Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Beschluss, 16. Okt. 2013 - L 4 KR 44/13 B ER


Gericht
Tenor
Der Beschluss des Sozialgericht Dessau-Roßlau vom 21. Juni 2013 wird aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet, die Antragstellerin für den von ihr genutzten Aktivrollstuhl mit einem funkbetriebenen E-Fix-Antrieb samt Zubehör entsprechend des Angebotes der Handelsvertretung R. vom 12. März 2013 zu versorgen.
Die Verpflichtung gilt vorläufig bis zum Abschluss des vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau anhängigen Verfahrens der Beteiligten mit dem Aktenzeichen S 20 KR 99/13.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu gewähren.
Gründe
I.
- 1
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) verlangt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen elektrischen Zusatzantrieb maxe für ihren Faltrollstuhl von der Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Antragsgegnerin).
- 2
Die am ... 1951 geborene Antragstellerin erhält nach einem Schlaganfall mit Multiinfarkt-Demenz Leistungen der Pflegekasse nach der Pflegestufe I und seit Oktober 2012 nach der Pflegestufe II. Das Landesverwaltungsamt Halle stellte bei ihr seit dem 2. November 2011 einen Grad der Behinderung (GdB) von 70 sowie das Merkzeichen G (Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) und ab dem 2. November 2012 einen GdB von 80 und die Merkzeichen "H" (Hilflos) und "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) fest. Als Hilfsmittel erhielt sie von der Antragsgegnerin einen Faltrollstuhl und einen Rollator. Am 16. Mai 2012 verordnete die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. B. der Antragstellerin einen sog. Elektro-Antrieb für den Rollstuhl. Der Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Dr. M. äußerte wegen der Diagnose Bedenken, ob die Antragstellerin die für einen solchen Antrieb erforderliche Fahrtauglichkeit habe. Daraufhin holte die Antragsgegnerin einen Befundbericht von Dipl.-Med. W. vom 13. Juni 2012 ein. Hiernach bestehe bei der Antragstellerin eine Multiinfarkt-Demenz, eine schlaganfallbedingte Kraftminderung, ein Diabetes mellitus, eine Hypertonie sowie eine chronische Niereninsuffizienz. Neben einer Kraftminderung der rechten Hand sowie einer gestörten Feinmotorik sei auch der Gang unsicher. In der Wohnung laufe die Antragstellerin mit Rollator und außerhalb müsse sie mit dem Rollstuhl gefahren werden. Sie könne nur unsicher und wenige Meter laufen. Der Elektroantrieb für den Rollstuhl sei nach den Angaben des Ehemanns der Antragstellerin erforderlich. Unter dem 20. Juni 2012 hielt der MDK-Gutachter R. einen Elektro-Antrieb für nicht erforderlich, da es hierfür an der notwendigen Fahrtauglichkeit der Antragstellerin fehle.
- 3
Mit Bescheid vom 21. Juni 2012 lehnte die Antragsgegnerin die Versorgung mit einem Elektroantrieb ab. Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Antragstellerin vom 4. Juli 2012, mit dem sie geltend machte: Der Ermittlungen der Antragsgegnerin seien unzureichend. Die angebliche Fahruntauglichkeit sei nicht geprüft worden. Sie habe nicht die Kraft, den Faltrollstuhl selbstständig zu bewegen. Vielmehr sei sie ohne ihren Ehemann völlig bewegungsunfähig. Sie könne den Faltrollstuhl nicht einmal im Zimmer drehen. Der zusätzliche Elektroantrieb würde sie daher in ihrer Lebensführung unabhängiger machen. Auf die Nutzung des Rollators dürfte sie nicht verwiesen werden, da sie durch die unvorhersehbaren Kraftminderungen erheblich sturzgefährdet sei. Ein Verlassen des Grundstücks ohne Hilfe sei der Antragstellerin unmöglich, da an der Haustür Treppen zu überwinden seien. Von daher bestehe außerhalb der Räumlichkeiten durch das beantragte Hilfsmittel auch keine Selbstgefährdung. Auf Nachfrage der Antragsgegnerin erklärte Dipl.-Med. W. am 31. August 2012, der Elektroantrieb solle vom Ehemann bedient werden, da es ihm zunehmend schwerer falle, den Rollstuhl über längere Strecken zu schieben. Aufgrund der Erkrankungen der Antragstellerin sei deren Fahrtauglichkeit aufgehoben.
- 4
In einer von der Antragsgegnerin eingeholten Stellungnahme gab die MDK-Gutachterin Dr. R. an, die Versicherte sei 163 cm groß und wiege 65 kg. Von daher sei nicht nachvollziehbar, warum dem Ehemann das Schieben im näheren Umfeld nicht möglich sein solle. Es sei zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts eine weitere Stellungnahme der Hausärztin einzuholen. Dipl.-Med. B. gab am 15. Oktober 2012 an: Die Antragstellerin leide an einer deutlichen Kraftminderung in beiden Armen und beiden Beinen. Ein kurzzeitiges Aufstehen aus dem Rollstuhl sei nur mit Hilfe möglich. Der Elektroantrieb solle ihr im Innenbereich die Fortbewegung erleichtern helfen. Die Antragstellerin habe jedoch keine Fahrtauglichkeit im Sinne der Anforderungen der Teilnahme am Straßenverkehr.
- 5
Nach einer erneut von der Antragsgegnerin eingeholten MDK-Stellungnahme wies die MDK-Gutachterin D. am 9. Juli 2012 auf die von der Hausärztin bestätigte Fahruntauglichkeit hin. Die Antragsgegnerin beauftragte daraufhin den MDK mit einer sozialmedizinischen Fallberatung. MDK-Gutachterin Dr. R. führte unter dem 13. Juli 2012 aus, es seien weitere Ermittlungen vorzunehmen. Insbesondere sei zu klären, wer den E-Antrieb bedienen solle und warum die Antragstellerin nicht geschoben werden könne.
- 6
Den Wunsch der Antragsgegnerin die Fahrtüchtigkeit, durch den TÜV Nord überprüfen lassen zu wollen, lehnte die Antragstellerin ab und führte zur Begründung aus: Für die TÜV-Begutachtung bestehe keine Rechtsgrundlage. Für sie sei allein das Führen eines Elektrorollstuhls im häuslichen Innenbereich bedeutsam, so dass es auf die Besonderheiten des Straßenverkehrs und der Straßenverkehrsordnung überhaupt nicht ankomme. Im Bereich außerhalb der Wohnung sei sie ohnehin auf eine Hilfsperson angewiesen, welche über die notwendige Fahrtauglichkeit verfüge.
