Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 25. Sept. 2008 - L 8 AS 38/08

published on 25/09/2008 00:00
Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 25. Sept. 2008 - L 8 AS 38/08
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Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 11. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Kosten für eine Schulfahrt des Klägers streitig; hierbei streiten die Beteiligten insbesondere darum, ob es sich bei der im September 2005 stattgefundenen Fahrt nach Rom um eine "mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen" gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 des 2. Sozialgesetzbuches (SGB II) gehandelt hat.

2

Der ... 1987 geborene Kläger besuchte im September 2005 als Schüler der Jahrgangsstufe 13 das Goethe Gymnasium in R; unter anderem besuchte er einen Grundkurs Geographie. Zum damaligen Zeitpunkt war er Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft seiner Eltern nach den Vorschriften des SGB II.

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Unter dem 16. August 2005 beantragte der Vater des Klägers, Gerd M, die Übernahme der Kosten für eine "Klassenfahrt" entsprechend einer beigefügten Rechnung in Höhe von 356,00 Euro. Er wies darauf hin, dass das Goethe Gymnasium R für die 13. Klassen eine Klassenfahrt durchführe, an der der Kläger teilnehmen möchte. In der beigefügten Rechnung des Goethe Gymnasiums wurde unter anderem ausgeführt, dass der Termin der Studienfahrt nach Rom immer näher rücke und, nachdem jeder Teilnehmer eine Anzahlung von 26,00 bezahlt habe, müsse nun das restliche Geld in Höhe von 330,00 Euro überwiesen werden.

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Mit Bescheid vom 30. August 2005 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten ab. Bei der beantragten Leistung handele es sich nicht um eine Klassenfahrt im Klassenverband nach den schulrechtlichen Bestimmungen, sondern um eine klassenübergreifende Studienfahrt. Studienfahrten würden nach dem SGB II nicht gefördert.

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Seinen hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass es sich bei dieser Reise um eine besondere Organisationsform einer Klassenfahrt gehandelt habe, die von der Schule in Übereinstimmung mit einer neuen Studienform am Goethe Gymnasium an klassenübergreifenden Schulungskursen und nicht an der herkömmlichen Klassenform ausgerichtet worden sei. Es habe sich um einen dynamischen Klassenverband gehandelt, der aufgaben- und interessenspezifisch (wie alle Grund- und Leistungskurse im Gymnasium) zeitweise zusammengestellt worden sei. Die Ausbildung im Goethe Gymnasium erfolge generell nicht mehr in alt hergebrachten Klassen, sondern in Kursen. Es hätten mehrere derartige Reisen nach verschiedenen Orten stattgefunden, für die diese Gruppen aus allen Schülern der 13. Klasse des Gymnasiums zusammengestellt worden seien. Für die Gruppen seien entsprechende schulische Aufgaben an die Teilnehmer vergeben worden, die Bestandteil des Schulplanes gewesen seien und natürlich bei der Teilnahme hätten erfüllt werden können. Somit habe es sich um eine Klassenfahrt im "Klassenverband" gehandelt; die Fahrt habe auch in der regulären Schulzeit stattgefunden.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte ergänzend aus, in den Richtlinien zur Durchführung von Schulfahrten an den öffentlichen Schulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern hieße es unter Punkt 2.2., dass Schulfahrten als

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- Klassenfahrten mit oder ohne Übernachtung,
- Schullandheimaufenthalten,
- Studienfahrten (Exkursion),
- Schüleraustausch,
- sonstige genehmigte Schulveranstaltungen außerhalb des Schulortes

