Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 03. Juni 2015 - I-2 U 60/10
Tenor
. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist für die Beklagten wegen ihrer Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert wird für die Zeit bis zum 17.06.2011 auf 3.087.500,- € und für die Zeit danach auf 1.300.000,- € festgesetzt.
G r ü n d e :
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 195 49 AAA B4, das am 26.07.1995 - unter Inanspruchnahme zweier US-amerikanischer Prioritäten vom 28.07.1994 und 31.05.1995 – angemeldet und dessen Erteilung am 14.04.2005 veröffentlicht worden ist. Das Klagepatent betrifft einen flexiblen ausdehnbaren Stent; Patentanspruch 2 lautet in der aus einem Einspruchsverfahren hervorgegangenen Fassung (Beschluss des BPatG vom 21.02.2008, 21 W (pat) 324/05) wie folgt:
4Ballon-expandierbarer und nicht selbst-expandierender Stent, welcher als Röhre ausgebildet ist und in ein Blutgefäß oder in eine andere Öffnung im Körper einführbar ist, in welchem er ausdehnbar ist, und welcher eine Struktur aufweist aus benachbarten verbundenen, geschlossenen Zellen, wobei jede Zelle eine gerade Anzahl von geraden Abschnitten (22) fester Länge aufweist, welche mit ersten und zweiten Schlaufen (14, 16, 18, 20) abwechseln, die eine feste Länge aufweisen und in einer geschlossenen Zelle verbunden sind, wobei jede Schlaufe zumindest zwei Abschnitte mit einem Biegungsbereich dazwischen aufweist und wobei die ersten und zweiten Schlaufen (14, 16, 18, 20) erste und zweite Winkel definieren, deren Winkelhalbierende einen Winkel zueinander bilden.
5Mit Urteil vom 16.12.2010 hat das Bundespatentgericht (4 Ni 43/09) das Klagepatent – während des vorliegenden Berufungsverfahrens, das aus diesem Grund vorübergehend ausgesetzt war - teilweise für nichtig erklärt. Auf die Berufung der Klägerin hat der Bundesgerichtshof dem Patentanspruch 2 mit Urteil vom 29.04.2014 (X ZR 12/11) folgende Fassung gegeben:
6Ballon-expandierbarer und nicht selbst-expandierender Stent, welcher als Röhre ausgebildet ist und in ein Blutgefäß oder eine andere Öffnung im Körper einführbar ist, in welchem er ausdehnbar ist, mit einer einzigen, zusammenhängenden Struktur aus benachbarten verbundenen, geschlossenen Zellen,
7wobei jede Zelle eine gerade Anzahl von geraden Abschnitten (22) fester Länge aufweist, welche mit ersten und zweiten Schlaufen (14, 16, 18, 20) abwechseln, die in gerader Anzahl vorhanden sind und miteinander abwechseln, und die eine feste Länge aufweisen und in einer geschlossenen Zelle verbunden sind, wobei jede Schlaufe zwei Abschnitte mit einem Biegungsbereich dazwischen aufweist,
8und wobei die ersten und zweiten Schlaufen (14, 16, 18, 20) durch ihre beiden Abschnitte erste und zweite Winkel definieren, deren Winkelhalbierende einen Winkel zueinander bilden.
9Die nachfolgend eingeblendeten Abbildungen (Figuren 1 bis 4 der Klagepatentschrift) zeigen ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Erfindung.
10Bei den Beklagten zu 1), 3) und 4) handelt es sich um deutsche Tochter-Unternehmen der B-Gruppe. Der Beklagte zu 2) war in der Zeit vom 14.06.2007 bis zum 23.03.2010 alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beklagten zu 1).
11Im Jahr 2006 erwarb der B-Konzern – unter Übernahme sämtlicher zugehöriger Verbindlichkeiten - von der Unternehmensgruppe C deren gesamtes Stent-Geschäft. Seit 2006 befinden sich daher auch diejenigen Stents und Stent-Systeme, die bis dahin von C entwickelt, hergestellt und in der Bundesrepublik Deutschland vertrieben worden sind, im Produktsortiment von B.
12Im Einzelnen handelt es sich um folgende Stents:
13- 14
1. „D“ (= angegriffene Ausführungsform I); Markteinführung durch C im Jahr 2001:
- 16
2. „E“ (= angegriffene Ausführungsform II); Markteinführung im Jahr 2002; es handelt sich um das Design der angegriffenen Ausführungsform I, lediglich das Zuführsystem ist andersartig neu.
- 18
3. „F“ (= angegriffene Ausführungsform III); Markteinführung im Jahr 2003:
- 20
4. „G“ (= angegriffene Ausführungsform IV) für besonders kleine Blutgefäße; im Unterschied zum „F“ sind jeweils weniger Schlaufen in Umfangsrichtung zwischen den horizontalen Verbindern vorgesehen:
- 22
5. „H“ (= angegriffene Ausführungsform V); Markteinführung im Jahr 2006; es handelt sich um ein Stent-System mit einem medikamentbeschichteten Stent, das auf den angegriffenen Ausführungsformen III und IV aufbaut.
- 24
6. „I“ (= angegriffene Ausführungsform VI):
- 26
7. „J“ (= angegriffene Ausführungsform VII); es handelt sich um die medikamentenbeschichtete Variante des I.
Nach Auffassung der Klägerin machen die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß, zumindest aber äquivalent Gebrauch. Mit ihrer Klage hat sie die Beklagten deshalb auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Vernichtung, Schadenersatz und Urteilsveröffentlichung in Anspruch genommen.
28Durch Urteil vom 30.03.2010 hat das Landgericht der Klage – abgesehen von dem gegen den Beklagten zu 2) gerichteten Vernichtungsanspruch sowie dem Anspruch auf Urteilsveröffentlichung – stattgegeben und – auf der Grundlage der damals noch geltenden Anspruchsfassung aus dem Einspruchsverfahren - wie folgt erkannt:
29I. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, die bei den Beklagten zu 1), zu 3) und zu 4) an ihren jeweiligen Geschäftsführern vollstreckt wird, zu unterlassen,
30einen ballon-expandierbaren und nicht selbst-expandierenden Stent, welcher als Röhre ausgebildet ist und in ein Blutgefäß oder in eine andere Öffnung im Körper einführbar ist, in welchem er ausdehnbar ist, und welcher eine Struktur aufweist aus benachbarten verbundenen, geschlossenen Zellen, wobei jede Zelle aufweist
31a) eine gerade Anzahl von geraden Abschnitte fester Länge,
32b) welche mit ersten und zweiten Schlaufen abwechseln,
33c) die eine feste Länge aufweisen und in einer geschlossenen Zelle verbunden sind,
34d) wobei jede Schlaufe zumindest zwei Abschnitte mit einem Biegungsbereich dazwischen aufweist und
35e) wobei die ersten und zweiten Schlaufen erste und zweite Winkel definieren, deren Winkelhalbierende einen Winkel zueinander bilden,
36im Geltungsbereich des deutschen Patents 195 49 AAA B4 anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen.
37II. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu I. bezeichneten Handlungen seit dem 14.05.2005 begangen haben, und zwar unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses sowie unter Beleg gestützter Angabe
38a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
39b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie aufgeschlüsselt nach den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
40c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
41d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, der Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
42e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten (einschließlich Bezugspreisen) und des erzielten Gewinns,
43wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger enthalten ist,
44wobei die folgenden Belege in Ablichtung vorzulegen sind: Aufträge, Auftragsbestätigungen, Rechnungen oder Liefer- und Zollpapiere.
45III. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. bezeichneten, seit dem 14.05.2005 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
46IV. Die Beklagten zu 1), 3) und 4) werden verurteilt, die in ihrem Besitz und/oder Eigentum befindlichen Stents gemäß Ziffer I. zu vernichten.
47V. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
48VI. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 5 % und den Beklagten als Gesamtschuldnern zu 95 % auferlegt.
49Mit ihrer Berufung verfolgen die Beklagten ihr vor dem Landgericht erfolglos gebliebenes Abweisungsbegehren weiter. Sie halten – wie bereits in erster Instanz – daran fest, dass die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Klagepatents in mehrfacher Hinsicht keinen Gebrauch machen. Es fehle bezüglich der angegriffenen Ausführungsformen I und II schon an einer einzigen, zusammenhängenden Struktur aus benachbarten verbundenen, geschlossenen Zellen, weil in den Randbereichen keine 2. Schlaufen vorhanden seien und insoweit auch nicht von einer in den Randbereichen lediglich unvollständig gebliebenen patentgemäßen Struktur gesprochen werden könne. Im Hinblick auf sämtliche angegriffenen Ausführungsformen mangele es an geraden Abschnitten fester Länge, die mit ersten und zweiten Schlaufen abwechseln, ebenso wie an einer festen Länge der Schlaufen, wobei zweite Schlaufen überdies nicht in gerader Anzahl vorhanden seien und die ersten Schlaufen mehr als zwei Abschnitte aufwiesen. Schließlich definierten beide Schlaufengattungen zwischen ihren Abschnitten keine Winkel, so dass es folgerichtig auch daran fehle, dass die Winkelhalbierenden zueinander einen Winkel bilden.
50Die Beklagten beantragen,
51das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 30.03.2010 abzuändern und die Klage (insgesamt) abzuweisen,
52hilfsweise, ihnen Vollstreckungsschutz zu gewähren,
53weiter hilfsweise, die Revision zuzulassen.