- 7
Daraufhin nahm die Antragsgegnerin von der geplanten Begutachtung durch den TÜV Abstand und erklärte sich mit einem Test mit einem Elektro-Antrieb im Haus der Antragstellerin einverstanden. Diese Vorführung fand am 12. März 2013 unter Beteiligung der Zeugen D. (Ehemann der Antragstellerin) sowie O. (Sanitätshaus M. GmbH & Co. KG) und R. (Handelsvertreter des Herstellers) statt. Der Zeuge O. berichtete anschließend, die Antragstellerin habe nach kurzer Einweisung problemlos den Rollstuhl mit Elektro-Betrieb innerhalb der Wohnung fahren können. Selbst ein Fahren auf dem Bürgersteig unter Aufsicht sei in der sehr ruhig gelegenen Wohngegend möglich. Da es sich um eine Funksteuerung handele, könne das Bedienteil problemlos abgenommen werden. Auch der Vertreter des Herstellers habe dieser Bewertung zugestimmt. Nach einer Telefonnotiz vom 22. April 2013 erklärte der Zeuge O. gegenüber der Antragsgegnerin, dass die Antragsstellerin alle Räume habe durchfahren können. Selbst eine besonders schmale Tür im Wohnzimmer sei von ihr problemlos gemeistert worden.
- 8
Im Schreiben vom 23. April 2013 hielt die Antragsgegnerin die bereits erfolgte Versorgung mittels Rollator für ausreichend. Lediglich im Außenbereich benötige die Antragstellerin eine Begleitung. Dem widersprach die Antragstellerin und verwies darauf, dass sie den Rollator nur im Notfall benutzen könne. Dabei bestehe eine permanente Sturzgefahr, die die Anwesenheit einer Begleitperson erfordere. Dass die Antragstellerin in einem Fall mit dem Rollator im Außenbereich gewesen sei, bedeute nicht, dass sie sich ständig mit Rollator bewegen könne.
- 9
Am 29. Mai 2013 hat der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht Halle (SG) die Versorgung mit einem elektrischen Zusatzantrieb max e beantragt und ergänzend ausgeführt: Sie könne den manuellen Rollstuhl ohne ihren Ehemann wegen der Kraftminderung nicht bewegen. Beispielsweise könne sie mit dem Rollstuhl nicht ihre Blickrichtung verändern, ohne dass ihr dabei der Ehemann behilflich sei. Der gegenwärtige Zustand sei unhaltbar. Es sei widersprüchlich, wenn die Antragsgegnerin eine Vorführung im Wohnhaus der Antragstellerin veranlasse, die eine hinreichende Selbstständigkeit von ihr zum Fahren im Haus bestätigt habe, um sie dann – trotz einer bestehenden Sturzgefahr – auf den Rollator zu verweisen. Sie sei zwar schwer krank, jedoch nicht geistig behindert. Zur Sicherung ihres Grundbedürfnisses an selbstständiger Mobilität sei das Hilfsmittel unverzichtbar.
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Die Antragsgegnerin hat demgegenüber geltend gemacht: Die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung eines Elektroantriebes seien nicht gegeben, da der Antragstellerin die notwendige Fahrtüchtigkeit fehle. Sofern der Elektroantrieb lediglich der Erleichterung der Pflegeperson diene, die Antragstellerin für weitere Strecken fortzubewegen, bestehe keine Leistungspflicht nach der Gesetzlichen Krankenversicherung.
- 11
Das SG hat mit Beschluss vom 21. Juni 2013 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und im Wesentlichen ausgeführt: Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Der Antragstellerin fehle die Fähigkeit, einen Elektrorollstuhl sicher zu führen. Die bestehenden Zweifel an der Fahrtauglichkeit der Antragstellerin hätte eine Begutachtung durch den TÜV klären können. Dies habe sie jedoch ohne hinreichenden Grund abgelehnt. Die Probefahrt vom 12. März 2013 sei dagegen nicht geeignet, den Nachweis für die Fahrtauglichkeit zu führen. Auch im Haus bestehe die Gefahr, sich durch unsachgemäße Handhabung des Elektroantriebes zu verletzen.
- 12
Die Antragstellerin hat gegen den ihr am 27. Juni 2013 zugestellten Beschluss am 3. Juli 2013 Beschwerde beim SG Halle erhoben und zur Begründung geltend gemacht: Das SG habe versäumt, die an der Probefahrt beteiligten Personen als Zeugen zu vernehmen. Nach den Feststellungen des Sanitätshauses sei die Antragstellerin auf Anhieb in der Lage gewesen, den Rollstuhl mit Elektroantrieb im Wohnbereich selbstständig zu bedienen. Damit seien eventuelle Zweifel an ihrer Fahrtauglichkeit ausgeräumt worden. Die Antragstellerin sei auch nicht dement. Die gegenteiligen Annahmen der MDK-Gutachter, die auf bloßen Mutmaßungen beruhten, seien unzutreffend. Insbesondere die Ergotherapie habe aktuell die Folgen des Schlaganfalls deutlich verbessert.
- 13
Die Antragstellerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
- 14
den Beschluss des Sozialgericht Dessau-Roßlau vom 21. Juni 2013 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, sie mit einem funkbetriebenen E-Fix-Antrieb samt Zubehör entsprechend des Angebotes der Handelsvertretung R. vom 12. März 2013 zu versorgen.
- 15
Die Antragsgegnerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
- 16
die Beschwerde zurückzuweisen.
- 17
Die Antragsgegnerin hält die Fahrtauglichkeit der Antragstellerin nach wie vor für nicht hinreichend belegt.