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durchgeführt würden. Hiernach müsse eindeutig unterschieden werden zwischen einer Klassenfahrt und einer Studienfahrt im Sinne dieser Richtlinie. Hierbei werde nicht verkannt, dass eine Studienfahrt allein schon wegen der in der Richtlinie gegebenen Definition immer auch Elemente einer Klassenfahrt enthalte. Doch zeigten die Definitionen, dass das Ziel von Studienfahrten über das Ziel von Klassenfahrten hinausgehe, insbesondere die Studienfahrten zusätzliche Bildungselemente enthielten und daher durchgeführte Schulfahrten nicht gleichzeitig als Studienfahrt und Klassenfahrt definiert werden könnten. Bei der vom 12. bis 16. September 2005 durchgeführten Fahrt habe es sich um eine mehrtägige Studienfahrt bzw. um eine Bildungs- oder Sprachreise gehandelt. Die über die Ziele einer Klassenfahrt hinausgehenden Bildungselemente seien bei der Reise nach Rom deutlich ausgeprägt gewesen, sodass eine Studienfahrt im Sinne von Punkt 2.2.4 der Richtlinie vorgelegen habe.

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Mit seiner am 06. Juni 2006 vor dem Sozialgericht (SG) Rostock erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Klassenfahrten im herkömmlichen Sinne gebe es an dieser Bildungseinrichtung nicht, da es auch keinen klassischen Klassenverbund, sondern nur Grund- oder Leistungskurse gebe. Die Ablehnung durch die Beklagte beziehe sich auf eine rein formelle Bezeichnung dieser Schulfahrt und favorisiere eine Klassenfahrt, die es in dieser klassischen Form beim Gymnasium gar nicht mehr gebe. Zur Stützung seines Vortrages wurde ein Schreiben des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern vom 14. März 2006 zu den Akten gereicht, worin es unter anderem hieße, die Schulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern hätten die Aufgabe, den ihnen übertragenen Bildungs- und Erziehungsauftrag zu erfüllen. Diese Schule habe die Möglichkeit, selbst eine Strukturform zu finden, in dessen Rahmen das Schulleben gestaltet werden könne. Eine Gleichsetzung von Leistungskursen mit dem "klassischen Klassenverbund" biete sich häufig an, müsse aber nicht unbedingt sein. Neben dem Leistungskursverbund seien auch andere Organisationsformen denkbar, wie z. B. der Verbund, der durch die Mentoren vorgegeben werde oder der Verbund bezüglich bestimmter Fächer. Leistungskurse seien somit nicht die einzige Organisationsform, die es im Übrigen 2007 nicht mehr geben werde.

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Ergänzend hat der Kläger auf Befragen des SG Rostock im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2008 erklärt, dass die Klassenfahrt nach Rom vom Fach Geographie organisiert worden sei. Man habe vorweg Fragestellungen erhalten, die im Nachhinein abzuarbeiten gewesen seien und wofür es dann eine entsprechende Note gegeben habe. Während der Fahrt habe es dann ein straffes Programm mit Stadtrundfahrten, Besuch des Stadtarchivs, Museen etc. gegeben, bei denen dann jeweils auf die erteilten Fragestellungen zu achten gewesen sei. Die Teilnehmer der Fahrt seien Schüler des Grundkurses Geographie sowie weitere Interessierte gewesen.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 30. August 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Kosten der Klassenfahrt vom 12. bis 16. September 2005 in Höhe des Kostenbeitrages der Eltern von 356,00 Euro zu erstatten.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

15

Sie hat die angefochtene Entscheidung verteidigt. Für sie sei maßgeblich für die Übernahme von Kosten, ob es sich bei der jeweiligen Schulfahrt um eine Klassenfahrt nach den geltenden schulrechtlichen Bestimmungen gehandelt habe. Dies sei nach den Richtlinien zur Durchführung von Schulwanderungen und Schulfahrten an den öffentlichen Schulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern nicht der Fall. Der Begriff "Klassenfahrt" gelte nicht als Oberbegriff für alle Schulfahrten. Nach Punkt 2.2.4 der Richtlinie seien Studienfahrten mehrtägige Fahrten im Klassenverband oder in Lerngruppen von mindestens zwölf Schülern. Ziel und Inhalt von Studienfahrten wurden durch den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule bestimmt. Die Fahrten würden im Unterricht vorbereitet und ausgewertet. Sie seien als Bildungsveranstaltung zu planen und führten die Schüler über die nähere Umgebung hinaus an politische, wirtschaftliche, naturkundliche und kulturell-historisch bedeutsame Städten im In- und Ausland. Es müsse eine strikte Trennung zwischen Klassenfahrten (Punkt 2.2.1) und Studienfahrten (Punkt 2.2.4) vorgenommen werden. Sie verkenne nicht, dass die Fahrt auch beinhaltet habe, dass die sozialen Strukturen im Rahmen des Klassenverbandes/Lerngruppe/Sekundarstufen hätten weiter ausgeprägt werden sollen. Inhaltlich liege aber eine Studienfahrt im Sinne von Punkt 2.2.4 der Richtlinie vor.

