Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 05. März 2018 - L 6 P 25/15

bei uns veröffentlicht am05.03.2018

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schwerin vom 15. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Berechtigung der Beklagten, die dem Kläger bewilligten Leistungen nach Pflegstufe II ab dem 01. Februar 2014 (teilweise) zu entziehen.

2

Der im Jahre 1979 geborene, bei der Beklagten sozial pflegeversicherte Kläger leidet infolge eines frühkindlichen Hirnschadens an einer Intelligenzminderung. Vom Versorgungsamt ist ein Grad der Behinderung von 100 festgestellt. Es sind die Merkzeichen G, aG, H und RF zuerkannt. Der Kläger lebt mit seiner ihn betreuenden, nicht berufstätigen Mutter in einem gemeinsamen Haushalt.

3

Seit dem 01. April 1995 erhält der Kläger von der Beklagten Leistungen nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung (Pflegestufe II) in Form von Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen. Am 05. Februar 2001 erfolgte eine Begutachtung des Klägers in der Häuslichkeit durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Mecklenburg-Vorpommern (MDK). In dem hierauf erstellten Gutachten der Frau Dr. med. S. vom 08. Februar 2001 wird ausgeführt, dass der Kläger wegen eines fieberhaften Infektes im Bett liegend angetroffen worden sei. Ansonsten sei der Kläger körperlich altersgerecht entwickelt. In der Anamnese werden neben der Grunderkrankung wöchentlich ein- bis zweimalige Migränebeschwerden mit Erbrechen beschrieben, die sich durch Hinlegen lindern ließen, ferner ein gelegentliches Verkrampfen der Füße mit Krallenstellung der Zehen. Das Gehen sei nicht behindert. Andere körperliche Einschränkungen werden nicht berichtet. Das geistige Entwicklungsalter entspreche dem eines Vorschulkindes. Der Kläger besuche seit September 2000 den Arbeitstrainingsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen. Der Hilfebedarf des Klägers werde in der Grundpflege mit insgesamt 179 Minuten im Tagesdurchschnitt (79 Minuten bei der Körperpflege, 50 Minuten bei der Ernährung und 20 Minuten bei der Mobilität) eingeschätzt, in der Hauswirtschaft mit 60 Minuten. Eine Wiederholungsbegutachtung sei nicht erforderlich; es handele sich um einen Dauerzustand. Ergänzend wird auf den Inhalt des Gutachtens Bezug genommen.

4

Am 13. November 2013 wurde der Kläger im Rahmen eines Wiederholungsgutachtens durch den MDK, Pflegefachkraft B., begutachtet. In dem hierauf erstellten Gutachten vom 19. November 2013, auf dessen näheren Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird, werden von der Gutachterin an vorliegenden Fremdbefunden u.a. jährliche Zeugnisse der Schule zur individuellen Lebensbewältigung aus den Jahren 1992 bis 2000 aufgeführt, aus denen sich etwa ergebe, dass der Kläger „Eierkuchen zubereiten“ könne (1992), schwimmen gelernt habe (1995), „Freude am Schälen und Schneiden“ zeige (1996) und „kleine Gerichte zubereiten“ könne (1997). Der körperliche Befund wird erneut als unauffällig beschrieben. Der Kläger habe sich ängstlich und scheu gezeigt und ausweichend reagiert. Er habe während der Begutachtung kein Wort gesprochen. Der Hilfebedarf des Klägers sei der aktuell vorliegenden Pflegesituation anzupassen. Hieraus ergebe sich eine Änderung im Vergleich zum Vorgutachten. Der Kläger sei in der Lage, die meisten Verrichtungen weitgehend selbstständig, teilweise unter „grobschrittiger Anleitung“ auszuführen. Hiernach liege ein täglicher Hilfebedarf in der Grundpflege von 24 Minuten (15 Minuten Körperpflege, kein Hilfebedarf bei der Ernährung, 9 Minuten Mobilität) und in der Hauswirtschaft von 45 Minuten vor. Unter der Überschrift „Besserungsnachweis“ wird ausgeführt:

5

„Auf Grund einer mittelgradigen Intelligenzminderung und einer sonstigen tief greifende Entwicklungsstörungen mit autistischen Zügen und daraus resultierender kognitiver Einschränkung benötigt der Versicherte personelle Hilfe bei der Grundpflege und für die hauswirtschaftliche Versorgung. Es ist eine Stabilisierung des Gesundheitszustandes mit Erhöhung der Selbstständigkeit mit wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse erkennbar. Durch aktivierende Pflege ist der Versicherte in der Lage bei den pflegerischen Verrichtungen weitgehend mitzuhelfen oder diese selbstständig auszuführen.“

6

Nach entsprechender Anhörung des Klägers hob die Beklagte ihren Bescheid vom 29. Mai 1995 in der Fassung des Bescheides vom 22. Februar 2001 mit Bescheid vom 15. Januar 2014 ab 01. Februar 2014 auf. Mit gesondertem Bescheid vom 15. Januar 2014 bewilligte die Beklagte Leistungen als Übergangsregelung bis zum Inkrafttreten eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs (Pflegegeld in Höhe von 120 Euro monatlich) ab 01. Februar 2014. Den gegen den Aufhebungsbescheid erhobenen Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2014 zurück.

7

Hiergegen hat der Kläger am 11. März 2014 bei dem Sozialgericht Rostock Klage erhoben. Sein Hilfebedarf bestehe auch weiterhin im Umfang der Pflegestufe II.

8

Der Kläger hat beantragt:

9

Der Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2014 wird aufgehoben.

10

Die Beklagte hat zunächst beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Sie hat zur Begründung zunächst auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen und ergänzend ein weiteres MDK-Gutachten (Pflegefachkraft L. vom 23. Juni 2014) vorgelegt, auf dessen näheren Inhalt Bezug genommen wird. Hierin wird ein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von insgesamt 28 Minuten eingeschätzt (17 Minuten Körperpflege, 0 Minuten Ernährung, 11 Minuten Mobilität). Ausführungen zu einer Veränderung im Vergleich zur Begutachtung im Jahr 2001 finden sich in dem Gutachten nicht.

13

Das Sozialgericht hat ein Gutachten der Pflegesachverständigen E. vom 23. Januar 2015 eingeholt, auf dessen näheren Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird. Hierin wird aktuell ein täglicher Zeitaufwand in der Grundpflege von 94 Minuten (64 Minuten Körperpflege, 10 Minuten Ernährung, 20 Minuten Mobilität) und in der Hauswirtschaft von 74 Minuten angenommen. Die Sachverständige legt dar, dass die in 2001 festgestellten 50 Minuten Hilfe bei der Ernährung viel zu hoch angesetzt worden seien, da Hilfe „nur“ in Form von Anleitung und Überwachung erforderlich gewesen sei, was es der Pflegeperson erlaubt habe, während der Nahrungsaufnahme des Klägers selbst ihre Mahlzeit einzunehmen. Der Hilfebedarf bei der Ernährung habe seinerzeit wie aktuell nur 10 Minuten betragen.

14

Die Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 17. März 2015 ein Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass sie ihre angegriffenen Bescheide teilweise wieder aufhebt und dem Kläger über den 01. Januar 2014 hinaus Leistungen nach Pflegestufe I gewährt. Einen entsprechenden Ausführungsbescheid hat sie unter dem 18. März 2015 erlassen. Der Kläger hat seine weitergehende Klage aufrechterhalten.

15

Das Sozialgericht hat der Klage nach entsprechender Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 15. Juli 2015 auch im Übrigen stattgegeben und den angegriffenen Aufhebungsbescheid vollständig aufgehoben. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bewilligungsbescheide über Leistungen der Pflegestufe II nicht erfüllt seien.

16

Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X sei im Vergleich des MDK-Gutachtens vom 08. Februar 2001 mit dem Gutachten des MDK vom 13. November 2013 nicht feststellbar. Zwar erfülle der Kläger nicht die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe II, sondern „nur“ nach Pflegestufe I, die die Beklagte zwischenzeitlich auch weiter gewähre. Jedoch habe der Kläger bereits bei der Leistungsbewilligung vom 22. Februar 2001 nicht die Voraussetzungen von einer Hilfe in der Grundpflege von mindestens 120 Minuten täglich erfüllt. Zu diesem Ergebnis sei das Gericht unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen und insbesondere aufgrund der Ausführungen im Gerichtsgutachten der Pflegesachverständigen E. gelangt. Die Sachverständige habe nachvollziehbar dargelegt, dass der (aktuelle) Hilfebedarf des Klägers im grundpflegerischen Bereich täglich 94 Minuten und im hauswirtschaftlichen Bereich 74 Minuten betrage. Sie habe dabei die individuellen Einschränkungen des Klägers und die Begutachtungsrichtlinien berücksichtigt. Änderungen seien im Vergleich zum Bescheid vom 22. Februar 2001, basierend auf dem MDK-Gutachten vom 08. Februar 2001, nur bei der Körperpflege insoweit eingetreten, dass der Kläger nicht mehr bade, sondern ein Mal täglich dusche, was zu einer Verringerung des Hilfebedarfes von 10 Minuten täglich führe. Eine anderweitige Veränderung des Pflegebedarfs des Klägers sei nicht anzunehmen. Vielmehr sei bei der Begutachtung im Jahr 2001 ein viel zu hoher Hilfebedarf bei der Ernährung angenommen worden. Der Kläger sei damals wie auch aktuell aufgrund seiner kognitiven Einschränkungen lediglich nicht in der Lage gewesen, adäquat mit dem Messer umzugehen. Zudem müsse er ebenso wie seinerzeit bei der Nahrungsaufnahme angeleitet und überwacht werden. Dies ermögliche der Pflegeperson jedoch, zeitgleich ihre eigene Mahlzeit einzunehmen. Ein sofortiges Eingreifen sei damals wie aktuell nicht erforderlich. Der Hilfebedarf bei der Ernährung sei daher unverändert mit 10 Minuten täglich zu bemessen.

