Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Beschluss, 16. Okt. 2013 - L 4 KR 44/13 B ER

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2013:1016.L4KR44.13BER.0A
16.10.2013

Tenor

Der Beschluss des Sozialgericht Dessau-Roßlau vom 21. Juni 2013 wird aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet, die Antragstellerin für den von ihr genutzten Aktivrollstuhl mit einem funkbetriebenen E-Fix-Antrieb samt Zubehör entsprechend des Angebotes der Handelsvertretung R. vom 12. März 2013 zu versorgen.

Die Verpflichtung gilt vorläufig bis zum Abschluss des vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau anhängigen Verfahrens der Beteiligten mit dem Aktenzeichen S 20 KR 99/13.

Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu gewähren.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) verlangt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen elektrischen Zusatzantrieb maxe für ihren Faltrollstuhl von der Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Antragsgegnerin).

2

Die am ... 1951 geborene Antragstellerin erhält nach einem Schlaganfall mit Multiinfarkt-Demenz Leistungen der Pflegekasse nach der Pflegestufe I und seit Oktober 2012 nach der Pflegestufe II. Das Landesverwaltungsamt Halle stellte bei ihr seit dem 2. November 2011 einen Grad der Behinderung (GdB) von 70 sowie das Merkzeichen G (Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) und ab dem 2. November 2012 einen GdB von 80 und die Merkzeichen "H" (Hilflos) und "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) fest. Als Hilfsmittel erhielt sie von der Antragsgegnerin einen Faltrollstuhl und einen Rollator. Am 16. Mai 2012 verordnete die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. B. der Antragstellerin einen sog. Elektro-Antrieb für den Rollstuhl. Der Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Dr. M. äußerte wegen der Diagnose Bedenken, ob die Antragstellerin die für einen solchen Antrieb erforderliche Fahrtauglichkeit habe. Daraufhin holte die Antragsgegnerin einen Befundbericht von Dipl.-Med. W. vom 13. Juni 2012 ein. Hiernach bestehe bei der Antragstellerin eine Multiinfarkt-Demenz, eine schlaganfallbedingte Kraftminderung, ein Diabetes mellitus, eine Hypertonie sowie eine chronische Niereninsuffizienz. Neben einer Kraftminderung der rechten Hand sowie einer gestörten Feinmotorik sei auch der Gang unsicher. In der Wohnung laufe die Antragstellerin mit Rollator und außerhalb müsse sie mit dem Rollstuhl gefahren werden. Sie könne nur unsicher und wenige Meter laufen. Der Elektroantrieb für den Rollstuhl sei nach den Angaben des Ehemanns der Antragstellerin erforderlich. Unter dem 20. Juni 2012 hielt der MDK-Gutachter R. einen Elektro-Antrieb für nicht erforderlich, da es hierfür an der notwendigen Fahrtauglichkeit der Antragstellerin fehle.

3

Mit Bescheid vom 21. Juni 2012 lehnte die Antragsgegnerin die Versorgung mit einem Elektroantrieb ab. Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Antragstellerin vom 4. Juli 2012, mit dem sie geltend machte: Der Ermittlungen der Antragsgegnerin seien unzureichend. Die angebliche Fahruntauglichkeit sei nicht geprüft worden. Sie habe nicht die Kraft, den Faltrollstuhl selbstständig zu bewegen. Vielmehr sei sie ohne ihren Ehemann völlig bewegungsunfähig. Sie könne den Faltrollstuhl nicht einmal im Zimmer drehen. Der zusätzliche Elektroantrieb würde sie daher in ihrer Lebensführung unabhängiger machen. Auf die Nutzung des Rollators dürfte sie nicht verwiesen werden, da sie durch die unvorhersehbaren Kraftminderungen erheblich sturzgefährdet sei. Ein Verlassen des Grundstücks ohne Hilfe sei der Antragstellerin unmöglich, da an der Haustür Treppen zu überwinden seien. Von daher bestehe außerhalb der Räumlichkeiten durch das beantragte Hilfsmittel auch keine Selbstgefährdung. Auf Nachfrage der Antragsgegnerin erklärte Dipl.-Med. W. am 31. August 2012, der Elektroantrieb solle vom Ehemann bedient werden, da es ihm zunehmend schwerer falle, den Rollstuhl über längere Strecken zu schieben. Aufgrund der Erkrankungen der Antragstellerin sei deren Fahrtauglichkeit aufgehoben.

4

In einer von der Antragsgegnerin eingeholten Stellungnahme gab die MDK-Gutachterin Dr. R. an, die Versicherte sei 163 cm groß und wiege 65 kg. Von daher sei nicht nachvollziehbar, warum dem Ehemann das Schieben im näheren Umfeld nicht möglich sein solle. Es sei zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts eine weitere Stellungnahme der Hausärztin einzuholen. Dipl.-Med. B. gab am 15. Oktober 2012 an: Die Antragstellerin leide an einer deutlichen Kraftminderung in beiden Armen und beiden Beinen. Ein kurzzeitiges Aufstehen aus dem Rollstuhl sei nur mit Hilfe möglich. Der Elektroantrieb solle ihr im Innenbereich die Fortbewegung erleichtern helfen. Die Antragstellerin habe jedoch keine Fahrtauglichkeit im Sinne der Anforderungen der Teilnahme am Straßenverkehr.

5

Nach einer erneut von der Antragsgegnerin eingeholten MDK-Stellungnahme wies die MDK-Gutachterin D. am 9. Juli 2012 auf die von der Hausärztin bestätigte Fahruntauglichkeit hin. Die Antragsgegnerin beauftragte daraufhin den MDK mit einer sozialmedizinischen Fallberatung. MDK-Gutachterin Dr. R. führte unter dem 13. Juli 2012 aus, es seien weitere Ermittlungen vorzunehmen. Insbesondere sei zu klären, wer den E-Antrieb bedienen solle und warum die Antragstellerin nicht geschoben werden könne.

6

Den Wunsch der Antragsgegnerin die Fahrtüchtigkeit, durch den TÜV Nord überprüfen lassen zu wollen, lehnte die Antragstellerin ab und führte zur Begründung aus: Für die TÜV-Begutachtung bestehe keine Rechtsgrundlage. Für sie sei allein das Führen eines Elektrorollstuhls im häuslichen Innenbereich bedeutsam, so dass es auf die Besonderheiten des Straßenverkehrs und der Straßenverkehrsordnung überhaupt nicht ankomme. Im Bereich außerhalb der Wohnung sei sie ohnehin auf eine Hilfsperson angewiesen, welche über die notwendige Fahrtauglichkeit verfüge.

7

Daraufhin nahm die Antragsgegnerin von der geplanten Begutachtung durch den TÜV Abstand und erklärte sich mit einem Test mit einem Elektro-Antrieb im Haus der Antragstellerin einverstanden. Diese Vorführung fand am 12. März 2013 unter Beteiligung der Zeugen D. (Ehemann der Antragstellerin) sowie O. (Sanitätshaus M. GmbH & Co. KG) und R. (Handelsvertreter des Herstellers) statt. Der Zeuge O. berichtete anschließend, die Antragstellerin habe nach kurzer Einweisung problemlos den Rollstuhl mit Elektro-Betrieb innerhalb der Wohnung fahren können. Selbst ein Fahren auf dem Bürgersteig unter Aufsicht sei in der sehr ruhig gelegenen Wohngegend möglich. Da es sich um eine Funksteuerung handele, könne das Bedienteil problemlos abgenommen werden. Auch der Vertreter des Herstellers habe dieser Bewertung zugestimmt. Nach einer Telefonnotiz vom 22. April 2013 erklärte der Zeuge O. gegenüber der Antragsgegnerin, dass die Antragsstellerin alle Räume habe durchfahren können. Selbst eine besonders schmale Tür im Wohnzimmer sei von ihr problemlos gemeistert worden.

8

Im Schreiben vom 23. April 2013 hielt die Antragsgegnerin die bereits erfolgte Versorgung mittels Rollator für ausreichend. Lediglich im Außenbereich benötige die Antragstellerin eine Begleitung. Dem widersprach die Antragstellerin und verwies darauf, dass sie den Rollator nur im Notfall benutzen könne. Dabei bestehe eine permanente Sturzgefahr, die die Anwesenheit einer Begleitperson erfordere. Dass die Antragstellerin in einem Fall mit dem Rollator im Außenbereich gewesen sei, bedeute nicht, dass sie sich ständig mit Rollator bewegen könne.

9

Am 29. Mai 2013 hat der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht Halle (SG) die Versorgung mit einem elektrischen Zusatzantrieb max e beantragt und ergänzend ausgeführt: Sie könne den manuellen Rollstuhl ohne ihren Ehemann wegen der Kraftminderung nicht bewegen. Beispielsweise könne sie mit dem Rollstuhl nicht ihre Blickrichtung verändern, ohne dass ihr dabei der Ehemann behilflich sei. Der gegenwärtige Zustand sei unhaltbar. Es sei widersprüchlich, wenn die Antragsgegnerin eine Vorführung im Wohnhaus der Antragstellerin veranlasse, die eine hinreichende Selbstständigkeit von ihr zum Fahren im Haus bestätigt habe, um sie dann – trotz einer bestehenden Sturzgefahr – auf den Rollator zu verweisen. Sie sei zwar schwer krank, jedoch nicht geistig behindert. Zur Sicherung ihres Grundbedürfnisses an selbstständiger Mobilität sei das Hilfsmittel unverzichtbar.

10

Die Antragsgegnerin hat demgegenüber geltend gemacht: Die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung eines Elektroantriebes seien nicht gegeben, da der Antragstellerin die notwendige Fahrtüchtigkeit fehle. Sofern der Elektroantrieb lediglich der Erleichterung der Pflegeperson diene, die Antragstellerin für weitere Strecken fortzubewegen, bestehe keine Leistungspflicht nach der Gesetzlichen Krankenversicherung.

11

Das SG hat mit Beschluss vom 21. Juni 2013 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und im Wesentlichen ausgeführt: Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Der Antragstellerin fehle die Fähigkeit, einen Elektrorollstuhl sicher zu führen. Die bestehenden Zweifel an der Fahrtauglichkeit der Antragstellerin hätte eine Begutachtung durch den TÜV klären können. Dies habe sie jedoch ohne hinreichenden Grund abgelehnt. Die Probefahrt vom 12. März 2013 sei dagegen nicht geeignet, den Nachweis für die Fahrtauglichkeit zu führen. Auch im Haus bestehe die Gefahr, sich durch unsachgemäße Handhabung des Elektroantriebes zu verletzen.

12

Die Antragstellerin hat gegen den ihr am 27. Juni 2013 zugestellten Beschluss am 3. Juli 2013 Beschwerde beim SG Halle erhoben und zur Begründung geltend gemacht: Das SG habe versäumt, die an der Probefahrt beteiligten Personen als Zeugen zu vernehmen. Nach den Feststellungen des Sanitätshauses sei die Antragstellerin auf Anhieb in der Lage gewesen, den Rollstuhl mit Elektroantrieb im Wohnbereich selbstständig zu bedienen. Damit seien eventuelle Zweifel an ihrer Fahrtauglichkeit ausgeräumt worden. Die Antragstellerin sei auch nicht dement. Die gegenteiligen Annahmen der MDK-Gutachter, die auf bloßen Mutmaßungen beruhten, seien unzutreffend. Insbesondere die Ergotherapie habe aktuell die Folgen des Schlaganfalls deutlich verbessert.

