihr und dem Beteiligten zu 2) bestehenden Versicherungsvertrag. Dieser Versicherungsvertrag ist Grundlage für das Leistungsbegehren, das der Beteiligte zu 2) in dem Zivilprozess 115 O xxx/13 LG Münster gegen die Beteiligte zu 1) wegen eines Leitungswasserschadens vom 16.03.2012 verfolgt.
11Es ist davon auszugehen, dass Gegenstand des Versicherungsvertrages Allgemeine Versicherungsbedingungen sind, die in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Vorschrift des § 31 VVG dem Versicherungsnehmer die Obliegenheit auferlegen, soweit möglich dem Versicherer jede Untersuchung über Ursache und Höhe des Schadens und über den Umfang seiner Entschädigungspflicht zu gestatten und jede hierzu dienliche Auskunft zu geben (vgl. § 20 Nr. 1 d VGB 88 bzw. jetzt VGB 2008 Abschnitt B § 8 Nr. 2 lit. a hh). Das schließt die Feststellung solcher mit dem Schadensereignis zusammenhängenden Tatsachen ein, aus denen sich eine Leistungsfreiheit gegenüber dem Versicherungsnehmer ergeben kann. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Versicherungsnehmer auf entsprechendes Verlangen auch solche Tatsachen wahrheitsgemäß und vollständig zu offenbaren hat, selbst wenn die Erfüllung der Auskunftsobliegenheit eigenen Interessen widerstreitet, weil sie dem Versicherer erst ermöglicht, sich auf Leistungsfreiheit zu berufen. Es ist grundsätzlich Sache des Versicherers, welche Angaben er zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält, um seine Entscheidung über die Leistungspflicht auf ausreichender und gesicherter Tatsachengrundlage zu treffen. Dazu können nach anerkannter Auffassung auch Fragen nach den Vermögensverhältnissen des Versicherungsnehmers gehören, weil sich daraus für den Versicherer Anhaltspunkte ergeben können, der Eintritt des Versicherungsfalls und die damit verbundene Entschädigungsleistung entspreche der finanziellen Interessenlage des Versicherungsnehmers (BGH VersR 2006, 258, 259; OLG Celle ZfS 2007, 571; Prölls/Martin, VVG, 28. Aufl., § 31, Rdnr. 8).
12Auf dieser vertraglichen Grundlage hat die Beteiligte zu 1) mit Schreiben vom 28.03.2012 rechtlich unbedenklich dem Beteiligten zu 2) auf seine Schadensanzeige zum Zweck der Regulierungsentscheidung eine Reihe von Fragen auch zu seiner wirtschaftlichen Situation gestellt, darunter diejenige, ob er innerhalb der letzten 24 Monate zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufgefordert worden sei. Der Beteiligte zu 2) hat diese Fragen beantwortet, diejenige nach der Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung mit „Nein“. Das rechtliche Interesse der Beteiligten zu 1) im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO ergibt sich in diesem Zusammenhang unmittelbar daraus, dass für die vertragliche Rechtsbeziehung von Bedeutung ist, ob der Beteiligte zu 2) die ihm gestellte Frage wahrheitsgemäß beantwortet hat.
13Die bestehende vertragliche Bindung muss – wie der Beteiligte zu 3) zu Recht ausgeführt hat – maßgeblich auch die nach § 299 Abs. 2 ZPO vorzunehmende Interessenabwägung bestimmen. Denn wenn der Beteiligte zu 2) vertraglich verpflichtet ist, die Fragen der Beteiligten zu 1) auch zu seinen Vermögensverhältnisse wahrheitsgemäß zu beantworten, ist er zwangsläufig auch verpflichtet hinzunehmen, dass der Wahrheitsgehalt seiner Angaben einer sachlichen Überprüfung unterzogen wird. Diese Überprüfung ist nur durch Auswertung der Vorgängen des Zwangsvollstreckungsverfahrens möglich, auf das sich das Einsichtsgesuch bezieht. Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 2) ist die Gewährung der Akteneinsicht in dieser Situation nicht davon abhängig zu machen, dass der Versicherer zunächst verwertbare Anhaltspunkte dafür vorträgt, dass der Versicherungsnehmer täuschende Angaben gemacht hat. In diesem Zusammenhang kann dahin gestellt bleiben, ob die versicherungsvertragliche Obliegenheit des Versicherungsnehmers nicht sogar so weit geht, einem Akteneinsichtsgesuch des Versicherers gegenüber dem Gerichtsvorstand ausdrücklich zuzustimmen, um eine sachliche Überprüfung zu ermöglichen. Jedenfalls steht die versicherungsvertragliche Obliegenheit zu wahrheitsgemäßen Angaben der Anerkennung irgendeines Geheimhaltungsinteresses des Versicherungsnehmers im Verhältnis zum Versicherer entgegen.