17

Damit sei der tatsächliche Pflegebedarf von Anfang an um 40 Minuten geringer gewesen, als im Jahr 2001 angenommen. Der Grundpflegepflegebedarf habe demnach mit tatsächlich nur 109 Minuten täglich Leistungen nach der Pflegestufe II nicht gerechtfertigt. Die Bewilligung mit Bescheid vom 22. Februar 2001 sei daher auch unter Anwendung eines großzügigen Maßstabes bei der Bemessung von Zeiten rechtswidrig gewesen. Die allein anzunehmende Änderung bei der Körperpflege (Verringerung des Hilfebedarfes von 10 Minuten täglich), die auf einer Änderung des Verhaltens des Klägers bei der Körperpflege und nicht auf einer Verbesserung seines Gesundheitszustandes beruhe, stelle keine wesentliche Änderung der Verhältnisse dar, denn unter Berücksichtigung der fehlerhaft überhöhten Feststellungen im MDK-Gutachten vom 08. Februar 2001 verbliebe noch immer ein Hilfebedarf in der Grundpflege von 139 Minuten (statt 149 Minuten), was ebenfalls eine Einstufung in die Pflegestufe II zur Folge hätte. Die Aufhebung gemäß § 48 SGB X stelle daher eine Umgehung der Vertrauensschutzregelung des § 45 SGB X dar.

18

Gegen den ihr am 21. Juli 2015 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Beklagten vom 21. August 2015, mit der sie an ihrer Auffassung festhält. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ein Besserungsnachweis sei anzunehmen, da der MDK eine deutliche Reduzierung des Hilfebedarfs des Klägers festgestellt habe. Von den Feststellungen des MDK als zeitnächste gutachterliche Einschätzung sei auszugehen; alle weiteren Stellungnahmen seien mit zunehmendem zeitlichem Abstand als spekulativ anzusehen. Die Feststellungen der Gutachterin Dr. St. zum Hilfebedarf bei der Ernährung im Gutachten aus dem Jahre 2001 beruhten offenkundig darauf, dass sie ein besonderes, auffälliges Fehlverhalten im Umgang mit Nahrungsmitteln festgestellt habe, „sonst hätte sie nicht diesen hohen Zeitaufwand nebst besonderer Begründung attestiert.“ Es sei nicht nachvollziehbar, diese Feststellungen 14 Jahre später anzuzweifeln.

19

Die Beklagte hat nach Aufforderung des Senats eine nach Aktenlage erstellte gutachterliche Stellungnahme des MDK vom 08. Oktober 2015 zu dem gerichtlichen Sachverständigengutachten vorgelegt, auf deren näheren Inhalt Bezug genommen wird. Hierin wird zum einen die Verwendung des sog. Denver-Tests zur Beurteilung der allgemeinen kindlichen Entwicklung im Falle des erwachsenen Klägers, der autistische Züge aufweise, als ungeeignet eingeschätzt. Zum anderen wird es als nicht nachvollziehbar bezeichnet, dass die „in den Schulzeugnissen beschriebenen Fähigkeiten nicht mehr vorliegen sollen“. In den Zeugnissen würden „Fertigkeiten und Fähigkeiten des Versicherten“ beschrieben, „welche Rückschlüsse auf eine selbstständige mundgerechte Zubereitung der Nahrung und Nahrungsaufnahme zulassen.“

20

Die Beklagte beantragt,

21

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts A-Stadt vom 15. Juli 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

22

Der Kläger beantragt,

23

die Berufung zurückzuweisen.

24

Er verweist auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, und vertritt die Auffassung, dass nach wie vor ein Hilfebedarf vorliege, der eine Einstufung in die Pflegestufe II rechtfertige.

25

Beide Beteiligte haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Vorsitzenden anstelle des Senats sowie durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe

26

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt und damit bekundet haben, ihren Anspruch auf mindestens eine mündliche Verhandlung (vgl. Art. 6 EMRK) nicht geltend zu machen, sodass der Umstand nicht entgegen steht, dass auch vor dem Sozialgericht, das gemäß § 105 SGG durch Gerichtsbescheid entschieden hat, eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden hat. Ebenfalls mit Einverständnis der Beteiligten konnte der Vorsitzende anstelle des Senats entscheiden, § 155 Abs. 3 SGG.

27

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

28

Das Sozialgericht hat die angegriffenen Bescheide der Beklagten mit im Kern zutreffender Begründung aufgehoben. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann daher zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen des Sozialgerichts in der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen werden, die sich der Senat nach Prüfung zu Eigen macht. Insoweit sieht der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

29

Ergänzend sei lediglich Folgendes ausgeführt: Streitgegenstand ist allein, ob die Beklagte berechtigt war, dem Kläger seine aus der bestandskräftigen Bescheidlage resultierenden Rechtsansprüche (teilweise) zu entziehen. Hierfür ist nicht vordergründig entscheidend, ob der Kläger ab dem 01. Februar 2014 die materiellen Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen nach der Pflegestufe II erfüllt.

30

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten, die sich auf § 48 SGB Abs. 1 Satz 1 X stützen, setzen mithin eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse im Sinne einer Reduzierung des Pflegebedarfs voraus. Dabei sind die zum Zeitpunkt der Aufhebung bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit denjenigen zu vergleichen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung vorgelegen haben, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind. Eine derartige Änderung ist keineswegs bereits dann anzunehmen, wenn bei unveränderten tatsächlichen Verhältnissen lediglich eine abweichende Beurteilung des resultierenden Hilfebedarfs vorgenommen wird. Dabei ist zu beachten, dass die Beklagte, die sich auf eine Änderung der Verhältnisse beruft, grundsätzlich die objektive Beweislast hierfür trägt, also für eine (positive) Abweichung des späteren Zustands von dem früheren (sog. Besserungsnachweis, vgl. BSG, Urteil vom 07. Juli 2005 – B 3 P 8/04 R). Die Annahme einer „wesentlichen" Änderung setzt zunächst voraus, dass überhaupt eine Änderung der Verhältnisse feststellbar ist. Dabei besteht insbesondere keine allgemeine Beweisvermutung des Inhalts, dass die Verwaltung ihre ursprüngliche Entscheidung rechtmäßig getroffen hat und dass die dieser Entscheidung zugrundeliegende sachverständige Feststellung des Grundpflegebedarfs zutreffend war.

31

Das Sozialgericht hat vorliegend richtigerweise auf die (bestätigende) Leistungsbewilligung im Verwaltungsakt vom 22. Februar 2001 und die dieser zugrundeliegenden Feststellungen im Gutachten vom 08. Februar 2001 als Vergleichsmaßstab abgestellt. Eine wesentliche Änderung der seinerzeitigen Verhältnisse hat der Senat für den Zeitpunkt der Leistungsaufhebung durch die Beklagte nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens trotz Ausschöpfung aller ihm (insbesondere für die Vergangenheit nur eingeschränkt) zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel ebenso wenig feststellen können wie das Sozialgericht.

32

Im Gegenteil bestehen erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass die Beurteilung durch die MDK-Gutachterin im Jahre 2001 objektiv fehlerhaft war und insbesondere im Bereich der Ernährung, aber wohl auch im Bereich der Körperpflege einen zu hohen Hilfebedarf angesetzt hat. Wegen der Einzelheiten kann insoweit zum einen auf die Ausführungen des Sozialgerichts in den Entscheidungsgründen Bezug genommen werden. Zum anderen ist insbesondere auf die Ausführungen des MDK in seiner Stellungnahme vom 08. Oktober 2015 zu verweisen. In der Tat ist es nicht nachvollziehbar, dass Fertigkeiten und Fähigkeiten des Klägers, die auf eine selbstständige mundgerechte Zubereitung der Nahrung und Nahrungsaufnahme schließen lassen, wie sie von seiner Schule für die Jahre 1992, 1996 und 1997 beschrieben werden, bereits bei der Begutachtung im Januar 2001 nicht mehr vorgelegen haben sollen, dann aber bei der (ärztlicherseits wegen Dauerzustands für entbehrliche gehaltenen) Wiederholungsbegutachtung im Jahr 2013 wiedergekehrt sein sollen.