13

Die Antragstellerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

14

den Beschluss des Sozialgericht Dessau-Roßlau vom 21. Juni 2013 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, sie mit einem funkbetriebenen E-Fix-Antrieb samt Zubehör entsprechend des Angebotes der Handelsvertretung R. vom 12. März 2013 zu versorgen.

15

Die Antragsgegnerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

16

die Beschwerde zurückzuweisen.

17

Die Antragsgegnerin hält die Fahrtauglichkeit der Antragstellerin nach wie vor für nicht hinreichend belegt.

18

Der Senat hat Befundberichte von der Fachärztin für Neurologie Dr. K. vom 16. August 2013 und vom Facharzt für Innere Medizin Dr. E. vom 11. September 2013 eingeholt. Dr. K. hat mitgeteilt: Bei der Antragstellerin sei allenfalls noch von einer leichtgradigen dementiellen Erkrankung auszugehen. Nach der letzten Testdiagnostik im Juli 2013 habe sie die Grenze zu einem normalen altersentsprechenden Befund erreicht. Demgegenüber bestünden Persönlichkeitsänderungen sowie eine Affektlabilität und auch Konzentrationseinschränkungen. Das gefahrlose Betreiben eines Rollstuhls mit Elektroantrieb sei ihr nicht möglich. Dies ergebe sich insbesondere aus der Kombination von Schwindel, Gleichgewichtstörung, Fallneigung und Persönlichkeitsveränderung. Dr. E. hat mitgeteilt, er habe die Antragstellerin am 10. September 2013 zu Hause besucht. Nach seiner Einschätzung könne sie einen Rollstuhl mit Elektroantrieb bedienen. Sie sei geistig ausreichend in der Lage, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Eine Rollstuhlversorgung mit E-Antrieb würde ihr eine bessere Teilhabemöglichkeit eröffnen.

19

Der Senat hat in einer nichtöffentlichen Sitzung vom 28. August 2013 die Zeugen D., T. O. und R. vernommen. Auf den Inhalt des Protokolls vom 28. August 2013 wird ausdrücklich Bezug genommen. Nach einem vom Zeugen D. vorgelegten Schwerbehindertenausweis steht ihm wegen eines Hör- und Wirbelsäulenschadens ein GdB von 50 seit dem 2. März 2004 zu.

20

Das Hauptsacheverfahren der Beteiligten ist mittlerweile beim SG unter dem Aktenzeichen S 20 KR 99/13 anhängig.

21

Die Gerichtsakte aus dem einstweiligen Rechtschutzverfahren sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt dieser Akten ergänzend Bezug genommen.

II.

22

Die statthafte Beschwerde der Antragsstellerin ist form- und fristgerecht gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig.

23

Die Beschwerde ist auch begründet, denn die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren eine vorläufige Versorgung mit dem Elektro-Antrieb für einen Rollstuhl verlangen.

24

Der Antragstellerin ist unter Berücksichtigung der eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b Abs. 2 SGG (dazu 1.) und der danach im vorliegenden Fall gebotenen Folgenabwägung (dazu 2.) nach Auffassung des Senats nicht zuzumuten, bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache auf die Verwendung der begehrten Mittel zu verzichten.

25

1. Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach Abs. 2 Satz 2 der Norm auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Da die Antragstellerin in Bezug auf den Elektro-Antrieb noch keine Rechtsposition innehat, reicht eine Sicherungsanordnung im Sinne von § 86 Abs. 2 Satz 1 SGG nicht aus. Die Antragstellerin begehrt vielmehr die Regelung eines vorläufigen Zustandes und macht geltend, dass ihr ohne die einstweilige Anordnung wesentliche Nachteile drohen. Dies ist nur im Wege einer Regelungsanordnung im Sinne von § 86 Abs. 2 Satz 2 SGG zu erreichen.

26

Die Regelungsanordnung kann vom Gericht erlassen werden, wenn die Antragstellerin glaubhaft macht (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Zivilprozessordnung [ZPO]), dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber der Antragsgegnerin besteht – Anordnungsanspruch – (dazu unter a) und dass sie ohne den Erlass der begehrten Anordnung, insbesondere bei Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache, wesentliche Nachteile im Sinne von § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG erleiden würde – Anordnungsgrund – (dazu unter b).

27

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System: je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso geringer sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und umgekehrt. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich. Die in tatsächlicher (Glaubhaftmachung) wie in rechtlicher Hinsicht (summarische Prüfung) herabgesetzten Anforderungen für die Annahme eines Anordnungsanspruchs korrespondieren dabei mit dem Gewicht der glaubhaft zu machenden Gefahr für die Rechtsverwirklichung. Drohen im Einzelfall ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (dazu unter 2.). Dabei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen (st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, juris). Die Folgen, die entstehen würden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung nicht erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass der Anspruch besteht, sind abzuwägen mit den Folgen, die entstünden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung erließe, sich aber im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass der Anspruch nicht besteht

28

Die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache sind nach vorläufiger Prognose Einschätzung höher einzuschätzen als die Wahrscheinlichkeit einer Klageabweisung. Die Versorgung mit einem Elektro-Antrieb für einen Rollstuhl findet ihre Rechtsgrundlage in § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs. 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Blick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs. 1 SGB V nicht bewilligen (vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, B 3 KR 13/09, zitiert nach juris).

29

Diese Anspruchsvoraussetzungen sind im vorliegenden Fall mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben.

30

Der Versorgungsanspruch nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V besteht nicht allein deshalb, weil der begehrte Elektro-Antrieb vertragsärztlich verordnet (§ 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGb V) worden ist und im Hilfsmittelverzeichnis (§ 139 SGB V) gelistet ist. Die Krankenkassen entscheiden, ob ein Hilfsmittel nach Maßgabe des § 33 SGB V im Einzelfall zur medizinischen Rehabilitation, also zur Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung, zur Vorbeugung gegen eine drohende Behinderung oder zum Ausgleich einer bestehenden Behinderung erforderlich ist.

31

Neben dem Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst, wie es z.B. insbesondere bei Prothesen der Fall ist (sog. unmittelbarer Behinderungsausgleich) dient im vorliegenden Fall das beantragte Hilfsmittel dazu, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sog. mittelbarer Behinderungsausgleich). In diesem Rahmen ist die GKV allerdings nur für den Basisausgleich der Folgen der Behinderung eintrittspflichtig. Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Zum körperlichen Freiraum gehört – im Sinne eines Basisausgleichs der eingeschränkten Bewegungsfreiheit – die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die – üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden – Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (z.B. Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, B 3 KR 13/09 R, juris mit weiteren Nachweisen).

32

Zwar haben die Versicherten keinen Anspruch auf eine optimale Hilfsmittelversorgung. Kernziel der Hilfsmittelversorgung ist es jedoch, den behinderten Menschen nach Möglichkeit von der Hilfe anderer Menschen unabhängig oder zumindest deutlich weniger abhängig zu machen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 2. Februar 2009, L 1 KR 192/08 ER, juris unter Hinweis auf die ständige BSG-Rechtsprechung). Betrachtet man die grundrechtsrelevante Bedeutung einer durch das Hilfsmittel zu erzielenden selbstständigen Lebensführung, ermöglicht allein der beantragte Elektro-Antrieb es der Antragstellerin, selbstständige Richtungsänderungen vorzunehmen. Nach den ärztlich bestätigten Befunden ist die Antragstellerin wegen einer gravierenden Kraftminderung nicht in der Lage, ihren Rollstuhl selbstständig zu bedienen. Sie ist daher ohne die begehrte Leistung fortwährend auf fremde Hilfe angewiesen.

33

Hierbei kann die Antragstellerin – entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin – nicht auf den Rollator verwiesen werden. Nach den vorliegenden medizinischen Befunden und aufgrund des bereits festgestellten Merkzeichens "aG" ist die Antragstellerin hochgradig gehbehindert und zudem erheblich sturzgefährdet. Ohne Hilfsperson wäre die Antragstellerin daher nicht in der Lage den Rollator gefahrlos zu nutzen. Allein die Nutzung des Elektro-Antriebes ermöglicht es ihr, zumindest im Haus selbst ohne Aufsicht Richtungsänderungen mit dem Rollstuhl vorzunehmen.

34

Das hohe Anforderungsprofil der Fahrtauglichkeit für den Außenbereich darf nicht, wie die Antragsgegnerin unter Hinweis auf den MDK meint ohne Differenzierung, auf den innerhäuslichen Bereich übertragen werden. Dass die Antragstellerin behinderungsbedingt nicht selbstständig am Straßenverkehr teilnehmen kann, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Darum geht es der Antragstellerin aber auch nicht. Vielmehr soll ihr im unmittelbaren Hausbereich mit Hilfe des Elektro-Antriebes ein Rest an Selbstständigkeit in der eigenen Mobilität wieder gegeben werden. Entgegen der kritischen ärztlichen Stimmen zur Fahrtauglichkeit der Antragstellerin darf nicht übersehen werden, dass etwaige Gefährdungsmomente im Haus vorhersehbarer und beherrschbarer sind als im Straßenverkehr. Konkrete Gefährdungsmomente im unmittelbaren Hausbereich hat die Antragsgegnerin und auch der MDK nicht vortragen oder festgestellt. Sie sind nach der vorläufigen Einschätzung des Senats auch nicht erkennbar.

35

In diesem Zusammenhang kommt dem Fahrtest vom 12. März 2013 unter Beteiligung der Zeugen D., T. O. und R. erhebliche Bedeutung zu. Die Antragstellerin, die nachweislich nicht geistig behindert ist (vgl. Befundbericht Dr. K.) und seit Juli 2013 ihre geistige Leistungsfähigkeit sogar noch einmal verbessern konnte, ist nach dem Testergebnis uneingeschränkt im Haus in der Lage, den Rollstuhl mittels Elektro-Antrieb und Joy-Stick zu bedienen. Die Antragstellerin, die vor dem Schlaganfall immerhin 30 Jahre lang Auto gefahren ist (vgl. Angabe des Zeugen D.), konnte bereits nach kurzer Einweisung selbst die schmale Türöffnung im Wohnzimmer mit nur wenigen Zentimetern Abstand zwischen Rollstuhl und Türrahmen sicher und zügig durchfahren. Wer ein solch überzeugendes Fahrergebnis während einer "Probefahrt" im Haus zeigt, dem ist auch zuzutrauen, diese bereits hinreichend belegte Fahrleistung eigenständig und ohne Aufsicht für die Zukunft im Haus zu wiederholen.

36

Selbst wenn dennoch Zweifel an der Fahrtauglichkeit der Antragstellerin im Hausbereich bestehen sollten, wofür aus Sicht des Senats derzeit aber keine konkreten Anhaltspunkte bestehen, sprechen für den vorläufigen Leistungsanspruch auch die nachgewiesenen Schwierigkeiten der Hilfsperson, den Rollstuhl der Antragstellerin im Nahbereich zu bedienen. So hat die Antragstellerin nach den glaubhaften Angaben des Zeugen D. erheblich zugenommen und wiegt nunmehr deutlich über 80 kg, was eine erhebliche Belastung für den Schiebevorgang des Rollstuhls bedeutet. Nach dem Schwerbehindertenausweis des Zeugen D., ist es ihm wegen seines Wirbelsäulenschadens und seines Alters kaum zumutbar, die schwere Antragstellerin selbst für Kurzstrecken noch zu fahren.

