Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 22. Nov. 2018 - 1 Vollz (Ws) 78/18

Gericht
Tenor
Der Antrag des Betroffenen, den Senatsbeschluss vom 07. April 2018 zu widerrufen, wird auf Kosten des Betroffenen (analog § 465 Abs. 1 StPO i.V.m. KV zum GKG Nr. 3920) verworfen.
1
Gründe:
2I.
3Der seit dem 22. März 2013 inhaftierte Betroffene wurde am 24. April 2017 von der JVA C in die JVA X, am 24. Juli 2017 von dort in die JVA C2-C3, sodann - rechtswidrig (vgl. Senat, Beschluss vom 22. März 2018 - III - 1 Vollz (Ws) 70/18 -) - am 02. November 2017 in die JVA H und schließlich am 28. August 2018 wieder in die JVA C verlegt.
4Mit Beschluss vom 07. April 2018 hat der Senat die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen einen Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum als unbegründet verworfen, mit welchem sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung betreffend die von ihm begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit der seitens der JVA C erfolgten Versagung des Klausurschreibens in den Räumen der Ruhr-Universität C zurückgewiesen worden war.
5Hiergegen richtet sich der Antrag des Betroffenen vom 14. Oktober 2018, mit welchem er einen Widerruf des Senatsbeschlusses mit der Begründung begehrt, der Senat habe im vorliegenden Fall das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr abgelehnt, jedoch im Rahmen einer späteren Entscheidung vom 25. September 2018 (III-1 Vollz(Ws) 419/18) bei identischem Streitgegenstand eine Wiederholungsgefahr bejaht. Die stelle sich „als Mangel dar, der ohne Widerruf/Beschlussänderung nicht anders geheilt werden“ könne.
6II.
7Der Antrag hat im Ergebnis keinen Erfolg.
8Der Betroffene macht zutreffend geltend, dass der Widerruf eines nicht mehr anfechtbaren Beschlusses zulässig sein kann, wenn diesem durch nachträglich bekannt gewordene Tatsachen der Boden völlig entzogen ist und der nicht erträgliche Mangel nicht anders geheilt werden kann (so Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., Einleitung Rn. 115).
9Die von dem Betroffenen vorliegend sowie auch in einem anderen über seinen Rechtsanwalt an den Senat gerichteten Antrag vom 30. Oktober 2018 aufgeführten Fälle höchstrichterlicher Rechtsprechung zur eventuellen Möglichkeit der Abänderbarkeit rechtskräftiger Entscheidungen bei nachträglich erkannten Irrtümern über tatsächliche Voraussetzungen sind indes mit der vorliegend vom Betroffenen beanstandeten Konstellation unterschiedlicher Einschätzungen des Bestehens einer Wiederholungsgefahr nicht vergleichbar.
10Der Betroffene macht allerdings zutreffend geltend, dass der Senat im Zuge der beanstandeten Entscheidung vom 07. April 2018 die rechtlichen Erwägungen der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum zu der seinerzeit nicht angenommenen Wiederholungsgefahr betreffend eine mögliche erneute Verlegung in die JVA C als zutreffend erachtet und im Rahmen der vom Betroffenen angeführten späteren Entscheidung vom 25. September 2018 (als sich der Betroffene bereits wieder in der JVA C befunden hat) zur gleichen Thematik ausgeführt hat, die Strafvollstreckungskammer habe in einem Beschluss vom 25. Juli 2018 angesichts der (allerdings dem Senat auch schon zur Zeit der Entscheidung vom 07. April 2018 bekannten) in der jüngeren Vergangenheit erfolgten mehrfachen Verlegungen des Betroffenen die an die Begründung einer Wiederholungsgefahr zu stellenden Anforderungen überspannt.
11Hierzu ist anzumerken, dass diese veränderte Betrachtungsweise im Sinne des Bemühens um materielle Gerechtigkeit auch dem Umstand geschuldet ist, dass der Betroffene nach der im Verfahren III-1 Vollz(Ws) 419/18 beanstandeten Entscheidung der Strafvollstreckungskammer vom 25. Juli 2018 ungeachtet einer seitens der Strafvollstreckungskammer noch telefonisch eingeholten Auskunft des Leiters der JVA H, dass eine Verlegung nicht beabsichtigt sei, tatsächlich gleichwohl am 28. August 2018 wieder verlegt worden ist und sich dementsprechend im Zeitpunkt der Senatsentscheidung vom 25. September 2018 entgegen der Annahme der Strafvollstreckungskammer zum Nichtbestehen einer Wiederholungsgefahr bereits wieder in der JVA C befand. Vor diesem Hintergrund war es in der Rückschau nach Auffassung des Senats nach außen hin kaum zu vermitteln, die Bewertung, im Hinblick auf die schließlich tatsächlich eingetretene Tatsache der Verlegung Ende August 2018 habe lediglich einen Monat vorher nicht einmal eine entsprechende „Gefahr“ bestanden, sei als zutreffend anzusehen.