16

Ergänzend hat die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie ihre Einwendung hinsichtlich der Unangemessenheit der Höhe der Kosten zurückziehe. Die Einwendung hinsichtlich des "ob" der zu gewährenden Leistung blieben jedoch streitig.

17

Durch Urteil vom 11. Januar 2008 hat das SG Rostock die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, dem Kläger die Kosten der Klassenfahrt in Höhe von 356,00 Euro zu erstatten. Zur Begründung seiner Entscheidung, auf die im Einzelnen Bezug genommen wird, hat es unter anderem ausgeführt: Inhaber des streitgegenständlichen Anspruches sei gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit Satz 2 a.a.O. der Kläger selbst als Schüler. Die Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II setzte voraus, dass eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen stattfinde; dies sei hier gegeben. Eine Klassenfahrt im Sinne dieser Vorschrift, auch Studien- oder auch Schulfahrten genannt, sei eine mehrtägige, im Klassen- bzw. klassenersetzenden Kursverband vorliegenden Reise, die mit dem der besuchten Schule zuzurechnenden Unterricht zusammenhänge. Sie führten den schulischen Bildungsauftrag in besonderer Form fort. Die Einschätzung der Frage, ob und wann eine Klassenfahrt sinnvoll sei, sei allerdings nicht Sache des Grundsicherungsträgers, sondern obliege den Beurteilungen der Schule; grundsicherungsrechtlich relevant sei allein, ob der Ausgrenzung eines hilfebedürftigen Schülers im Wege einer einmaligen Beihilfe begegnet werden müsse.

18

Der Begriff der Studienfahrt sei daher als Synonym für den der Klassenfahrt zu verwenden. Es sei nicht nachvollziehbar, woher die Beklagte die Schlussfolgerung ziehe, dass Studien- oder Sprachreisen von der Regelung des § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II nicht erfasst seien. Maßgebend für die Frage, ob eine Klassenfahrt im Sinne der Bestimmungen vorliege, sei vielmehr der Sinn und Zweck der Regelung, der gerade eine Ausgrenzung des Leistungsempfängers zu verhindern suche. Entsprechend dieser Auslegung seien die Voraussetzungen an den Begriff der Klassenfahrt und die weiteren Anspruchsvoraussetzungen des § 23 Abs. 3 SGB II erfüllt. Das Gymnasium habe in der gleichen Jahrgangsstufe mehrere Fahrten durchgeführt, in denen jeweils Kurse bzw. an dem entsprechenden Thema der Fahrt interessierte Schüler zusammengefasst worden seien. Darüber hinaus enthalte die Fahrt klassische Elemente der Klassenfahrt, indem es den Schülern die Gelegenheit zur Bildung sozialer Kontakte außerhalb des normalen Schulbetrieben gegeben werde. Die Fahrt habe darüber hinaus umfangreiche Bildungselemente umfasst, da die Fahrt die durch den Grundkurs Geographie vorgegebene Thematik mit inhaltlich vorgegebenen Fragestellung erfasst habe, die anschließend im Rahmen des Unterrichts weiter zu bearbeiten bzw. zu benoten gewesen sei. Dass im Fall weitreichender Bildungselemente nicht mehr die Voraussetzung des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II erfüllt sei, sei nicht nachvollziehbar.