37

Nach Ansicht des BSG muss die Rollstuhlversorgung das Grundbedürfnis im Nahbereich befriedigen können. Hierbei muss es dem Versicherten möglich sein, ohne übermäßige Anstrengung und schmerzfrei und aus eigener Kraft sich mit dem Rollstuhl fortzubewegen (BSG, Urteil vom 12. August 2009, B 3 KR 8/08 R, juris). Dieser Maßstab gilt auch für die Hilfsperson, wenn der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, den Rollstuhl im Außenbereich des Nahbereichs gefahrlos zu bedienen (vgl. überzeugend, Sozialgericht Frankfurt, Urteil vom 12. März 2013, S 25 KR 525/12, juris).

38

Aus diesen Gründen sprechen daher die überwiegenden Gründe für einen Versorgungsanspruch der Antragstellerin.

39

2. Auch die Prüfung der Folgenabwägung führt zu einer vorläufigen Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Leistungsgewährung, denn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes drohen der Antragstellerin schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. In der Folgenabwägung sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend zu berücksichtigen (st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, juris).

40

Wegen der hohen grundrechtlichen Bedeutung der selbstständigen Mobilität kann es der Antragstellerin nicht zugemutet werden, bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache auf den Elektro-Antrieb für ihren Faltrollstuhl zu warten. Ohne die Nutzung des begehrten Hilfsmittels kann sie ihren Rollstuhl in der häuslichen Umgebung nicht einmal drehen, geschweige denn ein Zimmer verlassen, ohne auf die jeweilige Hilfsperson angewiesen zu sein. Zur Milderung dieser Abhängigkeit von der Hilfsperson sichert nur der Elektro-Antrieb ihr den "Rest" einer noch verbliebenen eigenständigen Bewegungsfreiheit. Die dagegen von der Antragsgegnerin vorgebrachten Bedenken sind zumindest für den unmittelbaren Hausbereich allenfalls als abstrakte Gefahrenlage anzusehen und wegen des unübersehbaren Grundrechtsbezugs zu vernachlässigen. So konnte die Antragstellerin den Elektro-Antrieb im Haus problemlos bedienen. Konkrete Lebens- oder Leibesgefahren durch die Nutzung des Hilfsmittels im Haus sind weder bekannt noch vorgetragen worden. Der Test vom 12. März 2013 unter Praxisbedingungen hat die Leistungsfähigkeit der Antragstellerin, den Elektro-Antrieb des Rollstuhls im häuslichen Umfeld sicher und gefahrlos zu nutzen, bestätigt. Mögliche Kollisionen mit Möbeln oder Inventar können vernachlässigt bleiben. Es obliegt allein der grundrechtlich geschützten Eigenverantwortung der Antragsstellerin, diese möglichen und vielleicht für sie auch körperlich schmerzlichen Restrisiken beim Fahren des Elektro-Rollstuhls im Haus selbst einzuschätzen und ggf. einzugehen. Für den Außenbereich lassen sich durch das abnehmbare Bedienteil der funkgesteuerten Lenkung praktisch alle Risiken kontrollieren, die von der Hilfsperson zu tragen wären.

41

Die von der Antragsgegnerin vorläufig zu tragenden Kosten sind dagegen der Höhe nach überschaubar. Angesichts der erheblichen Erfolgsaussichten einer Klage in der Hauptsache und der der Antragstellerin drohenden Nachteile bei einer Ablehnung der vorläufigen Versorgung ist dieses Kostenrisiko von der Antragsgegnerin hinzunehmen.

42

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

43

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).


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Bundessozialgericht Urteil, 07. Okt. 2010 - B 3 KR 13/09 R

bei uns veröffentlicht am 07.10.2010

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. März 2009 wird zurückgewiesen.

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(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

Wird während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens; er ist der Stelle, die über den Widerspruch entscheidet, unverzüglich mitzuteilen.

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(1) Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf der Grundlage der Richtlinie nach Satz 2 dafür Sorge zu tragen, dass eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Fertigarzneimittel erstellt, regelmäßig aktualisiert wird und im Internet abruffähig sowie in elektronisch weiterverarbeitbarer Form zur Verfügung steht. Satz 1 gilt nicht für:

1.
versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr,
2.
versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen.
Für Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, sind von der Versorgung nach § 31 folgende verschreibungspflichtige Arzneimittel bei Verordnung in den genannten Anwendungsgebieten ausgeschlossen:
1.
Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich der bei diesen Krankheiten anzuwendenden Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfenden und hustenlösenden Mittel,
2.
Mund- und Rachentherapeutika, ausgenommen bei Pilzinfektionen,
3.
Abführmittel,
4.
Arzneimittel gegen Reisekrankheit.
Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen. Das Nähere regeln die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6.

(2) Abweichend von Absatz 1 haben Versicherte, bei denen eine bestehende schwere Tabakabhängigkeit festgestellt wurde, Anspruch auf eine einmalige Versorgung mit Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung. Eine erneute Versorgung nach Satz 1 ist frühestens drei Jahre nach Abschluss der Behandlung nach Satz 1 möglich. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 fest, welche Arzneimittel und unter welchen Voraussetzungen Arzneimittel zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung verordnet werden können.

(3) Der Ausschluss der Arzneimittel, die in Anlage 2 Nummer 2 bis 6 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21. Februar 1990 (BGBl. I S. 301), die zuletzt durch die Verordnung vom 9. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4554) geändert worden ist, aufgeführt sind, gilt als Verordnungsausschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses und ist Teil der Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen wie homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimitteln ist der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung zu tragen.

(4) Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. Die Rechtsverordnung kann auch bestimmen, inwieweit geringfügige Kosten der notwendigen Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel von der Krankenkasse nicht übernommen werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für die Instandsetzung von Hörgeräten und ihre Versorgung mit Batterien bei Versicherten, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für nicht durch Rechtsverordnung nach Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 unberührt.

(5) (weggefallen)

(6) Pharmazeutische Unternehmer können beim Gemeinsamen Bundesausschuss Anträge zur Aufnahme von Arzneimitteln in die Zusammenstellung nach Absatz 1 Satz 2 und 4 stellen. Die Anträge sind ausreichend zu begründen; die erforderlichen Nachweise sind dem Antrag beizufügen. Sind die Angaben zur Begründung des Antrags unzureichend, teilt der Gemeinsame Bundesausschuss dem Antragsteller unverzüglich mit, welche zusätzlichen Einzelangaben erforderlich sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über ausreichend begründete Anträge nach Satz 1 innerhalb von 90 Tagen zu bescheiden und den Antragsteller über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen zu belehren. Eine ablehnende Entscheidung muss eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten. Für das Antragsverfahren sind Gebühren zu erheben. Das Nähere insbesondere zur ausreichenden Begründung und zu den erforderlichen Nachweisen regelt der Gemeinsame Bundesausschuss.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

(1) Die vertragsärztliche Versorgung gliedert sich in die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung. Die hausärztliche Versorgung beinhaltet insbesondere

1.
die allgemeine und fortgesetzte ärztliche Betreuung eines Patienten in Diagnostik und Therapie bei Kenntnis seines häuslichen und familiären Umfeldes; Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen,
2.
die Koordination diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen einschließlich der Vermittlung eines aus medizinischen Gründen dringend erforderlichen Behandlungstermins bei einem an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer,
3.
die Dokumentation, insbesondere Zusammenführung, Bewertung und Aufbewahrung der wesentlichen Behandlungsdaten, Befunde und Berichte aus der ambulanten und stationären Versorgung,
4.
die Einleitung oder Durchführung präventiver und rehabilitativer Maßnahmen sowie die Integration nichtärztlicher Hilfen und flankierender Dienste in die Behandlungsmaßnahmen.

(1a) An der hausärztlichen Versorgung nehmen

1.
Allgemeinärzte,
2.
Kinder- und Jugendärzte,
3.
Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung, die die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung gewählt haben,
4.
Ärzte, die nach § 95a Abs. 4 und 5 Satz 1 in das Arztregister eingetragen sind und
5.
Ärzte, die am 31. Dezember 2000 an der hausärztlichen Versorgung teilgenommen haben,
teil (Hausärzte).
Die übrigen Fachärzte nehmen an der fachärztlichen Versorgung teil. Der Zulassungsausschuss kann für Kinder- und Jugendärzte und Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung eine von Satz 1 abweichende befristete Regelung treffen, wenn eine bedarfsgerechte Versorgung nicht gewährleistet ist. Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für die Arztgruppe der Hausärzte, der Kinder- und Jugendärzte oder der Fachinternisten eine Feststellung nach § 100 Absatz 1 Satz 1 getroffen, fasst der Zulassungsausschuss innerhalb von sechs Monaten den Beschluss, ob eine Regelung nach Satz 3 getroffen wird. Kinder- und Jugendärzte mit Schwerpunktbezeichnung können auch an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen. Der Zulassungsausschuss kann Allgemeinärzten und Ärzten ohne Gebietsbezeichnung, die im Wesentlichen spezielle Leistungen erbringen, auf deren Antrag die Genehmigung zur ausschließlichen Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung erteilen.

(1b) Die einen Versicherten behandelnden Leistungserbringer sind verpflichtet, den Versicherten nach dem von ihm gewählten Hausarzt zu fragen; sie sind verpflichtet, die den Versicherten betreffenden Behandlungsdaten und Befunde mit dessen Zustimmung zum Zwecke der bei dem Hausarzt durchzuführenden Dokumentation und der weiteren Behandlung zu übermitteln. Der Hausarzt ist mit Zustimmung des Versicherten verpflichtet, die für die Behandlung erforderlichen Daten und Befunde an die den Versicherten behandelnden Leistungserbringer zu übermitteln. Bei einem Hausarztwechsel ist der bisherige Hausarzt mit Zustimmung des Versicherten verpflichtet, dem neuen Hausarzt die bei ihm über den Versicherten gespeicherten Unterlagen vollständig zu übermitteln.

(1c) (weggefallen)

(2) Die vertragsärztliche Versorgung umfaßt die

1.
ärztliche Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung und kieferorthopädische Behandlung nach Maßgabe des § 28 Abs. 2,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen, soweit sie § 56 Abs. 2 entspricht,
3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,
4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft,
5.
Verordnung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
6.
Anordnung der Hilfeleistung anderer Personen,
7.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankentransporten sowie Krankenhausbehandlung oder Behandlung in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen,
7a.
Verordnung von digitalen Gesundheitsanwendungen,
8.
Verordnung häuslicher Krankenpflege und außerklinischer Intensivpflege,
9.
Ausstellung von Bescheinigungen und Erstellung von Berichten, die die Krankenkassen oder der Medizinische Dienst (§ 275) zur Durchführung ihrer gesetzlichen Aufgaben oder die die Versicherten für den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts benötigen; die Bescheinigung über eine Arbeitsunfähigkeit ist auch auszustellen, wenn die Arbeitsunfähigkeitsdaten nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 übermittelt werden,
10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1,
11.
ärztlichen Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b,
12.
Verordnung von Soziotherapie,
13.
Zweitmeinung nach § 27b,
14.
Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach § 37b.
Satz 1 Nummer 2 bis 4, 6, 10, 11 und 14 gilt nicht für Psychotherapeuten; Satz 1 Nummer 9 gilt nicht für Psychotherapeuten, soweit sich diese Regelung auf die Feststellung und die Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit bezieht. Satz 1 Nummer 5 gilt für Psychotherapeuten in Bezug auf die Verordnung von Leistungen zur psychotherapeutischen Rehabilitation. Satz 1 Nummer 7 gilt für Psychotherapeuten in Bezug auf die Verordnung von Ergotherapie, Krankentransporten sowie Krankenhausbehandlung. Satz 1 Nummer 8 gilt für Psychotherapeuten in Bezug auf die Verordnung von Leistungen der psychiatrischen häuslichen Krankenpflege. Das Nähere zu den Verordnungen durch Psychotherapeuten bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss in seinen Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6, 8 und 12.