54Am 20.10.2010 haben sich die Parteien im Wege eines außergerichtlichen Teilvergleichs darauf verständigt, dass die Klägerin (u.a.) aus dem Klagepatent keine Ansprüche auf Unterlassung und Vernichtung gegen die Beklagten mehr geltend macht. Im Umfang der betreffenden Ansprüche haben die Parteien daraufhin den Rechtsstreit schriftsätzlich am 31.05.2011 (GA III 572) und 17.06.2011 (GA III 598/599) übereinstimmend - und mit wechselseitigen Kostenanträgen – für in der Hauptsache erledigt erklärt. Im Übrigen verfolgt die Klägerin die ihr vom Landgericht zuerkannten Ansprüche auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Schadenersatzfeststellung nach Maßgabe der vom Bundesgerichtshof aufrechterhaltenen Fassung von Patentanspruch 2 des Klagepatents weiter.
55Die Klägerin beantragt,
56die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass
57- 58
1. die Beklagten verurteilt werden, ihr (der Klägerin) darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagten)
einen ballon-expandierbaren und nicht selbst-expandierenden Stent, welcher als Röhre ausgebildet ist und in ein Blutgefäß oder in eine andere Öffnung im Körper einführbar ist, in welchem er ausdehnbar ist, mit einer einzigen, zusammenhängenden Struktur aus benachbarten verbundenen, geschlossenen Zellen,
60wobei jede Zelle eine gerade Anzahl von geraden Abschnitten fester Länge aufweist, welche mit ersten und zweiten Schlaufen abwechseln, die in gerader Anzahl vorhanden sind und miteinander abwechseln, und die eine feste Länge aufweisen und in einer geschlossenen Zelle verbunden sind, wobei jede Schlaufe zwei Abschnitte mit einem Biegungsbereich dazwischen aufweist,
61und wobei die ersten und zweiten Schlaufen durch ihre beiden Abschnitte erste und zweite Winkel definieren, deren Winkelhalbierende einen Winkel zueinander bilden,
62seit dem 14.05.2005 (für den Beklagten zu 2) für den Zeitraum 14.06.2007 bis 23.03.2010) im Geltungsbereich des deutschen Patents 195 49 AAA B4 angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben,
63und zwar unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses sowie unter beleggestützter Angabe
64a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
65b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie aufgeschlüsselt nach den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
66c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
67d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, der Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
68e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten (einschließlich Bezugspreisen) und des erzielten Gewinns,
69- wobei die folgenden Belege in Ablichtung vorzulegen sind: Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine;
70- wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger enthalten ist;
71- 72
2. festgestellt wird, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihr (der Klägerin) allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu 1. bezeichneten, seit dem 14.05.2005 begangenen Handlungen (für den Beklagten zu 2) für den Zeitraum 14.06.2007 bis 23.03.2010) entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen der Beklagten unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegen. Sie ist der Ansicht, dass die angegriffenen Ausführungsformen auch von den neuen Merkmalen Gebrauch machen, die durch das Nichtigkeitsberufungsurteil Eingang in Patentanspruch 2 gefunden haben.
74Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte nebst Anlagen Bezug genommen.
75II.
76Die Berufung ist zulässig. Sie hat – aufgrund der im Berufungsrechtszug aus dem parallelen Nichtigkeitsverfahren gewonnenen Erkenntnisse zum Inhalt des Klagepatents – auch in der Sache Erfolg. Die angegriffenen Ausführungsformen stellen keine Verletzung von Patentanspruch 2 des Klagepatents dar, weswegen der Klägerin die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche (soweit sie noch Gegenstand des Berufungsverfahrens sind) nicht zustehen.
771.
78Das Klagepatent betrifft einen Stent, der dazu dient, ein Blutgefäß oder eine andere Öffnung im Körper aufzuweiten und das dadurch gewonnene Lumen aufrecht zu erhalten. Zu diesem Zweck wird der Stent im nicht expandierten Zustand an den gewünschten Behandlungsort im Körper verbracht (weshalb der Stent hinreichend flexibel sein muss, um dem „verschlungenen“ Verlauf des Gefäßes folgen zu können) und dort mittels eines aufblasbaren Ballons, auf dem der Stent sitzt, aufgedehnt. Damit das erweiterte Lumen in seinem aufgeweiteten Zustand gehalten wird, muss der Stent die Gefäßwand bzw. Körperöffnung über ihren Umfang hinreichend (nämlich ohne unangemessen große Lücken) abstützen.
79Nach den Erläuterungen der Klagepatentschrift sind derartige Vorrichtungen aus dem Stand der Technik bekannt. An ihnen werden verschiedene Phänomene bemängelt. Einige Stents stützen die Gefäßwand nicht genügend ab; mit der Verwendung anderer Stents ist sogar die Gefahr einer Beschädigung des Blutgefäßes verbunden. Ein generelles Problem besteht darüber hinaus darin, dass die Stents bei (und infolge) ihrer radialen Aufweitung in der Länge schrumpfen.
80Die Klagepatentschrift bezeichnet es vor diesem Hintergrund als Ziel der Erfindung, einen Stent bereitzustellen, der
81- flexibel ist und
82- während der Ausdehnung minimal in der Längsrichtung schrumpft.
83Zur Lösung dieser Problemstellung schlägt Patentanspruch 2 des Klagepatents in der vom Bundesgerichtshof aufrechterhaltenen Anspruchsfassung einen Stent mit der Kombination folgender Merkmale vor:
84- 85
1. Der Stent ist
a) ballon-expandierbar und nicht selbst-expandierbar,
87b) als eine Röhre ausgebildet,
88c) in ein Blutgefäß oder eine andere Öffnung im Körper einführbar, in welchem (Blutgefäß, Körperöffnung) der Stent ausdehnbar ist.
89- 90
2. Der Stent verfügt über eine einzige, zusammenhängende Struktur aus benachbarten verbundenen, geschlossenen Zellen.
- 92
3. Jede Zelle weist auf:
a) eine gerade Anzahl von geraden Abschnitten (22) fester Länge sowie
94b) erste und zweite Schlaufen (14, 16; 18, 20).
95- 96
4. Die geraden Abschnitte (22) wechseln mit den ersten und zweiten Schlaufen (14, 16; 18, 20) ab.
- 98
5. Die ersten und zweiten Schlaufen (14, 16; 18, 20)
a) sind in gerader Anzahl vorhanden,
100b) wechseln miteinander ab.
101- 102
6. Die Schlaufen (14, 16; 18, 20)
a) weisen eine feste Länge auf,
104b) sind in einer geschlossenen Zelle verbunden,
105c) jede Schlaufe (14, 16; 18, 20) weist zwei Abschnitte mit einem Biegungsbereich dazwischen auf,
106d) die ersten und zweiten Schlaufen definieren durch ihre beiden Abschnitte erste und zweite Winkel;
107e) die Winkelhalbierenden der ersten und zweiten Winkel bilden zueinander einen Winkel.
108Wesentlich für den Erfindungsgedanken ist die Zusammensetzung des patentgemäßen Stents aus zwei Schlaufenmustern - einem ersten, das sich in eine erste Richtung erstreckt, und einem zweiten, das sich in eine davon verschiedene zweite Richtung erstreckt. Da jedes Muster Schlaufen aufweist, besitzt der Stent im nicht expandierten Zustand einerseits Flexibilität beim Transport durch das „verschlungene“ Blutgefäß, und andererseits wird gewährleistet, dass die sich infolge einer radialen Aufdehnung des Stents einstellende Längenverkürzung durch das Aufweiten der Schlaufen des anderen Musters kompensiert werden kann. Dem Fachmann ist dabei einsichtig, dass die besagten Wirkungen vor allem den zweiten Schlaufen zu verdanken sind, die den Stent – Erstens - im komprimierten Zustand beim Vorschub durch das Gefäß flexibel machen und die – Zweitens - dafür sorgen, dass der Stent bei seinem radialen Expandieren am Behandlungsort dank einer Aufweitung eben dieser Schlaufen nicht in der Länge schrumpft.
