Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 28. Juni 2016 - III-2 RVs 68/16
Tenor
Das Verfahren wird auf Kosten der Staatskasse eingestellt.
Es wird davon abgesehen, die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.
1
Gründe:
2I.
3Das Amtsgericht Mönchengladbach hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
4Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, welche er auf die Sachrüge und näher ausgeführte Verfahrensrügen stützt.
5II.
6Das Verfahren ist gemäß § 206a Abs. 1 StPO einzustellen, weil dem Verfahren kein wirksamer Eröffnungsbeschluss nach § 203 StPO zugrundeliegt und damit ein Verfahrenshindernis besteht.
7Die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach erhob zunächst unter dem 8. Oktober 2015 (Bl. 23 d.A.) Anklage wegen Urkundenfälschung und Gebrauchs eines Fahrzeugs ohne erforderlichen Haftpflichtversicherungsvertrag. Nach Zustellung dieser Anklageschrift an den Angeklagten legte das Amtsgericht der Staatsanwaltschaft die Akten zu ihrer Korrektur vor. Das Amtsgericht war der Auffassung, dass der Gebrauch des Kraftfahrzeugs nicht hinreichend konkretisiert worden sei. Dem folgte schließlich die Staatsanwaltschaft und legte unter dem 27. November 2015 eine korrigierte Anklageschrift vor (Bl.30 d.A.). Auf der ursprünglichen Anklageschrift vom 8. Oktober 2015 wurde vermerkt: „Zurückgenommen bzw. geändert.“ Nachdem die neue Anklageschrift dem sich zwischenzeitlich bestellt habenden Verteidiger zugestellt worden war, fasste das Amtsgericht Mönchengladbach am 11. Januar 2016 folgenden Beschluss (Bl. 35 d.A.): „In der Strafsache (…) wird die Anklage der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach vom 08.10.2015, Az. 100 Js 1704/15, zur Hauptverhandlung zugelassen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wird das Hauptverfahren gegen ihn vor der Strafrichterin eröffnet.“ In dem Protokoll über die Hauptverhandlung vom 19. Februar 2016 ist vermerkt: „Die/Der Vertreter/in der Staatsanwaltschaft verlas den Anklagesatz aus der Anklageschrift vom 08.10.2015.“
8Aus diesem Verfahrensablauf ergibt sich, dass kein wirksamer Eröffnungsbeschluss über die Anklage der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach vom 27. November 2015 vorliegt. Der vom Amtsgericht gefasste Eröffnungsbeschluss bezieht sich auf die zurückgenommene und deshalb nicht mehr vorhandene Anklage der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach vom 8. Oktober 2015. Er ging deshalb ins Leere.
9Der vom Amtsgericht gefasste Eröffnungsbeschluss kann auch nicht dahin ausgelegt werden, dass er sich auf die neue Anklage beziehen sollte. Denn es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sich die erkennende Richterin bei Abfassung des Beschlusses noch bewusst war, dass die Anklage vom 8. Oktober 2015 bereits zurückgenommen war. Hiergegen spricht zunächst, dass sie in diesem Fall darauf geachtet hätte, dass der Eröffnungsbeschluss auf die zutreffende Anklageschrift Bezug nimmt. Hinzu kommt, dass weder der Eröffnungsbeschluss noch die Begleitverfügung Umstände enthalten, die allein mit der neuen Anklageschrift in Verbindung stünden. Aus diesem Grunde muss der vom Amtsgericht gefasste Eröffnungsbeschluss beim Wort genommen und davon ausgegangen werden, dass er sich auf die alte, zurückgenommene Anklageschrift bezieht.
10Das Fehlen des Eröffnungsbeschlusses stellt ein in der Revisionsinstanz nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis dar (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 1987 - 3 StR 601/86, NStZ 1987, 239; Beschluss vom 3. April 2012 - 2 StR 46/12, NStZ 2012, 583). Folge ist, dass das Verfahren auf eine zulässige Revision gem. § 206a Abs. 1 StPO einzustellen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Juni 2014 – III-2 RVs 55/14, BeckRS 2014, 12276), ohne dass es noch der Aufhebung des angefochtenen Urteils bedürfte, da die Einstellung des Verfahrens seine Wirkung beseitigt (vgl. Senat a.a.O, OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Mai 1991 – 1 Ss 43/92, NJW 1991, 2849, 2850; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28. Mai 2003 – 1 Ss 49/03, NStZ-RR 2003, 332).
11Ein neues gerichtliches Verfahren wegen der dem Angeklagten zur Last gelegten Urkundenfälschung setzt die Erhebung einer neuen Anklage voraus. Denn durch die Einstellung nach § 206a Abs. 1 StPO ist das gerichtliche Verfahren beendet und die Sache in den Stand des Ermittlungsverfahrens zurückversetzt worden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 21. August 1987 – 1 Ws 15/87, NStZ 1987, 573; Schneider, in: KK-StPO, 7. Auflage, § 207 Rdnr. 33).