(3) In den Gesamtverträgen ist zu vereinbaren, inwieweit Maßnahmen zur Vorsorge und Rehabilitation, soweit sie nicht zur kassenärztlichen Versorgung nach Absatz 2 gehören, Gegenstand der kassenärztlichen Versorgung sind.

(4) Krankenhausbehandlung darf nur verordnet werden, wenn eine ambulante Versorgung der Versicherten zur Erzielung des Heil- oder Linderungserfolgs nicht ausreicht. Die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung ist bei der Verordnung zu begründen. In der Verordnung von Krankenhausbehandlung sind in den geeigneten Fällen auch die beiden nächsterreichbaren, für die vorgesehene Krankenhausbehandlung geeigneten Krankenhäuser anzugeben. Das Verzeichnis nach § 39 Abs. 3 ist zu berücksichtigen.

(5) Der an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt und die ermächtigte Einrichtung sollen bei der Verordnung von Arzneimitteln die Preisvergleichsliste nach § 92 Abs. 2 beachten. Sie können auf dem Verordnungsblatt oder in dem elektronischen Verordnungsdatensatz ausschließen, dass die Apotheken ein preisgünstigeres wirkstoffgleiches Arzneimittel anstelle des verordneten Mittels abgeben. Verordnet der Arzt ein Arzneimittel, dessen Preis den Festbetrag nach § 35 überschreitet, hat der Arzt den Versicherten über die sich aus seiner Verordnung ergebende Pflicht zur Übernahme der Mehrkosten hinzuweisen.

(6) Zur kassenärztlichen Versorgung gehören Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten nicht, wenn sie im Rahmen der Krankenhausbehandlung oder der stationären Entbindung durchgeführt werden, es sei denn, die ärztlichen Leistungen werden von einem Belegarzt erbracht.

(7) Es ist Vertragsärzten nicht gestattet, für die Zuweisung von Versicherten oder für die Vergabe und Dokumentation von Diagnosen ein Entgelt oder sonstige wirtschaftliche Vorteile sich versprechen oder sich gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. § 128 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(8) Zur Sicherung der wirtschaftlichen Verordnungsweise haben die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen sowie die Krankenkassen und ihre Verbände die Vertragsärzte auch vergleichend über preisgünstige verordnungsfähige Leistungen und Bezugsquellen, einschließlich der jeweiligen Preise und Entgelte zu informieren sowie nach dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse Hinweise zu Indikation und therapeutischen Nutzen zu geben. Die Informationen und Hinweise für die Verordnung von Arznei-, Verband- und Heilmitteln erfolgen insbesondere auf der Grundlage der Hinweise nach § 92 Abs. 2 Satz 3, der Rahmenvorgaben nach § 84 Abs. 7 Satz 1 und der getroffenen Arzneimittelvereinbarungen nach § 84 Abs. 1. In den Informationen und Hinweisen sind Handelsbezeichnung, Indikationen und Preise sowie weitere für die Verordnung von Arzneimitteln bedeutsame Angaben insbesondere auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 in einer Weise anzugeben, die unmittelbar einen Vergleich ermöglichen; dafür können Arzneimittel ausgewählt werden, die einen maßgeblichen Anteil an der Versorgung der Versicherten im Indikationsgebiet haben. Die Kosten der Arzneimittel je Tagesdosis sind nach den Angaben der anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikation anzugeben. Es gilt die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Auftrage des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebene Klassifikation in der jeweils gültigen Fassung. Die Übersicht ist für einen Stichtag zu erstellen und in geeigneten Zeitabständen, im Regelfall jährlich, zu aktualisieren.

(9) Vertragsärzte dürfen für die Verordnung von Arzneimitteln, von Verbandmitteln, von digitalen Gesundheitsanwendungen und von Produkten, die gemäß den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden können, nur solche elektronischen Programme nutzen, die mindestens folgende Inhalte mit dem jeweils aktuellen Stand enthalten:

1.
die Informationen nach Absatz 8 Satz 2 und 3,
2.
die Informationen über das Vorliegen von Rabattverträgen nach § 130a Absatz 8,
3.
die Informationen nach § 131 Absatz 4 Satz 2,
4.
die zur Erstellung und Aktualisierung des Medikationsplans nach § 31a und des elektronischen Medikationsplans nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 notwendigen Funktionen und Informationen,
5.
die Informationen nach § 35a Absatz 3a Satz 1 und
6.
ab dem 1. Oktober 2023 das Schulungsmaterial nach § 34 Absatz 1f Satz 2 des Arzneimittelgesetzes und die Informationen nach § 34 Absatz 1h Satz 3 des Arzneimittelgesetzes, auch in Verbindung mit § 39 Absatz 2e des Arzneimittelgesetzes oder § 39d Absatz 6 des Arzneimittelgesetzes
und die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen sind. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates das Nähere insbesondere zu den Mindestanforderungen der Informationen nach Satz 1 Nummer 5 zu regeln. Es kann in der Rechtsverordnung auch das Nähere zu den weiteren Anforderungen nach Satz 1 regeln. Es kann dabei Vorgaben zur Abbildung der für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Regelungen zur Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Arzneimitteln im Vergleich zu anderen Therapiemöglichkeiten machen. Es kann auch Vorgaben zu semantischen und technischen Voraussetzungen zur Interoperabilität machen. Weitere Einzelheiten sind in den Verträgen nach § 82 Absatz 1 zu vereinbaren. Die Vereinbarungen in den Verträgen nach § 82 Absatz 1 sind innerhalb von drei Monaten nach dem erstmaligen Inkrafttreten der Rechtsverordnung nach den Sätzen 2 bis 4 sowie nach dem jeweiligen Inkrafttreten einer Änderung der Rechtsverordnung anzupassen. Sie sind davon unabhängig in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen. Auf die Verordnung von digitalen Gesundheitsanwendungen nach § 33a findet Satz 1 vor dem 1. Januar 2023 keine Anwendung.

(10) Für die Verordnung von Heilmitteln dürfen Vertragsärzte ab dem 1. Januar 2017 nur solche elektronischen Programme nutzen, die die Informationen der Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in Verbindung mit § 92 Absatz 6 und über besondere Verordnungsbedarfe nach § 106b Absatz 2 Satz 4 sowie die sich aus den Verträgen nach § 125a ergebenden Besonderheiten enthalten und die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen sind. Das Nähere ist in den Verträgen nach § 82 Absatz 1 zu vereinbaren.

(11) Stellt ein Vertragsarzt bei einem Versicherten eine Diagnose nach § 125a und die Indikation für ein Heilmittel, sind Auswahl und Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten vom Heilmittelerbringer festzulegen. In medizinisch begründeten Fällen kann der Vertragsarzt auch bei Vorliegen einer Diagnose nach § 125a selbst über die Auswahl und Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten entscheiden; in diesem Fall sind auf die Verordnung die Regelungen der Verträge nach § 125 Absatz 1 anzuwenden. Die Vertragsärzte sollen zum Beginn des auf den rechtskräftigen Abschluss des Vertrages nach § 125a folgenden Quartals, frühestens jedoch nach sechs Wochen, nach den Regelungen dieses Absatzes verordnen.

(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen erstellt ein systematisch strukturiertes Hilfsmittelverzeichnis. In dem Verzeichnis sind von der Leistungspflicht umfasste Hilfsmittel aufzuführen. Das Hilfsmittelverzeichnis ist im Bundesanzeiger bekannt zu machen.

(2) Soweit dies zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung erforderlich ist, sind im Hilfsmittelverzeichnis indikations- oder einsatzbezogen besondere Qualitätsanforderungen für Hilfsmittel festzulegen. Besondere Qualitätsanforderungen nach Satz 1 können auch festgelegt werden, um eine ausreichend lange Nutzungsdauer oder in geeigneten Fällen den Wiedereinsatz von Hilfsmitteln bei anderen Versicherten zu ermöglichen. Im Hilfsmittelverzeichnis sind auch die Anforderungen an die zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringenden Leistungen zu regeln.

(3) Die Aufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis erfolgt auf Antrag des Herstellers. Über die Aufnahme entscheidet der Spitzenverband Bund der Krankenkassen; er kann vom Medizinischen Dienst prüfen lassen, ob die Voraussetzungen nach Absatz 4 erfüllt sind. Hält der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bei der Prüfung des Antrags eine Klärung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss für erforderlich, ob der Einsatz des Hilfsmittels untrennbarer Bestandteil einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode ist, holt er hierzu unter Vorlage der ihm vorliegenden Unterlagen sowie einer Begründung seiner Einschätzung eine Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses ein. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Auskunft innerhalb von sechs Monaten zu erteilen. Kommt der Gemeinsame Bundesausschuss zu dem Ergebnis, dass das Hilfsmittel untrennbarer Bestandteil einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode ist, beginnt unmittelbar das Verfahren zur Bewertung der Methode nach § 135 Absatz 1 Satz 1, wenn der Hersteller den Antrag auf Eintragung des Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis nicht innerhalb eines Monats zurücknimmt, nachdem ihm der Spitzenverband Bund der Krankenkassen das Ergebnis der Auskunft mitgeteilt hat.

(4) Das Hilfsmittel ist aufzunehmen, wenn der Hersteller die Funktionstauglichkeit und Sicherheit, die Erfüllung der Qualitätsanforderungen nach Absatz 2 und, soweit erforderlich, den medizinischen Nutzen nachgewiesen hat und es mit den für eine ordnungsgemäße und sichere Handhabung erforderlichen Informationen in deutscher Sprache versehen ist. Auf Anfrage des Herstellers berät der Spitzenverband Bund der Krankenkassen den Hersteller im Rahmen eines Antragsverfahrens zur Aufnahme von neuartigen Produkten in das Hilfsmittelverzeichnis über Qualität und Umfang der vorzulegenden Antragsunterlagen. Die Beratung erstreckt sich insbesondere auf die grundlegenden Anforderungen an den Nachweis des medizinischen Nutzens des Hilfsmittels. Sofern Produkte untrennbarer Bestandteil einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode sind, bezieht sich die Beratung nicht auf das Verfahren nach § 135 Absatz 1 Satz 1. Erfordert der Nachweis des medizinischen Nutzens klinische Studien, kann die Beratung unter Beteiligung der für die Durchführung der Studie vorgesehenen Institution erfolgen. Das Nähere regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen in der Verfahrensordnung nach Absatz 7 Satz 1. Für die Beratung kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Gebühren nach pauschalierten Gebührensätzen erheben. Hat der Hersteller Nachweise nach Satz 1 nur für bestimmte Indikationen erbracht, ist die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis auf diese Indikationen zu beschränken. Nimmt der Hersteller an Hilfsmitteln, die im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt sind, Änderungen vor, hat er diese dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen unverzüglich mitzuteilen. Die Mitteilungspflicht gilt auch, wenn ein Hilfsmittel nicht mehr hergestellt wird.