109Für das Verständnis der Einzelmerkmale ist aufgrund der Patentauslegung, die der Bundesgerichtshof im Nichtigkeitsberufungsverfahren vorgenommen hat und der sich der erkennende Senat anschließt, von Folgendem auszugehen: Merkmal (2), welches für den Stent eine einzige, zusammenhängende Struktur aus benachbarten verbundenen, geschlossenen Zellen verlangt, besagt für den Fachmann, dass der Stent ausschließlich aus Zellen bestehen soll, die den Vorgaben der Merkmale (3) bis (6) genügen (BGH-Urteil Rz. 12, 35). Lediglich aufgrund der Anordnung an den beiden Enden des Stents unvollständig gebliebene Strukturen haben außer Betracht zu bleiben (BGH-Urteil Rz. 12). Die den Stent bildenden Zellen werden zum Einen aus Schlaufen und zum Anderen aus geraden Abschnitten gebildet (Merkmal 3), wobei als gerade Abschnitte solche Strukturelemente anzusehen sind, die sich keiner Schlaufe zuordnen lassen (BGH-Urteil Rz. 13). Die – somit vorrangig festzustellende – Schlaufe zeichnet sich - abschließend - durch zwei Abschnitte und einen dazwischen liegenden Biegungsbereich aus, um den herum sich die beiden Abschnitte biegen, nämlich aufeinander zu und voneinander weg bewegen lassen (BGH-Urteil Rz. 13, 27). Über die besagte Funktionalität hinaus (sic.: Bewegung um einen Biegungsbereich) enthält Patentanspruch 2 keine beschränkenden Festlegungen zu Form, Größe und Ausbildung der Schlaufenabschnitte. Sie können deshalb z.B. einen variierenden Querschnitt haben und sie müssen nicht insgesamt gerade ausgestaltet sein, sondern können ebenso gut einen die Richtung wechselnden Verlauf nehmen. Soweit Patentanspruch 2 für die geraden Abschnitte und für die Schlaufen eine feste Länge fordert [Merkmale (3a), (6a)], bedeutet dies, dass sich beide Bestandteile – die geraden Abschnitte und die Schlaufen – im Zuge der radialen Expansion des Stents nicht verändern dürfen (BGH-Urteil Rz. 13). Damit ist, da die Expansion (Aufdehnung) des Stents durch Aufbiegen der (zu diesem Zweck mit einem Biegebereich versehenen) Schlaufen erfolgen soll (BGH-Urteil Rz. 13), gemeint, dass aus Anlass der Expansion des Stents weder die geraden Abschnitte noch die Schlaufen materialbedingt in ihrer Länge variieren (d.h. sich nicht dehnen), sondern dass sich lediglich die beiden Schlaufenabschnitte um den sie verbindenden Biegungsbereich herum aufspreizen. Dass die ersten und zweiten Schlaufen durch ihre beiden Abschnitte Winkel definieren, deren Winkelhalbierende zueinander einen Winkel bilden [Merkmale (6d), (6e)], hat den Zweck, dass sich die ersten und zweiten Schlaufen bei einer Expansion des Stents in verschiedene Richtungen bewegen (BGH-Urteil Rz. 13). Dadurch wird gewährleistet, dass die sich bei einer radialen Aufdehnung des Stens einstellende Längenverkürzung durch die sich in eine andere Richtung öffnenden Schlaufen der anderen Gattung wenigstens teilweise ausgeglichen werden kann. Angesichts der besagten Wirkzusammenhänge kommt es für die geforderten Winkelverhältnisse maßgeblich auf den expandierten Zustand des Stents an, was nicht zuletzt auch am Ausführungsbeispiel des Klagepatents deutlich wird. Bei ihm sind die Schenkel der Schlaufen in nicht expandiertem Zustand (Figuren 1 und 2) parallel zueinander angeordnet, so dass keine Winkel definiert werden, deren Winkelhalbierende zueinander einen Winkel bilden können, während dies nach erfolgter Expansion und der damit einhergehenden Bewegung der ersten und zweiten Schlaufen in verschiedene Richtungen (Figur 4) sehr wohl der Fall ist (BGH-Urteil Rz. 13, 34). Die bei Aufdehnung des Stents geforderte Winkelbildung zwischen den Schlaufenschenkeln ist insoweit ein sicheres Anzeichen (Indikator) dafür, dass sich die Schlaufenabschnitte (z.B. aus ihrer ursprünglich parallelen Lage) um den Biegungsbereich verschwenkt haben, was wiederum bedeutet, dass sich die Schlaufen (aufdehnungsbedingt) geöffnet haben. Patentanspruch 2 verlangt darüber hinaus nicht, dass der durch die Schlaufenabschnitte definierte Winkel aller Schlaufen des Stents gleich und somit auch der durch die Winkelhalbierenden gebildete Winkel überall identisch ist.
110Im Verhandlungstermin vom 28. Mai 2015 hat die Klägerin geltend gemacht, in seinem Anspruch 2 begnüge sich das Klagepatent damit, dass die zweiten Schlaufen aufgrund ihrer Ausrichtung lediglich das theoretische Potenzial zum Öffnen in eine zweite Richtung hätten, dass eine Schlaufenöffnung anläßlich der radialen Ausdehnung des Stents jedoch nicht tatsächlich stattfinden müsse. Anders als beim Gegenstand des Patentanspruchs 1 diene die Ausrichtung der zweiten Schlaufen hier lediglich der Flexibilität beim Vorschub des Stents durch das Blutgefäß und der komplementären Anpassung an den (sich mit jedem Pulsschlag verändernden) Krümmungsverlauf des Gefäßes am Behandlungsort des Stents. Wie der Fachmann bei einem Stent nach Anspruch 2 der Längsschrumpfung entgegenwirke, sei seinem Belieben überlassen.
111Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
112Sinn und Zweck eines jeden Patentanspruchs ist es, dem Durchschnittsfachmann eine technische Lehre an die Hand zu geben, bei deren Nacharbeitung sich der beabsichtigte Erfindungserfolg einstellt. Wie spezifiziert der Patentanspruch den Fachmann über das belehrt, was zu tun ist, um zum erfindungsgemäßen Erfolg zu gelangen, kann von Fall zu Fall verschieden sein. Es ist rechtlich ohne weiteres zulässig, den Patentanspruch als eine detailgenaue Handlungsnorm abzufassen. Allein die Tatsache, dass ein Anspruchsmerkmal bei einem bestimmten Verständnis für den Fachmann bloß eine technische Selbstverständlichkeit zum Ausdruck bringen würde, schließt deshalb dieses Verständnis nicht aus (BGH, GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; BGH, GRUR 2010, 602, 605 – Gelenkanordnung). Andererseits ist es nicht unbedingt notwendig, dass der Patentanspruch eine bis ins allerletzte detaillierte Handlungsanweisung gibt, d.h. eine Anleitung zum technischen Handeln formuliert, die auch Selbstverständlichkeiten aufgreift und erwähnt. Solche können und dürfen vielmehr als präsentes Wissen des Fachmanns in dem Sinne vorausgesetzt werden, dass sie von ihm auch ohne besondere Erwähnung im Patentanspruch eigenständig gesehen und – gleichsam zwischen den Zeilen des Patentanspruchs – ergänzt werden. Für technische Anweisungen, die grundsätzlicher Natur sind, weil ohne sie eine funktionsfähige Vorrichtung erst gar nicht erhalten wird, gilt dies jedoch nicht in gleicher Weise. Merkmale in einem Patentanspruch, die keine aus dem selbstverständlichen Wissen des Durchschnittsfachmanns zu schließenden Lücken hinterlassen, sind deswegen so zu interpretieren, dass sich aus der Gesamtheit der Anspruchsmerkmale ein für die Zwecke der Erfindung tauglicher und vor allem funktionsfähiger Gegenstand ergibt (Senat, InstGE 13, 129 – Synchronmotor; Urteil vom 20.06.2013 - I-2 U 78/12).
113Dies vorausgeschickt, verbietet sich die Annahme, Patentanspruch 2 begnüge sich mit einem bloßen „Placebo“-Bauteil, nämlich zweiten Schlaufen, die sich bloß theoretisch öffnen könnten, dies tatsächlich jedoch nicht tun und deshalb auch die ihnen zugedachte technische Wirkung nicht hervorbringen. Dementsprechend hat auch der Bundesgerichtshof (Urteilsumdruck Rz. 13) mit Blick auf die in den Merkmalen 6d) und 6e) vorausgesetzte Winkelbildung durch die Schlaufen und die Orientierung der Winkelhalbierenden zueinander für maßgeblich gehalten, „dass sich die ersten und zweiten Schlaufen bei Expansion des Stents in verschiedene Richtungen bewegen.“ Ohne eine Öffnung der zweiten Schlaufen bliebe für den Fachmann auch gänzlich unklar, auf welche Weise bei dem patentgemäßen Stent eine Längsschrumpfung bei dessen radialer Aufdehnung vermieden werden soll. Ohne eine Bewegung der zweiten Schlaufen bliebe für den Fachmann völlig offen, worin denn das Lösungsmittel für diese (neben der Flexibilität) zweite Teilaufgabe der Erfindung liegen sollte. Ein dahingehendes Verständnis der Anspruchsmerkmale, bei der eine technische erfolgreich ausführbare Lehre nicht vorhanden wäre, hat zu unterbleiben.
1142.
115Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der technischen Lehre des Klagepatents keinen wortsinngemäßen Gebrauch. Jedenfalls das Merkmal (6d) wird nicht verwirklicht, weil die beiden Abschnitte der zweiten (in Längsrichtung des Stents verlaufenden) Schlaufen im expandierten Zustand des Stents parallel zueinander ausgerichtet sind und deshalb zwischen sich keinen Winkel definieren.
116a)
117Soweit das Landgericht im angefochtenen Urteil (Umdruck Seite 28) der Auffassung der Klägerin folgend davon ausgegangen ist, dass ein die Bestimmung einer Winkelhalbierenden ermöglichender Winkel zwischen den Abschnitten einer Schlaufe auch dann gebildet wird, wenn die Abschnitte parallel zueinander verlaufen, kann dem nach Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens gegen das Klagepatent nicht zugestimmt werden. Sachverständig beraten hat der Bundesgerichtshof (Urteilsumdruck Rz. 13) im Hinblick auf die Figuren 1 bis 3 der Klagepatentschrift, die den patentgemäßen Stent in nicht expandiertem Zustand mit parallel zueinander ausgerichteten Schlaufenabschnitten zeigen, festgestellt, dass – eben wegen der parallelen Orientierung - die Schlaufenabschnitte keinen Winkel definieren. An dieser Betrachtung, die eine zentrale Begründungserwägung bei der Behandlung des Nichtigkeitsvorbringens der Beklagten zu 1) und 4) gebildet hat und die darüber hinaus auch bereits vom technisch fachkundig besetzten Bundespatentgericht in seiner erstinstanzlichen Nichtigkeitsentscheidung vom 16.12.2010 (Urteilsumdruck Seite 12) vertreten worden ist, ist für die Beurteilung der Verletzungsfrage festzuhalten.
