Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 16. März 2016 - L 5 KA 3799/13

bei uns veröffentlicht am16.03.2016

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.07.2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 13.151,29 EUR

festgesetzt.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen sachlich-rechnerischen Berichtigungen seines vertragsärztlichen Honorars für die Quartale 4/2010 und 1/2011 durch Streichung der neben der Gebührenordnungsposition (GOP) 33072 des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM) abgerechneten GOP 33076.
Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin mit dem Schwerpunkt Phlebologie und Lymphologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Honorarbescheid vom 15.04.2011 wurde das vertragsärztliche Honorar des Klägers für das Quartal 4/2010 festgesetzt. In einem unter dem gleichen Datum erlassenen Richtigstellungsbescheid zur Gesamtabrechnung 4/2010 legte die Beklagte u. a. dar, dass der Ansatz der GOP 33076 962mal in 513 Behandlungsfällen gestrichen worden sei, da diese neben der GOP 33072 nicht abrechnungsfähig sei. Die jeweiligen GOP betreffen die folgende Leistungen:
GOP 33072
Sonographische Untersuchung der extremitätenver- und/oder entsorgenden Gefäße mittels Duplexverfahren,
je Sitzung
25,76 EUR / 735 Punkte
                 
GOP 33076
Sonographische Untersuchung der Venen einer Extremität mittels B-Mode-Verfahren von mindestens 8 Beschallungsstellen
je Sitzung
8,59 EUR / 245 Punkte
Am 12.05.2011 legte der Kläger gegen die Honorarkürzung Widerspruch ein, zu dessen Begründung er geltend machte, die Kombination der GOP 33072 und GOP 33076 spiegele die Komplexität der phlebologischen Untersuchung wider. Seit Einführung des EBM sei die Kombination dieser GOP problemlos anerkannt worden. Für eine Neubewertung gebe es keinen sachlichen Grund. Es widerspreche jeder Grundlage von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz, wenn von einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen nach Belieben Einschränkungen oder Ausschlüsse festgesetzt werden könnten.
Mit Honorarbescheid vom 15.07.2011 wurde das vertragsärztliche Honorar des Klägers für das Quartal 1/2011 festgesetzt. Mit Richtigstellungsbescheid vom gleichen Tag zur Gesamtabrechnung 1/2011 wurde u. a. der Ansatz der GOP 33076 569mal ebenfalls mit der Begründung gestrichen, diese sei neben der GOP 33072 nicht abrechnungsfähig.
Am 08.08.2011 legte der Kläger auch hiergegen Widerspruch ein und verwies zur Begründung auf sein Widerspruchsschreiben vom 12.05.2011.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.10.2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 12.05.2011 als unbegründet zurück. Auch bei Fehlen eines expliziten Nebeneinander-Abrechnungsausschlusses für die GOP 33072 und 33076 EBM sei nach Ziffer I.2.1.3. der Allgemeinen Bestimmungen des EBM die Abrechnung einer GOP dann ausgeschlossen, wenn deren obligater und sofern vorhanden fakultativer Leistungsinhalt vollständiger Bestandteil einer anderen berechneten GOP sei. Es sei unstreitig, dass das Duplex-Verfahren ein B-Mode-Verfahren beinhalte. Insofern sei es nicht nachvollziehbar, dass zusätzlich zur GOP 33072 EBM ein B-Mode-Verfahren zur Untersuchung der entsorgenden Extremitätengefäße berechnungsfähig sein sollte, auch nicht, wenn die Untersuchung an mindestens acht Beschallungsstellen durchgeführt worden oder mittels des B-Mode-Verfahrens die Gefäßsituation ggf. besser beurteilbar sei. Die durchgeführten Streichungen der GOP 33076 EBM seien sachlich berechtigt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.02.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Honorarbescheid für das Quartal 1/2011 ebenfalls als unbegründet zurück. Zur Begründung wiederholte sie die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 14.10.2011.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 14.10.2011 erhob der Kläger am 15.11.2011 Klage (S 20 KA 6420/11) zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Gegen den Widerspruchsbescheid vom 09.02.2012 erhob er am 16.02.2012 Klage zum SG (S 20 KA 1204/12). Mit Beschluss des SG vom 12.04.2012 wurden beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 20 KA 6420/11 verbunden. Der Kläger ließ zur Begründung ausführen, die GOP 33076 und 33072 seien nebeneinander abzurechnen. Das B-Mode-Verfahren unter der GOP 33076 beinhalte allein eine Darstellung der Morphologie und Anatomie der Venen. Durch die feststehenden Aufnahmen der Gefäße werde der Ist-Zustand der Gefäße abgebildet. Die durch das B-Mode-Verfahren ermöglichte exakte Darstellung des tiefen und oberflächlichen Venensystems sei für eine korrekte Planung der Therapie unerlässlich. Zudem sei die Venenkompressionssonografie als Teil der B-Mode-Untersuchung zum Ausschluss oder Nachweis thrombembolischer Ereignisse aus phlebologischer Sicht unentbehrlich. Diese aufwendige Darstellung sei kein Teil der Duplex-Untersuchung. Mit der Duplex-Sonographie würden im Unterschied zum B-Mode-Verfahren die Strömungen und Flüsse im Venensystem dargestellt. Dadurch lasse sich die Funktion der Venen besser bewerten. Das Duplex-Verfahren beinhalte daher nicht stets eine B-Bild-Sonographie. Beide Verfahren würden sich wie Fotographie und Filmaufnahmen unterscheiden. Bei der Bild-Sonografie seien unveränderliche Einzelheiten besser erkennbar. Bei einer Duplex-Sonografie ließen sich demgegenüber veränderliche Umstände, insbesondere Bewegungen, besser erkennen. Der EBM schließe die Abrechnung beider GOP nebeneinander nicht explizit aus. Die spezialgesetzlichen Regelungen in den GOP 33072 ff. gingen den generellen Regelungen des EBM vor, so dass ein Ausschluss der GOP 33076 nicht auf die generelle Bestimmung der Ziffer I.2.1.3. EBM gestützt werden dürfe. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung lägen auch nicht vor, da sie nur die Nebeneinanderabrechnung inhaltsgleicher GOP, die in mehreren Abschnitten/Kapiteln des EBM aufgeführt seien, nicht zulasse. Die GOP 33072 und 33076 seien aber in einem und nicht in mehreren Abschnitten/Kapiteln des EBM aufgeführt. Die GOP 33076 sei auch nicht vollständiger Bestandteil der GOP 33072. Sowohl Umfang als auch Zielrichtung der Untersuchungen unterschieden sich in ganz erheblichem Maße. Auch systematische Erwägungen sprächen gegen eine Gleichstellung. Die GOP 33072 werde als obligater Leistungsbestandteil der GOP 13300 aufgeführt, die GOP 33076 demgegenüber als fakultativer Leistungsbestandteil der GOP 13300. Die unterschiedliche Kategorisierung der beiden GOP schließe bereits eine Inhaltsgleichheit aus. Zudem fehle der Beklagten die rechtliche Befugnis, den EBM, der abschließend formuliert sei und die Abrechnung beider GOP zulasse, zu ändern. Schließlich habe die Beklagte das Nebeneinander beider Gebührenziffern über Jahre hinweg beanstandungslos zugelassen. Die Beklagte habe bereits vor 3-4 Jahren eine Streichung der GOP 33076 vorgenommen, dies aufgrund von Einwänden des Klägers, die dieser in einem Telefonat mit einem Mitarbeiter der Beklagten vorgebracht habe, jedoch revidiert. Durch diese Vorgehensweise habe sich die Beklagte im Rahmen der Selbstbindung der Verwaltung verpflichtet, dem Kläger die abgerechnete GOP 33076 weiterhin zu vergüten.
10 
Die Beklagte trat den Klagen entgegen. Sie sei zur sachlich und rechnerischen Richtigstellung der Abrechnung befugt gewesen. Entgegen der Auffassung des Klägers könnten die GOP 33072 und 33076 nicht nebeneinander abgerechnet werden, da die allgemeinen Bestimmungen in Ziffer I.2.1.3. EBM dies ausschließen würden und die Leistungen inhaltsgleich seien. Beim Duplex-Verfahren im Rahmen der GOP 33072 werde weder unterschieden, ob es sich um eine Untersuchung der ver- oder entsorgenden Gefäße von Extremitäten handele, noch eine Aussage darüber getroffen, an wie vielen Beschallungsstellen diese Untersuchung erfolgen müsse. Vielmehr werde die Untersuchung je Sitzung bewertet. Die Bewertung je Sitzung finde zwar auch bei der GOP 33076 Anwendung, dort bestehe jedoch zusätzlich die Vorgabe, dass das B-Mode-Verfahren an mindestens acht Beschallungsstellen angewendet worden sein müsse. Es sei unstreitig, dass das Duplex-Verfahren ein B-Mode-Verfahren beinhalte mit der Folge, dass eine Nebeneinander-Abrechnung ausgeschlossen sei. Nicht entscheidend sei, mit welcher Zielsetzung das isolierte Bild-Sonografie-Verfahren im Gegensatz zum Duplex-Verfahren angewendet worden sei, da die Bewertung je Sitzung erfolge. Bei der GOP 33072 handele es sich um die höher bewertete Leistung. Entscheidend sei daher, dass das in der Duplex-Sonografie beinhaltete B-Mode-Verfahren vollständig Bestandteil des Duplex-Verfahrens sei und sich u.a. auf die Venen einer Extremität beziehe. Somit seien beide Gebührenziffern insoweit inhaltsgleich. Aus der Tatsache, dass entsprechende Abrechnungen bisher anerkannt worden seien, könne der Kläger keine präjudizierende Wirkung für die Zukunft ableiten. Dass bereits vor 3 bis 4 Jahren eine sachlich-rechnerische Berichtigung seitens der Beklagten rückgängig gemacht worden sei, werde bestritten. Der Kläger könne nicht für sich beanspruchen, dass die Beklagte eine Art Vertrauensschutz und Selbstbindung bzgl. der Nebeneinander-Abrechenbarkeit der beiden Gebührenziffern geschaffen habe, indem sie über Jahre hinweg beide Gebührenziffern vergütet habe. Sofern Leistungen in den Vorquartalen unbeanstandet in die Abrechnung übernommen worden seien, könne daraus nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kein Vertrauensschutz hergeleitet werden (BSG, Urteil vom 08.02.2006 - B 6 KA 12/05 R - sowie Urteil vom 14.12.2005 - B 6 KA 19/05 R -, beide in juris).
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Das SG wies die Klagen mit Urteil vom 24.07.2013 ab. Die Streichung der Gebührenansätze der GOP 33076 in den Quartalen 4/2010 und 1/2011 sei zu Recht erfolgt. Nach § 106a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) V stelle die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest. Sie sei gemäß § 82 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 45 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 Ersatzkassenvertrag-Ärzte (EKV-Ä) gehalten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen. Die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honorarforderung auf bundesmantelvertraglicher Rechtsgrundlage bestehe nicht nur im Falle rechnerischer und gebührenordnungsmäßiger Fehler, sondern erfasse auch Fallgestaltungen, in denen der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale oder inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchgeführt und abgerechnet habe (BSG, Urteil vom 23.6.2010 - B 6 KA 7/09 R - in juris, Rn. 26f. m.w.N). Maßgebende Gebührenordnung für die Quartale 4/2010 und 1/2011 seien der EBM 2010 und 2011, die nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung in erster Linie nach dem Wortlaut auszulegen seien (BSG, Urteil vom 22.03.2006 - B 6 KA 44/04 R - in juris, Rn. 10; Urteil vom 31.08.2005 -B 6 KA 35/04 R - in juris, Rn. 17; Urteil vom 22.06.2005 - B 6 KA 80/03 R -, in juris, Rn. 22; Urteil vom 08.09.2004 -B 6 KA 46/03 R - in juris, Rn. 16; Urteil vom 28.04.2004 -B 6 KA 19/03 R - in juris, Rn. 18; Urteil vom 02.04.2003 - B 6 KA 28/02 R - in juris, Rn. 13 m.w.N.). Soweit der Wortlaut einer Vergütungsregelung zweifelhaft sei und es seiner Klarstellung diene, könne eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen erfolgen. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung unklarer oder mehrdeutiger Regelungen komme nur in Betracht, wenn Dokumente vorlägen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert hätten. Leistungsbeschreibungen dürften weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewandt werden. In Anwendung dieser Maßstäbe sei die Streichung der GOP 33076 wegen der gleichzeitigen Abrechnung der GOP 33072 materiell rechtmäßig, da das Nebeneinander beider GOP entsprechend der Vorgaben des EBM nicht möglich sei. Entgegen der Ansicht des Klägers könne aus der Tatsache, dass das Nebeneinander beider GOP nicht ausdrücklich ausgeschlossen sei, nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden, dass das B-Mode-Verfahren immer neben dem Duplexverfahren abgerechnet werden könne. Der Abrechnung der GOP 33076 neben der GOP 33072 stehe die Regelung in Ziffer I.2.1.3. der Allgemeinen Bestimmungen zum EBM entgegen. Nach deren Satz 3 sei eine Leistung als selbstständige Leistung dann nicht abrechnungsfähig, wenn deren obligate und - sofern vorhanden - fakultative Leistungsinhalte vollständiger Bestandteil einer anderen berechneten GOP seien. Diese Regelung solle Doppelberechnungen ausschließen. Bestimmte Leistungen setzten sich aus mehreren Behandlungsschritten zusammen, für die für den Fall, dass sie auch allein erbracht werden könnten eventuell, besondere Gebührennummern vorgesehen seien; werde eine Gebührennummer abgerechnet, die solche Behandlungsschritte umfasse, so könnten Gebührennummern, die nur einen bestimmten Behandlungsschritt enthielten, nicht daneben angesetzt werden (Liebold/Raff/Wissing, Kommentar zum EBM und GOÄ Ziff 2.3.1 Allgemeine Bestimmungen (gemeint Ziffer 2.1.3)). Der Abrechnungsausschluss regele ferner nicht nur den Fall der so genannten Spezialität, bei der ein Leistungstatbestand notwendigerweise zugleich mit einem anderen erfüllt werde, sondern auch die Konstellation, dass eine Leistung im Zuge einer anderen typischerweise mit erbracht werde und der für sie erforderliche Aufwand im Regelfall hinter dem für die andere Leistung - die Hauptleistung - zurücktrete. Ein derartiges Verhältnis zwischen berechnungsfähiger Hauptleistung und abgegoltener unselbstständiger Teilleistung liege auch vor, wenn sich beide zu einem wesentlichen Teil überschnitten; volle Identität sei demgegenüber nicht Voraussetzung für das Eingreifen des Abrechnungsausschlusses nach den Allgemeinen Bestimmungen zum EBM (vgl. BSG, Urteil vom 05.11.2008 - B 6 KA 1/08 R - in juris). Eine für den Erfolg der Gesamtleistung erforderliche Einzelleistung könne mit der Gesamtleistung abgegolten sein, wenn sie regelmäßig in der Gesamtleistung enthalten, also mit ihr typischerweise verbunden sei. Nur unter dieser Voraussetzung sei es gerechtfertigt, eine in der Gebührenordnung an sich als selbstständig abrechenbar ausgewiesene Einzelleistung als Teil einer anderen nicht zu vergüten (vgl. BSG, Urteil vom 20.12.1995 - 6 RKa 64/94 - in juris). Diese für einen Abrechnungsausschluss erforderliche Typik sei hier gegeben. Die mit der GOP 33076 vergütete sonographische Untersuchung der Venen einer Extremität an mindestens 8 Beschallungsstellen mittels B-Mode-Verfahren (B für englisch: „brightness modulation") betreffe die Darstellung des organischen Gewebes, bei der die Echointensität in eine Helligkeit umgesetzt werde. Der Grauwert eines Bildpunktes auf dem Bildschirm sei ein Maß für die Amplitude eines Echos an dieser Stelle. Die erzeugten Bilder gäben den Istzustand der Gefäße wieder. Mit Hilfe der exakten Darstellung des tiefen und oberflächlichen Venensystems ließen sich weitere Therapieschritte planen. Die gemäß GOP 33072 abrechnungsfähige sonographische Untersuchung der extremitätenver - und/oder entsorgenden Gefäße mittels Duplex-Verfahren könne die Aussagekraft des B-Mode-Verfahren durch die Anwendung des Dopplereffekts erhöhen. Die Kombination B-Bild mit PW-Doppler (Pulsed Wave Doppler) nenne man Duplex (vgl. Reinhard Kubale/Hubert Stiegler, Farbkodierte Duplexsonographie, 2002). Die Duplexsonographie kombiniere das B-Mode-Verfahren mit den Vorteilen des Dopplereffektes und könne damit zur Bestimmung von Blutfluss-Geschwindigkeiten, zur Entdeckung und Beurteilung von Herz(klappen)fehlern, Verengungen (Stenosen), Verschlüssen oder Kurzschlussverbindungen (Shunts) herangezogen werden. Aus der Berücksichtigung dieser Funktionsweisen ergebe sich, dass sich beide Verfahren weitestgehend überschnitten, da die Duplexsonographie das B-Mode-Verfahren mit dem Dauerschallverfahren (Doppler) kombiniere (vgl. hierzu, Pschyrembel, 261. Aufl. S. 461 unter Duplexsonographie). Nach Einschätzung der fachkundig besetzten Kammer könne es - wie der Kläger geltend macht - zwar richtig sein, dass beide Verfahren getrennt durchgeführt werden könnten und die hiermit jeweils hergestellten Aufnahmen in bestimmten Teilgebieten allein als Befundgrundlage ausreichen könnten. Sofern aber - wie in den streitgegenständlichen Behandlungsfällen - beide Verfahren in einer Sitzung abgerechnet würden, sei typischerweise das B-Mode-Verfahren in der Duplexsonographie mit enthalten. Dafür spreche auch, dass die Durchführung einer Phlebologie (= Behandlung von Venenerkrankungen) ohne die Verwendung des Duplex-Verfahrens nicht mehr dem „State of the Art" entspreche. Während das B-Mode-Verfahren in der Vergangenheit beispielsweise zum sicheren Ausschluss oder Nachweis thrombembolischer Ereignisse verwendet worden sei, werde die Duplexmethode aufgrund ihrer bewegten Aufnahmen neben der Darstellung peripherer arterieller Verschlusskrankheiten vermehrt auch für die Thromboseuntersuchung im Rahmen der phlebologischen Untersuchung verwendet. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass im Rahmen einer phlebologischen Sitzung sowohl das B-Mode-Verfahren als auch die Duplex-Sonographie zur Anwendung komme. Ein erhöhter Erkenntnisgewinn durch das B-Mode-Verfahren sei bei einer kumulativ durchgeführten Duplex-Sonographie nicht zu erwarten. Auch der Kläger sei offenkundig der Überzeugung, dass für eine den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechende phlebologische Untersuchung die B-Mode-Sonographie allein nicht ausreichend sei. Sein Abrechnungsverhalten belege dies deutlich. Diese Erwägungen würden durch den Wortlaut der GOP 33072 und 33076 bestätigt. Die im Rahmen der GOP 30076 (richtig: 33076) abzurechnende sonographische Untersuchung beziehe sich auf die Venen, während die höher bewertete GOP 33072 die Untersuchung der ver- und entsorgenden Gefäße umfasse, mithin auch die Venen als entsorgende Gefäße. Die vom Kläger angeführte Differenzierung zwischen obligaten und fakultativen Leistungsbestandteilen führe nicht weiter. Die in der GOP 13300 vorgenommene Einordnung der GOP 33072 und 33076 als fakultativer bzw. obligater Leistungsbestandteil lasse keinen Rückschluss auf den Abrechnungsausschluss nach Ziffer I.2.1.3. EBM zu. Die insoweit erfolgte Kategorisierung beziehe sich lediglich auf die Abrechnungsvoraussetzungen für die GOP 13300. Hiervon zu unterscheiden sei das Verhältnis beider GOP untereinander, soweit es um deren Einzelabrechnung gehe. Entgegen der Ansicht des Klägers bestehe auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes wegen der unbeanstandeten Vergütung beider GOP in der Vergangenheit kein Vergütungsanspruch in den streitigen Quartalen. Nach der Rechtsprechung des BSG könne die Verwaltungspraxis der K. V. das Vertrauen eines Arztes darauf begründen, Leistungen so lange erbringen und abrechnen zu dürfen, bis die K. V. auf eine Änderung der Verwaltungspraxis für die Zukunft hingewiesen habe. Aus der unbeanstandeten Abrechnung bestimmter Leistungen über einen längeren Zeitraum erwachse aber kein Recht, auch in Zukunft entsprechend abrechnen zu dürfen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 20.03.1996 - 6 RKa 34/95 - in juris). Für einen Vertrauensschutz reiche es nicht aus, dass die Beklagte in vorangegangenen Quartalen die hier streitige Leistung der GOP 33076 vergütet habe. Einen zusätzlichen Vertrauenstatbestand habe die Beklagte nicht gesetzt. Es sei weder ersichtlich noch vom Kläger vorgetragen, dass die Frage der Abrechenbarkeit der Leistung der GOP 33072 neben der GOP 33076 Gegenstand einer umfassenden Prüfung durch die Beklagte gewesen sei. Das vom Kläger angeführte Telefonat genüge hierfür jedenfalls nicht. Unabhängig davon wäre ein eventueller Vertrauensschutz jedenfalls für das Quartal 1/2011 entfallen, da die Beklagte ausweislich des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2011 ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass die GOP 33072 neben der GOP 33076 nicht mehr abgerechnet werden könne.
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Gegen das seinen Bevollmächtigten am 07.08.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.08.2013 Berufung eingelegt. Das SG gehe zu Unrecht von einem Abrechnungsausschluss nach Ziffer I.2.1.3 der Allgemeinen Bestimmungen zum EBM aus. Danach sei eine GOP nicht berechnungsfähig, wenn deren obligate und - sofern vorhanden - fakultative Leistungsinhalte vollständig Bestandteil einer anderen berechneten GOP seien. Wenn das SG es für ausreichend erachte, dass sich die mit den GOP 33072 und 33076 abgerechneten Untersuchungsmethoden „weitestgehend“ überschnitten, weil das B-Mode-Verfahren „typischerweise“ in der Duplex-Sonographie mit enthalten sei, verkenne es den Begriff „vollständig“. Wenn ein Verfahren vollständig im anderen enthalten sei, dürften beide Verfahren nicht nur - wie bei weitest gehender Überschneidung - Schnittmengen bilden. Die Leistung der GOP 33076 sei nicht vollständig in der GOP 33072 enthalten, da die sonographische Untersuchung der Venen einer Extremität mittels B-Mode-Verfahren an mindestens 8 Beschallungsstellen erfolgen müsse, was bei der sonographischen Untersuchung mittels Duplex-Verfahren nicht gefordert werde. Beide Untersuchungsverfahren unterschieden sich auch grundsätzlich. Mit dem B-Mode-Verfahren würden Bilder erzeugt, während bei der Duplex-Sonographie Blutfluss-Geschwindigkeiten durch bewegte Bilder erkannt würden. Während sich durch die Bildgebung unveränderliche Einzelheiten besser erkennen ließen, seien bei einem bewegten Bild gerade veränderliche Umstände, insbesondere Bewegungen, erkennbar. Beide Untersuchungen könnten zwar mit einem Gerät durchgeführt werden, doch ergänzten sich die Untersuchungen. Sie ließen sich auch getrennt voneinander durchführen. Eine Thrombose-Untersuchung könne durch eine B-Mode-Sonographie durchgeführt werden und erfordere keine Duplex-Sonographie. Andererseits reiche die Duplex-Untersuchung der Arterien etwa für die Arterielle Verschlusskrankheit (AVK)-Diagnostik aus, ohne dass hierfür eine B-Mode-Sonographie erforderlich sei. Dass das B-Mode-Verfahren bei einer kumulativ durchgeführten Duplex-Sonographie keinen „erhöhten Erkenntnisgewinn“ erwarten lasse, treffe damit nicht zu. Auch aus dem systematischen Zusammenhang der GOP 33072, 33076 und 13300 ergebe sich, dass ein Abrechnungsausschluss nicht vorliege. Die GOP 13300 beinhalte die Zusatzpauschale Angiologie, deren obligatorischer Leistungsbestandteil die GOP 33072 bilde, während die GOP 33076 nur einen fakultativen Leistungsbestandteil der Zusatzpauschale darstelle. Ein fakultativer Leistungsinhalt könne aber nicht vollständig Bestandteil eines obligaten Leistungsinhalts sein. Zur Abrechnung der GOP 13300 müsse die GOP 33072 vollständig erbracht sein, während es dem Arzt freigestellt sei, die GOP 33076 zu erbringen oder nicht. Die Unterscheidung der GOP 33072 als obligater Leistungsbestandteil und der GOP 33076 als fakultativer Leistungsbestandteil der GOP 13300 schließe es also systematisch aus, dass der fakultative Leistungsbestandteil (der GOP 33076) vollständiger Bestandteil der obligaten Leistungsinhalte (der GOP 33072) sei. Dass die GOP 33076 nicht vollständig in der GOP 33072 enthalten sei, ergebe sich auch aus der Abrechnungssystematik im Zusammenhang mit der postoperativen Behandlung. So seien die GOP 31630 bis 31637 nicht neben den GOP 33072 und 33076 berechnungsfähig. Wäre die GOP 33076 vollständig in der GOP 33072 enthalten, müsse es hier statt des „und“ richtig heißen „oder“, um zum Ausdruck zu bringen, dass diese beiden GOP nur alternativ abgerechnet werden könnten. Auch der Umstand, dass mit der Änderung des EBM zum 01.10.2013 ein Abrechnungsausschluss hinsichtlich der streitigen GOP nicht geregelt worden sei, lasse erkennen, dass der Normgeber einen solchen Abrechnungsausschluss nicht gewünscht habe. Der Kläger habe auch auf die Abrechnungspraxis der Beklagten, die über Jahre hinweg die Nebeneinanderabrechnung der GOP 33076 und 33072 ermöglicht habe, vertrauen dürfen, zumal er bereits vor einigen Jahren mit einem Sachbearbeiter der Beklagten diese Frage in einem Telefonat diskutiert habe. Die Beklagte habe auch danach seine Abrechnungspraxis weiter zugelassen. Er habe danach zumindest bis zum Widerspruchsbescheid vom 14.10.2011 auf den Bestand der Verwaltungspraxis der Beklagten vertrauen dürfen. Da die Kassenärztliche Vereinigung B. die gemeinsame Abrechnung der GOP 33072 und 33076 zulasse, müsse ihm diese Möglichkeit auch aus Gründen der Gleichbehandlung ebenfalls eingeräumt werden.
13 
Der Kläger beantragt,
14 
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.07.2013 aufzuheben und den Honorarbescheid der Beklagten vom 15.04.2011 in der Gestalt des Richtigstellungsbescheides vom 15.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2011 sowie den Honorarbescheid der Beklagten vom 15.07.2011 in der Gestalt des Richtigstellungsbescheides vom 15.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2012 insoweit aufzuheben, als darin der Ansatz der GOP 33076 EBM gestrichen worden ist, und die Beklagte zu verurteilen, ihm weiteres Honorar in Höhe von 13.151,29 EUR zu zahlen,
15 
hilfsweise,
16 
die Revision zuzulassen.
17 
Die Beklagte beantragt,
18 
die Berufung zurückzuweisen,
19 
hilfsweise,
20 
die Revision zuzulassen.
21 
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend. Dieses habe mit seiner fachkundig besetzten Kammer zutreffend dargestellt, dass die für einen Abrechnungsausschluss erforderliche Typik gegeben sei und dass die Duplexsonographie das B-Mode-Verfahren mit den Vorteilen des Dopplereffektes kombiniere. Soweit der Kläger dem Abrechnungsausschluss der GOP 33076 neben GOP 33072 die Abrechnungssystematik bei den postoperativen Behandlungen nach den GOP 31630 bis 31637 entgegenhalte, verkenne er, dass hierin eine Aufzählung von GOP enthalten sei, die neben der jeweiligen GOP nicht berechnungsfähig seien und dass die streitigen GOP erst am Ende der Aufzählung genannt würden, so dass anstelle eines Kommas ein „und“ verwendet werde. Zu Recht habe das SG auch keinen Vertrauensschutz aufgrund der früheren Abrechnungspraxis der Beklagten angenommen. Auch wenn die entsprechenden Leistungen in den Vorquartalen unbeanstandet in die Abrechnung übernommen worden seien, könne hieraus auch nach der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 08.02.2006 - B 6 KA 12/05 R - und vom 14.12.2005 - B 6 KA 19/05 R -, beide in juris) kein Vertrauensschutz hergeleitet werden. Honorarbescheide ergingen zunächst unter dem Vorbehalt späterer Überprüfung auf ihre Rechtmäßigkeit. Sie würden erst dann in vollem Umfang verbindlich, wenn die Honoraranforderungen umfassend auf sachlich-rechnerische Richtigkeit oder Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung überprüft worden seien oder wegen Ablaufs der 4-jährigen Ausschlussfrist nicht mehr überprüft werden dürften. Von einer konkludenten Bestätigung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit könne vor Ablauf der Ausschlussfrist nach der Rechtsprechung des BSG nicht ausgegangen werden. Soweit sich der Kläger in diesem Zusammenhang auf ein vor Jahren geführtes Telefonat mit einem Sachbearbeiter der Beklagten berufe, erscheine diese sehr allgemeine Ausführung wenig glaubhaft und werde bestritten. Im Übrigen habe das SG zutreffend festgestellt, dass das behauptete Telefonat jedenfalls nicht genüge. Auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch die Beklagte wegen abweichender Abrechnungspraxis der KV B. könne sich der Kläger nicht berufen, da die Beklagte keine Berichtigungsbefugnis gegenüber Ärzten der KV B. besitze.
22 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des SG zu den Verfahren S 20 KA 6420/11 und S 20 KA 1204/12 sowie auf die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei einer streitigen Honorarforderung in Höhe von 13.151,29 EUR unzweifelhaft überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher auch im Übrigen gemäß § 151 SGG zulässig.
24 
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind die Honorarbescheide vom 15.04.2011 (Quartal 4/2010) und vom 15.07.2011 (Quartal 1/2011) in der Gestalt der jeweils unter den gleichen Daten hierzu ergangenen Richtigstellungsbescheide sowie der später ergangenen Widerspruchsbescheide vom 14.10.2011 und 09.02.2012. Die vom Kläger angegriffenen Honorarkürzungen aufgrund der Nichtberücksichtigung der GOP 33076 sind in den jeweiligen Honorarbescheiden enthalten, die nähere Aufschlüsselung der jeweiligen Kürzungen hat die Beklagte in den hierzu ergangenen Richtigstellungsbescheiden dargelegt.
25 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weiteres Honorar für die Quartale 4/2010 und 1/2011. Die Beklagte hat die Vergütung für die nach der GOP 33076 abgerechneten Leistungen zu Recht versagt. Auch der Senat ist der Auffassung, dass die Abrechnung der GOP 33076 für sonographische Leistungen nach dem so genannten B-Mode-Verfahren neben der Abrechnung der Duplexsonographie nach der GOP 33072 nach Ziffer I.2.1.3 der Allgemeinen Bestimmungen zum EBM ausgeschlossen ist. Das SG hat ausführlich und umfassend dargelegt, dass die die sonographische Untersuchung der Venen nach dem B-Mode-Verfahren Bestandteil der Untersuchung nach dem Duplex-Verfahren und damit Bestandteil der mit der GOP 33072 abgerechneten Leistung ist. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
26 
Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren ist lediglich zur Ergänzung noch Folgendes auszuführen:
27 
Für den sachkundig besetzten Senat besteht kein Zweifel, dass die Voraussetzungen des Abrechnungsausschlusses nach Ziffer I.2.1.3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM erfüllt sind, weil die Leistungsinhalte der GOP 33076 vollständiger Bestandteil der GOP 33072 sind. Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung vermag der Senat nicht festzustellen, dass sich die Duplex-Sonographie und die Sonographie nach dem B-Mode-Verfahren in der Weise voneinander unterscheiden, dass Letztere unbewegte Bilder herstelle, die Duplexsonographie hingegen - ausschließlich - bewegte Bilder. Die Darstellung des Blutflusses mittels Ultraschall erfolgt durch den sogenannten Doppler-Effekt, der die Ermittlung der Geschwindigkeit bewegter Objekte ermöglicht. Im (farbkodierten) Duplex-Verfahren werden die Stellen im Bild farbig kodiert, an denen ein Blutfluss detektiert wird. Orte, die keinen Blutfluss aufweisen, werden in Grauwerten dargestellt. Die Duplexsonographie ist also eine Kombination eines B-Bildes mit einer farbigen Bewegungsanzeige. Bei der Duplex-Darstellung werden parallel Echtzeit-B-Bilder sowie das Doppler-Spektrum aus einem definierten Ort im B-Bild gewonnen (vgl. Reinhard Kubale/Hubert Stiegler, Farbkodierte Duplexsonographie, 2002, Seiten 1, 2, 4 und 62). Die Duplexsonographie setzt mithin die gleichzeitige Gewinnung von B-Bildern voraus. Duplexsonographie und Sonographie nach dem B-Mode-Verfahren ergänzen sich - anders als der Kläger meint - daher nicht, sondern die Sonographie nach dem B-Mode-Verfahren ist vollständiger Bestandteil der Duplexsonographie. Auch eine Kompressionssonographie ist im Duplexverfahren nicht ausgeschlossen. Vielmehr kann durch das Dopplersignal auch die Zunahme des venösen Flusses aufgrund einer durch Kompression verstärkten Entleerung eines Venensegments dargestellt werden (Atteneder, Duplexsonographie der peripheren Venen, in Katzenschlager et al. (Hrsg.), Duplexsonographie der Gefäße, S. 64 f.). Für eine Sonographie der Venen nach dem B-Mode-Verfahren als neben der Duplexsonographie selbstständig durchzuführende Diagnostik besteht daher mangels weitergehendem Erkenntnisgewinn keine medizinische Notwendigkeit. Eine Nebeneinander-Abrechnung der GOP 33076 neben der GOP 33072 für die umfassendere Duplexsonographie ist daher ausgeschlossen.
28 
Diesen Sachverhaltsfeststellungen des fachkundig besetzten Senats vermag der Kläger auch nicht mit Erfolg seine semantischen Erwägungen zur GOP 13300 entgegenzuhalten. Für die (Teil-)Identität von Duplexsonographie und Sonographie nach dem B-Mode-Verfahren ist allein der oben dargestellte technische Sachverhalt maßgeblich. Aus der Bezeichnung der Duplexsonographie als obligatorischer Leistungsinhalt der Angiologie-Pauschale und der Bezeichnung der Sonographie nach dem B-Mode-Verfahren als fakultativer Leistungsinhalt dieser Pauschale ergibt sich für das Verhältnis der Leistungsinhalte der GOP 33072 und 33076 zueinander nichts. Gleiches gilt für die Erwähnung dieser beiden GOP in der Auflistung der Abrechnungsausschlüsse in den GOP betreffend die postoperativen Behandlungen (31630 bis 31637), in denen die Verwendung des Begriffes „und“ allein aus semantischen Gründen der Aufzählung zahlreicher GOP geschuldet ist und deshalb keinerlei Aufschluss über das Verhältnis der Leistungsinhalte der betreffenden GOP gibt. Hierauf hat die Beklagte zutreffend hingewiesen.
29 
Dass ein ausdrücklicher Abrechnungsausschluss in den GOP 33072 ff. in der Neufassung des EBM 2013 nicht aufgenommen worden ist, lässt entgegen der Auffassung des Klägers nicht darauf schließen, dass der Normgeber einen solchen Ausschluss nicht gewünscht habe. Einer expliziten Regelung in den betreffenden GOP bedurfte es in Anbetracht des bereits aufgrund von Ziffer I.2.1.3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM geltenden Abrechnungsausschlusses gerade nicht.
30 
Der Kläger konnte auch nicht aufgrund der früheren Abrechnungspraxis der Beklagten, die bis zum streitgegenständlichen Quartal 4/2010 die Nebeneinanderabrechnung der streitigen GOP unbeanstandet gelassen hat, auf die generelle Zulässigkeit dieser Abrechnungsweise vertrauen. Das SG hat insoweit zutreffend dargelegt, dass ein Vertrauen in die Richtigkeit der Honorarabrechnung nach der Rechtsprechung des BSG innerhalb der 4-jährigen Frist zur sachlich-rechnerischen Überprüfung von Honorarbescheiden durch die Beklagte ohnehin nicht in Betracht kommt. Der Honorarbescheid steht stets unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Korrektur. Eine ausdrückliche Nachprüfung der Abrechnungsweise des Klägers bezüglich der GOP 33072 und 33076, die vergleichbar einer Nachprüfung etwa im Rahmen eines Regressverfahrens (BSG, Urteil vom 13.08.2014 - B 6 KA 38/13 R -, in juris, Rdnr. 20) ein schützenswertes Vertrauen in die Richtigkeit der Abrechnungsweise begründet hätte, hat zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Dass der Kläger diese Abrechnungsweise im Rahmen eines Telefonats mit einem Mitarbeiter der Beklagten diskutiert hat, steht einer solchen Nachprüfung nicht gleich.
31 
Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben.
32 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a SGG, 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
33 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
34 
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

