Landessozialgericht NRW Beschluss, 13. Juni 2016 - L 7 AS 707/16 B
Tenor
Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 04.04.2016 geändert. Den Klägern wird für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin B, L, beigeordnet.
1
Gründe:
2Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Kläger haben einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe, weil die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 114 ZPO).
3Zwar hat das Sozialgericht unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 24.09.2015 - L 7 AS 1880/12) im rechtlichen Ansatz zutreffend angenommen, dass bei der Überprüfung eines Erstattungsbescheides i. S. d §§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II, 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III nicht inzidenter die abschließende Entscheidung (endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs) auf ihre Richtigkeit zu überprüfen ist. Der Betroffene muss vielmehr, wenn er Einwände gegen die Höhe der Erstattungsforderung aufgrund der endgültigen Leistungsfestsetzung hat, auch gegen diese Entscheidung vorgehen.
4Voraussetzung für eine rechtmäßige Erstattungsforderung ist jedoch, dass die endgültig zustehende Leistungshöhe feststeht. Zwar ist die Bestandskraft des endgültigen Leistungsbescheides nicht formelle Voraussetzung für den Erstattungsbescheid, so dass beide Bescheide gleichzeitig (auch in einem Bescheid) ergehen können (Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB III, § 328 Rn. 239; Schaumberg, in: JurisPK § 328 Rn. 124). Ist jedoch der Leistungsbescheid mit Aussicht auf Erfolg angefochten, wirkt sich dies auch auf die Erfolgsaussichten eines Rechtsstreites gegen den Erstattungsbescheid aus, der korrigiert werden muss, wenn der Leistungsbescheid geändert wird.
5Der Leistungsbescheid vom 05.11.2014 wurde von den Klägern angefochten. Der Widerspruch vom 14.11.2014, den der zu diesem Zeitpunkt nicht anwaltlich vertretene Kläger zu 1) eingelegt hat, ist nicht nur als Widerspruch gegen den Erstattungsbescheid vom 05.11.2014, sondern bei interessengerechter Auslegung sogar in erster Linie als Widerspruch gegen die endgültige Leistungsfestsetzung in dem ebenfalls vom 05.11.2014 datierenden Bescheid anzusehen. Entsprechendes gilt für den Widerspruch der Klägerinnen zu 2) und 3). Dies folgt zwingend aus der Begründung der Widersprüche, in der die Kläger auf die Berechnung des Leistungsanspruchs eingehen und Einkommensunterlagen vorlegen. Dieses Vorbringen macht keinen Sinn, wenn die Kläger mit der Berechnung des zustehenden Anspruchs einverstanden gewesen wären und sich nur (aus anderen Gründen) gegen die Erstattung hätte wenden wollen.
6Der Umstand, dass die Kläger den Widerspruch ausdrücklich nur gegen den "Bescheid zur Erstattung von Leistungen" gerichtet haben, ist unbeachtlich. Zum einen ist die Erstattungspflicht die eigentlich die Kläger treffende Belastung, die - wie ausgeführt - mit der endgültigen Festsetzung unmittelbar zusammenhängt. Zum anderen ist ein Widerspruchsantrag (ebenso wie ein Klageantrag) unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips (vgl. BSG, Urteil vom 07. 11. 2006 - B 7b AS 8/06 R) unabhängig vom Wortlaut unter Berücksichtigung des wirklichen Willens so auszulegen, dass das Begehren möglichst weitgehend zum Tragen kommt. Die Behörden und Gerichte haben sich daran zu orientieren, was nach dem klägerischen Vorbringen begehrt wird, soweit vernünftige Antragstellende mutmaßlich ihren Antrag bei entsprechender Beratung anpassen würden und - wie hier - keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen. Auch für die Auslegung von Prozesshandlungen einschließlich der Anträge im Widerspruchsverfahren ist die Auslegungsregel des § 133 BGB entsprechend anzuwenden (BSG, Urteile vom 22. 03.1988 - 8/5a RKn 11/87 und vom 13.03.1991 - 6 RKa 20/89). Danach ist nicht an dem Wortlaut einer Erklärung zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen und zu berücksichtigen, soweit er erkennbar ist. Dabei muss der gesamte Vortrag einschließlich der Verwaltungsvorgänge herangezogen werden (BSG, Urteil vom 22. 03. 1988 - 8/5a RKn 11/87; zusammenfassend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.07.2015 - L 6 U 3058/14 mwN).