33

Es spricht vielmehr alles dafür, dass im Zeitpunkt der Leistungsaufhebung ein im Vergleich zu Anfang 2001 im Wesentlichen unveränderter Gesundheitszustand und Hilfebedarf des Klägers vorgelegen hat. Eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse ist seitens der Beklagten noch nicht einmal nachvollziehbar vorgetragen geschweige objektiv feststellbar. Die oben wiedergegebenen Ausführungen zum „Besserungsnachweis“ im MDK-Gutachten vom 19. November 2013 beschränken sich vielmehr auf eine floskelhafte, mit Hilfe eines Textverarbeitungssystems erstellte Darstellung ohne erkennbaren Bezug zum konkreten Fall. Inwieweit der Kläger durch eine aktivierende Pflege einen höheren Grad an Selbstständigkeit erreicht haben soll, bleibt ebenso nebulös wie die Behauptung, es sei eine Stabilisierung des Gesundheitszustandes eingetreten.

34

Ausweislich der vom MDK auszugsweise wiedergegebenen Schulzeugnisse liegt es im Gegenteil nahe, dass der Kläger bereits in den 1990er Jahren durch seine schulische Förderung erhebliche Fortschritte gemacht hat, die ihn sogar zur Zubereitung von Mahlzeiten befähigt haben, weshalb die Annahme eines umfassenden Hilfebedarfs im Beriech der Ernährung, wie sie im Gutachten aus dem Jahr 2001 erfolgte, umso weniger nachvollziehbar erscheint. Das Gutachten ist auch insoweit widersprüchlich, als darin ein geistiger Entwicklungsstand des Klägers wie bei einem Vorschulkind (bei unauffälligem körperlichen Befund) beschrieben, gleichwohl aber ein Hilfebedarf in der Grundpflege von etwa 2 ½ Stunden täglich angenommen wird. Ausgehend von den Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit (Fassung seit Mai 2006) beträgt der Hilfebedarf von gesunden Kindern im Alter von 4 bis 5 Jahren indes lediglich zwischen 52 und 88 Minuten, im Alter von 5 bis 6 Jahren gar nur 35 bis 52 Minuten täglich. Selbst nach der Urfassung der Begutachtungsrichtlinie vom 21. März 1997, die den Hilfebedarf gesunder Kinder noch deutlich undifferenzierter auswies, war ein Höchstbedarf von 2 ½ Stunden täglich lediglich bei Kindern bis zu einem Alter von drei Jahren anzunehmen, keineswegs aber bei Vorschulkindern, für die der Höchstwert mit 1 ¾ Stunden angegeben war.

35

Schließlich erscheint folgender Hinweis geboten: Ohne dass dies den Verwaltungsakten der Beklagten ausdrücklich zu entnehmen wäre, geht der Senat davon aus, dass die ursprüngliche Einstufung des Klägers in die Pflegestufe II (nicht aktenkundiger Bescheid vom 29. Mai 1995) auf der Übergangsvorschrift des Art. 45 Abs. 1 des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit vom 26. Mai 1994 (PflegeVG, BGBl. I 1014, 1063) beruhte, wonach diese Einstufung bei vorangegangenen Bezug von Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nach den §§ 53 bis 57 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 31. März 1995 geltenden Fassung ohne Antragstellung und ohne Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen nach neuem Recht erfolgte. Für Einschränkung der dem Kläger hieraus erwachsenen Rechtsposition durch eine Aufhebung nach § 48 SGB X bedarf es daher über den Nachweis einer Besserung im Vergleich zu den Verhältnissen bei der letzten Bewilligung im Jahr 2001 hinaus auch eines Besserungsnachweises im Vergleich zum Zustand bei Umstellung auf die Leistungen nach dem SGB XI. Vorauszusetzen ist demnach, dass sich der Pflegebedarf durch Umstände verringert hat, die seit dem 01. April 1995 eingetreten sind, BSG, Urteile vom 13. März 2001 – B 3 P 20/00 R und vom 30. Oktober 2001 – B 3 P 7/01 R. Danach ist vorliegend zusätzlich auszuschließen, dass sich der Pflegebedarf des Klägers seit 1995 zunächst erhöht und zu einem zeitlichen Umfang von 149 Minuten im Jahr 2001 geführt hat, um dann wieder auf ein Maß abzusinken, das (allenfalls) noch im Bereich der Pflegestufe I liegt, vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Oktober 2014 – L 4 P 4961/13.

36

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

37

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 10. Okt. 2014 - L 4 P 4961/13

bei uns veröffentlicht am 10.10.2014

Tenor Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Oktober 2013 und der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2010 in der Fassung des Bescheids vom 25. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.

Referenzen

(1) Pflegebedürftige erhalten nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt.

(2) Das Begutachtungsinstrument ist in sechs Module gegliedert, die den sechs Bereichen in § 14 Absatz 2 entsprechen. In jedem Modul sind für die in den Bereichen genannten Kriterien die in Anlage 1 dargestellten Kategorien vorgesehen. Die Kategorien stellen die in ihnen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Schweregrade der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten dar. Den Kategorien werden in Bezug auf die einzelnen Kriterien pflegefachlich fundierte Einzelpunkte zugeordnet, die aus Anlage 1 ersichtlich sind. In jedem Modul werden die jeweils erreichbaren Summen aus Einzelpunkten nach den in Anlage 2 festgelegten Punktbereichen gegliedert. Die Summen der Punkte werden nach den in ihnen zum Ausdruck kommenden Schweregraden der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten wie folgt bezeichnet:

1.
Punktbereich 0: keine Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
Punktbereich 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
Punktbereich 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
Punktbereich 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten und
5.
Punktbereich 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten.
Jedem Punktbereich in einem Modul werden unter Berücksichtigung der in ihm zum Ausdruck kommenden Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sowie der folgenden Gewichtung der Module die in Anlage 2 festgelegten, gewichteten Punkte zugeordnet. Die Module des Begutachtungsinstruments werden wie folgt gewichtet:
1.
Mobilität mit 10 Prozent,
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen zusammen mit 15 Prozent,
3.
Selbstversorgung mit 40 Prozent,
4.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen mit 20 Prozent,
5.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit 15 Prozent.

(3) Zur Ermittlung des Pflegegrades sind die bei der Begutachtung festgestellten Einzelpunkte in jedem Modul zu addieren und dem in Anlage 2 festgelegten Punktbereich sowie den sich daraus ergebenden gewichteten Punkten zuzuordnen. Den Modulen 2 und 3 ist ein gemeinsamer gewichteter Punkt zuzuordnen, der aus den höchsten gewichteten Punkten entweder des Moduls 2 oder des Moduls 3 besteht. Aus den gewichteten Punkten aller Module sind durch Addition die Gesamtpunkte zu bilden. Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
5.
ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.

(4) Pflegebedürftige mit besonderen Bedarfskonstellationen, die einen spezifischen, außergewöhnlich hohen Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung aufweisen, können aus pflegefachlichen Gründen dem Pflegegrad 5 zugeordnet werden, auch wenn ihre Gesamtpunkte unter 90 liegen. Der Medizinische Dienst Bund konkretisiert in den Richtlinien nach § 17 Absatz 1 die pflegefachlich begründeten Voraussetzungen für solche besonderen Bedarfskonstellationen.

(5) Bei der Begutachtung sind auch solche Kriterien zu berücksichtigen, die zu einem Hilfebedarf führen, für den Leistungen des Fünften Buches vorgesehen sind. Dies gilt auch für krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen. Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sind Maßnahmen der Behandlungspflege, bei denen der behandlungspflegerische Hilfebedarf aus medizinisch-pflegerischen Gründen regelmäßig und auf Dauer untrennbarer Bestandteil einer pflegerischen Maßnahme in den in § 14 Absatz 2 genannten sechs Bereichen ist oder mit einer solchen notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht.

(6) Bei pflegebedürftigen Kindern wird der Pflegegrad durch einen Vergleich der Beeinträchtigungen ihrer Selbständigkeit und ihrer Fähigkeiten mit altersentsprechend entwickelten Kindern ermittelt. Im Übrigen gelten die Absätze 1 bis 5 entsprechend.

(7) Pflegebedürftige Kinder im Alter bis zu 18 Monaten werden abweichend von den Absätzen 3, 4 und 6 Satz 2 wie folgt eingestuft:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4,
4.
ab 70 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Der Vorsitzende kann seine Aufgaben nach den §§ 104, 106 bis 108 und 120 einem Berufsrichter des Senats übertragen.