(5) Für Medizinprodukte im Sinne des § 3 Nummer 1 des Medizinproduktegesetzes in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung gilt der Nachweis der Funktionstauglichkeit und der Sicherheit durch die CE-Kennzeichnung grundsätzlich als erbracht. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vergewissert sich von der formalen Rechtmäßigkeit der CE-Kennzeichnung anhand der Konformitätserklärung und, soweit zutreffend, der Zertifikate der an der Konformitätsbewertung beteiligten Benannten Stelle. Aus begründetem Anlass können zusätzliche Prüfungen vorgenommen und hierfür erforderliche Nachweise verlangt werden. Prüfungen nach Satz 3 können nach erfolgter Aufnahme des Produkts auch auf der Grundlage von Stichproben vorgenommen werden. Ergeben sich bei den Prüfungen nach Satz 2 bis 4 Hinweise darauf, dass Vorschriften des Medizinprodukterechts nicht beachtet sind, sind unbeschadet sonstiger Konsequenzen die danach zuständigen Behörden hierüber zu informieren.

(6) Legt der Hersteller unvollständige Antragsunterlagen vor, ist ihm eine angemessene Frist, die insgesamt sechs Monate nicht übersteigen darf, zur Nachreichung fehlender Unterlagen einzuräumen. Wenn nach Ablauf der Frist die für die Entscheidung über den Antrag erforderlichen Unterlagen nicht vollständig vorliegen, ist der Antrag abzulehnen. Ansonsten entscheidet der Spitzenverband Bund der Krankenkassen innerhalb von drei Monaten nach Vorlage der vollständigen Unterlagen. Bis zum Eingang einer im Einzelfall nach Absatz 3 Satz 3 angeforderten Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses ist der Lauf der Frist nach Satz 3 unterbrochen. Über die Entscheidung ist ein Bescheid zu erteilen. Die Aufnahme ist zu widerrufen, wenn die Anforderungen nach Absatz 4 Satz 1 nicht mehr erfüllt sind.

(7) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen beschließt bis zum 31. Dezember 2017 eine Verfahrensordnung, in der er nach Maßgabe der Absätze 3 bis 6, 8 und 9 das Nähere zum Verfahren zur Aufnahme von Hilfsmitteln in das Hilfsmittelverzeichnis, zu deren Streichung und zur Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses sowie das Nähere zum Verfahren der Auskunftseinholung beim Gemeinsamen Bundesausschuss regelt. Er kann dabei vorsehen, dass von der Erfüllung bestimmter Anforderungen ausgegangen wird, sofern Prüfzertifikate geeigneter Institutionen vorgelegt werden oder die Einhaltung einschlägiger Normen oder Standards in geeigneter Weise nachgewiesen wird. In der Verfahrensordnung legt er insbesondere Fristen für die regelmäßige Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses fest. Den maßgeblichen Spitzenorganisationen der betroffenen Hersteller und Leistungserbringer auf Bundesebene ist vor Beschlussfassung innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Die Verfahrensordnung bedarf der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit. Für Änderungen der Verfahrensordnung gelten die Sätze 4 und 5 entsprechend. Sofern dies in einer Rechtsverordnung nach Absatz 8 vorgesehen ist, erhebt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Gebühren zur Deckung seiner Verwaltungsausgaben nach Satz 1.

(8) Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass für das Verfahren zur Aufnahme von Hilfsmitteln in das Hilfsmittelverzeichnis Gebühren von den Herstellern zu erheben sind. Es legt die Höhe der Gebühren unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes und der Bedeutung der Angelegenheit für den Gebührenschuldner fest. In der Rechtsverordnung kann vorgesehen werden, dass die tatsächlich entstandenen Kosten auf der Grundlage pauschalierter Kostensätze zu berechnen sind.

(9) Das Hilfsmittelverzeichnis ist regelmäßig fortzuschreiben. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat bis zum 31. Dezember 2018 sämtliche Produktgruppen, die seit dem 30. Juni 2015 nicht mehr grundlegend aktualisiert wurden, einer systematischen Prüfung zu unterziehen und sie im erforderlichen Umfang fortzuschreiben. Er legt dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages über das Bundesministerium für Gesundheit einmal jährlich zum 1. März einen Bericht über die im Berichtszeitraum erfolgten sowie über die begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Fortschreibungen vor. Die Fortschreibung umfasst die Weiterentwicklung und Änderungen der Systematik und der Anforderungen nach Absatz 2, die Aufnahme neuer Hilfsmittel sowie die Streichung von Hilfsmitteln.

(10) Zum Zweck der Fortschreibung nach Absatz 9 Satz 1, 2 und 4 kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen von dem Hersteller für seine im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführten Produkte innerhalb einer in der Verfahrensordnung festgelegten angemessenen Frist die zur Prüfung der Anforderungen nach Absatz 4 Satz 1 erforderlichen Unterlagen anfordern. Bringt der Hersteller die angeforderten Unterlagen nicht fristgemäß bei, verliert die Aufnahme des Produktes in das Hilfsmittelverzeichnis ihre Wirksamkeit und das Produkt ist unmittelbar aus dem Hilfsmittelverzeichnis zu streichen. Ergibt die Prüfung, dass die Anforderungen nach Absatz 4 Satz 1 nicht oder nicht mehr erfüllt sind, ist die Aufnahme zurückzunehmen oder zu widerrufen. Nach Eintritt der Bestandskraft des Rücknahme- oder Widerrufsbescheids ist das Produkt aus dem Hilfsmittelverzeichnis zu streichen. Für die Prüfung, ob ein Hilfsmittel noch hergestellt wird, gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend mit der Maßgabe, dass die Streichung auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen kann.

(11) Vor einer Weiterentwicklung und Änderungen der Systematik und der Anforderungen nach Absatz 2 ist den maßgeblichen Spitzenorganisationen der betroffenen Hersteller und Leistungserbringer auf Bundesebene unter Übermittlung der hierfür erforderlichen Informationen innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann auch Stellungnahmen von medizinischen Fachgesellschaften sowie Sachverständigen aus Wissenschaft und Technik einholen. Soweit vor einer Weiterentwicklung und Änderungen der Systematik und der Anforderungen nach Absatz 2 mögliche Berührungspunkte des voraussichtlichen Fortschreibungsbedarfs mit digitalen oder technischen Assistenzsystemen festgestellt werden, ist zusätzlich mindestens eine Stellungnahme eines Sachverständigen oder unabhängigen Forschungsinstituts aus dem Bereich der Technik einzuholen; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. März 2009 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der beklagten Krankenkasse die Versorgung mit einer elektrisch betriebenen mobilen Treppensteighilfe, um mit Hilfe ihrer Tochter im Rollstuhl sitzend Treppen überwinden zu können.

2

Die 1952 geborene Klägerin leidet an Multipler Sklerose mit beinbetonter Tetraparese und ist deswegen auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie ist schwerpflegebedürftig und bezieht von der Pflegekasse seit November 2005 Leistungen nach der Pflegestufe II. Von der Beklagten ist sie sowohl mit einem - manuell zu bewegenden - mechanischen Rollstuhl als auch mit einem Elektrorollstuhl versorgt worden. Am 5.5.2006 beantragte sie unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung die Ausstattung mit einer elektrisch betriebenen Treppensteighilfe (Treppenfahrgerät) des Typs Scalamobil (Hilfsmittelverzeichnis - HMV - Nr 18.65.01.1000) als Hilfsmittel der GKV, weil sie seit Ende 2005 auch mit Hilfe einer Begleitperson nicht mehr selbst Treppen steigen könne. Dabei handelt es sich um ein mobiles Treppensteiggerät für manuell betätigte Rollstühle. Seiner Konstruktion nach kann es von einer Begleitperson allein bedient werden, sofern diese in der Lage ist, rückwärts Treppen zu steigen, mindestens 10 kg zu heben und selbst nicht auf Gehhilfen angewiesen ist. An dem Rollstuhl wird dauerhaft eine spezielle Halterung angebracht, an der das Scalamobil jeweils mit wenigen Handgriffen befestigt wird. Dabei müssen die großen Hinterräder des Rollstuhls entfernt werden. Nach dem Einsatz werden die Hinterräder wieder anmontiert und das Scalamobil von der Halterung abgenommen. Der Vorteil für den Rollstuhlfahrer besteht darin, dass er vor und nach dem Treppensteigen nicht umsitzen muss. Außerhalb der Wohnung muss das Scalamobil jeweils bis zu seinem Einsatzort vom Rollstuhl getrennt mitgeführt werden; dies geschieht regelmäßig durch Mitnahme in dem Fahrzeug, mit dem die Begleitperson auch den Versicherten und dessen Rollstuhl transportiert.

3

Zur Begründung ihres Antrages machte die Klägerin geltend, die Wohnungen mehrerer ihrer Freunde und Verwandten, die sie regelmäßig besuche, seien nur über Treppen erreichbar. Gleiches gelte für die Praxen ihres Frauenarztes und ihres Zahnarztes, die sie jeweils ein- oder zweimal jährlich aufsuche. Auch zum wöchentlichen Kirchgang müsse eine Treppe bewältigt werden. Ebenso seien Treppenstufen zu überwinden, wenn sie in den Garten ihres Hauses oder in den Keller wolle, in dem neben eigenen Räumen auch eine Kellerwohnung liege, die sie vermietet habe und ab und zu aufsuchen müsse. Die Beklagte lehnte den Leistungsantrag ab, weil die Klägerin mit den Rollstühlen ausreichend versorgt sei. Sie könne damit ihre ebenerdig gelegene Wohnung uneingeschränkt nutzen sowie den Nahbereich um das Grundstück erschließen. Damit sei das Grundbedürfnis auf Mobilität ausreichend erfüllt. Für die soziale Eingliederung eines Versicherten in sein gesellschaftliches Umfeld seien die Krankenkassen nicht zuständig (Bescheid vom 18.5.2006, Widerspruchsbescheid vom 24.1.2007).

4

Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Kosten für die Beschaffung eines Scalamobil Treppensteiggerätes zu übernehmen (Urteil vom 31.10.2007). Das LSG hat diese Entscheidung geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 3.3.2009): Das Scalamobil sei zur Gewährleistung des allgemeinen Grundbedürfnisses der Bewegungsfreiheit nicht erforderlich. Mit den Rollstühlen sei die Klägerin ausreichend versorgt. Für die maximal viermal im Jahr anfallenden Besuche beim Frauenarzt und Zahnarzt könne der Fahrdienst in Anspruch genommen werden, der angesichts des Kaufpreises für ein Scalamobil (Typ S 30 IQ) von ca 5400 Euro (im gebrauchten Zustand ca 3600 Euro) auch deutlich preisgünstiger sei, weil jährlich nur ca 100 Euro anfielen. Das Aufsuchen des Kellers und des Gartens gehöre nicht zu den elementaren Bedürfnissen des täglichen Lebens. Auch für das Überwinden von Treppen, um Freunde und Verwandte in deren Wohnungen sowie den Gottesdienst zu besuchen, seien die Krankenkassen nicht zuständig, weil es dabei um die soziale und nicht um die medizinische Rehabilitation eines behinderten Menschen gehe.