- 18
Der Senat hat Befundberichte von der Fachärztin für Neurologie Dr. K. vom 16. August 2013 und vom Facharzt für Innere Medizin Dr. E. vom 11. September 2013 eingeholt. Dr. K. hat mitgeteilt: Bei der Antragstellerin sei allenfalls noch von einer leichtgradigen dementiellen Erkrankung auszugehen. Nach der letzten Testdiagnostik im Juli 2013 habe sie die Grenze zu einem normalen altersentsprechenden Befund erreicht. Demgegenüber bestünden Persönlichkeitsänderungen sowie eine Affektlabilität und auch Konzentrationseinschränkungen. Das gefahrlose Betreiben eines Rollstuhls mit Elektroantrieb sei ihr nicht möglich. Dies ergebe sich insbesondere aus der Kombination von Schwindel, Gleichgewichtstörung, Fallneigung und Persönlichkeitsveränderung. Dr. E. hat mitgeteilt, er habe die Antragstellerin am 10. September 2013 zu Hause besucht. Nach seiner Einschätzung könne sie einen Rollstuhl mit Elektroantrieb bedienen. Sie sei geistig ausreichend in der Lage, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Eine Rollstuhlversorgung mit E-Antrieb würde ihr eine bessere Teilhabemöglichkeit eröffnen.
- 19
Der Senat hat in einer nichtöffentlichen Sitzung vom 28. August 2013 die Zeugen D., T. O. und R. vernommen. Auf den Inhalt des Protokolls vom 28. August 2013 wird ausdrücklich Bezug genommen. Nach einem vom Zeugen D. vorgelegten Schwerbehindertenausweis steht ihm wegen eines Hör- und Wirbelsäulenschadens ein GdB von 50 seit dem 2. März 2004 zu.
- 20
Das Hauptsacheverfahren der Beteiligten ist mittlerweile beim SG unter dem Aktenzeichen S 20 KR 99/13 anhängig.
- 21
Die Gerichtsakte aus dem einstweiligen Rechtschutzverfahren sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt dieser Akten ergänzend Bezug genommen.
II.
- 22
Die statthafte Beschwerde der Antragsstellerin ist form- und fristgerecht gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig.
- 23
Die Beschwerde ist auch begründet, denn die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren eine vorläufige Versorgung mit dem Elektro-Antrieb für einen Rollstuhl verlangen.
- 24
Der Antragstellerin ist unter Berücksichtigung der eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b Abs. 2 SGG (dazu 1.) und der danach im vorliegenden Fall gebotenen Folgenabwägung (dazu 2.) nach Auffassung des Senats nicht zuzumuten, bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache auf die Verwendung der begehrten Mittel zu verzichten.
- 25
1. Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach Abs. 2 Satz 2 der Norm auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Da die Antragstellerin in Bezug auf den Elektro-Antrieb noch keine Rechtsposition innehat, reicht eine Sicherungsanordnung im Sinne von § 86 Abs. 2 Satz 1 SGG nicht aus. Die Antragstellerin begehrt vielmehr die Regelung eines vorläufigen Zustandes und macht geltend, dass ihr ohne die einstweilige Anordnung wesentliche Nachteile drohen. Dies ist nur im Wege einer Regelungsanordnung im Sinne von § 86 Abs. 2 Satz 2 SGG zu erreichen.
- 26
Die Regelungsanordnung kann vom Gericht erlassen werden, wenn die Antragstellerin glaubhaft macht (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Zivilprozessordnung [ZPO]), dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber der Antragsgegnerin besteht – Anordnungsanspruch – (dazu unter a) und dass sie ohne den Erlass der begehrten Anordnung, insbesondere bei Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache, wesentliche Nachteile im Sinne von § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG erleiden würde – Anordnungsgrund – (dazu unter b).
- 27
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System: je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso geringer sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und umgekehrt. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich. Die in tatsächlicher (Glaubhaftmachung) wie in rechtlicher Hinsicht (summarische Prüfung) herabgesetzten Anforderungen für die Annahme eines Anordnungsanspruchs korrespondieren dabei mit dem Gewicht der glaubhaft zu machenden Gefahr für die Rechtsverwirklichung. Drohen im Einzelfall ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (dazu unter 2.). Dabei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen (st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, juris). Die Folgen, die entstehen würden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung nicht erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass der Anspruch besteht, sind abzuwägen mit den Folgen, die entstünden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung erließe, sich aber im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass der Anspruch nicht besteht
- 28
Die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache sind nach vorläufiger Prognose Einschätzung höher einzuschätzen als die Wahrscheinlichkeit einer Klageabweisung. Die Versorgung mit einem Elektro-Antrieb für einen Rollstuhl findet ihre Rechtsgrundlage in § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs. 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Blick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs. 1 SGB V nicht bewilligen (vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, B 3 KR 13/09, zitiert nach juris).
- 29
Diese Anspruchsvoraussetzungen sind im vorliegenden Fall mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben.
- 30
Der Versorgungsanspruch nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V besteht nicht allein deshalb, weil der begehrte Elektro-Antrieb vertragsärztlich verordnet (§ 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGb V) worden ist und im Hilfsmittelverzeichnis (§ 139 SGB V) gelistet ist. Die Krankenkassen entscheiden, ob ein Hilfsmittel nach Maßgabe des § 33 SGB V im Einzelfall zur medizinischen Rehabilitation, also zur Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung, zur Vorbeugung gegen eine drohende Behinderung oder zum Ausgleich einer bestehenden Behinderung erforderlich ist.
- 31
Neben dem Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst, wie es z.B. insbesondere bei Prothesen der Fall ist (sog. unmittelbarer Behinderungsausgleich) dient im vorliegenden Fall das beantragte Hilfsmittel dazu, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sog. mittelbarer Behinderungsausgleich). In diesem Rahmen ist die GKV allerdings nur für den Basisausgleich der Folgen der Behinderung eintrittspflichtig. Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Zum körperlichen Freiraum gehört – im Sinne eines Basisausgleichs der eingeschränkten Bewegungsfreiheit – die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die – üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden – Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (z.B. Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, B 3 KR 13/09 R, juris mit weiteren Nachweisen).
- 32
Zwar haben die Versicherten keinen Anspruch auf eine optimale Hilfsmittelversorgung. Kernziel der Hilfsmittelversorgung ist es jedoch, den behinderten Menschen nach Möglichkeit von der Hilfe anderer Menschen unabhängig oder zumindest deutlich weniger abhängig zu machen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 2. Februar 2009, L 1 KR 192/08 ER, juris unter Hinweis auf die ständige BSG-Rechtsprechung). Betrachtet man die grundrechtsrelevante Bedeutung einer durch das Hilfsmittel zu erzielenden selbstständigen Lebensführung, ermöglicht allein der beantragte Elektro-Antrieb es der Antragstellerin, selbstständige Richtungsänderungen vorzunehmen. Nach den ärztlich bestätigten Befunden ist die Antragstellerin wegen einer gravierenden Kraftminderung nicht in der Lage, ihren Rollstuhl selbstständig zu bedienen. Sie ist daher ohne die begehrte Leistung fortwährend auf fremde Hilfe angewiesen.