(2) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage oder der Berufung, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten.
In dringenden Fällen entscheidet der Vorsitzende auch über den Antrag nach § 86b Abs. 1 oder 2.

(3) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle des Senats entscheiden.

(4) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Pflegebedürftige Versicherte, die bis zum 31. März 1995 Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nach den §§ 53 bis 57 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch erhalten haben, werden mit Wirkung vom 1. April 1995 ohne Antragstellung in die Pflegestufe II eingestuft und erhalten Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Elften Buches Sozialgesetzbuch in dem Umfang, der für Pflegebedürftige im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Elften Buches Sozialgesetzbuch vorgesehen ist.

(2) (weggefallen)

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Oktober 2013 und der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2010 in der Fassung des Bescheids vom 25. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2011 aufgehoben.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand

 
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger ab 1. Juni 2010 weiterhin Pflegegeld nach Pflegestufe II beanspruchen kann.
Der am 1991 geborene Kläger ist bei der Beklagten pflegepflichtversichert. Bei ihm besteht eine Propionacidämie, eine rezidiv vererbte angeborene Stoffwechselerkrankung, die zur Folge hat, dass er mit einer PEG (Perkutane endoskopische Gastrostomie) -Ernährungssonde ernährt wird, sowie eine kognitive Leistungsminderung, ein ausgeprägter Knick-Platt-Fuß und eine Osteoporose. Der Kläger besuchte eine Körperbehindertenschule. Mittlerweile ist er in einer Werkstatt für Behinderte tätig. Seit Mai 1991 besteht ein Grad der Behinderung (GdB) von 80; die Merkzeichen G, B und H sind festgestellt.
Ab 9. Februar 1993 erhielt der Kläger Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nach § 57 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der vom 1. Januar 1989 bis 31. März 1995 geltenden Fassung vom 20. Dezember 1988 (Bescheid vom 8. Oktober 1993). Nach dem Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. M.-J., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK), vom 6. Oktober 1993 bestand bei dem zweieinhalbjährigen Kläger die Notwendigkeit ständiger Hilfe beim Aufstehen und zu Bett gehen, bei der Nahrungszubereitung und -aufnahme, im Bereich der Körperpflege und der Koordination des Tagesablaufs, häufiger Hilfebedarf beim Treppensteigen und gelegentlicher Hilfebedarf bei der Kommunikation. Die Stoffwechselstörung des Klägers bedürfe der peinlich genauen Verabreichung einer Diätkost nach Plan. Die Zusammenstellung dieser Kost bedinge den starken pflegerischen Aufwand. Zusätzlicher Aufwand bestehe auch beim Füttern selbst. Die Voraussetzungen für die Anerkennung von Schwerpflegebedürftigkeit nach §§ 53 ff. SGB V lägen vor.
Am 8. Dezember 1994 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen der Pflegeversicherung. Die Beklagte erhob das Gutachten der Pflegefachkraft W., MDK, vom 14. September 1995 nach Untersuchung des Klägers am 4. September 1995. Darin wurde ausgeführt, dass der Kläger im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates und der Sinnesorgane mäßige Einschränkungen habe. Es liege eine leichte Außenrotation der Füße vor. Der Kläger gehe geringgradig unsicher und stolpere häufig. Im Bereich der inneren Organe und des Zentralen Nervensystems sowie der Psyche bestünden schwere Einschränkungen. Der Kläger sei noch inkomplett harn- und stuhlinkontinent. Es bestehe der Verdacht auf eine geringgradige geistige Retardierung. Der pflegerische Aufwand im Bereich Körperpflege und Mobilisation sei im Vergleich zu einem gleichaltrigen gesunden Kind aber nicht wesentlich höher. Ein höherer Zeitaufwand bestehe bei der Ernährung und beim Essen eingeben. Es bestehe Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe I. Nach dem auf dem Gutachten angebrachten handschriftlichen Vermerk, hinsichtlich dessen Unterschrift und Datum nicht erkennbar ist, habe sich der Gesundheitszustand gegenüber der Begutachtung vom 6. Oktober 1993 nicht verändert, weshalb entsprechend den Übergangsvorschriften weiterhin Pflegestufe II bestehe. Mit Bescheid vom 21. September 1995 bewilligte die Beklagte dem Kläger Pflegegeld nach Pflegestufe I ab 1. September 1995. Auf den vom Kläger dagegen erhobenen Widerspruch erstattete Pflegefachkraft W. das Gutachten vom 13. Oktober 1995. Er gab an, bei der Nahrungsaufnahme bestehe ein zeitlicher Mehraufwand, der in dem Gutachten vom 4. (richtig: 14.) September 1995 berücksichtigt worden sei. Das genaue Abwiegen und Zubereiten der Mahlzeiten seien im Gutachten berücksichtigte hauswirtschaftliche Verrichtungen. Die ständige Aufmerksamkeit, die der Kläger benötige, könne zeitlich ebenso wenig berücksichtigt werden, wie das tägliche Spazierengehen bzw. Gymnastik und die Medikamentengabe. Es verbleibe dabei, dass die Voraussetzungen der Pflegestufe II zwischenzeitlich nicht mehr erfüllt seien. Mit Bescheid vom 26. Oktober 1995 half die Beklagte dem Widerspruch des Klägers ab und verfügte, dass auf Grund der Besitzstandswahrung keine Rückstufung vorgenommen werde, sondern die bisherigen Leistungen der Pflegeversicherung in der Pflegestufe II weitergezahlt würden.
Am 2. Oktober 1998 beantragte der Kläger Höherstufung. Die Beklagte erhob daraufhin das am 5. November 1998 durch Dr. Z., MDK, erstattete Gutachten. Darin wurde ein täglicher Hilfebedarf bei der Körperpflege von 58 Minuten, bei der Ernährung von 86 Minuten und bei der Mobilität von 66 Minuten, insgesamt 210 Minuten, festgestellt. Vom festzustellenden Grundpflegebedarf sei ein Pflegebedarf für gesunde gleichaltrige Kinder von 60 Minuten täglich zum Abzug zu bringen. Pflegebedürftigkeit entsprechend der Pflegestufe II liege vor. Mit Bescheid vom 6. November 1998 lehnte die Beklagte die Höherstufung ab.
Am 30. März 1999 beantragte der Kläger erneut die Höherstufung. Die Beklagte veranlasste wiederum eine Begutachtung des Klägers durch Dr. Z., die das Gutachten nach Aktenlage vom 17. Mai 1999 erstattete. Sie stellte einen täglichen körperbezogenen Mehraufwand an Pflege gegenüber gesunden gleichaltrigen Kindern von ca. 150 bis 160 Minuten fest. Weitere gesundheitliche Veränderungen gegenüber der Vorbegutachtung seien nicht eingetreten. Mit Bescheid vom 20. Mai 1999 lehnte die Beklagte die Höherstufung ab.
Im April 2010 leitete die Beklagte eine Nachuntersuchung ein. Pflegefachkraft K. erstattete nach Durchführung einer Untersuchung des Klägers am 4. Mai 2010 das Gutachten vom 5. Mai 2010. Er stellte einen täglichen Hilfebedarf bei der Grundpflege von 50 Minuten fest (Körperpflege 22 Minuten, Ernährung 20 Minuten, Mobilität acht Minuten). Er führte aus, der Hilfebedarf in den Bereichen Körperpflege und Mobilität habe sich pflegestufenrelevant reduziert. Der Kläger sei mittlerweile in der Lage, nach Aufforderung und Motivation einzelne Verrichtungen selbstständig durchzuführen, auch wenn Verlaufskontrollen notwendig seien. Im Bereich der Blasen- und Darmentleerung sei er nahezu selbstständig, lediglich ein Nachsäubern nach dem Stuhlgang sei erforderlich. Empfohlen werde die Pflegestufe I ab April 2010. Nach Anhörung hob die Beklagte mit Bescheid vom 11. Mai 2010 den Bescheid vom 21. September 1995 gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf. Schwerpflegebedürftigkeit liege nicht mehr vor. Ab 1. Juni 2010 würden Pflegeleistungen nach Pflegestufe I gestellt.
Der Kläger erhob Widerspruch. Er leide unter einer Propionacidämie mit Essstörung, die sehr schwer zu behandeln sei, und weshalb er mit einer Magensonde versorgt sei. Seine Eltern seien die ganze Zeit damit beschäftigt, seine Nahrung und Medikamente für ihn vorzubereiten, da er selbst nicht in der Lage sei, dies zu tun. Auch wenn er rausgehe, müsse immer jemand dabei sein. Er legte ärztliche Atteste des Prof. Dr. T. und des PD Dr. F., jeweils Kreiskliniken R., vom 16./20. Februar 2009 und 1. Juli 2010, Arztbriefe des Prof. Dr. T. aus dem Jahr 2009 sowie einen beispielhaften Diät-Tagesplan vom 13. April 2009 vor. Daraufhin erhob die Beklagte das von der Pflegefachkraft H., MDK, am 1. Oktober 2010 nach einer häuslichen Untersuchung vom 29. September 2010 erstattete Gutachten. Darin wurde für die Körperpflege ein täglicher Hilfebedarf von 28 Minuten, für die Ernährung von 55 Minuten, für die Mobilität von acht Minuten, insgesamt von 91 Minuten angenommen. Der Kläger sei beim Gehen im Wohnumfeld sicher. Außer Haus trage er orthopädisches Schuhwerk, bei langen Strecken sei er mit Rollstuhl mobil, dieser müsse wegen fehlender Kraftausdauer geschoben werden. Bei zunehmender Belastung bestehe Kurzatmigkeit. Eine orale Nahrungsaufnahme erfolge nicht. Trinken erfolge eigenständig. Toilettengänge erfolgten selbstständig, teilweise liege eine unzureichende Säuberung nach Defäkation vor, weshalb hier Teilhilfebedarf erforderlich sei. Außerdem bestehe eine geistige Retardierung. Orientierung in der Wohnung und im näheren Umfeld seien gegeben, ansonsten benötige er personelle Begleitung außer Haus. Das Einschätzen von für ihn fremden Situationen gelinge nicht adäquat. Ein nachvollziehbarer Hilfebedarf bestehe mit Aufforderung und Motivation bei der Ganzkörperwäsche sowie auch beim Duschen. Des weiteren sei Motivation und Anleitung bei der täglichen Zahnpflege und beim Kämmen erforderlich. Die Rasur werde übernommen. Ferner seien Hilfestellungen beim Herausrichten der jahreszeitlich passenden Kleidung notwendig, die Reihenfolge des Kleidens werde vorgegeben. Teilweise sei Hilfe erforderlich beim Schließen von Knöpfen. Zum zeitgerechten Aufstehen und ins Bett gehen müsse er aufgefordert werden. Die Zubereitung von Diäten und die Kontrolle der Magensonde könnten nicht zu den grundpflegerischen Verrichtungen gerechnet werden. Zusätzlich zu würdigen sei die Gabe der zuvor passierten Kost. Trotz des gestiegenen Hilfebedarfs liege weiterhin der zeitliche Rahmen der Pflegestufe I vor. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit einem nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom 25. Oktober 2010 mit, dass der MDK auch in seinem zweiten Gutachten zum Ergebnis gekommen sei, dass ein täglicher Hilfebedarf von mindestens zwei Stunden nicht vorliege und die Voraussetzungen für die Pflegestufe II nicht erfüllt seien. Im Bescheid vom 11. Mai 2010 sei es zu einem Schreibfehler bekommen. Aufzuheben sei nicht der Bescheid vom 21. September 1995, richtig müsse es heißen „…Aus diesem Grund sind wir gehalten, den Bewilligungsbescheid vom 26. Oktober 1995 gemäß § 48 Sozialgesetzbuch (SGB) X aufzuheben“ (Zitat mit Anführungszeichen im Original). Der Bescheid vom 11. Mai 2010 werde hiermit zu diesem Punkt berichtigt. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2011 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch zurück. Die Gutachter des MDK hätten bei ihren Untersuchungen am 4. Mai und 29. September 2010 übereinstimmend festgestellt, dass sich der tägliche Hilfebedarf des Klägers deutlich reduziert habe. Der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege betrage derzeit täglich 91 Minuten. Er habe sich im Bereich der Körperpflege sowie im Bereich der Mobilität pflegestufenrelevant reduziert. Der Kläger sei mittlerweile in der Lage, nach Aufforderung und Motivation einzelne Verrichtungen selbstständig durchzuführen, auch wenn Verlaufskontrollen notwendig seien. Im Bereich der Blasen- und Darmentleerung sei er nahezu selbstständig. Lediglich ein Nachsäubern nach Stuhlgang sei erforderlich. Die Beklagte habe deshalb zu Recht die Leistungen der Pflegestufe II zum 31. Mai 2010 eingestellt.
Am 14. Februar 2011 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Seine Rückstufung in die Pflegestufe I sei nicht berechtigt. Er brauche bei allen Verrichtungen der Körperpflege, der Nahrungsaufnahme sowie der Aufrechterhaltung der Mobilität ständig der Motivation und Beaufsichtigung. Der in den Gutachten festgestellte Zeitaufwand für die Pflege und Versorgung werde dem tatsächlichen Aufwand, der durch seine Eltern erbracht werde, in keiner Weise gerecht. Die Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen We. (hierzu im Folgenden) sei auch nicht zutreffend. Es handele sich bei den von ihm ermittelten Zeiten um Mindest-, nicht um Durchschnittswerte. Sein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege belaufe sich auf mindestens 36 Minuten und im Bereich der Mobilität auf mindestens zehn Minuten. Der Zeitbedarf für die Zubereitung der Mahlzeiten sei mit mindestens 60 Minuten anzunehmen. Der Zeitaufwand für die Nahrungsaufnahme sei mit 30 Minuten zu gering berechnet. Der gesamte Zeitbedarf für die Grundpflege sei mit mindestens 120 Minuten anzunehmen.
10 
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Zeitwerte des MDK im Bereich der Körperpflege mit 28 Minuten seien schlüssig. Nach den Begutachtungs-Richtlinien könnten für das Verabreichen der Nahrung mittels Sondenkost pro Tag 15 - 20 Minuten angerechnet werden. Beim Kläger habe der Gutachter sogar einen höheren Zeitaufwand anerkannt und 40 Minuten pro Tag berücksichtigt. Im Bereich der Mobilität sei ein Hilfebedarf von acht Minuten nachvollziehbar. Der Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung könne nicht berücksichtigt werden, da dieser nur im Zusammenhang mit medizinisch notwendigen Leistungen, die regelmäßig mindestens einmal die Woche anfielen, angerechnet werden dürfe. Ein Besuch der Behindertenwerkstatt gehöre nicht dazu.
11 
Das SG erhob das Sachverständigengutachten des Pflegesachverständigen We. vom 6. Juni 2011. Er nahm einen Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege von 103 Minuten täglich (Körperpflege 26 Minuten, Ernährung 70 Minuten, Mobilität sieben Minuten) an. Es sei eine gewisse Stabilisierung im Gesundheitszustand des Klägers eingetreten, wenngleich diese Stabilität rasch empfindlich gestört werden könne, wenn beispielsweise grobe Diätfehler gemacht würden oder gravierende Infekte beim Kläger aufträten. Die Frage, seit wann der aktuelle Pflegebedarf bestehe, könne seriös nur dahingehend beantwortet werden, dass er seit der Untersuchung zur Erstellung des MDK-Gutachtens am 4. Mai 2010 bestehe.
12 