5

Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Klägerin, die mit der Verletzung materiellen Rechts (§ 33 Abs 1 SGB V) begründet wird. Zur Erschließung eines körperlichen Freiraums im Nahbereich einer Wohnung gehöre auch die Möglichkeit, dort nur über Treppen zu erreichende Orte aufzusuchen, wie es bei den Wohnungen, den Arztpraxen und der Kirche der Fall sei. Die Integration gehbehinderter Versicherter in Familie und Gesellschaft sowie die Pflege sozialer Kontakte außerhalb der eigenen Wohnung stellten elementare Bedürfnisse des täglichen Lebens dar. Das Scalamobil sei ein "Zubehör" zur Modernisierung herkömmlicher mechanischer Rollstühle und entspreche damit dem von der GKV geschuldeten technischen Fortschritt bei Hilfsmitteln. Bei leihweiser Überlassung des Scalamobils seien die Kosten auch deutlich niedriger als vom LSG veranschlagt.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. März 2009 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 31. Oktober 2007 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach §§ 165, 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Versorgung mit einer mobilen Treppensteighilfe besteht. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 18.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.1.2007 ist rechtmäßig.

10

1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.

11

a) In erster und zweiter Instanz stritten die Beteiligten nur um die Versorgung mit einer "Scalamobil Treppensteighilfe"; ein spezielles Fabrikat war weder in den Klageanträgen der Klägerin noch im zusprechenden Urteil des SG genannt. Dies ist prozessual unschädlich, weil die Beteiligten nur um den Versorgungsanspruch nach § 33 SGB V dem Grunde nach, nicht aber um ein ganz bestimmtes Fabrikat streiten und zu erwarten ist, dass bei einer rechtskräftigen Verurteilung der Beklagten zur Ausstattung der Klägerin mit einer mobilen Scalamobil Treppensteighilfe kein zusätzlicher Streit über das Fabrikat entstehen würde. In der ärztlichen Verordnung vom 5.5.2006 war allerdings noch ein spezielles Fabrikat genannt, nämlich das im HMV unter Nr 18.65.01.1000 aufgeführte Scalamobil S 28, das aber mittlerweile nicht mehr lieferbar ist (vgl zB die Übersicht bei der Rehadat Datenbank Hilfsmittel, Stand 28.7.2010). Lieferbar sind derzeit Scalamobile der Fabrikate S 30 IQ (HMV Nr 18.65.01.1008) und S 31 (HMV Nr 18.65.01.1009). Die Verordnung ist bei sach- und interessengerechter Auslegung jedoch nicht so zu verstehen, das diese Fabrikate ausgeschlossen sein sollten; vielmehr soll ein Scalamobil in geeigneter Ausführung geliefert werden. Der Klageantrag ist damit hinreichend spezifiziert. Es fehlt auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis, wie es bei der Alternativen ausschließenden Beantragung der Versorgung mit einem ganz bestimmten Fabrikat eines Hilfsmittels der Fall wäre, das im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr lieferbar und auch nicht im Fundus vorrätig ist.

12

b) Unerheblich ist im vorliegenden Zusammenhang, dass die Bezeichnung "Scalamobil" nur einen Markenname der Fa. A. GmbH darstellt. Möglicherweise sind am Markt auch elektrisch betriebene Treppensteighilfen anderer Hersteller verfügbar. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin ebenso geeignete Treppensteighilfen anderer Hersteller ausschließen will und diese nicht wenigstens hilfsweise von ihrem Klagebegehren umfasst werden. Da es hier aber schon an einem Versorgungsanspruch dem Grunde nach fehlt, brauchte nicht ermittelt zu werden, ob eine Scalamobil Treppensteighilfe dem Gebot der Wirtschaftlichkeit der Hilfsmittelversorgung (§ 12 Abs 1, § 70 Abs 1 SGB V) entspricht oder ob es eine preisgünstigere, ebenso geeignete Treppensteighilfe anderer Hersteller gibt.

13

2. Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren ist § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V in der zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung geltenden Fassung des Art 1 Nr 17 Buchst a "Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz" vom 26.3.2007, BGBl I 378), der inhaltlich der bei Antragstellung gültigen Fassung des Art 5 Nr 9 des Gesetzes vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) entspricht. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Der Anspruch umfasst nach § 33 Abs 1 Satz 4 SGB V auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Blick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs 1 SGB V nicht bewilligen(vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 16). Die Voraussetzungen des Versorgungsanspruchs nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V sind hier nicht erfüllt. Der mit der Bereitstellung der mobilen Treppensteighilfe bezweckte zusätzliche Behinderungsausgleich betrifft nicht die - von der GKV allein geschuldete - medizinische Rehabilitation der Klägerin, sondern deren soziale bzw gesellschaftliche Integration und Rehabilitation, die in den Zuständigkeitsbereich anderer Sozialleistungsträger fällt, wobei vor allem die Sozialhilfe zu nennen ist.

14

3. Der Versorgungsanspruch nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V besteht nicht allein deshalb, weil die begehrte Treppensteighilfe vertragsärztlich verordnet(§ 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V) worden und im HMV (§ 139 SGB V) verzeichnet ist. Den Krankenkassen steht ein eigenes Entscheidungsrecht zu, ob ein Hilfsmittel nach Maßgabe des § 33 SGB V zur medizinischen Rehabilitation, also zur Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung, zur Vorbeugung gegen eine drohende Behinderung oder zum Ausgleich einer bestehenden Behinderung, im Einzelfall erforderlich ist; dabei können die Krankenkassen zur Klärung medizinisch-therapeutischer Fragen den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) einschalten (vgl § 275 Abs 3 Nr 1 SGB V). Eine vertragsärztliche Verordnung wäre nur dann für die Krankenkassen verbindlich, soweit sie für bestimmte Hilfsmittel auf ein Prüfungs- und Genehmigungsrecht generell verzichtet haben, was zB durch diverse vertragliche Vereinbarungen mit Leistungserbringern bzw deren Verbänden möglich ist (§ 127 SGB V). Eine solche Vereinbarung ist für Treppensteighilfen nicht geschlossen worden.

15

4. Die Treppensteighilfe ist auch nicht schon deshalb zu gewähren, weil die Klägerin wegen ihrer Gehunfähigkeit mit zwei Rollstühlen versorgt worden ist und das Gerät die ausschließliche Funktion hat, einen gehunfähigen Versicherten im Rollstuhl sitzend und ohne Notwendigkeit des Umsitzens (aber nicht aus eigener Kraft, sondern nur mit Hilfe einer Begleitperson, die das Gerät bedient) Treppen überwinden zu lassen und so Orte erreichen zu können, die ihnen sonst verwehrt bleiben oder die nur auf andere, beschwerlichere Weise erreicht werden könnten. Obwohl eine Treppensteighilfe also nur in Kombination mit einem Rollstuhl eine Funktion hat und insofern als "Zusatzgerät" zum Rollstuhl bezeichnet werden kann, folgt aus der medizinischen Notwendigkeit des Rollstuhls noch nicht die Notwendigkeit der Treppensteighilfe. Dieses Gerät hat im Rahmen des - hier allein in Betracht kommenden - Behinderungsausgleichs (3. Variante des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V) für einen gehunfähigen Versicherten eine eigenständige Bedeutung, weil es die Bewegungsmöglichkeiten mit dem Rollstuhl erweitert, indem Treppen kein unüberwindliches Hindernis mehr darstellen, um bestimmte Orte aufzusuchen. Eine Treppensteighilfe hat also von ihrer Konstruktion und ihrem Verwendungszweck her einen eigenständigen Nutzen für den Versicherten und seine Begleitperson. Dieser Gebrauchsvorteil muss den Kriterien der Versorgung mit einem "anderen Hilfsmittel" iS des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V zum Zwecke des Behinderungsausgleichs genügen und verlangt somit eine gesonderte, von der Notwendigkeit der Versorgung mit einem Rollstuhl unabhängige Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen.

16

5. Der Behinderungsausgleich nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V(vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) hat zweierlei Zielrichtung:

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a) Im Vordergrund steht der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst, wie es zB insbesondere bei Prothesen der Fall ist. Bei diesem sog unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-leg-Prothese). Die Wirtschaftlichkeit eines dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden Hilfsmittels ist grundsätzlich zu unterstellen und erst zu prüfen, wenn zwei tatsächlich gleichwertige, aber unterschiedlich teure Hilfsmittel zur Wahl stehen.

18

b) Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). In diesem Rahmen ist die GKV allerdings nur für den Basisausgleich der Folgen der Behinderung eintrittspflichtig. Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V sowie § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolgs, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (vgl zB § 5 Nr 2 SGB IX: Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und § 5 Nr 4 SGB IX: Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft). Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 13; BSGE 91, 60, 63 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr). Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört ua die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw eines Schulwissens (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 und 46; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 18). Zum körperlichen Freiraum gehört - im Sinne eines Basisausgleichs der eingeschränkten Bewegungsfreiheit - die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (zB Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs. Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind schon immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden (vgl BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7 - Erreichbarkeit ambulanter medizinischer Versorgung für Wachkomapatientin; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike für Jugendliche; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 - behindertengerechtes Dreirad; BSG SozR 2200 § 182b Nr 13 - Faltrollstuhl).

19

c) Im vorliegenden Fall geht es - wie bei der Ausstattung mit einem Rollstuhl - nicht um den unmittelbaren, sondern nur um einen mittelbaren Behinderungsausgleich, weil durch das Hilfsmittel nicht das Gehen selbst ermöglicht wird (wie zB bei einer Beinprothese). Ausgeglichen werden lediglich die Folgen der Funktionsbeeinträchtigung der Beine, hier in Form der Unfähigkeit, selbst und aus eigener Kraft - oder auch nur mit stützender Hilfe einer Begleitperson - eine Treppe hinauf- und herabzusteigen. Das dabei betroffene allgemeine Grundbedürfnis des täglichen Lebens ist aber nicht das selbstständige Wohnen, weil dies zum einen nur auf die Möglichkeit ausgerichtet ist, trotz der Behinderung dauerhaft in einer eigenen Wohnung zu leben, und zum anderen vor allem auf Hilfsmittel abzielt, die vom Behinderten selbst bedient werden und ihn von fremder Hilfe ganz oder teilweise unabhängig machen. Dies ist hier gerade nicht der Fall, weil die Treppensteighilfe nur durch die Begleitperson zu bedienen ist, der gehunfähige Versicherte also selbst dann auf Hilfe angewiesen bleibt, wenn er sich mit seinem Rollstuhl ansonsten aus eigener Kraft fortbewegen kann.

20

Betroffen ist vielmehr das Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums in Form der Bewegungsmöglichkeit in der eigenen Wohnung und im umliegenden Nahbereich. Diese Bewegungsmöglichkeit wird zwar grundsätzlich durch Rollstühle gewährleistet, stößt aber dort an ihre Grenzen, wo Treppen, also mehr als nur einzelne Stufen (zB bei einer Bordsteinkante) zu bewältigen sind. Hier kann eine Treppensteighilfe vom Grundsatz her eine geeignete Hilfe sein, die ansonsten eingeschränkte Bewegungsmöglichkeit eines Rollstuhlfahrers - wenn auch nur mit fremder Unterstützung - zu erweitern. Dabei muss aber der Zweck, eine bestimmte Treppe im Rollstuhl sitzend zu überwinden und so an einen ansonsten nicht oder nur unter besonderen Schwierigkeiten zu erreichenden Ort zu kommen, vom Maßstab der medizinischen Rehabilitation gedeckt sein, weil die GKV nur für diesen Bereich der Hilfsmittelversorgung zuständig ist (§ 5 Nr 1 SGB IX). Die Leistungspflicht der GKV entfällt, wenn zB die berufliche oder die soziale Rehabilitation bezweckt wird (§ 5 Nr 2 und 4 SGB IX).