- 33
Hierbei kann die Antragstellerin – entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin – nicht auf den Rollator verwiesen werden. Nach den vorliegenden medizinischen Befunden und aufgrund des bereits festgestellten Merkzeichens "aG" ist die Antragstellerin hochgradig gehbehindert und zudem erheblich sturzgefährdet. Ohne Hilfsperson wäre die Antragstellerin daher nicht in der Lage den Rollator gefahrlos zu nutzen. Allein die Nutzung des Elektro-Antriebes ermöglicht es ihr, zumindest im Haus selbst ohne Aufsicht Richtungsänderungen mit dem Rollstuhl vorzunehmen.
- 34
Das hohe Anforderungsprofil der Fahrtauglichkeit für den Außenbereich darf nicht, wie die Antragsgegnerin unter Hinweis auf den MDK meint ohne Differenzierung, auf den innerhäuslichen Bereich übertragen werden. Dass die Antragstellerin behinderungsbedingt nicht selbstständig am Straßenverkehr teilnehmen kann, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Darum geht es der Antragstellerin aber auch nicht. Vielmehr soll ihr im unmittelbaren Hausbereich mit Hilfe des Elektro-Antriebes ein Rest an Selbstständigkeit in der eigenen Mobilität wieder gegeben werden. Entgegen der kritischen ärztlichen Stimmen zur Fahrtauglichkeit der Antragstellerin darf nicht übersehen werden, dass etwaige Gefährdungsmomente im Haus vorhersehbarer und beherrschbarer sind als im Straßenverkehr. Konkrete Gefährdungsmomente im unmittelbaren Hausbereich hat die Antragsgegnerin und auch der MDK nicht vortragen oder festgestellt. Sie sind nach der vorläufigen Einschätzung des Senats auch nicht erkennbar.
- 35
In diesem Zusammenhang kommt dem Fahrtest vom 12. März 2013 unter Beteiligung der Zeugen D., T. O. und R. erhebliche Bedeutung zu. Die Antragstellerin, die nachweislich nicht geistig behindert ist (vgl. Befundbericht Dr. K.) und seit Juli 2013 ihre geistige Leistungsfähigkeit sogar noch einmal verbessern konnte, ist nach dem Testergebnis uneingeschränkt im Haus in der Lage, den Rollstuhl mittels Elektro-Antrieb und Joy-Stick zu bedienen. Die Antragstellerin, die vor dem Schlaganfall immerhin 30 Jahre lang Auto gefahren ist (vgl. Angabe des Zeugen D.), konnte bereits nach kurzer Einweisung selbst die schmale Türöffnung im Wohnzimmer mit nur wenigen Zentimetern Abstand zwischen Rollstuhl und Türrahmen sicher und zügig durchfahren. Wer ein solch überzeugendes Fahrergebnis während einer "Probefahrt" im Haus zeigt, dem ist auch zuzutrauen, diese bereits hinreichend belegte Fahrleistung eigenständig und ohne Aufsicht für die Zukunft im Haus zu wiederholen.
- 36
Selbst wenn dennoch Zweifel an der Fahrtauglichkeit der Antragstellerin im Hausbereich bestehen sollten, wofür aus Sicht des Senats derzeit aber keine konkreten Anhaltspunkte bestehen, sprechen für den vorläufigen Leistungsanspruch auch die nachgewiesenen Schwierigkeiten der Hilfsperson, den Rollstuhl der Antragstellerin im Nahbereich zu bedienen. So hat die Antragstellerin nach den glaubhaften Angaben des Zeugen D. erheblich zugenommen und wiegt nunmehr deutlich über 80 kg, was eine erhebliche Belastung für den Schiebevorgang des Rollstuhls bedeutet. Nach dem Schwerbehindertenausweis des Zeugen D., ist es ihm wegen seines Wirbelsäulenschadens und seines Alters kaum zumutbar, die schwere Antragstellerin selbst für Kurzstrecken noch zu fahren.
- 37
Nach Ansicht des BSG muss die Rollstuhlversorgung das Grundbedürfnis im Nahbereich befriedigen können. Hierbei muss es dem Versicherten möglich sein, ohne übermäßige Anstrengung und schmerzfrei und aus eigener Kraft sich mit dem Rollstuhl fortzubewegen (BSG, Urteil vom 12. August 2009, B 3 KR 8/08 R, juris). Dieser Maßstab gilt auch für die Hilfsperson, wenn der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, den Rollstuhl im Außenbereich des Nahbereichs gefahrlos zu bedienen (vgl. überzeugend, Sozialgericht Frankfurt, Urteil vom 12. März 2013, S 25 KR 525/12, juris).
- 38
Aus diesen Gründen sprechen daher die überwiegenden Gründe für einen Versorgungsanspruch der Antragstellerin.
- 39
2. Auch die Prüfung der Folgenabwägung führt zu einer vorläufigen Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Leistungsgewährung, denn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes drohen der Antragstellerin schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. In der Folgenabwägung sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend zu berücksichtigen (st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, juris).
- 40
Wegen der hohen grundrechtlichen Bedeutung der selbstständigen Mobilität kann es der Antragstellerin nicht zugemutet werden, bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache auf den Elektro-Antrieb für ihren Faltrollstuhl zu warten. Ohne die Nutzung des begehrten Hilfsmittels kann sie ihren Rollstuhl in der häuslichen Umgebung nicht einmal drehen, geschweige denn ein Zimmer verlassen, ohne auf die jeweilige Hilfsperson angewiesen zu sein. Zur Milderung dieser Abhängigkeit von der Hilfsperson sichert nur der Elektro-Antrieb ihr den "Rest" einer noch verbliebenen eigenständigen Bewegungsfreiheit. Die dagegen von der Antragsgegnerin vorgebrachten Bedenken sind zumindest für den unmittelbaren Hausbereich allenfalls als abstrakte Gefahrenlage anzusehen und wegen des unübersehbaren Grundrechtsbezugs zu vernachlässigen. So konnte die Antragstellerin den Elektro-Antrieb im Haus problemlos bedienen. Konkrete Lebens- oder Leibesgefahren durch die Nutzung des Hilfsmittels im Haus sind weder bekannt noch vorgetragen worden. Der Test vom 12. März 2013 unter Praxisbedingungen hat die Leistungsfähigkeit der Antragstellerin, den Elektro-Antrieb des Rollstuhls im häuslichen Umfeld sicher und gefahrlos zu nutzen, bestätigt. Mögliche Kollisionen mit Möbeln oder Inventar können vernachlässigt bleiben. Es obliegt allein der grundrechtlich geschützten Eigenverantwortung der Antragsstellerin, diese möglichen und vielleicht für sie auch körperlich schmerzlichen Restrisiken beim Fahren des Elektro-Rollstuhls im Haus selbst einzuschätzen und ggf. einzugehen. Für den Außenbereich lassen sich durch das abnehmbare Bedienteil der funkgesteuerten Lenkung praktisch alle Risiken kontrollieren, die von der Hilfsperson zu tragen wären.