Gründe

 
23 
Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei einer streitigen Honorarforderung in Höhe von 13.151,29 EUR unzweifelhaft überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher auch im Übrigen gemäß § 151 SGG zulässig.
24 
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind die Honorarbescheide vom 15.04.2011 (Quartal 4/2010) und vom 15.07.2011 (Quartal 1/2011) in der Gestalt der jeweils unter den gleichen Daten hierzu ergangenen Richtigstellungsbescheide sowie der später ergangenen Widerspruchsbescheide vom 14.10.2011 und 09.02.2012. Die vom Kläger angegriffenen Honorarkürzungen aufgrund der Nichtberücksichtigung der GOP 33076 sind in den jeweiligen Honorarbescheiden enthalten, die nähere Aufschlüsselung der jeweiligen Kürzungen hat die Beklagte in den hierzu ergangenen Richtigstellungsbescheiden dargelegt.
25 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weiteres Honorar für die Quartale 4/2010 und 1/2011. Die Beklagte hat die Vergütung für die nach der GOP 33076 abgerechneten Leistungen zu Recht versagt. Auch der Senat ist der Auffassung, dass die Abrechnung der GOP 33076 für sonographische Leistungen nach dem so genannten B-Mode-Verfahren neben der Abrechnung der Duplexsonographie nach der GOP 33072 nach Ziffer I.2.1.3 der Allgemeinen Bestimmungen zum EBM ausgeschlossen ist. Das SG hat ausführlich und umfassend dargelegt, dass die die sonographische Untersuchung der Venen nach dem B-Mode-Verfahren Bestandteil der Untersuchung nach dem Duplex-Verfahren und damit Bestandteil der mit der GOP 33072 abgerechneten Leistung ist. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
26 
Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren ist lediglich zur Ergänzung noch Folgendes auszuführen:
27 
Für den sachkundig besetzten Senat besteht kein Zweifel, dass die Voraussetzungen des Abrechnungsausschlusses nach Ziffer I.2.1.3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM erfüllt sind, weil die Leistungsinhalte der GOP 33076 vollständiger Bestandteil der GOP 33072 sind. Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung vermag der Senat nicht festzustellen, dass sich die Duplex-Sonographie und die Sonographie nach dem B-Mode-Verfahren in der Weise voneinander unterscheiden, dass Letztere unbewegte Bilder herstelle, die Duplexsonographie hingegen - ausschließlich - bewegte Bilder. Die Darstellung des Blutflusses mittels Ultraschall erfolgt durch den sogenannten Doppler-Effekt, der die Ermittlung der Geschwindigkeit bewegter Objekte ermöglicht. Im (farbkodierten) Duplex-Verfahren werden die Stellen im Bild farbig kodiert, an denen ein Blutfluss detektiert wird. Orte, die keinen Blutfluss aufweisen, werden in Grauwerten dargestellt. Die Duplexsonographie ist also eine Kombination eines B-Bildes mit einer farbigen Bewegungsanzeige. Bei der Duplex-Darstellung werden parallel Echtzeit-B-Bilder sowie das Doppler-Spektrum aus einem definierten Ort im B-Bild gewonnen (vgl. Reinhard Kubale/Hubert Stiegler, Farbkodierte Duplexsonographie, 2002, Seiten 1, 2, 4 und 62). Die Duplexsonographie setzt mithin die gleichzeitige Gewinnung von B-Bildern voraus. Duplexsonographie und Sonographie nach dem B-Mode-Verfahren ergänzen sich - anders als der Kläger meint - daher nicht, sondern die Sonographie nach dem B-Mode-Verfahren ist vollständiger Bestandteil der Duplexsonographie. Auch eine Kompressionssonographie ist im Duplexverfahren nicht ausgeschlossen. Vielmehr kann durch das Dopplersignal auch die Zunahme des venösen Flusses aufgrund einer durch Kompression verstärkten Entleerung eines Venensegments dargestellt werden (Atteneder, Duplexsonographie der peripheren Venen, in Katzenschlager et al. (Hrsg.), Duplexsonographie der Gefäße, S. 64 f.). Für eine Sonographie der Venen nach dem B-Mode-Verfahren als neben der Duplexsonographie selbstständig durchzuführende Diagnostik besteht daher mangels weitergehendem Erkenntnisgewinn keine medizinische Notwendigkeit. Eine Nebeneinander-Abrechnung der GOP 33076 neben der GOP 33072 für die umfassendere Duplexsonographie ist daher ausgeschlossen.
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Diesen Sachverhaltsfeststellungen des fachkundig besetzten Senats vermag der Kläger auch nicht mit Erfolg seine semantischen Erwägungen zur GOP 13300 entgegenzuhalten. Für die (Teil-)Identität von Duplexsonographie und Sonographie nach dem B-Mode-Verfahren ist allein der oben dargestellte technische Sachverhalt maßgeblich. Aus der Bezeichnung der Duplexsonographie als obligatorischer Leistungsinhalt der Angiologie-Pauschale und der Bezeichnung der Sonographie nach dem B-Mode-Verfahren als fakultativer Leistungsinhalt dieser Pauschale ergibt sich für das Verhältnis der Leistungsinhalte der GOP 33072 und 33076 zueinander nichts. Gleiches gilt für die Erwähnung dieser beiden GOP in der Auflistung der Abrechnungsausschlüsse in den GOP betreffend die postoperativen Behandlungen (31630 bis 31637), in denen die Verwendung des Begriffes „und“ allein aus semantischen Gründen der Aufzählung zahlreicher GOP geschuldet ist und deshalb keinerlei Aufschluss über das Verhältnis der Leistungsinhalte der betreffenden GOP gibt. Hierauf hat die Beklagte zutreffend hingewiesen.
29 
Dass ein ausdrücklicher Abrechnungsausschluss in den GOP 33072 ff. in der Neufassung des EBM 2013 nicht aufgenommen worden ist, lässt entgegen der Auffassung des Klägers nicht darauf schließen, dass der Normgeber einen solchen Ausschluss nicht gewünscht habe. Einer expliziten Regelung in den betreffenden GOP bedurfte es in Anbetracht des bereits aufgrund von Ziffer I.2.1.3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM geltenden Abrechnungsausschlusses gerade nicht.
30 
Der Kläger konnte auch nicht aufgrund der früheren Abrechnungspraxis der Beklagten, die bis zum streitgegenständlichen Quartal 4/2010 die Nebeneinanderabrechnung der streitigen GOP unbeanstandet gelassen hat, auf die generelle Zulässigkeit dieser Abrechnungsweise vertrauen. Das SG hat insoweit zutreffend dargelegt, dass ein Vertrauen in die Richtigkeit der Honorarabrechnung nach der Rechtsprechung des BSG innerhalb der 4-jährigen Frist zur sachlich-rechnerischen Überprüfung von Honorarbescheiden durch die Beklagte ohnehin nicht in Betracht kommt. Der Honorarbescheid steht stets unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Korrektur. Eine ausdrückliche Nachprüfung der Abrechnungsweise des Klägers bezüglich der GOP 33072 und 33076, die vergleichbar einer Nachprüfung etwa im Rahmen eines Regressverfahrens (BSG, Urteil vom 13.08.2014 - B 6 KA 38/13 R -, in juris, Rdnr. 20) ein schützenswertes Vertrauen in die Richtigkeit der Abrechnungsweise begründet hätte, hat zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Dass der Kläger diese Abrechnungsweise im Rahmen eines Telefonats mit einem Mitarbeiter der Beklagten diskutiert hat, steht einer solchen Nachprüfung nicht gleich.
31 
Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben.
32 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a SGG, 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
33 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
34 
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 16. März 2016 - L 5 KA 3799/13

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 16. März 2016 - L 5 KA 3799/13 zitiert 12 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197a


(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151


(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 82 Grundsätze


(1) Den allgemeinen Inhalt der Gesamtverträge vereinbaren die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen in Bundesmantelverträgen. Der Inhalt der Bundesmantelverträge ist Bestandteil der Gesamtverträge. (2)

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Bundessozialgericht Urteil, 13. Aug. 2014 - B 6 KA 38/13 R

bei uns veröffentlicht am 13.08.2014

Tenor Die Revisionen des Klägers und des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. Januar 2013 werden zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 23. Juni 2010 - B 6 KA 7/09 R

bei uns veröffentlicht am 23.06.2010

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 17. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Den allgemeinen Inhalt der Gesamtverträge vereinbaren die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen in Bundesmantelverträgen. Der Inhalt der Bundesmantelverträge ist Bestandteil der Gesamtverträge.

(2) Die Vergütungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen werden von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen durch Gesamtverträge geregelt. Die Verhandlungen können auch von allen Kassenarten gemeinsam geführt werden.

(3) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen können mit nicht bundesunmittelbaren Ersatzkassen, der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See und der landwirtschaftlichen Krankenkasse von § 83 Satz 1 abweichende Verfahren zur Vereinbarung der Gesamtverträge, von § 85 Abs. 1 und § 87a Abs. 3 abweichende Verfahren zur Entrichtung der in den Gesamtverträgen vereinbarten Vergütungen sowie von § 291a Absatz 2 Nummer 1 abweichende Kennzeichen vereinbaren.

(4) In den Verträgen ist ebenfalls das Nähere zur erneuten Verordnung eines mangelfreien Arzneimittels für versicherte Personen im Fall des § 31 Absatz 3 Satz 7 zu vereinbaren, insbesondere zur Kennzeichnung entsprechender Ersatzverordnungen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 17. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Rückforderung vertragsärztlichen Honorars für die Quartale IV/1996 bis I/2001.

2

Der Kläger nahm bis zum 30.6.2004 als Radiologe an der vertragsärztlichen Versorgung in S. teil. Zunächst - ab 1.7.1989 bis zum 30.9.1996 - führte er eine Gemeinschaftspraxis mit Dr. B., welcher auf seine Zulassung zum 30.9.1996 verzichtete. Unter dem 17.7.1996 schloss der Kläger mit dem Arzt für Radiologische Diagnostik und für Strahlentherapie Dr. H. sowie dem Arzt für Radiologische Diagnostik Dr. M. einen "Gesellschaftsvertrag über die Errichtung einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis". Danach war vorgesehen, dass Dr. B. nach seinem Ausscheiden seine Geschäftsanteile an Dres. H. und M. verkaufen und diese an seiner Stelle in die Gemeinschaftspraxis eintreten sollten. Als Hauptsitz der Gemeinschaftspraxis wurde S. bestimmt; weitere Praxisteile sollten in V. und im Krankenhaus W. betrieben werden. An Gewinnen und Verlusten sowie am Anlagevermögen waren der Kläger zu ½, die beiden anderen Ärzte zu je ¼ beteiligt. Zum geschäftsführenden Gesellschafter wurde der Kläger bestimmt. Gemäß "Gesellschafterbeschluss" vom 17.7.1996 war die Aufnahme eines weiteren Partners - "voraussichtlich" des zu 2. beigeladenen Dr. Ph. - vorgesehen (Nr 16a des Beschlusses). Der vierte Partner sollte sich gemäß Ziff 18a des Beschlusses "KV-rechtlich im Außenverhältnis ab 1.10.1996 niederlassen, und zwar offiziell in Gemeinschaftspraxis mit Dr. P. "; mit ihm sollte ein "Probejahr (freie Mitarbeit)" vereinbart werden (Nr 18b).

3

Am 30.7.1996 schlossen die "Gemeinschaftspraxis" Dres. P., H. und M. sowie der Beigeladene zu 2. sodann einen sogenannten Kooperationsvertrag. Dieser beinhaltete im Wesentlichen, dass der Beigeladene zu 2. ab dem 1.10.1996 bis zum Ablauf einer Probezeit als "freier Mitarbeiter" der "Gemeinschaftspraxis" tätig werden sollte. Nach beiderseits befriedigendem Ablauf der Probezeit sollte der Mitarbeiter am 1.10.1997 "partnerschaftlich eingebunden werden, und zwar bei Herstellung paritätischer Gesellschaftsanteile" (Ziff 6a der Präambel des Vertrages). Auf ein Mitarbeiterverhältnis waren auch die Detailregelungen (Zahlung eines Festgehalts ua) ausgerichtet. Ein "ggf. dem Zulassungsausschuss vorzulegender Vertrag" sollte zwischen den Vertragsparteien keine eigene Rechtswirkung entfalten (Ziff 2c der Präambel). Nach Ziff 6b der Präambel sollte der Mitarbeiter "im Außenverhältnis" den Gemeinschaftspraxis-Anteil des ausscheidenden Partners Dr. B. "erwerben" (Satz 1), aber hieraus keine Rechte herleiten können (Satz 2). Ebenso war bestimmt, dass der Vertragsarztsitz "der Praxis gehört" und bei "Ausscheiden ohne Gemeinschaftspraxis-Eintritt … vom freien Mitarbeiter … unentgeltlich (formal) zu übertragen" ist (Satz 4).