118Soweit die Klägerin darauf verweist, dass die Schlaufenabschnitte in der Praxis aufgrund unvermeidlicher Fertigungstoleranzen niemals exakt parallel zueinander verlaufen, gibt ihr Sachvortrag bereits keinerlei konkreten Anhaltspunkt dazu, welche zahlenmäßigen Abweichungen aus der angestrebten Parallellage insoweit in Rechnung zu stellen sind. Mangels anderweitigen Vorbringens kann es sich deshalb um „Fehlausrichtungen“ handeln, die für einen Fachmann lediglich mit messtechnischem Aufwand festzustellen sind. Derartige Abweichungen haben für die patentrechtliche Beurteilung außer Betracht zu bleiben, und zwar aus zweierlei Gründen.
119Zwar ist richtig, dass der Schutzbereich eines Patents durch die Patentansprüche bestimmt wird (§ 14 PatG) und diese vorliegend keine näheren Vorgaben dazu enthalten, wie groß der durch die Schlaufenabschnitte gebildete Winkel sein muss bzw. wie klein der Winkel im Extremfall sein kann. Auch bedingt der vom Gesetzestext verordnete Vorrang des Anspruchs vor der lediglich anspruchserläuternden Beschreibung nach der Rechtsprechung des BGH, dass ein weit gefasster Patentanspruch nicht unter Berufung auf den Beschreibungstext unter seinen Wortlaut einschränkend interpretiert werden darf (BGH, GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; BGH, GRUR 2007, 778 – Ziehmaschinenzugeinheit). Sind die im Anspruch aufgeführten Merkmale bei einer Ausführungsform in ihrer räumlich-körperlichen Ausgestaltung vorhanden, kommt es für die Bejahung einer Patentverletzung nicht mehr darauf an, ob die die Anspruchsmerkmale verwirklichenden Funktionsteile die mit der geschützten Erfindung bezweckten Vorteile tatsächlich erreichen oder nicht (BGH, GRUR 2006, 131, 134 – Seitenspiegel; BGH, GRUR 1991, 436, 439 – Befestigungsvorrichtung II). Auf der anderen Seite stellt es aber auch einen festen Auslegungsgrundsatz dar, dass die Ansprüche und der sie erläuternde Beschreibungstext – eben weil die Ansprüche anhand der Beschreibung zu begreifen und auszulegen sind – eine zusammengehörige Einheit bilden, die der Durchschnittsfachmann demgemäß auch als sinnvolles Ganzes so zu interpretieren sucht, dass sich Widersprüche nicht ergeben (BGH, GRUR 2008, 887 – Momentanpol II; BGH, GRUR 2009, 653 – Straßenbaumaschine). Dies bedingt, dass Begriffe eines Patentanspruchs nicht unbesehen mit ihrem auf dem betreffenden Fachgebiet üblichen Inhalt verstanden, sondern aus der Patentschrift selbst heraus funktionsorientiert ausgelegt werden (BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube; BGH, GRUR 2005, 754 – werkstoffeinstückig). Dass ein weit gefasster Patentanspruch nicht unter Rückgriff auf die Beschreibung unter seinen Wortlaut interpretiert werden darf, bedeutet deswegen nicht, dass der Anspruchswortlaut als solcher einen bestimmten Schutzbereich hätte, der sich ohne Rücksicht auf die Beschreibung – quasi aus sich heraus – ermitteln ließe und der deshalb auch gegenüber den Erläuterungen des Beschreibungstextes eine feste, nicht überschreitbare Grenze setzt. Eine Auslegung hat immer stattzufinden, d.h. nicht nur, wenn der Anspruchswortlaut sprachliche Unklarheiten aufwirft, die zu beheben sind, sondern in jedem einzelnen Fall der Schutzbereichsbestimmung, um den mit den (auch vermeintlich klaren und unzweideutigen) Worten des Patentanspruchs verbundenen technischen Sinn aufzudecken. Vorliegend kann deshalb nicht bei der rein philologischen Feststellung stehen geblieben werden, dass sich Patentanspruch 2 des Klagepatents zur Größe des Winkels zwischen den Schlaufenabschnitten nicht verhält, sondern muss die Frage beantwortet werden, wie der diesbezüglich offen formulierte Anspruchswortlaut von einem technischen Durchschnittsfachmann verstanden wird, dem gegenwärtig ist, dass mit dem fraglichen Merkmal des Patentanspruchs 2 ein bestimmtes technisches Problem gelöst werden soll (Senat, Urteil vom 09.10.2014 – I-2 U 80/13), nämlich die Erzielung eines Längenausgleichs bei radialem Aufdehnen des Stents. Auch ohne dahingehende Festlegung im Anspruchswortlaut wird der Fachmann, der dies berücksichtigt, nicht jede beliebig geringe Fehlausrichtung gegenüber der theoretischen Parallellage schon als erfindungsgemäße Anordnung ansehen, sondern nur eine solche Lage der Schlaufenabschnitte zueinander, die - bezogen auf die praktischen Zwecke der Erfindung - qualitativ irgendwie andere Verhältnisse schafft als eine Schlaufe mit exakt parallelen Abschnitten.
120Des Weiteren ist zu beachten, dass die Schlaufenabschnitte zwischen sich aufgrund einer bestimmten Ursachenkette, nämlich infolge der radialen Expansion des Stents und der damit verbundenen Bewegung der ersten und zweiten Schlaufen in unterschiedliche Richtungen, einen halbierungsfähigen Winkel definieren sollen (BGH-Urteil Rz. 13). Denn die patentgemäß geforderte Winkelbildung zwischen den Schlaufenabschnitten verfolgt den Zweck, dass sich die ersten und zweiten Schlaufen bei einer Expansion des Stents in verschiedene Richtungen bewegen (öffnen), so dass die mit einer radialen Aufdehnung verbundene Längsschrumpfung des Stents durch das gleichzeitige Öffnen der zweiten (sich in eine andere Richtung bewegenden) Schlaufen kompensiert werden kann (BGH-Urteil Rz. 13). Die Entstehung und das Vorhandensein eines Winkels im expandierten Zustand des Stents repräsentiert insoweit das Auseinanderspreizen der ursprünglich parallelen Schlaufenabschnitte in eine aufgeweitete Stellung zur Längenkompensation. Die Größe der sich bildenden Winkelhalbierenden ist insoweit ein Maß für die eintretende Öffnung der Schlaufe, welche wiederum den Umfang des sich einstellenden Kompensationseffektes bestimmt. Damit sich dieser Effekt in einem merklichen Maße einstellt, bedarf es nicht nur einer bloß theoretisch feststellbaren (messbaren), sondern einer praktisch wirkungsvollen (spürbaren) Öffnung der zweiten Schlaufen (= Neigung der Schlaufenabschnitte aus ihrer Ausgangslage unter Bildung eines halbierungsfähigen Winkels zwischen den Abschnitten) während der radialen Aufdehnung des Stents. Das gilt ganz besonders vor dem Hintergrund der vergleichsweise ambitionierten Zielsetzung des Klagepatents, die dahin geht, einen flexiblen Stent bereitzustellen, der während der Ausdehnung minimal in der Längsrichtung schrumpft. Fertigungstoleranzen, die von vornherein zu einer ungewollten Minimalabweichung von der theoretischen Parallellage führen, haben keinen Bezug zu dem dargelegten technischen Aspekt und können daher nicht für eine Winkelbildung zwischen auch im expandierten Zustand des Stents parallel angeordneten Schlaufenabschnitten herangezogen werden.
121b)
122Die nachfolgenden Abbildungen (GA I 219-221) zeigen die streitbefangenen Stents zunächst in nicht-expandiertem
123und anschließend in expandiertem Zustand.
124Die Darstellungen belegen den Vortrag der Beklagten, dass sich die in Längsrichtung des Stents orientierten Schlaufen infolge der radialen Aufdehnung des Stents nicht verändern (aufweiten), sondern vielmehr ihre ursprüngliche Form behalten. Die von der Klägerin im Verhandlungstermin vom 28. Mai 2015 überreichten Abbildungen, die lediglich für den ungedehnten Zustand Winkelangaben ausweisen, nicht jedoch für den radial expandierten Zustand, erlauben keine gegenteiligen Feststellungen. Die für die angegriffenen Ausführungsformen zugrunde zu legende Konfiguration ist dadurch gekennzeichnet, dass sich ausgehend von dem jeweiligen Biegungsbereich zwei Schlaufenabschnitte auswärts erstrecken, wobei die beiden Abschnitte im Sinne eines – wie dargelegt – praktischen Verständnisses - parallel zueinander verlaufen und infolgedessen keinen Winkel zwischen sich definieren.
125Es mag – wie die Klägerin (GA III 595-596) behauptet – sein, dass besondere Verhältnisse herrschen, wenn der Stent in einer Gefäßkrümmung expandiert wird. Die Besonderheit mag insoweit auch darin liegen, dass sich zweite Schlaufen, die auf der Außenseite der Krümmung gelegen sind, in gewissem Umfang aufweiten. Ursache dieser Aufweitung ist jedoch – wie die Beklagten zu Recht bemerken (GA III 609/610) – ausschließlich die durch den Gefäßverlauf bedingte Krümmung des Stents gegenüber seiner Längsachse, aber nicht die radiale Aufdehnung des Stents. Genau darin liegt jedoch die technische Lehre des Klagepatents, welche – wie dargelegt – dahin geht, den Stent so zu konstruieren, dass sich die zweiten Schlaufen, wenn der Stent radial aufgedehnt wird, (unter Bildung eines Winkels zwischen den Schlaufenschenkeln) öffnen. Das geschieht bei den angegriffenen Ausführungsformen gerade nicht.
1263.