7Kommt das Sozialgericht zu dem Ergebnis, dass die Widerspruchsbescheide vom 02.12.2015 sich nur auf die Erstattungsbescheide beziehen, wird es das Verfahren auszusetzen (§ 114 Abs. 2 SGG) und die Bestandskraft der endgültigen Leistungsfestsetzung abzuwarten haben. Kommt es hingegen zu dem Ergebnis, dass sich die Widerspruchbescheide auch auf die Festsetzungsbescheide beziehen (was durch Auslegung unter Berücksichtigung des Empfängerhorizontes zu ermitteln und nach Auffassung des Senats naheliegend ist), wird es nach oa Grundsätzen auch die Klageanträge auf die Anfechtung der Leistungsfestsetzung beziehen müssen.
8Die Höhe des den Klägern endgültig zustehenden Leistungsanspruchs und damit die Höhe der (evtl.) Erstattungsforderung ist nicht im Verfahren über die Prozesskostenhilfe, sondern im Hauptsacheverfahren zu prüfen.
9Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO).
10Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
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(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.
(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.
(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.
(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.
(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 14.05.2012 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat 1/5 der Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung vorläufig bewilligter Leistungen aufgrund der Anrechnung eines Gründungszuschusses für März 2010 bis Juli 2010 iHv ursprünglich 675 EUR (mittlerweile reduziert auf 540 EUR).
3Die Klägerin bezog in Bedarfsgemeinschaft mit Herrn L seit September 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Herr L war mit einem Hausmeisterservice, die Klägerin mit einem Hundesalon selbständig. Mit Bescheid vom 20.10.2009 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit Herrn L einen Gründungszuschuss gem. § 57 SGB III für die Zeit vom 15.10.2009 bis zum 14.07.2010 iHv 1086,90 EUR monatlich. Dies teilte Herr L dem Beklagten im Oktober 2009 mit.
4Mit Bescheid vom 26.02.2010 bewilligte der Beklagte der Klägerin vorläufig (§§ 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II, 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III) für März 2010 bis August 2010 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von jeweils 239,55 EUR monatlich. Der Beklagte teilte mit: "Eine abschließende Entscheidung ist erst möglich, wenn die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben im Bewilligungszeitraum feststehen".
5Mit Schreiben vom 09.05.2011 forderte der Beklagte die Klägerin im Anschluss an den Bescheid vom 26.02.2010 auf, abschließende Angaben zu ihrem Einkommen aus selbständiger Tätigkeit zu machen. Herr L teilte dem Beklagten mit, er habe keine Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit gehabt. Ein Eingang einer Antwort der Klägerin ist nicht aktenkundig.
6Mit Bescheid vom 18.05.2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin (endgültig) für die Zeit vom 01.03.2010 bis zum 31.07.2010 Kosten für Unterkunft und Heizung iHv 104,55 EUR monatlich (sowie ebenfalls diesen Betrag an Herrn L, Gesamtanspruch: 209,10 EUR). Mit Bescheid vom 23.05.2012 wurde der Leistungsanspruch für den oa Zeitraum auf jeweils 131,55 EUR monatlich festgesetzt, da zusätzlich Warmwasserkosten berücksichtigt wurden.
7Der Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 23.05.2011 zu einer Erstattung überzahlter Leistungen an. Der ebenfalls angehörte L teilte mit, der Existenzgründungszuschuss könne nicht angerechnet werden, da er für das Gewerbe verbraucht worden sei. Aus den selbständigen Tätigkeiten sei kein Gewinn erzielt worden.
8Mit Bescheid vom 04.08.2011 forderte der Beklagte von der Klägerin 675 EUR überzahlter Leistungen für März 2010 bis Juli 2010 zurück. Der Beklagte nahm Bezug auf den Bescheid vom 18.05.2011. Herr L erhielt einen entsprechenden Bescheid.
9Am 08.08.2011 legte die Klägerin Widerspruch ein. Die "Jahresfrist" für den Aufhebungsbescheid sei abgelaufen.