4

Der Beigeladene zu 2. bewarb sich auf den zur Nachbesetzung ausgeschriebenen Vertragsarztsitz von Dr. B. und wurde vom Zulassungsausschuss zum 1.10.1996 als Facharzt für Diagnostische Radiologie für den Vertragsarztsitz S. zugelassen. Zugleich genehmigte der Zulassungsausschuss den Antrag des Klägers sowie des Beigeladenen zu 2. auf Führung einer Gemeinschaftspraxis. Dres. H. und M. erhielten die Genehmigung zum Führen einer Gemeinschaftspraxis in V. Zu der im Kooperationsvertrag vorgesehenen partnerschaftlichen Einbindung des Beigeladenen zu 2. in die durch Dres. P. (Kläger), H. und M. gebildete "Gemeinschaftspraxis" kam es in der Folgezeit nicht. Insbesondere nahm er nach den Feststellungen des LSG im streitgegenständlichen Zeitraum nicht an Gesellschafterversammlungen teil. Unstimmigkeiten zwischen den beteiligten Ärzten führten dazu, dass die zwischen dem Kläger und Dres. H. und M. bestehende Gesellschaft zum 31.12.2001 beendet wurde. Die zu 1. beigeladene "Gemeinschaftspraxis" wurde zum 31.3.2001 beendet.

5

Die Beigeladene zu 1. rechnete als "Gemeinschaftspraxis Dr. P./Dr. Ph." Leistungen ab, die in der Praxis in S. und in einem ausgelagerten, mit einem CT-Gerät ausgestatteten Praxisteil im Kreiskrankenhaus S. erbracht worden waren. In den Quartalen IV/1996 bis I/2001 erhielt sie Honorarzahlungen in einer Gesamthöhe von 4 145 507,66 DM. Mit inhaltlich identischen, sowohl an den Kläger als auch an den Beigeladenen zu 2. adressierten Bescheiden vom 30.11.2001 - dem Kläger am 5.12.2001 zugestellt - hob die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) die Honorarbescheide für die Quartale IV/1996 bis I/2001 auf und forderte die in diesen Quartalen ihres Erachtens zu Unrecht gezahlten Honorare in Höhe von insgesamt 1 785 135,03 DM (von der Beklagten in 880 578,27 Euro umgerechnet) zurück. Beide Ärzte hätten die Genehmigung zur gemeinschaftlichen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit durch vorsätzlich falsche Angaben über die gesellschaftsrechtliche Beteiligung erlangt. Die Höhe des neu festzusetzenden Honorars des Klägers sei unter Zugrundelegung des Fachgruppendurchschnitts ermittelt worden.

6

Der hiergegen vom Kläger eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Auf Antrag des Klägers hat das LSG mit Beschluss vom 13.8.2002 (L 3 KA 161/02 ER) die aufschiebende Wirkung des Widerspruches insgesamt angeordnet. Auf die Klage des Klägers hat das SG die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und dies damit begründet, für die Rechtmäßigkeit der Honorarrückforderung komme es allein auf die eingereichten Sammelerklärungen an. Diese seien jedenfalls im Hinblick auf die Leistungserbringung nicht "falsch" (Urteil vom 13.10.2004).

7

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Richtigstellungs- und Rückforderungsbescheid sei rechtmäßig, auch wenn er an den Kläger und den Beigeladenen zu 2., nicht jedoch an die zu 1. beigeladene "Gemeinschaftspraxis" gerichtet gewesen sei. Der Bescheid erweise sich auch inhaltlich als rechtmäßig. Eine Abrechnung sei auch dann falsch, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit, in deren Rahmen die Leistungen erbracht worden seien, nicht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der vertragsärztlichen Versorgung ausgeübt worden sei. Dies gelte auch für den Fall der Leistungserbringung durch eine nur formal bestehende Gemeinschaftspraxis.

8

Für die Rechtmäßigkeit der Honorargewährung komme es nicht nur auf die formelle Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung an, sondern der Vertragsarzt müsse vielmehr auch materiell berechtigt sein, Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen. Daher sei die Beklagte berechtigt, im Falle eines Gestaltungsmissbrauchs der Rechtsformen vertragsärztlicher Kooperation die Honorarabrechnungen der beteiligten Ärzte sachlich-rechnerisch richtig zu stellen. Dies gelte auch für Fälle, in denen nach außen hin eine Gemeinschaftspraxis mit entsprechender Genehmigung des Zulassungsausschusses betrieben worden sei, die Genehmigung aber nicht hätte erteilt werden dürfen oder hätte widerrufen werden müssen, weil eine gemeinschaftliche Berufsausübung nie gewollt gewesen oder später nicht mehr realisiert worden sei. Dieser Fall sei vorliegend gegeben, denn die Beigeladene zu 1. sei ungeachtet ihrer formellen Genehmigung keine Gemeinschaftspraxis gewesen, weil der Beigeladene zu 2. tatsächlich als angestellter Arzt tätig geworden sei.

9

Unverzichtbar für die Annahme einer Tätigkeit in "freier Praxis" sei, dass dem Gesellschafter Mitgliedschaftsrechte in Form von Mitwirkungsrechten, insbesondere Stimmrechten, durch den Gesellschaftsvertrag eingeräumt würden, weil ansonsten nicht angenommen werden könne, dass der Arzt den Einsatz der der Praxis zugeordneten sachlichen und persönlichen Mittel selbst bestimme. Dem Beigeladenen zu 2. seien weder nach Vertragslage noch tatsächlich Mitwirkungsmöglichkeiten an den zentralen, die Struktur der Praxis in S. bestimmenden Entscheidungen eingeräumt worden. Hierüber hätten allein der Kläger und die Dres. H. und M. in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der GbR, die die wirkliche Trägerin der Praxis in S. und V. gewesen sei, befunden. Der Beigeladene zu 2. sei nie in die Gesellschaft aufgenommen worden und habe insbesondere an keiner Gesellschafterversammlung teilgenommen. Dass er bei seiner Arbeit in der CT-Außenstelle selbstständig habe arbeiten können, ändere daran nichts, da die GbR über die Rechtsmacht verfügt habe, sich im Konfliktfall gegen den Beigeladenen zu 2. durchzusetzen. Dieser sei zudem weder an Gewinnen noch Verlusten der Praxis beteiligt gewesen, sondern habe ein festes Gehalt bezogen. Auch eine Beteiligung am Vermögen der Gemeinschaftspraxis habe zu keiner Zeit vorgelegen.

10

Die Beklagte habe die sachlich-rechnerischen Richtigstellungen in Anknüpfung an die in den strittigen Quartalen unrichtigen Sammelerklärungen durchführen dürfen. Den Kläger treffe auch ein Verschulden, zumindest im Sinne grober Fahrlässigkeit. Er habe aufgrund der Verträge wissen müssen, dass der Beigeladene zu 2. in Wirklichkeit nur die Stellung eines unselbstständig tätigen Assistenten inne gehabt habe. Bei der Neufestsetzung des Honorars sei die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die vom Beigeladenen zu 2. erarbeiteten Honorare zu Unrecht ausgezahlt worden seien. Die Schätzung der verbleibenden Honorare anhand der durchschnittlichen Einnahmen einer radiologischen Einzelpraxis bewege sich im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urteil vom 17.12.2008, MedR 2009, 497 = GesR 2009, 206).

11

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Die bundesmantelvertraglichen Bestimmungen über die sachlich-rechnerische Richtigstellung von Honorarforderungen stellten keine ausreichende Rechtsgrundlage für die streitbefangene Honorarrückforderung dar, da die abgerechneten Leistungen entsprechend den Vorgaben des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen erbracht und abgerechnet worden seien. Die Beklagte mache vielmehr einen vermeintlichen "sonstigen Schaden" geltend. Der Anwendung der Regelungen über die sachlich-rechnerische Richtigstellung stehe im Übrigen die Drittbindungswirkung der ihm - dem Kläger - und dem Beigeladenen zu 2. erteilten Gemeinschaftspraxis-Genehmigung entgegen. Diese Genehmigung habe statusbegründenden Charakter. Die Kompetenz der Zulassungsgremien sei abschließend und lückenlos; auch die Beklagte sei an deren Entscheidung gebunden. Diese Kompetenzverteilung und die daraus resultierende Drittbindungswirkung könne die Beklagte nicht dadurch umgehen, dass sie einseitig im Wege der Aufhebung erteilter Honorarbescheide ihre Ansicht durchzusetzen versuche.

12

Selbst wenn man unterstelle, dass der Vertrag über die Gemeinschaftspraxis vertragsarztrechtlich bedenklich sei, könne ihm - dem Kläger - als juristischem Laien, der einen solchen Vertrag unter fachlicher Beratung durch einen bundesweit anerkannten Spezialisten auf dem Gebiet des Vertragsarztrechts abgeschlossen habe, nicht der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs gemacht werden. Die Frage der fehlerhaften Vertragsgestaltung sei erst in das Blickfeld der Beklagten gerückt, nachdem gegen den beratenden Rechtsanwalt ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei, das mit einer Verurteilung geendet habe. Der Vertrag sei von ihm - dem Kläger - freiwillig vorgelegt worden; nur dadurch habe die Beklagte Kenntnis von diesem erhalten. Dies spreche gegen die ihm unterstellte Absicht der Irreführung.

13

Im Übrigen sei der Beigeladene zu 2. in "freier Praxis" tätig gewesen; er habe den ausgelagerten Praxisteil am Krankenhaus S. selbstständig und eigenverantwortlich geführt. Der Kooperationsvertrag stehe den Anforderungen einer Tätigkeit in "freier Praxis" nicht entgegen. Der Beigeladene zu 2. habe seine Tätigkeit frei und eigenverantwortlich ausgeübt, habe Beginn, Dauer und Ende seiner Tätigkeit frei bestimmt und über den Einsatz des nichtärztlichen Personals verfügt. Unzutreffend sei auch, dass der Beigeladene zu 2. an keiner Gesellschafterversammlung teilgenommen habe. Unabhängig davon hätte das LSG den Beteiligten einen Hinweis darauf geben müssen, dass es seine Entscheidung wesentlich auf die Feststellung stützen wolle, dass sich aus den Protokollen der Gesellschafterversammlungen eine Mitwirkung des Beigeladenen zu 2. nicht ergebe. Das LSG habe dies jedoch nicht getan und so den Beteiligten keine Möglichkeit gegeben, diesbezüglich Beweis anzutreten. Das Fehlen einer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen vermöge ebenso wenig wie eine feste Gewinnbeteiligung und der Ausschluss einer Verlustbeteiligung die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Arztes zu gefährden. Eine unterschiedliche Ausgestaltung der Rechte der Gesellschafter sei jedenfalls für eine Übergangszeit des "Kennenlernens" von in der Regel drei Jahren - aber auch darüber hinaus - zulässig.

14

Wie das BVerfG entschieden habe, sei der Begriff des "freien Berufes" ein soziologischer Begriff und kein eindeutiger Rechtsbegriff, aus dem präzise normative Wirkungen abgeleitet werden könnten. Es obliege dem Gesetzgeber, die Merkmale eines "freien" Berufs im Einzelnen festzulegen und damit das Berufsbild zu fixieren. Die Unbestimmtheit des § 32 Abs 1 Satz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) lasse eine Auslegung, die konkrete Anforderungen an die Vertragsgestaltung stelle, um so weniger zu, als die Regelung damit in die Nähe einer Berufszugangsregelung gerückt werde. Schließlich verstoße § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV in der Auslegung des LSG gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG, wenn sich Partner einer Gemeinschaftspraxis einem drohenden Honorarregress bereits dadurch entziehen könnten, dass sie ihre internen vertraglichen Regelungen geheim hielten. Schließlich scheide, da der angefochtene Bescheid dem Kläger am 5.12.2001 zugestellt worden sei, eine sachlich-rechnerische Richtigstellung von Quartalsbescheiden, die vor dem 5.12.1997 ergangen seien, aus.

15

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 17.12.2008 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Hannover vom 13.10.2004 zurückzuweisen.

16

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

17

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Insbesondere stehe der sachlich-rechnerischen Richtigstellung keine "Drittbindungswirkung" durch die vom Zulassungsausschuss erteilte Gemeinschaftspraxisgenehmigung entgegen. Denn die angefochtenen Bescheide hätten keinen Einfluss auf den Zulassungsstatus des Klägers. Sie - die Beklagte - sei berechtigt, das Honorar einer Scheingemeinschaftspraxis in der Weise zu reduzieren, dass die einzelnen Ärzte so behandelt würden, als wären sie in einer Einzelpraxis tätig gewesen. Es liege ein offenkundiger Rechtsmissbrauch vor, wenn bereits in der Präambel des Kooperationsvertrages bestimmt werde, dass ein ggf dem Zulassungsausschuss vorzulegender Vertrag keine Bindungswirkung entfalten werde. Die behauptete gleichberechtigte Mitwirkung des Beigeladenen zu 2. an Entscheidungen werde durch die vorliegenden Unterlagen widerlegt. Dessen Befragung vor dem LSG habe ergeben, dass er noch nicht einmal Kenntnis gehabt habe, wann die regulären Gesellschafterversammlungen stattgefunden hätten. Für Fälle von Abrechnungsbetrug gelte die vierjährige Verjährungsfrist nicht.

18

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

19

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat seine Klage zu Recht unter Aufhebung des Urteils des SG abgewiesen. Die Beklagte hat die der Beigeladenen zu 1. erteilten Honorarbescheide zu Recht aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung teilweise aufgehoben und von den an ihr beteiligten Ärzten zu viel gezahltes Honorar zurückverlangt. Sie hat den Rückforderungsbetrag auch der Höhe nach zutreffend berechnet.

20

1. Die Entscheidung des LSG ist verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Soweit der Kläger rügt, das Berufungsgericht habe den Beteiligten einen Hinweis darauf geben müssen, es werde seine Entscheidung wesentlich auf die Feststellung stützen, dass sich aus den Protokollen eine Mitwirkung des Beigeladenen zu 2. an Entscheidungen über "Praxisangelegenheiten" nicht ergebe, macht er einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Sinne einer Überraschungsentscheidung geltend. Eine Überraschungsentscheidung liegt nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG (vgl BVerfGE 84, 188, 190; BVerfGE 86, 133, 144 f; BVerfGE 98, 218, 263; zuletzt BVerfG , Beschluss vom 7.10.2009 - 1 BvR 178/09 - juris RdNr 8) wie auch des BSG (BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 4 S 23; BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 17)dann vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht.

21

Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, denn Art 103 Abs 1 GG begründet keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Informationspflicht des Gerichts (stRspr des BVerfG, vgl BVerfGE 66, 116, 147; BVerfGE 84, 188, 190; BVerfGE 86, 133, 144; BVerfG , Beschluss vom 27.11.2008 - 2 BvR 1012/08 - juris RdNr 6). Prozessbeteiligte - insbesondere anwaltlich vertretene - müssen grundsätzlich von sich aus alle vertretbaren Gesichtspunkte in Betracht ziehen und sich in ihrem Vortrag darauf einstellen (BVerfGE 86, 133, 144 f; BVerfGE 98, 218, 263; BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 18 mwN). Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll lediglich verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (BSG Urteil vom 11.11.2003 - B 2 U 32/02 R - NZS 2004, 660 ff unter Hinweis auf BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 mwN). Dementsprechend liegt keine unzulässige Überraschungsentscheidung vor, wenn die betroffene Sach- oder Rechtsfrage bereits Gegenstand von Äußerungen der Beteiligten des Verfahrens war, das zu der angegriffenen Entscheidung führte (BVerfG, , Beschluss vom 12.7.2006 - 2 BvR 513/06 - BVerfGK 8, 376). So liegt es auch hier, denn die Frage einer Tätigkeit des Beigeladenen zu 2. in "freier Praxis" - für deren Beantwortung ggf auch eine Beteiligung an Gesellschafterversammlungen Bedeutung haben kann - hat von Beginn des Verfahrens an im Mittelpunkt der rechtlichen Auseinandersetzung gestanden.

22

2. Die Beklagte hat die allgemeinen Vorgaben für eine Richtigstellung der Abrechnungen der Beigeladenen zu 1. beachtet.

23

a) Rechtsgrundlage der aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung erfolgten Aufhebung der Honorarbewilligungen für die Quartale IV/1996 bis I/2001 sind hier noch § 45 Abs 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte bzw § 34 Abs 4 Satz 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä)(für Zeiträume ab 1.1.2004 vgl nunmehr § 106a SGB V idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190).

24

Nach diesen im Wesentlichen gleichlautenden Vorschriften hat die KÄV von Amts wegen oder auf Antrag einer Krankenkasse die Befugnis, die von Vertragsärzten eingereichten Abrechnungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und nötigenfalls richtig zu stellen (stRspr, vgl BSGE 89, 90, 93 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 6; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 5 RdNr 13). Dies kann auch im Wege nachgehender Richtigstellung erfolgen (stRspr, vgl BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 4 RdNr 10 mwN; BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11). Aus diesen Bestimmungen ergibt sich weiter, dass der Vertragsarzt das Honorar, das ihm nach sachlich-rechnerischer Abrechnungskorrektur nicht mehr zusteht, erstatten muss (BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 11; BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr 7, RdNr 13).

25

b) Der Anwendung dieser bundesmantelvertraglichen Regelungen steht nicht entgegen, dass vorliegend nicht Abrechnungsverstöße im engeren Sinne - etwa der fehlerhafte Absatz von Gebührennummern - in Rede stehen. Zwar geht es bei der sachlich-rechnerischen Richtigstellung vor allem um die Auslegung und Anwendung der Gebührenordnungen (s schon BSGE 42, 268, 270 = SozR 2200 § 368n Nr 9, S 21 f), jedoch hat der Senat die entsprechenden bundesmantelvertraglichen Vorschriften in ständiger Rechtsprechung umfassend verstanden.

26

Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertrags(zahn)arztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots -, erbracht und abgerechnet worden sind (BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 4 RdNr 10; BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2, RdNr 15; s schon BSG SozR 5557 Nr 5451 Nr 1 S 2). Dies entspricht den Formulierungen in den zu § 106a SGB V erlassenen Richtlinien(vgl § 3 Abs 1 und 2 iVm § 4 der Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der KÄVen und der Krankenkassen, DÄ 2004, A 2555 bzw A 3135; § 5 Abs 1 iVm Abs 3 der Richtlinien der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen nach § 106a SGB V, zm 2008, S 111 ff).

27

Die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honorarforderung auf bundesmantelvertraglicher Rechtsgrundlage besteht danach nicht nur im Falle rechnerischer und gebührenordnungsmäßiger Fehler, sondern erfasst auch Fallgestaltungen, in denen der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale oder inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchgeführt und abgerechnet hat (BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11). Dementsprechend hat der Senat in seiner Rechtsprechung das Rechtsinstitut der sachlich-rechnerischen Richtigstellung zB bei der Abrechnung fachfremder Leistungen (vgl ua BSGE 93, 170 = SozR 4-2500 § 95 Nr 8; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 1)oder qualitativ mangelhafter Leistungen angewandt, aber auch bei Leistungen eines nicht genehmigten Assistenten (BSG SozR 3-5525 § 32 Nr 1 S 3 f)sowie bei der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs mit Hilfe eines Assistenten (BSG SozR 4-5520 § 32 Nr 2), bei der Abrechnung von Leistungen, die nach stationärer Aufnahme erbracht werden (BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 8; s hierzu auch die Nachweise bei BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11),bei der Nichtbeachtung der bereichsspezifischen Vorschriften zur Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung im Rahmen der vertragsärztlichen Abrechnung (BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2, RdNr 15)und schließlich bei einem Missbrauch vertragsarztrechtlicher Kooperationsformen (BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6; zuletzt BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 17/07 B - juris).

28

Die Beklagte hat die sachlich-rechnerische Richtigstellung daher zu Recht darauf stützen dürfen, dass sich die Beigeladene zu 1. durch die angeblich gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit des Klägers mit dem Beigeladenen zu 2. vertragsärztliches Honorar verschafft hat, das sie - bzw der Kläger in Einzelpraxis - bei Beachtung der vertragsärztlichen Pflichten nicht hätte erzielen können. Diesen auf pflichtwidriger Verhaltensweise beruhenden Honoraranteil darf die KÄV sachlich-rechnerisch richtig stellen und insoweit bereits ausgezahltes Honorar zurückfordern. Sie ist nicht darauf beschränkt, den Pflichtenverstoß disziplinarisch zu ahnden und/oder auf die Entziehung der Zulassung hinzuwirken (BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 12).

29

c) Die Beklagte war auch berechtigt, eine Honorarrückforderung - statt gegenüber der zu 1. beigeladenen "Gemeinschaftspraxis" - gegenüber dem Kläger geltend zu machen.

30

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide, die Quartale betreffen, in denen eine Praxis als Gemeinschaftspraxis (jetzt Berufsausübungsgemeinschaft) geführt wurde, nicht an die Gemeinschaftspraxis, sondern nur an einen der Partner gerichtet wurden (vgl BSGE 89, 90, 93 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 6). Die Partner einer Gemeinschaftspraxis können jeder für sich in Anspruch genommen werden (BSGE 89, 90, 92 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 5; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 16).

31

Zum anderen rechtfertigt sich der an den Kläger gerichtete Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid auch dadurch, dass eine Gemeinschaftspraxis lediglich pro forma bestand. Weil dies materiell-rechtlich die Zusammenarbeit zweier in "freier Praxis" tätiger Ärzte voraussetzt, der Beigeladene zu 2. jedoch in Wirklichkeit lediglich als Angestellter des Klägers (bzw der "Gesellschaft") tätig war (s dazu unter 3. b cc), war der Kläger somit tatsächlich in Einzelpraxis tätig. Die Beklagte ist - jedenfalls in Bezug auf die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen - nicht an lediglich formal bestehende, materiell-rechtlich jedoch rechtswidrige Statusentscheidungen gebunden (s unter 3. c). "Vertragspartner" der Beklagten war daher der Kläger, so dass auch die Rückabwicklung im Verhältnis Kläger-Beklagte zu erfolgen hat.

32

3. Die Beklagte war auch in der Sache berechtigt, die Abrechnungen der "Gemeinschaftspraxis" für die streitgegenständlichen Quartale richtig zu stellen. Denn die "Gemeinschaftspraxis", der (auch) der Kläger angehörte, hat in dieser Zeit Leistungen abgerechnet, die im Widerspruch zu bindenden Vorgaben des Vertragsarztrechts erbracht wurden. Die vom Zulassungsausschuss genehmigte, aus ihm und dem zu 2. beigeladenen Arzt Dr. Ph. bestehende Gemeinschaftspraxis existierte tatsächlich nicht. Dr. Ph. war lediglich als Angestellter des Klägers tätig, und die Genehmigung zur Beschäftigung eines angestellten Arztes hatte die Beklagte nicht erteilt.

33

Die vertraglich zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 2. vereinbarte Kooperation erfüllte die Voraussetzungen des § 33 Abs 2 Satz 1 Ärzte-ZV nicht, weil der zu 2. beigeladene Dr. Ph. nicht in freier Praxis im Sinne des § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV tätig war. Über die berufliche und persönliche Selbstständigkeit, die für die Ausübung der Tätigkeit des Vertragsarztes in "freier Praxis" erforderlich ist, verfügte Dr. Ph. zu keinem Zeitpunkt. Dieser Arzt trug nach den Vereinbarungen zwischen ihm und dem Kläger das wirtschaftliche Risiko der Praxis nicht mit und war in keiner Weise am Wert der Praxis beteiligt, die durch seine Tätigkeit mit geschaffen wurde. Jedenfalls soweit beides explizit ausgeschlossen ist, wird die ärztliche Tätigkeit nicht mehr in freier Praxis ausgeübt.

34

a) Nach § 33 Abs 2 Satz 1 Ärzte-ZV ist die gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit zulässig unter allen zugelassenen Leistungserbringern. Das setzt die (auch materiell rechtmäßige) Zulassung eines jeden einzelnen Mitglieds der Gemeinschaftspraxis voraus (vgl Engelmann, ZMGR 2004, 3, 10). Schon hieran fehlt es. Denn der Beigeladene zu 2. war - wie das LSG zutreffend festgestellt hat - bereits nicht als Arzt in freier Praxis, sondern tatsächlich als "freier Mitarbeiter" tätig. Da das Vertragsarztrecht den Typus des "freien Mitarbeiters" nicht kennt, ist der Beigeladene zu 2. vertragsarztrechtlich als "angestellter Arzt" bzw als "Assistent" zu qualifizieren. Derartige Tätigkeiten sind nur mit entsprechender Genehmigung zulässig; daran fehlte es jedoch.

35

b) Nach § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV hat der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich in "freier Praxis" auszuüben. Dies war dem Beigeladenen zu 2. gesellschaftsvertraglich nicht möglich, und er hat es auch tatsächlich nicht getan.

36

aa) Der Begriff der "freien Praxis" ist nicht zu unbestimmt, um hieraus Anforderungen an die vertragsärztliche Tätigkeit abzuleiten. Dem steht auch nicht die Aussage des BVerfG entgegen, dass der (vergleichbare) Begriff "freier Beruf" kein eindeutiger Rechtsbegriff, sondern ein soziologischer Begriff sei, der aus einer bestimmten gesellschaftlichen Situation erwachsen sei und aus dem sich keine präzise normative Wirkungen ableiten ließen (BVerfGE 10, 354, 364). Abgesehen davon, dass das BVerfG diese Aussagen getätigt hat, um der (gegenteiligen) Auffassung entgegenzutreten, dieser Begriff beinhalte einen spezifischen, gesteigerten Gehalt an Freiheit (vgl BVerfG aaO), unterscheidet sich die Situation vornehmlich dadurch, dass der ähnliche Begriff der "freien Praxis" vorliegend nicht im allgemeinen - "soziologischen" - Sinne gebraucht wird, sondern durch die Regelungen in § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV wie auch in § 98 Abs 2 Nr 13 SGB V ("nach den Grundsätzen der Ausübung eines freien Berufes …") normativen Gehalt bekommen hat. Darüber hinaus ist der Begriff der "freien Praxis" durch zahlreiche Entscheidungen des BSG weiter konkretisiert worden (s unter 3. b bb).

37

Im Übrigen hat auch das BVerfG in verschiedenen Entscheidungen den Kerngehalt dieses Begriffes dahingehend umschrieben, dass der Arztberuf durch ein hohes Maß an eigener Verantwortlichkeit und eigenem Risiko in wirtschaftlicher Beziehung charakterisiert sei (BVerfGE 9, 338, 351). Das Berufsbild der freiberuflich Tätigen trage im Ganzen den "unternehmerischen Zug", der auf Selbstverantwortung, individuelle Unabhängigkeit und eigenes wirtschaftliches Risiko gegründet sei (BVerfGE 10, 354, 369). Der frei praktizierende Arzt habe die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft, könne insbesondere seine Arbeitszeit frei einteilen, er trage aber auch das volle wirtschaftliche Berufsrisiko (BVerfGE 16, 286, 294). Mithin wird eine Tätigkeit in "freier Praxis" unzweifelhaft durch die Merkmale individuelle Unabhängigkeit und Tragung des wirtschaftlichen Risikos konkretisiert.

38

bb) Was für eine Tätigkeit persönlich in freier Praxis im Sinne des § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV - im Gegensatz zu einem Angestelltenverhältnis im Sinne des § 32b Ärzte-ZV - erforderlich ist, hat das BSG in seinen Urteilen vom 16.3.1973 (BSGE 35, 247 = SozR Nr 1 zu § 5 EKV-Ärzte = NJW 1973, 1435), vom 16.7.2003 (BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2)und vom 28.11.2007 (BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3)vorgezeichnet. Das Merkmal erfordert mehr, als nach den §§ 705 ff BGB für die Stellung als Gesellschafter erforderlich ist. Die vertragsärztliche Tätigkeit muss in beruflicher und persönlicher Selbstständigkeit gesichert sein; erhebliche Einflussnahmen Dritter müssen ausgeschlossen sein; insbesondere darf nicht in Wahrheit ein verstecktes Angestelltenverhältnis vorliegen (BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 26, anknüpfend an BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2; vgl auch BSGE 91, 164 RdNr 17, 18 = SozR 4-5520 § 33 Nr 1 RdNr 16, 17; - jeweils betreffend Gemeinschaftspraxis). Zur erforderlichen eigenverantwortlichen Gestaltung ärztlicher Tätigkeit gehört es, dass der Arzt ein wirtschaftliches Risiko trägt, insoweit es maßgebend von seiner Arbeitskraft abhängen muss, in welchem Umfang seine freiberufliche Tätigkeit Einkünfte erbringt (BSGE 35, 247, 252 = SozR Nr 1 zu § 5 EKV-Ärzte = NJW 1973, 1435, 1437 - betreffend Facharzt für Laboratoriumsmedizin). Zudem muss der Arzt die Befugnis haben, den medizinischen Auftrag nach eigenem Ermessen zu gestalten sowie über die räumlichen und sächlichen Mittel, ggf auch über den Einsatz von Hilfspersonal zu disponieren oder jedenfalls an der Disposition mitzuwirken (BSGE 35, 247, 250 = NJW 1973, 1435, 1436; BSGE 76, 59, 64 = SozR 3-5520 § 20 Nr 1 S 7; BSGE 80, 130, 132 f = SozR 3-5520 § 20 Nr 2 S 13).

39

Somit beinhaltet die Tätigkeit in "freier Praxis" zum einen eine wirtschaftliche Komponente - die Tragung des wirtschaftlichen Risikos wie auch eine Beteiligung an den wirtschaftlichen Erfolgen der Praxis - und zum anderen eine ausreichende Handlungsfreiheit in beruflicher und persönlicher Hinsicht.

40

Für das Maß an Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit, das einem Arzt bei der von ihm bei seinem Antrag auf Zulassung geplanten und dann ausgeübten vertragsärztlichen Tätigkeit verbleibt, können zivilrechtliche Vereinbarungen, die er bezogen auf die Arztpraxis getroffen hat, Bedeutung haben. Dies gilt nicht nur für Gemeinschaftspraxen (hierzu s BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 25 f), sondern auch in anderen Fällen, etwa dann, wenn einem Arzt die Praxisräume und -ausstattung von einem anderen zur Verfügung gestellt werden und dieser sich erhebliche Einflussmöglichkeiten auf die Praxisausstattung und den Praxisbetrieb vorbehält. In solchen Fällen ist es Aufgabe der Zulassungsgremien, aber ggf auch der Sozialgerichte und der KÄVen, die zivilrechtlichen Verhältnisse in die Überprüfung einzubeziehen (hierzu zuletzt BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 26 mwN).

41

cc) Die dargestellten Voraussetzungen einer Tätigkeit in "freier Praxis" waren im Falle des Beigeladenen zu 2. schon nicht gegeben, als er zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen wurde. Sie sind angesichts der gescheiterten Aufnahme in die "Gesellschaft" ebenso wenig während seiner anschließenden Tätigkeit eingetreten. Der Beigeladene zu 2. trug nämlich zu keinem Zeitpunkt ein erkennbares wirtschaftliches Risiko (1) und war an der Verwertung des von ihm erarbeiteten Praxiswerts nicht beteiligt (2). Ob er darüber hinaus auch in seiner Dispositionsfreiheit eingeschränkt war, bedarf keiner abschließenden Entscheidung (3).

42

(1) Das Erfordernis, dass es beim Vertragsarzt "maßgebend von seiner Arbeitskraft abhängen" muss, in welchem Umfang seine freiberufliche Tätigkeit Einkünfte erbringt (BSGE 35, 247, 252 = SozR Nr 1 zu § 5 EKV-Ärzte = NJW 1973, 1435, 1437), ihn also im positiven wie im negativen Sinne die Chance und das Risiko des beruflichen Erfolges oder Misserfolges persönlich treffen müssen, ist der Notwendigkeit geschuldet, den Status des Vertragsarztes von dem Status des angestellten Arztes abzugrenzen. Nur dann ist das Merkmal beruflicher und persönlicher Selbstständigkeit gegeben und liegt nicht ein (verstecktes) Angestelltenverhältnis vor. Dies bedeutet insbesondere, dass der Vertragsarzt nicht wie ein Angestellter nur ein Festgehalt erhalten darf. Vielmehr muss ihm maßgeblich der Ertrag seiner vertragsärztlichen Tätigkeit zugute kommen, ebenso wie ein eventueller Verlust zu seinen Lasten gehen muss. Dieses Erfordernis muss von Anbeginn der vertragsärztlichen Tätigkeit erfüllt sein, kann mithin nicht für die Dauer einer "Probezeit" suspendiert werden.

43

Diese Teilhabe an Gewinn und Verlust der laufenden Praxistätigkeit kann nicht allein auf den Kapitaleinsatz bezogen werden, der bei der ärztlichen Tätigkeit nicht die ausschlaggebende Rolle spielt, wie der Senat bereits in einer früheren Entscheidung (Urteil vom 16.3.1973 - BSGE 35, 247, 252 = SozR Nr 1 zu § 5 EKV-Ärzte = NJW 1973, 1435, 1436 f ) ausgeführt hat. Fehlender wirtschaftlicher Erfolg einer Praxis wirkt sich im Übrigen vor allem in Gestalt einer Reduzierung des sogenannten Unternehmerlohns aus, weil die laufenden Praxiskosten nicht sogleich einem Umsatzrückgang angepasst werden können, und kann auch zum Auflaufen von Verbindlichkeiten führen. Ob im Übrigen die Gewichtung von Kapitaleinsatz und persönlicher Arbeitskraft des Arztes, die im Urteil vom 16.3.1973 zum Ausdruck kommt, heute im Zuge der Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der vertragsärztlichen Tätigkeit anders vorgenommen werden müsste, bedarf hier keiner Entscheidung.

44

Diese Voraussetzungen lagen, wie vom LSG zutreffend festgestellt, nicht vor:
Nach dem - die Rahmenbedingungen für das Tätigwerden des Beigeladenen zu 2. in der "Gemeinschaftspraxis" regelnden - Kooperationsvertrag sollte der Beigeladene zu 2. kein wirtschaftliches Risiko tragen (Ziff 2a und b der Präambel zum Kooperationsvertrag); gemäß § 4 des Vertrages erhielt er ein Festgehalt("regelmäßige Vergütung pro Arbeitswoche"). Die "Abrechnung von Privat- und Kassenpatienten" oblag allein "den Praxisinhabern" (§ 5 Abs 1 des Vertrages); zudem war der Beigeladene zu 2. "im Innenverhältnis" von allen Honorarkürzungs- und Regressansprüchen freigestellt (§ 2 Abs 6 des Vertrages). Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese - eine "Mitunternehmerschaft" des Beigeladenen zu 2. in Bezug auf die Einkünfte ausschließenden - Regelungen in der Folgezeit nicht mehr gegolten haben. Denn zu dessen avisierten Eintritt in die von Dres. P., H. und M. gebildete Gesellschaft ist es unzweifelhaft nicht gekommen, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG bestätigt hat. Der Beigeladene zu 2. hat bekräftigt, dass es bis 2001 bei den im Vertrag vereinbarten Zahlungen geblieben sei und er auch in der Folgezeit ein Festgehalt erhalten habe. Die im Schrifttum erörterte Frage, ob die Zahlung eines Festgewinnanteils für die Annahme einer Tätigkeit in "eigener Praxis" ausreichen kann (s hierzu Gummert/Meier, MedR 2007, 1, 4 f), stellt sich vorliegend nicht, da der Beigeladene zu 2. gerade keine gewinnbezogenen Zahlungen erhalten hat.

45

Auch wenn die für bzw gegen eine Tätigkeit in "freier Praxis" sprechenden Gesichtspunkte grundsätzlich in ihrer Gesamtheit in die Abwägung einzubeziehen sind, stellt der Umstand, dass sich die Einkommenssituation des Beigeladenen zu 2. nicht von der eines "freien Mitarbeiters" bzw der eines Angestellten unterschied, ein so wesentliches Indiz gegen eine selbstständige Tätigkeit in "freier Praxis" dar, dass bereits aus diesem Grunde die Entscheidung des LSG zu bestätigen ist. Daher kann es dahingestellt bleiben, ob der Beigeladene zu 2. im Übrigen Einfluss auf die Führung der - letztlich auch die "Gemeinschaftspraxis" beherrschenden, vom Kläger sowie Dres. H. und M. gebildeten - "Gesellschaft" hatte.

46

Da es bereits an jeglicher Tragung eines wirtschaftlichen Risikos fehlt, kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob im Falle von Gemeinschaftspraxen (bzw Berufsausübungsgemeinschaften) jeder Partner auch substantiell am Gesellschaftsvermögen beteiligt werden muss (s hierzu die Nachweise bei Gummert/Meier, MedR 2007, 1, 6 f mit Fn 57 bis 60) oder ob - ggf auch nur für eine Übergangsfrist - auch eine sogenannte "Null-Beteiligung" unschädlich sein kann. Dieser Aspekt könnte lediglich dann Bedeutung haben, wenn die Bewertung des vorrangigen (einkommensbezogenen) Kriteriums der "Tragung des wirtschaftlichen Risikos" keine eindeutige Aussage erlaubt. Allerdings sprechen gewisse Gesichtspunkte dafür, dass eine Beteiligung am Gesellschaftsvermögen nicht ausnahmslos erforderlich ist. Wenn ein Arzt sowohl am wirtschaftlichen Gewinn wie auch an einem etwaigen Verlust beteiligt ist, also das Einkommens-Risiko trägt, muss er nicht auch noch zwingend das weitere (Vermögens-)Risiko tragen. So könnten Gestaltungen zulässig sein, in denen Ärzte (gemeinsam) nicht nur die Praxisräume, sondern auch die komplette Praxisausstattung anmieten, ihr Kapitaleinsatz also gegen Null geht, oder in denen ein alteingesessener Vertragsarzt mit einem jungen Arzt, der in fernerer Zukunft die Praxis übernehmen soll, zunächst eine Gemeinschaftspraxis bildet, in der die gesamte Praxisausstattung dem "Alt-Arzt" gehört.

47

(2) Ein wesentlicher Mangel an ausreichender Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit ergab sich ferner daraus, dass dem Beigeladenen zu 2. bei Beendigung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit keine Chance auf Verwertung des auch von ihm erarbeiteten Praxiswertes blieb. Für die Annahme einer gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis ist - unabhängig von der Frage einer Beteiligung der Partner an den Investitionen und Kosten der Praxis - grundsätzlich eine Beteiligung am immateriellen Wert der Praxis (dem sogenannten "Goodwill") erforderlich, da dies Ausfluss der mit einer Tätigkeit in "freier Praxis" verbundenen Chancen ist. Dabei kann die vertragliche Ausgestaltung im Einzelfall unterschiedlich sein (BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 14).

48

Zwar sind Einschränkungen des für Einzelpraxen typischen Rechts, im Falle der Aufgabe der Praxistätigkeit über die Verwertung des Praxiswerts - insbesondere durch Ausschreibung des Vertragsarztsitzes in Verbindung mit dem Abschluss eines Vertrages mit dem Praxisnachfolger über einen Kaufpreis in Höhe des Verkehrswertes der Praxis (§ 103 Abs 4 SGB V) - zu verfügen, dann üblich, wenn es sich um eine Gemeinschaftspraxis handelt. Bei ihr sind die Bindungen und Arbeitsteilungen unter den Praxispartnern zu beachten; diese rechtfertigen Beschränkungen der Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit jedes einzelnen Partners. Dabei werden auch die Rechte des Ausscheidenden häufig beschränkt, nämlich zB auf den Anspruch auf Abfindungszahlungen reduziert (s dazu H.-J. Rieger, Verträge zwischen Ärzten in freier Praxis, 8. Aufl 2009: Heidelberger Musterverträge, Heft 41, Teil 2: Kooperationsverträge, Vertrag für Gemeinschaftspraxis, § 14, S 46-48).

49

Selbst derart beschränkte Teilhaberechte am Wert der Praxis waren aber durch den Kooperationsvertrag ausgeschlossen. Dort war insbesondere bestimmt, dass der freie Mitarbeiter den Gemeinschaftspraxis-Anteil "nur im Außenverhältnis" erwirbt und hieraus keine Rechte herleiten kann; zudem hat er den Anteil bei einem Ausscheiden unentgeltlich auf die "Gemeinschaftspraxis" zu übertragen (Ziff 6b der Präambel). Auch ist er nicht am "Good-Will" der Praxis beteiligt (Ziff 7 der Präambel). Selbst wenn man dies ggf für die Dauer einer begrenzten "Probezeit" akzeptieren wollte, käme dies im Falle des Beigeladenen zu 2. schon wegen der auf unbestimmte Zeit fortgesetzten Probezeit nicht zum Tragen.

50

(3) Dahingestellt bleiben kann, ob der Beigeladene zu 2. ausreichende Dispositionsfreiheit in beruflicher und persönlicher Hinsicht besaß. Das Erfordernis, dass der Arzt die Befugnis haben muss, den medizinischen Auftrag nach eigenem Ermessen zu gestalten sowie über die räumlichen und sächlichen Mittel, ggf auch über den Einsatz von Hilfspersonal zu disponieren oder jedenfalls an der Disposition mitzuwirken (BSGE 35, 247, 250 = NJW 1973, 1435, 1436), hat zum Inhalt, dass erhebliche Einflussnahmen Dritter bei der Gestaltung des medizinischen Auftrags und bei der Disposition über das Hilfspersonal ausgeschlossen sein müssen. Entsprechendes gilt für die Disposition über die Sachausstattung der Praxis. Dies sind Ausprägungen der rechtlichen Vorgabe, dass die vertragsärztliche Tätigkeit "persönlich in freier Praxis" ausgeübt werden muss (§ 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV), wofür wesentlich ist, dass er die Verfügungsmacht über die Praxis hat. Selbst wenn die Praxis und deren Inventar nicht unbedingt in seinem Eigentum stehen müssen, muss er neben der Gestaltung des medizinischen Auftrags und neben der Personalhoheit auch in einem gewissen Umfang die Sachherrschaft haben. Nur dann ist eine Verfügungsmacht über die Praxis und eine Tätigkeit "in freier Praxis" gegeben.

51

Nach den Feststellungen des LSG steht nicht in Zweifel, dass der Beigeladene zu 2. bei der Gestaltung des medizinischen Auftrags in ausreichendem Maß "sein eigener Herr" war. Insoweit hat das LSG jedoch zutreffend darauf verwiesen, dass erhebliche (fachliche) Entscheidungs- und Handlungsspielräume allen höheren Dienstleistungen eigen sind. Bezüglich der Frage, ob dem Beigeladenen zu 2. in ausreichendem Maße die Personalhoheit verblieben ist, liegt es schon aus Gründen der - im Gesamtinteresse liegenden - Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Praxis nahe, dass er wohl im ausreichenden Maße über das für seine Tätigkeit erforderliche Personal verfügen konnte. Auch die Weisungsbefugnis gegenüber dem nichtärztlichen Hilfspersonal dürfte angesichts der Notwendigkeiten, die eng mit der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit zusammenhängen, bestanden haben. Offen bleiben kann, ob dem Beigeladenen zu 2. das Recht zustand, über die Organisation des Inventars und der sächlichen Hilfsmittel, die Materialwirtschaft, die kaufmännische und administrative Ausgestaltung der Arztpraxis zu bestimmen. Zweifellos konnte er nicht über größere Anschaffungen bestimmen, da die Mittel dazu von der "Gesellschaft", an der er nicht beteiligt war, aufgebracht wurden. Andererseits dürften ihm die für seine Tätigkeit erforderlichen Materialien und Geräte zur Verfügung gestanden haben.

52

c) Einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung steht schließlich nicht entgegen, dass der Beigeladene zu 2. formal zugelassen und die zu 1. beigeladene Gemeinschaftspraxis formal genehmigt war, und diese Zulassung bzw Genehmigung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben werden kann (vgl hierzu BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 2 RdNr 14 - Genehmigung der Verlegung des Vertragsarztsitzes; dies aufgreifend BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 25; LSG Nordhrein-Westfalen, Urteil vom 13.9.2006 - L 11 KA 30/06 - MedR 2008, 50; Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 20 RdNr 47). Denn der Beigeladene zu 2. hätte nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden dürfen, weil - aus den vorstehend dargelegten Gründen - von vornherein die Voraussetzungen für eine Zulassung fehlten; Entsprechendes gilt für die Gemeinschaftspraxis-Genehmigung. In derartigen Fällen steht dem Vertragsarzt ungeachtet des rückwirkend nicht korrigierbaren Status kein Honorar zu (so auch Wenner aaO RdNr 48; Engelmann, ZMGR 2004, 3, 13; Schallen, Zulassungsverordnung, 7. Aufl 2009, § 33 RdNr 142 ff).

53

aa) Ein die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllender oder für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit ungeeigneter Arzt, der sich die Vertragsarztzulassung unter Vorspiegelung falscher Tatsachen verschafft hat, kann nicht unter Berufung auf den dadurch erworbenen formalrechtlichen Status vertragsärztliche Leistungen erbringen und abrechnen (BSGE 76, 153, 155 = SozR 3-2500 § 95 Nr 5 S 22 unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 368f Nr 1). Dies gilt entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (vgl Spoerr/Fenner, MedR 2002, 109, 115) nicht allein - wie in den bereits entschiedenen Fällen - dann, wenn es an der erforderlichen Approbation und damit bereits an der Erbringung ärztlicher Leistungen fehlt, und/oder, wenn der Arzt rückwirkend auf seine Zulassung verzichtet hat (vgl Spoerr/Fenner aaO). Vielmehr ist eine Berufung auf einen formalrechtlichen Status - jedenfalls soweit es die Abrechnungsprüfung betrifft - auch in anderen Fällen ausgeschlossen, in denen die Zulassungsgremien eine Zulassung bei Kenntnis der genauen Umstände nicht erteilt hätten bzw nicht hätten erteilen dürfen (in diesem Sinne - Honorarrückforderung im Falle des Rechtsmissbrauchs - auch Gummert/Meier, MedR 2007, 1, 9; vgl weiterhin Clemens/Steinhilper in Laufs/Kern , Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 35 RdNr 78 ff).

54

Dies gilt insbesondere im Falle einer missbräuchlichen Nutzung von Gestaltungsformen. Ein Gestaltungsmissbrauch in Form eines Missbrauchs der Rechtsform liegt nicht nur - wie vom Senat bereits entschieden - dann vor, wenn rechtlich in Praxisgemeinschaft verbundene Ärzte die Patienten wie Mitglieder einer Gemeinschaftspraxis behandeln (vgl BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 16 ff; BSG, Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 17/07 B - juris), sondern auch in anderen Fällen, in denen die formal gewählte Rechtsform nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Vorliegend haben der Kläger und der Beigeladene zu 2. die Kooperationsform Gemeinschaftspraxis dadurch missbräuchlich genutzt, dass beide die vertragsärztliche Tätigkeit nicht "gemeinsam" ausgeübt haben, sondern faktisch der Kläger in Einzelpraxis tätig war und den Beigeladenen zu 2. - ohne entsprechende Genehmigung - als Assistenten bzw Angestellten beschäftigte.

55

Für die Rechtmäßigkeit der Gewährung vertragsärztlichen Honorars kommt es nicht allein darauf an, dass der Vertragsarzt formell zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, sondern er muss vielmehr auch materiell berechtigt sein, Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen (Engelmann, ZMGR 2004, 3, 13 unter Bezugnahme auf BSGE 76, 153, 155 = SozR 3-2500 § 95 Nr 5 S 22 unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 368f Nr 1). Zudem sind die mit der Verleihung des Status einer Gemeinschaftspraxis verbundenen Vorteile gegenüber einer Einzelpraxis nur gerechtfertigt, wenn die rechtsförmige Gestaltung der Kooperation die Gewähr dafür bietet, dass die mit der Genehmigung der gemeinsamen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit verbundenen Rechte und Pflichten ordnungsgemäß wahrgenommen werden (BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2 RdNr 22).

56

bb) Einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung wie auch einer daraus resultierenden Rückforderung vertragsärztlichen Honorars steht eine etwaige "Tatbestandswirkung" bzw Drittbindungswirkung (zur Terminologie s BSG SozR 3-2500 § 95a Nr 2 S 6; s auch Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl 2008, § 43 RdNr 105) der Zulassung bzw der Gemeinschaftspraxisgenehmigung in dem Sinne, dass andere Behörden bzw Gerichte an diese Entscheidung ohne Rücksicht auf ihren Inhalt gebunden sind (vgl Roos in v. Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, Vor § 39 RdNr 4 mwN),nicht entgegen. Drittbindungswirkung hat der Senat etwa einem Arztregistereintrag im Rahmen eines Zulassungsverfahrens (vgl BSG SozR 3-2500 § 95a Nr 2; BSG SozR 3-2500 § 95c Nr 1; eingrenzend aber BSGE 104, 128 = SozR 4-2500 § 95 Nr 15, RdNr 15 ff) sowie der Approbationsentscheidung im Rahmen einer Arztregistereintragung (BSGE 95, 94 = SozR 4-2500 § 95c Nr 1)beigemessen. Ob eine solche Drittbindungswirkung besteht, ist bereichsspezifisch durch Auslegung der einschlägigen Normen entsprechend ihrem Regelungszweck zu ermitteln; sie kommt insbesondere dann in Betracht, wenn eine Behörde für den Erlass eines gestaltenden bzw konstitutiv-feststellenden Verwaltungsaktes mit einem Regelungsmonopol ausgestattet ist (BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 42 mwN). Sie erfordert das Vorhandensein entsprechender gesetzlicher Regelungen, in denen der Umfang der Bindung wiederum bereichsspezifisch und abhängig von ihrem erkennbaren Regelungszweck unterschiedlich ausgestaltet sein kann (BSG aaO mwN).