Mit Urteil vom 14. Oktober 2013 wies das SG die Klage ab. Die Beklagte habe zutreffend die Pflegestufe reduziert. Verfahrensrechtlich beurteile sich der Fall nach § 48 SGB X. Eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen des Klägers liege vor. Ausweislich des Gutachtens von Herrn We. sei eine gewisse Stabilisierung im Gesundheitszustand des Klägers eingetreten. Auch die Anleitung der Eltern mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme habe beim Kläger zu einer Verringerung des Pflegebedarfs geführt. Der Sachverständige We. habe für es, das SG, nachvollziehbar und schlüssig im Bereich der Körperpflege einen Zeitaufwand von 26 Minuten, im Bereich der Ernährung von 70 Minuten und im Bereich der Mobilität von sieben Minuten abgeleitet. Der Bedarf für die Grundpflege betrage damit insgesamt maximal 103 Minuten und liege damit unter den für die Pflegestufe II notwendigen mindestens 120 Minuten. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 18. Oktober 2013 zugestellt.
13 
Am 18. November 2013 hat der Kläger unter Verweis auf sein Vorbringen im Klageverfahren Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Ergänzend hat er vorgetragen, die gesetzlichen Voraussetzungen zur Aufhebung des Bescheids mit Dauerwirkung gemäß § 48 SGB X lägen nicht vor. Eine ohne hinreichenden Grund und ohne Anlass von der Beklagten veranlasste Neuuntersuchung zur Überprüfung des zu seinen Gunsten ergangenen Bescheids sei unzulässig. Darüber hinaus liege keine wesentliche Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse vor. Sein Pflegebedarf rechtfertige weiterhin die Annahme der Pflegestufe II. Der Pflegebedarf im Bereich der Nahrungsaufnahme und im Bereich der Mobilität sei zu gering eingeschätzt worden. Völlig außer Acht bleibe, dass er regelmäßig von seinen Eltern einmal monatlich zu ärztlichen Untersuchungen begleitet werden müsse. Bei Komplikationen sei sogar eine wöchentliche ärztliche Untersuchung erforderlich. Wöchentlich werde er auch entweder von seinem Vater oder seiner Mutter zur Gymnastik begleitet mit einem Zeitaufwand von mindestens einer Stunde, wenn er mit dem Pkw seines Vaters transportiert werde, einem Aufwand von 2 Stunden, wenn er von seiner Mutter mit öffentlichen Verkehrsmitteln begleitet werde. Jede zweite Woche begleite ihn sein Vater auch zum MTV Sportverein mit einem Zeitaufwand von zwei Stunden und 20 Minuten. In vierteljährlichem Abstand müsse er zur Verlaufskontrolle in die Kreiskliniken Reutlingen begleitet werden. Der Kläger hat das ärztliche Attest der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. D. vom 19. November 2013 und eine Bescheinigung des Prof. Dr. F. vom 6. Dezember 2013 vorgelegt.
14 
Der Kläger beantragt sachgerecht gefasst,
15 
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Oktober 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2010 in der Fassung vom 25. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2011 aufzuheben.
16 
Die Beklagte beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Pflegefachkraft K. habe einen Hilfebedarf bei der Grundpflege in einem Umfang von 50 Minuten pro Tag ermittelt. Sachverständiger We. habe erläutert, dass eine gewisse Stabilisierung des Gesundheitszustand des Klägers eingetreten sei. Den Hilfebedarf in der Grundpflege habe er mit durchschnittlich 103 Minuten pro Tag bewertet. Nachdem sich in den tatsächlichen Verhältnissen im Umfang der Hilfe bei der Grundpflege eine wesentliche Änderung ergeben habe und bei der Grundpflege mindestens 120 Minuten pro Tag nicht mehr erforderlich seien, sei der frühere Bescheid mit Wirkung vom 1. Juni 2010 aufzuheben gewesen.
19 
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
20 
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach den §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufung ist auch begründet. Das SG hätte die Klage nicht abweisen dürfen. Denn mit Bescheid vom 11. Mai 2010 in der Fassung des Bescheids vom 25. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2011 hat die Beklagte den Kläger ab 1. Juni 2010 zu Unrecht von Pflegestufe II nach Pflegestufe I zurückgestuft und das Pflegegeld nur noch nach der niedrigeren Pflegestufe gewährt. Die Voraussetzungen für eine derartige Rückstufung lagen nicht vor.
22 
Streitgegenstand ist allein, ob der Kläger ab 1. Juni 2010 weiterhin Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II hat. Dieser Anspruch auf Weitergewährung von Pflegegeld ist im Wege der Anfechtungsklage durchzusetzen. Eine (zusätzlich) erhobene Leistungsklage wäre unzulässig, weil ihr das Rechtsschutzinteresse fehlte (vgl. z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 11. Dezember 1979 - 7 RAr 10/79 -, in juris). Denn schon mit der Aufhebung des Bescheids vom 11. Mai 2010 in der Fassung des Bescheids vom 25. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2011 wären die Leistungen nach Pflegestufe II weiter zu gewähren. Mithin ist zu entscheiden, ob die Beklagte zu Recht die Leistungsgewährung zum 31. Mai 2010 eingestellt hat.
23 
Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Wesentlich ist eine Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (BSG, Urteile vom 19. Februar 1986 - 7 RAr 55/84 - und 8. September 2010 - B 11 AL 4/09 -; beide in juris). Die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen in der sozialen Pflegeversicherung nach einer bestimmten Pflegestufe ist als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zu qualifizieren. Ein solcher Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn sich der Verwaltungsakt nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes und in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet bzw. inhaltlich verändert (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 16. Februar 1984 - 1 RA 15/83 -, Urteil vom 7. Juli 2005 - B 3 P 8/04 R -; beide in juris).
24 
Diese Voraussetzungen eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung waren hier hinsichtlich des Bescheids der Beklagten vom 26. Oktober 1995, mit dem die Beklagte dem Widerspruch des Klägers abhalf und verfügte, dass auf Grund der Besitzstandswahrung keine Rückstufung vorgenommen werde, sondern die bisherigen Leistungen der Pflegeversicherung in der Pflegestufe II weitergezahlt würden, erfüllt. Darin ging es um die Bewilligung einer Dauerleistung, die sich auf einen voraussichtlich mindestens sechs Monate andauernden, die Pflegebedürftigkeit auslösenden Gesundheitszustand bezog (§ 14 Abs. 1 SGB XI).
25 
Bei der Prüfung, ob eine Änderung im Sinne des § 48 SGB X eingetreten ist, ist bei Bescheiden, mit denen - wie hier mit Bescheid vom 26. Oktober 1995 - die Bewilligung von Leistungen der Pflegestufe II auf Grund von Artikel (Art.) 45 Pflegeversicherungsgesetz (PflegeVG) erfolgt, für den Vergleichsmaßstab folgendes zu beachten: Nach Art. 45 Abs. 1 PflegeVG werden pflegebedürftige Versicherte, die bis zum 31. März 1995 Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nach den §§ 53 bis 57 SGB V a.F. erhalten haben, mit Wirkung vom 1. April 1995 ohne Antragstellung in die Pflegestufe II eingestuft und erhalten entsprechende Leistungen der Pflegeversicherung. Mit dieser Regelung wurde vom Gesetzgeber in Kauf genommen, dass Versicherte in Einzelfällen zwar die gesetzlichen Voraussetzungen für die Pflegestufe II nicht erfüllen, aber dennoch die entsprechende Leistungen erhalten. Eine Herabstufung dieser Pflegebedürftigen wegen von Anfang an zu günstiger Einstufung kommt allerdings schon aus Rechtsgründen (partieller Bestandsschutz) nicht in Betracht (BSG, Urteile vom 13. März 2001 - B 3 P 20/00 R - in juris). In dieser Entscheidung führt das BSG aus, der partielle Bestandsschutz mache § 48 SGB X nicht unanwendbar, er bewirke aber, dass Versicherte, die nach Art. 45 PflegeVG