127Für die Annahme einer äquivalenten Patentverletzung ist kein Raum. Der Schutzbereichseingriff unter Äquivalenzgesichtspunkten setzt (u.a.) voraus, dass das abgewandelte Mittel für den Durchschnittsfachmann in naheliegender Weise aufzufinden war, wenn er sich an der ihm durch den Patentanspruch gegebenen technischen Lehre orientiert hat. Den rechtlichen Maßstab bildet der (ausgelegte) Patentanspruch, nicht der (ggf. überschießende) Inhalt der Patentbeschreibung. Im Streitfall ist insofern entscheidend, dass die Abschnitte der zweiten Schlaufen bei den angegriffenen Ausführungsformen – wie dargelegt – im expandierten Zustand gerade keine Winkelhalbierenden bilden, weswegen sie sich von einem zentralen Gedanken der Erfindung abwenden. Von einer gleichwertigen Ersatzlösung kann unter solchen Umständen keine Rede sein.
128III.
129Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO. Soweit die Parteien (hinsichtlich des Unterlassungs- und Vernichtungsanspruchs) den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, sind die Kosten der Klägerin aufzuerlegen, weil die Klage aus den dargelegten Gründen auch insoweit von Beginn an unbegründet gewesen ist.
130Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
131Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen ersichtlich nicht vorliegen. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das gilt umso mehr, als der Senat seiner Entscheidung diejenige Auslegung des Klagepatents zugrundegelegt hat, die der Bundesgerichtshof im parallelen Nichtigkeitsberufungsverfahren vorgegeben hat.
132X Y Z
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Urteil einreichenOberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 03. Juni 2015 - I-2 U 60/10 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Das deutsche Patent 195 49 520 wird dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass Patentanspruch 2 folgende Fassung erhält, auf die sich die Patentansprüche 3 bis 5 unmittelbar oder mittelbar rückbeziehen : "Ballon-expandierbarer und nicht selbstexpandierender Stent, welcher als Röhre ausgebildet ist und in ein Blutgefäß oder eine andere Öffnung im Körper einführbar ist, in welchem er ausdehnbar ist, mit einer einzigen, zusammenhängenden Struktur aus benachbarten verbundenen, geschlossenen Zellen , wobei jede Zelle eine gerade Anzahl von geraden Abschnitten (22) fester Länge aufweist, welche mit ersten und zweiten Schlaufen (14, 16, 18, 20) abwechseln , die in gerader Anzahl vorhanden sind und miteinander abwechseln, und die eine feste Länge aufweisen und in einer geschlossenen Zelle verbunden sind, wobei jede Schlaufe zwei Abschnitte mit einem Biegungsbereich dazwischen aufweist, und wobei die ersten und zweiten Schlaufen (14, 16, 18, 20) durch ihre beiden Abschnitte erste und zweite Winkel definieren, deren Winkelhalbierende einen Winkel zueinander bilden." Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berufung der Klägerinnen wird zurückgewiesen.
Von den Kosten der Berufungen tragen die Klägerinnen zwei Drittel und die Beklagte ein Drittel.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 195 49 520 (Streitpatents), das - unter Inanspruchnahme der Prioritäten zweier US-amerikanischer Patentanmeldungen vom 28. Juli 1994 und 31. Mai 1995 - am 26. Juli 1995 angemeldet wurde. Das Streitpatent umfasst fünf Patentansprüche , von denen Patentanspruch 2 folgenden Wortlaut hat: "Ballon-expandierbarer und nicht selbst-expandierender Stent, welcher als Röhre ausgebildet ist und in ein Blutgefäß oder in eine andere Öffnung im Körper einführbar ist, in welchem er ausdehnbar ist, mit einer Struktur aus benachbarten verbundenen, geschlossenen Zellen, wobei jede Zelle aufweist, eine gerade Anzahl von geraden Abschnitten (22) fester Länge, welche mit ersten und zweiten Schlaufen (14, 16; 18, 20) abwechseln , die eine feste Länge aufweisen und in einer geschlossenen Zelle verbunden sind, wobei jede Schlaufe zumindest zwei Abschnitte mit einem Biegungsbereich dazwischen aufweist, und wobei die ersten und zweiten Schlaufen (14, 16; 18, 20) erste und zweite Winkel definieren , deren Winkelhalbierende einen Winkel zueinander bilden."
- 2
- Die Patentansprüche 3 bis 5 sind unmittelbar oder mittelbar (auch) auf Patentanspruch 2 rückbezogen.
- 3
- Die Klägerinnen haben geltend gemacht, dass die Erfindung in Patentanspruch 2 und den darauf rückbezogenen Patentansprüchen 3 bis 5 nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne, der Gegenstand des Patentanspruchs 2 und der darauf rückbezogenen Patentansprüche 3 bis 5 über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe und nicht patentfähig sei, weil er weder neu sei noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und mit vier Hilfsanträgen verteidigt.
- 4
- Das Patentgericht hat das Streitpatent insoweit für nichtig erklärt, als es über die Fassung des Hilfsantrags III hinausgeht. Dagegen richten sich die Berufungen beider Parteien. Die Klägerinnen beantragen, das Streitpatent im mit der Klage angegriffenen Umfang für nichtig zu erklären. Die Beklagte verteidigt das Streitpatent zuletzt mit einem gegenüber der erteilten Fassung der angegriffenen Patentansprüche abweichenden Hauptantrag sowie fünf Hilfsanträgen.
- 5
- Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. S.
Entscheidungsgründe:
- 6
- Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat im noch geltend gemachten Umfang auch in der Sache Erfolg. Die zulässige Berufung der Klägerinnen ist nicht begründet.
- 7
- I. Das Streitpatent betrifft einen Stent. Dabei handelt es sich um ein Implantat, das in ein Blutgefäß oder ein anderes Hohlorgan des Körpers eingebracht wird und dort aufgeweitet (expandiert) wird, um das Hohlorgan dauerhaft offen zu halten. In der Beschreibung wird erläutert, dass der Stent typischerweise mittels eines aufblasbaren Ballonkatheters dem gewünschten Ort im Körper zugeführt und ausgedehnt werde, dass aber auch andere mechanische Vorrichtungen bekannt seien, mit denen die Ausdehnung des Stents bewirkt werden könne (Rn. 2).
- 8
- Wie in der Beschreibung weiterhin erwähnt wird, sind Stents mit ausdehnbaren röhrenförmigen Implantaten bekannt, die eine Vielzahl von parallel zur Längsachse der Röhre angeordneten Schlitzen aufweisen. Da die Implantate relativ steif seien, seien sie mit flexiblen schraubenförmigen Verbindern verbunden , so dass die Stents auch durch ein gekrümmtes Blutgefäß zum gewünschten Ort geführt werden könnten. Dabei auftretende Verdrehbewegungen der schraubenförmigen Verbinder könnten jedoch für das Blutgefäß schädlich sein. Andere bekannte Stents wiesen deshalb gerade Verbinder auf, die aber nicht die erforderliche Festigkeit hätten (Rn. 4 f.).
- 9
- Nach den Angaben des Streitpatents liegt der Erfindung das Problem zugrunde, einen flexiblen Stent bereitzustellen, der während der Ausdehnung minimal in der Längsrichtung schrumpft (Rn. 8).
- 10
- Nach Patentanspruch 2 in der Fassung des zuletzt von den Beklagten verteidigten Hauptantrags soll dies durch einen Stent erreicht werden, dessen Merkmale sich - im Wesentlichen mit dem Patentgericht - wie folgt gliedern lassen (wobei die gegenüber der erteilten Fassung abweichenden Merkmale durch Unter- bzw. Durchstreichungen hervorgehoben sind): a Der Stent ist ballon-expandierbar und nicht selbstexpandierend , b ist als Röhre ausgebildet und in ein Blutgefäß oder in eine andere Öffnung im Körper einführbar, in welchem er ausdehnbar ist und c verfügt über eine einzige, zusammenhängende Struktur aus benachbarten verbundenen, geschlossenen Zellen. d Jede Zelle d.1 weist eine gerade Anzahl von geraden Abschnitten (22) fester Länge auf, die mit ersten und zweiten Schlaufen (14, 16; 18, 20) abwechseln, die in gerader Anzahl vorhanden sind und miteinander abwechseln. d.2 Die Schlaufen d.2.1 weisen eine feste Länge auf und d.2.2 sind in einer geschlossenen Zelle verbunden , d.2.3 wobei jede Schlaufe zumindest zwei Abschnitte mit einem Biegungsbereich dazwischen aufweist und d.2.4 wobei die ersten und zweiten Schlaufen (14, 16; 18, 20) durch ihre beiden Ab- schnitte erste und zweite Winkel definieren , d.2.5 deren Winkelhalbierende einen Winkel zueinander bilden.
- 11
- In Patentanspruch 2 ist aus Sicht des Fachmanns, bei dem es sich um einen Ingenieur der Fachrichtung Medizintechnik handelt, der sich - gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit Medizinern - mit biomedizinischer Technik und insbesondere mit der Entwicklung von Gefäßimplantaten befasst und über mehrjährige berufliche Erfahrungen auf diesem Gebiet verfügt (Urteil des Patentgerichts, S. 9; Sachverständigengutachten, S. 23), allein ein Ballonexpandierbarer Stent geschützt, der über keine selbst expandierenden Eigenschaften verfügt.
- 12
- Merkmal c ist dahin zu verstehen, dass der Stent ausschließlich aus einer Struktur aus benachbarten verbundenen, geschlossenen Zellen bestehen soll, die die Merkmale d bis d.2.5 aufweisen, wobei aufgrund der Anordnung an den beiden Enden des Stents unvollständig gebliebene Strukturen außer Betracht bleiben.
