Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 14. März 2017 - 3 OLG 6 Ss 22/17
Gericht
Tatbestand
Gründe
I.
a) Entgegen der Auffassung der Revision [...] sind die Feststellungen im amtsgerichtlichen Urteil zur Tatbestandsverwirklichung, insbesondere zur subjektiven Tatseite, allerdings noch ausreichend. Zwar verhält es sich nicht ausdrücklich zum Vorstellungsbild des Angekl., der Vorsatz lässt sich aber zwanglos den weiteren Ausführungen der Urteilsgründe entnehmen, was ausreichend ist (vgl. BGH NJW 2015, 3178 = StraFo 2015, 478 = NStZ 2015, 700 = BGHR StGB § 252 Gewalt 2 = StV 2016, 284). Aus dem Ersturteil ergibt sich, dass am
b) Indessen leidet das amtsgerichtliche Urteil deshalb an einem Darstellungsmangel, weil sich aus den Urteilsgründen selbst Anhaltspunkte für eine möglicherweise relevante Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit i.S.d. §§ 20, 21 StGB ergeben, eine dahingehende Prüfung durch das AG aber unterblieben ist.
aa) Allerdings sind die Urteilsgründe regelmäßig nicht bereits dann lückenhaft, wenn sich das Ausgangsgericht nicht zur Schuldfrage verhält. Dies ist im Regelfall entbehrlich, weil das Gericht von bestehender Schuldfähigkeit des Angekl. ausgehen darf, wenn keine Besonderheiten ersichtlich sind. Etwas anderes gilt aber dann, wenn sich aus dem Ersturteil Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit ergeben, denen das AG nicht nachgegangen ist (BayObLGSt 1994, 253; NZV 2001, 353 = VRS 100, 354 = BA 38, 290; OLG Köln BA 20, 463; OLG Koblenz VRS 1988 (75), 46; BeckOK/Eschelbach StPO [Stand: 01.01.2017] § 318 Rn. 18; LR/Gössel StPO 26. Aufl. § 318 Rn. 47).
bb) So verhält es sich hier. Aus den Gründen des amtsgerichtlichen Urteils ergeben sich deutliche Hinweise auf das Vorliegen einer Pädophilie (ICD-10: F65.4). Hierfür spricht bereits das Tatbild als solches. Dies wird erheblich verstärkt durch die Vorverurteilung aus dem Jahre 2014 wegen „sexuellen Missbrauchs von Kindern“. Stellen diese Umstände schon für sich deutliche Indizien für eine Störung der Sexualpräferenz im Sinne einer Pädophilie dar, so kommt in diesem Zusammenhang auch der Tatsache signifikante Bedeutung zu, dass der ansonsten sozial eingeordnet lebende und anderweitig nicht vorbestrafte Angekl., der einer ordentlichen Beschäftigung als Altenpflegehelfer nachgeht, bereits wenige Tage nach Rechtskraft der Vorverurteilung mit der verfahrensgegenständlichen Tat rückfällig wurde.
cc) Zwar ist das Vorhandensein einer sexuellen Devianz, die freilich noch einer eingehenden sachverständigen Abklärung bedarf, noch nicht ausreichend, um eine relevante Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit annehmen zu können. Allein die Feststellung einer Störung der Sexualpräferenz als solche besagt noch nichts dazu, ob deren Ausprägung derart ist, dass sie einer schweren anderen seelischen Abartigkeit zuzuordnen und hierdurch auch das Hemmungsvermögen in erheblicher Weise herabgesetzt oder gar aufgehoben ist. Allerdings kann im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit, die auch Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit haben kann, gegeben sein. Die höchstrichterliche Rechtsprechung stellt dabei darauf ab, ob die Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen, wobei es darauf ankommt, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, das er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag (BGH StV 2017, 29; NStZ-RR 2016, 198). Gerade die hohe Rückfallgeschwindigkeit, verbunden mit dem Bewährungsversagen, hätte Anlass geben müssen, diesen Fragen unter Hinzuziehung eines Sachverständigen nachzugehen und die entsprechenden Feststellungen in die Urteilsgründe aufzunehmen.
dd) Keine Bedeutung für die Frage der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung kommt in diesem Zusammenhang dem Umstand zu, dass das LG zu dem Ergebnis gelangt ist, beim Angekl. liege keine Pädophilie vor. Ungeachtet des Umstands, dass bereits offen bleibt, worauf sich diese Einschätzung gründet, die in Anbetracht des beschriebenen Tatbildes und der Vorstrafe überdies eher lebensfern ist, spielt diese Feststellung von vornherein keine Rolle. Denn die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung beurteilt sich [...] allein danach, ob die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils zur Beurteilung des Strafausspruchs ausreichend sind und hiernach nicht offen bleibt, ob überhaupt eine strafbares Verhalten vorlag. [...]
II.
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Annotations
Die Berufung kann auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden. Ist dies nicht geschehen oder eine Rechtfertigung überhaupt nicht erfolgt, so gilt der ganze Inhalt des Urteils als angefochten.
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat oder ihm das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten ist, oder - 2.
als Halter eines Kraftfahrzeugs anordnet oder zulässt, dass jemand das Fahrzeug führt, der die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat oder dem das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten ist.
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen wird bestraft, wer
- 1.
eine Tat nach Absatz 1 fahrlässig begeht, - 2.
vorsätzlich oder fahrlässig ein Kraftfahrzeug führt, obwohl der vorgeschriebene Führerschein nach § 94 der Strafprozessordnung in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlagnahmt ist, oder - 3.
vorsätzlich oder fahrlässig als Halter eines Kraftfahrzeugs anordnet oder zulässt, dass jemand das Fahrzeug führt, obwohl der vorgeschriebene Führerschein nach § 94 der Strafprozessordnung in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlagnahmt ist.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 kann das Kraftfahrzeug, auf das sich die Tat bezieht, eingezogen werden, wenn der Täter
- 1.
das Fahrzeug geführt hat, obwohl ihm die Fahrerlaubnis entzogen oder das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten war oder obwohl eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuchs gegen ihn angeordnet war, - 2.
als Halter des Fahrzeugs angeordnet oder zugelassen hat, dass jemand das Fahrzeug führte, dem die Fahrerlaubnis entzogen oder das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten war oder gegen den eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuchs angeordnet war, oder - 3.
in den letzten drei Jahren vor der Tat schon einmal wegen einer Tat nach Absatz 1 verurteilt worden ist.
Wer, bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen, gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten, ist gleich einem Räuber zu bestrafen.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.
(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.
(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.