57

Es kann dahingestellt bleiben, in welchem Umfang eine Drittbindungswirkung der Entscheidungen der Zulassungsgremien zu bejahen ist, denn zumindest bezogen auf die vorliegende Konstellation wirken sich der Status des zu 2. beigeladenen Arztes als Vertragsarzt wie die ebenfalls statusbegründende Genehmigung der zu 1. beigeladenen Gemeinschaftspraxis nicht auf die Berechtigung der Beklagten aus, aus der gesetzwidrigen Gestaltung der beruflichen Kooperation die notwendigen vergütungsrechtlichen Folgerungen zu ziehen. Der Status des zugelassenen Vertragsarztes und der genehmigten Gemeinschaftspraxis sichern die vertragsärztliche Tätigkeit im Rechtsverhältnis zu Dritten ab (s hierzu schon BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 16 mwN). Die Versicherten können sich darauf verlassen, durch einen zugelassenen Arzt im Rahmen des Sachleistungsprinzips behandelt zu werden; die von einem solchen Arzt ausgestellten Verordnungen sind wirksam und - von der hier nicht relevanten Situation des kollusiven Zusammenwirkens mit einem Apotheker abgesehen - von diesem auszuführen (BSG aaO; vgl auch BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 25). Solange der Status nicht beseitigt ist, wird der betreffende Arzt im Rahmen der Bedarfsplanung berücksichtigt und darf seine organschaftlichen Mitwirkungsrechte innerhalb der KÄV wahrnehmen.

58

Das alles spielt im Rechtsverhältnis zwischen der KÄV und ihrem Mitglied keine Rolle mehr, wenn bekannt ist, dass der Arzt von seiner Zulassung keinen gesetzeskonformen Gebrauch gemacht hat. Für den Rückgriff der KÄV auf die tatsächlichen Verhältnisse bedarf es entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (Spoerr/Fenner, MedR 2002, 109, 112 f) nicht der rückwirkenden Beseitigung des Status (ebenso Engelmann, ZMGR 2004, 3, 13; Clemens/ Steinhilper aaO, RdNr 76 ff). Im Innenverhältnis zur KÄV schützt der verliehene, aber rechtswidrig erlangte bzw genutzte Status den betroffenen Arzt zumindest in vergütungsrechtlicher Hinsicht nicht.

59

Insoweit besteht eine Parallele zur Beamtenernennung, die durch Täuschung herbeigeführt worden ist. Diese ist nicht nichtig, sondern vielmehr mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (vgl § 14 Abs 1 Nr 1 Bundesbeamtengesetz - BBG -). Im Innenverhältnis hat dies ua zur Folge, dass der Beamte die erhaltene Besoldung zu erstatten hat (s hierzu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 23.10.1979 - IV 1423/77 - juris, dort RdNr 18 f), sofern der Dienstherr sein Ermessen (vgl § 15 Satz 4 BBG in der ab 12.2.2009 gültigen Fassung = § 14 Satz 2 BBG in der bis 11.2.2009 gültigen Fassung) nicht dahingehend ausübt, dass sie ihm belassen wird. Im Außenverhältnis zu Dritten sind die bis zur Zustellung der Erklärung der Rücknahme vorgenommenen Amtshandlungen jedoch in gleicher Weise gültig, wie wenn ein Beamter sie ausgeführt hätte (§ 15 Satz 3 BBG). Wegen der mehrpoligen Rechtsbeziehungen im Vertragsarztrecht scheidet hier die rückwirkende Beseitigung des Status aus; vergleichbar dem Dienstherrn im Beamtenverhältnis darf aber die KÄV aus der zu Unrecht erfolgten Verleihung des Status die erforderlichen Konsequenzen ziehen. Ihr gegenüber entfaltet der Status dann keine Schutzwirkung mehr.

60

d) Der Aufhebung der ursprünglichen Honorarbescheide steht auch die vierjährige Ausschlussfrist, innerhalb derer der Bescheid über die sachlich-rechnerische Richtigstellung ergehen muss (s hierzu BSGE 89, 90, 103 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 16; BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 14; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12), nicht entgegen. Die Ausschlussfrist beginnt in allen Fällen der Richtigstellung von Honorarbescheiden mit dem Tag nach der Bekanntgabe des für den Abrechnungszeitraum maßgeblichen Honorarbescheids zu laufen (BSG MedR 2008, 100 RdNr 18; BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 18; ebenso das weitere Urteil vom 28.3.2007- B 6 KA 28/06 R -; BSG, Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 28 iVm 31, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), begann mithin für das Quartal IV/1996 mit der Mitte April 1997 erfolgten Bekanntgabe der Honorarbescheide und endete dementsprechend Mitte April 2001. Da der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid erst am 30.11.2001 erlassen worden ist, ist dieser in Bezug auf Teile der Honorarrückforderung nicht innerhalb der Ausschlussfrist erlassen worden.

61

Nach Ablauf der Ausschlussfrist ergehende Kürzungs- bzw Rückforderungsbescheide können - auch wenn die Richtigstellung von fehlerhaften vertragsärztlichen Abrechnungen grundsätzlich kein Verschulden des Vertragsarztes voraussetzt (BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6 RdNr 28)- regelmäßig nur noch dann Rechtswirkungen entfalten, wenn die Vertrauensschutzausschlusstatbestände des § 45 SGB X(Abs 2 iVm Abs 4 Satz 1) vorliegen (grundlegend BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 14; ebenso BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12; BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 16; BSG, Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 32, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Dies ist jedoch hier der Fall. Denn die Honorarbescheide beruhen zum einen auf Angaben, die der Kläger grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht hat (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X), zum anderen hat er die Rechtswidrigkeit der Honorarbescheide zumindest infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X).

62

Für den Senat bestehen auf der Grundlage der Feststellungen des LSG keine Zweifel, dass der Kläger wusste, dass der zu 2. beigeladene Dr. Ph. im Innenverhältnis nicht Mitglied der Gemeinschaftspraxis werden sollte bzw dass es hierzu noch einer ausdrücklichen Aufnahme des Beigeladenen zu 2. in die Gesellschaft bedurft hätte, zu der es später nicht gekommen ist. Die ausdrückliche Wendung in den geschlossenen Verträgen, für die Binnenbeziehungen der Beteiligten soll es auf die den Zulassungsgremien vorgelegten Verträge nicht ankommen, lässt deutlich erkennen, dass den Beteiligten die Unrechtmäßigkeit der Konstruktion bewusst war. Dass diese nach Darstellung des Klägers auf anwaltlicher Beratung beruhte, hat offenbar strafverfahrensrechtliche Konsequenzen für den betroffenen Rechtsanwalt gehabt und mag Schadensersatzansprüche des Klägers gegen diesen Rechtsanwalt begründen. Als langjährig tätiger Vertragsarzt hat der Kläger jedoch gewusst, dass ein Arzt, der weder am Erfolg noch am Wertzuwachs der Praxis beteiligt sein sollte, kein Partner einer Gemeinschaftspraxis sein kann. Im Übrigen hatte der damals beratende Rechtsanwalt M. den Kläger bereits im Jahre 1998 (mit an die Mitglieder der "Gesellschaft" gerichtetem Schreiben vom 9.7.1998) mitgeteilt, dass er erneut auf das "Problem Dr. Ph." gestoßen sei, das er mit den Beteiligten zu unterschiedlichen Zeitpunkten bereits angesprochen habe, und darauf aufmerksam gemacht, dass "aufgrund der neuesten Entwicklungen" KÄVen und Zulassungsausschüsse vermehrt die Auffassung verträten, dass Ärzte, die kein unternehmerisches Risiko trügen, nicht in "freier Praxis" niedergelassen seien. Da die Gefahr einer Rückforderung der Gesamthonorare bestehe, solle das Problem schnell gelöst werden.

63

4. Die verfassungsrechtlichen Erwägungen des Klägers gegen seine Rückzahlungspflicht greifen nicht durch.

64

a) Es begegnet zunächst keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit an eine Tätigkeit in "freier Praxis" zu binden (zur hinreichenden Bestimmtheit des Begriffes s bereits unter 3. b aa). Diese Einschränkung hat vor Art 12 Abs 1 GG Bestand, weil sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und nicht weitergeht, als es die rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern. Eingriffszweck und Eingriffsintensität stehen in einem angemessenen Verhältnis zueinander (vgl hierzu BSGE 91, 164 RdNr 14 = SozR 4-5520 § 33 Nr 1 RdNr 13 mwN). Wie bereits dargelegt, dient das Merkmal "in freier Praxis" der Abgrenzung der vertragsärztlichen Tätigkeit im Sinne des § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV von der eines Angestellten im Sinne des § 32b Ärzte-ZV (bzw der eines Assistenten). Diese Abgrenzung ist erforderlich, weil mit der Zuordnung zu der einen oder der anderen Gruppe erheblich voneinander abweichende Rechte und Pflichten verbunden sind. Insbesondere ist im Rahmen einer Beschäftigung von Angestellten und Assistenten eine Ausweitung der Leistungsmenge nur in begrenztem Umfang möglich.

65

b) Soweit der Kläger darüber hinaus einen Gleichheitsverstoß annimmt, weil Ärzte, die keine Verträge vorlegen würden, besser gestellt wären, geht er fehl. Wie der Senat bereits entschieden hat, sind Vertragsärzte verpflichtet, den Zulassungsgremien Verträge über die Gemeinschaftspraxis vorzulegen (BSG, Urteil vom 16.7.2003 - B 6 KA 34/02 R - SozR 4-5520 § 33 Nr 2 RdNr 24; ebenso BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 26). Dass die Vorlage solcher Verträge in früheren Zeiten noch nicht üblich gewesen sein mag und es vorliegend nicht um deren Vorlage im Genehmigungsverfahren, sondern in einem Verfahren auf Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung geht, ändert nichts daran, dass auch die KÄVen die Befugnis und Aufgabe haben, die Vorlage der Verträge zu verlangen, wenn dies zur Prüfung der Abrechnung auf ihre sachliche Richtigkeit erforderlich ist (vgl oben 3. b bb letzter Absatz).

66

c) Die rückwirkende Aufhebung der Honorarbescheide und die Pflicht zu vollständiger Erstattung der zu Unrecht erhaltenen Honorare ist für die betroffenen Ärzte auch (im engeren Sinne) verhältnismäßig, da bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt ist (vgl BVerfGE 76, 196, 207; BVerfGE 85, 248, 259 mwN; BVerfGE 94, 372, 390). Bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht des öffentlichen Interesses an der Erhaltung des Systems der vertragsärztlichen Versorgung ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Rechtsfolge nicht aus Umständen resultiert, die vom Vertragsarzt nicht zu beeinflussen sind, wie etwa das Überschreiten einer bestimmten Altersgrenze oder eines bestimmten Versorgungsgrades in einem Planungsgebiet (s hierzu BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 75). Vielmehr hat der Kläger die Ursache selbst gesetzt (vgl hierzu BSG aaO), indem er sich bewusst und in zumindest möglicher Kenntnis der Folgen für die gewählte Form der Zusammenarbeit mit dem Beigeladenen zu 2. entschieden hat.

67

Zudem ist die Rechtsfolge unvermeidlich, um die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung zu erhalten. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG haben Bestimmungen, die die Vergütung ärztlicher Leistungen von der Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängig machen, innerhalb dieses Systems die Funktion, zu gewährleisten, dass sich die Leistungserbringung nach den für die vertragsärztliche Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht. Das wird dadurch erreicht, dass dem Vertragsarzt für Leistungen, die unter Verstoß gegen derartige Vorschriften bewirkt werden, auch dann keine Vergütung zusteht, wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht wurden (BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 47 mwN). Daher steht dem Vertragsarzt für Leistungen, die nicht gemäß den Bestimmungen des Vertragsarztrechts erbracht worden sind, auch kein Vergütungsanspruch auf bereicherungsrechtlicher Grundlage zu. Denn die Bestimmungen des Leistungserbringungsrechts über die Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen der Leistungserbringung könnten ihre Steuerungsfunktion nicht erfüllen, wenn der Vertragsarzt die rechtswidrig bewirkten Leistungen über einen Wertersatzanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung im Ergebnis dennoch vergütet bekäme (BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14). Dies gilt selbst dann, wenn bei Wahl der rechtmäßigen Gestaltungsform der Honoraranspruch ebenso hoch gewesen wäre.

68

Diese Aussagen gelten auch für den vorliegenden Fall. Könnten Verstöße gegen die für die Leistungserbringung maßgeblichen Bestimmungen nur mit Wirkung für die Zukunft sanktioniert werden, ginge deren Steuerungsfunktion verloren, weil für Vertragsärzte jeglicher Anreiz fehlte, sich normgemäß zu verhalten. Im Gegenteil bestünde gerade ein Anreiz zu normwidrigen Verhalten, wenn die Früchte des Handelns dem Arzt verblieben.

69

5. Schließlich ist der Rückforderungsbetrag auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Beklagte durfte das verbleibende Honorar im Wege der Schätzung ermitteln und dabei ein Honorar in Höhe des Fachgruppendurchschnitts festsetzen (BSG SozR 3-5550 § 35 Nr 1 S 6, 8). Diese Schätzung hat sich das LSG in nicht zu beanstandender Weise zu Eigen gemacht (zu den Anforderungen vgl BSG aaO S 9).

70

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Kläger die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung von Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil sie keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Tenor

Die Revisionen des Klägers und des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. Januar 2013 werden zurückgewiesen.

Der Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Rechtmäßigkeit von Arzneimittelregressen wegen der Verordnung von Profact Depot 3-Monatsspritzen für die Quartale I/2002 bis II/2004.

2

Der Kläger ist Chefarzt der Frauenklinik W GmbH in K und nimmt seit 1993 aufgrund von Ermächtigungen an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) teil. Auf den Hinweis des Prüfungsausschusses an den Kläger, dass Wirtschaftlichkeitsprüfungen hinsichtlich der Arzneiverordnungsweise in den Quartalen I/2002 bis IV/2002 durchgeführt würden, trug er vor, die Frauenklinik als überregionales onkologisches Zentrum habe einen hohen Anteil an Mammakarzinom-Patientinnen; neben den kostspieligen Therapeutika für ca 1300 Chemotherapien pro Jahr müssten weitere teure Medikamente zur Knochenmarksstimulation eingesetzt werden. Mit Prüfbescheid vom 3.5.2005 erteilte der Prüfungsausschuss betreffend die Quartale I/2002 bis IV/2002 Hinweise hinsichtlich verschiedener kritisch zu bewertender Medikamente. Zusätzlich erging ein Hinweis an die Schlichtungsstelle der Beigeladenen zu 1. wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung (verschiedene Unterschriften auf Arzneiverordnungen). Einen Regress setzte der Prüfungsausschuss nicht fest. Gegen diesen Bescheid legte die zu 2. beigeladene AOK Widerspruch ein.

3

Mit Prüfbescheid vom 19.7.2005 erteilte der Prüfungsausschuss für die Quartale I/2003 bis IV/2003 Hinweise bezüglich vereinzelter Arzneiverordnungen, zu denen kein Behandlungsschein existiere und folglich kein Leistungsanspruch nachgewiesen sei, und hinsichtlich verschiedener kritisch zu bewertender Medikamente. Zusätzlich erging auch für diese Quartale ein Hinweis an die Schlichtungsstelle der Beigeladenen zu 1. wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung (verschiedene Unterschriften auf Arzneiverordnungen). Gegen diesen Bescheid legten die Beigeladenen zu 2. und 6. Widerspruch ein.

4

Mit Prüfbescheid vom 20.12.2005 beschloss der Prüfungsausschuss für die Quartale I/2004 und II/2004 keine Maßnahme im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Bezüglich der Verordnungsblätter, bei denen kein Behandlungsausweis vorlag, sah der Prüfungsausschuss Regelungsbedarf seitens der Vertragspartner und ggf der Schlichtungsstelle. Gegen die Ablehnung der Festsetzung eines Regresses in diesem Bescheid legte die Beigeladene zu 2. Widerspruch ein.

5

Der Kläger trug in den Widerspruchsverfahren ausführlich zur Verordnung von Profact Depot 3-Monatsspritzen bei Mammakarzinom-Patientinnen vor: Zur adjuvanten Hormontherapie prämenopausaler Patientinnen mit Mammakarzinom sei das Präparat Zoladex als Hormondepot zugelassen. Die Patientinnen benötigten hier eine Injektion pro Monat, ein Dreimonatsdepot sei nicht verfügbar gewesen. Die Injektionsnadel sei sehr lang und dick, wodurch die Injektionen mitunter für die Patientinnen sehr schmerzhaft seien. Er sei daher auf die Alternative von Profact 3-Monatsdepot ausgewichen, bei dem die Injektionsnadel dünner und die Prozedur nur alle drei Monate erforderlich sei. Im Unterschied zu Zoladex seien hier keine Durchbruchsblutungen zu beobachten. Auch hätten die geringeren Kosten für Profact Depot 3-Monatsspritzen gesprochen. Die Voraussetzungen eines zulässigen Off-Label-Use seien erfüllt gewesen. Schon Anfang der 1990er Jahre hätten mehrere Expertengruppen in internationalen und deutschen Studien die Überlegenheit von Buserelin (Wirkstoff in Profact 3-Monatsdepot) bei der Unterdrückung der Östrogenproduktion menopausaler Frauen mit Mammakarzinom belegt. Das Präparat werde im europäischen Ausland konsequent eingesetzt. Für die fehlende Zulassung in Deutschland gebe es nach Auskunft des Herstellers nur Marketinggründe. Unerwünschte Nebenwirkungen seien nicht zu beobachten.

6

In seiner Sitzung am 1.4.2009 beschloss der beklagte Beschwerdeausschuss hinsichtlich der Verordnungen ohne Behandlungsschein und des Verstoßes gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung einen Hinweis an die Vertragspartner. Außerdem hieß es in den Sitzungsprotokollen zu den einzelnen Quartalen, es ergehe hinsichtlich der im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung bewertbaren "AOK-Fälle" (aus den Quartalen I/2002 bis II/2004) bzw hinsichtlich der Quartale I bis IV/2003 auch der "VdAK-Fälle" ein vollumfänglicher Regress bezüglich der verordneten Mengen des Präparates Profact. Dem Regressbegehren der AOK Rheinland-Pfalz werde somit stattgegeben. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts werde für notwendig erachtet. Kosten seien nicht zu erstatten. Der Beklagte übersandte dem Kläger mit Datum vom 21.4.2009 folgendes Schreiben: "als Information über die in der o.g. Sitzung gefassten Beschlüsse übersenden wir Ihnen die Sitzungsprotokolle. Ihr Rechtsanwalt erhält ebenfalls eine Ausfertigung. Der Bescheid wird Ihnen zu einem späteren Zeitpunkt zugestellt." Dem waren die Protokolle über die Beschlüsse zu den einzelnen Quartalen beigefügt.

7

Mit Schreiben vom 27.5.2009 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die Beschlüsse vom 1.4.2009 im Hinblick auf die Regelung des § 27 Abs 1 Satz 2 der ab dem 1.3.2007 geltenden Prüfvereinbarung geändert werden sollen. In den Beschlüssen vom 1.4.2009 sei nicht berücksichtigt worden, dass der Widerspruch einer Krankenkasse, eines Landesverbandes der Krankenkassen oder eines Verbandes der Ersatzkassen gegen einen Prüfbescheid für alle am Verfahren beteiligten Krankenkassen bzw ihre Verbände gelte. Mit Bescheid vom 28.8.2009 (Beschluss vom 17.6.2009) änderte der Beklagte seinen Beschluss vom 1.4.2009 und setzte einen vollumfänglichen Regress bezüglich der zu Lasten aller beteiligter Krankenkassen verordneten Mengen des Präparats Profact in allen streitbefangenen Quartalen fest. Die Regresssumme betrug unter Abzug der Patientenzahlungen insgesamt 45 373,08 Euro (I/2002: 6480,60 Euro; II/2002: 6484,60 Euro; III/2002: 3238,30 Euro; IV/2002 5829,74 Euro; I/2003: 1940,58 Euro; II/2003: 5825,74 Euro; III/2003: 3885,16 Euro; IV/2003: 3889,16 Euro; I/2004: 3899,60 Euro; II/2004: 3899,60 Euro). Außerdem erteilte der Beklagte hinsichtlich der Verordnungen, zu denen kein Behandlungsschein vorlag, sowie bezüglich der Verordnungen mit verschiedenen Unterschriften anderer Ärzte und des daraus abzuleitenden Verstoßes gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung einen Hinweis an die Vertragspartner. Zur Begründung führte der Beklagte aus: Eine statistische Vergleichsprüfung sei ausgeschlossen, weil es keine ausreichende Zahl vergleichbar tätiger Praxen gebe. Die Prüfmethode der repräsentativen Einzelfallprüfung sei mangels hinreichend repräsentativer Daten ebenfalls nicht in Betracht gekommen. Daher sei eine Überprüfung der bewertbaren Einzelfälle durchgeführt worden. Bei dem von dem Kläger in verschiedenen Einzelfällen verordneten Präparat Profact (Dreimonatsdepot) handele es sich um ein hormonantagonistisch wirkendes Arzneimittel mit dem Wirkstoff Buserelin, das laut Fachinformation zur Behandlung des fortgeschrittenen hormonempfindlichen Prostatakarzinoms indiziert sei. Da der Kläger das Medikament bei Patientinnen mit Mamma-Karzinom eingesetzt habe, liege ein Off-Label-Use vor. Dieser sei unzulässig gewesen. Es habe mit den Präparaten Zoladex (Einmonatsdepot) und Enantone Gyn eine andere Therapie zur Verfügung gestanden, die die Standardtherapie darstelle. Auf den Einwand, die durchgeführte Therapie sei kostengünstiger gewesen, komme es nach dem in der Wirtschaftlichkeitsprüfung geltenden normativen Schadensbegriff nicht an. Es habe auch keine begründete Aussicht bestanden, dass mit Profact ein Behandlungserfolg erzielt werden würde.

8

Das SG Mainz hat den Bescheid des Beklagten vom 28.8.2009 in vollem Umfang aufgehoben. Der Beklagte sei, nachdem er bereits mit Bescheiden vom 21.4.2009 über die Widersprüche der Beigeladenen zu 2. und 6. entschieden gehabt habe, nicht mehr berechtigt gewesen, diese Entscheidungen zu ändern.

9

Das LSG hat mit Urteil vom 17.1.2013 das Urteil des SG geändert und die Bescheide des Beklagten vom 28.8.2009 insoweit aufgehoben, als gegen den Kläger ein höherer Regress als 23 810,41 Euro (Verordnungen für Versicherte der Beigeladenen zu 2. im Zeitraum I/2002 bis II/2004 und für Versicherte von Mitgliedskassen des Beigeladenen zu 6. in den Quartalen I bis IV/2003) ausgesprochen wurde. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung des Beklagten hat es zurückgewiesen. Die Bescheide des Beklagten seien hinsichtlich des Regresses in Höhe von 12 150,93 Euro wegen der Verordnungen für die Versicherten der Beigeladenen zu 2. und des Regresses in Höhe von 11 659,48 Euro wegen der Verordnungen für die Versicherten der Mitgliedskassen der Beigeladenen zu 6. im Zeitraum I bis IV/2003 rechtmäßig. Der Kläger habe Profact Depot 3-Monatsdepot für seine Brustkrebspatientinnen nicht verordnen dürfen, weil dieses Medikament zur Behandlung von Brustkrebs nicht zugelassen gewesen sei. Ein zulässiger Off-Label-Use habe nicht vorgelegen. Für den Einsatz des Arzneimittels bei Mamma-Karzinom habe es im maßgeblichen Zeitraum keine Phase III-Studie gegeben. Außerdem lägen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass der Einsatz der zugelassenen Arzneimittel - Zoladex (Einmonatsdepot) und Enantone Gyn - ausgeschlossen gewesen sei. Auf Kostengesichtspunkte komme es in diesem Zusammenhang nicht an. Die angefochtenen Bescheide seien hinsichtlich des Regresses wegen der Verordnungen für die Versicherten der Beigeladenen zu 2. und für die Versicherten der Mitgliedskassen des Beigeladenen zu 6. im Zeitraum I bis IV/2003 auch nicht wegen Verstoßes gegen §§ 44 ff SGB X rechtswidrig, weil der Beklagte insoweit keine zuvor ergangenen Verwaltungsakte aufgehoben, sondern deren Verfügungssatz nur wiederholt habe.

10

Im Übrigen habe das SG der Klage zu Recht stattgegeben. Der Beklagte sei nicht befugt gewesen, in seinen Bescheiden vom 28.8.2009 ohne Beachtung der Bindungswirkung seiner zuvor am 1.4.2009 beschlossenen und unter dem 21.4.2009 dem Kläger mitgeteilten Entscheidungen erneut über die Sache zu befinden. Die Schreiben vom 21.4.2009 stellten Verwaltungsakte dar, da der Kläger sie nach seinem Empfängerhorizont als verbindliche Regelungen habe auffassen müssen. Unschädlich sei, dass sie den Vermerk enthielten, der jeweilige Bescheid werde zu einem späteren Zeitpunkt zugestellt. Entscheidend sei vielmehr, dass aus den Schreiben vom 21.4.2009 der Wille des Beklagten deutlich geworden sei, dem Kläger zu diesem Zeitpunkt das endgültige Ergebnis seiner Entscheidungen bekanntzugeben. Da die Verwaltungsakte vom 28.8.2009 den Kläger im Verhältnis zu den zuvor ergangenen Verwaltungsakten schlechter gestellt haben, greife hier § 45 SGB X ein. Es fehle aber an der für eine Rücknahme nach § 45 SGB X erforderlichen Ermessensausübung. Für eine Ermessensreduzierung auf Null genüge die Drittwirkung der in den Schreiben vom 21.4.2009 enthaltenen Verwaltungsakte für die jeweils vom Arzneimittelregress begünstigten Krankenkassen nicht.