14Eine Kostenerstattung für den Beteiligten zu 2) als Antragsteller des gerichtlichen Verfahrens nach § 30 S. 1 EGGVG kommt im Hinblick aus die Zurückweisung des Antrags nicht in Betracht. Für die Möglichkeit der Anordnung einer Kostenerstattung zugunsten der Beteiligten zu 1) fehlt in § 30 EGGVG die gesetzliche Grundlage, zumal § 81 FamFG nicht ergänzend anwendbar ist.
15Die Wertfestsetzung für das gerichtliche Verfahren beruht auf § 36 Abs. 1 und 2 GNotKG.
16Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 29 Abs. 2 EGGVG liegen nicht vor.
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(1) Die Parteien können die Prozessakten einsehen und sich aus ihnen durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen.
(2) Dritten Personen kann der Vorstand des Gerichts ohne Einwilligung der Parteien die Einsicht der Akten nur gestatten, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird.
(3) Werden die Prozessakten elektronisch geführt, gewährt die Geschäftsstelle Akteneinsicht durch Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf oder durch Übermittlung des Inhalts der Akten auf einem sicheren Übermittlungsweg. Auf besonderen Antrag wird Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die Akten in Diensträumen gewährt. Ein Aktenausdruck oder ein Datenträger mit dem Inhalt der Akte wird auf besonders zu begründenden Antrag nur übermittelt, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse darlegt. Stehen der Akteneinsicht in der nach Satz 1 vorgesehenen Form wichtige Gründe entgegen, kann die Akteneinsicht in der nach den Sätzen 2 und 3 vorgesehenen Form auch ohne Antrag gewährt werden. Eine Entscheidung über einen Antrag nach Satz 3 ist nicht anfechtbar.
(4) Die Entwürfe zu Urteilen, Beschlüssen und Verfügungen, die zu ihrer Vorbereitung gelieferten Arbeiten sowie die Dokumente, die Abstimmungen betreffen, werden weder vorgelegt noch abschriftlich mitgeteilt.
(1) Der Versicherer kann nach dem Eintritt des Versicherungsfalles verlangen, dass der Versicherungsnehmer jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfanges der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist. Belege kann der Versicherer insoweit verlangen, als deren Beschaffung dem Versicherungsnehmer billigerweise zugemutet werden kann.
(2) Steht das Recht auf die vertragliche Leistung des Versicherers einem Dritten zu, hat auch dieser die Pflichten nach Absatz 1 zu erfüllen.
(1) Die Parteien können die Prozessakten einsehen und sich aus ihnen durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen.
(2) Dritten Personen kann der Vorstand des Gerichts ohne Einwilligung der Parteien die Einsicht der Akten nur gestatten, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird.
(3) Werden die Prozessakten elektronisch geführt, gewährt die Geschäftsstelle Akteneinsicht durch Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf oder durch Übermittlung des Inhalts der Akten auf einem sicheren Übermittlungsweg. Auf besonderen Antrag wird Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die Akten in Diensträumen gewährt. Ein Aktenausdruck oder ein Datenträger mit dem Inhalt der Akte wird auf besonders zu begründenden Antrag nur übermittelt, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse darlegt. Stehen der Akteneinsicht in der nach Satz 1 vorgesehenen Form wichtige Gründe entgegen, kann die Akteneinsicht in der nach den Sätzen 2 und 3 vorgesehenen Form auch ohne Antrag gewährt werden. Eine Entscheidung über einen Antrag nach Satz 3 ist nicht anfechtbar.
(4) Die Entwürfe zu Urteilen, Beschlüssen und Verfügungen, die zu ihrer Vorbereitung gelieferten Arbeiten sowie die Dokumente, die Abstimmungen betreffen, werden weder vorgelegt noch abschriftlich mitgeteilt.
(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.
(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn
- 1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat; - 2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste; - 3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat; - 4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat; - 5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.
(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.
(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.
(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.
(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.
(2) Soweit sich in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 1 Million Euro.
(3) Bestehen in den Fällen der Absätze 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Werts, ist von einem Geschäftswert von 5 000 Euro auszugehen.
(4) Wenn sich die Gerichtsgebühren nach den für Notare geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Notare geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden. Wenn sich die Notargebühren nach den für Gerichte geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Gerichte geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden.