Landessozialgericht NRW Urteil, 29. Okt. 2014 - L 17 U 422/12
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 23.05.2012 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die dem Kläger entstandenen Kosten auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Treppensturzes als Arbeitsunfall.
3Der Kläger ist in O als selbstständiger Vertriebs- und Personalberater tätig; er ist bei der Beklagten freiwillig versichert. Am 23.07.2010 (Freitag) besuchte er gemeinsam mit seiner Ehefrau eine Netzwerkveranstaltung des N Business Clubs (N, Z-Netzwerk) in I. Dem Internetauftritt von Z ist zu entnehmen, dass es sich um ein soziales Netzwerk für berufliche Kontakte handelt, in dem sich Berufstätige aller Branchen vernetzen, um Jobs, Mitarbeiter, Aufträge, Kooperationspartner, fachlichen Rat oder Geschäftsideen zu suchen und zu finden. Der N beschreibt sich auf seiner Homepage wie folgt: "Der N-BusinessClub ist eine der großen Regionalgruppen innerhalb der Business-Plattform Z. Knapp 12.000 Mitglieder versammeln sich hier unter dem Motto "Persönliches zählt, Geschäftliches ergibt sich" und knüpfen sowohl online als auch offline neue Geschäftskontakte. Neben dem Austausch im Forum organisiert der N mindestens einmal im Monat Treffen im sogenannten Real Life, die auch Nicht-Mitgliedern offenstehen. Die meisten von ihnen beginnen nach dem Warm-Up mit einem kleinen Vortrag, der interessante Impulse und einen Einstieg in die weitere Kommunikation bietet - aber auch gemeinsame Wanderungen oder Blicke hinter die Kulissen bekannter N Unternehmen gehören zum Angebot der Gruppe." Das Veranstaltungsprogramm für den 23.07.2010 lautete: "Liebes N-Mitglied, die Kulturhauptstadt 2010 liegt quasi vor unserer Haustür. Das wollen wir uns nicht entgehen lassen und besuchen zusammen mit Ihnen am Freitag, 23. Juli die RUHR.2010 in I. In der Ausstellung "Helden - von der Sehnsucht nach dem Besonderen" erwartet Sie eine spannende Reise von den Helden der Antike bis zu denen des Ruhrgebietes - und das in der I, dem ältesten Hochofen des Reviers ...Im Preis von 20,- pro Person ist der Museumseintritt, eine 90-minütige Führung durch die 850 Exponate sowie ein Begrüßungsgetränk im Restaurant I ...enthalten. Nach der Führung lassen wir dort beim Blick in die alte Maschinenhalle mit Ihnen den Tag ausklingen. Die Führung startet pünktlich um 18 Uhr. Wir sind ab 17:30 dort und erwarten Sie am Museumseingang ...".
4Der Kläger fuhr mit seiner Ehefrau, der Zeugin I direkt von seinem Büro in O aus zum Industriemuseum in der I in I. Mit sich führte er eine Aktentasche, in der er u.a. einen Terminkalender, Visitenkarten, einen Block und Stifte bei sich trug. Der Kläger und seine Ehefrau trafen im Foyer der I auf die Organisatoren und weitere Teilnehmer der Veranstaltung. Nach einem Small Talk wollte die Gruppe das Museum aufsuchen. Vor dem Betreten wurde der Kläger jedoch darauf hingewiesen, dass er seine Aktentasche nicht mit ins Museum nehmen dürfe. Er brachte deshalb seine Tasche in die untere Etage, wo er sie in einem der dort befindlichen Schließfächer einschloss. Auf dem Rückweg rutschte er auf der Treppe nach oben ab, knickte um und stürzte auf das rechte Bein. Trotz dieses Vorfalls schloss sich der Kläger zunächst wieder der Gruppe an. Nach Beendigung des Museumsbesuchs suchte die Gesellschaft gemeinsam das Restaurant I auf, wo die Teilnehmer die Gelegenheit erhielten, ihre Dienstleistungen vorzustellen und daraufhin zu überprüfen, auf welche Weise geschäftliche Kontakte mit den weiteren Teilnehmern geknüpft werden könnten. Zwischen 21:00 und 22:00 Uhr verließen der Kläger und seine Ehefrau die Veranstaltung frühzeitig, da sich zu diesem Zeitpunkt Beschwerden aufgrund des Sturzes eingestellt hatten.
5Am 26.07.2010 (Montag) suchte der Kläger den H-Arzt Dr. X in N auf. Dr. X diagnostizierte eine Prellung des rechten Knies und leitete eine MRT-Diagnostik zur weiteren Beurteilung des Kniegelenkes ein. Das MRT des rechten Knies vom 13.08.2010 ergab u.a. eine Partialruptur des vorderen Kreuzbandes und einen Kniegelenkserguss. Am 03.09.2010 wurde der Kläger am rechten Kreuzband operiert. In seiner Unfallanzeige vom 19.08.2010 und seiner Auskunft vom 01.09.2010 gab der Kläger an, der Unfall habe sich auf dem Weg vom Parkplatz zur Veranstaltung - " ...auf einer Treppe im Eingangsbereich (dort musste vor dem ersten Teil des Abends die Aktentasche eingelagert werden) ..." - ereignet.
6Die Beklagte forderte einen Bericht von Dr. X an. Dieser teilte in seinem Bericht vom 06.09.2010 mit, der Kläger habe bei seiner erstmaligen Vorstellung am 26.07.2010 angegeben, er sei bei einer betrieblichen Veranstaltung zur Kundengewinnung in der I auf der Treppe gestürzt und auf das Knie gefallen.
7Schon vor Eingang des Berichts von Dr. X lehnte es die Beklagte mit Bescheid vom 08.09.2010 ab, das Ereignis vom 23.07.2010 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe zum Zeitpunkt des Unfalls keine versicherte Tätigkeit ausgeübt. Bezüglich einer versicherten Tätigkeit komme es darauf an, dass sie in rechtlich wesentlichem Umfang den Zwecken des versicherten Unternehmens gedient habe. Der Unfallversicherungsschutz verlange einen engen betrieblichen Zusammenhang, wobei aus Gründen der Objektivierbarkeit und Beweisbarkeit ein enger Beurteilungsmaßstab anzulegen sei. Da es sich bei einem Museumsbesuch mit Führung um eine für den Kläger unternehmensfremde Tätigkeit handele, bedürfe es besonderer Umstände, um den inneren Zusammenhang zu begründen. Die Verrichtung müsse unter Einbeziehung aller Umstände als eine Handlung des Unternehmers erkannt werden können, die wesentlich auf die Belange seines Unternehmens gerichtet sei. Ein möglicher Wille des Klägers, hierbei allgemein Kontakte zu knüpfen bzw. zu pflegen, sei nicht ausreichend, um einen inneren Zusammenhang zu begründen, zumal nicht davon ausgegangen werden könne, dass dabei konkrete betriebliche Angelegenheiten besprochen worden seien. Somit sei der Museumsbesuch im Ergebnis der privaten Freizeitgestaltung des Klägers zuzurechnen.
8Gegen den Bescheid vom 08.09.2010 legte der Kläger Widerspruch ein. Er vertrat die Auffassung, dass das Ereignis vom 23.07.2010 ein Arbeitsunfall war. Bei dem Z-Netzwerktreffen habe es sich um eine Veranstaltung, bestehend aus einer Museumsführung und dem anschließenden Networking im Restaurant I, nicht aber um zwei unabhängige Veranstaltungen gehandelt. Er habe die Veranstaltung in Begleitung seiner Ehefrau besucht, die ihm bei der Ausübung seines Berufs helfe. Es habe während dieses Abends nicht bloß - wie die Beklagte behaupte - oberflächliche Kontakte mit potentiellen Kunden, sondern vielmehr konkrete geschäftliche Gespräche und Vereinbarungen gegeben. So habe er noch vor dem eigentlichen Museumsbesuch im Foyer mit Herrn C vereinbart, bei einem der nächsten Z-Treffen zum Thema "Suche und Auswahl von Vertriebsmitarbeitern" zu referieren. Auch von Frau Dr. S habe er anschließend einen Auftrag zur Mitarbeitersuche erhalten. Derlei Gespräche und Vereinbarungen hätten konkrete Auswirkungen auf seine Tätigkeit und seien wesentlich auf die Belange seines Unternehmens gerichtet.
9Mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Ergänzend zu ihrer Begründung in dem angefochtenen Bescheid führte sie aus: Unter versicherten Tätigkeiten im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung könnten grundsätzlich auch Dienstreisen fallen, wobei zwischen solchen Betätigungen, die mit dem Unternehmen rechtlich wesentlich zusammenhingen, und solchen unterschieden werden müsse, die der privaten Sphäre des Reisenden zuzurechnen seien. Insoweit sei - anders als die Veranstaltung am Abend - die Teilnahme an der Museumsführung kein geschäftlicher, sondern ein privater Teil der Dienstreise gewesen. Bei derlei Tätigkeiten, die ihrer Art nach allgemein im privaten Leben anfielen, komme die Bejahung eines Zusammenhangs mit der unternehmerischen Tätigkeit nur in Betracht, wenn geschäftliche Dinge erkennbar im Vordergrund stünden. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, da der Kläger während des Museumsbesuchs zwar schon erste Kontakte habe knüpfen können, jedoch nicht dies, sondern das private Vergnügen des Klägers im Vordergrund gestanden habe.
10Hiergegen hat der Kläger am 17.12.2010 bei dem Sozialgericht Münster (SG) Klage erhoben. Er hat im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und weiterhin die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem Ereignis vom 23.07.2010 um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Es sei zu berücksichtigen, dass speziell bei Unternehmern auch Tätigkeiten, die zur mittelbaren Förderung des Unternehmens vorgenommen würden (z.B. Werbung, Kundendienst oder sonstige Maßnahmen zur Pflege der Geschäftsbeziehungen), zur versicherten Tätigkeit gehörten, sofern im Einzelfall ein innerer Zusammenhang zwischen dem Unternehmen und der konkreten Tätigkeit bestünde. Ob ein solcher Zusammenhang vorliege, sei wertend insbesondere anhand der Frage zu ermitteln, ob der Versicherte eine der Beschäftigung dienende Verrichtung ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch objektive Umstände bestätigt werde. Dies sei hier der Fall. Für die gesamte Veranstaltung, und nicht nur für das spätere Essen, habe im Vordergrund gestanden, Kontakte zu pflegen, Geschäfte abzuwickeln und Aufträge zu gewinnen. Private Interessen hätten nicht im Vordergrund gestanden; vielmehr seien bereits vor und während des Museumsbesuchs gezielt fachliche Gespräche geführt worden. Er habe eine berufliche Verrichtung ausüben wollen, was auch durch objektive Umstände (Gespräche mit Herrn C und Frau Dr. S; Mitnahme der Aktentasche) belegt sei. Weiter sei jedem Besucher einer Z-Veranstaltung die Teilnehmerliste bereits im Voraus bekannt, so dass man gezielt auf Gesprächspartner zugehen könne. Die Beklagte trenne die Veranstaltung künstlich in zwei Teile auf. Dass man die Veranstaltung als Einheit sehen müsse, ergebe sich auch schon aus der Veranstaltungseinladung sowie aus dem Mitführen der Aktentasche schon zum Museumsbesuch.
11Der Kläger hat beantragt,
12den Bescheid vom 08.09.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2010 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 23.07.2010 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie hat an ihrer ablehnenden Entscheidung festgehalten und ihre Auffassung, dass die zum Unfallereignis führende Verrichtung als Teil der privaten Veranstaltung (Museumsausstellung) anzusehen und nicht dem geschäftlichen Teil der Dienstreise zuzuordnen sei, bekräftigt. Die Begrüßung der anderen Teilnehmer habe erst nach dem Museumsbesuch stattgefunden. Dies spreche dafür, dass zunächst nur Kundenwerbung und Kontaktpflege erfolgen sollte und nicht die Absicht bestand, Aufträge abzuschließen. Es seien nicht zwangsläufig alle Tätigkeiten, die der Unternehmer für sein Unternehmen dienlich halte und auch halten dürfe, versichert. Wenn einzelne Bestandteile der persönlichen Bildung oder einem gesellschaftlichen Ereignis, also privaten Zwecken, dienten, stünde - auch wenn die Gesamtveranstaltung des Z-Netzwerkes der Kontaktpflege diene - nicht zwangsläufig die gesamte Veranstaltung unter Versicherungsschutz. So habe der Kläger die Veranstaltung (Museumsbesuch) in Begleitung seiner Ehefrau aufgesucht, habe seine Aktentasche eingeschlossen und sei dann auf dem Weg zur Museumsführung gestürzt. Es sei weiterhin unbewiesen, dass der kulturelle Teil der Veranstaltung dem Unternehmen "Personalberatung" wesentlich gedient habe.
16Am 09.11.2011 hat das SG mit den Beteiligten den Sachverhalt erörtert und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen C. Der Kläger hat erklärt, er habe die Erfahrung gemacht, dass das Knüpfen von Kontakten bei allgemeinen Aktivitäten wegen der lockeren Atmosphäre wesentlich einfacher sei, als wenn man nur an Tischen zusammen Platz nehme. Wenn schon zuvor ein lockerer Kontakt geknüpft worden sei, sei es ein Leichtes, später konkret auf die beruflichen Absichten einzugehen. Der Zeuge hat ausgesagt, er sei Organisator solcher N-Veranstaltungen. Sinn und Zweck dieser Veranstaltungen sei es, Kontakte zu knüpfen. Der Ablauf gestalte sich in der Regel wie folgt: Man treffe sich zunächst für einen Small Talk, für den etwa eine ¾ Stunde Zeit sei. Danach komme der sogenannte "Aufhänger", z.B. ein Vortrag, eine Weinprobe oder ein Museumsbesuch, bei dem die Teilnehmer schnell in Kontakt kämen. Anschließend treffe man sich, um konkrete geschäftliche Bereiche zu besprechen. Die Veranstaltung müsse deshalb als Gesamtpaket verstanden werden; deshalb werde auch eine einheitliche Gebühr erhoben. In der Regel nähmen sämtliche Teilnehmer das Gesamtpaket in Anspruch. Vor Beginn der Veranstaltung seien die Moderatoren bereits anwesend. Im konkreten Fall habe man sich am Empfang treffen wollen, da die Führung gebucht gewesen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 09.11.2011 verwiesen.
17Mit Urteil vom 23.05.2012 hat das SG unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 08.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2010 festgestellt, dass es sich bei dem Unfallereignis vom 23.07.2010 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, dass auch die Teilnahme des Klägers an dem Museumsbesuch dem geschäftlichen Bereich als Personalberater zuzuordnen sei. Es sei klar, dass der Kläger seine Mitgliedschaft im N für berufliche Zwecke nutzen wollte. Auch die Beklagte habe in ihrem Widerspruchsbescheid zugestanden, dass das an den Museumsbesuch anschließende Essen dem betrieblichen Bereich zuzuordnen sei. Dies gelte auch für den Museumsbesuch, da dieser mit dem anschließenden Abendessen eine Einheit gebildet habe. Der Kläger habe die Museumsführung nutzen können, um schneller mit anderen Teilnehmern ins Gespräch zu kommen und sich so frühzeitig über mögliche neue Geschäftspartner klar zu werden. Für die Einheitlichkeit der Veranstaltung spreche auch die Aufmachung der Einladung, in der ein einheitlicher Preis für das komplette Treffen angeboten wurde. Überdies habe der Zeuge bestätigt, dass es sich bei der Veranstaltung um ein Gesamtpaket zur Anbahnung geschäftlicher Kontakte gehandelt hat. Nach alledem sei auch der Weg zu und von den Schließfächern versichert gewesen, da dieser in sachlichem Zusammenhang mit dem Museumsbesuch gestanden habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
18Gegen das ihr am 14.06.2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.07.2012 Berufung eingelegt. Sie ist weiterhin der Meinung, der Kläger habe bei dem Unfall nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Entgegen der Argumentation des SG sei sehr wohl eine Abgrenzung der Veranstaltung in einen beruflichen und einen privaten Teil vorzunehmen. Der Besuch des Museums sei rein privater Natur gewesen, da das Betrachten von Kunst im Beisein der Ehefrau eindeutig im Vordergrund des Handelns gestanden habe.
19Die Beklagte beantragt,
20das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 23.05.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
21Der Kläger beantragt,
22die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
23Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
24Am 05.06.2013 hat die Berichterstatterin den Sachverhalt mit den Beteiligten erörtert und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin I. Der Kläger hat in diesem Termin ergänzend zu seinem bisherigen Vortrag ausgeführt, nach seinem Sturz auf dem Weg vom Schließfach nach oben habe seine Frau ihn gefragt, was er gemacht habe; er habe ihr erklärt, dass er ausgerutscht sei. Er habe das Ganze noch nicht so ernst genommen, allerdings dann bei dem Museumsbesuch des Öfteren einen Klappstuhl benötigt. Er und seine Frau seien bereits einige Minuten vor dem offiziellen Beginn der Führung in der Eingangshalle gewesen und hätten die gesamte Führung, die höchstens 30 bis 45 Minuten gedauert habe, mitgemacht. Es seien etwa 10 bis 12 Personen anwesend gewesen, die meisten ohne Partner. Diese Personen hätten auch an dem anschließenden Essen teilgenommen, neue Teilnehmer wären nicht dazu gekommen. Während der Führung seien einzelne Exponate erklärt worden, es habe aber ausreichend Gelegenheit bestanden, sich mit den anderen Teilnehmern zu unterhalten. Die Zeugin I hat ausgesagt, sie sei mit ihrem Mann am 23.07.2010 von zuhause aus zur I gefahren, um an der Z-Veranstaltung teilzunehmen. Sie seien sofort in den Vorraum gegangen, wo auf jeden Fall schon Frau X und Herr C gestanden hätten, vielleicht auch noch andere Personen, jedenfalls nicht viele. Ihr Mann habe dann Herrn C angesprochen. Sie wisse, dass er mit diesem einen Termin ausmachen wollte. Einzelheiten zu dem Gespräch könne sie nicht nennen, da sie mit anderen Teilnehmern gesprochen habe. Als ihr Mann vom Einschließen seiner Tasche hochgekommen sei, habe sie gesehen, dass er eine ganz komische Haltung gehabt und sich eigenartig bewegt habe. Er habe gesagt, er sei gefallen und wollte wissen, ob seine Hose kaputt sei. Den Sturz selbst habe sie nicht gesehen. Sie und ihr Mann seien bei der ganzen Führung, die höchstens eine Stunde gedauert habe, dabei gewesen. Der Führer habe die einzelnen Exponate erläutert. Eine Kontaktaufnahme der Teilnehmer sei trotzdem möglich gewesen, da sie von Raum zu Raum gegangen seien; es hätten auch verschiedene Gespräche stattgefunden. Ihr Mann habe sich immer wieder auf einen Klappstuhl setzen müssen. Sie habe ihren Mann begleitet, weil sie ihm bei der Kontaktpflege helfen wollte. Dies liege ihr; sie sei von Beruf Bankkauffrau und komme aus einer Unternehmerfamilie. An der Veranstaltung hätte sie auch teilgenommen, wenn der Museumsbesuch nicht stattgefunden hätte. Es sei ja darum gegangen, Kontakte zu knüpfen. Ihr sei anfänglich gar nicht klar gewesen, dass bei diesen Veranstaltungen zur Kontaktpflege auch noch Begleitveranstaltungen stattfinden sollten. Während des Museumsbesuches seien etwa neun bis zehn Teilnehmer anwesend gewesen, sie meine, es wäre die gleiche Zahl beim Restaurantbesuch gewesen. Es seien auf jeden Fall dieselben Leute gewesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 05.06.2013 verwiesen.
25Die Beklagte hat zwar explizit erklärt, dass das Unfallgeschehen nicht bestritten werde. Sie ist aber bei ihrer Auffassung geblieben, dass der Kläger bei dem Unfall nicht versichert gewesen sei. Die Vernehmung der Zeugin habe keine konkrete berufsbezogene Handlung während des Museumsbesuchs ergeben. Die Teilnehmer seien dem Kläger bis auf ein Ehepaar bereits bekannt gewesen. Dies ergebe sich aus der insoweit nicht protokollierten Aussage der Zeugin. Sie sehe sich ferner durch das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 31.10.2013 - L 17 U 484/10 -, in dem es um einen Skiunfall anlässlich einer Veranstaltung zur Pflege und Begründung von Geschäftskontakten ging, bestätigt.
26Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
27Entscheidungsgründe:
28Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Die Anfechtungs- und Feststellungsklage des Klägers war zulässig und begründet. Das SG hat zu Recht unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 08.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2010 festgestellt, dass es sich bei dem Unfallereignis vom 23.07.2010 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid beschwert, da dieser rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Denn er hat einen Anspruch auf Feststellung, dass es sich bei dem Ereignis vom 23.07.2010 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat, da der Sturz auf der Treppe ein Arbeitsunfall i.S. der gesetzlichen Unfallversicherung war.
29Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
30Der Unfallversicherungsschutz der freiwilligen Versicherung, in der der Kläger als Unternehmer versichert war, umfasst alle Tätigkeiten, die wesentlich dem Unternehmen zu dienen bestimmt sind (Bereiter-Hahn, Mehrtens, Handkommentar zur gesetzlichen Unfallversicherung, § 6 Rn. 2, m.N. auf die Rspr.). Dabei wird auf die Sichtweise und die Wertung der die Verrichtung ausübenden Person abgestellt, wobei die "Sicht des Versicherten" (subjektive Handlungstendenz) in den objektiv gegebenen Verhältnissen oder objektiv nachzuvollziehenden Umständen eine ausreichende Stütze finden muss (objektivierte Handlungstendenz). Die bloße Absicht einer Tatbestandserfüllung reicht hingegen nicht (Bereiter-Hahn, Mehrtens, a.a.O., § 8 Rn. 6.1 und 6.3, Urteile des BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R -, 18.11.2008 - B 2 U 31/07 R -). Ebenso wie in der gesetzlichen Unfallversicherung von abhängig Beschäftigten ist auch bei versicherten Unternehmern zwischen betrieblichen, das heißt dem Unternehmen zuzurechnenden und der privaten Sphäre angehörenden Tätigkeiten zu unterscheiden, obwohl hier die Abgrenzung oft schwieriger sein wird, weil es dem Unternehmer frei steht, in welcher Art und Weise er sein Unternehmen betreibt. Das kann aber nicht dazu führen, dass ein Unternehmer bei jeder Tätigkeit, die auch nur entfernt im Zusammenhang mit seinem Unternehmen steht, versichert ist. Es reicht deshalb in der Regel nicht aus, um einen Unternehmer als Versicherten zu behandeln, wenn eine Tätigkeit lediglich als Werbung, Kundendienst oder zur Pflege des Ansehens des Unternehmens vorgenommen wird, wie auch reine Freundschafts- und Gefälligkeitshandlungen nicht zur Versicherung des Unternehmers führen. Ein Unternehmer ist aber versichert, wenn er unmittelbare Werbung für sein Unternehmen betreibt, Kunden besucht, um die Geschäftsverbindungen aufrecht zu erhalten oder um neue Verbindungen anzuknüpfen. Handelt es sich jedoch um Verrichtungen, welche der privaten Sphäre des Unternehmers zuzurechnen sind, ist der Unternehmer regelmäßig nicht versichert, es sei denn, geschäftliche Dinge stehen erkennbar im Vordergrund (so Urteile des BSG vom 30.07.1981 - 8/8a RU 58/80 - und des LSG Berlin-Brandenburg vom 12.04.2011 - L 3 U 238/09 - ).
31Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung unmittelbar vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb versichert ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl. Urteil des BSG vom 26.06.2014 - B 2 U 4/13 R, Juris Rn. 11 m.w.N.).
32Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Kläger ist als freiwillig versicherter Unternehmer gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII in der gesetzlichen Unfallversicherung bei der Beklagten versichert. Er hat unzweifelhaft durch den Sturz auf der Treppe einen Unfall und dadurch einen Gesundheitserstschaden - zumindest eine Prellung des rechten Knies - erlitten. Der Kläger hat den Unfall auch bei einer versicherten Tätigkeit erlitten.
33Bei der konkreten Verrichtung unmittelbar vor dem Sturz auf der Treppe, dem Zurücklegen des Weges zwischen Unter- und Erdgeschoss im Eingangsbereich des Museums der I stand er unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Denn diese unfallbringende Verrichtung erfolgte während einer Geschäftsreise des Klägers, die Teil der versicherten Tätigkeit war. Eine Dienst- bzw. Geschäftsreise liegt vor, wenn der Versicherte sich von der Betriebsstätte seines Beschäftigungsunternehmens entfernt oder diese zu Beginn seiner Reise gar nicht aufsucht, weil er z.B. die Reise unmittelbar von zu Hause aus antritt, und - im Unterschied zu den sogenannten Betriebswegen - den Ort, in dem die Betriebsstätte liegt, verlässt (Urteil des BSG vom 18.03.2003 - B 2 U 43/02 R -). Dienst- bzw. Geschäftsreisen sind nach der ständigen Rechtsprechung des BSG als Betriebswege Teil der versicherten Tätigkeit, weil sie in unmittelbarem Betriebsinteresse unternommen werden (z.B. Urteile des BSG vom 29.11.1963 - 2 RU 74/83 -; 12.01.2010 - B 2 U 35/08 R -, 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R -).
34Der Kläger hat sich am 23.07.2010 vom Ort seines Unternehmens in O entfernt, um aus geschäftlichen Gründen und somit im unmittelbaren Betriebsinteresse an der Veranstaltung des Z-Netzwerkes in I teilzunehmen. Er hat die Veranstaltung besucht, um neue Geschäftskontakte zu knüpfen, bestehende Geschäftsbeziehungen zu pflegen, seine Dienstleistungen vorzustellen, für sein Unternehmen zu werben und schließlich auch, um Aufträge abzuschließen. Diese subjektive Handlungstendenz des Klägers ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dessen seit dem Besuch des H-Arztes Dr. X am 26.07.2010 durchgängig stringentem und glaubwürdigen Vortrag und der ebenfalls glaubwürdigen Aussage seiner Ehefrau, der Zeugin I. Zweifel an dem Vortrag des Klägers und der Aussage der Zeugin sind nach Auffassung des Senats unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Veranstaltung und der Tatsache, dass das geschäftliche Kapital des Klägers als Personalberater mehr als in den allermeisten anderen Branchen auf der persönlichen Netzwerkpflege beruht, nicht angebracht. Die Sicht des Klägers wird zudem durch den Internetauftritt des Netzwerkes Z, der Homepage des N und der unbestrittenen und glaubwürdigen Aussage des Zeugen C objektiviert, wonach feststeht, dass Sinn und Zweck der Veranstaltung ein geschäftlichen Interessen dienendes Networking war. Im Übrigen führte der Kläger seine notwendigen Arbeitsutensilien in einer Aktentasche mit sich, was ebenfalls deutlich macht, dass er seiner beruflichen Tätigkeit nachging. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Einladung zu der Veranstaltung vom 23.07.2010. Das in der Einladung beschriebene Programm verhält sich zwar nicht zu geschäftlichen Angelegenheiten; wegen der Organisation durch den N als eine der großen Regionalgruppen des beruflichen Netzwerkes Z und aufgrund des aus der Homepage ersichtlichen Zweckes derartiger Veranstaltungen war aber - wie sich auch aus der Aussage des Organisators der Veranstaltung, des Zeugen C, ergibt - sowohl für die Organisatoren als auch für die Teilnehmer klar, dass die Veranstaltung wesentlich betrieblichen Zwecken diente. Schließlich ist auch die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 17.11.2010 und im Klage- und Berufungsverfahren von einer Dienst- bzw. Geschäftsreise ausgegangen, die sie allerdings in einen unversicherten, privaten und eigenwirtschaftlich geprägten Teil (Museumsbesuch) und einen versicherten, betriebsbezogenen Teil (Rest der Veranstaltung) aufteilen möchte.
35Dieser Aufteilung vermag der Senat nicht zu folgen. Zur Überzeugung des Senats diente auch der Museumsbesuch und damit auch der damit in innerem Zusammenhang stehenden Weg auf der Treppe - der Kläger durfte seine Aktentasche nicht mit in das Museum nehmen und musste sie deshalb im Untergeschoss einschließen - geschäftlichen Zwecken. Insoweit wird zunächst auf die Entscheidungsgründe in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, denen sich der Senat nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage gemäß § 153 Abs. 2 SGG anschließt.
36Der Senat verkennt nicht, dass es auch auf Dienst- bzw. Geschäftsreisen keinen lückenlosen Versicherungsschutz gibt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (z.B. Urteile vom 18.11.2008 - B 2 U 31/07 R -; 18.03.2008 - B 2 U 13/07 R -; 30.01.2007 - B 2 U 8/06 R - ) müssen auch bei Dienst- und Geschäftsreisen anhand der Handlungstendenz diejenigen Verrichtungen unterschieden werden, die mit der Tätigkeit für das Unternehmen wesentlich im Zusammenhang stehen, von solchen, bei denen dieser Zusammenhang in den Hintergrund tritt, wobei die Übergänge fließend sein können. Der Versicherungsschutz entfällt erst, wenn sich der Versicherte rein persönlichen, von der Betriebstätigkeit nicht mehr beeinflussten Belangen widmet.
37Das SG ist zutreffend von einer subjektiven und durch äußere Umstände objektivierten geschäftlichen Handlungstendenz des Klägers ausgegangen. Nach den glaubhaften Angaben des Klägers, der Aussage des Zeugen C sowie dem Sinn und Zweck der Veranstaltung diente nicht nur das Abendessen selbst, sondern auch schon der davor liegende Teil der Veranstaltung, nämlich Small Talk und Museumsbesuch, wesentlich der Kontaktpflege, der Kundenwerbung und der Anbahnung und Pflege von Geschäftsbeziehungen und somit dem Personalberatungsunternehmen des Klägers. Aus der Aussage des Zeugen C ergibt sich eindeutig, dass es sich bei der Veranstaltung am 23.07.2010 um eine einheitliche Veranstaltung gehandelt hat, bei der der Museumsbesuch als sogenannter "Aufhänger" oder "Warm-up" im Rahmen des Gesamtprogramms bereits der erste von mehreren Schritten zur Kontaktaufnahme und Pflege von Geschäftsbeziehungen war. Dementsprechend haben auch alle Teilnehmer des Abendprogramms schon das Museum besucht, im Übrigen nach den glaubwürdigen Angaben des Klägers fast alle ohne Partner, was an einem Freitagabend ebenfalls für einen Besuch aus geschäftlichen Gründen spricht. Dass in dem Museum eine Führung erfolgte, steht nicht im Widerspruch zu der betrieblichen Handlungstendenz des Klägers. Sowohl der Kläger als auch die Zeugin I haben glaubwürdig erklärt, dass während der Führung ausreichend Gelegenheit für die Anbahnung geschäftlicher Kontakte und einleitender Geschäftsgespräche war und auch verschiedene Gespräche stattgefunden haben. Auch die Beklagte hat im Widerspruchsbescheid und in der Berufungsbegründung eingeräumt, dass der Kläger schon den Museumsbesuch zur Aufnahme erster Kontakte, Kontaktpflege und Kundenwerbung nutzen konnte. Da jede Art der Kontaktaufnahme als "Warm-up" den ersten Schritt für die Aufnahme und Pflege geschäftlicher Kontakte darstellt und damit betrieblichen Zwecken dient, ist es - entgegen der Auffassung der Beklagten - unerheblich, ob der Kläger die Absicht hatte, schon im Museum Aufträge abzuschließen und/oder ob er dort bereits Aufträge abgeschlossen hat. Unerheblich ist ebenso, ob der Kläger die Teilnehmer schon vorher kannte, da auch die Pflege bestehender Kontakte eine versicherte Tätigkeit darstellt. Dabei steht es dem Kläger als Selbständiger frei, wie und bei welcher Gelegenheit er geschäftliche Kontakte knüpfen und pflegen und Werbung für das eigene Unternehmen betreiben möchte.
38Selbst wenn der Museumsbesuch und damit auch der unfallbringende Weg auf der Treppe auch privat motiviert gewesen wären, wäre der Versicherungsschutz gegeben. Dann hätte es sich nämlich bei dem Weg auf der Treppe um eine Verrichtung mit gemischter Motivationslage (oder gespaltener Handlungstendenz) gehandelt. Eine Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz liegt vor, wenn jemand mit ein und derselben Verrichtung sowohl betriebliche als auch eigenwirtschaftliche/private Zwecke verfolgt. Jedoch erfüllt auch eine Verrichtung mit gemischter Motivationslage den Tatbestand der versicherten Tätigkeit, wenn das konkrete Geschehen hypothetisch auch ohne die private Motivation des Handelns vorgenommen worden wäre, wenn also die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt. Auch insoweit ist nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten Verrichtung und der objektivierten Handlungstendenz, sondern nur auf die konkrete Verrichtung selbst abzustellen. Es ist also zu prüfen, ob das Handeln trotz der mit ihm verbundenen privaten Zweckverfolgung insgesamt betrachtet darauf abzielte, den in Betracht kommenden Versicherungstatbestand zu erfüllen (siehe BSG, Urteile vom 12.05.2009 - B 2 U 12/08 R -, 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R, 18.06.2013, - B 2 U 7/12 R - und 26.06.2014 - B 2 U 4/13 R -). Diese Voraussetzungen liegen vor. Wie bereits dargelegt, ist der Senat davon überzeugt, dass die durch äußere Umstände objektivierte Handlungstendenz des Klägers auch bezüglich des Museumsbesuches wesentlich auf betriebliche Zwecke ausgerichtet war. Weder für die Annahme der Beklagten, bei dem Museumsbesuch habe das private Vergnügen des Klägers im Vordergrund gestanden, noch dafür, dass der Kläger den Museumsbesuch ohne die geschäftliche Veranlassung überhaupt unternommen hätte, gibt der Sachverhalt Anhaltspunkte. Die Einladung des N richtete sich nicht speziell an museumsinteressierte Mitglieder. Allein schon die Fahrtstrecke von O nach I (über 60 Kilometer) im Berufsverkehr an einem Freitagnachmittag spricht gegen ein überwiegend privates Interesse, zumal die Führung nach den übereinstimmenden Angaben des Klägers und seiner Ehefrau, der Zeugin I, höchstens 60 Minuten gedauert hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten spricht die Teilnahme der Ehefrau des Klägers an der Veranstaltung nicht gegen ein geschäftliches Interesse, da sie ihn nicht wegen des Museumsbesuchs begleitet hat, sondern ihm in der bei den Eheleuten üblichen Weise bei der geschäftlichen Zwecken dienenden Kontaktaufnahme und -pflege behilflich sein wollte. Hiervon ist der Senat aufgrund der glaubwürdigen und übereinstimmenden Aussagen der Zeugin und des Klägers überzeugt, insbesondere auch deshalb, weil die Zeugin aufgrund ihrer Ausbildung als Bankkauffrau und ihrer Herkunft aus einer Unternehmerfamilie entsprechend qualifiziert erscheint.
39Schließlich führt auch das Urteil des Bayerischen LSG vom 31.10.2013 (a.a.O.), auf das die Beklagte Bezug genommen hat, nicht zu einer anderen Entscheidung, da dieses nicht einschlägig ist. Es liegt auf der Hand, dass eine Skiabfahrt - anders als ein Museumsbesuch - wegen der erschwerten Kommunikation (Helm, Skibrille, Geschwindigkeit) völlig ungeeignet ist, geschäftlichen Belangen zu dienen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 27.08.2014 - L 17 U 434/13 - "Motorradsternfahrt").
40Die Kostenentscheidung beruht auf § 193.
41Gründe für die Revisionszulassung nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht NRW Urteil, 29. Okt. 2014 - L 17 U 422/12
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Urteil einreichenLandessozialgericht NRW Urteil, 29. Okt. 2014 - L 17 U 422/12 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.
(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch
- 1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit, - 2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um - a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder - b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
- 2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird, - 3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden, - 4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben, - 5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.
(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.
(1) Kraft Gesetzes sind versichert
- 1.
Beschäftigte, - 2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen, - 3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind, - 4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind, - 5.
Personen, die - a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner, - b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind, - c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind, - d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen, - e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
- 6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner, - 7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner, - 8.
- a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt, - b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen, - c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
- 9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind, - 10.
Personen, die - a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen, - b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
- 11.
Personen, die - a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden, - b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
- 12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen, - 13.
Personen, die - a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten, - b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden, - c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen, - d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben - aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder - bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
- 14.
Personen, die - a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen, - b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
- 15.
Personen, die - a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten, - b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen, - c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen, - d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
- 16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind, - 17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.
(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.
(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.
(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für
- 1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind, - 2.
Personen, die - a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten, - b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten, - c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
- 3.
Personen, die - a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht, - b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder - c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind
- 1.
Verwandte bis zum dritten Grade, - 2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade, - 3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf
- 1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner, - 2.
Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2 Absatz 3 Satz 4 erster Halbsatz gilt entsprechend, - 3.
Personen, die - a)
im Ausland bei einer staatlichen deutschen Einrichtung beschäftigt werden, - b)
im Ausland von einer staatlichen deutschen Einrichtung anderen Staaten zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden;
Versicherungsschutz besteht nur, soweit die Personen nach dem Recht des Beschäftigungsstaates nicht unfallversichert sind, - 4.
ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte, - 5.
Kinder und Jugendliche während der Teilnahme an Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt.
(2) Absatz 1 gilt nicht für
- 1.
Haushaltsführende, - 2.
Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien oder Imkereien und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner, - 3.
Personen, die aufgrund einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Fischerei- oder Jagdgast fischen oder jagen, - 4.
Reeder, die nicht zur Besatzung des Fahrzeugs gehören, und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner.
(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern
- 1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien, von nicht gewerbsmäßig betriebenen Unternehmen nach § 123 Abs. 1 Nr. 2 und ihre Ehegatten oder Lebenspartner sowie Fischerei- und Jagdgäste, - 2.
Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind, - 3.
gewählte oder beauftragte Ehrenamtsträger in gemeinnützigen Organisationen, - 4.
Personen, die in Verbandsgremien und Kommissionen für Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften sowie anderen selbständigen Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zielsetzung (sonstige Arbeitnehmervereinigungen) ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen, - 5.
Personen, die ehrenamtlich für Parteien im Sinne des Parteiengesetzes tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen.
(2) Die Versicherung beginnt mit dem Tag, der dem Eingang des Antrags folgt. Die Versicherung erlischt, wenn der Beitrag oder Beitragsvorschuß binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht gezahlt worden ist. Eine Neuanmeldung bleibt so lange unwirksam, bis der rückständige Beitrag oder Beitragsvorschuß entrichtet worden ist.
Tenor
-
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
-
Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
- 1
-
Die Klägerin begehrt die gerichtliche Feststellung eines Arbeitsunfalls.
- 2
-
Am 5.5.2006 brachte sie während ihrer Freistellungsphase aufgrund vereinbarter Altersteilzeit ihrem Arbeitgeber ein von ihm auszufüllendes Formular für eine sog Vorausbescheinigung von Arbeitsentgelt, um sie sodann beim Rentenversicherungsträger vorzulegen, damit dieser ihr nahtlos zum Eintritt in den Ruhestand Rente wegen Alters in richtiger Höhe zahlen sollte. Dabei stolperte sie auf einer Treppe im Betriebsbereich, stürzte auf ihr linkes Handgelenk und erlitt dadurch einen Speichenbruch des linken Unterarms.
- 3
-
Die Beklagte lehnte es ab, deswegen einen Arbeitsunfall festzustellen (Bescheid vom 17.8.2006; Widerspruchsbescheid vom 17.1.2007). Von einer versicherten Tätigkeit sei nicht auszugehen, da die Abgabe der Bescheinigung im eigenwirtschaftlichen Interesse der Klägerin gelegen habe.
- 4
-
Die Klagen und die Berufung sind erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des SG Landshut vom 29.3.2010 und Urteil des Bayerischen LSG vom 8.2.2011). Das LSG hat ausgeführt: Ein sachlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit als Beschäftigte und der Überbringung des Formulars liege nicht vor. Das private Interesse der Klägerin im Rahmen ihrer Sozialversicherungsangelegenheit stehe hierbei im Vordergrund. Soweit auch Belange des Arbeitgebers berührt seien, beträfen diese weder seine unmittelbaren Pflichten aus dem Arbeitsvertrag noch seine allgemeine Fürsorgepflicht. Dass die Gewährung von Altersrente zugleich Voraussetzung für die Gewährung einer Betriebsrente sei und dass der Arbeitgeber bei fehlerhafter oder verspäteter Ausstellung der Bescheinigung sich möglicherweise schadensersatzpflichtig mache, rechtfertige kein anderes Ergebnis. Zwar habe das BSG einen Arbeitnehmer auf dem Weg zum Personalbüro als versichert angesehen, wenn er dort eine Arbeitsbescheinigung abholen wollte, die er für die weitere Aufenthaltserlaubnis benötige (Urteil vom 29.1.1986 - 9b RU 76/84 - SozR 2200 § 548 Nr 78). Während der Arbeitgeber die Ausstellung der Arbeitsbescheinigung aufgrund seiner Fürsorgepflicht aus dem Arbeitsverhältnis schulde, diene die Vorausbescheinigung jedoch wesentlich dem eigenwirtschaftlichen Interesse der Realisierung von Sozialleistungsansprüchen.
- 5
-
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 8 Abs 1 SGB VII. Das Überbringen des Formulars für eine Vorausbescheinigung des Arbeitgebers stehe im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Die ordnungsgemäße Ausfüllung einer Vorausbescheinigung iS des § 194 SGB VI stelle neben der Erfüllung seiner Fürsorgepflicht aus dem Arbeitsverhältnis eine eigene gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers dar und habe daher nicht ausschließlich in ihrem privaten Interesse gelegen. Eine unrichtige oder verspätete Ausstellung der Bescheinigung hätte nicht nur dazu geführt, dass die Klägerin nicht nahtlos die rentenversicherungsrechtliche Altersrente erhalten hätte. Der Bezug der Altersrente sei auch Voraussetzung für den Bezug der betrieblichen Altersrente gewesen. Die Ausstellung der Bescheinigung habe also im Hinblick auf ihre möglicherweise entstehenden Schadensersatzansprüche im wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers gelegen. Sie habe ohne weiteres der Auffassung sein können, mit der Überbringung des Formulars und der beabsichtigten gemeinsamen Ausfüllung desselben mit dem zuständigen Mitarbeiter des Arbeitgebers, eine sich aus ihrem Arbeitsverhältnis ergebende Nebenpflicht zu erfüllen. Schließlich müsse die Entscheidung des BSG (Urteil vom 29.1.1986 - 9b RU 76/84 - SozR 2200 § 548 Nr 78) - anders als das LSG meint - aufgrund der in beiden Fällen vergleichbaren Motivation der Arbeitnehmer zur Zurechnung der Abgabe des Formulars zur versicherten Tätigkeit führen. In beiden Fällen bestehe eine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis.
- 6
-
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Februar 2011 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 29. März 2010 aufzuheben und unter Aufhebung der die Feststellung eines Versicherungsfalls ablehnenden Entscheidung in dem Bescheid der Beklagten vom 17. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2007 festzustellen, dass das Ereignis vom 5. Mai 2006 ein Arbeitsunfall der Klägerin ist.
- 7
-
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
- 8
-
Sie hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend. Die Entscheidung des BSG vom 29.1.1986 - 9b RU 76/84 - sei nicht einschlägig. Die Klägerin habe die Vorausbescheinigung zur Berechnung ihrer Altersrente und nicht für ihre Arbeitstätigkeit benötigt. Mangels Aufforderung zum Tätigwerden sei auch die Motivationslage in beiden Fällen unterschiedlich gewesen.
Entscheidungsgründe
- 9
-
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat die zulässige Berufung der Klägerin zu Recht zurückgewiesen, da das SG ihre zulässigen Klagen zutreffend als unbegründet abgewiesen hat.
- 10
-
Gemäß § 54 Abs 1 iVm § 55 Abs 1 Nr 1, § 56 SGG ist die Kombination einer Anfechtungs- mit einer Feststellungsklage zulässig.
- 11
-
Die Anfechtungsklage richtet sich zulässig gegen die Ablehnung des von der Klägerin bei der Beklagten verfolgten Anspruchs auf Feststellung des geltend gemachten Arbeitsunfalls.
- 12
-
Die Feststellungsklage ist statthaft auf die gerichtliche Feststellung eines konkreten Rechtsverhältnisses iS des § 55 Abs 1 Nr 1 SGG, nämlich des geltend gemachten Versicherungsfalls, gerichtet. Der Eintritt eines Versicherungsfalls iS des § 7 Abs 1 SGB VII bedeutet die Begründung eines konkreten, nach Inhalt und Umfang durch den Versicherungsfall bestimmten Leistungsrechtsverhältnisses zwischen dem Versicherten und einem bestimmten Unfallversicherungsträger, aus dem konkrete Rechte auf Versicherungsleistungen entstehen können, aber nicht müssen.
- 13
-
Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der baldigen gerichtlichen Feststellung, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, also das Leistungsrechtsverhältnis besteht. Insbesondere fehlt es hieran nicht deshalb, weil sie nach ständiger Rechtsprechung des BSG zulässig auch eine Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Arbeitsunfalls, also auf Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes, erheben könnte. Der prozessuale Nachrang der Feststellungsklage im Verhältnis zu den (Gestaltungs- und) Leistungsklagen (Verpflichtungsklagen, allgemeine Leistungsklagen) besteht nur, wenn das jeweilige Rechtsschutzbegehren umfassend und effektiv durch eine dieser spezieller ausgestalteten Klagen verfolgt werden kann. Die Feststellungsklage ist aber gerade bei der Entscheidung über das Vorliegen eines Versicherungsfalls jedenfalls gleich rechtsschutzintensiv, da die gerichtliche Feststellung des Versicherungsfalls mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit für die Beteiligten auch materiell rechtskräftig wird (§§ 141 Abs 1, 179, 180 SGG). Allerdings kann die Verpflichtungsklage dem maßgeblichen (§ 123 SGG) Begehren des Verletzten im Einzelfall eher entsprechen. Daher erkennt das BSG ein Wahlrecht des Verletzten zwischen einer zulässigen Feststellungs- und einer zulässigen Verpflichtungsklage an (zuletzt BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, RdNr 12 mwN; BSG vom 27.4.2010 - B 2 U 23/09 R - Juris RdNr 9 mwN - UV-Recht Aktuell 2010, 897 und BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 25 RdNr 8 mwN).
- 14
-
Die Klagen sind, wie die Vorinstanzen richtig gesehen haben, nicht begründet.
- 15
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Die Anfechtungsklage ist unbegründet, weil die Ablehnung der Feststellung eines Arbeitsunfalls durch die Beklagte rechtmäßig und die Klägerin dadurch nicht in einem ihr zustehenden subjektiv-öffentlichen Recht verletzt ist (§ 54 Abs 2 S 1 SGG). Sie hat nämlich gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, da kein Arbeitsunfall vorliegt. Deswegen ist der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig und auch die Feststellungsklage unbegründet, weil das umstrittene Rechtsverhältnis nicht besteht.
- 16
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Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung eines Arbeitsunfalls vom 5.5.2006.
- 17
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Der Versicherte kann vom zuständigen Unfallversicherungsträger gemäß § 102 SGB VII die Feststellung eines Versicherungsfalls, hier eines Arbeitsunfalls iS von § 8 Abs 1 SGB VII, beanspruchen, wenn ein solcher eingetreten ist(vgl BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, Juris RdNr 15 sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - SozR 4-2700 § 11 Nr 1 RdNr 15 f).
- 18
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Nach § 8 Abs 1 S 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit(versicherte Tätigkeit, S 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs 1 S 2).
- 19
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Ein Arbeitsunfall setzt danach voraus: Eine Verrichtung des Verletzten vor dem fraglichen Unfallereignis muss den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben. Diese Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese Einwirkung muss schließlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität; vgl ua BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, Juris RdNr 16; BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 9/10 R - BSGE 107, 197 = SozR 4-2700 § 2 Nr 17, RdNr 10; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 30 RdNr 10 mwN).
- 20
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Die Klägerin hat keine versicherte Tätigkeit verrichtet, war also keine Versicherte und hat deshalb keinen Arbeitsunfall erlitten, als sie ihrem Arbeitgeber das Formular für eine Vorausbescheinigung von Arbeitsentgelt für den Rentenversicherungsträger brachte und dabei auf einer Treppe im Betriebsbereich stürzte. Versicherter ist jemand nur, wenn, solange und soweit er den Tatbestand einer (in der freiwilligen Versicherung nach § 6 Abs 1 SGB VII nur kraft Antrags iS des Abs 2 aaO) versicherten Tätigkeit durch eigene Verrichtungen erfüllt.
- 21
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Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar (BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 22) und (subjektiv) - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Diese auch als "Handlungstendenz" bezeichnete subjektive Ausrichtung des objektiven konkreten Handelns des Verletzten ist eine innere Tatsache.
- 22
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Wenn das beobachtbare objektive Verhalten allein noch keine abschließende Subsumtion unter den jeweiligen Tatbestand der versicherten Tätigkeit erlaubt, diese aber auch nicht ausschließt, kann die finale Ausrichtung des Handelns auf die Erfüllung des jeweiligen Tatbestandes, soweit die Intention objektiviert ist (sog objektivierte Handlungstendenz), die Subsumtion tragen. Die bloße Absicht einer Tatbestandserfüllung (erst recht nicht eine niedrigere Vorsatzstufe) reicht hingegen nicht.
- 23
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Zwar liegt die objektive Grundvoraussetzung der Verrichtung einer versicherten Tätigkeit, das von außen beobachtbare Handeln an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit, mit dem Begehen der Treppe vor. Dieses sehr unspezifische Verhalten lässt aber aus sich heraus keinen Schluss auf die Erfüllung eines bestimmten Tatbestandes einer versicherten Tätigkeit zu. Jedoch steht es in natürlicher Handlungseinheit mit der Überbringung des Formulars, dessen Ausfüllung als Vorausbescheinigung die Klägerin von ihrem Arbeitgeber beanspruchte. Daher kommt, wie die Vorinstanzen zutreffend angesprochen haben, als einziger Tatbestand einer versicherten Tätigkeit der der Beschäftigtenversicherung, also die Tätigkeit als "Beschäftigte" iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII in Betracht.
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Die Klägerin hat die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift sind "Beschäftigte" versichert.
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Das Gesetz stellt für die Versicherteneigenschaft nicht abstrakt auf einen rechtlichen "Status" als "Beschäftigter" ab. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind Rechte auf Versicherungsleistungen nach den §§ 26 ff SGB VII bei Arbeitsunfällen iS des § 8 Abs 1 S 1 SGB VII nur wegen solcher Unfälle vorgesehen, die infolge "einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit)" entstanden sind. Die Tatbestände der versicherten Tätigkeiten sind jeweils gesondert materiell gesetzlich bestimmt und begründen eigenständige "Sparten" der gesetzlichen Unfallversicherung mit eigenen Schutzbereichen. Nur wenn, solange und soweit jemand den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit durch eine eigene Verrichtung erfüllt, ist er gegen Unfälle (§ 8 Abs 1 S 2 SGB VII) versichert, die rechtlich wesentlich durch diese Verrichtung verursacht werden.
- 26
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Deswegen reicht die Fiktion einer Beschäftigung für Personen nach § 7 Abs 1a SGB IV, die wegen Altersteilzeit von der Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt sind, zur Begründung der Versicherteneigenschaft nicht aus. § 7 Abs 1 und 1a SGB IV lassen die unfallversicherungsrechtliche Bedeutung des Rechtsbegriffs "Beschäftigte" iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII unberührt, soweit sie davon abweichen(§ 1 Abs 3 SGB IV). Erforderlich ist auch bei solchen Freigestellten stets die tatsächliche Verrichtung einer Beschäftigung.
- 27
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1. Eine nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als "Beschäftigter" setzt tatbestandlich voraus, dass der Verletzte eine eigene Tätigkeit(vgl auch § 121 Abs 1 SGB VII) in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen (vgl § 7 Abs 1 SGB IV) zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse seiner Verrichtung diesem und nicht ihm selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen (§ 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII).
- 28
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Das ist nur der Fall, wenn
-
seine Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen,
-
er eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht,
-
er eigene unternehmensbezogene Rechte aus der Beschäftigung ausübt.
- 29
-
a) Für die Verrichtung einer Tätigkeit als Beschäftigter iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII kommt es nach dem Wortlaut dieser Vorschrift im Zusammenhang des SGB VII objektiv auf die Eingliederung des Handelns des Verletzten in das Unternehmen eines anderen und subjektiv auf die zumindest auch darauf gerichtete Willensausrichtung an, dass die eigene Tätigkeit unmittelbare Vorteile nur für das Unternehmen des anderen bringen soll. Denn nur unter diesen Voraussetzungen ist nicht der die Tätigkeit Verrichtende selbst Unternehmer im unfallversicherungsrechtlichen Sinne (§ 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII), sondern der andere, der durch sie unmittelbar begünstigt wird. Der "Beschäftigte" verrichtet seine Beschäftigung also nur, wenn er Handlungen in Unterordnung zur selbständigen Tätigkeit eines anderen und zu deren unmittelbaren Förderung vornimmt.
- 30
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b) Auch die Entstehungsgeschichte des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII führt zu diesem Ergebnis.
- 31
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Nach den Gesetzesmaterialien zum Gesetz zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch (Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz
) vom 7.8.1996 (BGBl I 1254) erfasst § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII die Beschäftigten iS des § 7 Abs 1 SGB IV(vgl BT-Drucks 13/2204, S 74 zu § 2 Abs 1 SGB VII). Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (S 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (S 2).
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§ 7 Abs 1 SGB IV ist mit Wirkung vom 1.7.1977 durch Gesetz vom 23.12.1976 (BGBl I 3845, 3846) eingeführt worden. Eine entsprechende Vorschrift gab es bis dahin nicht. Der Begriff der Beschäftigung war jedoch Gegenstand einer umfangreichen Rechtsprechung zu allen Bereichen des Sozialversicherungsrechts, die mit der Begriffsbestimmung zu § 7 SGB IV im Wesentlichen übereinstimmt. Nach § 7 Abs 1 SGB IV liegt eine Beschäftigung zwar immer dann vor, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht; sie kann allerdings auch ohne ein Arbeitsverhältnis gegeben sein (vgl BT-Drucks 7/4122, S 31). Hierin ist eine Konkretisierung und behutsame Weiterentwicklung der in der Rechtsprechung bereits vorher herausgearbeiteten Rechtsgrundsätze zu sehen (vgl Knospe in Hauck/Noftz, SGB IV, Stand August 2009, K § 7 RdNr 9 unter Hinweis auf BSGE 37, 10, 13; 41, 24, 25; 41, 41, 53; vgl zur Entwicklung des § 7 SGB IV in der Folgezeit: Seewald in Kasseler Kommentar, § 7 SGB IV RdNr 1, Stand April 2012 sowie Rittweger in BeckOK SGB IV, § 7 RdNr 1, Stand 1.3.2012). Auch Dienstleistungsverhältnisse anderer Art werden erfasst, soweit das Handeln des Dienstverpflichteten sich in das Unternehmen des Dienstberechtigten einfügt und dessen unmittelbarer Förderung dient.
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Ein Verletzter hat nach den allgemeinen Anhaltspunkten des § 7 Abs 1 SGB VII dann eine Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII ausgeübt, wenn er sich in ein fremdes Unternehmen (eine fremde Arbeitsorganisation) eingliedert und seine konkrete Handlung sich dem Weisungsrecht eines Unternehmers, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Art der Verrichtung, unterordnet(vgl hierzu etwa BSG vom 29.1.1981 - 12 RK 63/79 - BSGE 51, 164, 167 = SozR 2400 § 2 Nr 16 mwN sowie BSG vom 17.3.1992 - 2 RU 22/91 - SozR 3-2200 § 539 Nr 16 S 57). Naturgemäß ist dieses Weisungsrecht besonders bei Diensten höherer Art erheblich eingeschränkt; es genügt für die Unterordnung unter die Tätigkeit des anderen die "funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess" (vgl hierzu schon BSG vom 14.12.1999 - B 2 U 38/98 R - BSGE 85, 214, 216 = SozR 3-2200 § 539 Nr 48 S 202 mwN).
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c) Ferner sind die unfallversicherungsrechtlichen Bedeutungen der Begriffe des "Beschäftigten" und der Verrichtung einer Beschäftigung iS von § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII eigenständig nach dem Zweck dieses Versicherungstatbestandes im Gefüge des SGB VII zu bestimmen.
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Die Schutzzwecke der Beschäftigtenversicherung und ihre Stellung im Rechtssystem begrenzen den Anwendungsbereich des Versicherungstatbestandes des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII gleichfalls auf die oben umschriebenen Voraussetzungen.
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Zweck der Beschäftigtenversicherung ist vor allem anderen der umfassende Unfallversicherungsschutz aller Beschäftigten vor und bei Gesundheitsschäden (oder Tod) infolge der Verrichtung der Beschäftigung, unabhängig davon, ob ein anderer den Unfall überhaupt mitverursacht und ggf dabei rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat.
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Die Versicherung zielt primär auf die Verhütung von Gesundheitsschäden und Tod infolge der Gefahren ab, denen die Beschäftigten gerade durch die Verrichtung der Beschäftigung in Eingliederung in den fremdbestimmten Unternehmensbereich ausgesetzt sind (Prävention nach §§ 14 ff SGB VII). Ferner wird ihnen, falls die Prävention versagt, bei Gesundheitsschäden eine umfassende medizinische Rehabilitation sowie berufliche und soziale Teilhabe gesichert. Zudem werden sie gegen die wirtschaftlichen Folgen einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit oder Minderung der Erwerbsfähigkeit geschützt. Bei unfallbedingtem Tod sollen auch ihre Familienangehörigen gegen den Unterhaltsverlust abgesichert werden.
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Daneben soll die Beschäftigtenversicherung auch den sog Betriebsfrieden nach Unfällen infolge der Verrichtung der Beschäftigung schützen, wenn umstritten sein könnte, ob der Unternehmer (oder ein ihm gesetzlich gleichgestellter Dritter) den Gesundheitsschaden oder den Tod mitverursacht und ggf dabei rechtswidrig und fahrlässig oder sogar grob fahrlässig gehandelt hat und dem Verletzten deswegen nach Zivilrecht/Arbeitsrecht haftet. Da die Versicherung dem Verletzten die Schadensfolgen weitgehend ausgleicht, besteht insoweit kein Bedarf für einen Rechtsstreit zwischen dem Verletzten und dem Unternehmer (oder ihm gleichgestellten Dritten), wenn dieser nicht vorsätzlich gehandelt hat. Deshalb entzieht das SGB VII dem Verletzten insoweit seine ggf nach Zivilrecht entstandenen Schadensersatzansprüche (einschließlich der Schmerzensgeldansprüche) gegen den Unternehmer (§§ 104 bis 109 SGB VII).
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Schließlich bezweckt sie auch eine gerechte Lastenverteilung unter den beitragszahlenden Unternehmern, die durch ihre Umlagebeiträge zu ihrer Berufsgenossenschaft den Versicherungsschutz in der Beschäftigtenversicherung bezahlen. Ein Unternehmer, der den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig mitverursacht hat, haftet dem Unfallversicherungsträger (also mittelbar auch den anderen Unternehmern) auf Ersatz der Ausgaben für Versicherungsleistungen an den Verletzten (§§ 110 bis 113 SGB VII).
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Die Beschäftigtenversicherung hat also in diesem Sinne und in diesen Grenzen eine möglicherweise gegebene zivilrechtliche Haftung der Unternehmer (oder gleichgestellter Dritter) gegenüber den Beschäftigten aus Gefährdungshaftung, Delikt oder aus der Verletzung von arbeitsrechtlichen Schutz- oder Fürsorgepflichten ersetzt (vgl BSG vom 19.12.2000 - B 2 U 37/99 R - BSGE 87, 224 = SozR 3-2200 § 548 Nr 41; Gitter/Nunius in Schulin, HS-UV, § 5 RdNr 28, 51, 119; zu §§ 539 Abs 1 Nr 1, 636 ff RVO: BSG vom 25.10.1989 - 2 RU 26/88 - SozR 2200 § 548 Nr 96; ferner auch BSG vom 26.6.2007 - B 2 U 17/06 R - BSGE 98, 285 = SozR 4-2700 § 105 Nr 2, RdNr 16 ff).
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Sie bildet jeher den Kern des Systems der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl schon § 95 des Unfallversicherungsgesetzes vom 6.7.1884, RGBl 69; §§ 898 f RVO vom 19.7.1911, RGBl 509; die Vorläufervorschrift in § 636 Abs 1 RVO). Sie versichert im genannten Sinn die Beschäftigten unter weitgehendem Ausschluss ihrer zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche nur gegen solche Gesundheits- und Lebensgefahren, die sich spezifisch daraus ergeben, dass sie Tätigkeiten für einen anderen unter Eingliederung in dessen Tätigkeit und nur zu dessen unmittelbarem Vorteil verrichten.
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2. Auch die Entwicklung der Rechtsprechung des BSG zu § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII und dessen Vorgängervorschriften führt zu dem Ergebnis, dass nur unter den drei oben genannten Voraussetzungen eine Beschäftigung verrichtet wird.
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a) Nach der Rechtsprechung des BSG wird eine Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII verrichtet, wenn der Verletzte zumindest dazu ansetzt, eine ihn gegenüber dem Unternehmer treffende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis tatsächlich zu erfüllen.
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aa) Dies ist dann der Fall, wenn die Verrichtung eine Hauptpflicht des Beschäftigten erfüllt, weil sie die vertragsgemäß geschuldete Arbeits- oder Dienstleistung ist (vgl BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, Juris RdNr 18; BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 19; BSG vom 18.3.2008 - B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 14; BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 47/03 R - Juris RdNr 26 - SozR 4-2700 § 8 Nr 11).
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bb) Der Tatbestand der versicherten Tätigkeit iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII wird auch erfüllt, wenn die Verrichtung eine Nebenpflicht des Beschäftigten gegenüber dem Unternehmer aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllen soll.
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Als Nebenpflichten kommen vor allem die Mitwirkungspflichten des Beschäftigten als Gläubiger von Leistungspflichten des Unternehmers (§§ 293 ff BGB) und die Pflichten zur Rücksichtnahme auf dessen Rechte, Rechtsgüter und Interessen in Betracht. Diese seit dem 1.1.2002 in § 241 Abs 2 BGB ausdrücklich normierte Pflicht wurde zuvor aus § 242 BGB hergeleitet(BAG vom 22.1.2009 - 8 AZR 161/08 - Juris RdNr 27, NZA 2009, 608; vgl auch Müller-Glöge in Münchener Kommentar zum BGB, § 611, RdNr 985 f). Arbeitsrechtlich muss jeder Vertragspartner seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis so erfüllen, seine Rechte so ausüben und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Vertragspartners so wahren, wie dies unter Berücksichtigung der wechselseitigen Belange verlangt werden kann (vgl BAG vom 16.2.2012 - 6 AZR 553/10 - Juris RdNr 12, zur Veröffentlichung in BAGE vorgesehen; BAG vom 13.8.2009 - 6 AZR 330/08 - Juris RdNr 31 - BAGE 131, 325; BAG vom 19.5.2010 - 5 AZR 162/09 - Juris RdNr 26 - BAGE 134, 296; Müller-Glöge in Münchener Kommentar zum BGB, § 611, RdNr 984, 1074). Gleiches gilt für Beschäftigte und Unternehmer, die nicht durch ein Arbeitsverhältnis, sondern durch ein anderes Beschäftigungsverhältnis miteinander verbunden sind. Auch für den Beschäftigten zählt dazu die sog Treuepflicht, sich im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses so zu verhalten, dass Leben, Körper, Eigentum und sonstige absolute Rechtsgüter des Unternehmers nicht verletzt werden (vgl dazu BSG vom 18.3.2008 - B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 16).
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Das BSG hat bisher zumeist nicht zwischen Haupt- oder Nebenpflichten des Beschäftigten unterschieden. Die Erfüllung des Tatbestandes des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII (bzw nach früherem Sprachgebrauch: der innere Zusammenhang zwischen der Verrichtung und der versicherten Tätigkeit) wurde als gegeben erachtet, wenn die Verrichtung Teil der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung des Beschäftigten war, bzw dann, wenn der Beschäftigte zur Erfüllung einer sich aus seinem Arbeitsvertrag ergebenden Verpflichtung handelte(vgl BSG vom 30.6.2009 - B 2 U 22/08 R - Juris RdNr 14 - UV-Recht Aktuell 2009, 1040; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 31/07 R - Juris RdNr 11 - UV-Recht Aktuell 2009, 485; so auch noch einleitend, später aber differenzierend BSG vom 18.3.2008 - B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 14; BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 8/06 R - Juris RdNr 12 - UV-Recht Aktuell 2007, 860; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 14; BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 47/03 R - Juris RdNr 26 - SozR 4-2700 § 8 Nr 11).
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Es hat aber seit dem genannten Urteil vom 18.3.2008, insbesondere in seinen Entscheidungen vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - (SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 19) und vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - (Juris RdNr 18 - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen - SGb 2012, 148
), ausdrücklich die Erfüllung beider Pflichtenarten aus dem Beschäftigungsverhältnis als Verrichtung einer versicherten Beschäftigung anerkannt (vgl auch BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 21). Es hat schon im Urteil vom 18.3.2008 (B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 16 ff) entschieden, dass auch die Erfüllung allein einer Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis den Tatbestand der versicherten Tätigkeit iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII zu erfüllen vermag. Den Arbeitnehmer treffe die aus § 241 Abs 2 BGB folgende Nebenpflicht, sich bei der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses so zu verhalten, dass Leben, Körper, Eigentum und sonstige absolute Rechtsgüter des Arbeitgebers nicht verletzt werden. Das Aufstellen eines Warndreiecks sei eine Nebenpflicht eines Beschäftigten, der in Verrichtung der Beschäftigung mit dem Pkw des Unternehmers an einem Verkehrsunfall beteiligt sei. Dadurch würden die Unfallstelle gesichert, der nachfolgende Verkehr gewarnt und damit Folgeschäden vermieden, die sich zu Lasten des Unternehmers auswirken könnten (BSG vom 18.3.2008 - B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 16 ff). Es hat dazu festgestellt, dass der Verletzte durch sein Handeln objektiv seine Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt hatte. Daher kam es nicht darauf an, ob er dabei das Rechtsbewusstsein hatte, auch einer Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis nachzukommen, oder ob er in erster Linie sich und andere schützen und seiner allgemeinen Verkehrssicherungspflicht genügen wollte. Das Bewusstsein, dem Unternehmer rechtlich zu der Handlung verpflichtet zu sein, ist weder notwendige subjektive Voraussetzung des Versicherungstatbestandes der Beschäftigung noch einer Verrichtung einer Beschäftigung. Es reicht, wenn die Intention auch darauf gerichtet war, etwas zu tun, das objektiv dem Unternehmer geschuldet war.
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cc) Eigene Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis gegenüber dem Unternehmer erfüllt der Verletzte auch, wenn er Mitwirkungshandlungen vornimmt, die ihm zu dem Zweck obliegen (vgl §§ 241 Abs 2, 293 ff BGB), dass der Unternehmer seine ihm aus dem Beschäftigungsverhältnis gegenüber dem Beschäftigten treffenden Haupt- oder Nebenpflichten erfüllen kann.
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Das ist der Fall bei Handlungen des Verletzten zwecks Empfangnahme des Lohnes (BSG vom 1.12.1960 - 5 RKn 69/59 - BSGE 13, 178 = SozR Nr 31 zu § 543 RVO unter Bezugnahme auf RVA EuM Bd 20, 31; 26, 165; 33, 270) oder zur Geltendmachung von (vermeintlichen) Fehlern bei der Lohnabrechnung (BSG vom 1.12.1960 - 5 RKn 69/59 - BSGE 13, 178 = SozR Nr 31 zu § 543 RVO) oder zum Abtransport von Deputatholz als Teil der Vergütung (BSG vom 4.5.1999 - B 2 U 21/98 R - SozR 3-2200 § 548 Nr 34). In diesen Fällen ist der Beschäftigte zivilrechtlich gehalten, dem Unternehmer zu ermöglichen, seine Hauptpflicht (§ 611 Abs 1 BGB) zu erfüllen, die Vergütung zur rechten Zeit, am rechten Ort, in rechter Weise und in richtiger Höhe zu leisten (vgl BSG vom 4.5.1999 - B 2 U 21/98 R - SozR 3-2200 § 548 Nr 34 ua unter Hinweis auf BSGE 13, 178 = SozR Nr 31 zu § 543 RVO aF; BSGE 41, 207 = SozR 2200 § 548 Nr 16; BSGE 43, 119, 121 = SozR 2200 § 548 Nr 28).
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Gleiches gilt für eine ggf bestehende Obliegenheit des Beschäftigten, dem Unternehmer die Erfüllung seiner Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis zu ermöglichen. Solche Nebenpflichten des Beschäftigten können sich aus § 241 Abs 2 BGB, der nicht nur in Arbeitsverhältnissen gilt, ergeben. Voraussetzung ist, dass eine solche Haupt- oder Nebenpflicht des Unternehmers bereits entstanden ist und er sie nur erfüllen kann, wenn der Beschäftigte in bestimmter und ihm zumutbarer Weise mitwirkt. Denn der Beschäftigte und der Unternehmer müssen bei ihrem Zusammenwirken jeweils auf das Wohl und die berechtigten Interessen des anderen Rücksicht nehmen (vgl BAG vom 16.11.2010 - 9 AZR 573/09 - BAGE 136, 156 mwN; vgl zu den Einzelheiten Preis in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 12. Aufl 2012, § 611 BGB RdNr 610 ff).
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In diesem Sinn hat das BSG die Verrichtung einer Beschäftigung in einer Mitwirkungshandlung gesehen, als ein Beschäftigter den Weg zum Ort seiner bisherigen Tätigkeit zurücklegte, um sich dort seine Arbeitspapiere aushändigen zu lassen. Der Beschäftigte hatte den Unternehmer in gebotener Rücksichtnahme auf die Belange seines bisherigen Arbeitgebers durch die (beabsichtigte) Empfangnahme der Arbeitspapiere von der diesem obliegenden (nachgehenden) Nebenpflicht entlastet, ihm seine Arbeitspapiere - nach erfolglosem ersten Abholversuch - auf seine Rechnung und Gefahr zu übersenden (BSG vom 30.8.1963 - 2 RU 68/60 - BSGE 20, 23, 25 = SozR Nr 43 zu § 543 RVO aF). Die Verrichtung einer Beschäftigung lag auch bei einer Mitwirkungshandlung des Verletzten vor, der vom Arbeitgeber eine Arbeitsbescheinigung abholte, die er auf Verlangen der Ausländerbehörde für seine weitere Aufenthaltserlaubnis und damit für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses benötigte. Er hat vom Arbeitgeber eine Handlung begehrt, die dieser ihm aus dem Arbeitsverhältnis schuldete; das Abholen der Bescheinigung war vertragsgemäße arbeitsrechtliche Nebenpflicht des Beschäftigten (BSG vom 29.1.1986 - 9b RU 76/84 - Juris RdNr 11 - SozR 2200 § 548 Nr 78).
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b) Keine Verrichtung einer Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII durch Erfüllung einer Nebenpflicht liegt hingegen dann vor, wenn der Verletzte zur Mitwirkungshandlung bei der Pflichtenerfüllung des Unternehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis nicht verpflichtet war. Dasselbe gilt, wenn die Pflicht des Unternehmers nur entstanden ist, weil der Beschäftigte nach freiem Ermessen ein Recht gegen ihn ausgeübt hatte, das nicht auf die Förderung des Unternehmens gerichtet ist und auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, die den Unternehmer hoheitlich für den Staat zugunsten von Verwaltungsverfahren in Dienst nimmt. In beiden Fällen erfüllt nämlich der Beschäftigte keine Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis, sondern begibt er sich freiwillig in den unternehmerischen Gefahrenbereich, um daraus unmittelbar nur eigene Vorteile zu erlangen (sog eigenwirtschaftliche Verrichtung).
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War er zur Mitwirkung nicht verpflichtet, unterlag er dem unternehmerischen Gefahrenbereich nicht kraft des Beschäftigungsverhältnisses, sondern kraft freien Entschlusses, wie zB bei einer Gefälligkeit. Entstand die Pflicht des Unternehmers nicht aus dem Beschäftigungsverhältnis, sondern durch die freiwillige Ausübung eines anderweitig begründeten Rechts des Beschäftigten, ist seine Mitwirkungshandlung an der Durchsetzung seines eigenen Rechts nicht "der Beschäftigung geschuldet", sondern allein der Verfolgung eigener Interessen, also gleichfalls ein freiwilliger Eintritt in den unternehmerischen Gefahrenbereich. Das wird durch die Beschäftigtenversicherung nicht versichert. Denn sie soll nur gegen solche Gefahren begründet werden, denen der Beschäftigte wegen der Ausübung seiner Beschäftigung im fremden Gefahrenbereich, nicht aber aus eigenem Entschluss in Verfolgung nur eigener Belange ausgesetzt ist. Haupt- und Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis sind also nur solche, die das Zusammenwirken des Unternehmers mit dem Beschäftigten zur Förderung der Unternehmenszwecke betreffen. In beiden Fallgruppen fehlt es an der aus der Beschäftigung entstehenden Nebenpflicht des Beschäftigten, in der zweiten außerdem an der Förderung der Unternehmenszwecke.
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In der arbeitsrechtlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass den Arbeitgeber treffende öffentlich-rechtliche Pflichten (zumeist aus dem Steuer- und Sozialversicherungsrecht), die an das Arbeitsverhältnis tatbestandlich anknüpfen und durch die der Arbeitgeber hoheitlich für den Staat in Dienst genommen wird, zugleich zivilrechtliche (arbeitsrechtliche) Nebenpflichten des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis gegenüber dem Arbeitnehmer sind. Sie werden arbeitsrechtlich als Konkretisierungen der privatrechtlichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verstanden (vgl die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen; BAG vom 29.3.2001 - 6 AZR 653/99 - NZA 2003, 105; BAG vom 11.6.2003 - 5 AZB 1/03 - BAGE 106, 269
; BAG vom 15.1.1992 - 5 AZR 15/91 - BAGE 69, 204, 210 .; BAG vom 13.5.1970 - 5 AZR 385/69 - BAGE 22, 332 ; BAG vom 30.1.1969 - 5 AZR 229/68 - BB 1969, 407 ; BAG vom 2.6.1960 - 2 AZR 168/59 - BB 1960, 983 ; Linck in Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 14. Aufl 2011, § 106, RdNr 56 mwN; Ring in Handkommentar zum Arbeitsrecht, 2. Aufl 2010, § 611 BGB, RdNr 658; vgl zum Begriff der Fürsorgepflicht auch Boemke in Handkommentar zum Arbeitsrecht, 2. Aufl 2010, § 611 BGB, RdNr 378 mwN, danach stellt die Fürsorgepflicht selbst keine eigenständige Pflicht, sondern ein Bündel einzelner Nebenpflichten dar und soll nach im Vordringen befindlicher Auffassung sogar ganz fallen gelassen werden)
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Hierauf ist nicht näher einzugehen, da es für die Verrichtung einer Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII nicht entscheidend auf die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht des Arbeitgebers oder deren öffentlich-rechtliche "Konkretisierungen" ankommt. Entscheidend ist, ob der Beschäftigte zur Mitwirkung an der Erfüllungshandlung des Arbeitgebers aus dem Beschäftigungsverhältnis verpflichtet war. Falls überhaupt eine Mitwirkungspflicht bestand, ist er nicht "aus dem Beschäftigungsverhältnis" zur Mitwirkung verpflichtet, wenn der Arbeitgeber seine Handlung nur deshalb vornehmen muss, weil der Beschäftigte ein Recht ohne Bindungen aus dem Beschäftigungsverhältnis im ausschließlich eigenen Interesse ausgeübt hat, das ihm durch öffentliches Recht verliehen wurde.
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c) Ferner verrichtet der Verletzte eine Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII, wenn er in der vertretbaren, aber objektiv irrigen Annahme handelt, dazu aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses verpflichtet zu sein. Die Annahme dieser Pflicht ist vertretbar, wenn der Beschäftigte nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung (ex ante) und nach Treu und Glauben annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht. Die durchgeführte Verrichtung muss objektiviert darauf ausgerichtet sein, die angenommene Pflicht zu erfüllen.
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Die Einbeziehung dieser Fallgruppe der vermeintlichen Pflichterfüllung durch den Beschäftigten rechtfertigt sich aus dem genannten ersten Schutzzweck der Beschäftigtenversicherung. Jeder, der etwas in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen zu dessen unmittelbarem Vorteil tut, muss, außer bei völliger Weisungsabhängigkeit, seine Pflichten kennen. Er kann durch die Beschäftigung aber auch in Umstände geraten, in denen er sofort entscheiden muss, ob ihn eine Haupt- oder Nebenpflicht zur Vornahme bestimmter Handlungen trifft. Dies ist ggf Teil seiner Pflichten aus seiner Beschäftigung.
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In diesem Sinne hat das BSG die Verrichtung einer Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII bejaht, als ein Versicherter aus gutem Grund der Auffassung sein konnte, sich "betriebsdienlich" zu verhalten(BSG vom 18.3.2008 - B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 14 unter Verweis auf BSGE 20, 215, 218 = SozR Nr 67 zu § 542 RVO aF; BSG SozR Nr 30 zu § 548 RVO; BSGE 52, 57, 59 = SozR 2200 § 555 Nr 5). Daher liegt bei einem "nur" eigenwirtschaftlichen Zwecken dienenden Verhalten, also bei einer Handlung mit der Absicht (dolus directus ersten Grades), nur andere Zwecke zu verfolgen als die Erfüllung des Versicherungstatbestandes der Beschäftigung, auch dann keine Verrichtung einer Beschäftigung vor, wenn das Handeln zugleich dem Unternehmen objektiv nützlich ist (BSG vom 18.3.2008 - B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 14 unter Bezugnahme auf BSG vom 25.10.1989 - 2 RU 26/88 - SozR 2200 § 548 Nr 96; BSG vom 20.1.1987 - 2 RU 15/86 - SozR 2200 § 539 Nr 119). Entscheidend ist nur, ob der Verletzte von seinem Standpunkt aufgrund objektiver Anhaltspunkte der Auffassung sein durfte, seine Verrichtung sei von ihm geschuldet, um den Interessen des Unternehmens zu dienen. Dafür reichen aber subjektive Vorstellungen ohne bestätigende objektive Anhaltspunkte nicht aus.
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d) Den Tatbestand einer versicherten Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII erfüllt ein Verletzter schließlich auch dann, wenn er handelt, um eigene unternehmensbezogene Rechte wahrzunehmen. Dabei handelt es sich um die Wahrnehmung von Rechten, die die Regelung innerbetrieblicher Belange zum Gegenstand haben und/oder den Zusammenhalt in der Belegschaft und mit der Unternehmensführung fördern. Hierzu zählen ua:
die Teilnahme an Betriebsversammlungen (vgl hierzu etwa Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 8 RdNr 65, Stand Mai 2011; Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII RdNr 59, Stand Dezember 2011; Schmitt, 3. Aufl 2008, § 8 SGB VII RdNr 40; Schwerdtfeger in Lauterbach, § 8 SGB VII RdNr 179, Stand August 2009; Wagner in jurisPK-SGB VII, § 8 RdNr 103, Stand Mai 2010),
die Tätigkeit als Betriebsratsmitglied bei der Ausübung der im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehenen Aufgaben (vgl etwa BSG vom 20.5.1976 - 8 RU 76/75 - BSGE 42, 36, 37 = SozR 2200 § 539 Nr 19 RdNr 18 und BSG vom 20.2.2001 - B 2 U 7/00 R - SozR 3-2200 § 539 Nr 54; vgl ferner Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 8 RdNr 65, Stand Mai 2011; Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII RdNr 59, Stand Dezember 2011; Schmitt, 3. Aufl 2008, § 8 SGB VII RdNr 38; Schwerdtfeger in Lauterbach, § 8 SGB VII RdNr 180, Stand August 2009; Wagner in jurisPK-SGB VII, § 8 RdNr 102, Stand Mai 2010),
und die Tätigkeiten zur Vorbereitung und Durchführung der zur Bildung der Räte erforderlichen Wahlen (Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 8 RdNr 65, Stand Mai 2011; Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII RdNr 59, Stand Dezember 2011; Schmitt, 3. Aufl 2008, § 8 SGB VII RdNr 40; Schwerdtfeger in Lauterbach, § 8 SGB VII RdNr 180, Stand August 2009; Wagner in jurisPK-SGB VII, § 8 RdNr 103, Stand Mai 2010; vgl hierzu insgesamt zuletzt auch Krasney, SGb 2012, 130).
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3. Die Klägerin hat vor ihrem Treppensturz keine versicherte Beschäftigung im Sinne der abschließend aufgeführten Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII verrichtet.
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Nach § 194 Abs 1 S 1 SGB VI(in der bis zum 31.12.2007 geltenden und damit hier maßgeblichen Fassung, die die Vorschrift durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung
vom 21.7.2004 - BGBl I 1791 - erhalten hatte haben die Arbeitgeber auf Verlangen des Beschäftigten, der für die Zeit nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses eine Altersrente beantragt hat, die Pflicht, das voraussichtliche Arbeitsentgelt bis zu drei Monate im Voraus zu bescheinigen (vgl Finke in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 194 RdNr 1, Stand Juli 1996).)
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Die Klägerin beabsichtigte, von ihrem Arbeitgeber eine sog Vorausbescheinigung iS des § 194 SGB VI zu verlangen. Dazu wollte sie ihm das einschlägige Formular vorlegen und hatte sich deshalb auf das Betriebsgelände begeben. Sie hatte also mit der Verrichtung, deren unfallversicherungsrechtliche Bedeutung hier umstritten ist, begonnen.
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Die Abgabe des Formulars für eine Vorausbescheinigung erfüllt aber weder eine vertragliche Haupt- oder Nebenleistungspflicht der Klägerin aus ihrem Beschäftigungsverhältnis (s sogleich unter a>). Ferner durfte die Klägerin nicht annehmen, sie treffe eine solche Pflicht (dazu unter b>). Schließlich hat sie auch keine unternehmensbezogenen Rechte wahrgenommen (dazu unter c>).
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a) Die Abgabe des Formulars für die Ausstellung der Vorausbescheinigung iS des § 194 SGB VI ist augenfällig keine sich aus dem Beschäftigungsverhältnis ergebende Hauptpflicht der Klägerin.
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Sie hat damit auch keine gegenüber dem Unternehmer treffende Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt, sondern, wie die Vorinstanzen richtig gesehen haben, nur eigene Vorteile angestrebt. Mit ihrem Vortrag, sie habe auch abstrakt denkbare mittelbare Schadensersatzansprüche aus verzögerter Betriebsrentenzahlung vom Arbeitgeber abwehren wollen, hat sie keine solche eigene Nebenpflicht dargetan. Sie hat nicht zur Abwendung von Gefahren, die absolut geschützte Rechtsgüter des Unternehmers betrafen, gehandelt, sondern Gefahren bedacht, die allenfalls mittelbar seinen Vermögensinteressen drohten. Nach den Feststellungen des LSG gab es aber keine allgemeine oder spezielle Vermögensfürsorgepflicht der Klägerin für ihren Arbeitgeber. Hierfür sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich.
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Die beabsichtigte Vorlage des Formulars erfüllte auch keine sie treffende Mitwirkungspflicht, dem Unternehmer dabei Hilfe zu leisten, eine ihm aus dem Beschäftigungsverhältnis ihr gegenüber obliegende Haupt- oder Nebenleistungspflicht zu erfüllen.
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Die begehrte Ausstellung der Vorausbescheinigung durch den Arbeitgeber ist für die Erfüllung seiner Hauptleistungspflicht gegenüber der Klägerin - nämlich seiner Pflicht zur Vergütung iS des § 611 Abs 1 BGB - offensichtlich ohne rechtlichen Belang. Eine Mitwirkungspflicht der Klägerin zur Ermöglichung der Hauptleistung des Arbeitgebers bestand somit nicht.
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Sie hatte zudem keine Mitwirkungspflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis gegenüber ihrem Arbeitgeber, von diesem die Ausstellung einer Vorausbescheinigung zu verlangen und ihm dies dann durch Vorlage des Formulars zu ermöglichen. Aufgrund ihrer Beschäftigung war sie nicht verpflichtet, vom Unternehmer die Vorausbescheinigung zu verlangen, die ausschließlich der Durchsetzung ihres allein gegen den Rentenversicherungsträger gerichteten Rechts auf nahtlose richtige Zahlung der dort beantragten Altersrente diente.
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Dass der Unternehmer allein aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses, ohne § 194 SGB VI, nicht verpflichtet war, eine Vorausbescheinigung zu erteilen, liegt auf der Hand. Daher bestand allein auf dieser Grundlage keine Mitwirkungspflicht der Klägerin. Notwendige Voraussetzungen der Entstehung dieser Pflicht waren das Bestehen einer gesetzlichen Vorschrift, die dem Beschäftigten das Recht gegen den Arbeitgeber gewährt, nach freiem Willen die Ausstellung der Bescheinigung zu verlangen, und die Ausübung dieses Rechts. Dieses dient allein dem privaten Interesse der Klägerin an richtiger Rentenzahlung durch den Rentenversicherungsträger. Dasselbe gilt daher auch für ihre Mitwirkung an der Ausstellung der Vorausbescheinigung durch den Arbeitgeber, dessen Unternehmen dadurch nicht berührt wird.
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Entgegen der Ansicht der Klägerin unterscheidet sich ihr Fall grundlegend von dem der Erteilung einer Arbeitsbescheinigung zur Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis, die auch die Fortführung des Beschäftigungsverhältnisses ermöglichte. Der Arbeitnehmer hat, wie oben schon gesagt, vom Arbeitgeber eine Handlung begehrt, die dieser ihm unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis schuldete; das Abholen der Bescheinigung war vertragsgemäße arbeitsrechtliche Nebenpflicht des Beschäftigten (vgl BSG vom 29.1.1986 - 9b RU 76/84 - SozR 2200 § 548 Nr 78).
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b) Die Klägerin hat ferner keine objektiv nicht geschuldete Handlung vorgenommen in der vertretbaren, aber irrigen Annahme, damit eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen. Die Annahme dieser Pflicht ist nur vertretbar, wenn der Beschäftigte nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung (ex ante) aufgrund objektiver Anhaltspunkte und nach Treu und Glauben annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht (BSG vom 18.3.2008 - B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 14; BSG vom 29.1.1986 - 9b RU 18/85 - BSGE 59, 291 = SozR 2200 § 539 Nr 115 und BSG vom 27.6.1991 - 2 RU 17/90 - Juris RdNr 15; vgl auch Wagner in jurisPK-SGB VII, § 8 RdNr 34 f, Stand Mai 2010).
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Objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin der Auffassung sein durfte, eine vermeintliche eigene Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen, sind jedoch nicht ersichtlich. Die von ihr angenommene Vermögensbetreuungspflicht für das Vermögen des Arbeitgebers besteht nicht.
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c) Schließlich hat die Klägerin durch die beabsichtigte Formularabgabe auch kein eigenes unternehmensbezogenes Recht wahrgenommen. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Handlung die Regelung innerbetrieblicher Belange zum Gegenstand hatte oder sie den Zusammenhalt in der Belegschaft und mit der Unternehmensführung förderte. Vielmehr ging es nur um das eigenwirtschaftliche Interesse an der sofort richtigen Altersrente.
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4. Das Berufungsgericht hat schließlich auch zu Recht darauf hingewiesen, dass eine versicherte Tätigkeit im Sinne einer sog gemischten Tätigkeit nicht vorliegt. Es liegt mit dem Gehen auf der Treppe vor der Abgabe des Formulars für eine Vorausbescheinigung nämlich nur eine einzige Verrichtung vor. Gemischte Tätigkeiten setzen (zumindest) zwei gleichzeitig ausgeübte untrennbare Verrichtungen voraus, von denen (wenigstens) eine den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt.
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Das LSG hat schließlich auch richtig erkannt, dass diese einzige Verrichtung auch nicht auf einer gemischten Motivationslage beruhte. Denn es hat schon nicht festgestellt, dass die Klägerin mit dem Weg zur Vorlage des Formulars zusätzlich noch eine andere Intention hatte als diejenige, die Vorausbescheinigung des Arbeitgebers und dadurch sofort die angestrebte Rentenhöhe zu erhalten.
(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.
(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch
- 1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit, - 2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um - a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder - b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
- 2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird, - 3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden, - 4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben, - 5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.
(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 2012 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls.
- 2
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Die Klägerin ist bei der J. als Altenpflegerin beschäftigt. Sie unternahm am 10.1.2010 während ihrer Rufbereitschaft einen Spaziergang mit ihrem Hund. Beim Überqueren einer Straße klingelte das ihr überlassene Rufbereitschaftshandy. Die Klägerin, die aufgrund ihrer Tätigkeit zur Entgegennahme der auf diesem Handy eingehenden Anrufe verpflichtet ist, nahm das Telefonat an. Kurz nach Beginn des Telefonats, mit dem ein Pflegetermin abgesagt werden sollte, übersah die Klägerin eine schneebedeckte Bordsteinkante. Sie stürzte und zog sich dabei eine Knöchelfraktur zu.
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Die Beklagte lehnte es ab, dieses Geschehen als Arbeitsunfall anzuerkennen, weil es ohne die eigenwirtschaftliche Tätigkeit des Spaziergangs nicht zur Verletzung gekommen wäre (Bescheid vom 13.4.2010, Widerspruchsbescheid vom 29.6.2011). Das SG Duisburg hat diese Verwaltungsentscheidung aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Leistungen aufgrund des Arbeitsunfalls vom 10.1.2010 zu zahlen (Urteil vom 10.4.2012). Das LSG Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der angefochtene Bescheid aufgehoben und festgestellt wird, dass das Ereignis vom 10.1.2010 ein Arbeitsunfall ist. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe sich als Beschäftigte unfallbedingt verletzt. Sie sei im Zeitpunkt des Unfallereignisses einer gemischten Tätigkeit nachgegangen, bei der das pflichtgemäße Telefonieren im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden habe. Da es im Wesen einer Rufbereitschaft liege, Anrufe während einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit anzunehmen, könne es nicht darauf ankommen, ob der Schaden auch ohne die private Handlung eingetreten wäre. Entscheidend sei vielmehr, dass die Klägerin in jedem Fall telefoniert hätte (Urteil vom 18.12.2012).
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Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung der § 2 Abs 1 Nr 1, § 8 Abs 1, § 121 Abs 1, § 122 Abs 2 und § 128 Abs 1 Nr 6 SGB VII. Da sich die Altenpflege nicht der beitragsfreien Unglückshilfe zurechnen lasse, sei nicht sie, sondern die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege zuständig. Die zum Unfallzeitpunkt verrichtete gemischte Tätigkeit sei durch die privatwirtschaftliche Tätigkeit des Spazierengehens geprägt gewesen, die ohne den Sturz den versicherten Einschub überdauert hätte und damit den Versicherungsschutz insgesamt ausschließe. Bei dem Telefonieren habe es sich nur um einen unwesentlichen Nebenzweck gehandelt, der gelegentlich einer privaten Verrichtung verfolgt worden sei. Abgesehen davon fehle es an der Unfallkausalität. Mit dem Sturz habe sich ein durch die eigenwirtschaftliche Verrichtung bedingtes Risiko realisiert.
- 5
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Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 2012 und des Sozialgerichts Duisburg vom 10. April 2012 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
- 6
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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
- 7
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Sie hält die angegriffenen Entscheidungen für zutreffend. Es erscheine nicht sachgerecht, allein den Versicherten das Risiko eines Unfalles während eines Bereitschaftsdienstes aufzubürden.
Entscheidungsgründe
- 8
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Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die vom LSG festgestellten Tatsachen reichen nicht für eine abschließende Entscheidung darüber aus, ob überhaupt ein Arbeitsunfall iS des § 8 SGB VII vorliegt und welcher Verwaltungsträger für dessen Anerkennung zuständig wäre.
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Die Feststellungen des Berufungsgerichts erlauben schon keine Beurteilung, ob die beklagte Unfallkasse des Landes Nordrhein-Westfalen als zuständige Unfallversicherungsträgerin für die Anerkennung des gelten gemachten Arbeitsunfalls und dessen evtl Entschädigung passivlegitimiert ist oder ein anderer Unfallversicherungsträger als leistungspflichtig in Betracht kommt und daher nach § 75 Abs 2 Alt 2 SGG notwendig beizuladen gewesen wäre. Nach § 128 Abs 1 Nr 6 SGB VII sind die Unfallversicherungsträger im Landesbereich zuständig für Personen, die in Einrichtungen zur Hilfe bei Unglücksfällen tätig sind. Zu einer solchen Einrichtung gehört zwar auch der J. Allerdings erstreckt sich die genannte Sonderregelung nicht auf das Unternehmen als Ganzes, sondern nur auf diejenigen Personen, die innerhalb eines Unternehmens in Einrichtungen zur Hilfe bei Unglücksfällen tätig sind und damit eine der staatlichen Gemeinschaft obliegende Aufgabe erfüllen. Maßgebender Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des zuständigen Unfallversicherungsträgers ist die jeweilige Einrichtung, sodass für die bei demselben Unternehmen in Einrichtungen des Gesundheitswesens oder der Wohlfahrtspflege tätigen Mitarbeiter die allgemeinen Zuständigkeitsregeln gelten (BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R - BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2, RdNr 21 f). In welcher Einrichtung die Klägerin für den J. als Altenpflegerin beschäftigt ist, hat das LSG indes nicht festgestellt. Da die Notwendigkeit der Beiladung eines anderen Unfallversicherungsträgers von der Klärung des konkreten Einsatzbereichs der Klägerin abhängt, ist für eine Beiladung im Revisionsverfahren unter den Voraussetzungen des § 168 Satz 2 Alt 2 SGG kein Raum.
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Anhand der vom LSG getroffenen Feststellungen lässt sich auch nicht abschließend beurteilen, ob die Klägerin einen Arbeitsunfall erlitten hat.
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Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 16/11 R - BSGE 111, 52 = SozR 4-2700 § 2 Nr 21, RdNr 10 mwN; vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 26 f; vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 20 ; vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 47 RdNr 12; zuletzt vom 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 10 und - B 2 U 12/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 49 RdNr 14).
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Die Klägerin hat unzweifelhaft durch den Sturz einen Unfall und dadurch einen Gesundheitserstschaden erlitten. Sie war auch zum Unfallzeitpunkt als Beschäftigte kraft Gesetzes versichert. Ihre auf die Beschäftigung bezogene Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses - das Telefonieren - gehörte zur versicherten Tätigkeit und stand daher mit dieser in einem sachlichen Zusammenhang (dazu 1.). Dem steht die weitere Verrichtung des Spazierengehens während des Telefonats und damit das Vorliegen einer gemischten Tätigkeit nicht entgegen (dazu 2.). Allerdings kann aufgrund fehlender Feststellungen des LSG nicht entschieden werden, ob das Unfallereignis und der Gesundheitserstschaden der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind (dazu 3.).
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1. Die Klägerin hat zum Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit als Beschäftigte iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII verrichtet und war damit Versicherte.
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Versicherter iS des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII ist jemand nur, wenn, solange und soweit er den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit durch eigene Verrichtungen erfüllt. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar und (subjektiv) - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Diese innere Tatsache der subjektiven Ausrichtung des objektiven konkreten Handelns des Verletzten wird auch als "Handlungstendenz" bezeichnet. Wenn das beobachtbare objektive Verhalten allein noch keine abschließende Subsumtion unter den jeweiligen Tatbestand der versicherten Tätigkeit erlaubt, diese aber auch nicht ausschließt, kann die finale Ausrichtung des Handelns auf die Erfüllung des jeweiligen Tatbestandes, soweit die Intention objektiviert ist (sog objektivierte Handlungstendenz), die Subsumtion tragen. Die bloße Absicht einer Tatbestandserfüllung reicht hingegen nicht (BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 21 f).
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Ein von außen beobachtbares Handeln an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit liegt bei der Klägerin zum Unfallzeitpunkt in zweifacher Hinsicht vor. Sie hat einerseits telefoniert und andererseits ihren Spaziergang mit dem Hund fortgesetzt. Spätestens mit der Entgegennahme des Anrufs ihrer Kollegin hat die Klägerin die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII erfüllt.
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Eine Tätigkeit als Beschäftigter wird verrichtet, wenn der Verletzte zur Erfüllung eines von ihm begründeten Rechts- und damit Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere eines Arbeitsverhältnisses eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse seiner Verrichtung diesem und nicht ihm selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen. Dabei kommt es objektiv auf die Eingliederung des Handelns des Verletzten in das Unternehmen eines anderen und subjektiv auf die zumindest auch darauf gerichtete Willensausrichtung an, dass die eigene Tätigkeit unmittelbare Vorteile für das Unternehmen des anderen bringen soll. Eine Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII wird daher ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, oder er unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt(BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 27 ff; vom 13.11.2012 - B 2 U 27/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 45 RdNr 23 f; zuletzt vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
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Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat die Klägerin im Unfallzeitpunkt eine versicherte Beschäftigung verrichtet. Sie war nach den nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) verpflichtet, während ihrer Rufbereitschaft auf dem Rufbereitschaftshandy eingehende Anrufe anzunehmen. Mit der Entgegennahme des Anrufs ist sie damit einer sich aus einem zuvor begründeten Rechtsverhältnis ergebenden Pflicht nachgekommen.
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Die Erfüllung des Versicherungstatbestandes (nach früherem Sprachgebrauch: der innere oder sachliche Zusammenhang zwischen der Verrichtung und der versicherten Tätigkeit) der Beschäftigung ist auch subjektiv gegeben. Die darauf abzielende Intention liegt vor, wenn der Verletzte den Willen hat, durch die Verrichtung eine seiner Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen oder die Erfüllung von Vor- und Nachbereitungshandlungen, die das Gesetz versichert, zu ermöglichen, zu fördern oder zu sichern (BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 7/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 48 RdNr 14). Das war bei der Entgegennahme des Anrufs durch die Klägerin offenkundig der Fall.
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2. Dass die Klägerin neben dem Telefonat einer weiteren Verrichtung nachging und ihren Spazierweg mit dem Hund fortsetzte, vermag ihr die Eigenschaft als versicherte Beschäftigte nicht wieder zu entziehen.
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Dadurch, dass die Klägerin beim Überqueren der Straße telefonierte, ist sie einer gemischten Tätigkeit nachgegangen. Gemischte Tätigkeiten setzen (zumindest) zwei gleichzeitig ausgeübte untrennbare Verrichtungen voraus, von denen (wenigstens) eine den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt (grundlegend BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 22; vgl auch BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 75; hierzu Spellbrink, WzS 2011, 351). Das ist hier der Fall. Die Klägerin hat sich sowohl eigenwirtschaftlich und damit unversichert fortbewegt, um mit ihrem Hund spazieren zu gehen, als auch in Ausübung ihrer Beschäftigung als Altenpflegerin und damit versichert telefoniert. Beide gleichzeitig ausgeübten Verrichtungen lassen sich auch nicht in nacheinander liegende Anteile zerlegen (vgl BSG vom 14.11.2013 - B 2 U 27/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 51 RdNr 13). Von der gemischten Tätigkeit ist ein Handeln mit gemischter Motivationslage abzugrenzen. Bei diesem wird nur eine einzige Verrichtung ausgeübt, die aber gleichzeitig sowohl einen privatwirtschaftlichen als auch betrieblichen, auf die Erfüllung eines Versicherungstatbestandes gerichteten Zweck verfolgt. Daher wird auch von Tätigkeiten mit einer gespaltenen Handlungstendenz gesprochen ( BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 23 und vom 18.6.2013 - B 2 U 7/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 48 RdNr 14 mwN). Eine solche Verrichtung mit gemischter Motivationslage erfüllt dann den Tatbestand der versicherten Tätigkeit, wenn das konkrete Geschehen hypothetisch auch ohne die private Motivation des Handelns vorgenommen worden wäre, wenn also die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der versicherten Handlungstendenz findet. Insoweit ist nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten Verrichtung und der objektivierten Handlungstendenz, sondern nur auf die konkrete Verrichtung selbst abzustellen. Es ist zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt (BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 24 mwN).
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An dieser rechtlichen Differenzierung zwischen einer gemischten Tätigkeit und Verrichtungen mit gemischter Motivationslage ist festzuhalten. Sie ist durch die Systematik des Unfallversicherungsrechts geboten, das den Unfallversicherungsschutz nicht abstrakt für einzelne Personengruppen vorsieht, sondern die Versicherteneigenschaft von bestimmten höchstpersönlichen, unvertretbaren Handlungen abhängig macht und deshalb auch eine Zurechnung des Verhaltens Dritter durch positives Tun oder Unterlassen ausschließt (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 23 mwN). In der gesetzlichen Unfallversicherung sind Rechte auf Versicherungsleistungen nach den §§ 26 ff SGB VII bei Arbeitsunfällen iS des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII nur wegen solcher Unfälle vorgesehen, die infolge "einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit)" entstanden sind. Die abschließend genannten Tatbestände der versicherten Tätigkeiten sind jeweils gesondert materiell gesetzlich bestimmt und begründen eigenständige "Sparten" der gesetzlichen Unfallversicherung mit eigenen Schutzbereichen. Nur wenn, solange und soweit jemand den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit durch eine eigene Verrichtung erfüllt, ist er gegen Unfälle versichert, die rechtlich wesentlich durch diese Verrichtung verursacht werden (BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 25 und - B 2 U 16/11 R - BSGE 111, 52 = SozR 4-2700 § 2 Nr 21, RdNr 21 ff; vgl auch Meyer, RV, Beilage zu 5/2014 S 13 f). Für die Beurteilung der Versicherteneigenschaft maßgebender Ausgangspunkt ist damit die unmittelbar vor Eintritt des Unfallereignisses jeweils ausgeübte Verrichtung. Sie ist möglichst konkret zu beschreiben (vgl Krasney, NZS 2013, 681; Spellbrink, WzS 2011, 351, 352). Die Unterscheidung zwischen gemischten Tätigkeiten und Verrichtungen mit gemischter Motivationslage stellt mithin darauf ab, ob der Unfallhergang durch eine oder mehrere höchstpersönliche Handlungen geprägt ist.
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Diese Abgrenzung zwischen gemischten Tätigkeiten und gemischten Motivationslagen führt zu einer je differenzierten Schwerpunktprüfung der Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls. Während bei Verrichtungen mit einer gemischten Motivationslage bereits die Versicherteneigenschaft und damit der sachliche Zusammenhang zwischen der Verrichtung und der versicherten Tätigkeit besonders zu klären ist, steht bei einer gemischten Tätigkeit die Prüfung der Unfallkausalität im Vordergrund. Wie bereits ausgeführt wurde, setzt ein Arbeitsunfall voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist (Voraussetzung 1), diese versicherte Verrichtung zu einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt hat (Voraussetzung 2) und dieses Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (Voraussetzung 3). Da im Falle einer gemischten Motivationslage nur eine einzige Verrichtung, jedoch mit unterschiedlichen Handlungstendenzen vorliegt, ist jeweils zu prüfen, ob das Handeln trotz der mit ihm verbundenen privaten Zweckverfolgung insgesamt betrachtet darauf abzielte, den in Betracht kommenden Versicherungstatbestand zu erfüllen. Demgegenüber ist eine gemischte Tätigkeit gerade dadurch gekennzeichnet, dass zumindest eine von mehreren ausgeübten Verrichtungen den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt. Folglich ist bei diesen Fallgestaltungen bereits positiv geklärt, dass jedenfalls eine Verrichtung im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht und damit die 1. Voraussetzung des Begriffs des Arbeitsunfalls erfüllt ist.
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Ist die Versicherteneigenschaft gegeben, weil zumindest eine Verrichtung kraft Gesetzes versichert war, kann sich im Rahmen der Prüfung des sachlichen Zusammenhangs nicht auch noch die bei Verrichtungen mit einer gemischten Motivationslage zu beantwortende Frage stellen, ob die konkrete versicherte Handlung hypothetisch auch ohne die private Motivation des Geschehens vorgenommen worden wäre. Ein Arbeitsunfall der Klägerin scheidet mithin nicht schon deshalb aus, weil es ohne den eigenwirtschaftlichen Spaziergang mit dem Hund erst gar nicht zu dem Telefonat gekommen wäre. Im Falle einer gemischten Tätigkeit, die begrifflich gerade den sachlichen Zusammenhang zwischen einer Verrichtung und der versicherten Tätigkeit voraussetzt, ist somit die Versicherteneigenschaft nicht erneut (hypothetisch) zu hinterfragen. Vielmehr ist hier als 2. und 3. Voraussetzung des Arbeitsunfalls die Zurechnung des Unfallereignisses und des Gesundheitserstschadens oder Todes zur versicherten Tätigkeit (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität) zu klären (vgl Ziegler, in: SGB VII, Lehr- und Praxiskomm, 4. Aufl 2014, § 8 RdNr 110).
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3. Ob die sturzbedingte Einwirkung auf den Körper der Klägerin und der dadurch verursachte Gesundheitsschaden "infolge" der Verrichtung der versicherten Tätigkeit eingetreten und ihr damit zuzurechnen sind, kann mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des LSG nicht abschließend beurteilt werden.
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Bei der objektiven Verursachung kommt es darauf an, dass die versicherte Verrichtung für das Unfallereignis und dadurch für den Gesundheitserstschaden oder den Tod eine Wirkursache war (BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 31 ff; hierzu auch Ricke, WzS 2013, 241). Wirkursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die infrage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. Insoweit ist Ausgangspunkt die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolges gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Ob die versicherte Verrichtung eine Wirkursache in diesem Sinne war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht (ex post) nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen (gegebenenfalls unter Einholung von Sachverständigengutachten) beantwortet werden (grundlegend BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 55 ff; BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 31 ff).
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Steht die versicherte Tätigkeit als eine der Wirkursachen fest, muss sich auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller weiteren auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr darstellen. Bei dieser reinen Rechtsfrage nach der "Wesentlichkeit" der versicherten Verrichtung für den Erfolg der Einwirkung muss entschieden werden, ob sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll (BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37).
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Welche Ursachen am Eintritt des Unfallereignisses objektiv mitgewirkt haben, hat das LSG nicht dargelegt. Das Berufungsgericht wird daher festzustellen haben, ob das Spazierengehen mit dem Hund oder das Telefonieren eine Wirkursache für den Sturz der Klägerin darstellte. War nach diesen noch zu treffenden Feststellungen das Telefonieren die Wirkursache des Sturzes, so dürfte sich dieser auch bei der anschließenden rechtlichen Wertung als Realisierung einer in den Schutzbereich der Beschäftigtenversicherung fallenden Gefahr darstellen. Waren nach den Feststellungen des LSG beide Verrichtungen jeweils Wirkursachen, so kommt es darauf an, welche dieser tatsächlichen Verrichtungen das Unfallereignis und den Gesundheitserstschaden rechtlich wesentlich herbeigeführt hat. Zu fragen wäre dann, ob der Sturz durch das vom Telefonieren unabhängige Spazierengehen mit dem Hund oder das die Fortbewegung beeinflussende Telefonat rechtlich wesentlich bedingt war.
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Allerdings lässt sich die rechtliche Wesentlichkeit des versicherten Telefonierens als mögliche Wirkursache nicht schon allein auf die Rufbereitschaft der Klägerin an sich zurückführen. Bei einem nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherten Beschäftigten sind zwar Verrichtungen im Rahmen des dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses Teil der versicherten Tätigkeit. Dies bedeutet aber nicht, dass alle Verrichtungen eines Arbeitnehmers im Laufe eines Arbeitstages auf der Arbeitsstätte oder während einer Geschäftsreise versichert sind, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII nur Unfälle "infolge" der versicherten Tätigkeit Arbeitsunfälle sind und es einen sogenannten Betriebsbann nur in der Schifffahrt(§ 10 SGB VII), nicht aber in der übrigen gesetzlichen Unfallversicherung gibt (BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 31/07 R - juris RdNr 11). Dasselbe gilt für eine Rufbereitschaft, die nicht per se und damit für alle während ihrer Dauer ausgeübten Verrichtungen Unfallversicherungsschutz eröffnet. Entscheidend ist auch insoweit, ob sich infolge der während der Rufbereitschaft konkret ausgeübten und versicherten Verrichtung eine durch einen Versicherungstatbestand des SGB VII geschützte Gefahr verwirklicht hat oder ob stattdessen eine unversicherte Wirkursache für das Unfallereignis verantwortlich ist.
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Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern
- 1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien, von nicht gewerbsmäßig betriebenen Unternehmen nach § 123 Abs. 1 Nr. 2 und ihre Ehegatten oder Lebenspartner sowie Fischerei- und Jagdgäste, - 2.
Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind, - 3.
gewählte oder beauftragte Ehrenamtsträger in gemeinnützigen Organisationen, - 4.
Personen, die in Verbandsgremien und Kommissionen für Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften sowie anderen selbständigen Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zielsetzung (sonstige Arbeitnehmervereinigungen) ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen, - 5.
Personen, die ehrenamtlich für Parteien im Sinne des Parteiengesetzes tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen.
(2) Die Versicherung beginnt mit dem Tag, der dem Eingang des Antrags folgt. Die Versicherung erlischt, wenn der Beitrag oder Beitragsvorschuß binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht gezahlt worden ist. Eine Neuanmeldung bleibt so lange unwirksam, bis der rückständige Beitrag oder Beitragsvorschuß entrichtet worden ist.
Tatbestand
- 1
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Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls.
- 2
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Der Kläger ist Vertriebsmanager im Außendienst der D AG. Am 28. Januar 2005 befand er sich mit dem Kraftfahrzeug (Kfz) auf dem Rückweg von einem Kundenbesuch zu seinem Wohnhaus, in dem er seinerzeit mit seiner Ehefrau und dem gemeinsamen im Oktober 2002 geborenen Sohn lebte und auch ein häusliches Arbeitszimmer unterhielt. Er wollte dort seine berufliche Tätigkeit fortsetzen. Auf diesem Weg hielt er an und stieg aus seinem Kfz aus, um seinen Sohn von einer privaten Spielgruppe (musikalische Früherziehung) abzuholen. Hierbei stürzte er auf der Außentreppe des Gebäudes, in dem sich die Spielgruppe befand und zog sich eine Trimalleolarfraktur (Außen- und Innenknöchelfraktur sowie Fraktur der Schienbeinhinterkante) rechts zu.
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Der Sohn des Klägers besuchte die Spielgruppe dienstags und freitags in der Zeit von 9.00 Uhr bis 11.30 Uhr. Außerhalb dieser Zeit wurde er von der Ehefrau des Klägers betreut, die sich in Elternzeit befand. Wegen einer Unpässlichkeit der Ehefrau, die im fünften Monat schwanger war, sollte der Kläger seinen Sohn von dort abholen.
- 4
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Die Beklagte lehnte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Die Teilnahme an einer musikalischen Früherziehung sei schon keine Betreuung, um eine Berufstätigkeit zu ermöglichen. Versicherungsschutz hinsichtlich des Anvertrauens von Kindern in fremder Obhut nach § 8 Abs 2 Nr 2 Buchst a Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) komme nur bei der Unterbrechung eines Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit, nicht aber bei der Unterbrechung eines Betriebsweges in Betracht (Bescheid vom 10. August 2005, Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2006).
- 5
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Das Sozialgericht Würzburg (SG) hat die Beklagte verurteilt, den Unfall vom 28. Januar 2005 als Arbeitsunfall anzuerkennen und dem Grunde nach zu entschädigen (Urteil vom 13. Dezember 2006). Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 28. Oktober 2008). § 8 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VII sei entsprechend anzuwenden, wenn ein Versicherter einen Betriebsweg unterbreche, um sein Kind fremder Obhut anzuvertrauen.
- 6
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Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 8 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VII. Die Norm sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht, auch nicht analog anwendbar.
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Die Beklagte beantragt,
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unter Aufhebung der Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Oktober 2008 und des Sozialgerichts Würzburg vom 13. Dezember 2006 die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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Er stützt sich auf die Ausführungen des LSG.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet.
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Im Revisionsverfahren ist nur noch darüber zu entscheiden, ob das Ereignis vom 28. Januar 2005 ein Arbeitsunfall ist. Auf diese Feststellung hat der Kläger im Revisionsverfahren sein Klagebegehren beschränkt.
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Das Ereignis vom 28. Januar 2005 ist kein Arbeitsunfall.
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Nach § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; vgl ua BSG, Urteil vom 18. November 2008 - B 2 U 27/07 R -SozR 4-2700 § 8 Nr 30 RdNr 10).
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Der Kläger war zur Zeit des Unfallereignisses als Vertriebsmanager im Außendienst der D AG tätig und damit Beschäftigter iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Der Kläger erlitt am 28. Januar 2005 bei dem Sturz, der zu einer Trimalleolarfraktur rechts führte, auch einen Unfall.
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Dieser Unfall ist jedoch kein Arbeitsunfall, weil die Verrichtung des Klägers zur Zeit des Unfallereignisses - das Betreten der Außentreppe eines Gebäudes, um seinen Sohn von der musikalischen Früherziehung abzuholen - nicht im sachlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit stand.
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1. Der Kläger befand sich zwar zunächst auf einem versicherten Betriebsweg. Ein solcher unterscheidet sich von Wegen nach und von dem Ort der Tätigkeit, die nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII versichert sind, dadurch, dass er im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und nicht lediglich der versicherten Tätigkeit vorausgeht oder sich ihr anschließt. Ein solcher Weg ist Teil der versicherten Tätigkeit (vgl BSG, Urteil vom 7.9.2004 - B 2 U 35/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 6 RdNr 13) .
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Der beim Zurücklegen von Betriebswegen bestehende Versicherungsschutz ist aber unterbrochen worden. Der Kläger hat während des Zurücklegens des Betriebswegs sein Kfz angehalten und ist ausgestiegen, um zu der Spielgruppe zu gehen, von der er seinen Sohn abholen wollte. Nach seiner Handlungstendenz (vgl BSG, Urteile vom 2. Dezember 2008 - B 2 U 15/07 R und B 2 U 1B 2 U 17/07 R - jeweils juris RdNr 14 mwN) hat er sein Kfz verlassen, um eine private Verrichtung vorzunehmen. Er hat damit den versicherten (Betriebs)Weg unterbrochen (BSG, Urteil vom 9. Dezember 2003 - B 2 U 23/03 R - BSGE 91, 293 RdNr 19 = SozR 4-2700 § 8 Nr 3 RdNr 18) . Die Zäsur im Versicherungsschutz durch das Verlassen des Kfz zum Einschieben einer eigenwirtschaftlichen Verrichtung gilt nicht nur für Wegeunfälle, sondern auch für Betriebswege . Die eingeschobene private Verrichtung war auch noch nicht wieder beendet, als der Unfall geschah, denn der Kläger hatte den Betriebsweg im Unfallzeitpunkt noch nicht wieder aufgenommen (vgl BSG, Urteil vom 10. Oktober 2006 - B 2 U 20/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 19 RdNr 16; zur eingeschränkten Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Lösung vom Betrieb auf Wegen nach und von dem Ort der Tätigkeit für Betriebswege s aber BSG, Urteil vom 24. Oktober 1985 - 2 RU 3/84 - SozR 2200 § 548 Nr 76) .
- 18
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Bei der eingeschobenen privaten Verrichtung handelte es sich schließlich nicht nur um eine geringfügige Unterbrechung, während der der Versicherungsschutz fortbestehen kann. Eine Unterbrechung ist nur geringfügig, wenn sie auf einer Verrichtung beruht, die ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" zu erledigen ist (vgl BSG, Urteil vom 2. Dezember 2008 - B 2 U 17/07 R - juris RdNr 18 mwN). Das ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn wie hier der Verkehrsraum verlassen und ein privates Grundstück betreten wird.
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2. Versicherungsschutz besteht ferner nicht nach § 8 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VII - weder in direkter (a.) noch analoger Anwendung (b.).
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Nach dieser Norm sind versicherte Tätigkeiten auch das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um Kinder von Versicherten, die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen.
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a) Der Tatbestand dieser Vorschrift ist nicht erfüllt, eine unmittelbare Anwendung der Norm scheidet daher aus.
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Durch die Vorschrift werden bestimmte, vom Unfallversicherungsschutz nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII nicht erfasste Um- oder Abwege (vgl BSG, Urteil vom 30. September 1980 - 2 RU 23/79 - SozR 2200 § 550 Nr 45) in den Versicherungsschutz einbezogen (BSG, Urteil vom 28. April 2004 - B 2 U 20/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 4 RdNr 10) . Der Kläger befand sich aber nicht auf einem unmittelbaren Weg von oder nach dem Ort seiner (eigentlich versicherten) Tätigkeit, als er den Umweg eingelegte, auf dem sich der Unfall ereignete. Vielmehr ist er von einem Betriebsweg abgewichen.
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Es erscheint schon fraglich, ob der Kläger das Kind "wegen seiner … beruflichen Tätigkeit" fremder Obhut anvertraut hat. Diese Voraussetzung kann nicht allein deshalb bejaht werden, weil ein Elternteil eine versicherte Tätigkeit ausübt und das Kind fremder Obhut anvertraut. Der Wortlaut der Vorschrift ("wegen") sowie Sinn und Zweck der Norm (s unter 2 b) verlangen vielmehr, dass das Kind fremder Obhut mit der Handlungstendenz anvertraut wird, die versicherte Tätigkeit ausüben zu können. Nicht erfasst werden daher die Fälle, in denen das Kind unabhängig davon in fremde Obhut verbracht wird, ob der Versicherte seine Beschäftigung alsbald aufnehmen will, beispielsweise zur Ausübung eines Hobbys des Kindes. In solchen Fällen kann das Zurücklegen eines Weges dem Versicherten nur eine Gelegenheit dafür bieten, das Kind aus anderen Gründen als der Tätigkeit des Versicherten fremder Obhut anzuvertrauen.
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b) Für eine analoge Anwendung des § 8 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VII auf den vorliegenden Sachverhalt fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke.
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Ein Analogieschluss setzt voraus, dass die geregelte Norm analogiefähig ist, das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von denselben Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Analogie ist die Übertragung der Rechtsfolge eines geregelten Tatbestandes auf einen ihm ähnlichen, aber ungeregelten Sachverhalt. Dieser beruht dann - in Anlehnung an Art 3 Abs 1 Grundgesetz - auf der Forderung normativer Gerechtigkeit, Gleichartiges gleich zu behandeln (vgl BSG, Urteil vom 23. November 1995 - 1 RK 11/95 - BSGE 77, 102, 104 = SozR 3-2500 § 38 Nr 1 S 3; BSG, Urteil vom 28. April 2004 - B 2 U 20/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 4 RdNr 15).
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Hierzu genügt es nicht, dass dem abweichenden Weg irgendeine versicherte Tätigkeit vorausgeht, zB das Zurücklegen eines Betriebswegs. Insoweit besteht zwar eine vergleichbare Interessenlage dergestalt, dass auch damit die Verbringung oder Abholung eines beaufsichtigungsbedürftigen Kindes, das sich typischerweise allein nicht sicher im Straßenverkehr bewegen kann und so zur selbstständigen Zurücklegung dieser Wege nicht in der Lage ist, verbunden werden kann (vgl BSG, Urteil vom 28. April 2004 - B 2 U 20/03 R - § 8 Nr 4 RdNr 18) . Eine analoge Anwendung eines Gesetzes kann jedoch nicht allein mit einer vergleichbaren Interessenlage begründet werden. Erforderlich ist vielmehr zunächst eine planwidrige Regelungslücke. Der analogiefähige § 8 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VII enthält in Bezug auf den vorliegenden Sachverhalt jedoch keine Lücke (so im Ergebnis auch Schlaeger NZS 2009, 559 ff; aA, aber ohne Begründung Ricke in KassKomm, Stand Oktober 2008, § 8 SGB VII RdNr 223; Keller in Hauck, SGB VII, Stand Dezember 2007, K § 8 RdNr 256; Schmitt, SGB VII, 4. Aufl, 2009, § 8 RdNr 242; G. Wagner in jurisPK-SGB VII, 2009, § 8 RdNr 212; vgl in diesem Zusammenhang auch BSG, Urteil vom 20. März 2007- B 2 U 19/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 23 RdNr 17 ff) .
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Der Senat geht von einer planwidrigen Regelungslücke aus, wenn der zu beurteilende Sachverhalt vom Gesetzgeber übersehen wurde oder er sich erst nach Erlass des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben hat (BSG, Urteil vom 28. April 2004 - B 2 U 20/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 4 RdNr 15 mwN; BSG, Urteil vom 20. März 2007 - B 2 U 19/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 23 RdNr 17) .
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Dass der Gesetzgeber die Frage des Unfallversicherungsschutzes auf von Betriebswegen abweichenden Wegen, die vorgenommen werden, um ein im gemeinsamen Haushalt mit dem Versicherten lebendes Kind wegen der beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen, übersehen hat, kann nicht angenommen werden.
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Mit Einführung dieser Regelung als § 550 Satz 2 Reichsversicherungsordnung
(vgl § 2 Nr 1 des Gesetzes über Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten vom 18. März 1971 - BGBl I 237) , die schließlich inhaltlich unverändert in § 8 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VII übernommen wurde (vgl BSG, Urteil vom 28. April 2004 - B 2 U 20/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 4 RdNr 13) , sollte der Versicherungsschutz für Berufstätige, die ein Kind während der Arbeitszeit fremder Obhut anvertrauen und den hierzu notwendigen Weg mit dem Weg zu ihrer Arbeitsstätte verbinden, erweitert werden. Namentlich Frauen sollte dadurch eine berufliche Tätigkeit ermöglicht werden, die, so die Begründung, nur berufstätig sein könnten, wenn ihre Kinder während der Arbeitszeit versorgt sind (Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 30. Oktober 1970 ). Damit ging es zwar um eine Erweiterung der in § 548 RVO (jetzt: § 8 Abs 1 SGB VII) umschriebenen eigentlich versicherten Tätigkeiten. Die Erweiterung des Versicherungsschutzes beschränkte sich allerdings auf § 550 RVO (BT-Drucks, aaO: "…während ihrer Arbeitszeit fremder Obhut anvertrauen und den hierzu notwendigen Weg mit dem Weg zu ihrer Arbeitsstätte verbinden.") . Damit sparte der Gesetzgeber nicht nur Abweichungen von Betriebswegen aus, sondern etwa auch die Konstellation, dass ein Versicherter sein Kind zunächst mit zur Arbeitsstätte nimmt, dann aber während der Arbeitszeit von dort aus aufbricht, das Kind in fremde Obhut zu bringen; etwa weil am Ort der Arbeitsstätte keine durchgängige Betreuungsmöglichkeit besteht.
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Dass dem Bundesgesetzgeber darüber hinaus bei Erlass des Gesetzes vom 18. März 1971 (aaO) die Abgrenzung des Betriebsweges von dem durch Art 2 des Zweiten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 14. Juli 1925 (RGBl I, 97) in die RVO aufgenommenen sog "Arbeitsweg" vor Augen stand, ergibt sich aus in den Materialien erwähnten Konstellationen, die nach bisherigem Recht versichert seien (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 30. Oktober 1970
) . Diese sind ersichtlich der Entscheidung des BSG vom 29. April 1970 (Az 2 RU 113/69 - SozR Nr 9 zu § 550 RVO) entnommen.
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Ebenso wie der Weg nach und von der Arbeitsstätte oder einer anderen versicherten Tätigkeit (vgl BSG, Urteile vom 2. Dezember 2008 - B 2 U 15/07 R und B 2 U 1B 2 U 17/07 R - jeweils juris RdNr 13) wird der in § 8 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VII beschriebene Weg zwar nicht aus privaten Interessen, sondern wegen der (eigentlich) versicherten Tätigkeit unternommen. Der Gesetzgeber hat in § 8 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VII aber gerade keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz dergestalt aufgestellt, dass auf allen von versicherten Wegen abweichenden Wegen Versicherungsschutz besteht, wenn diese mit der Handlungstendenz vorgenommen werden, sein Kind fremder Obhut anzuvertrauen.
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Die Entscheidung darüber, ob Versicherungsschutz auch auf von Betriebswegen abweichenden Wegen zugestanden wird, steht damit, namentlich aus Gründen der Rechtssicherheit, allein dem Gesetzgeber zu. Dies ergibt sich aus § 31 SGB I, der den Grundsatz des Vorbehaltes des Gesetzes einfachgesetzlich auch für den Bereich der leistungsgewährenden Verwaltung normiert ("Rechte").
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Soweit der erkennende Senat bislang eine analoge Anwendung auch dann in Betracht gezogen hat, wenn die Regelung eines Sachverhalts bewusst ausgespart worden ist, weil seine rechtliche Bewertung der Rechtsprechung überlassen werden soll (BSG, Urteil vom 28. April 2004 - B 2 U 20/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 4 RdNr 15 mwN; BSG, Urteil vom 20. März 2007 - B 2 U 19/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 23 RdNr 17) , liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Anhaltspunkte für derartige Überlegungen des Bundesgesetzgebers sind nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz.
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. April 2010 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 2. Dezember 2008 zurückgewiesen.
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Außergerichtliche Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Umstritten ist zwischen den Beteiligten die Feststellung eines Arbeitsunfalls.
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Der 1976 geborene Kläger war als Verwaltungsangestellter im Außendienst bei der Stadt L. beschäftigt, um den ruhenden Verkehr zu überwachen, und wohnte in der sog H.-Siedlung in L.-A.
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Am Nachmittag des 31.3.2006 erhielt der Kläger, der seinen Dienst um 12.00 Uhr angetreten hatte, an seinem Einsatzort in L.-Süd die telefonische Nachricht, dass er auf dienstliche Anweisung zusammen mit seinem Kollegen L. zunächst den Theaterparkplatz in L.-Mitte überwachen und anschließend in der H.-Siedlung in L.-A. parkende Lastkraftwagen kontrollieren sollte. Der Kläger fuhr mit seinem privaten Pkw zum T.-Parkplatz in L.-Mitte, stellte sein Fahrzeug ab und nahm die Überwachungstätigkeit auf. Er vereinbarte mit seinem Kollegen, dass er seine Pause, die 30 Minuten betrug, dafür nutzen wolle, zu der in der Innenstadt gelegenen Werkstatt zu fahren, in der sich sein Motorrad zur Wartung befand. Der Kläger wollte dort nachfragen, ob die Wartung abgeschlossen sei.
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Nachdem er und sein Kollege die Überwachungstätigkeit auf dem T.-Parkplatz gegen 16.30 Uhr beendet hatten, fuhren sie im Pkw des Kollegen zur Werkstatt. Die Wartung des Motorrads war abgeschlossen. Der Kläger vereinbarte mit seinem Kollegen, dass er mit dem Motorrad zu der in der H.-Siedlung gelegenen Wohnung des Klägers fahren sollte, damit der Kläger sein Motorrad dort abstellen konnte und um von dort aus die Ermittlungen aufzunehmen. Der Kollege sollte mit seinem Pkw dorthin kommen.
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Gegen 16.40 Uhr trat der Kläger mit dem Motorrad die Fahrt von der Werkstatt in Richtung L.-A. an. Er befuhr die A. Straße in Richtung L.-A., als er gegen 16.48 Uhr mit einem in diese Straße einbiegenden Fahrzeug kollidierte. Dabei zog er sich eine Beckenring- und Oberschenkelfraktur zu.
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Die Stadt L. meldete den Unfall dem Rechtsvorgänger der Beklagten, dem Gemeindeunfallversicherungsverband Westfalen-Lippe. Mit Bescheid vom 26.6.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2007 wurde die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe sein Motorrad in der Arbeitspause von der Werkstatt zu seiner Wohnung bringen wollen. Diese private Tätigkeit sei unversichert. Dass der sich anschließende Weg zum nächsten Einsatzort nicht mehr so weit gewesen sei, begründe keinen Versicherungsschutz.
- 7
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Das SG hat die Klage, die auf die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Arbeitsunfalls gerichtet war, mit Urteil vom 2.12.2008 abgewiesen.
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Das LSG Nordrhein-Westfalen hat das Urteil des SG geändert und entsprechend dem im Berufungsverfahren geänderten Antrag des Klägers unter Aufhebung der angefochtenen Ablehnungsentscheidung festgestellt, dass der Unfall vom 31.3.2006 ein Arbeitsunfall ist. Die zum Unfall führende Fahrt habe nicht trennbar sowohl unversicherten privaten als auch versicherten Zwecken gedient. Als sog gemischte Tätigkeit habe die Fahrt unter Versicherungsschutz gestanden, weil sie auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck - das Nach-Hause-Bringen des Motorrads - entfallen wäre. Wäre das Motorrad nicht in der Werkstatt gewesen, wäre der Kläger nach der Pause mit dem Kollegen in dessen Privat-Pkw zum nächsten Einsatzort gefahren. Der Kläger sei arbeitsrechtlich nicht gehalten gewesen, seine Dienstfahrten in einer bestimmten Weise - zB zusammen mit dem Kollegen oder mit einem Pkw - zurückzulegen. Er hätte vom Einsatzort in L.-Stadtmitte bei Wahl der kürzesten Wegstrecke über die A. Straße zu seinem neuen Einsatzort gelangen müssen.
- 9
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Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und die Verletzung von § 8 SGB VII gerügt. Die unfallbringende Fahrt habe nicht im erforderlichen sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Überwachungstätigkeit gestanden. Der Kläger habe die versicherte Tätigkeit vorerst beendet gehabt und sich durch das rein privatwirtschaftliche Aufsuchen der Werkstatt in seiner Pause von der betrieblichen Tätigkeit gelöst. Der Weg ab der Werkstatt sei maßgeblich von den eigenwirtschaftlichen Interessen des Klägers - Verbringung des Motorrads zur Wohnung - geprägt, denn für die Wahl des Zeitpunkts und des Verkehrsmittels seien andere Gründe maßgebend gewesen als die Absicht, den nächsten Ort der Tätigkeit zu erreichen. Aus Sicht eines unbeteiligten Dritten sei das Aufsuchen der Werkstatt, die Auslösung des Motorrads und dessen Verbringung an den Wohnort eine einheitliche, eigenwirtschaftliche Handlung. Die reine Streckenidentität mit dem Weg zwischen den Einsatzgebieten genüge nicht zur Begründung von Versicherungsschutz, der auch nicht nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII oder § 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII in Betracht komme.
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Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 13.4.2010 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG Dortmund vom 2.12.2008 zurückzuweisen.
- 11
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
- 12
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Er hält das Urteil des LSG für zutreffend. Er sei nur mit dem Motorrad nach L.-A. gefahren, weil es sich wegen des in der Nähe seiner Wohnung gelegenen Einsatzortes angeboten habe und nicht, weil er das Motorrad "zu sich nach Hause bringen wollte". Mit Antritt der Fahrt ab der Werkstatt habe er nach außen erkennbar seinen Dienst wieder angetreten.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des LSG-Urteils und Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG begründet, denn das LSG hat zu Unrecht das klageabweisende Urteil des SG geändert und unter Aufhebung des Bescheides vom 26.6.2007 idF des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2007 einen Arbeitsunfall festgestellt.
- 14
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Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG den Antrag einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1, § 55 Abs 1 Nr 1 SGG gestellt. Das LSG hat sachlich über diesen Klageantrag entschieden und so den Übergang des Klägers von einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf eine Anfechtungs- und Feststellungsklage im Berufungsverfahren bindend zugelassen (§ 153 Abs 1 SGG iVm § 99 Abs 4 SGG; vgl BSGE 48, 159, 162; BSG vom 4.5.1999 - B 2 U 89/98 B; Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl 2008 § 99 RdNr 15). Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage erweist sich als zulässig. Denn die grundsätzliche prozessrechtliche Nachrangigkeit der Feststellungsklage steht der Zulässigkeit der mit der Anfechtungsklage verbundenen Feststellungsklage nach ständiger Rechtsprechung des Senats in Fällen der vorliegenden Art nicht entgegen (vgl BSG vom 27.4.2010 - B 2 U 23/09 R - Juris RdNr 9; BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 46/03 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 3 RdNr 4 f; Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 25 RdNr 8). Begehrt der Versicherte allein die von dem Unfallversicherungsträger abgelehnte Feststellung des Vorliegens eines Versicherungsfalls, kann er durch die Verbindung einer Anfechtungs- mit einer Feststellungsklage ggf unmittelbar eine gerichtliche, von der Verwaltung nicht mehr beeinflussbare Feststellung erlangen.
- 15
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Entgegen der Entscheidung des LSG war der Unfall des Klägers vom 31.3.2006 kein Arbeitsunfall nach § 8 SGB VII.
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Nach § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (vgl ua BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196, 198 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 RdNr 10 mwN; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 30 RdNr 10 mwN).
- 17
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Der Kläger war zwar zur Zeit des Unfallereignisses Beschäftigter iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII und hat am 31.3.2006 einen Unfall mit der Folge eines Gesundheitsschadens erlitten.
- 18
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Dieser Unfall ist jedoch kein Arbeitsunfall, da die vom Kläger im Zeitpunkt des Unfallereignisses ausgeübte Verrichtung - die Motorradfahrt von der Werkstatt zur eigenen Wohnung in der H.-Siedlung - nicht im inneren bzw sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden hat. Es handelt sich weder um eine versicherte Tätigkeit nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII (dazu sogleich unter 1.) noch um das Zurücklegen eines mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Wegs nach oder von dem Ort der Tätigkeit nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII (dazu unter 2.) noch um ein mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängendes Verwahren, Befördern, Instandhalten oder Erneuern eines Arbeitsgeräts nach § 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII (dazu unter 3.).
- 19
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1. Mit der Motorradfahrt zum Unfallzeitpunkt erfüllte der Kläger keine arbeitsvertragliche Haupt- oder Nebenpflicht, die ihm als Verwaltungsangestellten zur Kontrolle des ruhenden Verkehrs oblag, insbesondere legte er keinen Betriebsweg zurück, der Teil der versicherten Tätigkeit iS von § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII wäre.
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Ein Betriebsweg unterscheidet sich von anderen Wegen dadurch, dass er im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und nicht - wie Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit iS von § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII - der versicherten Tätigkeit lediglich vorausgeht oder sich ihr anschließt(vgl hierzu BSG Urteil vom 12.1.2010 - B 2 U 35/08 R - Juris RdNr 16). Entscheidend für die Beurteilung, ob ein Weg im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ist die objektivierte Handlungstendenz des Versicherten, ob also der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (vgl BSG vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 19 RdNr 14). Als objektive Umstände, die Rückschlüsse auf die Handlungstendenz zulassen, ist beim Zurücklegen von Wegen insbesondere von Bedeutung, ob und inwieweit Ausgangspunkt, Ziel, Streckenführung und ggf das gewählte Verkehrsmittel durch betriebliche Vorgaben geprägt werden.
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Die Motorradfahrt als konkrete Verrichtung des Klägers zum Zeitpunkt des Unfallereignisses, die nach den Feststellungen des LSG zugleich betrieblichen und privaten Zwecken dienen sollte, beruhte angesichts der objektiven Umstände nicht auf der vom LSG bindend festgestellten betrieblichen Handlungstendenz.
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Der Kläger verrichtete keine "gemischte Tätigkeit", da diese zumindest zwei gleichzeitig ausgeübte untrennbare Verrichtungen voraussetzt, von denen (wenigstens) eine im sachlichen Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit steht, während die Motorradfahrt des Klägers eine einzige Verrichtung war. Denn eine "Verrichtung" ist nur ein konkretes, also auch räumlich und zeitlich bestimmtes Verhalten, das seiner Art nach von Dritten beobachtbar ist. Die Motorradfahrt ist aus Sicht eines objektiven Betrachters eine einzige einheitliche Verrichtung, selbst wenn sie unterschiedlichen Zwecken dient. Die Motorradfahrt ist die konkrete Verrichtung, durch die der Kläger von der Werkstatt aus sein Motorrad zur Wohnung fahren und selbst zum nächsten Einsatzort gelangen wollte. Deswegen kann die konkrete Verrichtung des Klägers zum Unfallzeitpunkt entgegen der Formulierung im LSG-Urteil nicht abstrakt als "Fahrt" bezeichnet werden ohne Angabe des Fortbewegungsmittels. Eine "Fahrt" ohne Verkehrsmittel ist nicht möglich, sodass schon die Definition der zum Unfallzeitpunkt vorgenommenen konkreten Verrichtung des Klägers die Angabe eines Transportmittels voraussetzt.
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Die Motorradfahrt zur klägerischen Wohnung war eine Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz bzw mit gemischter Motivationslage (vgl BSG vom 12.5.2009 - B 2 U 12/08 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 33 RdNr 16), denn sie erfolgte sowohl mit privatwirtschaftlicher als auch mit betrieblicher Handlungstendenz. Eine betriebliche, den sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit begründende Handlungstendenz des Beschäftigten liegt vor, wenn er den Willen hat, durch die Verrichtung eine seiner Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen oder die Erfüllung von Vor- und Nachbereitungshandlungen, die das Gesetz versichert, zu ermöglichen, zu fördern oder zu sichern. Nach den Feststellungen des LSG hatte der Kläger zwei Ziele. Er wollte zwecks Wiederaufnahme seiner Beschäftigung weisungsgemäß seinen nächsten Einsatzort erreichen, also den Weg auch als "Betriebsweg" zurücklegen (betriebliche Handlungstendenz) und er wollte sein Motorrad an seiner Wohnung abstellen (privatwirtschaftliche Handlungstendenz). Bei der "Handlungstendenz" handelt es sich um eine sog innere Tatsache. Daher sind diese von der Beklagten nicht gerügten Feststellungen des LSG für den Senat bindend.
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Eine solche Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz steht dann im inneren bzw sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre (vgl BSG vom 12.5.2009 - B 2 U 12/08 R - aaO), wenn also die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der betrieblichen Handlungstendenz findet. Insoweit ist nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten Verrichtung und der objektivierten Handlungstendenzen, sondern nur auf die konkrete Verrichtung selbst abzustellen. Es ist zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt. Die Ausführungen des LSG darüber, was vermutlich geschehen wäre, wenn der Kläger zur Unfallzeit nicht mit seinem Motorrad von der Werkstatt zu seiner Wohnung gefahren wäre, enthalten keine maßgeblichen Tatsachenfeststellungen. Denn sie befassen sich mit hypothetischen Geschehensabläufen außerhalb der konkreten Verrichtung "Motorradfahrt", die als nicht erfolgte Ereignisse keine (feststellbaren) Tatsachen sind.
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Nach den objektiven Umständen lässt die tatsächlich erfolgte Motorradfahrt des Klägers von der Werkstatt zur Wohnung einen sachlichen Zusammenhang mit der verrichteten Tätigkeit, hier zB sich zum nächsten Einsatzgebiet zu begeben, nicht deutlich werden. Der betriebliche Zweck, sich (von einem) zum nächsten Einsatzgebiet zu begeben, vermag nach den objektiven Umständen nicht zu erklären, dass die Fahrt an der Werkstatt beginnt, dass als Ziel im nächsten Einsatzgebiet gerade die Wohnung des Klägers gewählt worden ist und die Fahrt auf dem Motorrad erfolgt anstatt einer Fahrt mit dem eigenen Pkw oder einer Fahrt als Beifahrer im Pkw des Kollegen. Vorliegend wurden Ausgangsort, Ziel und das genutzte Verkehrsmittel nicht durch betriebliche Erfordernisse bestimmt, sondern finden ihren Grund in der privaten Motivation des Klägers, sein Motorrad von der Werkstatt zur eigenen Wohnung zu fahren.
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In rechtlicher Wertung sprach nichts dafür, dass die berufliche Handlungstendenz, die private Motivation weggedacht, zu der unfallbringenden Motorradfahrt des Klägers geführt hätte. Ohne die private Motivation, das Motorrad von der Werkstatt zur Wohnung zu fahren, wäre insbesondere nicht das Motorrad als Verkehrsmittel gewählt worden und die konkrete, zum Unfallzeitpunkt ausgeübte Verrichtung - nämlich die Motorradfahrt auf der A. Straße in Richtung der Wohnung - wäre nicht erfolgt. Das Führen eines Motorrads ist objektiv eine andere Verrichtung als eine Fahrt mit dem eigenen Pkw oder als Beifahrer im Pkw des Kollegen.
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Dass der Kläger aus arbeitsrechtlicher Sicht sein privates Motorrad für dienstliche Fahrten nutzen durfte, vermag keinen inneren bzw sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit mit solchen Motorradfahrten des Klägers zu begründen, die nach dem oben dargelegten Maßstab für die Ermittlung der objektivierten Handlungstendenz bei gemischter Motivationslage gerade nicht auf einer objektivierten betrieblichen Handlungstendenz beruhen.
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Eine den inneren bzw sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit begründende objektivierte betriebliche Handlungstendenz des Klägers kann nicht daraus gefolgert werden, dass sich der Unfall an einer Stelle ereignet hat, die der Kläger mutmaßlich passiert hätte, wenn er eine Fahrt von einem zum anderen Einsatzgebiet zurückgelegt hätte.
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Zutreffend hat die Revisionsklägerin darauf hingewiesen, dass reine Streckenidentität einer mit privater Handlungstendenz erfolgten Motorradfahrt mit einer möglichen, tatsächlich aber nicht erfolgten betrieblich veranlassten (Pkw-)Fahrt, die mutmaßlich (oder möglicherweise) an Stelle der Motorradfahrt getreten wäre, keinen inneren bzw sachlichen Zusammenhang der durchgeführten Motorradfahrt als konkrete Verrichtung mit der versicherten Tätigkeit begründen kann (vgl auch BSG vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 19 RdNr 15).
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2. Die Motorradfahrt des Klägers als Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses war auch keine versicherte Tätigkeit iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII.
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Danach sind versicherte Tätigkeiten das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 und 6 SGB VII zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Begründet wird dieser Versicherungsschutz damit, dass diese Wege nicht aus privaten Interessen, sondern wegen der versicherten Tätigkeit, also mit einer auf die versicherte Tätigkeit bezogenen Handlungstendenz unternommen werden (vgl BSG vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 RdNr 13; BSG vom 2.12.2008 - B 2 U 26/06 R - BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr 29 RdNr 21). Sie erfolgen entweder mit der Handlungstendenz, sich aus dem privaten Bereich in den betrieblichen Bereich (Weg zu dem Ort der Tätigkeit) oder sich aus dem betrieblichen Bereich zurück in den privaten Bereich zu begeben (Weg von dem Ort der Tätigkeit). Der Kläger hat mit der Motorradfahrt keinen unmittelbaren Weg von oder zu dem Ort der Tätigkeit zurückgelegt. Wie bereits dargelegt, fehlte der Verrichtung bei gemischter Motivationslage eine objektivierte betriebliche Handlungstendenz. Außerdem war Ausgangsort der konkreten Motorradfahrt kein Ort der Tätigkeit als Angestellter der Verkehrsüberwachung, sondern die aus privaten Gründen aufgesuchte Werkstatt, und deren Endpunkt die private Wohnung.
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3. Das Motorrad war ferner kein Arbeitsgerät iS von § 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII, denn es war nicht dazu bestimmt, hauptsächlich der Tätigkeit im Unternehmen zu dienen(vgl BSG vom 12.5.2009 - B 2 U 12/08 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 33 RdNr 28 mit Verweis auf BSG vom 23.2.1966 - 2 RU 45/65 - BSGE 24, 243, 246).
(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.
(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.
(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.06.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Motorradunfalls als Arbeitsunfall.
3Der am 00.00.1961 geborene Kläger ist als selbstständiger Unternehmer eines Malerbetriebes bei der Beklagten freiwillig versichert.
4Am 14.07.2011 gegen 15.00 Uhr erlitt der Kläger auf der Landstraße L 93 zwischen Bad Q und T einen Motorradunfall. Beim Anfahren einer Kurve rutschte das Motorrad auf Rollsplitt und stürzte um. Nach dem Durchgangsarztbericht von Dr. E aus X vom 15.07.2011 zog sich der Kläger eine Fraktur des Unterarms (Distale Radiusfraktur mit Dislokation) rechts und eine Schulterprellung links zu. Die Fraktur wurde noch am 14.07.2011 im P-Klinikum P operativ mittels Plattenosteosynthese versorgt. Die weitere durchgangsärztliche Behandlung erfolgte durch Dr. B in T.
5Nach der Unfallanzeige des Klägers vom 17.09.2011 ereignete sich der Unfall auf dem Weg zu einer Werksbesichtigung der T AG in X. Die T AG ist Hersteller von Produkten in den Bereichen Fassade, Innenraum, Lacke/Lasuren, Betoninstandsetzung, Bodenbeschichtung, Werkzeuge und Maschinen.
6In dem mit der Teilnahmebestätigung dem Kläger übersandten Programm heißt es unter Anderem: "Programm 1. Exklusive Motorrad-Sterntour NRW 14. -17.07.2011, 25 Personen Donnerstag, 14.07.2011 09:00 Uhr Abfahrt von der Raststätte C (richtig wohl: C) auf der A 61 Fahrtrichtung Süden Ankunft und Zimmerbezug im Schwarzwaldhotel C mit Badewelt & Saunalandschaft Ankunft und Zimmerbezug im Gasthof M C 19:30 Uhr Gemeinsames Abendessen im Schwarzwaldhotel C Freitag, 15.07.2011 09:00 Uhr Abholung durch L-Reisen Fahrt nach X 09:30 Uhr Ankunft T AG X Begrüßung und Unternehmenspräsenta- tion 10:45 Uhr Kaffeepause 11:15 Uhr Werksrundgang in 2 Gruppen 12:30 Uhr Mittagessen in der T-lnfofabrik 13:30 Uhr Rückfahrt mit L-Reisen zum Hotel 14:30 Uhr Abfahrt zur Motorrad-Schwarzwaldtour oder Zeit zur freien Verfügung 18:00 Uhr Wiedereintreffen im Hotel 19:00 Uhr Weiterfahrt mit L-Reisen zur S-Brauerei 19:15 Uhr Brauereigasthof S =)Besuch des Multimedia-Show-Rooms, Anschließend Gemeinsames Abendessen 22:30 Uhr Rückfahrt zum Hotel Samstag, 16.07.2011 08:00 Uhr Frühstück im Hotel & Tourenbesprechung 09:00 Uhr Aufbruch zur großen Motorradtour durch den Schwarzwald 09:15 Uhr Treffpunkt Mitarbeiterparkplatz T AG = Foto der ganzen Gruppe mit Motorrädern = Anschließend Abfahrt in kleinen geführten Gruppen mit individuellen Pausen (Selbstzahler!) 17:30 Uhr Wiedereintreffen im Hotel 19:00 Uhr Gemeinsames Abendessen "Grillbuffet" im Gasthof M in C Sonntag, 17.07.2011 09:00 Uhr Heimreise in kleinen Gruppen entlang der Vogesen"
7Die Anfahrt erfolgte ab der Raststätte C (Autobahn A61) auf Autobahnen, Bundes- und Landstraßen. Auf die Wegbeschreibung Bl. L 28, 5-6 der Verwaltungsakte wird Bezug genommen.
8Mit Bescheid vom 13.03.2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 14.07.2011 als Arbeitsunfall ab. Der Unfall habe sich anlässlich einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit des Klägers ereignet und sei deshalb nicht seiner unternehmerischen Tätigkeit zuzuordnen.
9Der Kläger legte am 02.04.2012 Widerspruch ein, den er damit begründete, dass die "Maßnahme" der Firma T nicht dem Freizeitvergnügen, sondern der Verfolgung betriebsbezogener Zwecke diente. Der Betrieb des Klägers sei auf Akustikanstriche spezialisiert. Hierbei kämen Produkte der Firma T AG zum Einsatz. Bei der Veranstaltung hätten nicht nur die Kontakte zwischen der Firma und dem Kläger einerseits, sondern vornehmlich auch die Kooperation der Teilnehmer untereinander und der Kontaktaufbau im Vordergrund gestanden. Hierzu legte der Kläger ein Schreiben der T AG, Vertriebsregion Nordrhein-Westfalen, vom 06.07.2012 vor. Darin heißt es, man habe zu dem Werksbesuch im Hauptwerk der T AG vom 14.-17.07.2011 ausgewählte Kunden (Verarbeiter), Planer (Architekten, Bauleiter) und Investoren (Mitarbeiter von Wohnungsbaugesellschaften etc.) eingeladen. Die Anreise sei aufgrund des gemeinsamen Hobbys der Teilnehmer mit dem Motorrad erfolgt. Der Hauptzweck dieses Werksbesuchs habe in erster Linie dem Kennenlernen der Teilnehmer gedient. Die Kommunikation und der Erfahrungsaustausch hätten an erster Stelle gestanden, außerdem sollten der Ausbau von Verbindungen und Netzwerken zwischen den drei maßgeblich am Bau beteiligten Zielgruppen verstärkt werden. Bei dem Werksbesuch seien den Besuchern die hochmodernen Prozess- und Fertigungsabläufe im Werk gezeigt worden. In der T-Info-Fabrik seien der Gruppe die Systeme und Produkte der T AG für die Renovation und Instandhaltung von Fassaden und Innenräumen in Theorie und Praxis vorgestellt worden. Der Aufbau und die Pflege dieser geschlossenen Kontakte sei den meisten Teilnehmern so wichtig gewesen, dass es im September 2011 bereits zu einem weiteren Treffen gekommen sei.
10Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 08.11.2012 zurück. Für das Bestehen eines Versicherungsschutzes fehle es an einem inneren Zusammenhang zwischen dem Ereignis und der Tätigkeit des Klägers als Unternehmer eines Malerbetriebes. Die Abwägung zwischen dem privaten und betrieblichen Anteil der von der Firma T AG organisierten Veranstaltung habe ergeben, dass es sich hier um eine unversicherte Tätigkeit handele.
11Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 29.11.2012 vor dem Sozialgericht Düsseldorf (SG) Klage erhoben und weiterhin die Anerkennung und Entschädigung seines Motorradunfalles als Arbeitsunfall begehrt. Er hat dazu vorgetragen, dass er gerade als Inhaber seines Malerbetriebes an der Veranstaltung teilgenommen habe. Es habe sich um eine Informationsveranstaltung der Firma T AG mit dem Zweck der Kontaktherstellung zwischen Planern, Investoren und Handwerkern gehandelt. Eine Aufteilung zwischen privatem Anteil und geschäftlichem Anteil könne nicht erfolgen, da während der Reisestrecke kontinuierlich Gespräche zwischen den Teilnehmern geführt werden sollten. Eine sog. Incentive-Reise, die von Unternehmen organisiert und finanziert würden, um Mitarbeitern eine Belohnung für die bisherige Tätigkeit und Ansporn für die künftige Tätigkeit zu bieten, liege gerade nicht vor.
12Der Kläger hat beantragt,
13die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2012 zu verurteilen, den Motorradunfall des Klägers vom 14.07.2011 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm die gesetzlich vorgesehenen Leistungen zu erbringen.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie hat die Auffassung vertreten, dass es bei Wertung aller Umstände an einem inneren Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit des Klägers und dem Unfallgeschehen fehle.
17Mit Urteil vom 25.06.2013 hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen. Ein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung liege nicht vor, da der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls keiner versicherten Tätigkeit nachgegangen sei. Bei wertender Betrachtung bezogen auf die Handlungstendenz des Klägers zum Zeitpunkt des Unfalls ergebe sich, dass die allein wesentliche Zielrichtung des Klägers das private Vergnügen gewesen sei, an einer geführten Motorradtour durch den Schwarzwald teilzunehmen, die zudem fast vollständig einschließlich der Übernachtung und Verpflegung, von der T-AG als Sponsor bezahlt worden sei. Das "Networking" und die Betriebsbesichtigung träten demgegenüber als unbeachtlich in den Hintergrund. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
18Gegen das ihm am 24.07.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.07.2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung verweist er darauf, dass sowohl die Betriebsbesichtigung bei der Firma T-AG als auch das vom SG als "Networking" bezeichnete Geschehen für die Teilnahme des Klägers an der Motorradtour ausschlaggebend gewesen seien. Eine Kontaktpflege zu den drei maßgeblich am Bau beteiligten Zielgruppen könne am besten über einen längeren Zeitraum geschehen, wenn man sich anderen Themen als ausschließlich fachlichen Fragen widme. Bei einer Motorradtour würden Strecken von maximal jeweils 1 Stunde Fahrzeit zurückgelegt, im Anschluss hieran erfolgten lange Pausen, in denen die Teilnehmer miteinander kommunizieren könnten. Auch am Abend würden nicht nur "Benzingespräche" geführt, sondern es erfolge ein intensiver Austausch zwischen den Beteiligten darüber, an welchen Projekten sie gerade arbeiteten, welche Innovationen sie den anderen vorstellen könnten und welche Kooperationen in der Zukunft eingegangen werden könnten. Der Kläger habe sich auf Akustikanstriche spezialisiert, welche europaweit ausgeführt würden, so dass er darauf angewiesen sei, großräumig Kundenkontakte zu pflegen. Diese Kundenkontakte entstünden nur selten dadurch, dass sich der Kunde unmittelbar mit dem Betrieb des Klägers in Verbindung setze. Der Kunde verlasse sich vielmehr darauf, dass andere Handwerker, die die größeren Baumaßnahmen wie Maurerarbeiten und Konstruktionsarbeiten ausführten, dann ihrerseits Kontakt zum Kläger herstellten. Dem Kläger sei es nicht möglich, seinerseits selbst zu einer Informationsveranstaltung einzuladen, bei der er dann potentielle Geschäftspartner informieren und ansprechen könne. Er könne ebenso wenig an die potentiellen Kunden unmittelbar herantreten, weil diese in der Regel nur ein einziges Mal in einem längeren Zeitabschnitt eine Baumaßnahme durchführten, bei der spezielle Akustikanstriche erforderlich seien. Solche Kontakte würden dann über die Firma T und deren Kontaktmaßnahmen hergestellt. Seine Teilnahme an der Fahrt sei deshalb ausschließlich auf seine versicherte Tätigkeit als Unternehmer ausgerichtet und keineswegs eine unverbindliche Vorbereitungshandlung zu möglichen geschäftlichen Kooperationen. Dem stehe der große Anteil des Motorradfahrens nicht entgegen. Bei Betriebsbesichtigungen und anderen geschäftlichen Tätigkeiten in größeren Entfernungen bestehe der Anreisetag immer darin, dass die Teilnehmer sich zum Ort des Geschehens bewegten. Dass dies vorliegend mit Motorrädern geschehen sei, ändere daran nichts. Auch bei einer kompakten Schulung könne ein Teilnehmer z.B. mit einem Motorrad anreisen, ohne dass hierbei seine Handlungstendenz zweifelhaft wäre und seine Anreise unter Versicherungsschutz stünde. Im Übrigen habe unabhängig von der Bezeichnung im Programm auch während der Abendessen und der Fahrtpausen der geschäftliche Gedankenaustausch der Gruppe im Vordergrund gestanden.
19Der Kläger beantragt,
20das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.06.2013 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 13.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2012 zu verurteilen, den Unfall des Klägers vom 14.07.2011 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm Leistungen nach näherer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
21Die Beklagte beantragt,
22die Berufung zurückzuweisen
23Die Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, dass die betriebliche Tätigkeit als unwesentlicher Aspekt der "ersten exklusiven Motorrad-Sterntour NRW" in den Hintergrund trete.
24Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Ihre Inhalte sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
25Entscheidungsgründe:
26Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert, da dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Er hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Anerkennung eines Arbeitsunfalls, da es sich bei dem Motorradunfall vom 14.07.2011 nicht um einen Arbeitsunfall i.S. der gesetzlichen Unfallversicherung gehandelt hat.
27Streitgegenstand ist der Anspruch des Klägers auf Feststellung des Vorliegens eines Arbeitsunfalls in der Verbandszuständigkeit der Beklagten. Der Antrag des Klägers "den Unfall des Klägers vom 14.07.2011 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm Leistungen nach näherer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren" ist auslegungsbedürftig. Die Klage ist nicht - wie im Antrag formuliert - als Anfechtungs- und Leistungsklage, sondern als Anfechtungs- und Feststellungklage zu deuten. Denn dem Wortlaut nach handelt es sich um einen Antrag auf Erlass eines unzulässigen Grundurteils ohne einen hinsichtlich der Versicherungsleistungen vollstreckbaren Inhalt, dem neben dem Ausspruch zur Feststellung eines Arbeitsunfalls keine eigenständige Bedeutung zukommt (vgl. BSG, st. Rspr. z.B., Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 35/03 R; Urteil vom 30.01.2007 - B 2 U 6/06 R m.w.N; BSG, Urteil vom 02. April 2009 - B 2 U 29/07 R). Nachdem die Beklagte eine Entschädigung schon dem Grunde nach abgelehnt hat, weil kein Arbeitsunfall vorliege, geht es dem Kläger zunächst nur um die Anerkennung seines Unfalls als Arbeitsunfall in der Verbandszuständigkeit der Beklagten, also um die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses, aus dem im weiteren Verlauf gegebenenfalls Leistungsansprüche abgeleitet werden können. Das Begehren, "den Unfall zu entschädigen" oder "Leistungen zu gewähren", hat in dieser Situation keine eigenständige Bedeutung, sondern beschreibt nur die rechtlichen Folgerungen, die sich im Falle der begehrten Feststellung ergeben. Eine mit einem solchen Antrag erhobene Leistungsklage wäre unzulässig, weil sie nicht auf konkrete Leistungen, sondern allgemein auf Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten gerichtet ist. Über sie könnte auch nicht durch Grundurteil entschieden werden. Denn die in § 130 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) vorgesehene Möglichkeit zum Erlass eines Grundurteils ist auf Fälle beschränkt, in denen nicht die Leistung als solche, sondern nur ihre Höhe vom Gericht offen gelassen und der Berechnung durch den Sozialleistungsträger überlassen werden kann (zum Vorstehenden insgesamt ebenso BSG, Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 35/03 R). Daran fehlt es hier. Demnach ist das Klagebegehren in dem Sinne auszulegen, dass der Kläger die Feststellung begehrt, dass er am 14.07.2011 einen in die Verbandszuständigkeit der Beklagten fallenden Arbeitsunfall erlitten hat. Dieses Begehren ist nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGG zulässig mit der (hier: Anfechtungs- und) Feststellungsklage zu verfolgen (Senatsurteil vom 01.10.2014, L 17 U 108/14).
28Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung unmittelbar vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "versichert" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 26.06.2014 - B 2 U 4/13 R, Rn. 11 m.w.N.).
29Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar ist der Kläger als freiwillig versicherter Unternehmer eines Malerbetriebes gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII in der gesetzlichen Unfallversicherung bei der verbandszuständigen Beklagten versichert. Er hat unzweifelhaft durch den Sturz mit dem Motorrad einen Unfall und dadurch einen Gesundheitserstschaden erlitten. Der Unfall geschah jedoch weder unmittelbar in Ausübung der versicherten Tätigkeit, auch nicht im Rahmen einer Dienst- oder Geschäftsreise (dazu nachstehend 1.), noch handelt es sich um einen versicherten Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII (dazu nachstehend 2.). 1. Der Kläger hat zum Unfallzeitpunkt keine versicherte Tätigkeit verrichtet. Versicherter i.S des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ist jemand nur, wenn, solange und soweit er den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit durch eigene Verrichtungen erfüllt. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar und (subjektiv) - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Diese innere Tatsache der subjektiven Ausrichtung des objektiven konkreten Handelns des Verletzten wird auch als "Handlungstendenz" bezeichnet. Wenn das beobachtbare objektive Verhalten allein noch keine abschließende Subsumtion unter den jeweiligen Tatbestand der versicherten Tätigkeit erlaubt, diese aber auch nicht ausschließt, kann die finale Ausrichtung des Handelns auf die Erfüllung des jeweiligen Tatbestandes, soweit die Intention objektiviert ist (sog objektivierte Handlungstendenz), die Subsumtion tragen. Die bloße Absicht einer Tatbestandserfüllung reicht hingegen nicht (BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - Rn. 21f.). Die von außen beobachtbare konkrete Verrichtung des Klägers unmittelbar vor dem Unfall war seine Motorradfahrt im Verbund mit anderen Teilnehmern der "Sternfahrt" auf der Landstraße L 93 zwischen Bad Q und T. Diese Tätigkeit lässt objektiv eine Betriebsbezogenheit zu der versicherten Tätigkeit des Klägers als Unternehmer eines Malerbetriebes nicht ohne weiteres erkennen. Die unfallbringende Motorradfahrt fand allerdings - die Angaben des Klägers als richtig unterstellt - während einer Geschäftsreise statt, auf der der Kläger sich auf Einladung seines Lieferanten, der T AG, befand. Es lag ein auswärtiges Dienstgeschäft insoweit vor, als in die Motorrad-Sterntour eine Werksbesichtigung dieses wichtigen Lieferanten des Klägers integriert war und sie nach seinen - allerdings nur hinsichtlich des Programmteils "Werksbesichtigung" von der T AG mit Schreiben vom 06.07.2012 bestätigten - Angaben insgesamt auch zur Kontaktpflege mit potenziellen Kunden und Auftraggebern dienen sollte. Die Unfallfahrt war dabei nicht Teil der Hinreise zum Ort des auswärtigen Dienstgeschäfts (die bei Geschäftsreisen selbst als Bestandteil der Betriebstätigkeit in Betracht kommt, vgl. BSG, Urteil vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 R). Denn die Hinfahrt war schon vor Erreichen des Unfallorts, nämlich am Rasthof C beendet, wo das Programm "Sternfahrt" mit einer gemeinsamen Motorradfahrt begann.
30Die Durchführung einer Geschäftsreise steht grundsätzlich unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Allerdings reicht allein die Tatsache, dass der Kläger den Unfall während einer Geschäftsreise erlitten hat, für die Begründung eines rechtlich bedeutsamen inneren Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit nicht aus. Der Kläger verkennt, wenn er Versicherungsschutz auch für die unfallbringende Motorradfahrt reklamiert, dass auch auf Geschäftsreisen grundsätzlich kein lückenloser Versicherungsschutz besteht. Vielmehr kommt es entscheidend darauf an, ob die konkrete Betätigung, bei der der Unfall eintritt, eine rechtlich bedeutsame Beziehung zu der betrieblichen Tätigkeit aufweist, welche die Annahme eines inneren Zusammenhangs rechtfertigt. Auch auf Geschäftsreisen entfällt der Versicherungsschutz, wenn der Reisende sich rein persönlichen, von seinen betrieblichen Angelegenheiten nicht mehr wesentlich beeinflussten Belangen widmet (BSG, Urteil vom 18.03.2008 - B 2 U 13/07 R; Beispiele: BSGE 39, 180: Bad im Hotelswimmingpool; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 21: Besuch des Oktoberfestes im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung; BSG SozR 2200 § 539 Nr. 110: privater Spaziergang während der arbeitsfreien Zeit).
31Die konkrete Unfallfahrt auf der L 93 zwischen Bad Q und T war im Unfallzeitpunkt allein privat motiviert. Für den Senat steht fest, aufgrund des Einladungstextes zu dieser Fahrt, der in besonderer Weise die privaten Interessen der Teilnehmer anspricht und hervorhebt sowie der Tatsache, dass das Motorradfahren an 3½ von 4 Tagen als Hauptaktivität den weit überwiegenden Anteil des Gesamtzeitaufwandes des Veranstaltungsprogramms ausmachte, dass schon die Teilnahme des Klägers an der Gesamtveranstaltung wesentlich dadurch motiviert war, dass er seinem privaten Hobby, dem Motorradfahren nachgehen wollte. Dieses Hobby hatte die T AG in ihrer Einladung besonders angesprochen. Die Anreise mit dem Motorrad war, wie aus dem vom Kläger vorgelegten Schreiben der T AG vom 06.07.2012 hervorgeht, ausdrücklich dem gemeinsamen Hobby der Teilnehmer - und damit einem allein privaten Interesse - geschuldet. Der Teilnehmerkreis war auch auf Motorradfreunde beschränkt. Den Ausführungen des Klägers, die Motorradfahrt sei ausschließlich betrieblich motiviert gewesen, vermag der Senat vor diesem Hintergrund nicht zu folgen.
32Unterstellt man dennoch, dass die Sternfahrt neben der privaten Motivation auch den Zweck hatte, den Kläger und die übrigen Teilnehmer dorthin zu bringen, wo z.B. bei den gemeinsamen Abendessen alle an einem Tisch zusammenkommen sollten und so fachliche und geschäftliche Gespräche zu ermöglichen, so kann die hier allein zu bewertende Verrichtung der unfallbringenden Motorradfahrt für den Kläger günstigstenfalls als eine Tätigkeit mit gemischter Motivationslage (auch als gespaltene Handlungstendenz bezeichnet, vgl. BSG, Urteil vom 12.05.2009 - B 2 U 12/08 R) angesehen werden. Eine Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz liegt vor, wenn jemand mit ein und derselben Verrichtung - hier dem Motorradfahren - sowohl betriebliche als auch eigenwirtschaftliche oder private Zwecke verfolgt (grundlegend und auch zur Abgrenzung zu sog. gemischten Tätigkeiten BSG, Urteil vom 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R, Rn. 22 f; vom 26.06.2014 - B 2 U 4/13 R, Rn. 20 ff).
33Die Motorradfahrt des Klägers auf der Landstraße L 93 zwischen Bad Q und T stellte eine einzige einheitliche Verrichtung dar, die ggfs. unterschiedlichen Zwecken diente, also mit gespaltener Handlungstendenz ausgeführt wurde. Denn zum einen war die Fahrt Ausdruck des privaten Interesses des Klägers am Motorradfahren, zum anderen Teil einer "Sternfahrt" mit Werksbesichtigung eines Lieferanten des Klägers. Für solche Tätigkeiten mit gespaltener Handlungstendenz hat das Bundessozialgericht den Grundsatz aufgestellt, dass die Verrichtung dann im inneren bzw. sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation entfallen wäre, wenn also die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der betrieblichen Handlungstendenz findet (BSG, Urteil vom 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R - Rn. 24). Insoweit ist nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten Verrichtung selbst abzustellen. Es ist vielmehr zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt (BSG, aaO.).
34Dies ist hier nicht der Fall. Als objektive Umstände, die Rückschlüsse auf die Handlungstendenz zulassen, ist beim Zurücklegen von Wegen insbesondere von Bedeutung, ob und inwieweit Ausgangspunkt, Ziel, Streckenführung und ggfs das gewählte Verkehrsmittel durch betriebliche Vorgaben geprägt werden (vgl. BSG, Urteil vom 09.11.2010, aaO, Rn. 20). Nach den objektiven Umständen steht die Fahrt des Klägers mit dem Motorrad auf der Landstraße L 93 zwischen Bad Q und T in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der verrichteten Tätigkeit als Inhaber eines Malerbetriebes. Der betriebliche Zweck einer Werksbesichtigung bei einem Lieferanten und dem Aufbau geschäftlicher Kontakte zu anderen Teilnehmern vermag nach den objektiven Umständen nicht zu erklären, dass die Fahrt in der konkreten Art und Weise mit dem Motorrad auf dem konkreten Weg vorgenommen wurde. Vielmehr erfolgte die Anreise allein aufgrund des Hobbys der Teilnehmer mit dem Motorrad und aus dem gleichen Grund nicht auf unmittelbarem Weg zwischen dem Wohnort des Klägers und der T AG in X bzw. der Hotelunterkunft in C. Wie sich der Wegstreckenbeschreibung entnehmen lässt, erfolgte die Anreise auch nicht auf dem unmittelbaren Weg zwischen T bzw. dem gemeinsamen Treffpunkt der Teilnehmer, der Raststätte C, und dem Ort der Hotelunterkunft im Schwarzwald, sondern führte immer wieder abseits der direkt zum Zielort führenden Hauptverkehrswege über landschaftlich schön gelegene Landstraßen. Der konkret gewählte Streckenverlauf auf der Landstraße L 93 führt - wohl einer für Motorradfahrer attraktiven Streckenführung geschuldet - durch den Schwarzwald zwischen Bad Q und T und damit abseits der Hauptverkehrswege, die unmittelbar zum Ziel der Wegstrecke führen. Während der Fahrt, also bei der konkreten unfallbringenden Verrichtung, waren im Übrigen geschäftliche Gespräche zwischen den Teilnehmern bereits wegen des zu tragenden Sicherheitshelms nicht möglich. Unerheblich ist, ob - wie der Kläger vorträgt - in den Fahrpausen Gespräche geführt worden wären, denn der Unfall geschah beim Fahren.
352. Die Motorradfahrt des Klägers als Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses war auch keine versicherte Tätigkeit im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Danach zählt das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 und 6 SGB VII zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit zu den versicherten Tätigkeiten. Begründet wird dieser Versicherungsschutz damit, dass diese Wege nicht aus privaten Interessen, sondern wegen der versicherten Tätigkeit, also mit einer auf die versicherte Tätigkeit bezogenen Handlungstendenz unternommen werden (vgl. BSG, Urteil vom 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R - Rn. 31 m.w.N. - zitiert nach juris). Sie erfolgen entweder mit der Handlungstendenz, sich aus dem privaten Bereich in den betrieblichen Bereich (Weg zu dem Ort der Tätigkeit) oder sich aus dem betrieblichen Bereich zurück in den privaten Bereich zu begeben (Weg von dem Ort der Tätigkeit). Der Kläger hat mit der Motorradfahrt keinen Weg von oder zu dem Ort der Tätigkeit zurückgelegt. Denn die Veranstaltung "Sternfahrt" hatte bereits mit dem Eintreffen der Teilnehmer an der Raststätte C begonnen. Der Kläger war demnach im Unfallzeitpunkt nicht auf dem Weg zu einer nach seiner Rechtsauffassung betrieblichen Veranstaltung, sondern die Motorradfahrt war Teil dieser Veranstaltung. Auch wenn man - anders als der Senat - die programmgemäße gemeinsame Anfahrt noch als Teil eines Weges zu einer betrieblichen Veranstaltung sähe, fehlte aber, wie oben dargelegt, für die Annahme eines Wegeunfalls der konkreten Verrichtung zur Zeit des Motorradunfalls bei gemischter Motivationslage eine objektivierte betriebliche Handlungstendenz des Klägers.
36Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
37Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.
(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.