11

Dagegen richten sich die Revisionen des Beklagten sowie des Klägers. Der Beklagte trägt vor, bei der Entscheidung vom 1.4.2009 habe es sich um einen teilweise rechtswidrigen drittbelastenden Verwaltungsakt gehandelt, der noch keine Bestandskraft erlangt habe. Er habe unter den Voraussetzungen des § 45 iVm § 49 SGB X geändert werden können. Selbst wenn Ermessen auszuüben gewesen wäre, wäre dies wegen der Drittwirkung auf Null reduziert.

12

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 17.1.2013 insoweit aufzuheben, als der Bescheid des Beklagten aufgehoben und die Berufung gegen das Urteil des SG Mainz vom 4.5.2011 zurückgewiesen worden ist und die Klage insgesamt abzuweisen sowie die Revision des Klägers zurückzuweisen.

13

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 17.1.2013 insoweit aufzuheben, als das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen worden ist und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Mainz vom 4.5.2011 insgesamt zurückzuweisen sowie die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

14

Er trägt vor, Rechtsgrundlage für die Änderung des Verwaltungsaktes vom 21.4.2009 sei § 47 SGB X, dessen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Sehe man als Rechtsgrundlage § 45 SGB X an, fehle es an der erforderlichen Ermessensausübung. In der Sache habe das LSG zu Unrecht die Voraussetzungen für einen zulässigen Off-Label-Use verneint.

Entscheidungsgründe

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Die Revisionen des Klägers und des Beklagten sind unbegründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass der Bescheid des Beklagten vom 28.8.2009 insoweit rechtswidrig ist, als gegen den Kläger ein Regress von mehr als 23 810,41 Euro festgesetzt wurde. Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig.

16

1. Soweit der Beklagte gegen den Kläger einen Regress wegen der Verordnung von Profact Depot 3-Monatsspritzen für Versicherte der Beigeladenen zu 2. bis 5. sowie der Mitgliedskassen der Beigeladenen zu 6. in den Quartalen I bis IV/2002 und II und III/2004 festgesetzt hat, ist der Bescheid vom 28.8.2009 rechtswidrig. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bescheides vom 21.4.2009 nicht vorlagen.

17

a) Das LSG hat in nicht zu beanstandender Weise das Schreiben vom 21.4.2009 als Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X qualifiziert. Die Auslegung behördlicher Schreiben im Hinblick darauf, ob sie eine Regelung iS dieser Vorschrift enthalten, richtet sich nach denselben Grundsätzen wie die Auslegung eines Verwaltungsaktes. Maßgeblich ist der "Empfängerhorizont" eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 BGB) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl zu den Auslegungsgrundsätzen BSG SozR 4-2600 § 96a Nr 14 RdNr 25; SozR 4-5868 § 3 Nr 3 RdNr 19; BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11; BSG SozR 3-1200 § 42 Nr 8 S 26; Engelmann in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 31 RdNr 25 mwN). Das Revisionsgericht überprüft die berufungsgerichtliche Auslegung einer konkreten Erklärung im Einzelfall anhand der allgemeinen Maßstäbe daraufhin, ob diese mit dem Wortlaut eindeutig unvereinbar ist, ob gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen wurde und ob die auslegungsrelevanten Sachverhaltsumstände vollständig ausgewertet worden sind (vgl BSG SozR 4-5868 § 12 Nr 1 RdNr 63; BSG SozR 3-2500 § 115 Nr 1 S 4 f; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 162 RdNr 3b mwN). Gemessen hieran erweist sich die Entscheidung des LSG als rechtsfehlerfrei und zutreffend. Die Auslegung ist mit dem Wortlaut des Schreibens vereinbar. Zwar könnten die Verwendung des Begriffs "Information" sowie der Verweis auf die Zustellung eines Bescheides zu einem späteren Zeitpunkt auch dafür sprechen, dass es sich nach dem Willen des Beklagten noch nicht um die Bekanntgabe einer verbindlichen Regelung, sondern um eine unverbindliche "Vorabinformation" handeln sollte. Das LSG hat aber mit gut vertretbaren und nachvollziehbaren Erwägungen als entscheidend angesehen, dass für den objektiven Empfänger der Wille des Beklagten erkennbar geworden sei, dem Kläger das endgültige Ergebnis seiner Entscheidungen bekanntzugeben. Die sachliche Entscheidung über den Arzneimittelregress war am 1.4.2009 durch den Beschluss des nach § 106 Abs 5 Satz 3 SGB V zuständigen Beschwerdeausschusses als Gremium getroffen worden. Die Übersendung des Protokolls der Sitzung und der darin gefassten Beschlüsse - auch zu den Kosten - stellten aus der Sicht des Empfängers keine bloße Ankündigung einer Entscheidung, sondern die Bekanntgabe der Entscheidung selbst dar. Bei der Beschlussfassung handelt es sich um einen Vorgang der internen Willensbildung eines kollegial verfassten Entscheidungsgremiums, der aber mit der Abstimmung abgeschlossen ist. Die damit getroffene Regelung erlangt mit der Bekanntgabe die unmittelbare Rechtswirkung nach außen, auf die sie gerichtet ist. Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Schreibens vom 21.4.2009 gingen sowohl der Kläger als Empfänger als auch der Beklagte als Absender davon aus, dass eine abschließende Entscheidung getroffen worden war, auf deren Bestand der Kläger - nicht zuletzt im Hinblick auf die möglicherweise erforderlichen wirtschaftlichen Dispositionen - vertrauen durfte. Lediglich die genaue Begründung, die für das Vorliegen eines Verwaltungsaktes nicht konstitutiv ist und nach § 41 Abs 2 SGB X bis zur letzten Tatsacheninstanz nachgeholt werden kann, sollte in einem weiteren förmlichen Bescheid erfolgen. Das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung hatte lediglich die Folge des § 66 Abs 2 SGG. Dementsprechend werten auch die Beteiligten übereinstimmend das Schreiben vom 21.4.2009 als Verwaltungsakt.

18

Dieser Verwaltungsakt war nach § 39 Abs 1 Satz 1 SGB X mit seiner Bekanntgabe an den Kläger wirksam geworden. Wie sich aus § 39 Abs 1 Satz 2 SGB X ergibt, bleibt der Verwaltungsakt wirksam, solange er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

19

b) Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Entscheidung lagen nicht vor. Die Aufhebung des Verwaltungsaktes vom 21.4.2009 war nur nach Maßgabe des § 45 SGB X möglich, dessen Anforderungen der angefochtene Bescheid nicht genügt.

20

aa) Die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften sind anwendbar, weil sie nicht gemäß § 37 SGB I durch Besonderheiten des Vertragsarztrechts verdrängt werden. Das Verfahren zur Verhängung eines Regresses ist zwar spezialgesetzlich durch § 106 Abs 5 SGB V geprägt. Für die nachträgliche Korrektur von anfänglich rechtswidrigen Prüfbescheiden finden sich indes keine besonderen Vorschriften für den vertragsärztlichen Bereich, sodass die Vorschriften der §§ 44 ff SGB X heranzuziehen sind. Wenn ein Prüfgremium in einem Einzelfall die maßgeblichen gesetzlichen und/oder untergesetzlichen Vorschriften, über deren generelle Anwendbarkeit und Rechtsgültigkeit kein Streit besteht, individuell fehlerhaft handhabt, bestehen keine relevanten Unterschiede zu der typischen Situation im Verwaltungsverfahrensrecht, dass nämlich eine Behörde bei Anwendung der maßgeblichen Vorschriften auf den Einzelfall fehlerhaft handelt. Die Besonderheiten von Honorarbescheiden bzw generell der vertragsärztlichen Honorierung, vor allem die Abhängigkeit der Rechtmäßigkeit der Vergütung von der Wirksamkeit zahlreicher untergesetzlicher Vorschriften und die vielfach bei Erlass des Honorarbescheides fehlende Gewissheit über die Höhe der insgesamt zur Verteilung stehenden Beträge, spielen insoweit keine Rolle. Die dazu vom Senat entwickelten Grundsätze sind nicht betroffen. Anders als bei einem Honorarbescheid, der stets unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Korrektur ergeht (stRspr vgl zB BSGE 89, 62, 66 = SozR 3-2500 § 85 Nr 42 S 345 f und BSGE 89, 90, 93 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 6 f; BSG, SozR 4-5520 § 32 Nr 2 RdNr 10; BSGE 96, 1, 2 f = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 11; BSG, SozR 4-2500 § 106a Nr 1 RdNr 12; Urteil vom 28.8.2013 - B 6 KA 43/12 R - BSGE (vorgesehen) = SozR 4-2500 § 106a Nr 11), ist beim Erlass eines Regressbescheides eine nachträgliche Überprüfung der Verordnungsweise erfolgt und abgeschlossen. Der Vertragsarzt darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass es - vorbehaltlich einer Anfechtung durch Dritte - bei einem ihm mitgeteilten Ergebnis einer Überprüfung seiner Behandlungs- oder Verordnungsweise jedenfalls in dem Sinne verbleibt, dass der Regress nicht zu seinen Lasten verschärft wird. Dementsprechend schränkt der Senat auch die Befugnis der KÄV zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung aus Vertrauensschutzgesichtspunkten ein, soweit die KÄV diese Befugnis bereits "verbraucht" hat, indem sie die Honoraranforderung des Vertragsarztes in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit überprüft und vorbehaltlos bestätigt hat (BSGE 89, 90, 98 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 11 f; bekräftigt in BSG Urteil vom 26.6.2002 - B 6 KA 26/01 R - Juris RdNr 19; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 1 RdNr 18 ff für den Fall der Rückgängigmachung einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung; Urteil vom 28.8.2013 - B 6 KA 43/12 R - BSGE = SozR 4-2500 § 106a Nr 11). In diesem Fall ist die jedem Honorarbescheid innewohnende spezifische Vorläufigkeit und damit die Anwendbarkeit der Berichtigungsvorschriften entfallen. Auch in der hier zu beurteilenden Situation besteht kein Anlass, von den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen abzuweichen, wonach die Behörde vorbehaltlich der besonderen Tatbestände des § 45 Abs 2 Satz 3 iVm Abs 4 SGB X das Risiko dafür trägt, dass sie einen für den Bürger günstigen Verwaltungsakt erlässt, der sich nachträglich als teilweise rechtswidrig erweist.

21

bb) Die Rücknahme des Verwaltungsaktes richtet sich nach § 45 SGB X. Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 des § 45 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

22

(a) Der Regressbescheid vom 21.4.2009 war von Anfang an rechtswidrig, weil er nicht berücksichtigt hat, dass im Hinblick auf die Widersprüche der Beigeladenen zu 2. und 6. (für 2003) die Wirtschaftlichkeit der Verordnungen umfassend für alle gesetzlichen Krankenkassen zu prüfen war. Es kann offenbleiben, ob die am 1.3.2007 in Kraft getretene Regelung des § 27 der Prüfvereinbarung, wonach der Widerspruch einer Krankenkasse für alle am Verfahren beteiligten Krankenkassen und Verbände gilt, auf die hier zu einem früheren Zeitpunkt eingelegten Widersprüche Anwendung findet. Jedenfalls stellt nach der Rechtsprechung des Senats die Überwachung der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung einen einheitlichen Vorgang dar, an dem die Krankenkassen und ihre Verbände ein übergreifendes rechtlich geschütztes Interesse haben, weshalb der Widerspruch einer Krankenkasse auch für die übrigen beschwerten Krankenkassen bzw Verbände wirkt (vgl BSGE 60, 69, 71 = SozR 2200 § 368n Nr 42 S 137, 138 f; SozR 3-2500 § 106 Nr 12 S 61, 64; BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, RdNr 21 zur notwendigen Beiladung; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 10). Der Beklagte hätte mithin, wie im Bescheid vom 28.8.2009 geschehen, umfassend über die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise des Klägers und nicht nur beschränkt auf die die Beigeladenen zu 2. und 6. betreffenden Fälle entscheiden müssen. Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil die statistischen Werte, die zur Einleitung des Prüfverfahrens führten, vom Beklagten im Hinblick auf das individuelle Leistungsspektrum des Klägers nicht als aussagekräftig angesehen wurden. Auch die Überprüfung anhand von Einzelfällen ist nur dann auf eine Krankenkasse beschränkt, wenn sich eine solche Beschränkung aus einem besonderen Antrag oder dem Widerspruch ergibt. Das ist etwa dann der Fall, wenn eine Krankenkasse eine einzelfallbezogene Prüfung im Hinblick auf die Verordnung eines bestimmten Arzneimittels für einen konkreten Patienten beantragt (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 36 RdNr 23; so auch die Konstellation etwa in BSGE 112, 251 = SozR 4-2500 § 106 Nr 38). Wird hingegen, wie hier, eine generelle Überprüfung der Verordnungsweise in Form einer Einzelfallprüfung durchgeführt, weil eine ursprünglich vorgesehene statistische Durchschnittsprüfung wegen Besonderheiten ausscheidet, besteht grundsätzlich kein Anlass, die Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht als einheitlichen Vorgang zu sehen. Die Widersprüche der Beigeladenen zu 2. und 6. enthielten insofern auch keinerlei Einschränkung.

23

(b) Der Bescheid vom 21.4.2009 hatte für den Kläger begünstigende Wirkung, soweit der Regress auf die die Beigeladenen zu 2. und 6. betreffenden Fälle beschränkt war. Es handelte sich um einen Verwaltungsakt, der sowohl belastende Elemente - den Regress bezüglich der Verordnung von Profact zu Lasten der Beigeladenen zu 2. und 6. - als auch begünstigende Elemente - das Absehen von einem weitergehenden Regress - enthielt. Ein Bescheid, in dem eine zu niedrige Verpflichtung ausgesprochen wird, beinhaltet zwar eine Belastung insofern, als überhaupt eine Verpflichtung festgelegt wird, gleichzeitig aber insoweit eine Begünstigung, als gemessen an den gesetzlichen Vorgaben eine Minderbelastung festgelegt wird. Soweit später die Begünstigung eingeschränkt oder beseitigt werden soll, beurteilt sich dies nach § 45 Abs 1 SGB X(vgl BSGE 70, 117, 120 = SozR 3-1300 § 45 Nr 11).

24

(c) Da die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgte, war sie nach § 45 Abs 4 Satz 1 SGB X nur beschränkt auf die in § 45 Abs 2 Satz 3 und Abs 3 Satz 2 SGB X näher geregelten Konstellationen möglich. Danach besteht Vertrauensschutz, soweit der Begünstigte den Verwaltungsakt nicht durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Einer dieser Fälle, die einen Vertrauensschutz ausschließen, lag nicht vor. Vertrauensschutz scheidet auch nicht deshalb aus, weil der Bescheid vom 21.4.2009 noch von den betroffenen Krankenkassen bzw ihren Verbänden hätte angefochten werden können. In einem etwaigen Klageverfahren hätten sie zwar eine Änderung des Bescheides zu ihren Gunsten und zu Lasten des Klägers erreichen können. Dass insofern das Verbot der reformatio in peius, das grundsätzlich auch im Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss gilt (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 37 RdNr 34), im Fall der Drittbetroffenheit einer Verschlechterung der Rechtsposition nicht entgegensteht (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 42), lässt das schutzwürdige Vertrauen gegenüber der erlassenden Behörde darauf, dass der Bescheid nur noch mit den gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen aufgehoben werden kann, aber nicht entfallen. Das Anfechtungsrecht Dritter erweitert nicht die Befugnisse der Behörde zur Aufhebung eines Bescheides von Amts wegen. Die nachträgliche Erkenntnis der Rechtswidrigkeit, die der Beklagte hier als Besonderheit anführt, ist gerade der typische Ausgangspunkt für eine Rücknahme nach § 45 SGB X. Tatsächlich ist der Bescheid von den Beigeladenen nicht angegriffen worden. Nur für den Fall der Anfechtung durch einen Dritten ist aber nach § 49 SGB X die Geltung des § 45 Abs 1 bis 4 SGB X suspendiert. Es reicht nicht aus, dass eine Anfechtungsmöglichkeit besteht, erforderlich ist vielmehr, dass der Dritte Widerspruch eingelegt oder Klage erhoben hat (vgl Merten in Hauck/Noftz, SGB X, Stand: Juni 2014, K § 49 RdNr 9; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 49 RdNr 6; Steinwedel in Kass Komm, Stand: Dezember 2013, SGB X § 49 RdNr 5). § 49 SGB X trägt nur der besonderen Interessenlage im Fall einer Drittanfechtung Rechnung, will aber nicht unabhängig davon der Behörde die Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte erleichtern.

25

(d) Kommt demnach eine Rücknahme des Bescheides bereits wegen Vertrauensschutzes des Klägers nicht in Betracht, fehlt es darüber hinaus an der nach § 45 Abs 1 SGB X erforderlichen Ermessensausübung. Da § 49 SGB X nur nach Einleitung eines Anfechtungsverfahrens Anwendung findet und damit hier nicht heranzuziehen ist, kann offenbleiben, ob auch im Anwendungsbereich von § 49 SGB X Ermessen auszuüben ist(vgl LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 17.2.2011 - L 5 KR 9/10 - Juris RdNr 32; Merten aaO RdNr 14; Schütze aaO RdNr 2; Steinwedel aaO RdNr 8; offengelassen bei BSG SozR 4-2600 § 243 Nr 4 RdNr 60; BSG Urteil vom 3.7.2013 - B 12 KR 8/11 R -, BSGE , SozR 4-1500 § 66 Nr 4 RdNr 43)und ob in diesem Fall Vertrauensschutzgesichtspunkte im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen sind (so Schütze aaO; vgl näher dazu Merten aaO mwN). Es besteht jedenfalls nicht allein wegen der Drittbetroffenheit eine Ermessensreduzierung auf Null. Die Interessen der Drittbetroffenen sind bereits durch die Möglichkeit der Anfechtung und die Befreiung von den Rücknahmebeschränkungen des § 45 Abs 1 bis 4 SGB X berücksichtigt. Lediglich in besonders gelagerten Fällen können möglicherweise spezifische Interessen Dritter eine solche Ermessensreduzierung bewirken. Dafür sind hier keine Anhaltspunkte ersichtlich.

26

2. Soweit der Beklagte gegen den Kläger einen Regress in Höhe von 12 150,93 Euro wegen der Verordnung von Profact Depot 3-Monatsspritzen für Versicherte der Beigeladenen zu 2. sowie in Höhe von 11 659,48 Euro für Versicherte der Mitgliedskassen des Beigeladenen zu 6. festgesetzt hat, ist der Bescheid vom 28.9.2009 rechtmäßig.

27

a) Da der Bescheid vom 28.9.2009 insoweit lediglich den Verfügungssatz des früheren Bescheides wiederholt hat, beinhaltete er keine Aufhebung des Bescheides vom 21.4.2009. Inhaltlich hat er bezogen auf die Beigeladenen zu 2. und zu 6. nur den Verfügungssatz des Verwaltungsakts vom 21.4.2009 aufgenommen und eine ausführliche Begründung gegeben. Eine solche wiederholende Verfügung wird von der Rechtsprechung in der Regel nicht als Verwaltungsakt eingestuft (vgl BSGE 68, 228, 230 = SozR 3-2200 § 248 Nr 1 S 3 f; BSGE 104, 207 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1, RdNr 9; BSG SozR 4-5860 § 15 Nr 1 RdNr 25). Im Hinblick auf die Besonderheiten des Falles, insbesondere wegen der Umstände beim Erlass des Bescheides und des engen Zusammenhangs mit der weitergehenden Regressfestsetzung, ist hier ausnahmsweise eine andere Bewertung gerechtfertigt. Ansonsten müsste im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes des Klägers davon ausgegangen werden, dass die Klage auch den ursprünglichen Regressbescheid vom 21.4.2009 erfassen sollte.

28

b) Rechtsgrundlage des angefochtenen Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626, die auch in den weiteren Jahren 2002 bis 2004 galt). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder anhand von Richtgrößenvolumina (§ 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2), geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 16). Diese Prüfvereinbarungen - hier in § 8 Abs 3 - ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen. Einzelfallprüfungen sind insbesondere dann sachgerecht - und die Wahl dieser Prüfmethode rechtmäßig -, wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in bestimmten einzelnen Behandlungsfällen hinsichtlich des Behandlungs- oder Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 14) oder sich - wie hier wegen der speziellen Ausrichtung der Praxis - die Prüfung nach Durchschnittswerten im Einzelfall als nicht aussagekräftig oder nicht durchführbar erweist (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 RdNr 10).

29

Das LSG hat zu Recht entschieden, dass es sich bei Streitigkeiten über die vertragsarztrechtliche Zulässigkeit von Arzneiverordnungen um einen Fall des § 106 Abs 2 SGB V und nicht um einen Regress "wegen sonstigen Schadens" iS des § 48 Bundesmantelvertrag-Ärzte handelt. Der Beklagte ist selbst zutreffend davon ausgegangen, dass Verordnungen, die die Grenzen der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht eingehalten haben, keinen "sonstigen Schaden" der Krankenkasse darstellen, sondern ein Arzneikostenregress durchzuführen ist, dessen Rechtsgrundlage § 106 Abs 2 SGB V ist(vgl BSG Urteil vom 20.3.2013 - B 6 KA 27/12 R - BSGE 113, 123 = SozR 4-2500 § 106 Nr 40, RdNr 14 mwN; SozR 4-2500 § 106 Nr 43 RdNr 10).

30

c) Die Voraussetzungen für einen Regress im Wege der Einzelfallprüfung gemäß § 106 Abs 2 SGB V waren erfüllt. Der Kläger durfte das Arzneimittel Profact Depot 3-Monatsspritzen nicht zur Behandlung des Mamma-Karzinoms verordnen. Dies folgt daraus, dass dessen Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) nur für die Anwendung bei der Diagnose Prostatakrebs erfolgt war, sodass die Verordnung von Profact Depot bei anderen Krebsarten wie dem Mammakarzinom einen Off-Label-Use darstellte. Dessen Voraussetzungen lagen nicht vor.

31

Ein solcher Off-Label-Use von zugelassenen Arzneimitteln ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass in diesen Fällen nicht das Verfahren nach dem AMG durchlaufen wurde, das mit der Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit auf die Gewährleistung von Arzneimittelsicherheit angelegt ist. Wie vom 1. Senat des BSG in langjähriger Rechtsprechung wiederholt herausgestellt und vom 6. Senat weitergeführt worden ist, müssen für einen zulässigen Off-Label-Use - zum einen - eine schwerwiegende Erkrankung vorliegen (dh eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung), und es darf - zum anderen - keine andere zugelassene Therapie verfügbar sein, und - zum dritten - aufgrund der Datenlage muss die begründete Aussicht bestehen, dass mit dem betroffenen Arzneimittel ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (stRspr; BSGE 106, 110 = SozR 4-2500 § 106 Nr 27, RdNr 51 f; zusammenfassend BSGE 109, 212 = SozR 4-2500 § 31 Nr 19, RdNr 16; SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 16; zuletzt BSGE 113, 123 = SozR 4-2500 § 106 Nr 40). Hinreichende Erfolgsaussichten bestehen nur dann, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse über Nutzen und Risiken des Mittels aufgrund von Phase III-Studien vorliegen, die eine erweiternde Zulassung ermöglichen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse von gleicher Qualität veröffentlicht sind (BSGE 109, 212 = SozR 4-2500 § 31 Nr 19, RdNr 17). Ergänzend ist stets zu prüfen, ob ausnahmsweise eine Verordnung unter Zugrundelegung der vom BVerfG in seinem Beschluss vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) aufgestellten - und jetzt in § 2 Abs 1a SGB V nF normierten - Voraussetzungen zulässig und geboten ist bzw war.

32

aa) Dass es sich beim Mamma-Karzinom um eine schwerwiegende Erkrankung handelt, liegt auf der Hand. Es stehen aber zur Hormontherapie von Patientinnen mit Mamma-Karzinom mit Zoladex und Enantone Gyn zugelassene Arzneimittel zur Verfügung. Der Kläger trägt selbst vor, er habe Profact 3-Monats-Depot als Alternative zu dem zugelassenen Arzneimittel Zoladex angewendet, das nur als Einmonatsdepot zur Verfügung gestanden habe. Dass Profact aus Sicht des Klägers wirksamer als die zugelassenen Arzneimittel und in der Anwendung weniger belastend ist, ändert nichts daran, dass es, was der Kläger auch grundsätzlich nicht bestreitet, in den hier zu beurteilenden Quartalen eine anerkannte Standardtherapie gab, der Off-Label-Use mithin nicht alternativlos ist. Für eine Abwägung des Für und Wider des für eine bestimmte Indikation zugelassenen Arzneimittels und des Arzneimittels im Off-Label-Use ist in diesem Zusammenhang kein Raum. Allein das zugelassene Arzneimittel ist bereits im Arzneimittelzulassungsverfahren auf seine therapeutische Wirksamkeit und Unbedenklichkeit für das im Zulassungsantrag benannte Anwendungsgebiet überprüft worden (vgl § 22 Abs 1 Nr 6 AMG und dazu BSGE 89, 184, 186 f = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 30 f). Das Fehlen eines Dreimonatsdepots von Zoladex führt keineswegs, wie der Kläger meint, zwingend zur Zulässigkeit der Anwendung des Dreimonatsdepots von Profact. Wie der Beklagte im angefochtenen Bescheid ausgeführt hat, handelt es sich um zwei verschiedene Präparate mit unterschiedlichen Wirkstoffen und Wirkstoffmengen. Die Belastung der Patientinnen durch häufigere Injektionen stellt Zoladex und Enantone Gyn als Standardtherapie nicht in Frage.

