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Die Berufung ist zulässig. Die Berufung ist nicht nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschränkt und sie ist rechtzeitig erhoben worden. Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der angegriffene Gerichtsbescheid datiert vom 3. November 2003. Dessen erste Zustellung durch die Post mittels Einschreibens mit Rückschein scheiterte jedoch, weil das Schreiben nicht abgeholt wurde und damit der Nachweis einer früheren Zustellung im Sinne von § 63 Abs. 2 SGG, § 175 Satz 2 ZPO nicht geführt werden kann. Der Kläger hat durch Vorlage des Zustellumschlags mit Aktenzeichen nachweisen können, dass ihm der Gerichtsbescheid - aus welchen Gründen auch immer - tatsächlich erst am 16. Oktober 2004 zugestellt wurde, so dass erst ab diesem Zeitpunkt die Monatsfrist zu laufen begann. Diese Frist hat er mit seiner Berufung vom 15. November 2004 eingehalten.
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Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Beschluss/Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit in G..
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Der 1943 geborene Kläger stand bei Stellung des hier streitigen Antrags auf Zulassung am 2. November 1999 bereits im 56. Lebensjahr. Damit hatte er die gesetzlich für die Aufnahme einer vertragsärztlichen Tätigkeit vorgesehene Altersgrenze von 55 Lebensjahren bereits überschritten. Rechtsgrundlage für den Ausschluss der Zulassung von Ärzten und Psychotherapeuten, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, ist § 98 Abs. 2 Nr. 12 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. § 25 Ärzte-ZV. Nach § 98 Abs. 2 Nr. 12 SGB V müssen die Zulassungsverordnungen Vorschriften über einen solchen Ausschluss enthalten und die Voraussetzungen für Ausnahmen von diesem Grundsatz festlegen. Gemäß § 25 Ärzte-ZV ist die Zulassung eines Arztes, der das 55. Lebensjahr vollendet hat, ausgeschlossen (Satz 1). Der Zulassungsausschuss kann davon nur in Ausnahmefällen abweichen, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich ist (Satz 2).
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Die 55-Jahre-Zugangsgrenze als solche ist mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar, wie das Bundessozialgericht (BSG) und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ausgeführt haben (BVerfGE 103, 172, 182 ff = SozR 3-5520 § 25 Nr. 4 S 25 ff; ebenso schon vorher die Rspr. des BSG, BSGE 73, 223, 225 ff = SozR 3-5520 § 25 Nr. 1 S 3 ff, und zuletzt BSG SozR 3-5520 § 25 Nr. 5 S 36 f; BSG vom 28.04.2004, B 6 KA 9/03 R m.w.N.). Der darin liegende Eingriff in die durch Art 12 Abs. 1 GG geschützte berufliche Betätigungsfreiheit ist zur Sicherung besonders wichtiger Interessen der Allgemeinheit gerechtfertigt (dazu zusammenfassend BSG SozR 3-5520 § 25 Nr. 5 S 37). Mit der Regelung soll gewährleistet werden, dass grundsätzlich nur solche Ärzte zugelassen werden, die noch ausreichend Zeit haben, ihre für die Praxistätigkeit nötigen Investitionen zu amortisieren und eine ausreichende Altersversorgung aufzubauen. Dadurch soll der Gefahr entgegenwirkt werden, dass Vertragsärzte vorrangig ihr Leistungs- und Einkommensvolumen ausweiten wollen und dabei das Gebot wirtschaftlicher Behandlungs- und Verordnungsweise vernachlässigen (vgl. dazu BVerfGE 103, 172, 190 f = SozR 3-5520 § 25 Nr. 4 S 31 f und BSG SozR 3-5520 § 25 Nr. 5 S 37 mit weiteren BSG-Angaben).