- 13
- Jede Zelle der erfindungsgemäßen Struktur verfügt erfindungsgemäß über eine gerade Anzahl gerader Abschnitte, die mit ersten und zweiten Schlaufen abwechseln. Als derartige gerade Abschnitte kommen - wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat - nur solche Abschnitte in Betracht, die sich keiner ersten oder zweiten Schlaufe zuordnen lassen. Die geraden Abschnitte und die Schlaufen haben eine feste Länge, sollen sich also auch bei Expansion des Stents insoweit nicht verändern. Die Expansion des Stents soll vielmehr durch Aufbiegen der einen Biegebereich aufweisenden Schlaufen erfolgen. Die Stents können aus Draht oder einem flachen Metall gebildet sein (vgl. Unteran- sprüche 3 und 4). Die Ausgestaltung der Schlaufen mit zumindest zwei Abschnitten und einem dazwischen befindlichen Biegebereich dient der erfindungsgemäß angestrebten Flexibilität des Stents beim Transport im Hohlgefäß. Die Anordnung der Winkel nach Maßgabe der Merkmale d.2.4 und d.2.5 hat dabei den Zweck, dass sich die ersten und zweiten Schlaufen bei Expansion des Stents in verschiedene Richtungen bewegen. Entsprechend kommt es für den auf die Funktion der Merkmale im Zusammenhang der technischen Lehre eines Patentanspruchs abstellenden Fachmann insoweit in erster Linie auf die Ausgestaltung der Winkel im expandierten Zustand an. Dieses Verständnis wird durch das in den - nachfolgend wiedergegebenen - Figuren 1 bis 4 gezeigte Ausführungsbeispiel bestätigt, bei dem die Schenkel der Schlaufen in nicht expandiertem Zustand parallel zueinander angeordnet sind, so dass keine Winkel definiert werden, deren Winkelhalbierende einen Winkel zueinander bilden können, dies aber bei einer Expansion und der damit einhergehenden Bewegung der ersten und zweiten Schlaufen in verschiedene Richtungen der Fall ist.
- 14
- II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
- 15
- 1. Der Gegenstand von Patentanspruch 2 in der erteilten Fassung sei nicht ausführbar. Bei den in den Figuren 2 und 4 gezeigten Schlaufen bilde jeder Schenkel mit dem Biegebereich einen Winkel, der in nicht ausgedehntem Zustand ein rechter Winkel und in ausgedehntem Zustand ein Winkel größer als 90° sei. Bei den in den Figuren 7 und 8 gezeigten Schlaufen könnten, weil der Biegungsbereich abgerundet sei, Winkel nur durch gedachte, an den Schenkeln und dem Biegungsbereich anliegende Tangenten oder durch gedachte, an den beiden Schenkeln anliegende, sich schneidende Tangenten gebildet werden. Da die Schlaufen mehr als zwei Abschnitte aufweisen könnten, ergäben sich auch noch weitere Möglichkeiten der Winkelbildung. Dadurch könne es zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen kommen, so dass es an einer nacharbeitbaren Lehre fehle.
- 16
- 2. Werde hingegen das Wort "zumindest" wie in Patentanspruch 2 in der Fassung des Hilfsantrags I gestrichen, sei für den Fachmann klar erkennbar , auf welche Weise die ersten und zweiten Winkel durch die beiden Abschnitte (Schenkel) der Schlaufen gebildet würden. Bei dem ersten Ausführungsbeispiel seien diese Abschnitte zwar parallel bzw. in einem Winkel von 0° zueinander angeordnet. Bei Ausdehnung des Stents würden die ersten und zweiten Schlaufen jedoch in unterschiedliche Richtungen auseinandergezogen, wodurch der Stent nur minimal in der Längsrichtung schrumpfe.
- 17
- Patentanspruch 2 in der Fassung des Hilfsantrags I sei aber gegenüber der Ursprungsanmeldung unzulässig erweitert. Im Stand der Technik habe es ausschließlich ballon-expandierende, ausschließlich selbst-expandierende oder auch Mischformen gegeben. Der ursprünglichen Patentanmeldung sei nicht zu entnehmen, auf welche Art von Stents sich diese beziehe. Das Merkmal "ballon -expandierbarer und nicht selbst-expandierbarer Stent" gehe daher über den Inhalt der Ursprungsoffenbarung hinaus. Da dem Fachmann jedoch die verschiedenen Arten von Stents geläufig seien, verstehe er dieses Merkmal als bloße Einschränkung gegenüber der Ursprungsoffenbarung, so dass es im Patentanspruch verbleiben könne, jedoch bei der Prüfung der Patentfähigkeit außer Betracht zu bleiben habe.
- 18
- Eine unzulässige Erweiterung liege nicht in der Aufnahme des Merkmals der "geraden Anzahl" von geraden Abschnitten fester Länge aus Anspruch 14 der ursprünglichen Anmeldung, sei jedoch darin zu sehen, dass sich nach Anspruch 2 in der Fassung des Hilfsantrags I die geraden Abschnitte mit ersten und zweiten Schlaufen abwechseln müssten, während nach Anspruch 14 der ursprünglichen Anmeldung ein Stent mit einer geraden Anzahl sich abwechselnder erster und zweiter Schlaufen geschützt werden sollte. In den gesamten Anmeldungsunterlagen sei nur eine gerade Anzahl von ersten und zweiten Schlaufen innerhalb einer Zelle offenbart. Durch die Änderungen gegenüber der ursprünglichen Offenbarung würden nunmehr Gegenstände beansprucht, die von der Anmeldung nicht erfasst würden.
- 19
- 3. In Patentanspruch 2 in der Fassung des Hilfsantrags II werde den genannten Bedenken zur unzulässigen Erweiterung dadurch Rechnung getragen , dass zusätzlich festgelegt werde, dass die ersten und zweiten Schlaufen mit denen sich die geraden Abschnitte abwechseln, in gerader Anzahl vorhanden seien und miteinander abwechseln (jetzt Merkmal d.1). Die dadurch bewirk- te Präzisierung stelle eine bloße Beschränkung gegenüber dem Anspruch in der erteilten Fassung, die auch durch die ursprüngliche Offenbarung abgedeckt sei. Unschädlich sei, dass die mit geraden Abschnitten abwechselnd vorhandenen ersten und zweiten Schlaufen nicht nur einzeln, sondern auch mehrfach vorhanden sein könnten.
- 20
- Der Gegenstand von Patentanspruch 2 in der Fassung des Hilfsantrags II werde jedoch durch die nachveröffentlichte und gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 3 PatG zu berücksichtigende internationale Anmeldung WO 95/31945 (BR 6) vorweggenommen.
- 21
- Die Entgegenhaltung, aus der die nachfolgend gezeigten Zeichnungen stammen, offenbare einen ballon-expandierbaren, rohrförmigen Stent, der in ein Blutgefäß im Körper einführbar sei, in welchem er ausdehnbar sei. Die Struktur des Stents weise eine Vielzahl von Zellen auf, die aneinander grenzten und somit benachbart und verbunden seien. Jede dieser Zellen weise in Umfangsrichtung des Stents verlaufende erste und in Längsrichtung verlaufende zweite Schlaufen auf. Die in Form eines Ringes in Umfangsrichtung des Stents verlaufenden Schlaufen seien zu den jeweils benachbarten Ringen in Längsrichtung angeordneten Schlaufen beabstandet, wodurch sich jeweils ein kurzer, gerader Abschnitt fester Länge ergebe, der keiner Schlaufe zugeordnet werden könne. Jede geschlossene Zelle weise eine gerade Anzahl dieser Abschnitte auf. Die Schenkel jeder Schlaufe seien über einen mittleren Biegungsbereich verbunden und stünden im ausgedehnten Zustand des Stents in einem bestimmten Winkel zueinander und verwirklichten eine Winkelanordnung entsprechend den Merkmalen d.2.4 und d.2.5.
- 22
- 4. Der Gegenstand des Patentanspruchs 2 in der Fassung des Hilfsantrags III sei hingegen patentfähig. Von der Entgegenhaltung BR 6 grenze er sich durch das hinzugekommene Merkmal ab, wonach der Stent aus einer Struktur bestehe, die "ausschließlich" aus den anspruchsgemäßen Zellen bestehe. Denn der in der BR 6 offenbarte Stent weise auch Zellen aus geschlossenen Schlaufen auf, die nicht die erfindungsgemäße Ausgestaltung aufwiesen.
- 23
- In der europäischen Patentanmeldung 0 540 290 (BR 5) sei ein Stent offenbart , der aus Stentringen 12 bestehe, die mittels gerader Stücke 13 miteinander verbunden seien. Wie etwa aus Figur 5 erkennbar sei, ergebe sich dadurch eine Struktur aus benachbarten, verbundenen und geschlossenen Zellen , die aber nur erste Schlaufen in Umfangsrichtung, keine zweiten Schlaufen aufwiesen.
- 24
- In der internationalen Anmeldung WO 95/26695 (BR 15), die ihres älteren Zeitranges wegen nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 PatG zu berücksichtigen sei, werde zwar ein Stent offenbart, bei dem die durch ringförmige Segmente 332 gebildeten ersten Schlaufen durch gerade Stücke 324 verbunden seien. Die Zellen wiesen jedoch keine zweiten Schlaufen auf. Die Schlingen 50 des in der europäischen Patentanmeldung 0 378 151 (BR 7) gezeigten Stents bildeten zwar eine Struktur aus geschlossenen Zellen mit ersten und zweiten Schlaufen in Umfangs- und Längsrichtung; es fehle jedoch an geraden Abschnitten, welche mit ersten und zweiten Schlaufen abwechselten. Gleiches gelte für die in der BR 7 genannte US-amerikanische Patentschrift 5 019 090 (BR 11).