- 41
Die von der Antragsgegnerin vorläufig zu tragenden Kosten sind dagegen der Höhe nach überschaubar. Angesichts der erheblichen Erfolgsaussichten einer Klage in der Hauptsache und der der Antragstellerin drohenden Nachteile bei einer Ablehnung der vorläufigen Versorgung ist dieses Kostenrisiko von der Antragsgegnerin hinzunehmen.

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Annotations
(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag
- 1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, - 2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, - 3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.
Wird während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens; er ist der Stelle, die über den Widerspruch entscheidet, unverzüglich mitzuteilen.
(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag
- 1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, - 2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, - 3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.
(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag
- 1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, - 2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, - 3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.
(1) Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf der Grundlage der Richtlinie nach Satz 2 dafür Sorge zu tragen, dass eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Fertigarzneimittel erstellt, regelmäßig aktualisiert wird und im Internet abruffähig sowie in elektronisch weiterverarbeitbarer Form zur Verfügung steht. Satz 1 gilt nicht für:
- 1.
versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr, - 2.
versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen.
- 1.
Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich der bei diesen Krankheiten anzuwendenden Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfenden und hustenlösenden Mittel, - 2.
Mund- und Rachentherapeutika, ausgenommen bei Pilzinfektionen, - 3.
Abführmittel, - 4.
Arzneimittel gegen Reisekrankheit.
(2) Abweichend von Absatz 1 haben Versicherte, bei denen eine bestehende schwere Tabakabhängigkeit festgestellt wurde, Anspruch auf eine einmalige Versorgung mit Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung. Eine erneute Versorgung nach Satz 1 ist frühestens drei Jahre nach Abschluss der Behandlung nach Satz 1 möglich. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 fest, welche Arzneimittel und unter welchen Voraussetzungen Arzneimittel zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung verordnet werden können.
(3) Der Ausschluss der Arzneimittel, die in Anlage 2 Nummer 2 bis 6 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21. Februar 1990 (BGBl. I S. 301), die zuletzt durch die Verordnung vom 9. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4554) geändert worden ist, aufgeführt sind, gilt als Verordnungsausschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses und ist Teil der Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen wie homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimitteln ist der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung zu tragen.
(4) Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. Die Rechtsverordnung kann auch bestimmen, inwieweit geringfügige Kosten der notwendigen Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel von der Krankenkasse nicht übernommen werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für die Instandsetzung von Hörgeräten und ihre Versorgung mit Batterien bei Versicherten, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für nicht durch Rechtsverordnung nach Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 unberührt.
(5) (weggefallen)
(6) Pharmazeutische Unternehmer können beim Gemeinsamen Bundesausschuss Anträge zur Aufnahme von Arzneimitteln in die Zusammenstellung nach Absatz 1 Satz 2 und 4 stellen. Die Anträge sind ausreichend zu begründen; die erforderlichen Nachweise sind dem Antrag beizufügen. Sind die Angaben zur Begründung des Antrags unzureichend, teilt der Gemeinsame Bundesausschuss dem Antragsteller unverzüglich mit, welche zusätzlichen Einzelangaben erforderlich sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über ausreichend begründete Anträge nach Satz 1 innerhalb von 90 Tagen zu bescheiden und den Antragsteller über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen zu belehren. Eine ablehnende Entscheidung muss eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten. Für das Antragsverfahren sind Gebühren zu erheben. Das Nähere insbesondere zur ausreichenden Begründung und zu den erforderlichen Nachweisen regelt der Gemeinsame Bundesausschuss.
(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.
(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.
(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.
(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.
(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie
- 1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder - 2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.
(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.
(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.
(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.
(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.
(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.
(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.
(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.
(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.
(1) Die vertragsärztliche Versorgung gliedert sich in die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung. Die hausärztliche Versorgung beinhaltet insbesondere
- 1.
die allgemeine und fortgesetzte ärztliche Betreuung eines Patienten in Diagnostik und Therapie bei Kenntnis seines häuslichen und familiären Umfeldes; Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen, - 2.
die Koordination diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen einschließlich der Vermittlung eines aus medizinischen Gründen dringend erforderlichen Behandlungstermins bei einem an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer, - 3.
die Dokumentation, insbesondere Zusammenführung, Bewertung und Aufbewahrung der wesentlichen Behandlungsdaten, Befunde und Berichte aus der ambulanten und stationären Versorgung, - 4.
die Einleitung oder Durchführung präventiver und rehabilitativer Maßnahmen sowie die Integration nichtärztlicher Hilfen und flankierender Dienste in die Behandlungsmaßnahmen.
(1a) An der hausärztlichen Versorgung nehmen
- 1.
Allgemeinärzte, - 2.
Kinder- und Jugendärzte, - 3.
Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung, die die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung gewählt haben, - 4.
Ärzte, die nach § 95a Abs. 4 und 5 Satz 1 in das Arztregister eingetragen sind und - 5.
Ärzte, die am 31. Dezember 2000 an der hausärztlichen Versorgung teilgenommen haben,
Die übrigen Fachärzte nehmen an der fachärztlichen Versorgung teil. Der Zulassungsausschuss kann für Kinder- und Jugendärzte und Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung eine von Satz 1 abweichende befristete Regelung treffen, wenn eine bedarfsgerechte Versorgung nicht gewährleistet ist. Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für die Arztgruppe der Hausärzte, der Kinder- und Jugendärzte oder der Fachinternisten eine Feststellung nach § 100 Absatz 1 Satz 1 getroffen, fasst der Zulassungsausschuss innerhalb von sechs Monaten den Beschluss, ob eine Regelung nach Satz 3 getroffen wird. Kinder- und Jugendärzte mit Schwerpunktbezeichnung können auch an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen. Der Zulassungsausschuss kann Allgemeinärzten und Ärzten ohne Gebietsbezeichnung, die im Wesentlichen spezielle Leistungen erbringen, auf deren Antrag die Genehmigung zur ausschließlichen Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung erteilen.