19

Entsprechend dem Schultyp sowie dem Anspruch der Schule seien die Bildungselemente selbst ausgeprägter, was natürlich den Schülern zugute kommen solle und wovon ebenfalls Empfänger von Hartz-IV-Leistungen nicht ausgeschlossen werden dürften. Die Klassenfahrt habe im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmung stattgefunden, da es sich um eine genehmigte Fahrt gehandelt habe. Die Beklagte sei darauf hinzuweisen, dass die Formulierung "im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmung" nicht bedeute, dass durch die jeweiligen landesrechtlichen Bestimmungen oder Verwaltungsrichtlinien eine Definition der Klassenfahrt, wie sie in § 23 SGB II benannt werde, folgen solle. Die Definition der Klassenfahrt gebe das SGB II vielmehr selbst vor. Der Verweis auf die schulrechtlichen Bestimmungen der jeweiligen Länder beinhalte vielmehr die Voraussetzung, dass es sich um eine von einer oberen Schulbehörde genehmigte Fahrt handeln müsse. Schließlich stehe auch die Tatsache, dass im vorliegenden Fall eine kursübergreifende Fahrt organisiert worden sei, nicht dem Begriff der Klassenfahrt entgegen. Soweit an den jeweiligen Schulen, was entsprechend dort zu entscheiden sei, ein kursübergreifendes Unterrichtssystem bestehe, seien diese Fahrten entsprechend von der Regelung umfasst.

20

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte ihre bisherige Auffassung. Im Übrigen habe sie auf Grund der durchgeführten mündlichen Verhandlung und den dort erfolgten weiteren Ausführung zum Inhalt und der Durchführung auch Zweifel dahingehend, ob es sich um eine jahrgangsübergreifende Studien- bzw. Kursfahrt gehandelt habe. Die Schulfahrt habe im Rahmen des Schulfaches Geographie stattgefunden, die Teilnahme sei fakultativ gewesen. Die Teilnehmer seien Schüler gewesen, die den Geographiekurs belegten hätten bzw. weitere Interessenten. Andere Fahrten von anderen Kursen seien ebenfalls erfolgt. Dann könne man die beschriebene Fahrt auch als "Projektfahrt" ansehen, wobei zweifelhaft sei, inwieweit eine solche Fahrt unter den Begriff der Klassenfahrt falle.

21

Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 11. Januar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

25

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

26

Der Kläger hat ergänzend auf Befragen des Senates in der mündlichen Verhandlung u. a. angegeben, dass die Fahrt nach Rom vom Grundkurs Geographie bzw. dem Kursleiter organisiert und durchgeführt worden sei. Sämtliche Teilnehmer des Geographiekurses, also auch er selbst, hätten sich sofort in die "Liste eingetragen" und an dieser Fahrt teilgenommen. Zusätzlich hätten dann noch andere Schüler, u. a. aus anderen Geographiekursen, teilgenommen. Eine Verpflichtung zur Teilnahme an dieser Fahrt habe nicht bestanden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten L 8 AS 38/08 - S 13 AS 290/06 - und L 8 B 48/08 NZ sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen, deren Inhalt im Übrigen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

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Das SG Rostock hat in dem angefochtenen Urteil zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen entschieden, dass der vom Kläger angefochtene Bescheid rechtswidrig und die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Kosten für die Fahrt vom 12. bis 16. September 2005 in Höhe der geltend gemachten 356,00 Euro zu erstatten. Der Senat nimmt insoweit - um Wiederholungen zu vermeiden - auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug und macht sie - nach Überprüfung - zum Gegenstand seiner eigenen Rechtsfindung (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

30

Der Vortrag der Beklagten rechtfertigt keine andere Entscheidung.

31

Die Auffassung der Beklagten, dass die Prüfung einer "mehrtägigen Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen" im Sinne von § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II nur anhand der "Richtlinie zur Durchführung von Schulwanderungen und Schulfahrten an den öffentlichen Schulen" - Erlass des Kultusministers vom 06. Februar 1997 in der Fassung des 2. Erlasses zur Änderung der Richtlinien zur Durchführung von Schulwanderungen und Schulfahrten an den öffentlichen Schulen vom 21. Dezember 2000 (Mittl.bl. BM M-V 2/2001 Seite 68) zu erfolgen habe bzw. eine Klassenfahrt im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II nur gegeben sei, wenn es sich bei dieser Schulfahrt um eine Klassenfahrt im Sinne von Ziffer 2.2.1 a.a.O. handele, ist - wie bereits das SG Rostock zutreffend dargelegt hat - nicht haltbar.