10Mit Bescheid vom 30.09.2011 wies der Beklagte den Widerspruch unter Hinweis auf §§ 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II, 328 SGB III zurück.
11Am 31.10.2011 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat die Erstattungsforderung für rechtsmissbräuchlich, weil der Beklagte von Beginn an über den Gründungszuschuss an Herrn L informiert gewesen sei. Zudem habe der Beklagte die "Jahresfrist" versäumt. Diese sei auch auf Erstattungsforderungen nach § 328 SGB III anzuwenden.
12Die Klägerin hat beantragt,
13den Bescheid vom 04.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2011 aufzuheben.
14Der Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Er hat sich auf §§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II, 328 Abs. 3 Satz 1 SGB III und die Bestandskraft des endgültigen Bewilligungsbescheides vom 18.05.2011 berufen.
17Mit Urteil vom 14.05.2012 hat das Sozialgericht mit entsprechender Begründung die Klage abgewiesen, ohne die Berufung zuzulassen.
18Gegen diese am 11.06.2012 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 10.07.2012 Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Die Klägerin hat eine grundsätzliche Bedeutung in der Rechtsfrage gesehen, ob eine Erstattung nach § 328 SGB III auch dann gefordert werden kann, wenn der Grund für die Vorläufigkeit (hier: unbekannte Höhe der Betriebseinnahmen) und der Grund für die Rückforderung (hier: Anrechnung des Gründungszuschusses) nicht identisch sind. Im Übrigen habe das Sozialgericht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, da es nicht zur Kenntnis genommen habe, dass die Klägerin eine Aufrechnung gegenüber einer Rückforderung für vorrangig halte. Der Senat hat der Nichtzulassungsbeschwerde stattgegeben (Beschluss vom 24.09.2012).
19Die Klägerin hat inzwischen eine Überprüfung des Bescheides vom 18.05.2011 im Wege des § 44 SGB X beantragt. Gegen die ablehnende Entscheidung (Bescheid vom 23.05.2012, Widerspruchsbescheid vom 26.11.2013) ist ein Verfahren vor dem SG Detmold anhängig (S 16 AS 2288/13), das ruht (Beschluss des SG vom 06.03.2014).
20Mit Bescheid vom 15.07.2015 hat der Beklagte im Hinblick auf den Bescheid vom 23.05.2012 die Erstattungssumme auf 540 EUR reduziert.
21Die Klägerin beantragt,
22das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 14.05.2012 zu ändern und den Bescheid vom 04.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2011 sowie den Bescheid vom 15.07.2015 aufzuheben.
23Der Beklagte beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
26Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
27Entscheidungsgründe:
28Die aufgrund Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Der die Erstattungssumme auf 540 EUR festsetzende Bescheid vom 15.07.2015, der den Bescheid vom 04.08.2012 insoweit ersetzt und gem. § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist, ist nicht rechtswidrig iSd § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
29Ermächtigungsgrundlage für die angefochtene Entscheidung ist § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III (§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II). Die Vorschrift lautet: "Soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird, sind auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten". Die Regelung ist nicht dahin auszulegen, dass inzidenter die "abschließende Entscheidung" auf ihre Richtigkeit überprüft wird. Ist der Betroffene mit der abschließenden Entscheidung nicht einverstanden, muss er gegen diese vorgehen. Hat er in einem Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X Erfolg, kann auch der Erstattungsbescheid nach § 44 SGB X korrigiert werden. Die Anrechnung des Gründungszuschusses ist im Übrigen materiell rechtmäßig (BSG, Urteil vom 01.06.2010 - B 4 AS 67/09 R; Urteil vom 06.12.2007 - B 14/7b AS 16/06 R). Der Gründungszuschuss nach § 57 SGB III in der 2009 geltenden Fassung (jetzt § 93 SGB III) diente und dient ausdrücklich "zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung". Es handelt sich nicht um eine Leistung zur Deckung der betrieblichen Aufwendungen.