(1b) Die einen Versicherten behandelnden Leistungserbringer sind verpflichtet, den Versicherten nach dem von ihm gewählten Hausarzt zu fragen; sie sind verpflichtet, die den Versicherten betreffenden Behandlungsdaten und Befunde mit dessen Zustimmung zum Zwecke der bei dem Hausarzt durchzuführenden Dokumentation und der weiteren Behandlung zu übermitteln. Der Hausarzt ist mit Zustimmung des Versicherten verpflichtet, die für die Behandlung erforderlichen Daten und Befunde an die den Versicherten behandelnden Leistungserbringer zu übermitteln. Bei einem Hausarztwechsel ist der bisherige Hausarzt mit Zustimmung des Versicherten verpflichtet, dem neuen Hausarzt die bei ihm über den Versicherten gespeicherten Unterlagen vollständig zu übermitteln.
(1c) (weggefallen)
(2) Die vertragsärztliche Versorgung umfaßt die
- 1.
ärztliche Behandlung, - 2.
zahnärztliche Behandlung und kieferorthopädische Behandlung nach Maßgabe des § 28 Abs. 2, - 2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen, soweit sie § 56 Abs. 2 entspricht, - 3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten, - 4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft, - 5.
Verordnung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, - 6.
Anordnung der Hilfeleistung anderer Personen, - 7.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankentransporten sowie Krankenhausbehandlung oder Behandlung in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, - 7a.
Verordnung von digitalen Gesundheitsanwendungen, - 8.
Verordnung häuslicher Krankenpflege und außerklinischer Intensivpflege, - 9.
Ausstellung von Bescheinigungen und Erstellung von Berichten, die die Krankenkassen oder der Medizinische Dienst (§ 275) zur Durchführung ihrer gesetzlichen Aufgaben oder die die Versicherten für den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts benötigen; die Bescheinigung über eine Arbeitsunfähigkeit ist auch auszustellen, wenn die Arbeitsunfähigkeitsdaten nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 übermittelt werden, - 10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1, - 11.
ärztlichen Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b, - 12.
Verordnung von Soziotherapie, - 13.
Zweitmeinung nach § 27b, - 14.
Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach § 37b.
(3) In den Gesamtverträgen ist zu vereinbaren, inwieweit Maßnahmen zur Vorsorge und Rehabilitation, soweit sie nicht zur kassenärztlichen Versorgung nach Absatz 2 gehören, Gegenstand der kassenärztlichen Versorgung sind.
(4) Krankenhausbehandlung darf nur verordnet werden, wenn eine ambulante Versorgung der Versicherten zur Erzielung des Heil- oder Linderungserfolgs nicht ausreicht. Die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung ist bei der Verordnung zu begründen. In der Verordnung von Krankenhausbehandlung sind in den geeigneten Fällen auch die beiden nächsterreichbaren, für die vorgesehene Krankenhausbehandlung geeigneten Krankenhäuser anzugeben. Das Verzeichnis nach § 39 Abs. 3 ist zu berücksichtigen.
(5) Der an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt und die ermächtigte Einrichtung sollen bei der Verordnung von Arzneimitteln die Preisvergleichsliste nach § 92 Abs. 2 beachten. Sie können auf dem Verordnungsblatt oder in dem elektronischen Verordnungsdatensatz ausschließen, dass die Apotheken ein preisgünstigeres wirkstoffgleiches Arzneimittel anstelle des verordneten Mittels abgeben. Verordnet der Arzt ein Arzneimittel, dessen Preis den Festbetrag nach § 35 überschreitet, hat der Arzt den Versicherten über die sich aus seiner Verordnung ergebende Pflicht zur Übernahme der Mehrkosten hinzuweisen.
(6) Zur kassenärztlichen Versorgung gehören Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten nicht, wenn sie im Rahmen der Krankenhausbehandlung oder der stationären Entbindung durchgeführt werden, es sei denn, die ärztlichen Leistungen werden von einem Belegarzt erbracht.
(7) Es ist Vertragsärzten nicht gestattet, für die Zuweisung von Versicherten oder für die Vergabe und Dokumentation von Diagnosen ein Entgelt oder sonstige wirtschaftliche Vorteile sich versprechen oder sich gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. § 128 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.
(8) Zur Sicherung der wirtschaftlichen Verordnungsweise haben die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen sowie die Krankenkassen und ihre Verbände die Vertragsärzte auch vergleichend über preisgünstige verordnungsfähige Leistungen und Bezugsquellen, einschließlich der jeweiligen Preise und Entgelte zu informieren sowie nach dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse Hinweise zu Indikation und therapeutischen Nutzen zu geben. Die Informationen und Hinweise für die Verordnung von Arznei-, Verband- und Heilmitteln erfolgen insbesondere auf der Grundlage der Hinweise nach § 92 Abs. 2 Satz 3, der Rahmenvorgaben nach § 84 Abs. 7 Satz 1 und der getroffenen Arzneimittelvereinbarungen nach § 84 Abs. 1. In den Informationen und Hinweisen sind Handelsbezeichnung, Indikationen und Preise sowie weitere für die Verordnung von Arzneimitteln bedeutsame Angaben insbesondere auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 in einer Weise anzugeben, die unmittelbar einen Vergleich ermöglichen; dafür können Arzneimittel ausgewählt werden, die einen maßgeblichen Anteil an der Versorgung der Versicherten im Indikationsgebiet haben. Die Kosten der Arzneimittel je Tagesdosis sind nach den Angaben der anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikation anzugeben. Es gilt die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Auftrage des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebene Klassifikation in der jeweils gültigen Fassung. Die Übersicht ist für einen Stichtag zu erstellen und in geeigneten Zeitabständen, im Regelfall jährlich, zu aktualisieren.