32

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass es sich bei der durchgeführten Fahrt um eine "Veranstaltung" im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II gehandelt hat. Bei der voranzustellenden Prüfung, ob eine Fahrt bzw. Schulveranstaltung im Rahmen der "schulrechtlichen Bestimmungen" im Sinne von § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II stattgefunden hat, ist bei einer - hier auch gegebenen - Genehmigung dieser Veranstaltung davon auszugehen, dass dieser Tatbestand als geklärt angesehen werden kann (vgl. Hengelhaupt in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II, § 23 Rz. 382). Bei einer vorliegenden Genehmigung durch die Schulaufsichtsbehörde bedarf es keiner weiteren Prüfung seitens der Beklagten bzw. der Sozialgerichte dahingehend, ob diese "Schulfahrt" sich im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen gehalten hat.

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Die Beklagte nimmt rechtsirrig an - da es sich ihrer Auffassung nach um eine Studienfahrt im Sinne von 2.2.4 der genannten Richtlinie gehandelt habe -, dass es sich nicht um eine "Klassenfahrt" im Sinne von § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II habe handeln können bzw. die Richtlinie auf Grund einer dort eigens dargelegten Definition einer "Klassenfahrt" letztlich bestimme, welche Schulfahrten als "Klassenfahrt" im Sinne der genannten Vorschrift des SGB II zu gelten habe.

34

Dabei verkennt die Beklagte die Motive des Gesetzgebers, der auf die Gesetzesbegründung zu der sozialhilferechtlichen Parallelvorschrift des § 31 SGB XII Bezug genommen hat (vgl. Hengelhaupt a.a.O., § 23 Rz. 322; Lang/Bügle in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Auflage, § 23 Rz. 89 und 91). Darüber hinaus greift die Vorschrift die bisherige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zum Bundessozialhilfegesetz auf.

35

In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Ausgrenzung eines hilfebedürftigen Schülers für den Fall seiner Nichtteilnahme wirksam zu begegnen ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht - BVerwGE 97, 76). Zu den wortgleichen Vorschriften des § 31 Abs. 1 SGB XII heißt es darüber hinaus in der BT-Drucksache 15/1540, Seite 16 wörtlich:

36

"Da die Regelung Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen umfasse, sollen die tatsächlichen Kosten übernommen werden, um eine Teilnahme zu gewährleisten. Damit würde auch dem Gesichtspunkt Rechnung getragen, dass Schulfahrten ein wichtiger Bestandteil der Erziehung durch die Schulen sind."

37

Insofern handelt es sich entgegen der Auffassung der Beklagten bei dem Begriff "Klassenfahrt" im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II nur um einen "Oberbegriff", der daher z. B. Wandertage, Studienfahrten, Schullandheimaufenthalte - wenn sie nur mehrtägig sind - grundsätzlich mitumfassen kann. Die hierzu vom SG gegebene Definition ist daher zutreffend. Es ist somit in jedem Einzelfall anhand des oben dargestellten Sinn und Zweckes einer zu vermeidenden "Ausgrenzung" zu prüfen, ob die entsprechende Veranstaltung eine "mehrtägigen Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen" darstellt, zumal diese Kosten nicht von der Regelleistung nach § 20 SGB II umfasst sind. Diese Prüfung, wozu die Beklagte verpflichtet ist, kann im Hinblick auf das Vorliegen einer Klassenfahrt nicht nach der oben genannten Richtlinie erfolgen, die nicht die Qualität einer Rechtsnorm besitzt.