30Eine Pflicht zur Aufrechnung nach § 43 SGB II steht der Geltendmachung der Erstattungsforderung in einer Summe nicht entgegen. Die Aufrechnung setzt gem. § 43 Abs. 1 SGB II gerade voraus, dass eine Gegenforderung, mit der die Behörde gegen die Hauptforderung aufrechnen will, fällig ist, was wiederum die Bestandskraft oder die vorläufige Vollstreckbarkeit der Gegenforderung voraussetzt (vergl. nur Greiser, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 43 Rn. 17 mwN). Dies folgt auch aus § 387 BGB, dem § 43 SGB II nachgebildet ist. Nach dieser Vorschrift setzt eine Aufrechnung voraus, dass der Aufrechnende die ihm gebührende Leistung fordern kann.
31Es ist bei einer vorläufigen Bewilligung der Behörde nicht verwehrt, die endgültige Leistung aus einem Grund niedriger festzusetzen, der mit der Vorläufigkeit nichts zu tun hat. Die vorläufige Leistungsbewilligung nach §§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II, 328 Abs. 1 Satz 1 SGB III soll nach Wortlaut und Sinn und Zweck der Vorschrift ausschließlich im Interesse des Betroffenen eine schnelle Sicherung der Lebensgrundlage ermöglichen und entfaltet damit keinerlei Bindungswirkung über die vorläufige Bewilligung hinaus. Vorläufige Bewilligungen zielen (in erster Linie im Interesse des Betroffenen) ausschließlich auf eine Zwischenlösung und sind demgemäß auf die Ersetzung durch eine endgültige Entscheidung nach Wegfall der Vorläufigkeitsvoraussetzungen angelegt. Vorläufig bewilligte Leistungen sind als aliud gegenüber endgültigen Leistungen anzusehen (BSG, Urteile vom 29.04.2015 - B 14 AS 31/14 R mwN und vom 15.08.2002 - B 7 AL 24/01 R; LSG Sachsen, Urteil vom 18.02.2010 - L 3 AL 28/09; ausführlich zu der Diskussion mit Hinweis auf einige abweichende Literaturstellen, im Ergebnis aber wie hier, Düe, in: Brand, SGB III, § 328 Rn. 8 f). Die Regelung des § 328 Abs. 1 Satz 2 SGB III, wonach Umfang und Grund der Vorläufigkeit anzugeben sind, ändert hieran nichts (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 19.03.2014 - L 13 AS 325/11). Nur, wenn der vorläufige Bewilligungsbescheid weitere Verfügungssätze enthält, kann uU eine über die vorläufige Leistungsbewilligung hinausgehende Bindungswirkung eintreten (Düe, in: Brand, SGB III, § 328 Rn. 9; Aubel, in: JurisPK, SGB II, § 40 Rn. 73). Dies ist vorliegend indes nicht der Fall.
32Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt die Korrektur des Erstattungsbetrags im gerichtlichen Verfahren.
33Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung iSd § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Diese folgt nicht aus der Diskussion einer partiellen Bindungswirkung vorläufiger Bewilligungen in der Literatur. Das BSG hat die Gegenstimmen zur Verneinung einer partiellen Bindungswirkung (u.a. Greiser, in: Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 Rn. 5 f) zur Kenntnis genommen und ausdrücklich verworfen (BSG, Urteil vom 29.04.2015 - B 14 AS 31/14 R, Rn. 23).
(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass
- 1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird, - 2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über
- 1.
(weggefallen) - 2.
(weggefallen) - 3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4); - 4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen; - 5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.
(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes
- 1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder - 2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.
(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.
(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.
(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.
(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.
(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.
(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
(1) Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits von einem familien- oder erbrechtlichen Verhältnis ab, so kann das Gericht das Verfahren solange aussetzen, bis dieses Verhältnis im Zivilprozeß festgestellt worden ist.
(2) Hängt die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist, so kann das Gericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsstelle auszusetzen sei. Auf Antrag kann das Gericht die Verhandlung zur Heilung von Verfahrens- und Formfehlern aussetzen, soweit dies im Sinne der Verfahrenskonzentration sachdienlich ist.
(2a) Hängt die Entscheidung des Rechtsstreits ab von der Gültigkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Vorschrift, die nach § 22a Absatz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, so kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Antragsverfahrens nach § 55a auszusetzen ist.
(3) Das Gericht kann, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluß ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen.
(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.
(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.
(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.
(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.
(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.
Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.