(9) Vertragsärzte dürfen für die Verordnung von Arzneimitteln, von Verbandmitteln, von digitalen Gesundheitsanwendungen und von Produkten, die gemäß den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden können, nur solche elektronischen Programme nutzen, die mindestens folgende Inhalte mit dem jeweils aktuellen Stand enthalten:
- 1.
die Informationen nach Absatz 8 Satz 2 und 3, - 2.
die Informationen über das Vorliegen von Rabattverträgen nach § 130a Absatz 8, - 3.
die Informationen nach § 131 Absatz 4 Satz 2, - 4.
die zur Erstellung und Aktualisierung des Medikationsplans nach § 31a und des elektronischen Medikationsplans nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 notwendigen Funktionen und Informationen, - 5.
die Informationen nach § 35a Absatz 3a Satz 1 und - 6.
ab dem 1. Oktober 2023 das Schulungsmaterial nach § 34 Absatz 1f Satz 2 des Arzneimittelgesetzes und die Informationen nach § 34 Absatz 1h Satz 3 des Arzneimittelgesetzes, auch in Verbindung mit § 39 Absatz 2e des Arzneimittelgesetzes oder § 39d Absatz 6 des Arzneimittelgesetzes
(10) Für die Verordnung von Heilmitteln dürfen Vertragsärzte ab dem 1. Januar 2017 nur solche elektronischen Programme nutzen, die die Informationen der Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in Verbindung mit § 92 Absatz 6 und über besondere Verordnungsbedarfe nach § 106b Absatz 2 Satz 4 sowie die sich aus den Verträgen nach § 125a ergebenden Besonderheiten enthalten und die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen sind. Das Nähere ist in den Verträgen nach § 82 Absatz 1 zu vereinbaren.
(11) Stellt ein Vertragsarzt bei einem Versicherten eine Diagnose nach § 125a und die Indikation für ein Heilmittel, sind Auswahl und Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten vom Heilmittelerbringer festzulegen. In medizinisch begründeten Fällen kann der Vertragsarzt auch bei Vorliegen einer Diagnose nach § 125a selbst über die Auswahl und Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten entscheiden; in diesem Fall sind auf die Verordnung die Regelungen der Verträge nach § 125 Absatz 1 anzuwenden. Die Vertragsärzte sollen zum Beginn des auf den rechtskräftigen Abschluss des Vertrages nach § 125a folgenden Quartals, frühestens jedoch nach sechs Wochen, nach den Regelungen dieses Absatzes verordnen.
(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen erstellt ein systematisch strukturiertes Hilfsmittelverzeichnis. In dem Verzeichnis sind von der Leistungspflicht umfasste Hilfsmittel aufzuführen. Das Hilfsmittelverzeichnis ist im Bundesanzeiger bekannt zu machen.
(2) Soweit dies zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung erforderlich ist, sind im Hilfsmittelverzeichnis indikations- oder einsatzbezogen besondere Qualitätsanforderungen für Hilfsmittel festzulegen. Besondere Qualitätsanforderungen nach Satz 1 können auch festgelegt werden, um eine ausreichend lange Nutzungsdauer oder in geeigneten Fällen den Wiedereinsatz von Hilfsmitteln bei anderen Versicherten zu ermöglichen. Im Hilfsmittelverzeichnis sind auch die Anforderungen an die zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringenden Leistungen zu regeln.
(3) Die Aufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis erfolgt auf Antrag des Herstellers. Über die Aufnahme entscheidet der Spitzenverband Bund der Krankenkassen; er kann vom Medizinischen Dienst prüfen lassen, ob die Voraussetzungen nach Absatz 4 erfüllt sind. Hält der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bei der Prüfung des Antrags eine Klärung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss für erforderlich, ob der Einsatz des Hilfsmittels untrennbarer Bestandteil einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode ist, holt er hierzu unter Vorlage der ihm vorliegenden Unterlagen sowie einer Begründung seiner Einschätzung eine Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses ein. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Auskunft innerhalb von sechs Monaten zu erteilen. Kommt der Gemeinsame Bundesausschuss zu dem Ergebnis, dass das Hilfsmittel untrennbarer Bestandteil einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode ist, beginnt unmittelbar das Verfahren zur Bewertung der Methode nach § 135 Absatz 1 Satz 1, wenn der Hersteller den Antrag auf Eintragung des Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis nicht innerhalb eines Monats zurücknimmt, nachdem ihm der Spitzenverband Bund der Krankenkassen das Ergebnis der Auskunft mitgeteilt hat.
(4) Das Hilfsmittel ist aufzunehmen, wenn der Hersteller die Funktionstauglichkeit und Sicherheit, die Erfüllung der Qualitätsanforderungen nach Absatz 2 und, soweit erforderlich, den medizinischen Nutzen nachgewiesen hat und es mit den für eine ordnungsgemäße und sichere Handhabung erforderlichen Informationen in deutscher Sprache versehen ist. Auf Anfrage des Herstellers berät der Spitzenverband Bund der Krankenkassen den Hersteller im Rahmen eines Antragsverfahrens zur Aufnahme von neuartigen Produkten in das Hilfsmittelverzeichnis über Qualität und Umfang der vorzulegenden Antragsunterlagen. Die Beratung erstreckt sich insbesondere auf die grundlegenden Anforderungen an den Nachweis des medizinischen Nutzens des Hilfsmittels. Sofern Produkte untrennbarer Bestandteil einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode sind, bezieht sich die Beratung nicht auf das Verfahren nach § 135 Absatz 1 Satz 1. Erfordert der Nachweis des medizinischen Nutzens klinische Studien, kann die Beratung unter Beteiligung der für die Durchführung der Studie vorgesehenen Institution erfolgen. Das Nähere regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen in der Verfahrensordnung nach Absatz 7 Satz 1. Für die Beratung kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Gebühren nach pauschalierten Gebührensätzen erheben. Hat der Hersteller Nachweise nach Satz 1 nur für bestimmte Indikationen erbracht, ist die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis auf diese Indikationen zu beschränken. Nimmt der Hersteller an Hilfsmitteln, die im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt sind, Änderungen vor, hat er diese dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen unverzüglich mitzuteilen. Die Mitteilungspflicht gilt auch, wenn ein Hilfsmittel nicht mehr hergestellt wird.