12III.
13Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO. Der Senat hat gemäß § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Angeklagten, die ihm in dem eingestellten Verfahren entstanden sind, der Staatskasse aufzuerlegen. Denn die Verurteilung des Angeklagten, der jedenfalls einen Kennzeichenmissbrauch nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 StVG begangen hat, hat nur deshalb keinen Bestand, weil der erforderliche Eröffnungsbeschluss fehlt und deshalb ein Verfahrenshindernis besteht.
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Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.
BUNDESGERICHTSHOF
a) mit den Feststellungen aufgehoben und das Verfahren eingestellt , soweit der Angeklagte im Fall II.1 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; die insoweit entstandenen Kosten des Verfahrens sowie die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last;
b) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte des Raubes in sieben Fällen, davon in sechs Fällen tateinheitlich mit vorsätzlicher Körperverletzung, sowie des versuchten Raubes schuldig ist;
c) im gesamten Strafausspruch sowie im Ausspruch über die Dauer des Vorwegvollzugs nach § 67 Abs. 2 StGB aufgehoben. 2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung , wegen Raubes in sieben Fällen, davon in sechs Fällen tateinheitlich mit vorsätzlicher Körperverletzung, sowie wegen versuchten Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Es hat außerdem die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Regelung über den Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe getroffen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 2
- 1. Das Verfahren im Fall II.1 der Urteilsgründe war trotz Beschränkung der Revision auf den Rechtsfolgenausspruch (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 2010 - 4 StR 596/09) nach Aufhebung der entsprechenden Verurteilung entsprechend § 206a StPO einzustellen, weil es insoweit an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss fehlt und deshalb ein in der Revisionsinstanz nicht behebbares Verfahrenshindernis vorliegt.
- 3
- Ein schriftlicher Eröffnungsbeschluss hinsichtlich der der Verurteilung im Fall II.1 zugrunde liegenden Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Köln vom 29. September 2011 findet sich nicht in den Akten. Auch ist nicht wirksam (konkludent ) über die Verfahrenseröffnung im Beschluss der Kammer vom 7. Oktober 2011 zur Verbindung mehrerer bei ihr anhängiger Verfahren ent- schieden worden. Denn an diesem Beschluss haben nur zwei - statt wie erforderlich drei - Berufsrichter mitgewirkt (vgl. BGH StV 2007, 562). Auf der Grundlage der dienstlichen Erklärungen von drei Berufsrichtern der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Köln ist allerdings davon auszugehen, dass die Kammer am 5. Oktober 2011 durch diese drei Richter und damit in ordnungsgemäßer Besetzung die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich der nachgereichten Anklageschrift vom 29. September 2011 beschlossen hatte, lediglich die schriftliche Abfassung dieser Entscheidung unterblieben war. Dieses Verfahren ersetzt jedoch nicht einen ordnungsmäßigen Eröffnungsbeschluss, zu dessen wesentlichen Förmlichkeiten die schriftliche Abfassung und die Unterzeichnung durch die mitwirkenden Richter gehört (BGH NStZ 1981, 448; s. auch BGH StV 2001, 457).
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- 2. Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II.1 zieht ohne Weiteres die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Der Senat hebt auch die übrigen Einzelstrafen auf, um dem Tatrichter nach Wegfall der Einsatzstrafe aus dem Fall II.1 Gelegenheit zu einer insgesamt neuen Strafbemessung zu geben. Der Wegfall des Strafausspruchs bedingt im Übrigen die Aufhebung der Anordnung über den Vorwegvollzug der Strafe vor dem Maßregelvollzug.
Fischer Berger Krehl Eschelbach Ott
(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.
(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.
(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er
- 1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder - 2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.
(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.
(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.
(1) Wer in rechtswidriger Absicht
- 1.
ein Kraftfahrzeug oder einen Kraftfahrzeuganhänger, für die ein amtliches Kennzeichen nicht ausgegeben oder zugelassen worden ist, mit einem Zeichen versieht, das geeignet ist, den Anschein amtlicher Kennzeichnung hervorzurufen, - 2.
ein Kraftfahrzeug oder einen Kraftfahrzeuganhänger mit einer anderen als der amtlich für das Fahrzeug ausgegebenen oder zugelassenen Kennzeichnung versieht, - 3.
das an einem Kraftfahrzeug oder einem Kraftfahrzeuganhänger angebrachte amtliche Kennzeichen verändert, beseitigt, verdeckt oder sonst in seiner Erkennbarkeit beeinträchtigt,
(2) Die gleiche Strafe trifft Personen, welche auf öffentlichen Wegen oder Plätzen von einem Kraftfahrzeug oder einem Kraftfahrzeuganhänger Gebrauch machen, von denen sie wissen, dass die Kennzeichnung in der in Absatz 1 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Art gefälscht, verfälscht oder unterdrückt worden ist.