- 25
- Schließlich führe auch eine Zusammenschau der vorveröffentlichten Entgegenhaltungen BR 5 und BR 7 (BR 11) den Fachmann nicht zu dem anspruchsgemäßen Stent, da kein Anlass bestehe, bei dem in der BR 5 gezeigten Stent die die Stentringe 12 verbindenden geraden Stücke 13, mit denen eine Verkürzung des Stents bei radialer Ausdehnung vermieden werden solle, durch Schlaufen zu ersetzen.
- 26
- III. Patentanspruch 2 wird in der Fassung des zuletzt von der Beklagten gestellten Hauptantrags in zulässiger Form verteidigt. Die Erwägungen, mit denen das Patentgericht die Rechtsbeständigkeit der im Wesentlichen damit übereinstimmenden Anspruchsfassung nach dem erstinstanzlichen Hilfsantrag III bejaht hat, halten den Angriffen der Berufung der Klägerinnen stand.
- 27
- 1. Die Erfindung nach Patentanspruch 2 ist so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Die vom Patentgericht im Hinblick auf Patentanspruch 2 in der erteilten Fassung geäußerten Bedenken, dass die Winkelbildung nach den Merkmalen d.2.4 und d.2.5 beliebig sei, wenn jede Schlaufe lediglich "zumindest" zwei Abschnitte mit einem Biegungsbereich dazwischen aufweisen müsse, sind jedenfalls durch die Beschränkung auf (zwingend) zwei Abschnitte ausgeräumt worden. Auch der Einwand der Klägerinnen , vom Anspruchswortlaut würden viele verschiedene Stentdesigns mit ganz unterschiedlichen geometrischen und mechanischen Eigenschaften umfasst , wobei insbesondere nicht definiert sei, wie die Zellen miteinander verbunden seien, greift nicht durch. Wie der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten bestätigt hat, ist der Fachmann unter Heranziehung der Ausführungsbeispiele des Streitpatents und aufgrund seines fachlichen Wissens und Könnens in der Lage, einen Stent nach den Vorgaben der erfindungsgemäßen Lehre herzustellen, und kann dabei auch beurteilen, wie er die Zellen zweckmäßigerweise miteinander verbindet.
- 28
- 2. Der Gegenstand von Patentanspruch 2 in der Fassung des zuletzt gestellten Hauptantrags der Beklagten geht nicht über den Inhalt der Ursprungsanmeldung hinaus.
- 29
- a) Das Merkmal a, wonach der Stent ballon-expandierbar und nicht selbst-expandierend ist, wurde dem Fachmann in der Ursprungsanmeldung als zur Erfindung gehörend offenbart.
- 30
- Im einleitenden Teil der Ursprungsanmeldung heißt es, dass der Stent typischerweise an den gewünschten Ort im Körper mittels eines aufblasbaren Ballons zugeführt wird und sich ausdehnt, wenn der Ballon aufgeblasen wird, um die Öffnung zu erweitern (Veröffentlichung der Anmeldung [WO 96/03092, im Folgenden: Anmeldung], S. 1, Z. 16 ff.). Auf einen solchen ballonexpandierbaren Stent bezieht sich die Erfindung, die sich mit der weiteren Ausgestaltung des Stents befasst.
- 31
- Der Ursprungsanmeldung konnte der Fachmann überdies entnehmen, dass auch andere mechanische Vorrichtungen, welche eine Ausdehnung des Stents bewirken, angewandt würden (Anmeldung, S. 1, Z. 19 f.). Welche mechanischen Vorrichtungen damit gemeint sind, wird in der Ursprungsanmeldung nicht weiter erläutert und hat auch durch die Befragung des gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung nicht geklärt werden können. Jedenfalls hatte der Fachmann aber, wie auch der gerichtliche Sachverständige angenommen hat, keinen Anlass zu der Annahme, dass mit dem Begriff der "mechanischen Vorrichtungen" selbst-expandierbare Stents gemeint waren. Dem Fachmann war aufgrund seines Fachwissens bekannt, dass neben ballonexpandierbaren Stents auch ganz oder teilweise selbst-expandierende Stents existierten (vgl. etwa BR 6, S. 1, Z. 11 ff., 17 ff.). Unabhängig von der Frage, ob der Fachmann allein aufgrund dieses allgemeinen Fachwissens angenommen hätte, dass sich die Erfindung auch auf selbst-expandierbare Stents beziehe, obwohl diese in der Ursprungsanmeldung nicht erwähnt werden, ergab sich für ihn aus der Beschreibung jedenfalls die Erkenntnis, dass die Erfindung insbesondere ballon-expandierbare Stents betrifft, die über keine selbstexpandierenden Eigenschaften verfügen. Entsprechend wird der Gegenstand von Patentanspruch 2 durch die Aufnahme dieser Eigenschaften nicht über den Inhalt der Ursprungsanmeldung hinaus erweitert.
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- Diese Bewertung steht nicht in Widerspruch zu dem Urteil "Reifenabdichtmittel" des Senats, wonach mit der Angabe in einer Anmeldung, dass ein Erzeugnis bestimmte Bestandteile "enthalten" soll, noch nicht ohne Weiteres auch als zur Erfindung gehörend offenbart ist, dass ihm keine weiteren Bestandteile hinzugefügt werden dürfen (BGH, Urteil vom 12. Juli 2011 - X ZR 75/08, GRUR 2011, 1109, Rn. 37 ff. - Reifenabdichtmittel). In dem seinerzeit entschiedenen Fall war die Zugabe weiterer Bestandteile (eines oder mehrerer Füllstoffe) in der Beschreibung als besonders vorteilhaft beschrieben worden, so dass es nicht mehr als zur Erfindung gehörend offenbart angesehen werden konnte, dass keine weiteren - und damit auch keine in der Anmeldung als besonders vorteilhaft beschriebenen - Bestandteile hinzugefügt werden durften (BGH, aaO Rn. 39). Demgegenüber wird in dem hier zu entscheidenden Fall die Eigenschaft des Stents, selbst-expandierend zu sein, in der Ursprungsoffenbarung nicht erwähnt und war dem Fachmann nur aufgrund seines allgemeinen Fachwissens bekannt, so dass sich für ihn als zur Erfindung gehörend ergab, den Stent nicht aus einem eine Selbst-Expansion ermöglichenden Material herzustellen und die Expansion allein auf die in der Ursprungsanmeldung als "typisch" bezeichnete Weise mittels eines Ballons zu bewerkstelligen.
- 33
- b) Dem Vorbringen der Klägerinnen, das Merkmal "eine gerade Anzahl von geraden Abschnitten fester Länge" sei in der ursprünglichen Anmeldung nicht als zur Erfindung gehörend offenbart, kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Das in den Figuren 1 bis 4 der Ursprungsanmeldung gezeigte Ausführungsbeispiel besteht aus zwei unterschiedlichen Zelltypen, die beide eine gerade Anzahl von geraden Abschnitten fester Länge aufweisen, die mit ersten und zweiten Schlaufen 14, 16; 18, 20 abwechseln. In dem in der Berufungsbegründung der Klägerinnen auf Seite 27 wiedergegebenen Ausschnitt aus Figur 2 der ursprünglichen Anmeldung sind dies bei dem kleineren Zelltyp die grün gekennzeichneten Abschnitte und bei dem größeren Zelltyp die in einem Winkel von 90° an die Schlaufen 18 anschließenden, noch nicht zu den Schlaufen 14 gehörenden geraden Abschnitte. Aufgrund seines Wissens und Könnens war der Fachmann zudem in der Lage zu erkennen, dass die in Anspruch 14 der Anmeldung definierten Zellen bei dem in den Figuren 1 bis 4 gezeigten Stent verwirklicht sind, wobei sich die ersten und die zweiten Schlaufen mit einer geraden Anzahl von geraden Abschnitten fester Länge abwechseln. Dem steht auch nicht entgegen, dass die geraden Abschnitte in der Beschreibung der Anmeldung lediglich in Zusammenhang mit den Mäandermustern 11 und 12 des in den Figuren 1 bis 4 gezeigten Stents erwähnt und dort als ausgedehnte gerade Abschnitte beschrieben werden, die zwischen den Schlaufen 18 und 20 einer Periode liegen (Anmeldung, S. 4, Z. 31 ff.). Denn der Fachmann verstand, dass bei den in den Figuren 1 bis 4 gezeigten Stents neben der in der Beschreibung erläuterten Mäanderstruktur gleichermaßen auch die in Anspruch 14 definierte Zellstruktur verwirklicht ist und sich dabei die ersten und zweiten Schlaufen lediglich mit kurzen geraden Abschnitten abwechseln, weil die anderen Teile der in der Beschreibung erwähnten langen geraden Abschnitte der Schlaufen 14 und 16 bilden, an die sich die Biegebereiche der Schlaufen anschließen.
- 34
- c) Der Fachmann konnte der Ursprungsanmeldung zudem als zur Erfindung gehörend entnehmen, dass die ersten und zweiten Schlaufen durch ihre beiden Abschnitte erste und zweite Winkel definieren. Er wurde davon nicht durch die in den Figuren 1 bis 6 gezeigten Ausführungsbeispiele abgehalten, bei denen die Zellen der Stents im nicht-expandierten Zustand parallele Abschnitte aufweisen. Denn für ihn ergab es sich aufgrund seines Fachwissens, dass im Hinblick auf die genannte Winkelanordnung auf den Stent im expandierten Zustand abzustellen ist, wie bereits oben näher ausgeführt worden ist.