38

Dies ergibt sich, neben dem oben genannten Sinn und Zweck der entsprechenden Vorschrift des SGB II, auch schon daraus, dass die Richtlinie als Oberbegriff (vgl. Ziffer 1.1 a.a.O.) selbst Schulwanderungen und Schulfahrten benennt. Sie differenziert dann weiter bei Schulfahrten unter anderem nach Klassenfahrten, Schullandheimaufenthalten, Studienfahrten, Schüleraustausch etc. Gemäß der Ziffer 2.2.1 sind Klassenfahrten in der Regel mehrtägige Veranstaltungen, deren Aufgabe neben der Vertiefung, Erweiterung und Ergänzung des Unterrichts auch in der Förderung des Gemeinschaftssinnes besteht, wobei bei Klassenfahrten bevorzugt öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen sind. Die Richtlinie selbst benutzt den eigentlichen Begriff einer "Klassenfahrt" auch etwa bei Schullandheimaufenthalten im Sinne von Ziff. 2.2. der genannten Richtlinie. Hier heißt es unter anderem, dass durch den Aufenthalt von Schulklassen und anderen schulischen Gruppen in Schullandheimen Unterricht und Erziehung in besonders günstiger Weise miteinander verbunden werden; auch in der Definition von Studienfahrten im Sinne von 2.2.4 werden unter anderem mehrtägige Fahrten im Klassenverband oder in Lerngruppen erwähnt, das heißt die Elemente einer Klassenfahrt werden mitumfasst bzw. vorausgesetzt. Die Ansicht der Beklagten, ihre Verpflichtung zur Kostentragung solcher Schulfahrten auf "Klassenfahrten" begrenzen zu können, die keine Bildungselemente beinhalten oder aber z. B. bei denen kein Aufenthalt in Schullandheimen stattfindet, findet daher im geltenden Recht und auch nach der dargestellten Erlasslage keine Stütze.

39

Bei der Schulfahrt des Geographie-Grundkurses, an der der Kläger als Schüler dieses Kurses - wie alle anderen Kursteilnehmer - teilgenommen hat, hat es sich - wie das SG Rostock zutreffend entschieden hat - um eine Klassenfahrt im Sinne von § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II gehandelt. Diese Veranstaltung entsprach, wie dargelegt, den schulrechtlichen Bestimmungen; sie war mehrtätig und eine "Nichtteilnahme" des Klägers auf Grund der Nichtübernahme (der Kosten) durch die Beklagte hätte zu einer "Ausgrenzung" des Klägers im Hinblick auf die Teilnahme aller übrigen Kursteilnehmer geführt. Dies gilt um so mehr, als diese Veranstaltung Bildungsinhalte vermittelte und z. B. zuvor im Grundkurs Geographie durch sämtliche Teilnehmer entsprechende Aufgaben selbst erarbeitet werden musste. Das hierbei keine "rechtliche" Verpflichtung des Klägers zur Teilnahme an dieser Veranstaltung bestand, ist im Übrigen unerheblich. Ebenso ist im vorliegenden Rechtsstreit unerheblich, dass weitere Schüler aus anderen Kursen an der Fahrt teilgenommen haben.

40

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

41

Gründe für eine Revisionszulassung (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) waren für den Senat nicht ersichtlich.

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published on 25/09/2008 00:00

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(1) Leistungen zur Deckung von Bedarfen für

1.
Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten,
2.
Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt sowie
3.
Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten
werden gesondert erbracht.

(2) Einer Person, die Sozialhilfe beansprucht (nachfragende Person), werden, auch wenn keine Regelsätze zu gewähren sind, für einmalige Bedarfe nach Absatz 1 Leistungen erbracht, wenn sie diese nicht aus eigenen Kräften und Mitteln vollständig decken kann. In diesem Falle kann das Einkommen berücksichtigt werden, das sie innerhalb eines Zeitraums von bis zu sechs Monaten nach Ablauf des Monats erwerben, in dem über die Leistung entschieden worden ist.

(3) Die Leistungen nach Absatz 1 Nr. 1 und 2 können als Pauschalbeträge erbracht werden. Bei der Bemessung der Pauschalbeträge sind geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte zu berücksichtigen.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.