pauschal der Pflegestufe II zugeordnet worden seien, nur dann nach § 48 SGB X in die Pflegestufe I herabgestuft werden können, wenn sich der Pflegebedarf nach dem 31. März 1995 (also nicht schon zur Zeit der Geltung der §§ 53 ff. SGB V a.F.) aufgrund tatsächlicher Umstände wie z.B. einer gesundheitlichen Besserung, durch Ausstattung mit Hilfsmitteln oder durch Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes in solchem Maße verringert habe, dass nur noch ein Pflegebedarf in den sachlichen und zeitlichen Grenzen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1 SGB XI (Pflegestufe I) vorhanden sei. Eine Herabstufung sei bei gegenüber dem Zustand vom 31. März 1995 nach Art und Umfang unverändertem Hilfebedarf, also bei fehlender nachträglicher wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, ausgeschlossen. Die objektive Beweislast für eine wesentliche Änderung trägt die Beklagte (bestätigt BSG, Urteil vom 30. Oktober 2001 - B 3 P 7/01 R -, so auch Urteil des erkennenden Senats vom 26. März 2004 - L 4 P 1152/02 -, Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 26. August 2008 - L 6 P 463/05 -, Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Februar 2012 - L 27 P 26/11 -, alle in juris).
26 
Die Herabstufung des Klägers in Pflegestufe I wäre daher nur dann in Betracht gekommen, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen, wie sie noch am 31. März 1995 vorgelegen haben, eine Änderung eingetreten wäre und diese zu einer Verringerung des Hilfebedarfs geführt hätte, mit der die zeitliche Grenze der Pflegestufe II nicht mehr erreicht wäre. Prüfungsmaßstab kann daher nicht der von der Beklagten vorgenommene Vergleich zwischen den Feststellungen in dem Gutachten vom 19. Mai 1999 und den Gutachten vom 5. Mai und 1. Oktober 2010 sein. Denn durch eine Auswertung dieser Gutachten lässt sich nicht erheben, ob sich im Pflegebedarf, wie er noch unter der Geltung alten Rechts bestanden hat, eine Änderung im Sinne einer Verringerung ergeben hat. Eine Verringerung des Hilfebedarfs während der Geltungsdauer neuen Rechts belegt nämlich nicht gleichzeitig und zwingend eine entsprechende Änderung auch im Vergleich zu dem noch während der Geltung alten Rechts bestehenden Zustand. Zwar ist nicht auszuschließen, dass im Einzelfall diese Schlussfolgerung zutreffend ist. Doch ist beispielsweise denkbar, dass nach Inkrafttreten neuen Rechts eine Verschlimmerung im Gesundheitszustand und eine damit einhergehende Erhöhung des Hilfebedarfs eintritt, die sich bis zu einem späteren Zeitpunkt wieder vollständig zurückgebildet hat. Während der Geltung neuen Rechts ließe sich in diesem Fall bei einem Vergleich des jeweiligen Hilfebedarfs zwar eine Verringerung feststellen, nicht aber bei einem Vergleich mit dem Zustand, wie er noch nach altem Recht vorgelegen hat. Nach Art und Umfang hätte sich insoweit keine Änderung ergeben, so dass auch eine Herabsetzung der Pflegestufe ausgeschlossen wäre. Dieses Beispiel macht deutlich, dass dem Willen des Gesetzgebers, nämlich all jenen Versicherten, die schon Leistungen wegen Schwerpflegebedürftigkeit nach altem Recht bezogen haben, unbeschränkt Leistungen nach Pflegestufe II so lange zu gewähren, wie im Hilfebedarf nach Art und Umfang keine wesentliche Änderung eingetreten ist, nur Rechnung getragen werden kann, wenn zur Prüfung einer Verringerung des Hilfebedarfs als Vergleichsmaßstab der Zustand herangezogen wird, wie er noch unter Geltung alten Rechts bestanden hat. Denn nur dadurch wird gewährleistet, dass auch Versicherte, die zwar nach früherem Recht die Voraussetzungen der §§ 53 ff SGB V a.F. erfüllt haben und die Voraussetzungen für eine Einstufung in Pflegestufe I oder II nach neuem Recht nicht mehr erfüllen, bei im Wesentlichen unverändertem Hilfebedarf weiterhin Leistungen nach Pflegestufe II erhalten (Urteil des erkennenden Senats vom 26. März 2004 - L 4 P 1152/02 -, a.a.O.).
27 
Zusammenfassend ergibt sich damit, dass die Beklagte den Kläger zulässigerweise nur dann in Pflegestufe I hätte herabstufen dürfen, wenn festzustellen wäre, dass im Hilfebedarf des Klägers nach dem 31. März 1995 nach Art und Umfang eine wesentliche Änderung eingetreten wäre. Die objektive Beweislast hierfür trägt - wie ausgeführt - die Beklagte.
28 
Eine derartige Änderung lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht feststellen. Der Gesundheitszustand des Klägers bzw. seine sich auf den Umfang des Pflegebedarfs auswirkenden Einschränkungen sind zeitnah zu dem maßgeblichen Zeitpunkt des 31. März 1995 durch das Gutachten vom 6. Oktober 1993 dokumentiert, wobei die bestehenden Einschränkungen des damals zweieinhalbjährigen Klägers lediglich sehr allgemein und wenig detailliert beschrieben sind. Es wird ein diskret unbeholfenes Gangbild, eine primär nonverbale Kommunikation und eine noch bestehende vollständige Inkontinenz sowie insbesondere ein erheblicher zeitlicher Aufwand bei der Nahrungszubereitung und der Nahrungsaufnahme beschrieben. Es fehlen insbesondere jegliche Feststellungen, in welchem Ausmaß der damalige Hilfebedarf des Klägers krankheitsbedingt und in welchem lediglich altersbedingt war. Einschränkungen beim Gehen außer Haus (orthopädisches Schuhwerk, bei langen Strecken Rollstuhl) werden auch bei den im Jahr 2010 und 2011 erstatteten Gutachten beschrieben. Ebenso wird die Kommunikation als eingeschränkt beschrieben als der Kläger nur auf einfache Fragen zu antworten vermag. Soweit im Unterschied zum Vorgutachten aus dem Jahr 1993 bezüglich der Kommunikation leichte Besserungen zu verzeichnen sind und insbesondere im Bereich der Darm- und Blasenentleerung nur noch ein Bedarf beim Nachsäubern nach Stuhlgang beschrieben wird, ist dies auf die Entwicklungsfortschritte des zum Zeitpunkt der Begutachtung im Jahr 2010 19-jährigen Klägers zurückzuführen. Dass sich der Hilfebedarf gegenüber einem im Jahr 1993 gesunden zweieinhalbjährigen Kind im Vergleich zum Bedarf im Jahr 2010 gegenüber einem gesunden 19-jährigen verringert hat, ist damit nicht belegt. Einen erheblichen Aufwand im Bereich der Ernährung und beim Esseneingeben beschreiben auch Pflegefachkräfte K. und H. sowie der Sachverständige We. in den Jahren 2010 bzw. 2011. Darauf, ob der Hilfebedarf im Bereich der Ernährung im Bereich 1993 „unrichtig“ beurteilt wurde, kommt es nicht an. Dies würde keine wesentliche Änderung bedingen.
29 
Etwas anderes ließe sich auch nicht auf die von Pflegefachkraft W. am 14. September und 13. Oktober 1995 sowie Dr. Z. am 5. November 1998 und 17. Mai 1999 erstatteten Gutachten stützen. Denn selbst dann, wenn man aus den Darlegungen in diesen Gutachten einen geringeren Hilfebedarf als noch im Oktober 1993 ableiten wollte, bliebe offen, ob die entsprechende Besserung erst nach dem 31. März 1995 eingetreten ist oder bereits vor diesem Zeitpunkt bestanden hat. Letzteres würde aber eine Herabstufung gerade ausschließen.
30 
Dass eine wesentliche Verminderung des Grundpflegebedarfs nicht nach dem 31. März 1995 eingetreten ist, belegt auch die Tatsache, dass die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 26. Oktober 1995 die bisherigen Leistungen der Pflegeversicherung in der Pflegestufe II auf Grund der Besitzstandswahrung weiter zahlte und nur deshalb keine Rückstufung vornahm.
31 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
32 
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Gründe