- 35
- d) Dem Fachmann wurde in der Ursprungsoffenbarung als zur Erfindung gehörend offenbart, dass der Stent ausschließlich über eine einzige, zusammenhängende Struktur aus benachbarten verbundenen, geschlossenen Zellen nach Maßgabe der Merkmale d bis d.2.5 verfügt. Der in den Figuren 1 bis 5 B gezeigte Stent weist zwei unterschiedliche Zelltypen auf, wie sie in der Berufungsbegründung der Klägerinnen auf Seite 27 durch eine gelbe Kolorierung hervorgehoben sind. Den Klägerinnen kann nicht darin gefolgt werden, dass der kleinere der beiden Zelltypen nicht den Vorgaben des Merkmals d.1 entspricht. Vielmehr wechseln sich die ersten und zweiten Schlaufen - wie merkmalsgemäß vorgesehen - mit den in der Berufungsbegründung grün hervorgehobenen geraden Abschnitten ab. Die blau hervorgehobenen Abschnitte haben insoweit außer Betracht zu bleiben, weil es sich dabei um die Biegebereiche einer jeweils benachbarten Schlaufe handelt.
- 36
- 3. Schließlich erweist sich der Gegenstand von Patentanspruch 2 in der zuletzt von der Beklagten verteidigten Fassung aus den Gründen des angefochtenen Urteils auch als patentfähig.
- 37
- a) Er ist neu, weil er von keiner der Entgegenhaltungen vorweggenommen wird.
- 38
- Der in der internationalen Patentanmeldung BR 6 in den Figuren 11a und 11b offenbarte Stent weist neben den Merkmalen d bis d.2.5entsprechenden Zellen auch schlitzartige Zellen auf, die diesen Vorgaben nicht genügen, weil sie insbesondere keine mit ersten und zweiten Schlaufen alternierende gerade Abschnitte aufweisen. Der Stent verfügt damit nicht, wie in Merkmal c vorgesehen , über eine einzige, zusammenhängende Struktur aus benachbarten verbundenen , geschlossenen Zellen nach Maßgabe der Merkmale d bis d.2.5.
- 39
- Die europäische Patentanmeldung BR 5 zeigt in Figur 11 die folgende Ausgestaltung eines Stents:
- 40
- In der Entgegenhaltung wird erläutert, dass der Stent ein Wellenmuster benachbarter, radial aufweitbarer, "zylindrischer Elemente 12" außer Phase aufweise, zwischen denen "Verbindungselemente 13" angeordnet seien (BR 5, Sp. 6, Z. 36 ff. iVm Sp. 6, Z. 6 ff.). Die Klägerinnen meinen, die zylindrischen Elemente 12 stellten erste Schlaufen und die Verbindungselemente 13 zusammen mit den beidseitig angrenzenden bogenförmigen Abschnitten der Elemente 12 zweite Schlaufen im Sinne des Streitpatents dar. Wird dieses Verständnis - ungeachtet bereits insoweit bestehender Bedenken hinsichtlich des Vorhandenseins eines Biegebereichs im Sinne des Merkmals d.2.3 - zugrunde gelegt, fehlt es dennoch an sich mit den ersten und zweiten Schlaufen abwechselnden geraden Abschnitten fester Länge. Diese können - entgegen der Ansicht der Klägerinnen - nicht in den sich an die genannten bogenförmigen Abschnitte an- schließenden geraden Abschnitten der zylindrischen Elemente 12 gesehen werden, weil jene Teil der Schlaufen sind, die durch die zylindrischen Elemente 12 gebildet werden und als solche der radialen Aufweitung des Stents dienen (vgl. BR 5, Sp. 5, Z. 57 ff. zu dem in Figur 4 gezeigten Stent, was entsprechend aber auch für den Stent in Figur 11 gilt, vgl. BR 5, Sp. 6, Z. 36 ff.). Werden hingegen die in der B 5 als solche bezeichneten Verbindungselemente 13 auch als solche im Sinne des Streitpatents angesehen, fehlt es an zweiten Schlaufen.
- 41
- Wie die Klägerinnen zu Recht ausführen, ähnelt die Zellenstruktur des aus Figur 19 der internationalen Anmeldung BR 15 hervorgehenden Stents unter den hier interessierenden Gesichtspunkten derjenigen des Stents aus Figur 11 der BR 5. Nach der Beschreibung der BR 15 werden aus "Torsionselementen 318" und "Endkappen 320" bestehende Schlaufen über "Verbindungselemente 324" verbunden. Auch hier kann der Ansicht der Klägerinnen, wonach die Verbindungselemente 324 und die angrenzenden Endkappen 320 als zweite Schlaufen und an diese Endkappen 320 angrenzende Abschnitte der Torsionselemente 318 als gerade Abschnitte fester Länge im Sinne des Streitpatents anzusehen seien, aus den im Zusammenhang mit der BR 5 gegebenen Gründen, die entsprechend gelten, nicht gefolgt werden.
- 42
- Die Lehre aus Patentanspruch 2 wird nicht durch die US-amerikanische Patentschrift 4 733 665 (KW 1) offenbart. Figuren 1 A und 1 B zeigen einen Stent mit einer aus rautenförmigen, geschlossenen Zellen bestehenden Struktur. Werden in den Abschnitten der Raute Schlaufen gesehen, fehlt es jedenfalls an einem Biegebereich und geraden Verbindungsabschnitten.
- 43
- Der in der europäischen Anmeldung 0 378 151 (BR 7) offenbarte, aus einem einzigen langgestreckten Draht hergestellte Stent mag zwar erste axiale und zweite radiale Schlaufen aufweisen, verfügt aber jedenfalls nicht über sich mit diesen abwechselnden geraden Abschnitten mit fester Länge.
- 44
- b) Der Gegenstand von Patentanspruch 2 in der zuletzt von der Beklagten im Hauptantrag verteidigten Fassung ist dem Fachmann auch nicht durch den Stand der Technik nahegelegt worden.
- 45
- Es wird von den Klägerinnen nicht schlüssig aufgezeigt, aufgrund welcher Überlegungen der Fachmann ausgehend von der BR 5 zum Gegenstand des Patentanspruchs 2 in der Fassung des Hauptantrags gelangen konnte. Zwar ist es zutreffend, dass eine hohe Längenflexibilität des Stents nach der BR 5 erwünscht ist, um den Transport des Stents im Gefäß an den Implantationsort zu erleichtern (BR 5, Sp. 3, Z. 24 ff.). Dem Fachmann werden insoweit jedoch bereits in dieser Entgegenhaltung mehrere Möglichkeiten zur Erreichung dieses Ziel gelehrt, insbesondere im Hinblick auf das in Figur 4 gezeigte Ausführungsbeispiel jedes Paar von Verbindungselementen 13 an einem Ende eines zylindrischen Elements 12 radial um 60° von dem Paar an der anderen Seite des zylindrischen Elements zu versetzen (vgl. BR 5, Sp. 6, Z. 16 ff.). Nicht vorgeschlagen wird, zweite Schlaufen vorzusehen, die in einer geometrischen Anordnung zu den ersten Schlaufen stehen, wie sie in den Merkmalen d.2.4 und d.2.5 definiert ist, sowie gerade Abschnitte fester Länge einzufügen, die sich mit den ersten und zweiten Schlaufen abwechseln.
- 46
- Wird mit den Klägerinnen davon ausgegangen, dass der Fachmann - ungeachtet der ihm in der BR 5 gemachten Vorschläge zu Erreichung einer erhöhten Längenflexibilität - auch andere Druckschriften heranzog und sich dabei mit der BR 16 befasste, so wurde ihm dort in Figur 3 die Anordnung von spiralförmigen Scharnierverbindungen zwischen zwei benachbarten rohrförmigen Stentsegmenten gezeigt. Bei diesen spiralförmigen Scharnierverbindungen handelt es sich jedoch nicht um Schlaufen im Sinne der Lehre des Streitpatents , weil diese keine definierten zwei Abschnitte mit einem Biegebereich dazwischen aufweisen.
- 47
- Nichts anderes gilt, wenn der Fachmann die BR 7 mit heranzog. Insoweit spricht bereits alles dafür, dass der Fachmann, der die Flexibilität des aus der BR 5 bekannten Stents verbessern wollte, die BR 7 verwarf, weil der dortige Stent nicht aus Metall (vgl. BR 5, Sp. 3, Z. 28 ff.), sondern aus Draht gebildet ist. Selbst wenn der Fachmann jedoch davon nicht abgehalten und dazu angeregt worden sein sollte, die Verbindungselemente 13 als zweite Schlaufen neben den ersten Schlaufen 12 auszugestalten, fehlt es immer noch an einer geraden Anzahl von geraden Abschnitten fester Länge, für welche die BR 7 keine Anregung enthielt.
- 48
- Schließlich ergibt sich auf Grundlage der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen in seinem Gutachten kein Naheliegen der Lehre des Patentanspruchs 2 in der verteidigen Fassung. Das Anforderungsprofil, das sich nach den Darlegungen des Sachverständigen aus dem Aufsatz von Palmaz ("Intravascular Stenting: From Basi Research to Clinical Application" in Cadiovascular and Interventional Radiology, 15, 1992, 279 ff.) ableitet, setzte den Fachmann nicht in die Lage, die konkrete Lehre des Streitpatents aufzufinden. Aus dem Umstand, dass die seinerzeit existierenden Stentsysteme klare Nachteile aufwiesen und einer Verbesserung bedurften, ergibt sich noch nicht die konkrete Ausgestaltung des Stents, die in Patentanspruch 2 als Lösung vorgeschlagen wird. Auch sonst folgt aus den Ausführungen des Sachverständigen nicht, dass der Fachmann zum Prioritätszeitpunkt Veranlassung hatte, einen Stent nach den Vorgaben des Streitpatentes auszugestalten.
Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 16.12.2010 - 4 Ni 43/09 -
Der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.