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Von dem Verbot der Zulassung nach Vollendung des 55. Lebensjahres (§ 25 Satz 1 Ärzte-ZV) kann nach § 25 Satz 2 Ärzte ZV nur in Ausnahmefällen abgewichen werden, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich ist. Zur Auslegung dieser Bestimmung hat der 6. Senat des BSG unter Bezugnahme auf die Begründung zum Regierungsentwurf des Gesundheitsstrukturgesetzes ausgeführt (z.B. SozR 3-2500 § 98 Nr. 3 S 6, mit Hinweis auf BT-Drucks 11/2237 S 195 zu § 106 Abs. 2; vgl. auch BT-Drucks 11/3480 S 39 zu § 106 Abs. 2), die Vorschrift gehe davon aus, dass im Regelfall in diesem Alter das Berufsleben abgeschlossen und eine Altersversorgung aufgebaut sei und der Arzt deshalb nicht mehr wirtschaftlich auf eine Kassenzulassung angewiesen sei. Wenn allerdings dieser Ausgangspunkt ausnahmsweise nicht zutreffe, weil ein Arzt aus seiner bisherigen Berufstätigkeit unfreiwillig habe ausscheiden müssen und andererseits aus wirtschaftlichen Gründen zwingend auf eine Erwerbstätigkeit angewiesen sei, so könne das die Annahme einer unbilligen Härte i.S.d. § 25 Satz 2 Ärzte-ZV rechtfertigen (so in Fällen unfreiwilligen Ausscheidens aus dem Krankenhaus: BSGE 73, 223, 233 = SozR 3-5520 § 25 Nr. 1 S 11 f, bzw. aus einem Gesundheitsamt: BSGE 80, 9, 19 = SozR 3-2500 § 98 Nr. 4 S 18 f). Davon abweichende Anforderungen ergeben sich für denjenigen, der bereits kassen- bzw. vertragsärztlich tätig war - mithin seinen Berufsweg auf diese Tätigkeit eingerichtet hatte - und diese habe aufgeben müssen. In einem solchen Fall könne, unabhängig von dem wirtschaftlichen Angewiesensein, eine Härte vorliegen, sofern er nämlich seine vertragsärztliche Tätigkeit unfreiwillig, etwa wegen Krankheit oder aus anderen zwingenden persönlichen Gründen, habe beenden müssen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 98 Nr. 3 S 6; BSG USK 95 115 S 613). Dagegen komme bei selbst zu verantwortendem Ausscheiden aus der kassen- bzw. vertragsärztlichen Versorgung eine Wiederzulassung nur bei wirtschaftlicher Angewiesenheit auf die vertragsärztliche Tätigkeit in Betracht (so BSG SozR 3-5520 § 25 Nr. 3 S 17 zum Zulassungsverzicht nach Abrechnungsbetrug; ebenso BSG MedR 1997, 86, 87 zum Zulassungsentzug wegen gröblicher Pflichtverletzung).
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Diese Auslegung des Härtefalles gemäß § 25 Satz 2 Ärzte-ZV in der Rechtsprechung des 6. Senats des BSG, der sich der erkennende Senat anschließt, trägt der wertsetzenden Bedeutung des Art 12 Abs. 1 GG Rechnung (zu dieser Forderung s BVerfGE 103, 172, 193 = SozR 3-5520 § 25 Nr. 4 S 33). Es ist nicht ausgeschlossen, dass es über die bislang durch die Rechtsprechung anerkannten Fälle einer besonderen Härte noch weitere Fallgestaltungen geben kann, in denen eine unbillige Härte anzuerkennen ist. Dazu gehört der hier zu beurteilende Fall des Klägers jedoch nicht. Er erstrebt nach der Übersiedelung aus der DDR und mehreren nur wenige Jahre dauernden vertragsärztlichen Tätigkeiten als Urologe erneut die Zulassung und ist deshalb der oben aufgeführten zweiten Fallgruppe zuzuordnen. Danach könnte bei ihm eine unbillige Härte nur anerkannt werden, wenn er unfreiwillig aus seiner bisherigen Berufstätigkeit ausgeschieden und zudem aus wirtschaftlichen Gründen zwingend auf die Erwerbstätigkeit als niedergelassener Arzt angewiesen wäre. Beide Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
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Der Kläger, der bereits zur kassen- bzw. vertragsärztlichen Versorgung zugelassen war, hat seine bisherige kassenärztliche Tätigkeit nicht gezwungenermaßen, etwa wegen Krankheit oder aus anderen persönlichen Gründen, aufgegeben, so dass er kürzere Zeit später, nachdem diese Umstände weggefallen sind, wieder hätte zugelassen werden wollen (vgl. dazu BSG SozR 3-2500 § 98 Nr. 3). Solche unfreiwilligen Umstände, die zur Aufgabe der kassenärztlichen Tätigkeit geführt haben, hat der Kläger nicht geltend gemacht. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Aufgabe jedes Mal freiwillig aus unternehmerischen Gründen erfolgte, um weitere wirtschaftliche Misserfolge zu vermeiden bzw. in der Hoffnung, an einem anderen Ort als Arzt erfolgreicher zu sein. Aus den Akten ergibt sich, dass der Kläger seine Zulassungen zur vertragsärztlichen Tätigkeit als Urologe mehrmals ohne Angabe von Gründen zum Ruhen gebracht bzw. aufgegeben hat. Seit seiner Zulassung 1991 war er von November 1991 bis Oktober 1994 in Bad W., aufgegeben mit dem Hinweis auf persönliche Gründe, danach wieder in T. von Februar 1995 bis Juni 1998 (Aufgabe ohne Angabe von Gründen) und schließlich von Januar bis Juni 1999 in Pforzheim vertragsärztlich tätig. Im Jahr vor der Antragstellung hat er seine vertragsärztliche Tätigkeit in P. zwar ausgeübt, seine Praxis aber nur in einem Umfang geführt, dass die Kassenärztliche Vereinigung Nordbaden zutreffend zu dem Ergebnis gelangt ist, dass er nicht in ausreichendem Umfang an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehme und deswegen eine Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit vorliege. In den Zwischenzeiten war er ausweislich des vorgelegten Versicherungsverlaufs der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte teilweise arbeitslos gemeldet.
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Damit kann eine unfreiwillige Aufgabe seiner bisherigen Tätigkeit nicht angenommen werden. Der Kläger hatte vielmehr die Möglichkeit, wie jeder andere Vertragsarzt ein zumindest durchschnittliches ärztliches Einkommen zu erzielen, er vermochte jedoch in der Vergangenheit diese ihm mehrfach eingeräumten Möglichkeiten nicht zu nutzen. In diesem Zusammenhang kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger trotz des mehrfachen Wechsels seines Vertragsarztsitzes durch eigenes unternehmerisches Handeln eine hohe wirtschaftliche Verschuldung herbeigeführt hat. Insofern muss der Kläger den Ausschluss von der weiteren Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung als zwangsläufige Rechtsfolge seines vorangegangenen Verhaltens hinnehmen, da sie wertmäßig mit einer schicksalhaften Entwicklung wie einer schweren Erkrankung oder Ereignissen im privaten Bereich, die einen Wechsel des Wohnortes und damit gegebenenfalls einen Verzicht auf die bisher ausgeübte vertragsärztliche Tätigkeit erforderlich gemacht haben, nicht vergleichbar ist (vgl. dazu BSG SozR 3-5520 § 25 Nr. 3).
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Auch unter dem Billigkeitsgesichtspunkt der „Angewiesenheit auf eine vertragsärztliche Tätigkeit“ kann vorliegend die Ausnahmeregelung des § 25 Satz 2 Ärzte-ZV nicht zu Gunsten des Klägers zur Anwendung kommen. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass der Kläger seine vertragsärztliche Tätigkeit in I. im Juni 1998 und in P. im Juni 1999 erst nach Vollendung des 55. Lebensjahres aufgegeben hat, obwohl die Angewiesenheit auf weitere vertragsärztliche Tätigkeit aus wirtschaftlichen Gründen damals genauso wie heute bestanden hat. Zum anderen hat die bisherige wirtschaftliche Entwicklung des Klägers in niedergelassener Praxis gezeigt, dass dieser wirtschaftlich nicht Fuß fassen kann und mittlerweile erheblich verschuldet ist. Ausgehend von Verbindlichkeiten in Höhe von mindestens 750.000,00 DM sowie einer mittlerweile abgegebenen eidesstattlichen Versicherung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er seine Schulden auf ein solches Maß zurückführen kann, dass ihm - ohne weitere staatliche Unterstützung - eine Sicherung seines Lebensunterhaltes durch die weitere selbstständige Tätigkeit möglich wäre.
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Zwar ist der Kläger, der zuletzt Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende von der ARGE Arbeitsagentur-Landkreis Bamberg (vgl. S. 31 LSG-Akte) bezogen hat, auf eine Tätigkeit angewiesen, die verhindert, dass er Privatinsolvenz anmelden muss. Eine Angewiesenheit auf eine vertragsärztliche Tätigkeit aus wirtschaftlichen Gründen, die der Kläger selbst zu vertreten hat, rechtfertigt jedoch nicht die Annahme einer unbilligen Härte. Hätte der Kläger bei gleichem beruflichen Werdegang seine Praxen schuldenfrei aufgegeben, bestünde kein Zweifel, dass die Versagung der erneuten Zulassung nach dem 55. Lebensjahr nicht als unbillige Härte anzusehen wäre. Der Kläger kann aber nicht deswegen besser gestellt werden, weil er zuvor als Vertragsarzt wirtschaftlich gescheitert ist und damit sein jetzige Notlage selbst herbeigeführt hat. Würde man die Versagung der wiederholten Zulassung aus wirtschaftlichen Gründen als unbillige Härte ansehen, so hätte es jeder Arzt in der Hand, die Notlage, die eine Angewiesenheit erst begründet, selbst durch entsprechende unternehmerische Gestaltungen herbeizuführen. Die Altersgrenze von 55 Jahren könnte dann die ihr vom Gesetzgeber zugedachte Funktion im Zusammenhang mit der Bedarfsplanung nicht mehr erfüllen.
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Nach alledem kommt es hier nicht mehr darauf an, ob und inwieweit der Kläger auf eine vorgezogene Altersversorgung verwiesen werden kann (vgl. hierzu BSG SozR 3-5520 § 25 Nr. 3) und auch nicht mehr, ob mittlerweile eine Überversorgung mit Urologen im Gebiet G. vorliegt.
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Die Versagung der Zulassung begründet daher insgesamt keine unbillige Härte, weswegen das SG zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die vom Beklagten ausgesprochene Versagung der Zulassung mangels unbilliger Härte rechtmäßig ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis 31.12.2001 gültigen und hier noch zur Anwendung kommenden Fassung.
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Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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