(5) Für Medizinprodukte im Sinne des § 3 Nummer 1 des Medizinproduktegesetzes in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung gilt der Nachweis der Funktionstauglichkeit und der Sicherheit durch die CE-Kennzeichnung grundsätzlich als erbracht. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vergewissert sich von der formalen Rechtmäßigkeit der CE-Kennzeichnung anhand der Konformitätserklärung und, soweit zutreffend, der Zertifikate der an der Konformitätsbewertung beteiligten Benannten Stelle. Aus begründetem Anlass können zusätzliche Prüfungen vorgenommen und hierfür erforderliche Nachweise verlangt werden. Prüfungen nach Satz 3 können nach erfolgter Aufnahme des Produkts auch auf der Grundlage von Stichproben vorgenommen werden. Ergeben sich bei den Prüfungen nach Satz 2 bis 4 Hinweise darauf, dass Vorschriften des Medizinprodukterechts nicht beachtet sind, sind unbeschadet sonstiger Konsequenzen die danach zuständigen Behörden hierüber zu informieren.
(6) Legt der Hersteller unvollständige Antragsunterlagen vor, ist ihm eine angemessene Frist, die insgesamt sechs Monate nicht übersteigen darf, zur Nachreichung fehlender Unterlagen einzuräumen. Wenn nach Ablauf der Frist die für die Entscheidung über den Antrag erforderlichen Unterlagen nicht vollständig vorliegen, ist der Antrag abzulehnen. Ansonsten entscheidet der Spitzenverband Bund der Krankenkassen innerhalb von drei Monaten nach Vorlage der vollständigen Unterlagen. Bis zum Eingang einer im Einzelfall nach Absatz 3 Satz 3 angeforderten Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses ist der Lauf der Frist nach Satz 3 unterbrochen. Über die Entscheidung ist ein Bescheid zu erteilen. Die Aufnahme ist zu widerrufen, wenn die Anforderungen nach Absatz 4 Satz 1 nicht mehr erfüllt sind.
(7) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen beschließt bis zum 31. Dezember 2017 eine Verfahrensordnung, in der er nach Maßgabe der Absätze 3 bis 6, 8 und 9 das Nähere zum Verfahren zur Aufnahme von Hilfsmitteln in das Hilfsmittelverzeichnis, zu deren Streichung und zur Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses sowie das Nähere zum Verfahren der Auskunftseinholung beim Gemeinsamen Bundesausschuss regelt. Er kann dabei vorsehen, dass von der Erfüllung bestimmter Anforderungen ausgegangen wird, sofern Prüfzertifikate geeigneter Institutionen vorgelegt werden oder die Einhaltung einschlägiger Normen oder Standards in geeigneter Weise nachgewiesen wird. In der Verfahrensordnung legt er insbesondere Fristen für die regelmäßige Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses fest. Den maßgeblichen Spitzenorganisationen der betroffenen Hersteller und Leistungserbringer auf Bundesebene ist vor Beschlussfassung innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Die Verfahrensordnung bedarf der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit. Für Änderungen der Verfahrensordnung gelten die Sätze 4 und 5 entsprechend. Sofern dies in einer Rechtsverordnung nach Absatz 8 vorgesehen ist, erhebt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Gebühren zur Deckung seiner Verwaltungsausgaben nach Satz 1.
(8) Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass für das Verfahren zur Aufnahme von Hilfsmitteln in das Hilfsmittelverzeichnis Gebühren von den Herstellern zu erheben sind. Es legt die Höhe der Gebühren unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes und der Bedeutung der Angelegenheit für den Gebührenschuldner fest. In der Rechtsverordnung kann vorgesehen werden, dass die tatsächlich entstandenen Kosten auf der Grundlage pauschalierter Kostensätze zu berechnen sind.
(9) Das Hilfsmittelverzeichnis ist regelmäßig fortzuschreiben. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat bis zum 31. Dezember 2018 sämtliche Produktgruppen, die seit dem 30. Juni 2015 nicht mehr grundlegend aktualisiert wurden, einer systematischen Prüfung zu unterziehen und sie im erforderlichen Umfang fortzuschreiben. Er legt dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages über das Bundesministerium für Gesundheit einmal jährlich zum 1. März einen Bericht über die im Berichtszeitraum erfolgten sowie über die begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Fortschreibungen vor. Die Fortschreibung umfasst die Weiterentwicklung und Änderungen der Systematik und der Anforderungen nach Absatz 2, die Aufnahme neuer Hilfsmittel sowie die Streichung von Hilfsmitteln.
(10) Zum Zweck der Fortschreibung nach Absatz 9 Satz 1, 2 und 4 kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen von dem Hersteller für seine im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführten Produkte innerhalb einer in der Verfahrensordnung festgelegten angemessenen Frist die zur Prüfung der Anforderungen nach Absatz 4 Satz 1 erforderlichen Unterlagen anfordern. Bringt der Hersteller die angeforderten Unterlagen nicht fristgemäß bei, verliert die Aufnahme des Produktes in das Hilfsmittelverzeichnis ihre Wirksamkeit und das Produkt ist unmittelbar aus dem Hilfsmittelverzeichnis zu streichen. Ergibt die Prüfung, dass die Anforderungen nach Absatz 4 Satz 1 nicht oder nicht mehr erfüllt sind, ist die Aufnahme zurückzunehmen oder zu widerrufen. Nach Eintritt der Bestandskraft des Rücknahme- oder Widerrufsbescheids ist das Produkt aus dem Hilfsmittelverzeichnis zu streichen. Für die Prüfung, ob ein Hilfsmittel noch hergestellt wird, gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend mit der Maßgabe, dass die Streichung auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen kann.
(11) Vor einer Weiterentwicklung und Änderungen der Systematik und der Anforderungen nach Absatz 2 ist den maßgeblichen Spitzenorganisationen der betroffenen Hersteller und Leistungserbringer auf Bundesebene unter Übermittlung der hierfür erforderlichen Informationen innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann auch Stellungnahmen von medizinischen Fachgesellschaften sowie Sachverständigen aus Wissenschaft und Technik einholen. Soweit vor einer Weiterentwicklung und Änderungen der Systematik und der Anforderungen nach Absatz 2 mögliche Berührungspunkte des voraussichtlichen Fortschreibungsbedarfs mit digitalen oder technischen Assistenzsystemen festgestellt werden, ist zusätzlich mindestens eine Stellungnahme eines Sachverständigen oder unabhängigen Forschungsinstituts aus dem Bereich der Technik einzuholen; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.
(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie
- 1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder - 2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.
(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.
(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.
(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.
(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.
(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.
(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.
(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.
(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.