33

bb) Darüber hinaus fehlt es auch an der dritten Voraussetzung für einen Off-Label-Use, nämlich an ausreichenden Belegen für eine begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg: Diese dritte Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn im Behandlungszeitpunkt entweder bereits eine klinische Prüfung mit Phase III-Studien veröffentlicht und ein entsprechender Zulassungsantrag gestellt worden ist oder wenn sonstwie zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen vorliegen, aufgrund derer sich in den einschlägigen Fachkreisen ein Konsens über den voraussichtlichen Nutzen der angewendeten Methode gebildet hat. Außerhalb und während eines Zulassungsverfahrens muss die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Behandlungserfolg, die für eine zulassungsüberschreitende Pharmakotherapie auf Kosten der GKV nachzuweisen ist, derjenigen für die Zulassungsreife des Arzneimittels im betroffenen Indikationsbereich entsprechen. Dies bedeutet, dass der während und außerhalb eines Zulassungsverfahrens erforderliche wissenschaftliche Nachweis durch Studien erbracht werden muss, die die an eine Phase III-Studie zu stellenden qualitativen Anforderungen erfüllen (vgl BSGE 109, 211 = SozR 4-2500 § 31 Nr 19, RdNr 17; BSGE 113, 123 = SozR 4-2500 § 106 Nr 40, RdNr 33). Nach den Feststellungen des LSG gibt es Phase III-Studien für Profact in der Anwendung beim Mamma-Karzinom nicht. Eine entsprechende Zulassung ist nicht beantragt. Aus welchen Gründen der Hersteller die Zulassung von Profact 3-Monats-Depot für die Anwendung beim Mamma-Karzinom bislang nicht beantragt und damit eine arzneimittelrechtliche Überprüfung ermöglicht hat, ist unerheblich.

34

Die vom Kläger vor dem SG vorgelegten Studien und Stellungnahmen erlauben keine andere Beurteilung. Sie betreffen zunächst die Vorteile der zur Injektion verwendeten Nadel. Die Stellungnahme von Prof. Dr. S, auf die der Kläger explizit Bezug nimmt, beruht auf einer Reihe von Publikationen, die die Eignung des Dreimonatsdepots von Profact bei der Behandlung des Mammakarzinoms zum Gegenstand haben. Eine Phase III-Studie wird dabei nicht erwähnt. Auch die sonstige vom Kläger vorgelegte wissenschaftliche Literatur enthält allenfalls Phase I-II-Studien, randomisierte Studien werden nicht belegt. Teilweise betreffen die Veröffentlichungen bereits andere Krankheitsbilder wie etwa Male breast Cancer, in anderen Veröffentlichungen wurde die Wirksamkeit von Burserelin im Zusammenwirken mit anderen Arzneimitteln, etwa Tamoxifen, untersucht.

35

d) Schließlich lagen auch die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des BVerfG der Einsatz eines Arzneimittels unter Außerachtlassung der Begrenzungen durch das AMG und durch § 135 Abs 1 SGB V zulässig sein kann, nicht vor. Das BVerfG hat - zunächst für nicht anerkannte Behandlungsmethoden - aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip und aus Art 2 Abs 2 Satz 1 GG iVm der sich daraus ergebenden Schutzpflicht abgeleitet, dass in Fällen, in denen eine lebensbedrohliche oder in der Regel tödlich verlaufende Krankheit vorliegt und eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, der Versicherte nicht von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode ausgeschlossen werden darf, wenn diese eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bietet (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5, RdNr 33). Diese Grundsätze haben das BVerfG und das BSG auf den Bereich der Versorgung mit Arzneimitteln übertragen. Sofern eine lebensbedrohliche Erkrankung vorliegt (oder - wie das BSG es formuliert - eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung, vgl dazu BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 32) und eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, erstreckt sich der Versorgungsanspruch des Versicherten über die Beschränkungen der arzneimittelrechtlichen Zulassung hinaus auf die Versorgung mit solchen Arzneimitteln, die eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bieten (s hierzu BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16 RdNr 30; SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 30 mwN). Diese Voraussetzungen für erweiterte Behandlungsmöglichkeiten ohne die Beschränkungen durch das AMG sind hier schon deshalb nicht erfüllt, weil es eine nach dem AMG und dem SGB V anerkannte Verordnungsalternative gab.

36

e) Das LSG hat schließlich zu Recht darauf hingewiesen, dass es bei einem Arzneimittelregress nicht darauf ankommt, ob als Folge der Verordnungen des Arztes der Krankenkasse des Versicherten ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats wird der durch eine unrechtmäßige ärztliche Verordnung eingetretene Schaden nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Krankenkasse des Versicherten bei einer rechtmäßigen Verordnung dieselben oder gar höhere Kosten entstanden wären. Diese Rechtsprechung berücksichtigt, dass es auf die Beachtung der für die vertragsarztrechtliche Versorgung geltenden Bestimmungen nicht ankäme, wenn die Kosten, die hypothetisch bei rechtmäßigem Verhalten angefallen wären, schadensmindernd berücksichtigt würden (vgl BSG SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 36 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 51 betr Verordnung von Sprechstundenbedarf; BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14 betr unzulässige faktisch-stationäre Behandlung; BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11 betr eine als Praxisgemeinschaft auftretende Gemeinschaftspraxis; BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 7 RdNr 17 f betr zu lange stationäre Versorgung; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 betr Verordnung von autologen Tumorvakzinen; BSGE 106, 110 = SozR 4-2500 § 106 Nr 27, RdNr 46 betr Verordnung von Immunglobulin; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 44 betr Verordnung von Megastat).

37

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs 2 iVm § 162 Abs 3 VwGO. Danach tragen der Kläger und der Beklagte als unterlegene Rechtsmittelführer die Kosten des Revisionsverfahrens je zur Hälfte (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten von Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keine Anträge gestellt haben (vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Tenor

Die Revisionen des Klägers und des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. Januar 2013 werden zurückgewiesen.

Der Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Rechtmäßigkeit von Arzneimittelregressen wegen der Verordnung von Profact Depot 3-Monatsspritzen für die Quartale I/2002 bis II/2004.

2

Der Kläger ist Chefarzt der Frauenklinik W GmbH in K und nimmt seit 1993 aufgrund von Ermächtigungen an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) teil. Auf den Hinweis des Prüfungsausschusses an den Kläger, dass Wirtschaftlichkeitsprüfungen hinsichtlich der Arzneiverordnungsweise in den Quartalen I/2002 bis IV/2002 durchgeführt würden, trug er vor, die Frauenklinik als überregionales onkologisches Zentrum habe einen hohen Anteil an Mammakarzinom-Patientinnen; neben den kostspieligen Therapeutika für ca 1300 Chemotherapien pro Jahr müssten weitere teure Medikamente zur Knochenmarksstimulation eingesetzt werden. Mit Prüfbescheid vom 3.5.2005 erteilte der Prüfungsausschuss betreffend die Quartale I/2002 bis IV/2002 Hinweise hinsichtlich verschiedener kritisch zu bewertender Medikamente. Zusätzlich erging ein Hinweis an die Schlichtungsstelle der Beigeladenen zu 1. wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung (verschiedene Unterschriften auf Arzneiverordnungen). Einen Regress setzte der Prüfungsausschuss nicht fest. Gegen diesen Bescheid legte die zu 2. beigeladene AOK Widerspruch ein.

3

Mit Prüfbescheid vom 19.7.2005 erteilte der Prüfungsausschuss für die Quartale I/2003 bis IV/2003 Hinweise bezüglich vereinzelter Arzneiverordnungen, zu denen kein Behandlungsschein existiere und folglich kein Leistungsanspruch nachgewiesen sei, und hinsichtlich verschiedener kritisch zu bewertender Medikamente. Zusätzlich erging auch für diese Quartale ein Hinweis an die Schlichtungsstelle der Beigeladenen zu 1. wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung (verschiedene Unterschriften auf Arzneiverordnungen). Gegen diesen Bescheid legten die Beigeladenen zu 2. und 6. Widerspruch ein.

4

Mit Prüfbescheid vom 20.12.2005 beschloss der Prüfungsausschuss für die Quartale I/2004 und II/2004 keine Maßnahme im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Bezüglich der Verordnungsblätter, bei denen kein Behandlungsausweis vorlag, sah der Prüfungsausschuss Regelungsbedarf seitens der Vertragspartner und ggf der Schlichtungsstelle. Gegen die Ablehnung der Festsetzung eines Regresses in diesem Bescheid legte die Beigeladene zu 2. Widerspruch ein.

5

Der Kläger trug in den Widerspruchsverfahren ausführlich zur Verordnung von Profact Depot 3-Monatsspritzen bei Mammakarzinom-Patientinnen vor: Zur adjuvanten Hormontherapie prämenopausaler Patientinnen mit Mammakarzinom sei das Präparat Zoladex als Hormondepot zugelassen. Die Patientinnen benötigten hier eine Injektion pro Monat, ein Dreimonatsdepot sei nicht verfügbar gewesen. Die Injektionsnadel sei sehr lang und dick, wodurch die Injektionen mitunter für die Patientinnen sehr schmerzhaft seien. Er sei daher auf die Alternative von Profact 3-Monatsdepot ausgewichen, bei dem die Injektionsnadel dünner und die Prozedur nur alle drei Monate erforderlich sei. Im Unterschied zu Zoladex seien hier keine Durchbruchsblutungen zu beobachten. Auch hätten die geringeren Kosten für Profact Depot 3-Monatsspritzen gesprochen. Die Voraussetzungen eines zulässigen Off-Label-Use seien erfüllt gewesen. Schon Anfang der 1990er Jahre hätten mehrere Expertengruppen in internationalen und deutschen Studien die Überlegenheit von Buserelin (Wirkstoff in Profact 3-Monatsdepot) bei der Unterdrückung der Östrogenproduktion menopausaler Frauen mit Mammakarzinom belegt. Das Präparat werde im europäischen Ausland konsequent eingesetzt. Für die fehlende Zulassung in Deutschland gebe es nach Auskunft des Herstellers nur Marketinggründe. Unerwünschte Nebenwirkungen seien nicht zu beobachten.

6

In seiner Sitzung am 1.4.2009 beschloss der beklagte Beschwerdeausschuss hinsichtlich der Verordnungen ohne Behandlungsschein und des Verstoßes gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung einen Hinweis an die Vertragspartner. Außerdem hieß es in den Sitzungsprotokollen zu den einzelnen Quartalen, es ergehe hinsichtlich der im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung bewertbaren "AOK-Fälle" (aus den Quartalen I/2002 bis II/2004) bzw hinsichtlich der Quartale I bis IV/2003 auch der "VdAK-Fälle" ein vollumfänglicher Regress bezüglich der verordneten Mengen des Präparates Profact. Dem Regressbegehren der AOK Rheinland-Pfalz werde somit stattgegeben. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts werde für notwendig erachtet. Kosten seien nicht zu erstatten. Der Beklagte übersandte dem Kläger mit Datum vom 21.4.2009 folgendes Schreiben: "als Information über die in der o.g. Sitzung gefassten Beschlüsse übersenden wir Ihnen die Sitzungsprotokolle. Ihr Rechtsanwalt erhält ebenfalls eine Ausfertigung. Der Bescheid wird Ihnen zu einem späteren Zeitpunkt zugestellt." Dem waren die Protokolle über die Beschlüsse zu den einzelnen Quartalen beigefügt.

7

Mit Schreiben vom 27.5.2009 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die Beschlüsse vom 1.4.2009 im Hinblick auf die Regelung des § 27 Abs 1 Satz 2 der ab dem 1.3.2007 geltenden Prüfvereinbarung geändert werden sollen. In den Beschlüssen vom 1.4.2009 sei nicht berücksichtigt worden, dass der Widerspruch einer Krankenkasse, eines Landesverbandes der Krankenkassen oder eines Verbandes der Ersatzkassen gegen einen Prüfbescheid für alle am Verfahren beteiligten Krankenkassen bzw ihre Verbände gelte. Mit Bescheid vom 28.8.2009 (Beschluss vom 17.6.2009) änderte der Beklagte seinen Beschluss vom 1.4.2009 und setzte einen vollumfänglichen Regress bezüglich der zu Lasten aller beteiligter Krankenkassen verordneten Mengen des Präparats Profact in allen streitbefangenen Quartalen fest. Die Regresssumme betrug unter Abzug der Patientenzahlungen insgesamt 45 373,08 Euro (I/2002: 6480,60 Euro; II/2002: 6484,60 Euro; III/2002: 3238,30 Euro; IV/2002 5829,74 Euro; I/2003: 1940,58 Euro; II/2003: 5825,74 Euro; III/2003: 3885,16 Euro; IV/2003: 3889,16 Euro; I/2004: 3899,60 Euro; II/2004: 3899,60 Euro). Außerdem erteilte der Beklagte hinsichtlich der Verordnungen, zu denen kein Behandlungsschein vorlag, sowie bezüglich der Verordnungen mit verschiedenen Unterschriften anderer Ärzte und des daraus abzuleitenden Verstoßes gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung einen Hinweis an die Vertragspartner. Zur Begründung führte der Beklagte aus: Eine statistische Vergleichsprüfung sei ausgeschlossen, weil es keine ausreichende Zahl vergleichbar tätiger Praxen gebe. Die Prüfmethode der repräsentativen Einzelfallprüfung sei mangels hinreichend repräsentativer Daten ebenfalls nicht in Betracht gekommen. Daher sei eine Überprüfung der bewertbaren Einzelfälle durchgeführt worden. Bei dem von dem Kläger in verschiedenen Einzelfällen verordneten Präparat Profact (Dreimonatsdepot) handele es sich um ein hormonantagonistisch wirkendes Arzneimittel mit dem Wirkstoff Buserelin, das laut Fachinformation zur Behandlung des fortgeschrittenen hormonempfindlichen Prostatakarzinoms indiziert sei. Da der Kläger das Medikament bei Patientinnen mit Mamma-Karzinom eingesetzt habe, liege ein Off-Label-Use vor. Dieser sei unzulässig gewesen. Es habe mit den Präparaten Zoladex (Einmonatsdepot) und Enantone Gyn eine andere Therapie zur Verfügung gestanden, die die Standardtherapie darstelle. Auf den Einwand, die durchgeführte Therapie sei kostengünstiger gewesen, komme es nach dem in der Wirtschaftlichkeitsprüfung geltenden normativen Schadensbegriff nicht an. Es habe auch keine begründete Aussicht bestanden, dass mit Profact ein Behandlungserfolg erzielt werden würde.

8

Das SG Mainz hat den Bescheid des Beklagten vom 28.8.2009 in vollem Umfang aufgehoben. Der Beklagte sei, nachdem er bereits mit Bescheiden vom 21.4.2009 über die Widersprüche der Beigeladenen zu 2. und 6. entschieden gehabt habe, nicht mehr berechtigt gewesen, diese Entscheidungen zu ändern.

9

Das LSG hat mit Urteil vom 17.1.2013 das Urteil des SG geändert und die Bescheide des Beklagten vom 28.8.2009 insoweit aufgehoben, als gegen den Kläger ein höherer Regress als 23 810,41 Euro (Verordnungen für Versicherte der Beigeladenen zu 2. im Zeitraum I/2002 bis II/2004 und für Versicherte von Mitgliedskassen des Beigeladenen zu 6. in den Quartalen I bis IV/2003) ausgesprochen wurde. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung des Beklagten hat es zurückgewiesen. Die Bescheide des Beklagten seien hinsichtlich des Regresses in Höhe von 12 150,93 Euro wegen der Verordnungen für die Versicherten der Beigeladenen zu 2. und des Regresses in Höhe von 11 659,48 Euro wegen der Verordnungen für die Versicherten der Mitgliedskassen der Beigeladenen zu 6. im Zeitraum I bis IV/2003 rechtmäßig. Der Kläger habe Profact Depot 3-Monatsdepot für seine Brustkrebspatientinnen nicht verordnen dürfen, weil dieses Medikament zur Behandlung von Brustkrebs nicht zugelassen gewesen sei. Ein zulässiger Off-Label-Use habe nicht vorgelegen. Für den Einsatz des Arzneimittels bei Mamma-Karzinom habe es im maßgeblichen Zeitraum keine Phase III-Studie gegeben. Außerdem lägen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass der Einsatz der zugelassenen Arzneimittel - Zoladex (Einmonatsdepot) und Enantone Gyn - ausgeschlossen gewesen sei. Auf Kostengesichtspunkte komme es in diesem Zusammenhang nicht an. Die angefochtenen Bescheide seien hinsichtlich des Regresses wegen der Verordnungen für die Versicherten der Beigeladenen zu 2. und für die Versicherten der Mitgliedskassen des Beigeladenen zu 6. im Zeitraum I bis IV/2003 auch nicht wegen Verstoßes gegen §§ 44 ff SGB X rechtswidrig, weil der Beklagte insoweit keine zuvor ergangenen Verwaltungsakte aufgehoben, sondern deren Verfügungssatz nur wiederholt habe.

10

Im Übrigen habe das SG der Klage zu Recht stattgegeben. Der Beklagte sei nicht befugt gewesen, in seinen Bescheiden vom 28.8.2009 ohne Beachtung der Bindungswirkung seiner zuvor am 1.4.2009 beschlossenen und unter dem 21.4.2009 dem Kläger mitgeteilten Entscheidungen erneut über die Sache zu befinden. Die Schreiben vom 21.4.2009 stellten Verwaltungsakte dar, da der Kläger sie nach seinem Empfängerhorizont als verbindliche Regelungen habe auffassen müssen. Unschädlich sei, dass sie den Vermerk enthielten, der jeweilige Bescheid werde zu einem späteren Zeitpunkt zugestellt. Entscheidend sei vielmehr, dass aus den Schreiben vom 21.4.2009 der Wille des Beklagten deutlich geworden sei, dem Kläger zu diesem Zeitpunkt das endgültige Ergebnis seiner Entscheidungen bekanntzugeben. Da die Verwaltungsakte vom 28.8.2009 den Kläger im Verhältnis zu den zuvor ergangenen Verwaltungsakten schlechter gestellt haben, greife hier § 45 SGB X ein. Es fehle aber an der für eine Rücknahme nach § 45 SGB X erforderlichen Ermessensausübung. Für eine Ermessensreduzierung auf Null genüge die Drittwirkung der in den Schreiben vom 21.4.2009 enthaltenen Verwaltungsakte für die jeweils vom Arzneimittelregress begünstigten Krankenkassen nicht.

11

Dagegen richten sich die Revisionen des Beklagten sowie des Klägers. Der Beklagte trägt vor, bei der Entscheidung vom 1.4.2009 habe es sich um einen teilweise rechtswidrigen drittbelastenden Verwaltungsakt gehandelt, der noch keine Bestandskraft erlangt habe. Er habe unter den Voraussetzungen des § 45 iVm § 49 SGB X geändert werden können. Selbst wenn Ermessen auszuüben gewesen wäre, wäre dies wegen der Drittwirkung auf Null reduziert.

12

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 17.1.2013 insoweit aufzuheben, als der Bescheid des Beklagten aufgehoben und die Berufung gegen das Urteil des SG Mainz vom 4.5.2011 zurückgewiesen worden ist und die Klage insgesamt abzuweisen sowie die Revision des Klägers zurückzuweisen.

13

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 17.1.2013 insoweit aufzuheben, als das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen worden ist und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Mainz vom 4.5.2011 insgesamt zurückzuweisen sowie die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

14

Er trägt vor, Rechtsgrundlage für die Änderung des Verwaltungsaktes vom 21.4.2009 sei § 47 SGB X, dessen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Sehe man als Rechtsgrundlage § 45 SGB X an, fehle es an der erforderlichen Ermessensausübung. In der Sache habe das LSG zu Unrecht die Voraussetzungen für einen zulässigen Off-Label-Use verneint.

Entscheidungsgründe

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Die Revisionen des Klägers und des Beklagten sind unbegründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass der Bescheid des Beklagten vom 28.8.2009 insoweit rechtswidrig ist, als gegen den Kläger ein Regress von mehr als 23 810,41 Euro festgesetzt wurde. Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig.

16

1. Soweit der Beklagte gegen den Kläger einen Regress wegen der Verordnung von Profact Depot 3-Monatsspritzen für Versicherte der Beigeladenen zu 2. bis 5. sowie der Mitgliedskassen der Beigeladenen zu 6. in den Quartalen I bis IV/2002 und II und III/2004 festgesetzt hat, ist der Bescheid vom 28.8.2009 rechtswidrig. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bescheides vom 21.4.2009 nicht vorlagen.

17

a) Das LSG hat in nicht zu beanstandender Weise das Schreiben vom 21.4.2009 als Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X qualifiziert. Die Auslegung behördlicher Schreiben im Hinblick darauf, ob sie eine Regelung iS dieser Vorschrift enthalten, richtet sich nach denselben Grundsätzen wie die Auslegung eines Verwaltungsaktes. Maßgeblich ist der "Empfängerhorizont" eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 BGB) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl zu den Auslegungsgrundsätzen BSG SozR 4-2600 § 96a Nr 14 RdNr 25; SozR 4-5868 § 3 Nr 3 RdNr 19; BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11; BSG SozR 3-1200 § 42 Nr 8 S 26; Engelmann in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 31 RdNr 25 mwN). Das Revisionsgericht überprüft die berufungsgerichtliche Auslegung einer konkreten Erklärung im Einzelfall anhand der allgemeinen Maßstäbe daraufhin, ob diese mit dem Wortlaut eindeutig unvereinbar ist, ob gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen wurde und ob die auslegungsrelevanten Sachverhaltsumstände vollständig ausgewertet worden sind (vgl BSG SozR 4-5868 § 12 Nr 1 RdNr 63; BSG SozR 3-2500 § 115 Nr 1 S 4 f; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 162 RdNr 3b mwN). Gemessen hieran erweist sich die Entscheidung des LSG als rechtsfehlerfrei und zutreffend. Die Auslegung ist mit dem Wortlaut des Schreibens vereinbar. Zwar könnten die Verwendung des Begriffs "Information" sowie der Verweis auf die Zustellung eines Bescheides zu einem späteren Zeitpunkt auch dafür sprechen, dass es sich nach dem Willen des Beklagten noch nicht um die Bekanntgabe einer verbindlichen Regelung, sondern um eine unverbindliche "Vorabinformation" handeln sollte. Das LSG hat aber mit gut vertretbaren und nachvollziehbaren Erwägungen als entscheidend angesehen, dass für den objektiven Empfänger der Wille des Beklagten erkennbar geworden sei, dem Kläger das endgültige Ergebnis seiner Entscheidungen bekanntzugeben. Die sachliche Entscheidung über den Arzneimittelregress war am 1.4.2009 durch den Beschluss des nach § 106 Abs 5 Satz 3 SGB V zuständigen Beschwerdeausschusses als Gremium getroffen worden. Die Übersendung des Protokolls der Sitzung und der darin gefassten Beschlüsse - auch zu den Kosten - stellten aus der Sicht des Empfängers keine bloße Ankündigung einer Entscheidung, sondern die Bekanntgabe der Entscheidung selbst dar. Bei der Beschlussfassung handelt es sich um einen Vorgang der internen Willensbildung eines kollegial verfassten Entscheidungsgremiums, der aber mit der Abstimmung abgeschlossen ist. Die damit getroffene Regelung erlangt mit der Bekanntgabe die unmittelbare Rechtswirkung nach außen, auf die sie gerichtet ist. Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Schreibens vom 21.4.2009 gingen sowohl der Kläger als Empfänger als auch der Beklagte als Absender davon aus, dass eine abschließende Entscheidung getroffen worden war, auf deren Bestand der Kläger - nicht zuletzt im Hinblick auf die möglicherweise erforderlichen wirtschaftlichen Dispositionen - vertrauen durfte. Lediglich die genaue Begründung, die für das Vorliegen eines Verwaltungsaktes nicht konstitutiv ist und nach § 41 Abs 2 SGB X bis zur letzten Tatsacheninstanz nachgeholt werden kann, sollte in einem weiteren förmlichen Bescheid erfolgen. Das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung hatte lediglich die Folge des § 66 Abs 2 SGG. Dementsprechend werten auch die Beteiligten übereinstimmend das Schreiben vom 21.4.2009 als Verwaltungsakt.

18

Dieser Verwaltungsakt war nach § 39 Abs 1 Satz 1 SGB X mit seiner Bekanntgabe an den Kläger wirksam geworden. Wie sich aus § 39 Abs 1 Satz 2 SGB X ergibt, bleibt der Verwaltungsakt wirksam, solange er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

19

b) Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Entscheidung lagen nicht vor. Die Aufhebung des Verwaltungsaktes vom 21.4.2009 war nur nach Maßgabe des § 45 SGB X möglich, dessen Anforderungen der angefochtene Bescheid nicht genügt.