 
21 
Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach den §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufung ist auch begründet. Das SG hätte die Klage nicht abweisen dürfen. Denn mit Bescheid vom 11. Mai 2010 in der Fassung des Bescheids vom 25. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2011 hat die Beklagte den Kläger ab 1. Juni 2010 zu Unrecht von Pflegestufe II nach Pflegestufe I zurückgestuft und das Pflegegeld nur noch nach der niedrigeren Pflegestufe gewährt. Die Voraussetzungen für eine derartige Rückstufung lagen nicht vor.
22 
Streitgegenstand ist allein, ob der Kläger ab 1. Juni 2010 weiterhin Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II hat. Dieser Anspruch auf Weitergewährung von Pflegegeld ist im Wege der Anfechtungsklage durchzusetzen. Eine (zusätzlich) erhobene Leistungsklage wäre unzulässig, weil ihr das Rechtsschutzinteresse fehlte (vgl. z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 11. Dezember 1979 - 7 RAr 10/79 -, in juris). Denn schon mit der Aufhebung des Bescheids vom 11. Mai 2010 in der Fassung des Bescheids vom 25. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2011 wären die Leistungen nach Pflegestufe II weiter zu gewähren. Mithin ist zu entscheiden, ob die Beklagte zu Recht die Leistungsgewährung zum 31. Mai 2010 eingestellt hat.
23 
Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Wesentlich ist eine Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (BSG, Urteile vom 19. Februar 1986 - 7 RAr 55/84 - und 8. September 2010 - B 11 AL 4/09 -; beide in juris). Die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen in der sozialen Pflegeversicherung nach einer bestimmten Pflegestufe ist als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zu qualifizieren. Ein solcher Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn sich der Verwaltungsakt nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes und in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet bzw. inhaltlich verändert (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 16. Februar 1984 - 1 RA 15/83 -, Urteil vom 7. Juli 2005 - B 3 P 8/04 R -; beide in juris).
24 
Diese Voraussetzungen eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung waren hier hinsichtlich des Bescheids der Beklagten vom 26. Oktober 1995, mit dem die Beklagte dem Widerspruch des Klägers abhalf und verfügte, dass auf Grund der Besitzstandswahrung keine Rückstufung vorgenommen werde, sondern die bisherigen Leistungen der Pflegeversicherung in der Pflegestufe II weitergezahlt würden, erfüllt. Darin ging es um die Bewilligung einer Dauerleistung, die sich auf einen voraussichtlich mindestens sechs Monate andauernden, die Pflegebedürftigkeit auslösenden Gesundheitszustand bezog (§ 14 Abs. 1 SGB XI).
25 
Bei der Prüfung, ob eine Änderung im Sinne des § 48 SGB X eingetreten ist, ist bei Bescheiden, mit denen - wie hier mit Bescheid vom 26. Oktober 1995 - die Bewilligung von Leistungen der Pflegestufe II auf Grund von Artikel (Art.) 45 Pflegeversicherungsgesetz (PflegeVG) erfolgt, für den Vergleichsmaßstab folgendes zu beachten: Nach Art. 45 Abs. 1 PflegeVG werden pflegebedürftige Versicherte, die bis zum 31. März 1995 Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nach den §§ 53 bis 57 SGB V a.F. erhalten haben, mit Wirkung vom 1. April 1995 ohne Antragstellung in die Pflegestufe II eingestuft und erhalten entsprechende Leistungen der Pflegeversicherung. Mit dieser Regelung wurde vom Gesetzgeber in Kauf genommen, dass Versicherte in Einzelfällen zwar die gesetzlichen Voraussetzungen für die Pflegestufe II nicht erfüllen, aber dennoch die entsprechende Leistungen erhalten. Eine Herabstufung dieser Pflegebedürftigen wegen von Anfang an zu günstiger Einstufung kommt allerdings schon aus Rechtsgründen (partieller Bestandsschutz) nicht in Betracht (BSG, Urteile vom 13. März 2001 - B 3 P 20/00 R - in juris). In dieser Entscheidung führt das BSG aus, der partielle Bestandsschutz mache § 48 SGB X nicht unanwendbar, er bewirke aber, dass Versicherte, die nach Art. 45 PflegeVG pauschal der Pflegestufe II zugeordnet worden seien, nur dann nach § 48 SGB X in die Pflegestufe I herabgestuft werden können, wenn sich der Pflegebedarf nach dem 31. März 1995 (also nicht schon zur Zeit der Geltung der §§ 53 ff. SGB V a.F.) aufgrund tatsächlicher Umstände wie z.B. einer gesundheitlichen Besserung, durch Ausstattung mit Hilfsmitteln oder durch Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes in solchem Maße verringert habe, dass nur noch ein Pflegebedarf in den sachlichen und zeitlichen Grenzen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1 SGB XI (Pflegestufe I) vorhanden sei. Eine Herabstufung sei bei gegenüber dem Zustand vom 31. März 1995 nach Art und Umfang unverändertem Hilfebedarf, also bei fehlender nachträglicher wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, ausgeschlossen. Die objektive Beweislast für eine wesentliche Änderung trägt die Beklagte (bestätigt BSG, Urteil vom 30. Oktober 2001 - B 3 P 7/01 R -, so auch Urteil des erkennenden Senats vom 26. März 2004 - L 4 P 1152/02 -, Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 26. August 2008 - L 6 P 463/05 -, Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Februar 2012 - L 27 P 26/11 -, alle in juris).
26 
Die Herabstufung des Klägers in Pflegestufe I wäre daher nur dann in Betracht gekommen, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen, wie sie noch am 31. März 1995 vorgelegen haben, eine Änderung eingetreten wäre und diese zu einer Verringerung des Hilfebedarfs geführt hätte, mit der die zeitliche Grenze der Pflegestufe II nicht mehr erreicht wäre. Prüfungsmaßstab kann daher nicht der von der Beklagten vorgenommene Vergleich zwischen den Feststellungen in dem Gutachten vom 19. Mai 1999 und den Gutachten vom 5. Mai und 1. Oktober 2010 sein. Denn durch eine Auswertung dieser Gutachten lässt sich nicht erheben, ob sich im Pflegebedarf, wie er noch unter der Geltung alten Rechts bestanden hat, eine Änderung im Sinne einer Verringerung ergeben hat. Eine Verringerung des Hilfebedarfs während der Geltungsdauer neuen Rechts belegt nämlich nicht gleichzeitig und zwingend eine entsprechende Änderung auch im Vergleich zu dem noch während der Geltung alten Rechts bestehenden Zustand. Zwar ist nicht auszuschließen, dass im Einzelfall diese Schlussfolgerung zutreffend ist. Doch ist beispielsweise denkbar, dass nach Inkrafttreten neuen Rechts eine Verschlimmerung im Gesundheitszustand und eine damit einhergehende Erhöhung des Hilfebedarfs eintritt, die sich bis zu einem späteren Zeitpunkt wieder vollständig zurückgebildet hat. Während der Geltung neuen Rechts ließe sich in diesem Fall bei einem Vergleich des jeweiligen Hilfebedarfs zwar eine Verringerung feststellen, nicht aber bei einem Vergleich mit dem Zustand, wie er noch nach altem Recht vorgelegen hat. Nach Art und Umfang hätte sich insoweit keine Änderung ergeben, so dass auch eine Herabsetzung der Pflegestufe ausgeschlossen wäre. Dieses Beispiel macht deutlich, dass dem Willen des Gesetzgebers, nämlich all jenen Versicherten, die schon Leistungen wegen Schwerpflegebedürftigkeit nach altem Recht bezogen haben, unbeschränkt Leistungen nach Pflegestufe II so lange zu gewähren, wie im Hilfebedarf nach Art und Umfang keine wesentliche Änderung eingetreten ist, nur Rechnung getragen werden kann, wenn zur Prüfung einer Verringerung des Hilfebedarfs als Vergleichsmaßstab der Zustand herangezogen wird, wie er noch unter Geltung alten Rechts bestanden hat. Denn nur dadurch wird gewährleistet, dass auch Versicherte, die zwar nach früherem Recht die Voraussetzungen der §§ 53 ff SGB V a.F. erfüllt haben und die Voraussetzungen für eine Einstufung in Pflegestufe I oder II nach neuem Recht nicht mehr erfüllen, bei im Wesentlichen unverändertem Hilfebedarf weiterhin Leistungen nach Pflegestufe II erhalten (Urteil des erkennenden Senats vom 26. März 2004 - L 4 P 1152/02 -, a.a.O.).
27 
Zusammenfassend ergibt sich damit, dass die Beklagte den Kläger zulässigerweise nur dann in Pflegestufe I hätte herabstufen dürfen, wenn festzustellen wäre, dass im Hilfebedarf des Klägers nach dem 31. März 1995 nach Art und Umfang eine wesentliche Änderung eingetreten wäre. Die objektive Beweislast hierfür trägt - wie ausgeführt - die Beklagte.
28 
Eine derartige Änderung lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht feststellen. Der Gesundheitszustand des Klägers bzw. seine sich auf den Umfang des Pflegebedarfs auswirkenden Einschränkungen sind zeitnah zu dem maßgeblichen Zeitpunkt des 31. März 1995 durch das Gutachten vom 6. Oktober 1993 dokumentiert, wobei die bestehenden Einschränkungen des damals zweieinhalbjährigen Klägers lediglich sehr allgemein und wenig detailliert beschrieben sind. Es wird ein diskret unbeholfenes Gangbild, eine primär nonverbale Kommunikation und eine noch bestehende vollständige Inkontinenz sowie insbesondere ein erheblicher zeitlicher Aufwand bei der Nahrungszubereitung und der Nahrungsaufnahme beschrieben. Es fehlen insbesondere jegliche Feststellungen, in welchem Ausmaß der damalige Hilfebedarf des Klägers krankheitsbedingt und in welchem lediglich altersbedingt war. Einschränkungen beim Gehen außer Haus (orthopädisches Schuhwerk, bei langen Strecken Rollstuhl) werden auch bei den im Jahr 2010 und 2011 erstatteten Gutachten beschrieben. Ebenso wird die Kommunikation als eingeschränkt beschrieben als der Kläger nur auf einfache Fragen zu antworten vermag. Soweit im Unterschied zum Vorgutachten aus dem Jahr 1993 bezüglich der Kommunikation leichte Besserungen zu verzeichnen sind und insbesondere im Bereich der Darm- und Blasenentleerung nur noch ein Bedarf beim Nachsäubern nach Stuhlgang beschrieben wird, ist dies auf die Entwicklungsfortschritte des zum Zeitpunkt der Begutachtung im Jahr 2010 19-jährigen Klägers zurückzuführen. Dass sich der Hilfebedarf gegenüber einem im Jahr 1993 gesunden zweieinhalbjährigen Kind im Vergleich zum Bedarf im Jahr 2010 gegenüber einem gesunden 19-jährigen verringert hat, ist damit nicht belegt. Einen erheblichen Aufwand im Bereich der Ernährung und beim Esseneingeben beschreiben auch Pflegefachkräfte K. und H. sowie der Sachverständige We. in den Jahren 2010 bzw. 2011. Darauf, ob der Hilfebedarf im Bereich der Ernährung im Bereich 1993 „unrichtig“ beurteilt wurde, kommt es nicht an. Dies würde keine wesentliche Änderung bedingen.
29 
Etwas anderes ließe sich auch nicht auf die von Pflegefachkraft W. am 14. September und 13. Oktober 1995 sowie Dr. Z. am 5. November 1998 und 17. Mai 1999 erstatteten Gutachten stützen. Denn selbst dann, wenn man aus den Darlegungen in diesen Gutachten einen geringeren Hilfebedarf als noch im Oktober 1993 ableiten wollte, bliebe offen, ob die entsprechende Besserung erst nach dem 31. März 1995 eingetreten ist oder bereits vor diesem Zeitpunkt bestanden hat. Letzteres würde aber eine Herabstufung gerade ausschließen.
30 
Dass eine wesentliche Verminderung des Grundpflegebedarfs nicht nach dem 31. März 1995 eingetreten ist, belegt auch die Tatsache, dass die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 26. Oktober 1995 die bisherigen Leistungen der Pflegeversicherung in der Pflegestufe II auf Grund der Besitzstandswahrung weiter zahlte und nur deshalb keine Rückstufung vornahm.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
32 
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.