21

d) Ein über die Befriedigung von allgemeinen Grundbedürfnissen hinausgehender Behinderungsausgleich ist als Leistung der GKV nicht vorgesehen, was sich aus der Regelung des § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ergibt, die der Gesetzgeber in Kenntnis der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Hilfsmittelversorgung mit Wirkung zum 1.7.2001 in Kraft gesetzt hat. Damit wird der Hilfsmittelbegriff für alle Träger von Leistungen der medizinischen Rehabilitation (§ 6 Abs 1, § 5 Nr 1 SGB IX) einheitlich definiert. Selbst wenn der Vorrang abweichender Regelungen für den einzelnen Rehabilitationsträger weiterhin besteht (§ 7 SGB IX), kann aus der insoweit unberührt gebliebenen Fassung des § 33 SGB V nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe nunmehr den Behinderungsausgleich durch die GKV über die bisherige Rechtsprechung hinaus ausweiten wollen(BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 16).

22

Nach diesen Maßstäben besteht kein Anspruch der Klägerin nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V, auf Kosten der Beklagten mit einer Treppensteighilfe versorgt zu werden, und zwar unabhängig davon, ob es um die Übereignung oder die leihweise Überlassung des Geräts geht und auch unabhängig davon, ob das Gerät fabrikneu oder schon gebraucht ist. Der Versorgungsanspruch besteht bereits vom Grundsatz her nicht.

23

6. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin die Überwindung der Kellertreppe im Hause sowie der zum Garten führenden Treppe durch Ausstattung mit einer Treppensteighilfe zu ermöglichen. Die Krankenkassen sind nicht für solche Hilfsmittel eintrittspflichtig, die ein dauerhaft behinderter Versicherter allein wegen seiner individuellen Wohnsituation benötigt.

24

a) Bei der Hilfsmittelversorgung durch die GKV kommt es nicht auf die konkreten Wohnverhältnisse des einzelnen Versicherten an, sondern auf einen generellen, an durchschnittlichen Wohn- und Lebensverhältnissen orientierten Maßstab. Besonderheiten der Wohnung und des Umfeldes, die anderswo - etwa nach einem Umzug - regelmäßig so nicht vorhanden sind und einem allgemeinen Wohnstandard nicht entsprechen, sind bei der Hilfsmittelversorgung durch die GKV nicht zu berücksichtigen. Der Versicherte muss das Hilfsmittel also nicht nur gerade wegen der Besonderheiten seiner konkreten Wohnverhältnisse, sondern in gleicher Weise auch in einer anderen Wohnung und deren Umfeld benötigen. Mit anderen Worten: Ein anderer Versicherter mit den gleichen körperlichen Behinderungen müsste auf das Hilfsmittel in dessen Wohn- und Lebenssituation ebenfalls angewiesen sein. Fehlt es daran, ist ein Anspruch nach § 33 SGB V in der Regel ausgeschlossen. Es kann sich dann nur um eine Form der Hilfe zur Anpassung an die konkrete Wohnsituation handeln, für die nicht die Krankenkassen, sondern der Versicherte selbst - im Rahmen seiner Eigenverantwortung - oder andere Sozialleistungsträger (zB Pflegekassen, Sozialhilfeträger, Unfallversicherungsträger) zuständig sein können.

25

b) In diesem vorstehenden Sinne ist die Zuständigkeit für den Ausgleich von Behinderungsfolgen im Bereich der Mobilität vom Gesetzgeber nach dem geltenden Recht grundsätzlich anderen Zweigen der Sozialversicherung oder der Eigenverantwortung der behinderten Menschen selbst zugewiesen. Nachdem bereits die frühere Rechtsprechung des BSG nur ausnahmsweise von einer entsprechenden Einstandspflicht der GKV ausgegangen war, hat der Gesetzgeber insbesondere mit der Begründung eines Anspruchs auf Leistungen für wohnumfeldbezogene Maßnahmen im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung in dieser Hinsicht eine grundlegende Systementscheidung getroffen. Rechtsgrundlage hierfür ist § 40 Abs 4 SGB XI. Danach gilt: "Die Pflegekassen können subsidiär finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen gewähren, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird. Die Höhe der Zuschüsse ist unter Berücksichtigung der Kosten der Maßnahme sowie eines angemessenen Eigenanteils in Abhängigkeit von dem Einkommen des Pflegebedürftigen zu bemessen. Die Zuschüsse dürfen einen Betrag in Höhe von 2557 Euro je Maßnahme nicht übersteigen." Diese Norm ist Teil des Gesetzesprogramms, der häuslichen Pflege den Vorrang vor der stationären Pflege zu geben (§ 3 Satz 1 SGB XI). Sie berücksichtigt, dass Leistungen zur Anpassung des Wohnumfeldes an die Bedürfnisse kranker und behinderter Menschen im Sozialleistungssystem der GKV nicht vorgesehen waren und deshalb ein in die Zuständigkeit der Pflegeversicherung fallender Leistungsbedarf bestehen kann, soweit nicht andere Träger für die behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfeldes einzustehen haben. Hat kein anderer Leistungsträger vorrangig einzutreten, soll deshalb die soziale Pflegeversicherung - allerdings beschränkt auf den finanziellen Rahmen des § 40 Abs 4 Satz 3 SGB XI - die behindertengerechte Umgestaltung der Wohnung des Pflegebedürftigen fördern, wenn dadurch die häusliche Pflege überhaupt erst ermöglicht oder erheblich erleichtert wird oder ein Verbleiben des Pflegebedürftigen in seiner häuslichen Umgebung und damit eine möglichst selbstständige Lebensführung sichergestellt werden kann(vgl BT-Drucks 12/5262 S 114 zu Art 1 § 36 Abs 4 des Gesetzesentwurfs von CDU/CSU und FDP zum Pflege-Versicherungsgesetz).

26

c) Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber des SGB XI an die schon zuvor seit langem bestehende Unterscheidung zwischen der behindertengerechten Anpassung der Wohnsituation einerseits und der Versorgung mit Hilfsmitteln zur Bewältigung oder Minderung von Behinderungsfolgen andererseits angeknüpft. In diesem Sinne war bereits in der Einweisungsnorm des § 29 SGB I in der bis zum 30.6.2001 geltenden Fassung vom 11.12.1975 (BGBl I 3015) bei Leistungen zur Eingliederung behinderter Menschen unterschieden worden zwischen Leistungen zur allgemeinen sozialen Eingliederung mit Hilfen ua "zur Verbesserung der wohnungsmäßigen Unterbringung" (§ 29 Abs 1 Nr 3 Buchst h SGB I) auf der einen und medizinischen Leistungen unter Einschluss von Hilfsmitteln (§ 29 Abs 1 Nr 1 Buchst d SGB I) auf der anderen Seite. Daran anschließend ist in dem am 1.1.1997 in Kraft getretenen SGB VII in dessen § 41 eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für Wohnungshilfe normiert worden, wonach diese erbracht wird, "wenn infolge Art oder Schwere des Gesundheitsschadens nicht nur vorübergehend die behindertengerechte Anpassung vorhandenen oder die Bereitstellung behindertengerechten Wohnraums erforderlich ist." Andererseits hat der Gesetzgeber in Abgrenzung dazu durch das zum 1.7.2001 in Kraft getretene SGB IX in dessen § 31 Abs 1 explizit klargestellt, dass zur Hilfsmittelversorgung solche Hilfen nicht rechnen, die bei einem Wohnungswechsel "nicht mitgenommen werden können". Ähnlich ist in § 18 Abs 1 Satz 4 "Verordnung über die Versorgung mit Hilfsmitteln und über Ersatzleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz" mit der am 1.1.1990 in Kraft getretenen Fassung vom 4.10.1989 (BGBl I 1989, 1834) zur Hilfsmittelversorgung bestimmt: "Unbewegliche Gegenstände werden nicht geliefert."

27

d) Diese an die frühere Rechtsprechung noch unter Geltung der RVO anknüpfende Systementscheidung des Gesetzgebers kann nur durch diesen selbst, nicht aber durch die Gerichte korrigiert werden. Nicht zu verkennen ist zwar, dass die von der Pflegeversicherung gewährte Unterstützung in dem knappen - und seit seiner Einführung auch nicht angepassten - finanziellen Rahmen des § 40 Abs 4 Satz 3 SGB XI dem tatsächlichen Bedarf für eine behindertengerechte Wohnungsausstattung kaum gerecht werden kann. Dies den heutigen Verhältnissen anzupassen ist aber nicht Aufgabe der Gerichte, sondern allein des Gesetzgebers. Demgemäß ist - wie bereits unter Geltung der RVO - nach der gegenwärtigen Rechtslage weiter maßgebend, dass Hilfen bei der Beschaffung und Unterhaltung einer den Bedürfnissen behinderter Menschen entsprechenden Wohnung über die Zuständigkeit der GKV hinausreichen, und zwar vor allem - aber nicht nur - dann, wenn sie mit der Veränderung der Wohnung selbst verbunden sind (BSG SozR 2200 § 182b Nr 10, 23 und 29). Daran hat das BSG nach dem Inkrafttreten von § 40 SGB XI und § 31 SGB IX weiter festgehalten. Eine Hilfe zählt danach zu den Mitteln der behinderungsgerechten Zurichtung der Wohnung und nicht zu den Hilfsmitteln nach § 33 SGB V und § 31 SGB IX, wenn sie nur in der konkreten Wohnung (Wohngrundstück) wegen deren besonderer Beschaffenheit erforderlich ist, nicht aber, wenn es dieser Hilfe typischerweise und erfahrungsgemäß auch in anderen Wohnungen bzw Wohngebäuden bedarf(BSGE 101, 22 = SozR 4-2500 § 33 Nr 18, RdNr 11 ff - Deckenlifter). Eine Treppensteighilfe ist hinsichtlich des häuslichen Einsatzes insoweit kein von der konkreten Wohnsituation unabhängiges Hilfsmittel, weil das Gerät in einer treppenlosen Wohnumgebung nicht erforderlich ist.

28

e) Die Zweigeschossigkeit einer Wohnung (Maisonette) oder ein Dachboden zählen nicht zum allgemeinen Wohnstandard, so dass die beklagte Krankenkasse keine Hilfsmittel für deren Erreichbarkeit zur Verfügung stellen muss. Dies gilt in entsprechender Weise auch für einen Hausgarten (so bereits BSG SozR 4-3300 § 40 Nr 9). Schon deshalb stellt sich nicht die Frage, ob eine Treppensteighilfe erst dann in Betracht käme, wenn die Erreichbarkeit des Hausgartens über eine Betonrampe oder über einen Außenlift nicht zu realisieren und diese Maßnahme preisgünstiger wäre. Da es hier um eine erwachsene Versicherte geht, braucht auch nicht entschieden zu werden, ob die Nutzung des Hausgartens wenigstens für Kinder und Jugendliche ein Grundbedürfnis darstellen kann, wie es der Senat im Urteil im Zusammenhang mit der Bezuschussung des barrierefreien Zugangs zum Garten (§ 40 Abs 4 SGB XI)angedeutet hat (BSG SozR 4-3300 § 40 Nr 9).