20

aa) Die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften sind anwendbar, weil sie nicht gemäß § 37 SGB I durch Besonderheiten des Vertragsarztrechts verdrängt werden. Das Verfahren zur Verhängung eines Regresses ist zwar spezialgesetzlich durch § 106 Abs 5 SGB V geprägt. Für die nachträgliche Korrektur von anfänglich rechtswidrigen Prüfbescheiden finden sich indes keine besonderen Vorschriften für den vertragsärztlichen Bereich, sodass die Vorschriften der §§ 44 ff SGB X heranzuziehen sind. Wenn ein Prüfgremium in einem Einzelfall die maßgeblichen gesetzlichen und/oder untergesetzlichen Vorschriften, über deren generelle Anwendbarkeit und Rechtsgültigkeit kein Streit besteht, individuell fehlerhaft handhabt, bestehen keine relevanten Unterschiede zu der typischen Situation im Verwaltungsverfahrensrecht, dass nämlich eine Behörde bei Anwendung der maßgeblichen Vorschriften auf den Einzelfall fehlerhaft handelt. Die Besonderheiten von Honorarbescheiden bzw generell der vertragsärztlichen Honorierung, vor allem die Abhängigkeit der Rechtmäßigkeit der Vergütung von der Wirksamkeit zahlreicher untergesetzlicher Vorschriften und die vielfach bei Erlass des Honorarbescheides fehlende Gewissheit über die Höhe der insgesamt zur Verteilung stehenden Beträge, spielen insoweit keine Rolle. Die dazu vom Senat entwickelten Grundsätze sind nicht betroffen. Anders als bei einem Honorarbescheid, der stets unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Korrektur ergeht (stRspr vgl zB BSGE 89, 62, 66 = SozR 3-2500 § 85 Nr 42 S 345 f und BSGE 89, 90, 93 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 6 f; BSG, SozR 4-5520 § 32 Nr 2 RdNr 10; BSGE 96, 1, 2 f = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 11; BSG, SozR 4-2500 § 106a Nr 1 RdNr 12; Urteil vom 28.8.2013 - B 6 KA 43/12 R - BSGE (vorgesehen) = SozR 4-2500 § 106a Nr 11), ist beim Erlass eines Regressbescheides eine nachträgliche Überprüfung der Verordnungsweise erfolgt und abgeschlossen. Der Vertragsarzt darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass es - vorbehaltlich einer Anfechtung durch Dritte - bei einem ihm mitgeteilten Ergebnis einer Überprüfung seiner Behandlungs- oder Verordnungsweise jedenfalls in dem Sinne verbleibt, dass der Regress nicht zu seinen Lasten verschärft wird. Dementsprechend schränkt der Senat auch die Befugnis der KÄV zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung aus Vertrauensschutzgesichtspunkten ein, soweit die KÄV diese Befugnis bereits "verbraucht" hat, indem sie die Honoraranforderung des Vertragsarztes in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit überprüft und vorbehaltlos bestätigt hat (BSGE 89, 90, 98 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 11 f; bekräftigt in BSG Urteil vom 26.6.2002 - B 6 KA 26/01 R - Juris RdNr 19; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 1 RdNr 18 ff für den Fall der Rückgängigmachung einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung; Urteil vom 28.8.2013 - B 6 KA 43/12 R - BSGE = SozR 4-2500 § 106a Nr 11). In diesem Fall ist die jedem Honorarbescheid innewohnende spezifische Vorläufigkeit und damit die Anwendbarkeit der Berichtigungsvorschriften entfallen. Auch in der hier zu beurteilenden Situation besteht kein Anlass, von den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen abzuweichen, wonach die Behörde vorbehaltlich der besonderen Tatbestände des § 45 Abs 2 Satz 3 iVm Abs 4 SGB X das Risiko dafür trägt, dass sie einen für den Bürger günstigen Verwaltungsakt erlässt, der sich nachträglich als teilweise rechtswidrig erweist.

21

bb) Die Rücknahme des Verwaltungsaktes richtet sich nach § 45 SGB X. Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 des § 45 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

22

(a) Der Regressbescheid vom 21.4.2009 war von Anfang an rechtswidrig, weil er nicht berücksichtigt hat, dass im Hinblick auf die Widersprüche der Beigeladenen zu 2. und 6. (für 2003) die Wirtschaftlichkeit der Verordnungen umfassend für alle gesetzlichen Krankenkassen zu prüfen war. Es kann offenbleiben, ob die am 1.3.2007 in Kraft getretene Regelung des § 27 der Prüfvereinbarung, wonach der Widerspruch einer Krankenkasse für alle am Verfahren beteiligten Krankenkassen und Verbände gilt, auf die hier zu einem früheren Zeitpunkt eingelegten Widersprüche Anwendung findet. Jedenfalls stellt nach der Rechtsprechung des Senats die Überwachung der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung einen einheitlichen Vorgang dar, an dem die Krankenkassen und ihre Verbände ein übergreifendes rechtlich geschütztes Interesse haben, weshalb der Widerspruch einer Krankenkasse auch für die übrigen beschwerten Krankenkassen bzw Verbände wirkt (vgl BSGE 60, 69, 71 = SozR 2200 § 368n Nr 42 S 137, 138 f; SozR 3-2500 § 106 Nr 12 S 61, 64; BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, RdNr 21 zur notwendigen Beiladung; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 10). Der Beklagte hätte mithin, wie im Bescheid vom 28.8.2009 geschehen, umfassend über die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise des Klägers und nicht nur beschränkt auf die die Beigeladenen zu 2. und 6. betreffenden Fälle entscheiden müssen. Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil die statistischen Werte, die zur Einleitung des Prüfverfahrens führten, vom Beklagten im Hinblick auf das individuelle Leistungsspektrum des Klägers nicht als aussagekräftig angesehen wurden. Auch die Überprüfung anhand von Einzelfällen ist nur dann auf eine Krankenkasse beschränkt, wenn sich eine solche Beschränkung aus einem besonderen Antrag oder dem Widerspruch ergibt. Das ist etwa dann der Fall, wenn eine Krankenkasse eine einzelfallbezogene Prüfung im Hinblick auf die Verordnung eines bestimmten Arzneimittels für einen konkreten Patienten beantragt (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 36 RdNr 23; so auch die Konstellation etwa in BSGE 112, 251 = SozR 4-2500 § 106 Nr 38). Wird hingegen, wie hier, eine generelle Überprüfung der Verordnungsweise in Form einer Einzelfallprüfung durchgeführt, weil eine ursprünglich vorgesehene statistische Durchschnittsprüfung wegen Besonderheiten ausscheidet, besteht grundsätzlich kein Anlass, die Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht als einheitlichen Vorgang zu sehen. Die Widersprüche der Beigeladenen zu 2. und 6. enthielten insofern auch keinerlei Einschränkung.

23

(b) Der Bescheid vom 21.4.2009 hatte für den Kläger begünstigende Wirkung, soweit der Regress auf die die Beigeladenen zu 2. und 6. betreffenden Fälle beschränkt war. Es handelte sich um einen Verwaltungsakt, der sowohl belastende Elemente - den Regress bezüglich der Verordnung von Profact zu Lasten der Beigeladenen zu 2. und 6. - als auch begünstigende Elemente - das Absehen von einem weitergehenden Regress - enthielt. Ein Bescheid, in dem eine zu niedrige Verpflichtung ausgesprochen wird, beinhaltet zwar eine Belastung insofern, als überhaupt eine Verpflichtung festgelegt wird, gleichzeitig aber insoweit eine Begünstigung, als gemessen an den gesetzlichen Vorgaben eine Minderbelastung festgelegt wird. Soweit später die Begünstigung eingeschränkt oder beseitigt werden soll, beurteilt sich dies nach § 45 Abs 1 SGB X(vgl BSGE 70, 117, 120 = SozR 3-1300 § 45 Nr 11).

24

(c) Da die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgte, war sie nach § 45 Abs 4 Satz 1 SGB X nur beschränkt auf die in § 45 Abs 2 Satz 3 und Abs 3 Satz 2 SGB X näher geregelten Konstellationen möglich. Danach besteht Vertrauensschutz, soweit der Begünstigte den Verwaltungsakt nicht durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Einer dieser Fälle, die einen Vertrauensschutz ausschließen, lag nicht vor. Vertrauensschutz scheidet auch nicht deshalb aus, weil der Bescheid vom 21.4.2009 noch von den betroffenen Krankenkassen bzw ihren Verbänden hätte angefochten werden können. In einem etwaigen Klageverfahren hätten sie zwar eine Änderung des Bescheides zu ihren Gunsten und zu Lasten des Klägers erreichen können. Dass insofern das Verbot der reformatio in peius, das grundsätzlich auch im Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss gilt (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 37 RdNr 34), im Fall der Drittbetroffenheit einer Verschlechterung der Rechtsposition nicht entgegensteht (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 42), lässt das schutzwürdige Vertrauen gegenüber der erlassenden Behörde darauf, dass der Bescheid nur noch mit den gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen aufgehoben werden kann, aber nicht entfallen. Das Anfechtungsrecht Dritter erweitert nicht die Befugnisse der Behörde zur Aufhebung eines Bescheides von Amts wegen. Die nachträgliche Erkenntnis der Rechtswidrigkeit, die der Beklagte hier als Besonderheit anführt, ist gerade der typische Ausgangspunkt für eine Rücknahme nach § 45 SGB X. Tatsächlich ist der Bescheid von den Beigeladenen nicht angegriffen worden. Nur für den Fall der Anfechtung durch einen Dritten ist aber nach § 49 SGB X die Geltung des § 45 Abs 1 bis 4 SGB X suspendiert. Es reicht nicht aus, dass eine Anfechtungsmöglichkeit besteht, erforderlich ist vielmehr, dass der Dritte Widerspruch eingelegt oder Klage erhoben hat (vgl Merten in Hauck/Noftz, SGB X, Stand: Juni 2014, K § 49 RdNr 9; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 49 RdNr 6; Steinwedel in Kass Komm, Stand: Dezember 2013, SGB X § 49 RdNr 5). § 49 SGB X trägt nur der besonderen Interessenlage im Fall einer Drittanfechtung Rechnung, will aber nicht unabhängig davon der Behörde die Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte erleichtern.

25

(d) Kommt demnach eine Rücknahme des Bescheides bereits wegen Vertrauensschutzes des Klägers nicht in Betracht, fehlt es darüber hinaus an der nach § 45 Abs 1 SGB X erforderlichen Ermessensausübung. Da § 49 SGB X nur nach Einleitung eines Anfechtungsverfahrens Anwendung findet und damit hier nicht heranzuziehen ist, kann offenbleiben, ob auch im Anwendungsbereich von § 49 SGB X Ermessen auszuüben ist(vgl LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 17.2.2011 - L 5 KR 9/10 - Juris RdNr 32; Merten aaO RdNr 14; Schütze aaO RdNr 2; Steinwedel aaO RdNr 8; offengelassen bei BSG SozR 4-2600 § 243 Nr 4 RdNr 60; BSG Urteil vom 3.7.2013 - B 12 KR 8/11 R -, BSGE , SozR 4-1500 § 66 Nr 4 RdNr 43)und ob in diesem Fall Vertrauensschutzgesichtspunkte im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen sind (so Schütze aaO; vgl näher dazu Merten aaO mwN). Es besteht jedenfalls nicht allein wegen der Drittbetroffenheit eine Ermessensreduzierung auf Null. Die Interessen der Drittbetroffenen sind bereits durch die Möglichkeit der Anfechtung und die Befreiung von den Rücknahmebeschränkungen des § 45 Abs 1 bis 4 SGB X berücksichtigt. Lediglich in besonders gelagerten Fällen können möglicherweise spezifische Interessen Dritter eine solche Ermessensreduzierung bewirken. Dafür sind hier keine Anhaltspunkte ersichtlich.

26

2. Soweit der Beklagte gegen den Kläger einen Regress in Höhe von 12 150,93 Euro wegen der Verordnung von Profact Depot 3-Monatsspritzen für Versicherte der Beigeladenen zu 2. sowie in Höhe von 11 659,48 Euro für Versicherte der Mitgliedskassen des Beigeladenen zu 6. festgesetzt hat, ist der Bescheid vom 28.9.2009 rechtmäßig.

27

a) Da der Bescheid vom 28.9.2009 insoweit lediglich den Verfügungssatz des früheren Bescheides wiederholt hat, beinhaltete er keine Aufhebung des Bescheides vom 21.4.2009. Inhaltlich hat er bezogen auf die Beigeladenen zu 2. und zu 6. nur den Verfügungssatz des Verwaltungsakts vom 21.4.2009 aufgenommen und eine ausführliche Begründung gegeben. Eine solche wiederholende Verfügung wird von der Rechtsprechung in der Regel nicht als Verwaltungsakt eingestuft (vgl BSGE 68, 228, 230 = SozR 3-2200 § 248 Nr 1 S 3 f; BSGE 104, 207 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1, RdNr 9; BSG SozR 4-5860 § 15 Nr 1 RdNr 25). Im Hinblick auf die Besonderheiten des Falles, insbesondere wegen der Umstände beim Erlass des Bescheides und des engen Zusammenhangs mit der weitergehenden Regressfestsetzung, ist hier ausnahmsweise eine andere Bewertung gerechtfertigt. Ansonsten müsste im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes des Klägers davon ausgegangen werden, dass die Klage auch den ursprünglichen Regressbescheid vom 21.4.2009 erfassen sollte.

28

b) Rechtsgrundlage des angefochtenen Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626, die auch in den weiteren Jahren 2002 bis 2004 galt). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder anhand von Richtgrößenvolumina (§ 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2), geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 16). Diese Prüfvereinbarungen - hier in § 8 Abs 3 - ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen. Einzelfallprüfungen sind insbesondere dann sachgerecht - und die Wahl dieser Prüfmethode rechtmäßig -, wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in bestimmten einzelnen Behandlungsfällen hinsichtlich des Behandlungs- oder Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 14) oder sich - wie hier wegen der speziellen Ausrichtung der Praxis - die Prüfung nach Durchschnittswerten im Einzelfall als nicht aussagekräftig oder nicht durchführbar erweist (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 RdNr 10).

29

Das LSG hat zu Recht entschieden, dass es sich bei Streitigkeiten über die vertragsarztrechtliche Zulässigkeit von Arzneiverordnungen um einen Fall des § 106 Abs 2 SGB V und nicht um einen Regress "wegen sonstigen Schadens" iS des § 48 Bundesmantelvertrag-Ärzte handelt. Der Beklagte ist selbst zutreffend davon ausgegangen, dass Verordnungen, die die Grenzen der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht eingehalten haben, keinen "sonstigen Schaden" der Krankenkasse darstellen, sondern ein Arzneikostenregress durchzuführen ist, dessen Rechtsgrundlage § 106 Abs 2 SGB V ist(vgl BSG Urteil vom 20.3.2013 - B 6 KA 27/12 R - BSGE 113, 123 = SozR 4-2500 § 106 Nr 40, RdNr 14 mwN; SozR 4-2500 § 106 Nr 43 RdNr 10).

30

c) Die Voraussetzungen für einen Regress im Wege der Einzelfallprüfung gemäß § 106 Abs 2 SGB V waren erfüllt. Der Kläger durfte das Arzneimittel Profact Depot 3-Monatsspritzen nicht zur Behandlung des Mamma-Karzinoms verordnen. Dies folgt daraus, dass dessen Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) nur für die Anwendung bei der Diagnose Prostatakrebs erfolgt war, sodass die Verordnung von Profact Depot bei anderen Krebsarten wie dem Mammakarzinom einen Off-Label-Use darstellte. Dessen Voraussetzungen lagen nicht vor.

31

Ein solcher Off-Label-Use von zugelassenen Arzneimitteln ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass in diesen Fällen nicht das Verfahren nach dem AMG durchlaufen wurde, das mit der Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit auf die Gewährleistung von Arzneimittelsicherheit angelegt ist. Wie vom 1. Senat des BSG in langjähriger Rechtsprechung wiederholt herausgestellt und vom 6. Senat weitergeführt worden ist, müssen für einen zulässigen Off-Label-Use - zum einen - eine schwerwiegende Erkrankung vorliegen (dh eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung), und es darf - zum anderen - keine andere zugelassene Therapie verfügbar sein, und - zum dritten - aufgrund der Datenlage muss die begründete Aussicht bestehen, dass mit dem betroffenen Arzneimittel ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (stRspr; BSGE 106, 110 = SozR 4-2500 § 106 Nr 27, RdNr 51 f; zusammenfassend BSGE 109, 212 = SozR 4-2500 § 31 Nr 19, RdNr 16; SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 16; zuletzt BSGE 113, 123 = SozR 4-2500 § 106 Nr 40). Hinreichende Erfolgsaussichten bestehen nur dann, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse über Nutzen und Risiken des Mittels aufgrund von Phase III-Studien vorliegen, die eine erweiternde Zulassung ermöglichen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse von gleicher Qualität veröffentlicht sind (BSGE 109, 212 = SozR 4-2500 § 31 Nr 19, RdNr 17). Ergänzend ist stets zu prüfen, ob ausnahmsweise eine Verordnung unter Zugrundelegung der vom BVerfG in seinem Beschluss vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) aufgestellten - und jetzt in § 2 Abs 1a SGB V nF normierten - Voraussetzungen zulässig und geboten ist bzw war.

32

aa) Dass es sich beim Mamma-Karzinom um eine schwerwiegende Erkrankung handelt, liegt auf der Hand. Es stehen aber zur Hormontherapie von Patientinnen mit Mamma-Karzinom mit Zoladex und Enantone Gyn zugelassene Arzneimittel zur Verfügung. Der Kläger trägt selbst vor, er habe Profact 3-Monats-Depot als Alternative zu dem zugelassenen Arzneimittel Zoladex angewendet, das nur als Einmonatsdepot zur Verfügung gestanden habe. Dass Profact aus Sicht des Klägers wirksamer als die zugelassenen Arzneimittel und in der Anwendung weniger belastend ist, ändert nichts daran, dass es, was der Kläger auch grundsätzlich nicht bestreitet, in den hier zu beurteilenden Quartalen eine anerkannte Standardtherapie gab, der Off-Label-Use mithin nicht alternativlos ist. Für eine Abwägung des Für und Wider des für eine bestimmte Indikation zugelassenen Arzneimittels und des Arzneimittels im Off-Label-Use ist in diesem Zusammenhang kein Raum. Allein das zugelassene Arzneimittel ist bereits im Arzneimittelzulassungsverfahren auf seine therapeutische Wirksamkeit und Unbedenklichkeit für das im Zulassungsantrag benannte Anwendungsgebiet überprüft worden (vgl § 22 Abs 1 Nr 6 AMG und dazu BSGE 89, 184, 186 f = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 30 f). Das Fehlen eines Dreimonatsdepots von Zoladex führt keineswegs, wie der Kläger meint, zwingend zur Zulässigkeit der Anwendung des Dreimonatsdepots von Profact. Wie der Beklagte im angefochtenen Bescheid ausgeführt hat, handelt es sich um zwei verschiedene Präparate mit unterschiedlichen Wirkstoffen und Wirkstoffmengen. Die Belastung der Patientinnen durch häufigere Injektionen stellt Zoladex und Enantone Gyn als Standardtherapie nicht in Frage.

33

bb) Darüber hinaus fehlt es auch an der dritten Voraussetzung für einen Off-Label-Use, nämlich an ausreichenden Belegen für eine begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg: Diese dritte Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn im Behandlungszeitpunkt entweder bereits eine klinische Prüfung mit Phase III-Studien veröffentlicht und ein entsprechender Zulassungsantrag gestellt worden ist oder wenn sonstwie zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen vorliegen, aufgrund derer sich in den einschlägigen Fachkreisen ein Konsens über den voraussichtlichen Nutzen der angewendeten Methode gebildet hat. Außerhalb und während eines Zulassungsverfahrens muss die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Behandlungserfolg, die für eine zulassungsüberschreitende Pharmakotherapie auf Kosten der GKV nachzuweisen ist, derjenigen für die Zulassungsreife des Arzneimittels im betroffenen Indikationsbereich entsprechen. Dies bedeutet, dass der während und außerhalb eines Zulassungsverfahrens erforderliche wissenschaftliche Nachweis durch Studien erbracht werden muss, die die an eine Phase III-Studie zu stellenden qualitativen Anforderungen erfüllen (vgl BSGE 109, 211 = SozR 4-2500 § 31 Nr 19, RdNr 17; BSGE 113, 123 = SozR 4-2500 § 106 Nr 40, RdNr 33). Nach den Feststellungen des LSG gibt es Phase III-Studien für Profact in der Anwendung beim Mamma-Karzinom nicht. Eine entsprechende Zulassung ist nicht beantragt. Aus welchen Gründen der Hersteller die Zulassung von Profact 3-Monats-Depot für die Anwendung beim Mamma-Karzinom bislang nicht beantragt und damit eine arzneimittelrechtliche Überprüfung ermöglicht hat, ist unerheblich.

34

Die vom Kläger vor dem SG vorgelegten Studien und Stellungnahmen erlauben keine andere Beurteilung. Sie betreffen zunächst die Vorteile der zur Injektion verwendeten Nadel. Die Stellungnahme von Prof. Dr. S, auf die der Kläger explizit Bezug nimmt, beruht auf einer Reihe von Publikationen, die die Eignung des Dreimonatsdepots von Profact bei der Behandlung des Mammakarzinoms zum Gegenstand haben. Eine Phase III-Studie wird dabei nicht erwähnt. Auch die sonstige vom Kläger vorgelegte wissenschaftliche Literatur enthält allenfalls Phase I-II-Studien, randomisierte Studien werden nicht belegt. Teilweise betreffen die Veröffentlichungen bereits andere Krankheitsbilder wie etwa Male breast Cancer, in anderen Veröffentlichungen wurde die Wirksamkeit von Burserelin im Zusammenwirken mit anderen Arzneimitteln, etwa Tamoxifen, untersucht.

35

d) Schließlich lagen auch die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des BVerfG der Einsatz eines Arzneimittels unter Außerachtlassung der Begrenzungen durch das AMG und durch § 135 Abs 1 SGB V zulässig sein kann, nicht vor. Das BVerfG hat - zunächst für nicht anerkannte Behandlungsmethoden - aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip und aus Art 2 Abs 2 Satz 1 GG iVm der sich daraus ergebenden Schutzpflicht abgeleitet, dass in Fällen, in denen eine lebensbedrohliche oder in der Regel tödlich verlaufende Krankheit vorliegt und eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, der Versicherte nicht von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode ausgeschlossen werden darf, wenn diese eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bietet (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5, RdNr 33). Diese Grundsätze haben das BVerfG und das BSG auf den Bereich der Versorgung mit Arzneimitteln übertragen. Sofern eine lebensbedrohliche Erkrankung vorliegt (oder - wie das BSG es formuliert - eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung, vgl dazu BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 32) und eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, erstreckt sich der Versorgungsanspruch des Versicherten über die Beschränkungen der arzneimittelrechtlichen Zulassung hinaus auf die Versorgung mit solchen Arzneimitteln, die eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bieten (s hierzu BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16 RdNr 30; SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 30 mwN). Diese Voraussetzungen für erweiterte Behandlungsmöglichkeiten ohne die Beschränkungen durch das AMG sind hier schon deshalb nicht erfüllt, weil es eine nach dem AMG und dem SGB V anerkannte Verordnungsalternative gab.

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e) Das LSG hat schließlich zu Recht darauf hingewiesen, dass es bei einem Arzneimittelregress nicht darauf ankommt, ob als Folge der Verordnungen des Arztes der Krankenkasse des Versicherten ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats wird der durch eine unrechtmäßige ärztliche Verordnung eingetretene Schaden nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Krankenkasse des Versicherten bei einer rechtmäßigen Verordnung dieselben oder gar höhere Kosten entstanden wären. Diese Rechtsprechung berücksichtigt, dass es auf die Beachtung der für die vertragsarztrechtliche Versorgung geltenden Bestimmungen nicht ankäme, wenn die Kosten, die hypothetisch bei rechtmäßigem Verhalten angefallen wären, schadensmindernd berücksichtigt würden (vgl BSG SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 36 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 51 betr Verordnung von Sprechstundenbedarf; BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14 betr unzulässige faktisch-stationäre Behandlung; BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11 betr eine als Praxisgemeinschaft auftretende Gemeinschaftspraxis; BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 7 RdNr 17 f betr zu lange stationäre Versorgung; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 betr Verordnung von autologen Tumorvakzinen; BSGE 106, 110 = SozR 4-2500 § 106 Nr 27, RdNr 46 betr Verordnung von Immunglobulin; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 44 betr Verordnung von Megastat).

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs 2 iVm § 162 Abs 3 VwGO. Danach tragen der Kläger und der Beklagte als unterlegene Rechtsmittelführer die Kosten des Revisionsverfahrens je zur Hälfte (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten von Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keine Anträge gestellt haben (vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.