12Der Senat verschweigt in diesem Zusammenhang allerdings auch nicht, dass er (abgesehen von vorübergehenden Überstellungen zur Wahrnehmung von Gerichtsterminen etc.) entgegen dem tatsächlichen Geschehen ungeachtet eines bereits früher geäußerten Verdachts zum Vorliegen eines eventuellen Verlegungskarussells eine erneute dauerhafte Verlegung des Betroffenen in die JVA C als ausgeschlossen erachtet hat. Dies beruht darauf, dass - insoweit senatsbekannt - die Verlegung aus der JVA C in die JVA X mit der seinerzeit im Rechtsbeschwerdeverfahren seitens des Senats mit Beschluss vom 19. Oktober 2017 (III-1 Vollz (Ws) 443/17 OLG Hamm) auch nicht beanstandeten Begründung erfolgt ist, dass vor dem Hintergrund unstreitiger massiver Störungen des persönlichen Verhältnisses des Betroffenen zu den Behandlern und sonstigen Bediensteten der JVA C „Behandlungserfolge in der JVA C im Hinblick auf das Vollzugsziel einer Resozialisierung des Betroffenen nicht mehr zu erreichen waren“. Dabei sei es, so hatte der Senat ausgeführt, „unerheblich, ob die massiven Störungen des persönlichen Verhältnisses des Betroffenen zu den Behandlern und sonstigen Bediensteten der JVA C aus den von ihm geschilderten Gründen angeblich willkürlicher und schikanöser Behandlung oder aber aus in der Person des Betroffenen liegenden Gründen resultieren.“
13Vor diesem Hintergrund erscheint es zumindest bei Annahme unveränderter Umstände ausgeschlossen, dass das in § 1 StVollzG Nordrhein-Westfalen normierte Resozialisierungsgebot in Bezug auf die Person des Betroffenen im Rahmen seines erneuten Aufenthaltes in der JVA C erreicht oder auch nur zumindest gefördert werden könnte. Dieser den im Vollzug beteiligten Entscheidungsträgern ersichtlich auch bekannte Umstand lässt die erneute Verlegung in die JVA C zumindest vor dem Hintergrund der dem Senat derzeit bekannten Sachlage bei vorläufiger Bewertung als eindeutig rechtswidrig erscheinen. In Anbetracht des Umstandes, dass die Vollzugsverwaltungen nach dem in Art. 20 Abs. 3 GG normierten Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu gesetzeskonformem Verhalten verpflichtet sind, hat der Senat eine derartige Entscheidung schlicht nicht erwartet, zumal nachdem bereits die frühere Verlegung des Betroffenen von der JVA C2 in die JVA H vom Senat mit Beschluss vom 22. März 2018 im Verfahren III-1 Vollz (Ws) 70/18 als rechtswidrig beanstandet worden ist.
14Dies führt entgegen dem Begehren des Betroffenen indes nicht zur Aufhebung des Beschlusses vom 07. April 2018, und zwar deshalb nicht, weil entgegen den von dem Betroffenen aufgeführten Fällen nicht nachträglich (bereits im Beschlusszeitpunkt vorliegende) Tatsachen bekannt geworden sind, sondern sich aufgrund einer nachträglich eingetretenen Tatsache lediglich herausgestellt hat, dass eine vorherige Einschätzung (hier das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr) im Ergebnis unzutreffend gewesen ist.
15Der vorliegende Antrag ist kostenrechtlich einem Antrag auf Nachholung rechtlichen Gehörs gemäß der §§ 120 Abs. 1 StVollzG, 356 a StPO gleichzuachten.

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(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.
(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.
(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.
Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Freiheitsstrafe in Justizvollzugsanstalten und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung.
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(2) Auf die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe sind die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.