29

f) Soweit der Zugang zur Wohnung nur über eine Treppe im Hausflur (Treppenhaus) möglich ist, handelt es sich zwar durchaus um den allgemein üblichen durchschnittlichen Wohnstandard, gerade bei Mietshäusern. Nach dem vorstehend aufgezeigten Maßstab fällt indes die Leistungszuständigkeit für Hilfen bei der Bewältigung solcher Hürden nach dem geltenden Recht grundsätzlich nicht in den Verantwortungsbereich der GKV.

30

h) Das vorstehende Ergebnis behält auch im Lichte des § 33 SGB I Bestand, dort heißt es: "Ist der Inhalt von Rechten oder Pflichten nach Art und Umfang nicht im einzelnen bestimmt, sind bei ihrer Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten oder Verpflichteten, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Dabei soll den Wünschen des Berechtigten oder Verpflichteten entsprochen werden, soweit sie angemessen sind." Auf diese Regelung kann sich die Klägerin bei der Auslegung des Leistungsrechts nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht stützen.

31

Die in § 33 SGB I angesprochene Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse betrifft nur die Ausgestaltung vorhandener Rechtsansprüche, nicht hingegen die Begründung der Rechtsansprüche als solche. Dies bezieht sich also nicht auf das "Ob" des Bestehens, sondern nur auf das "Wie" der Erfüllung einer bestehenden Leistungspflicht (Mrozynski, SGB I, 4. Aufl 2010, § 33 RdNr 2). Demgemäß hat der Senat bei einem gehbehinderten und auch in der Armkraft beeinträchtigten Versicherten, der den Nahbereich seiner Wohnung nicht mehr zu Fuß erschließen konnte, einen Anspruch nach § 33 SGB V auf eine Mobilitätshilfe mit Elektromotor zuerkannt und bei dessen Ausgestaltung ein Wahlrecht zwischen einem Elektrorollstuhl und einem Shoprider nach § 33 SGB I angenommen(BSG SozR 3-1200 § 33 Nr 1).

32

g) Offen lässt der Senat die Frage, ob der Ausschluss der Leistungspflicht der GKV nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V für in der Wohnung bzw im Haus einzusetzende Treppensteighilfen nicht nur bei dauerhaft, sondern auch bei vorübergehend (zB nach einer Verletzung) "behinderten" Versicherten gilt, die in absehbarer Zeit auf bestimmte Hilfsmittel oder andere Hilfen nicht mehr angewiesen sind und denen deshalb ein Umzug oder eine behinderungsgerechte Umgestaltung der Wohnung nicht zugemutet werden kann. Die zeitliche Grenze wird dabei durch § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX vorgegeben: "Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist." Diese Sechsmonatsgrenze des SGB IX korrespondiert mit der Regelung der Pflegebedürftigkeit in der sozialen Pflegeversicherung. Nach § 14 Abs 1 SGB XI sind Personen pflegebedürftig, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens "auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate", in erheblichen oder höherem Maße der Hilfe bedürfen.

33

7. Die Klägerin kann den Anspruch gegen die Beklagte auf Versorgung mit einer Treppensteighilfe nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V auch nicht auf das Argument stützen, sie benötige dieses Hilfsmittel, um die Wohnungen von Verwandten und Freunden, Arztpraxen und die örtliche Kirche aufzusuchen.

34

a) Das allgemeine Grundbedürfnis auf Mobilität im Nahbereich der Wohnung ist durch die Ausstattung der Klägerin mit zwei Rollstühlen gewährleistet. Hinsichtlich des von der Erschließung des Nahbereichs ebenfalls umfassten Zugangs zu den Gebäuden in diesem Bereich ist zu unterscheiden zwischen - öffentlichen oder privaten - Gebäuden mit Publikumsverkehr (Behörden, Post, Geldinstitute, Kirchen, Theater, Supermärkte, Läden, Kliniken, Apotheken, Arztpraxen) einerseits und privaten Gebäuden ohne Publikumsverkehr (Wohngebäude) andererseits. Anders als nach der dem Treppenraupen-Urteil vom 22.5.1984 (BSG SozR 2200 § 182b Nr 29) zugrunde liegenden Situation Anfang der 1980-er Jahre, als auf die besonderen Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern beim Gebäude- und Straßenbau noch wenig Rücksicht genommen wurde und die Forderung nach weitgehender Barrierefreiheit noch nicht ins allgemeine Bewusstsein vorgedrungen war, ist heutzutage festzustellen, dass Gebäude mit Publikumsverkehr in aller Regel einen ebenerdigen Zugang haben und bei Mehrgeschossigkeit ein Fahrstuhl vorhanden ist. Fehlt es bei einem öffentlichen Gebäude noch an einem behindertengerechten Eingangsbereich, ist in aller Regel zumindest eine Rufanlage vorhanden, um den Pförtner zu benachrichtigen, der Hilfe gewährt oder organisiert. Die Herstellung der Barrierefreiheit öffentlicher und vieler ziviler Bauten ist sowohl auf der Ebene des Bundes als auch in den Ländern gesetzlich der Verantwortung der Eigentümer zugewiesen und damit der Zuständigkeit der GKV entzogen (vgl §§ 4 und 8 Behindertengleichstellungsgesetz vom 27.4.2002 und § 554a BGB; auf Länderebene vgl zB § 3 Hessisches Behinderten-Gleichstellungsgesetz vom 20.12.2004 und §§ 2, 33, 43, 46 Hessische Bauordnung vom 18.6.2002). Nur bei vor Erlass dieser Regelungen errichteten privaten Gebäuden ohne Publikumsverkehr, insbesondere selbstgenutzten Wohngebäuden und Mietshäusern, ist gelegentlich noch keine Barrierefreiheit vorhanden (vgl zum Anpassungsanspruch betroffener Mieter § 554a BGB). Die fortschreitende, wenn auch noch nicht vollständig hergestellte Barrierefreiheit in Deutschland stellt eine generelle Tatsache dar, zu deren Feststellung das Revisionsgericht selbst berechtigt ist (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 163 RdNr 7). Wegen dieser grundlegend geänderten rechtlichen Bewertung und der daraus folgenden tatsächlichen Situation in Bezug auf die Barrierefreiheit von Gebäuden mit Publikumsverkehr und des öffentlichen Raums geht der Senat nunmehr davon aus, dass im Nahbereich der Wohnung üblicherweise keine Treppen mehr zu überwinden sind und die Herstellung der Barrierefreiheit öffentlicher und vieler ziviler Bauten weiterhin voranschreitet. Deshalb steht einer/einem Versicherten kein Anspruch gegen die Krankenkasse auf Gewährung einer Treppensteighilfe (Treppenraupe) in diesem Rahmen zu; die dies noch bejahende Rechtsprechung des 8. Senats des BSG aus dem Jahre 1984 (BSG SozR 2200 § 182b Nr 29) gibt der nunmehr allein für das Hilfsmittelrecht der GKV zuständige 3. Senat des BSG daher auf.

35

b) Soweit die Klägerin die Überwindung von Treppen in fremden Wohngebäuden geltend macht, geht es um den Besuch bei Verwandten und Freunden. Dabei dient die Treppensteighilfe aber nicht der medizinischen Rehabilitation, sondern der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Für den Bereich der sozialen Rehabilitation ist aber nicht die Krankenkasse, sondern - gegebenenfalls - der Sozialhilfeträger (§ 5 Nr 4 iVm § 6 Abs 1 Nr 7 SGB IX und § 55 Abs 2 Nr 1 SGB IX) leistungspflichtig.

36

c) Zur sozialen Rehabilitation und Integration zählt auch der Besuch des Gottesdienstes und von Veranstaltungen. Die Leistungspflicht der GKV ist also auch insoweit ausgeschlossen.

37

d) Zur medizinischen Rehabilitation gehört in vorliegendem Zusammenhang allerdings die Sicherstellung der Möglichkeit, die noch nicht barrierefrei gestalteten Praxen des Frauenarztes und des Zahnarztes aufsuchen zu können. Insofern fehlt es jedoch an der Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit der Hilfsmittelversorgung. Da es um insgesamt nur vier Arztbesuche jährlich geht, kann die Klägerin auf den Fahrdienst (§ 60 SGB V) verwiesen werden, für den die Beklagte nach Feststellung des LSG pro Jahr lediglich rund 100 Euro aufzubringen hätte. Der Fahrdienst übernimmt auch den Transport des Versicherten und des Rollstuhls in die Praxisräume. Deshalb ist die Inanspruchnahme des Fahrdienstes objektiv wirtschaftlich und der Klägerin subjektiv zumutbar.

38

8. Der Leistungsanspruch gegen die Beklagte lässt sich auch nicht aus anderen Rechtsvorschriften herleiten.

39

a) Ein Anspruch aus § 31 SGB IX scheidet aus. Diese Vorschrift gibt hinsichtlich des Hilfsmittelbegriffs nur den Regelungsgehalt wieder, wie er durch die höchstrichterliche Rechtsprechung entwickelt worden ist, und bestätigt somit diese Rechtsprechung. Eine Ausweitung der Leistungspflicht der GKV bei der Hilfsmittelversorgung war nicht beabsichtigt, was vor allem darin zum Ausdruck kommt, dass nach § 7 Satz 2 SGB IX die Regelung des § 33 SGB V maßgeblich bleibt: "Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen"(vgl im Einzelnen BSGE 91, 60 RdNr 12, 13 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3, RdNr 13, 14 sowie zur Gesetzesbegründung BT-Drucks 14/5074 S 94).

40

b) Aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der Benachteiligung behinderter Menschen in Art 3 Abs 3 Satz 2 GG ergeben sich ebenfalls keine weitergehenden Leistungsansprüche gegen die GKV bei der Hilfsmittelversorgung. Zwar ist das Verbot einer Benachteiligung zugleich mit einem Auftrag an den Staat verbunden, auf die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen hinzuwirken (vgl BT-Drucks 12/8165 S 29). Diesem Auftrag zur Umsetzung und Konkretisierung hat der Gesetzgeber mit dem SGB IX Rechnung getragen, ohne dass damit der Auftrag als erledigt anzusehen wäre. Der somit fortbestehende Auftrag zur Ausgestaltung des Sozialstaatsgebots begründet indes keine konkreten Leistungsansprüche (BSGE 91, 60 RdNr 14 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 15).

41

c) Auch eine Leistungspflicht der Beklagten nach § 14 SGB IX scheidet aus. Diese Vorschrift ist als Anspruchsgrundlage zu prüfen, weil eine Leistungspflicht nach § 33 SGB V (bzw § 31 SGB IX) ausscheidet und die Beklagte als erstangegangener Träger den Leistungsantrag seinerzeit nicht an einen anderen Sozialleistungsträger weitergeleitet hat.

42

aa) Eine Leistungspflicht anstelle der Pflegekasse entfällt schon deshalb, weil die Pflegekassen nicht zu den Rehabilitationsträgern iS des SGB IX gehören, an die ein Leistungsantrag weitergeleitet werden könnte.

43

bb) Eine Leistungspflicht der Beklagten anstelle des Sozialhilfeträgers scheidet ebenfalls aus. Die Klägerin gehört - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht zu dem Personenkreis, der Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch nehmen könnte.

44

9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.